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Diakonische Information Nr. 168-3/13 !!! Im Wordrap: Alexander Pschill Interview: Joachim Hagleitner „Reiß dich zusammen!“ Hilft das? Miteinander leben Graz, Lagergasse Themen Aus dem Rahmen gefallen Psychosoziale Gesundheit

Aus dem Rahmen gefallen. Psychosoziale Gesundheit (Diakonie Themen 01/2013)

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Lernen Sie Diakonie-Projekte zum Thema Psychosoziale Gesundheit kennen.

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Info

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Nr.

168-

3/13

!!!Im Wordrap: Alexander Pschill

Interview:Joachim Hagleitner

„Reiß dich zusammen!“Hilft das?

Miteinander lebenGraz, Lagergasse

Themen

Aus dem Rahmen gefallenPsychosoziale Gesundheit

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Irre erfolgreich! Begnadete Manager, Spitzen-politiker oder Firmenchefs haben oft eine psychische Störung.“ – Mit dieser Schlagzeile hat das renommierte Wochenmagazin „Die

Zeit“ Mitte August aufgemacht. Was Arbeitnehmer immer schon ahnten, ist nun

auch wissenschaftlich erforscht und erwiesen. Manche Chefs haben eine Macke, die sie auch noch er-folgreich macht, oft sogar, wenn andere darunter lei-den mögen.

Aus der Bibel kennen wir das Phänomen, dass bedeu-tende Gestalten oft aus der Norm fallen. Da gab es Män-ner, denen Gestalten mit vier Flügeln erschienen oder die Schriftrollen aßen oder die sich nackt vor eine Stadt legten, um sie zu belagern. Als Hesekiel sich mit einem scharfen Schwert die Haare vom Kopf rasier-te und sie in alle Winde verstreute, um zu verkün-den, so werde es auch den Bewohnern der Stadt Jerusalem gehen, hielten ihn wohl einige für ver-rückt ob dieser radikalen Anzeichen einer psychi-schen Erkrankung.

Man möchte meinen, wenn selbst Spitzenmana-ger und Propheten solche Anzeichen aufweisen, dann sei das Phänomen bekannt und weitgehend als zum Leben der Menschen gehörig anerkannt. Doch weit gefehlt! Was nicht ganz normal ist, wird

versteckt und tabuisiert, ist schambesetzt und soll womöglich nicht sichtbar werden.

Vor allem dann, wenn die Erkrankungen nicht in das Muster unserer auf Leistung genormten Gesell-schaft passen. Was beim Schulkind noch als Auf-merksamkeitsdefizit-Syndrom mit Ritalin behan-delt wird, heißt beim rastlosen Investmentbanker

dann „Performance“. Doch wer aus dem engen

Rah men der Leistungsgesell-schaft fällt, weil seine Psyche erkrankt ist, ist schnell selber schuld. Sollte „sich am Riemen reißen“, „besser auf sich schau-en“, „sich behandeln lassen“.

Doch wie meist führt der Weg über die Schuld in die Irre. Wie andere Erkrankungen auch können psychische Erkrankun-gen jede und jeden treffen. Sie

sind, wenn auch nicht immer heilbar, so doch be-handelbar. Wie andere Erkrankungen auch, werden psychische Erkrankungen durch das gesellschaft-liche Umfeld beeinflusst. Eine Tabuisierung hilft weder den Kranken noch denen, die sich auf der Seite der Gesunden wähnen.

Wenn es stimmt, dass jede Zeit ihre psychischen Erkrankungen gebiert – und vieles spricht dafür –, dann sollten wir genauer hinhören, was uns die prophetischen Stimmen, die sich über die Erkran-kungen der Seele Gehör verschaffen, über unser Zusammenleben sagen möchten.

Themen2

edItorIal

Die Irren unter unsAus dem Rahmen gefallen: Psychische Erkrankungen können jede und jeden treffen.

Pfarrer Mag. Michael Chalupka, Direktor Diakonie Österreich n

„Was beim schulkind noch mit Ritalin behandelt wird, heißt beim rastlosen Investmentbanker dann Performance“

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Martina Gasser, Brot für die WeltKarin Groß-Wasserscheid, Diakoniezentrum GolsGünther Karner, Diakonie de La TourHannelore Kleiss, Diakonie Zentrum SpattstraßeAndrea Obermühlner, Diakoniewerk Gallneukirchen

Claudia Roethy, Stadtdiakonie WienEva Rohregger, Diakonie Miteinander leben Verena Schlichtmeyer, Diakonie FlüchtlingsdienstBelinda Schneider, Johanniter-Unfall-Hilfe

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Was mich irre machtWer in sozialen Berufen arbeitet, begegnet im Alltag immer wieder „irren“ Situationen.

Irren ist menschlichDie psychischen Leidenszustände verändern sich. Über die Zeitdiagnose Burnout, den Sinn des Depressiv-Seins und die Kultur des „Mit-Seins“ in der Psychiatrie.

„Mit der eigenen Existenz konfrontiert“Joachim Hagleitner im Interview über die Lücken in der Hilfe für psychisch Kranke.

ProjekteWohngruppe „Kaya“, mobile Wohnbegleitung, Therapiezentren Ankyra und Jefira.

Ich könnte schwören ...Wordrap mit dem Schauspieler Alexander Pschill.

… wie ein ausgetrockneter SchwammTexte von KlientInnen aus der Suchttherapie.

Stigma – die zweite KrankheitGefährlich, faul, selbst schuld – Pauschalansichten über psychisch Kranke sind weit verbreitet.

Fachkommentar: Neues Wohnen im AlterMenschen brauchen Rückzug und Gemeinschaft.

Die Welt in Zahlen

Buchempfehlungen, Beispiele aus Europa

Lagergasse: ein Haus mit Leib und SeeleFamilien, Studierende, SeniorInnen und Menschen mit psychischen Erkrankungen unter einem Dach.

Kurz gemeldet„Sprungbrett Glöcklturm“, Awards für „Brot für die Welt“, BASIS Margetin.

„Deren Not zum Himmel schreit“Joachim Meyerhoff: Als Kind in der Psychiatrie.

Themen 3

Inhalt

An diesem Heft mitgearbeitet haben

THEMA: Psychosoziale Gesundheit

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Erst einmal ist es der Krieg in meinem Land Tschetschenien – ich habe gesehen, was kein Mensch sehen sollte. Schon viel zu jung. Was meinen Schlaf raubt und mich nervös macht, ist, dass ich nicht zu Hause leben kann und dass mein Land zerstört wird. Das hört nicht auf. Meine Eltern sind immer noch dort, sie haben kein gutes Leben, ich möchte sie sehen und für sie sorgen. Hier in Österreich – ich bin sehr dankbar

– gehöre ich nicht ganz dazu, als

Rustam T.

Verena Rameseder

Gerti W.

Gabriele Mantl

Was mich als Leiterin des Psychotherapiezentrums Ankyra immer wieder irre macht, ist, dass so viele Flüchtlinge einen so dringlichen Bedarf an Unter-stützung haben und unsere Ressourcen immer zu knapp sind. So müssen schwer traumatisierte Men-schen monatelang auf einen Therapieplatz warten. Was kaum erträglich ist, sind die verrückten Lebens-bedingungen von Asylwerbenden: keine Arbeit, kei-ne sinnvolle Tätigkeit, Warten, keine Sicherheit. Ich finde es irre, dass mehr Geld für Flüchtlingsabwehr ausgegeben wird als für Flüchtlingsbetreuung und dass die Gesetze dauernd verschärft werden.

Gabriele Mantl ist seit 2013 Leiterin von Ankaya, Zentrum für interkultu-relle Psychotherapie des Diakonie-Flüchtlingsdienstes.

Was ich irre finde, ist die Tatsache, dass Medien und Gesellschaft versuchen, uns ein bestimmtes Frauen- und Männerbild zu „verkaufen“. Ein Vorgaukeln dessen, wie man(n) bzw. frau sein sollte. Diäten, wahnwitzige Ernährungstipps, abgemagerte Models, bearbeitete Bilder, Kleidergröße Null – mit all dem und noch viel mehr werden wir tagtäglich bewusst und unbewusst beeinflusst. Ein Tipp: Achtsam, kritisch und aufmerksam bleiben und sich bei Bedarf Rat und Unterstützung einholen!

Verena Rameseder, 30 Jahre, Sozialarbeiterin. Seit April 2011 Gruppenleiterin der Wohn-gruppe Kaya für Mädchen und Frauen mit Essstörungen im Diakonie Zentrum Spattstraße in Linz.

Jeder von uns ist etwas Besonderes. Durch all die kleinen Unterschiede ist jeder einzigartig und der Mensch, der er ist. Warum wird uns ei-ne Richtlinie vorgegeben? Ist man nur durch das vorgeschriebene Aussehen gut, modern, schön und gesund? Ich finde es verrückt, wenn man so sein muss, wie es andere sagen. Gerti W., 18 Jahre, Klientin. Seit Februar 2012 betreut in der Wohngruppe Kaya im Diakonie Zentrum Spattstraße.

Flüchtling bist du immer anders, die Österreicher behandeln dich nicht gleich. Rustam T. aus Tschetschenien war zwei Jahre lang in psycho-therapeutischer Behandlung bei Ankyra.

