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– aus der 7 in die 12 – Dia7&12Tonalität - ein Kontinuum 1998 Knud Brant Nielsen

Aus der 7 in die 12

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Diese Einführung in diatonische 12-Notation ist an Musikstudierende und Andere mit Interesse für Musiktheorie geschrieben. Die Neuerung ist Dia12Tonalität (diatonische Zwölftonalität) als organische Konsequenz der üblichen 7-tonalen Notation und Klaviatur, also als natürliche Entfaltung latenter 7-tonaler Dynamik: aus Dia-7 wird Dia-12 geboren und dadurch ein einheitliches Dia7&12Kontinuum entfaltet.

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– aus der 7 in die 12 –

Dia7&12Tonalität - ein Kontinuum

1998

Knud Brant Nielsen

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Inhaltsübersicht:

Vorwort Seite 3

Einleitung 4 1000 Jahre 4 Arnold Schönberg war nahe daran 5

Der Fund 6 Von Skala zu Schlange 7 12-tonal denken. aber 7-tonal schreiben 8 Transkription von 7 zu 12 8

7&12-koden 10 Skalen 10 Schlangen 11 Transpositionen 12

Praktische Winke 13 Quarte/Quinte-Schlange 13 Chromatische Tonleiter der 7-Tonalität = 12-tonale Tonleiter 14 Guidos Hinterhand 15 Transposition/Modulation 16 Ganzton minus Halbton = Chroma 17 Enharmonik als versteckte 12-Alteration 18 Die kleinen und großen Intervalle der 12-Tonalität 19 Die Namen der 12-Intervalle - den Troll bei seinem Namen rufen 20 Intervall-Paare der 12-Tonalität 21

Perspektiven 22

Appendix: Gradnotation - ein relevantes Studien-Werkzeug? 23 Intervallspannungen 23 Gradnotation 24 Gradnotierte Skalen 25 Einige Beispiele 26 Bartok und Bach gradnotiert 27

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VORWORT

Diese Einführung in diatonische 12-Notation ist an Musikstudierende und Andere mit Interesse für Musiktheorie geschrieben.

Die Neuerung ist Dia12Tonalität (diatonische Zwölftonalität) als organische Konsequenz der üblichen 7-tonalen Notation und Klaviatur, also als natürliche Entfaltung latenter 7-tonaler Dynamik: aus Dia-7 wird Dia-12 geboren und dadurch ein einheitliches Dia7&12Kontinuum entfaltet.

Die Materie der Musik sind Töne, ihre Schrift sind Noten. Die 7-Notation auf 5 Linien ist die ideale Sprache der 7-tonalen Musik. Die Erfahrung der Jahrhunderte hat die 7-Notation und die 7-Klaviatur zu perfekter Schriftsprache und vollendetem Ausdruck 7-tonalen Denkens entwickelt. Mit vollem Recht ist das übliche Notationssystem die Schriftsprache geworden, die schriftsprachliche Vorausetzung einer enormen musikalischen Entwick1ung. Die 7-tonale Schriftsprache und Klaviatur etablierten sich aber dermaßen, dass 7- Tonalität die Tonalität wurde. Ein fataler Fehlschluss!

Zu der Zeit, als Musiker wie Kinder ihre alte Spielsachen zerbrachen, mussten nicht Posaune und Harfe herhalten, sondern der Flügel, dessen Klaviatur sichtbar gemachte 7-Tonalität ist. Die Stimmung ist 7-tonal, aber zur selben Zeit 12-neutral: die Klaviatur zeigt und ist 7-Tonalität, aber die Stimmung ist 12-Neutralität (die Oktave in 12 Tonleiterstufen gleicher Größe geteilt).

Bewusstmachung der Dia7&12Tonalität als organisches Kontinuum liegt klar auf der Hand: die 7-Tonalität mag sich in das verwandeln, was sie eigentlich ist: ein Teil eines größeren Raumes, im Prinzip ein unendlicher Raum mit unendlich vielen Möglichkeiten der Entfaltung ...

Die Benennung 12-Tonalität steht somit im Nachstehenden für Dia12Tonalität, d.h. nicht die gleichschwebende, neutrale Temperatur mit zwölf Tonleiterstufen gleicher Grösse der idealen Dodekaphonie, sondern diatonische 12-Tonalität, aus kleinen und großen Stufen mit tonalen Spannungen und Möglichkeiten für Gebrauch von Akzidentien, Modulation und Transposition. ...