Themen4

Was mich irre macht PortrÄts

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„Mich macht die Falschheit bei manchen Menschen irre und wenn ich Dinge nicht mehr finde. Ich lege meine Brille oder das Ladegerät von meinem Handy an einen bestimmten Platz, zum Beispiel auf ein Möbelstück. Obwohl ich es dort gesehen habe, finde ich es dann nicht mehr an diesem Platz. Es macht mich irre, wenn man das dann auf meine schizoaffektive Störung schiebt, weil ich nichts dafür kann, wenn ich die Dinge nicht mehr finde.“

Annemarie Ganser

Helga Preiss

Was mich irre macht, ist die Unmöglichkeit zu erahnen geschweige denn zu wissen, wie die Lebenssituationen meiner KlientInnen sich in Bezug auf die Dauer der Bearbeitung von Anträgen durch die zuständigen Stellen, die Beurteilungen von Entscheidungsträgern, Gesetzes-änderungen oder Gesetzesauslegungen entwickeln. Oft-mals sind in der Beratung keine eindeutigen und klaren Aussagen möglich, sondern nur ein ermutigendes

„Versuchen wir es so und so – nach meiner Erfahrung ergeben sich da gute Chancen“.

Rosemarie Weigl

Michael Thüringer

Annemarie Ganser, 60 Jahre alt, wohnt seit 2009 in der sozialpsychia-trischen Wohngemeinschaft Mosaik des Diakoniezentrums Gols. Sie leidet an einer schizo affektiven Störung.

Helga Preiss, Sozialarbei-terin im Evangelischen Sozialzentrum Wien derSozialberatungsstelleder Stadtdiakonie Wien.

„Ich finde Ehrlichkeit, die Berge, die Natur und die Blu-men, die schön blühen, irre. Mich machen das viele Ver-brechen, Diebstahl und die vielen Autos, die so viel fahren, irre, weil es genug öf-fentliche Verkehrsmittel gibt. Die Abgase von den Autos machen alles von der Natur kaputt, weil der Sauerstoff dann weg ist.“

Rosemarie Weigl, 59 Jahre alt, wohnt in der sozial psy-chiatrischen Wohngemein-schaft Mosaik des Diakonie-zentrums Gols. Sie leidet an einer posttraumatischen Belastungsstörung und an paranoider Schizophrenie und hat manchmal disso-zia tive Krampfanfälle.

Leute, die nur an sich denken und womöglich durch Unehrlichkeit Vorteile erzielen. Als Zivil-diener bei den Johannitern erlebe ich täglich, wie viele Menschen tatsächlich auf Hilfe ange-wiesen sind. Ich finde, diese Menschen haben mehr Rücksicht und Respekt verdient.Michael Thüringer (22 Jahre) hat den Zweig Druck- und Medientechnik an der Höheren Graphischen Bundes-Lehr- und Versuchsan-stalt absolviert und ist derzeit Zivildiener bei den Johannitern.

Wer in sozialen Berufen arbeitet, begegnet immer wieder „irren“ Situationen. Wer sozial bewegt ist, wird angesichts mancher Situationen selbst bisweilen fast „ver-rückt“. Wir haben KlientInnen und MitarbeiterInnen in Diakonie-Einrichtungen gefragt.

Themen 5

PortrÄts

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sie schreit und kreischt, krümmt sich, das Kinn kippt nach vorne, der Körper schüttelt sich – die schöne Keira Knightley im Kino einmal ganz schiach. Der Film „A Dan-

gerous Method“ widmet sich der Königin der Neu-rosen vor hundert Jahren, der Hysterie. Die gefähr-liche Methode ist die Psychoanalyse.

Die Spaziergänge im Unbewussten legen eine Welt frei, die Körper innen und außen verschmel-zen lässt. Die Welt geht unter die Haut und schnei-det in die Körper. Die Sexualmoral der Zeit samt der Ohnmachtsposition von Frauen mischte sich unter das Seelenfleisch. Frauen hatten anmutig, tugend-

haft, asexuell, rein und kontrolliert zu sein. In ihnen sollte sich das Gute, Edle und Schöne spiegeln. Die Hysterikerin trat demgegenüber als der teuflische Gegentypus auf. Sie zeigte sich unberechenbar, ekstatisch und der Realität entrückt.

Hundert Jahre später dominiert das erschöpfte Selbst. „Burnout“ ist zur großen Diagnose gewor-den. Oft versteckt sich dahinter eine Depression. Da geht es um den schlechten Stress, der nagt und quält, der lange dauert und niederhält. Der psychi-sche Apparat drückt die Stopp-Taste: Alles wird langsamer, alles wird müder, Zusammenbruch – nichts geht mehr. Tätigkeiten, die hohe Anforderun-

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Die psychischen Leidenszustände verändern sich mit der Zeit. Über die Zeitdiagnose Burnout, den Sinn des Depressiv-Seins und die Kultur des „Mit-Seins“ in der Psychiatrie.

Von Martin Schenk

Irren ist menschlich

thema

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Ingrid Salem, psychologische Leiterin der Psychosomatik-Station der Diakonie de La Tour

gen stellen und gleichzeitig mit wenig Raum zur eigenständigen Kontrolle ausgestattet sind, erhö-hen diesen schlechten Stress.

Der Mangel an Kontrollmöglichkeit kann in zwei Formen auftreten: zum einen nicht über die Gestal-tung der Arbeitsaufgaben entscheiden zu können, zum anderen die eigenen Fähigkeiten und Fertig-keiten nicht nützen zu können.

Dauern diese Ohnmachtserfahrungen an, lernen wir Hilflosigkeit: Lass mich erleben, dass ich nichts bewirken kann. Wer feststellt, dass er trotz aller An-strengungen nichts erreichen kann, wird früher oder später resignieren.

die drei ZutatenDer Giftcocktail besteht aus drei Zutaten: hohe Anforderung, geringe Kontrollmöglichkeit und we-nig Anerkennung. Wenn ich mich anstrenge, viel in eine Sache hineinbuttere und nichts he raus bekom-me – keine Anerkennung, kein freundliches Wort, dafür miesen Lohn und keine Aufstiegschancen –, dann wird es massiv gesundheitsschädlich. Das ist wie Vollgas fahren bei angezogener Handbremse.

Der Giftcocktail aus Anstrengung, Ohnmacht und mangelnder Anerkennung hat sich in die Mitte

der Gesellschaft gefressen. Besonders in schlech-ten Jobs mit mieser Bezahlung und geringem Ein-fluss kommt er zur Wirkung. Die Spaziergänge im Unbewussten treffen auf andere Landschaften, die Wege aber bleiben die gleichen. Die soziale Schere geht unter die Haut und schneidet in den Körper.

Wie ein Burnout entsteht„Der unter Burnout bekannte Zustand physischer oder seelischer Erschöpfung ist ein schleichender Prozess, der aus engagierten, idealistischen Men-schen mit der Zeit erschöpfte, ausgebrannte und zynische Personen macht“, erklärt die psychologi-sche Leiterin der Psycho somatik-Station der Diako-nie de La Tour, Dr. Ingrid Salem. „Ausgangspunkt des Burnouts ist die Produktion von Stresshor-monen im Gehirn.“

Seit 2004 besteht im Diakonie-Krankenhaus Waiern ein Department für Psychosomatik. Im en-ge ren Sinn versteht man unter psychosomatischen Krankheiten entweder eine Kombination von see-lischen Problemen mit körperlichen Beeinträchti-gungen ohne organi schen Befund (psychosoma-tische Funktionsstörungen) oder die Kombination einer nachweisbaren körperlichen Krankheit mit

Themen 7

s s

thema

Psychosoziale Gesundheitn Irren ist menschlichn Interview: Joachim Hagleitnern Projekte aus der Diakonien Poesie aus dem Krankenhaus der Diakonie de La Tourn Stigma: die zweite Krankheitn Fachkommentar: Elke Merln Die Welt in Zahlen

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begleitenden seelischen Störungen (psychosoma-tische Körperkrankheiten). Wichtig ist es, Angehöri-ge und Betroffene eigenengagiert einzubeziehen. Waiern ist seit 2010 als „selbsthilfefreundliches Krankenhaus“ anerkannt.

Ein oft übersehenes Problem ist die Depression im Alter. Nahezu ein Drittel der an geriatrischen Abteilungen aufgenommenen PatientInnen leidet an Ängsten oder depressiven Störungen. Nur die Hälfte dieser PatientInnen erfährt eine diesbezüg-liche Abklärung. Damit bleibt vielen der Zugang zu einer entsprechenden Therapie verwehrt.

Demgegenüber konnte am Krankenhaus Waiern gezeigt werden, dass 51 % der erkrankten Patien-tInnen Hilfe durch Therapie bekommen können (siehe Grafik Therapiehäufigkeit auf dieser Seite).

therapie erfasst auch BeziehungenDie Behandlungsmöglichkeiten sind vielfältig. Eine ganzheitliche Therapie erfasst auch die Beziehungs- und Konfliktdynamiken einer Erkrankung. Der tiefere Sinn des Depressiv-Seins liegt für die Betrof-fenen darin, sich die eigenen Möglichkeiten zu ver-bieten, weil sie sich an den Maßstäben der anderen orientieren.

„Betroffene machen sich selbstverbie-tend in Schwie rigkeiten kleiner, als sie sind“, so beschreiben der Psychiater Klaus Dörner und die Psychologin Ursula Plog depressive Menschen. Sie kombi-nieren Leistungsehrgeiz und Unabhän-gigkeitskampf mit dem Leugnen realer Abhängigkeiten. Sie nehmen alles genau und sind nicht in der Lage, Trauer, Schmerz, Trennung und Aggression zu

leben. Die Kehrseite der Depression ist die Manie. „Manisch hat die PatientIn ihre Angst und depressiv ihre Wünsche erlebnisfähig zu machen.“

In der mani schen Phase muss die verräumte Angst wieder erfahrbar werden, in der Depression die verdrängten Wünsche. PatientInnen sollen aus dem Manisch-Sein „eigenes Streben nach Selbstbe-freiung ohne Schuldgefühl mitnehmen, aus dem Depressiv-Sein das Streben nach Selbstbegrenzung ohne Selbstabwertung“ (Dörner/Plog).

die Frage nach dem menschenbildIn der Psychiatrie läuft als heimlicher Film immer die Frage nach dem Menschenbild mit. Damit ver-bunden ist die Frage nach der Behandlung.

Die Sozialpsychiatrie, Reformbewegungen wie Soteria und gemeindepsychologische Ansätze plädieren für eine humane, neuroleptikaarme, vor-wiegend psycho-, sozio- und milieutherapeutische Behandlung. Das Soteria-Konzept steht für ein Ich-stärkendes Milieu, in dem Psychosen weniger als Krankheit denn als Ausdruck einer existenziel-len Krise und als Beziehungsstörung verstanden

Themen8

thema

„Betroffene machen sich selbstverbie-tend kleiner, als sie sind“

Opiatabhängigkeit 0,4Zwangsstörungen 0,7Essstörungen 0,9Cannabisabhängigkeit 1Persönlichkeitsstörungen 1,3Verhaltensstörungen 3Alkoholabhängigkeit 3,4Somatoforme Störung* 4,9ADHS (bei unter 18-Jährigen) 5Demenz 5,4Depression 6,9Schlafstörungen 7Angststörungen 14Burnout über 20

Häufigkeit psychischer Erkrankungen in EuropaBetroffener Anteil der Bevölkerung innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten

n Depression/Angst unbekanntn keine Depression/Angstn nicht therapierte Depression/Angstn therapierte Depression/Angst

100%

80%

60%

40%

20%

0%

Therapiehäufigkeit –Depression/Angststörung

Krankenhaus Waiern andere Zentren

3,5

40,7

4,7

51,1

48,4

31,2

10,79,7

* Körperliche Beschwerden ohne organische Ursache

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werden: Irren ist menschlich. Eine einfühlende Psychosebegleitung, eine wohnliche, alltagsnahe und verbindliche Umgebungsgestaltung sowie die Förderung einer therapeutischen Gemeinschaft kennzeichnen die Einrichtungen.

Im Mittelpunkt steht eine „Kultur des Mit-Seins“, bei der die Einrichtung von den PatientInnen und MitarbeiterInnen gemeinsam bewohnt wird: n Einrichtung einer gemütlichen Wohnküche als

zentraler Begegnungsraum bei gleichzeiti ger Abschaffung des Dienstzimmers

n konsequente Umsetzung eines Bezugsperso-nensystems

n verbindliche Einbeziehung von Angehörigenn Besetzung eines Empfangstresens ähnlich einer

Hotelrezeption zur Gewährleistung einer offe-nen Stationstür

n Angebot der Begleitung von Patienten in akuten psychotischen Krisen ohne Medikation bzw. mit Niedrigmedikation auf Wunsch

n Förderung eines wohnortnahen sozialen Netz-werks gegenseitiger Hilfeleistung

In Berlin haben sich Dienste etabliert, die Beglei-tung in schweren seelischen Krisen und in akuten Phasen psychotischen Erlebens entweder zu Hause oder in einer Krisenpension anbieten. Das Team besteht aus Betroffenen, Angehörigen und Profis. Sie bieten Hilfe und Lebensbewältigung an – in Situatio nen, in denen Menschen an sich und an der Welt leiden. n

Psychologische Nachbetreuung im öffentlichen Krankenhaus Waiern der Diakonie de La Tour

Themen 9

thema

Psychische Erkrankungen

AnGStStöRUnGEn: Panikattacken, Phobien, Zwänge

BELAStUnGSStöRUnGEn: extremer Stress, trauma

AffEKtiVE StöRUnGEn DEPRESSiOn: Zustand der völligen niedergeschlagenheit und trostlosigkeit MAniE: unerschöpfliche Hochstimmung und Rastlosigkeit

SOZiALPSyCHiAtRiE: Die sozialen Bezüge und die familiären und gesellschaftlichen Bedingungen der Patienten werden gleichberechtigt neben den medizinischen Aufmerksamkeits-schwerpunkten bewertet.

BiOPSyCHOSOZiALES MODELL: Biologische, psychologische und soziale faktoren sind für sich genommen und in ihren komplexen Wechselwirkungen für die Entstehung und Aufrechterhaltung von Krankheiten verantwortlich. Chronische Krankheiten lassen sich nicht auf einen körperlichen oder seelischen Kern oder eine bloße Addition körperlicher und psychischer faktoren reduzieren.

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DiakonieThemen: Steigt die Zahl psychischer Erkrankungen?

Joachim Hagleitner: Wir sehen, dass die Inanspruchnahme von Angeboten steigt. Rund 900.000 Personen nehmen laut Haupt-verband der Sozialversicherungs-träger jährlich Leistungen in An-spruch, die mit psychischen Pro-blemen zu tun haben. Schät-zungen zufolge hat ein Viertel der Bevölkerung zumindest ein-mal im Leben eine psychische Er-krankung. Über psychische Pro-bleme zu sprechen ist nach wie vor ein Tabu. Lange Zeit hat die

psychische Gesundheit in der po-litischen Diskussion eine geringe Rolle gespielt. Das liegt wohl da-ran, dass psychisch kranke Men-schen keine starke Lobby haben. Erfreulicherweise hat sich das in den letzten Jahren geändert.

? Was sind die häufigsten Erkran-kungen und Leidenszustände?

Am häufigsten treten Depressio-nen und Angststörungen auf. Viele Erkrankungen haben mit Arbeit zu tun, mit den Lebens-um ständen, mit Überforderung, Verlust des Arbeitsplatzes, Dop-pelbelastung bei Alleinerziehen-

den, finanziellem Druck. Burnout ist ein Prozess zunehmender Er-schöpfung, der in vielen Fällen in einer Depression mündet, die be-handlungsbedürftig ist. Augen-merk muss man auf Kinder und Jugendliche legen, die oft von Aufmerksamkeitsdefiziten oder Entwicklungsstörungen betrof-fen sind. Vieles davon wird jetzt früher entdeckt, weil heute mehr auf die Entwicklung der Kinder geachtet wird. Es ist nicht ganz geklärt, ob es sich um eine Zu-nahme der psychischen Erkran-kungen handelt oder ob mehr Störungen erkannt werden.

„Bei Kindern und Jugendlichen ist nicht

ganz geklärt, ob die psychischen Erkran-kungen zunehmen

oder ob heute mehr Störungen erkannt

werden“

Themen10

IntervIeW

„Mit der eigenen Existenz konfrontiert“Joachim Hagleitner analysiert die Lücken in der Hilfe für psychisch Kranke und plädiert dafür, Vernetzungstätigkeiten stärker zu honorieren. Mit dem Gesundheitswissenschafter und Psychologen sprach Martin Schenk.

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? Heißt das, psychisch krank zu sein ist nicht mehr so stigmati-siert wie früher?

Es gibt mehr Wissen über psy-chische Erkrankungen in der Be-völkerung. Hilfe wird häufiger in Anspruch genommen. Einerseits sind viele neue Angebote ge-schaffen worden. Andererseits ist es aber noch immer ein Tabu, darüber zu sprechen. Zum Bei-spiel muss man sich sehr gut überlegen, ob man am Arbeits-platz KollegInnen mitteilt, dass man da Probleme hat.

? Besonders wenn es starke Kon-kurrenz am Arbeitsplatz gibt.

Ja, oder weil man Angst hat, an-ders behandelt zu werden. Ich glaube, dass psychische Erkran-kungen bei den meisten Men-schen Ängste auslösen und eine Abwehrhaltung entsteht. Man wird mit der eigenen Existenz konfrontiert.

? Mit der eigenen Verletzlichkeit.

Mit der Angst, die Kontrolle zu verlieren oder verrückt zu wer-den. Es ist doch so, dass wir ver-suchen, dem aus dem Weg zu gehen. Wenn ein Familienmit-glied psychisch krank wird, ist das eine völlig neue Situation, die nicht nur für den Betroffenen

selbst Fragen aufwirft, sondern auch für die Familie und das Le-bensumfeld. Das ist vergleichbar mit einer schweren somatischen Erkrankung. Psychische Erkran-kungen führen dazu, dass man sich mit seiner eigenen Existenz auseinandersetzen muss, als Be-troffener im Besonderen – aber auch jeder im sozialen Umfeld.

? Stationäre Anstalten am Stadt-rand im Grünen waren vor hun-dert Jahren ein großer Fortschritt gegenüber den Narrentürmen von früher – aber am Rand der Stadt, abgeschottet von der Ge-sellschaft. Dann kam die Psychiat-riereform, mit dem Ziel, Betrof-fene in die Gesellschaft zu inte-grieren. Wo stehen wir jetzt?

Die sozialpsychiatrischen Ansät-ze haben sich durchgesetzt: Ab Mitte der 1970er-Jahre hat es einen massiven Bettenabbau gegeben, von der Anstaltsver-sorgung weg hin zu kleineren, wohnortnahen Einheiten. Es gibt heute eine breite Palette an Angeboten. Es besteht aber das Problem, dass die Einrichtungen zu wenig verschränkt sind und finanzielle Steuerungsmecha-nismen fehlen, die diese Zusam-menarbeit erleichtern oder för-dern. Betten sind zwar massiv

reduziert worden, aber es sind nicht im selben Ausmaß neue Angebote geschaffen worden.

? Was wären Steuerungsanreize?

Die Vernetzungstätigkeit zu ho-norieren, anzuerkennen, dass Vernetzung und Zusammenar-beit essenziell sind bei psychi-schen Erkrankungen. Kooperati-on braucht Zeit und sie ist not-wendig. Leider wird jeder Be-reich isoliert gesehen, von den Geldgebern, zum Teil auch von den Leistungsanbietern selber. Politik, Geldgeber und Leistungs-anbieter müssen akzeptieren, dass Zusammenarbeit notwen-dig ist. Dementsprechend muss es gewidmete Ressourcen geben.

? Wichtig aus Ihrer Sicht sind also die Vernetzung und eine bessere wohnortnahe Versorgung?

Vernetzung beginnt schon in der Planung. In diesem Bereich schlummert ein großes Verbes-serungspotenzial. Im Akutkran-kenhaus passiert wichtige Basis-versorgung. Nach einem statio-nären Aufenthalt kommt der Fa-milie und dem sozialen Umfeld eine wichtige Funktion zu. Be-sonders schwer haben es Men-schen, die auf ein solches Um-feld nicht zurückgreifen können.

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Themen 11

„Vernetzung beginnt in der Planung. Hier schlummert Verbesserungs-potenzial“

IntervIeW

Joachim Hagleitner ist studierter Pychologe und Absolvent der fachhochschule für Unternehmens-führung und Management in Wien. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Abteilung für Sozialpolitik an der Wirtschaftsuniversität Wien. Seit 2005 ist er bei Gesundheit österreich in den Berei chen Alten-, Langzeit- und psycho soziale Versorgung und Gesund-heits planung tätig. Gesundheit österreich: www.goeg.at

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Themen12

Projekte

K aya“ heißt „große Schwester“ und ist der Name der sozial-

therapeutischen Wohngruppe in Linz, in der Mädchen und junge Frau en mit Essstörungen woh-nen und professionell betreut werden. Die Wohngruppe wird vom Diakonie Zentrum Spatt-straße in Linz betrieben und vom Land Oberösterreich finanziert.

Die Mädchen und jungen Frau-en wohnen hier unter professio-

neller Begleitung. Dabei gehen sie weiter an ihren Arbeitsplatz, in die Schule oder führen ihre Ausbildung weiter.

Diese Mädchen bedürfen klarer und sicherer Strukturen, die es ihnen ermöglichen, ihre Balance zwischen Autonomie und Bezie-hung zu finden und das einmal Er arbeitete aufrechtzuerhalten und zu vertiefen.

www.spattstrasse.at n

F lüchtlinge, die Gewalt, Krieg, Folter und Ver-gewaltigung überlebt haben, leiden unter

den psychischen und körperlichen Auswirkun-gen der Traumatisierung. Aufgrund von Sprach-barrieren haben sie einen erschwerten Zugang zu Unterstützung in psychischen Krisensituatio-nen im Rahmen der Gesundheitsversorgung.

Mit Ankyra und Jefira bietet der Diakonie Flüchtlingsdienst zwei Zentren für kultursensi-ble, dolmetschunterstützte und traumaspezi-fische Psychotherapie und psychiatrische Bera-tung in Innsbruck und Sankt Pölten an.

Die PsychotherapeutInnen bei Ankyra und

Jefira arbeiten im Team mit DolmetscherInnen sowie methodenpluralistisch mit diversen Therapieschulen und traumatherapeutischen Verfahren.

http://fluechtlingsdienst.diakonie.at n

D ie Heilsarmee bietet in Wien mobile Wohnbegleitung für Personen an, die

aus einer Übergangswohneinrichtung in eine eigene Wohnung ziehen und beim eigen ständigen Wohnen noch sozialarbei-terische Unterstützung benötigen.

Menschen, die wegen ihrer psychischen Erkrankung ihre Wohnung verloren haben, schaffen es im betreuten Übergangswohn-heim meist, ihre Schulden zu begleichen, und können wieder in eine eigene Woh-nung ziehen. Damit sie nicht in alte Verhal-tensmuster zurückfallen, gibt ihnen die mobile Wohnbegleitung Unterstützung.

Die Sozialarbeiterin der mobilen Wohn-begleitung besucht die KlientInnen regel-mäßig. Neben dem persönlichen Kontakt erinnert sie sie an Termine und Fristen, hilft, Formulare auszufüllen, lässt sich Miet- und Energieeinzahlungen zeigen.

Die KlientInnen erhalten damit den Rückhalt und die Kontrolle, die sie benöti-gen, um ihre eigene Wohnung zu erhalten.

www.heilsarmee.at n

Wohngruppe „Kaya“ für Mädchen mit Essstörungen

Ankyra und Jefira: Psychotherapie für Flüchtlinge

Mobile Wohnbegleitung

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? In Österreich gibt es eine starke Trennung zwischen dem medizi-nischen „Cure“-Sektor und dem sozialen „Care“-Sektor.

Es gibt keine Gesundheit ohne psychische Gesundheit. Viele Be-reiche gehören miteinander ver-bunden und mit Gesundheitsför-derung durchdrungen, etwa die Schule. Schlagwort Case-Ma-nagement: Das muss nicht eine eigene Person sein, die nur diese Aufgabe hat. Wichtig sind der Gesamtblick und die integrierte Hilfe gerade bei Kindern und Ju-gendlichen oder bei Menschen, die sich nicht mehr gut um sich selbst kümmern können. Diese soll dort jemand begleiten und Hilfe organisieren. Es gibt Defizi-te in der Bedarfsgenauigkeit der Angebote. Wir haben viele her-vorragende Angebote, viele hoch qualifizierte Menschen. Es fehlt aber manchmal die Unter-stützung bei der Suche nach dem passenden Hilfsangebot. Das er-fordert ein neues, sektor über-greifendes Denken. Das Schlag-wort Health in All Policies muss stärker gelebt werden. Wir müs-sen ein umfassenderes Verständ-nis der Versorgung entwickeln.

? Wo orten Sie noch Verbesse-rungsbedarf?

Viele Angebote konzentrieren sich auf den städtischen Bereich. Das Angebot ist zwischen Stadt und Land ungleich verteilt. Der starke Aufbau und Ausbau in der stationären kinder- und jugend-psychiatrischen Versorgung muss fortgesetzt werden, die fachärztlichen Kapazitäten müs-sen ausgebaut werden. Ambu-lant gibt es für Kinder und Ju-gendliche einen Mangel bei Psy-chotherapie, Ergotherapie, Logo-pädie und Physiotherapie.

? Da ist die Schnittstelle zur Ju-gendwohlfahrt wichtig.

Das Zukunftspotenzial liegt in der Zusammenarbeit. Wenn sta-tionäre Versorgung nicht mehr

nötig ist, braucht es eine Wohn-gemeinschaft, die über Personal verfügt, um Jugendliche mit psy-chischen Erkrankun gen gut be-treuen zu können. Stationäre und ambulante Angebote sind kommunizierende Gefäße.

? Können sich Menschen mit psy-chischen Erkrankungen Hilfe or-ganisieren?

Wenn ich als Erwachsener in der Lage bin, in eine Ambulanz zu gehen oder irgendwo anzurufen, dann bekomme ich ein passen-des Angebot. Wenn ich dann noch über Geld verfüge, um mir, falls nötig, selber eine Psycho-therapie zu leisten, dann ist es ganz einfach. Sobald meine Fä-higkeiten durch die Schwere der Erkrankung eingeschränkt sind, was bei sehr schweren Depressi-onen oder Schizophrenie häufig der Fall ist, wenn ich mich nicht mehr gut um mich kümmern kann, mir niemand zur Seite steht, dann hab ich gröbere Pro-bleme. Wenn ich von einer chro-nischen Erkrankung betroffen bin und nicht mehr imstande bin, mich um mich zu kümmern: Da gibt es Verbesserungsbedarf. Bei den Kindern und Jugend-lichen sehe ich es ähnlich: Wenn eine Entwicklungsverzögerung auftritt, kann man etwas unter-

nehmen. Wenn es Eltern gibt, die in der Lage sind, sich darum zu kümmern, funktioniert das ganz gut. Sobald aber diese Unter-stützung ausfällt, werden sie mit etwas konfrontiert, das für sie völlig neu ist. Viele Menschen sind überfordert mit den Hilfs-angeboten, sie kennen den Un-terschied zwischen Psychologen und Psychiatern nicht. Wo kom-plexer Hilfebedarf besteht, sollten wir besondere Aufmerk-samkeit hinlenken. Da gibt es Defizite. Da gibt es Menschen, die wir übersehen, wie zum Bei-spiel auch Kinder mit schweren Störungen aus dem Autismus-spektrum.

? Es gibt noch einiges zu tun.

In den vergangenen Jahren ist das Angebot ausgebaut und ver-bessert worden, es gibt aber Lücken, und es zeichnen sich neue Herausforderungen ab. Wir werden uns darauf einstellen müssen, dass es aufgrund der höheren Lebenserwartung mehr altersbedingte Erkrankungen wie Demenz geben wird. Hier werden neue Angebote notwen-dig sein. Psychiatrieplanung soll-te ein kontinuierlicher Prozess sein. Der künftigen Entwicklung sehe ich gespannt und mit eini-gem Optimismus entgegen. n

s s

Themen 13

„Wir müssen ein umfassenderes Verständnis der Versorgung entwickeln“

IntervIeW

Page 14: Aus dem Rahmen gefallen. Psychosoziale Gesundheit (Diakonie Themen 01/2013)

Themen14

Ich könnte schwören ...Wordrap mit Alexander Pschill.

wurde 1970 in Wien geboren. nach seiner Schauspielausbil-dung in den USA war er in zahlreichen fernsehfilmen zu sehen. Bekannt wurde er als Ermittler Marc Hoffmann in

„Kommissar Rex“. 2001 wurde er mit dem Romy Shooting-star ausgezeichnet. Seit 2005 ist er im Ensemble des thea-ters in der Josefstadt und der Kammerspiele. 2013 gab er sein Regiedebüt mit seinem Lieblingsstück „Das weite Land“ in Wien. Alexander Pschill unterstützt seit mehreren Jahren den Diakonie flüchtlingsdienst.

Alexander Pschill

WordraP

Verrückt?„ich könnte schwören, das Bett stand gestern mit dem fußende in südlicher Richtung. Man hat es doch nicht etwa in meiner Abwesenheit ...“

Nervenstärke?nicht mitmachen!

Schönster Erfolg?Eine im Handarbeitsunterricht gehäkelte Maus aus Wolle (ca. 1979)

Alexander Pschill in der „Traumnovelle“ (l.) und in „Endlich

Schluss“

Luxus? Pizzaservice

Typisch Österreich?Beleidigt sein

Süchtig nach?Meiner freundin, See im Moor, fledermäusen, Asterix, Wurst, Glück, Stolz, Joseph Haydn, Haydn-Kino, Rosemary’s Baby, Massagen, Räubergeschichten, Poker, Shake-speare & Co, new Hollywood, Old Hollywood, Sofas, Sufis etc.

Traumrolle?falafel-tortilla

Diakonie?Muss ich googeln :-)

Lieblingswort?Leguan

Seelenheil?nicht mitgemacht zu haben und zu erkennen, dass es richtig war

Vision? Break, Auszeit, teestündchen … auf globaler Ebene!

Entbehrlich?Vaterland

Erstrebenswert?Keine Patrioten

Lebensmotto?Mottos immer für sich behalten!

Page 15: Aus dem Rahmen gefallen. Psychosoziale Gesundheit (Diakonie Themen 01/2013)

15Themen

… wie ein ausgetrockneter schwamm

Themen 15Themen 15

dIakonIe WörtlIch

Menschen, die im Krankenhaus der Diakonie de La Tour ihre Sucht bekämpft haben, geben uns Einblick in ihre Gefühle, Ängste und Zweifel während der Therapie.

Mehr als die Vergangenheit interessiert mich die ZukunftDenn in ihr gedenke ich zu leben!B.T., Sommer 2012

Diese acht Wochen waren und sind ein PlusIch gehe voller neuer Energie und einem kräftigen Fundament nach Hause.W. M., Sommer 2012

De La Tour-Tango

Wir trinken aufgespritztes Mango

Wieder mal lachen, über lustige Sachen […]

Abstinenz ist unser Ziel

Und jeder der das will, hat ein herrliches Gefühl!

P.C., Sommer 2012

Die Zeit heilt alle WundenIn Stille bin ich euch verbundenMut und Zuversicht zeigen mir das LichtDer Weg nach vorne ist mein ZielGlücklich – alt – gesund, so Gott es will!R.M., Sommer 2012

Zum Abschied reich ich euch die HändeMein Spielen hat ab jetzt ein EndeGehe voller ZuversichtMeinen neuen Weg zu Ende!H. S., Sommer 2012

Schlafen können, schlafen.Bin kraftlos und ausgelaugt.Darf müde und erschöpft sein. Ruhe und Stille sauge ich auf wie ein ausgetrickneter Schwamm.Wer bin ich?S.R., Sommer 2012

Groß ist die Freude, die deutlich wird, wenn sie es geschafft haben, über den eigenen Schatten zu springen und die Sucht zu bewältigen.

Hier traf ich auf so manche MeisterMit den Farben und mit KleisterÄrzte waren auch darunterDaher geht hier niemand unter.Hier malte ich viele StundenDas tat gut um zu gesundenJetzt verlass ich dieses HausFit und nüchtern geh ich rausHier hat man mir sehr viel gegebenJetzt werde ich besser leben.Acht Wochen hier im De La TourDas war für mich Erleben pur!M.G., Sommer 2012

D as Krankenhaus der Diakonie de La tour

in treffen (Kärnten) ist ein Behandlungszentrum für Alkohol- und Medika-mentenabhängigkeit sowie für Spiel-, Kauf- und internetsucht.

Page 16: Aus dem Rahmen gefallen. Psychosoziale Gesundheit (Diakonie Themen 01/2013)

krankheiten des Kör-pers sind ein beliebter Gesprächsstoff. Bei Geburtstagen, in der

Mittagspause oder am Stamm-tisch taugen Rückenschmerzen,

Rheuma und verstauchte Knöchel als Thema, bei dem jeder gerne ein

Wörtchen mitredet. Psychische Leiden dagegen werden meist penibel verschwiegen.

Dabei sind psychische Krankheiten keine Selten-heit: Im Schnitt wird jeder Vierte irgendwann im Leben einmal seelisch krank. Trotzdem verheimli-chen die meisten Betroffenen ihr Leiden.

Sie suchen erst spät Hilfe, weil sie fürchten, dass andere ihre Probleme nicht nachvollziehen können, und weil sie fürchten, pauschal als „Verrückte“ abgestempelt zu werden – nicht ohne Grund. Tatsächlich ist psychische Krankheit bis heute mit einem Stigma belastet.

Über Menschen mit Depressionen heißt es häu-fig, sie seien gar nicht richtig krank, sondern vor allem disziplinlos. Über Suchtkranke herrscht der Glaube vor, sie hätten sich ihre Lage vor allem selbst zuzuschreiben. Untersuchungen zeigen, dass die Vorurteile gegenüber schizophren Er-krankten besonders ausgeprägt sind: Sie gelten ge-meinhin als „unberechenbar“ und „gewalttätig“.

vorurteile und abstandGefährlich, faul, selbst schuld – obwohl diese Pau-schalansichten nicht stimmen, halten sie sich hart-näckig und sind weit verbreitet.

Man kann einem Menschen mit einer Depressi-on nicht sagen, er soll sich zusammenreißen, dann wird es schon wieder. Das wird nichts verbessern. Im Gegenteil. Es erhöht seine Trostlosigkeit und verstärkt seinen Grundkonflikt, es – gegen seine Wünsche – allen recht machen zu wollen.

Die zusätzliche Belastung durch das Stigma ist eine „zweite Krankheit“. Betroffene müssen nicht nur mit den Symptomen der Krankheit zurecht-kommen, sondern zusätzlich verkraften, dass über

sie getuschelt wird, Vorurteile herrschen und man von ihnen Abstand nimmt.

Auch wenn Stigmatisierung oft gar nicht aus bö-sem Willen geschieht, sondern aus Unwissen und einer naiven Vorstellung davon, was „normal“ ist – die Folgen sind mitunter schwerwiegend: Häufig ziehen sich Freunde, Bekannte und Nachbarn zu-rück – manchmal auch der psychisch Kranke selbst.

Der Soziologe Alfred Grausgruber von der Univer-si tät Linz spricht von einem Teufelskreis: „Die psychi sche Erkrankung zusammen mit den Vorur-teilen beschädigt die sozialen Beziehungen. Gerade diese wirken aber stabilisierend und unterstützend auf die psychische Gesundheit. Brechen sie zum Teil weg, steigt das Risiko für einen Rückfall.“

Die „zweite Krankheit“ verschlimmert und ver-längert nicht nur das Leiden der Betroffenen. Viele begeben sich wegen der Ressentiments nur zö-gernd in Behandlung und stellen dort die körper-lichen Symptome in den Vordergrund, weil diese als „richtige“ Krankheiten gelten. So entstehen auch unnötige Kosten für das Gesundheitswesen.

es fehlt die aufklärungHeftig kritisiert Georg Psota, Leiter der psychosozi-alen Dienste in Wien, Schlagzeilen von Boulevard-medien wie „Irrer Machthaber“, wenn es um Dikta-toren oder Despoten von „Schurkenstaaten“ geht:

„Alle großen Potentaten waren nicht im engeren Sinn psychisch krank.“ Hingegen habe es viele sehr berühmte Menschen mit psychischen Erkrankun-gen gegeben: „US-Präsident Abraham Lincoln – oh-ne ihn gäbe es keine Menschenrechte – war schwer depressiv, Winston Churchill hat in seinen depres-siven Phasen geglaubt, er sei der schlechteste Pre-mier, den Großbritannien je hatte.“

„Jeder Mensch erkrankt einmal in seinem Leben an Grippe oder grippalem Infekt“, so Psota. „In diesem Ausmaß ist auch jeder Mensch einmal in seinem Leben psychisch krank. Ich habe den Ein-druck, dass wir, was die psychischen Erkrankungen betrifft, noch nicht ganz in der Zeit der Aufklärung angelangt sind.“ n

Themen16

!!!

mythen und mÄrchen

Mythos „Reiß dich zusammen“

Gefährlich, faul, selbst schuld ... diese Pauschalansichten stigmatisieren psychisch Kranke.

Page 17: Aus dem Rahmen gefallen. Psychosoziale Gesundheit (Diakonie Themen 01/2013)

Elke Merl ist Mitbegründerin und Geschäftsführerin des gemeinnützigen Vereins

„Miteinander leben“, der sich seit dem Jahr 2000 mit der Entwicklung und Umsetzung alternativer Wohnfor men für Senioren beschäftigt.

In den Anfangsjahren der Diakonie Miteinander le-ben GmbH waren wir er-staunt, wie viele der Be-

wohnerinnen und Bewohner in unserem ersten Haus, den Seni-orenwohngemeinschaften in der Lagergasse, eine diagnostizierte psychische Erkrankung hatten – und wie gut diese Wohnform für die Zielgruppe passte.

Die Wohngemeinschaften bie-ten Rückzugsmöglichkeiten im Wohnbereich (Zimmer mit Bad und WC), die Gemeinschaftsräu-me die Möglichkeit für Begeg-nungen und Gespräche. Die Fa-milien verhindern eine Ghetto-isierung.

Als dann fast nur noch Men-schen mit psychischen Beein-trächtigungen bei uns wohn ten, ergab sich die Chance, drei der vier Wohngemeinschaften auf vollzeitbetreutes Wohnen um-zustellen. Für diese Wohnform konnten wir eine bessere Finan-zierung bekommen. So konnten wir mit genügend Fachpersonal eine adäquate Tagesstruktur

und eine durch gän gige Betreu-ung in der Nacht anbieten.

Nach wie vor liegt der Schwer-punkt unserer Arbeit auf der Geron topsychiatrie. Es ist eine Herausforderung, mit Menschen zu arbeiten, die seit Jahrzehnten an einer psychischen Erkrankung leiden und ein Martyrium an stationären Behandlungen hin-ter sich haben. Ein ganzes Leben lang „aus dem Rahmen zu fallen“ und vor allem die jahrelange Ein-nahme von Medikamenten mit schweren Nebenwirkungen be-wirken, dass die Betroffenen auch physisch krank geworden sind.

neuer dachverbandWeil dieser Personenkreis keine Lobby in der Öffentlichkeit hat, engagieren wir uns im neu ge-gründeten Dachverband GPVSt, dem Gemeindepsychiatrischen Verbund Steiermark, in dem sich viele sozialpsychiatrische Dienst-leister vernetzen, um eine besse-re Versorgung und Betreuung psychisch Kranker in der Steier-

mark zu entwickeln und umzu-setzen. Gemeinsam lassen sich diese Anliegen leichter vor Politik und Öffentlichkeit präsentieren.

Der Dachverband ist eine Plattform für Betroffene und de-ren Angehörige, aber auch für niedergelassene Allgemeinme-dizinerInnen, Psycho thera peu tIn -nen und klinische Psy cho lo gIn -nen. Wichtig ist uns die Sui zid-prävention, denn jedes Jahr ster-ben in Österreich mehr Menschen durch Selbst-mord als bei Autounfällen.

Am Welttag gegen Sui-zid (10. September) fand am Grazer Hauptplatz wieder eine Aktion vieler Organisationen statt.

Das allein reicht natür-lich nicht für eine Präven-tion! Zehn wirkungsvolle Schritte für psychische Gesund-heit (siehe Abbildung) sollen hel-fen, innezuhalten, neue Perspek-tiven für das eigene Leben zu finden und Hilfe zu suchen und zu finden, wenn man allein nicht mehr weiterkommt. n

Themen 17

Neues lernen. Neues zu lernen heißt, meine Neugier zu pfl egen, meinem Leben wieder neue Impulse zu geben und dadurch mein Selbst-wertgefühl zu heben.

In Kontakt bleiben. Ein Netzwerk an guten FreundInnen sorgt dafür, dass wir in Krisen und Kon-fl ikten nicht alleine sind. Es muss aber gepfl egt werden!

Aktiv bleiben.Körperliche Aktivität ist ein wichtiger Ausgleich zu Über-reizung, Arbeitsstress und zu hohem Lebenstempo.

Um Hilfe fragen. Sich Hilfe von außen zu holen ist kein Ausdruck von Schwäche, im Gegen-teil: Es zeugt von Mut und Kraft seinen Problemen entgegenzutreten.

Sich entspannen. Bewusste Pausen und Bewegung oder einfach bewusstes Ein- und Aus atmen sorgen für Entspannungs-phasen im Alltag.

Etwas Kreatives tun. Im kreativen Gestalten können Sehnsüchte, Wünsche, Gedanken und Ängste ihren Ausdruck fi nden und sichtbar gemacht werden.

Darüber reden. Es ist ein tiefes mensch-liches Bedürfnis, sowohl Freuden, als auch Sorgen mitteilen zu wollen. Durch das Erzählen wird Sorge geteilt, Freude verdoppelt.

Sich selbst annehmen.Wenn ich mich selbst annehme, kann ich meine Stärken bewusst wahr-nehmen und benennen. Ich weiß, was mir gut tut. Und: Nobody is perfect!

Sich nicht aufgeben. Schicksalsschläge, Schock, Trauer brauchen Raum und Zeit um emotional verdaut zu werden. Professionelle Hilfe kann dabei ein „Rettungsring“ sein.

Sich beteiligen. Sich als Teil einer Gemein-schaft zu erleben, die trägt und solidarisch zusammenhält, gehört zu den wichtigsten Lebenserfahrungen.

10 WIRKUNGSVOLLE SCHRITTEFÜR PSYCHISCHE GESUNDHEIT

schau auf di!Fachkommentar

Neues Wohnen im alterWenn Menschen im Alter eine psychische Erkrankung haben, brauchen sie eine Wohnform, die beides bietet: Rückzug und Gemeinschaft. Von Elke Merl

Page 18: Aus dem Rahmen gefallen. Psychosoziale Gesundheit (Diakonie Themen 01/2013)

Quellen: www.brandeins.de, www.statistik.gv.at, www.who.int

Die Welt in Zahlen

2,4 %1999

?1999

10,3 %2007

9,7 %2007

Kranken-standsfälle

auf 1000 Personen aufgrund psychia-

trischer Krank-heiten

0,1 Burundi1,0 China3,5 Turkmenistan4,5 Südafrika6,5 Österreich7,5 Deutschland8,3 Bulgarien9,6 Ungarn12,0 Norwegen19,3 Kanada22,1 Belgien28,4 Japan

Anzahl der Psychiatrie-Betten pro 10.000 EinwohnerInnen (2005)

der österreichi-

schen Bevölkerung beurteilen ihren

Gesundheitszustand als „sehr gut“

2004 4,62007 24,22010 63,2

Durch das

Burnout-Syndrom bedingte Krankheitstage in Deutschland pro 1000 Versicherte im Jahr

Zahl der Nennungen des Begriffs

Burnout in ausgewählten überregionalen

deutschen Printmedien im Jahr

2004 2612007 3362010 632

27,4 %2011

17,2 %2000

11,4 %1990

37,5 %2007

34,3 %1999

32,1 %1991

der befragten

Personen mit Medi-kamentenkonsum nah-men ärztlich verordnete

Medikamente gegen Schlafstörungen

der befragten

Personen mit Medi-kamentenkonsum nah-men ärztlich verordnete

Medikamente gegen Depressionen

Themen18

daten

Page 19: Aus dem Rahmen gefallen. Psychosoziale Gesundheit (Diakonie Themen 01/2013)

Fallen lassen Brigitte Schwaiger, Czernin 2006

Brigitte Schwaiger veröffentlichte die Texte in die-sem Buch über sich als Patientin der Psychiatrie auf der „Baumgartner Höhe“. Es geht nicht nur um ihre eigene Befindlichkeit, ihre Depressionen und

Süchte, sondern auch um den Zustand der österreichischen Psychia-trie. Was sie in ihren Aufsätzen berichtet, besticht durch Authentizi-tät, einen selbst auferlegten Verzicht von Stilisierung und Literari-sierung und durch Schonungslosigkeit sich selbst gegenüber.

Psychosoziale Arbeit in der Psychiatrie – systemisch oder subjektorientiert? Sigrid Haselmann Vandenhoeck & Ruprecht 2008

In diesem Handbuch wird mit Bezug auf die psychosoziale Arbeit neben der subjektorien-tierten Sozialpsychiatrie die systemische Per-

spektive mit ihren anders gearteten Denk- und Vorgehensweisen vorgestellt. Welche Konzepte und Methoden sind einschlägig? Von welcher Art ist die jeweils angebotene professionelle Hilfe? Nach welchen Kriterien wird die Beziehung mit den KlientInnen gestal-tet? Wie werden Gespräche geführt?

Normal. Gegen die Inflation psychiatrischer Diagnosen Allen Frances, Dumont 2013

Vor einer Inflation der Diagnosen in der Psychi-atrie warnt der renommierte Psychiater Allen Frances. Alltägliche Sorgen und Seelenzustände werden als behandlungsbedürftige geistige

Krankheiten kategorisiert. Verständlich und kenntnisreich schildert Allen Frances, was diese Änderungen bedeuten, wie es zu der über-handnehmenden Pathologisierung allgemeinmenschlicher Verhal-tensweisen kommen konnte, welche Interessen dahinterstecken und welche Gegenmaßnahmen es gibt.

I m kleinen Städtchen Kilmarnock im Westen Schottlands bietet CrossReach, eine diakonische Organisation, Hilfe

für Menschen mit psychischen Erkrankungen. Seit der Er-öffnung des Morven-Tageszentrums im Jahr 1992 wurden die Angebote sukzessive ausgeweitet.

Heute können die knapp 150 BesucherInnen im Zentrum an verschiedenen Einzel- oder Gruppenaktivitäten teilneh-men und sich selbst auch ehrenamtlich betätigen. Dank der eigenen ehrenamtlichen Tätigkeit nehmen die KlientIn-nen ganz neue Herausforderungen an. Das stärkt das Selbst bewusstsein und zeigt, dass man gebraucht wird.

Aber auch ältere Menschen haben Zugang zum Morven-Tageszentrum. Durch spezielle Unterstützung soll es Men-schen über 65 Jahre mit psychischen Erkrankungen ermög-licht werden, ein selbstbestimmtes und unabhängiges Leben zu führen.

Weitere Angebote finden sich in den „fliegenden Diens-ten“, wo Menschen mit psychischen Erkrankungen in ihren Gemeinden besucht und betreut werden, damit sie eine bessere Teilhabe in ihrem Lebensumfeld erreichen.

Das Besondere an diesem Tageszentrum ist, dass Besu-cherInnen in die Erstellung des Angebots eingebunden werden – Mitbestimmung wird großgeschrieben, denn nur durch sinnvolle Aktivitäten ist eine Verbesserung der Lebens qualität möglich.

Dabei ist das Morven-Tageszentrum auch mit vielen an-deren Institutionen wie der Gemeinde oder Freiwilligenor-ganisationen vernetzt, und auch die Familienangehörigen können sich bei eigens organisierten Info-Veranstaltungen Rat holen und Austausch suchen.

Die Stärkung des Selbstvertrauens und des Selbstwert-gefühls sowie das Erlernen neuer Fähigkeiten stehen im Fokus des Tageszentrums. Dass dabei viele neue Freund-schaften geschlossen werden, freut die BewohnerInnen ebenso wie die BetreuerInnen.

www.crossreach.org.uk/morven-day-services n

Barmherzigkeit drängt auf Gerechtigkeit.Anwaltschaft, Parteilichkeit und Lobbyarbeit als He rausforderung für soziale Arbeit und Verbände. Alexander Dietz, Stefan Gillich, Evangelische Verlagsanstalt 2013

Anwaltschaft, Parteilichkeit und Lobbyarbeit wer den von Sozialverbänden wie ein Mantra

hochgehalten – oft ohne zu benennen, was damit gemeint ist. Die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege müssen sich fragen (lassen), ob und wie sie für die Rechte von Menschen eintreten, die Hilfe benötigen. Wie können sich Sozialverbände engagieren, wenn sie zugleich im Wettbewerb um öffentliche Gelder stehen?

Themen 19

Bücher • euroPa

Buchempfehlungen Best Of Europe

In einem schottischen Tageszentrum arbeiten die KlientInnen ehrenamtlich mit.

Page 20: Aus dem Rahmen gefallen. Psychosoziale Gesundheit (Diakonie Themen 01/2013)

morgens um acht im Gemeinschafts-raum des Hauses Lagergasse der

Dia konie Miteinander leben in Graz. Nach und nach finden sich die Bewohnerinnen und Bewoh-ner zum Frühstück ein. Unter ih-nen ist Joe, der heute Geburtstag hat. Er lebt hier in einer der vier vollzeitbetreuten Wohngemein-schaften, weil er aufgrund seiner Schizophrenieerkrankung Unter-

stützung im Alltag braucht und nicht allein leben kann. Die meis-ten seiner MitbewohnerInnen leben wegen einer psychischen Erkrankung im Haus. Vier WG-Plätze sind für SeniorInnen „re-serviert“. Auch sie schätzen es, dass rund um die Uhr eine Be-treuungsperson vor Ort ist.

Frühstück von cäciliaCäcilia ist eine der „dienstältes-ten“ Seniorinnen im Haus. Die 82-Jährige war eine der Ersten, die 2003 in das neu gebaute Haus in der Lagergasse eingezo-gen sind. Das in Österreich we-nig verbreitete Konzept von Senio renwohngemeinschaften hat sie überzeugt. Jetzt lebt Cäci-lia seit zehn Jahren hier und ist so etwas wie die gute Seele im

Haus. Um vier Uhr früh steht die rüstige Dame auf, um das Früh-stück vorzubereiten: Sie kocht Kaffee, schneidet Brot und deckt die Tische. Sie schätzt es, ge-braucht zu werden. Trotzdem haben die BetreuerInnen immer ein Auge darauf, dass sich Cäcilia nicht übernimmt.

normalität als Ziel„Bei der Planung des Hauses war es mir wichtig, alternative und

individuelle Wohnformen in ein möglichst normales Wohnum-feld zu integrieren“, beschreibt Geschäftsführerin Elke Merl das Besondere an diesem Haus (sie-he auch Kommentar auf S. 17).

Daher gibt es neben den Wohngemeinschaften auch drei Senio ren wohnungen, in denen Betreuung nach Bedarf angebo-ten wird, sowie auch konventio-nelle Wohnungen. Hier leben junge Familien und Studierende, die sich bewusst für dieses Haus entschieden haben, um zum Bei-spiel ihren Kindern einen selbst-verständlichen Umgang mit psy-chisch kranken und älteren Men-schen zu ermöglichen.

Berührungspunkte gibt es im gemeinsamen Dachgarten, beim Postholen oder bei einer der

Vernissagen im Haus. Nach dem Frühstück ziehen sich viele BewohnerInnen wieder in ihre WG-Zimmer zurück, und die An-gebote im Rahmen der Tages-struktur beginnen.

haushaltstrainingHeute steht Haushaltstraining auf dem Programm. Das bedeu-tet Bettwäsche wechseln, staub-saugen und Bad putzen. Joe kann sich heute freuen: Zum Ge-

burtstag schenkt ihm Zivildiener André ein Rundumservice. An den anderen Tagen erledigen die BewohnerInnen aber möglichst viel selbst, weil das Betreuungs-ziel langfristig ein selbst stän-dig(er)es Leben ist.

In der Küche wird inzwischen schon das Mittagessen vorberei-tet. Seit zwei Monaten schwingt hier die Ernährungspädagogin Elisabeth mit jeweils zwei Be-wohnerInnen den Kochlöffel. Bei der Zubereitung gesunder und frischer Mahlzeiten können die BewohnerInnen wichtige All-tagsfertigkeiten trainieren.

Und zu besonderen Anlässen darf auch der Genuss nicht zu kurz kommen: wie zum Beispiel heute mit der Malakofftorte für Joes Geburtstagsfeier. n

Das Betreuungsziel: langfristig ein

selbstständige(re)s Leben führen

Themen20

Ein Haus mit Leib und seeleIm Haus Lagergasse in Graz leben Familien, Studierende, SeniorInnen und Menschen mit psychischen Erkrankungen unter einem Dach. Von Eva Rohregger

dIakonIe hautnah

„Junge Familien und Studierende haben sich ganz bewusst für dieses Haus entschieden“

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M enschen mit Behinderung bleibt der Weg ins reguläre

Arbeitsleben oftmals verwehrt. Arbeitsplätze in geschützten Werkstätten sind die gängige Art der Beschäftigung von Men-schen mit Behinderung.

Das „Sprungbrett Glöcklturm“ in Lienz, ein neues Projekt der Diakonie de La Tour in Koopera-tion mit dem Diakoniewerk Gall-neukirchen, möchte Menschen mit Behinderung am offenen Ar-beitsmarkt vermitteln. In Zusam-menarbeit mit Lienzer Unterneh-men sollen Menschen mit Behin-

derung in regulären Arbeitsver-hältnissen arbeiten.

Die neuen MitarbeiterInnen werden darauf von ihren Begleit-personen beim „Sprungbrett Glöcklturm“ gut vorbereitet: Hier werden die geforderten Tätig-keiten geübt, und die Arbeitneh-merInnen erhalten die passen-den Fortbildun gen.

www.diakonie-delatour.at n

Z wei Partnerorganisationen von „Brot für die Welt“ wurden am

27. Juni in Wien mit dem „Award for Social Integration“ der ERSTE Foun-dation ausgezeichnet.

Das Projekt „e-Accessable Educa-tion“ stattet Schulen in Mazedoni-en mit assistierenden Technologien und Personal aus. Auf diese Weise wird Kindern und Jugendlichen mit Behinderung eine Schullaufbahn ermöglicht. Das Projekt ist das ein-zige seiner Art in Mazedonien.

Das kosovarische Projekt „Balkan Sunflowers“ betreut Kinder aus Roma-, Ashkali- sowie ägyptischen Familien in fünf Lernzentren. Die Kinder bekommen Lernhilfe und täglich eine warme Mahlzeit. Dies soll es ihnen einfacher machen, die Schule gemeinsam mit ihren alba-nischen und serbischen KollegInnen zu besuchen. Die Kinder gewinnen an Selbstvertrauen und erfahren, dass sie ein Recht auf Bildung und Gleichbehandlung haben.

www.brot-fuer-die-welt.at n

M acondo, wie die Stadt der Vertrie-benen aus einem Roman von Ga-

briel García Márquez, nennen die 3000 BewohnerInnen den Stadtteil, der 1956 am Wiener Stadtrand entstanden ist.

Die BewohnerInnen stammen aus über 25 Nationen, die meisten sind Flüchtlinge aus Kriegs- und Krisengebie-ten der vergangenen Jahrzehnte.

Vielfältig sind auch die Proble me: Sprachdefizite, Arbeits- und drohen de Obdachlosigkeit, Müll, ethnische Kon-flikte, schlechte Infrastruktur und Ver-kehrsanbindung. Mit BASIS Margetin

entstand eine Ansprechstelle, bei der die BewohnerInnen Ideen und Bedürfnisse artikulieren und diese, unterstützt und moderiert, entwickeln und umsetzen.

All das geschieht in Zusammenarbeit mit den lokalen Akteuren: von Wohn-bauträgern und Behörden über Pfarrge-meinden und religiöse Vereinigungen, Jugendeinrichtungen, Schulen und Kin-dergärten bis hin zu G emein schafts gar-tenprojek ten und Vereinen, Communi-tys und der lokalen Bevölkerung in und um Macondo.

fluechtlingsdienst.diakonie.at n

Award for Social Integration

Themen 21

kurZ gemeldet

BASIS Margetin

Sprungbrett Glöcklturm

Page 22: Aus dem Rahmen gefallen. Psychosoziale Gesundheit (Diakonie Themen 01/2013)

das Landeskranken-haus für Kinder- und Jugendpsychia-trie, in dem ich auf-

gewachsen bin, heißt „Hester-berg“. Es ist das größte seiner Art in Schleswig-Holstein. Mein Va-ter war Kinder- und Jugendpsy-chiater, und als er dort Direktor wurde, gab es über 1500 Pati-enten. Gegründet wurde die Anstalt 1817 von einem Herrn Dr. Suadicani, der sich mit der Bitte um den Bau einer Irrenan-stalt „zur Rettung dieser un-glücklichsten Menschen, deren Not zum Himmel schreit“, an den König gewandt hatte.

Alle paar Jahre wurde sie um-benannt. Zuerst hieß sie „Provin-zial-Irrenanstalt“, dann „Provin-

zial-Idiotenanstalt“, dann „Pro-vinzial-Heil- und Pflegeanstalt für Geistesschwache“.

Dann spezialisierte sie sich auf junge Menschen und nannte sich

„Heil- und Erziehungsanstalt für blöd- und schwachsinnige Kin-der“ und schließlich, nach 150 Jahren, „Klinik für Kinder- und Ju-gendpsychiatrie Hesterberg“.

Es wohnten auch viele ältere und sogar sehr alte Patienten in der Klinik, die niemals in die Er-wachsenen-Psychiatrie verlegt wurden, da ihnen das Verlassen ihrer meist schon seit dem Klein-kindalter vertrauten Umgebung nicht zuzumuten war. Bis auf ei-ne kurz vor der Einweihung ste-hende moderne Klinik stamm-ten die Gebäude aus der Zeit der

Jahrhundertwende. Riesige düs-tere Backsteinkästen, in denen bis zu 20 Patienten in einem Zimmer schliefen.

Lange Leitern standen an den vierstöckigen Hochbetten. Die oberen Betten konnte man ver-riegeln, es waren eher kleine Kä-fige als Betten, damit die Patien-ten nicht herausfielen.

Das Gelände der Psychiatrie war groß und eine Welt für sich. Es gab eine Gärtnerei, eine Groß-küche, eine Tischlerei, eine Schnei derei, eine sogenannte Dampfwaschanstalt, sogar ein eigenes Kohleheizwerk mit rot-gemauertem Schornstein und eine Schlosserei, in der fast aus-schließlich Gitter geschweißt wurden: Fenstergitter, Gitterbet-

Abdruck ausJoachim Meyerhoff

„Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“ Verlag Kiepenheuer & Witsch, 352 S., gebunden

Themen22

„Deren Not zum Himmel schreit“

auF den Punkt geBracht

Aufgewachsen in einer deutschen Psychiatrie: Der Schauspieler und Autor Joachim Meyerhoff erinnert sich an seine Kindheit inmitten von psychisch Kranken und Menschen mit Behinderungen.

Page 23: Aus dem Rahmen gefallen. Psychosoziale Gesundheit (Diakonie Themen 01/2013)

Diakonie Angebote für Menschen mit psychischen Problemen

KärntenSpielsuchtambulanz de La tourSpittal/DrauEgarterplatz 1, 9800 Spittal an der DrauAlkoholambulanz, Spielsuchtambulanz:telefon: 04762/366 72

Spielsuchtambulanz de La tour Villachnikolaigasse 39, 9500 Villachtelefon: 04242/243 68

therapieangebote bei Alkohol- oder Medikamentenabhängigkeit sowie Spiel-Online-KaufsuchtKrankenhaus de La tour treffenDe-La-tour-Straße 28, 9521 treffentelefon: 04248/25 57-0

Department PsychosomatikKrankenhaus Waiern, Akut-GeriatrieMartin-Luther-Straße 14, 9560 feldkirchtelefon: 04276/22 01-300Alle:www.diakonie-delatour.at/gesundheit

SalzburgKompetenzzentrum neurologie und Depression sowie neurologie und PsychosomatikKlinik Diakonissen SalzburgGuggenbichlerstraße 20, 5026 Salzburgtelefon: 0662/63 85-0www.salzburg.diakonissen.at

(Geronto)Psychologischer fachdienst – für Seniorinnen und Angehörige Diakoniewerk SalzburgGuggenbichlerstraße 20, 5026 Salzburgtelefon: 0662/63 85-0www.diakonie-zentrum.at

SteiermarkBetreutes Wohnen für Jungfamilien, Seniorinnen und Menschen mit psychischen ErkrankungenDiakonie Miteinander lebenHangweg 298052 Graztelefon: 0316/82 52 66www.miteinander-leben.at

BurgenlandSozialpsychiatrische Wohngemeinschaft Mosaik Diakoniezentrum GolsMühlgasse 517122 Golstelefon: 02173/232 08www.diz-gols.at

OberösterreichWohngemeinschaft Kaya für Mädchen und junge frauen mit Essstörungen Diakonie Zentrum Spattstraße Schubertstraße 17/3, 4020 Linztelefon: 0676/512 38 73www.spattstrasse.at

Sonderkrankenhaus für Kinder- und Jugendpsychiatrie Diakonie Zentrum SpattstraßePrechtlerstraße 30–32, 4030 Linztelefon: 0732/34 92 71www.spattstrasse.at

NiederösterreichJefira – interkulturelles Psychotherapie-zentrum. Kultursensible, dolmetschunter-stützte und traumaspezifische Psy cho-therapie und psychologische BeratungDiakonie flüchtlingsdienstHerzogenburger Straße 9, 3100 St. Pöltentelefon: 02742/731 76fluechtlingsdienst.diakonie.at

TirolAnkyra – Zentrum für interkulturelle Psychotherapie. Kultursensible, dolmetschunterstützte und trauma-spezifische Psychotherapie und psychologische BeratungDiakonie flüchtlingsdienstMüllerstraße 7, 6020 innsbrucktelefon: 0512/56 41 29fluechtlingsdienst.diakonie.at

WienHaus Erna – Sozial Betreutes Wohnhaus für Männer; HeilsarmeeMoritz-Dreger-Gasse 19, 1210 Wientelefon: 01/890 32 82-2023www.heilsarmee.at

www.diakonie.at

ten, meterhohe Umzäunungsgit-ter für die Stationsgärten.

An einigen dieser Orte arbei-teten Patienten in einer Mi-schung aus Arbeitstherapie und Ausbeutung. Unser Haus war der Mittelpunkt dieser Anlage. Die Direktorenvilla war vom Gründer der Psychiatrie bewusst im Zen-trum platziert worden. Der prunk volle Bau war eine Macht-demonstration wie auch ein Be-kenntnis, als Direktor nicht au-ßerhalb dieser Welt zu stehen.

So bin ich aufgewachsen. (…) An den beiden Toren und auch vor den Haupteingängen der Ge-bäude spielten sich oft drama-tische Szenen ab. Entweder wei-gerten sich die frisch Eingeliefer-ten, das Gelände bzw. die Gebäu-de zu betreten, klammerten sich an ihre Angehörigen und traten nach den Pflegern, oder aber Pa-tienten wehrten sich mit Hän-den und Füßen, das Gelände bzw. die Gebäude zu verlassen, klam-merten sich an die Pfleger und

traten nach den Angehörigen. Sowohl der Weg in die Psychiat-rie hinein wie auch der aus ihr heraus war für viele der blanke Horror. (…)

Einmal geschah es, dass ich ei-nen Patienten sah, einen Jungen, der meinen ausrangierten Pullo-ver trug. Das war ein ungutes Gefühl. Dass da etwas, was ich nicht mehr brauchen konnte, zerschlissen und ausgeleiert, für jemand anderen genau das Rich-tige sein sollte. n

Themen 23

auF den Punkt geBracht

Page 24: Aus dem Rahmen gefallen. Psychosoziale Gesundheit (Diakonie Themen 01/2013)

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