Die Grundlage ist "Über Tonalität", das umfassende Werk des Diamatikers und Tonaltheoretikers Frede Schandorfs, und Nachfolgendes enthält an sich nichts wesentliches Neues. Doch ist diese Einführung meine Verantwortung, geprägt und begrenzt von meinem Verständnis der radikalen Grundlagenforschung Frede Schandorfs.

Ich verweise auf Frede Schandorfs Oeuvre als einen überaus seriösen und ungewöhnlich schwerwiegenden Denkanstoß zum erneuerten Erleben und vertieften Verstehen des für europäische Musiktradition grundlegenden Themas: Tonalität.

Die 12-Notation ist ausführlich geschildert und exemplifiziert in Frede Schandorfs Das 12'tonale Notenliniensystem.

Knud Brant Nielsen

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EINLEITUNG: 1000 Jahre Vor 1000 Jahren entdeckte Guido von Arezzo das Prinzip der Notennotation, deren Kode nun – etwa 1000 Jahre später, in den 1970er Jahren – Frede Schandorf fand. Damit enthüllte sich die 7&12Tonalität als eine organisch zusammenhängende Sprache, als ein weiter Raum für die vergangene, ununterbrochene, tausendjährige musikalische Entwicklung, ein traditionsbasiertes, solides Fundament – potentiell auch für die mannigfaltigen, schöpferischen Möglichkeiten einer kommenden Kultur. Schon im siebzehnten Jahrhundert deuten viele Akzidentien an, dass die größere Tonalität - die 12-Tonalität sich heranmacht:

Michelangelo Rossis Orgeltokkata aus 1657 (Studio Per Edizioni Scelte, Florenz 1982 – S.23) ist – mit elegantem Gebrauch von 3 Schlüsseln – auf 6 und 8 Linien notiert und repräsentiert eine Stufe der langen Entwicklung der 7-Notation.

Derselbe Ausschnitt (aus The New Oxford History of Music, vol.V1, p. 517) in heutiger 7-Notation auf zwei Fünfliniensystemen mit F- und G-Schlüsseln. Die Tokkata verwendet die Skala 'd-chromatisch' mit es, fis, gis, b und cis: insgesamt 12 verschiedene Töne.

Und hier transkribiert zur 12-tonalen Notation auf zwei Siebenliniensystemen mit S- und K-Schlüsseln ("fis- und b-Schlüsseln"). Die Notation enthüllt die Chromatik als maskierte 12-Tonalität: die Akzidentien zerschmelzen wie Butter an der Sonne, 'd-chromatisch' ist die Stammskala der 12-Tonalität, ''12-tonales C-Dur", hier fängt es an ...

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Arnold Schönberg war nahe daran Im Jahre 1950 – als 75jähriger – begann Arnold Schönberg seinen Rundfunkvortrag "J. S. Bach" mit diesen Worten:

"Ich pflegte zu sagen: Bach ist der erste Zwölftonkomponist. Das war natürlich ein Scherz. Ich wusste nicht einmal, ob nicht jemand vor ihm diesen Titel verdiente. Aber die Wahrheit, auf der diese Feststellung beruht, ist, dass die Fuge Nr. XXIV in h-moll aus dem ersten Band des Wohltemperierten Klaviers mit einem Dux beginnt, in dem alle zwölf Töne erscheinen."

Erst etwa 25 Jahre später fand Frede Schandorf die 12-Notation:

Die 12-Notation enthüllt, was ein Vierteljahrtausend verdeckt war: im dritten Takt ergibt h♯ 12-tonale Modulation von 'h-chromatisch' zu 'fis-chromatisch'. Nach Verwendung zehn verschiedener Töne aus 'h-chromatisch' führt Bach aus der Dominantentonart 'fis-chromatisch' h♯ ein, die Wechseldominantterz der 'fis-chromatisch'. Die zwei restlichen 'h-chromatischen' Töne a und gis gehören auch zu 'fis-chromatisch und werden nun Teil der Kadenz, die die 12-tonale Dominanten-tonart 'fis-chromatisch' bestätigt. Zugleich moduliert gis 7-tonal von h-moll zu der Dominantentonart fis-moll.

Dieser einmalige Dux hat also 13 verschiedene Töne: mit dem 13.Ton moduliert Bach seinen 12-Komplex in die Dominantentonart, indem die 7&12-Tonalität hier h als gemeinsame Tonika und fis als gemeinsame Dominante verwendet. Ein klassisches und zukunftweisendes Beispiel 7&12-tonaler Kontinuität und Integrität.

Auch andere Komponisten haben gezeigt, wie 12-Tonalität sich 7-tonal notieren lässt. Sie mussten meist intuitiv arbeiten. Mit Schandorfs Fund der 12-Notation haben wir heute die adäquate und in vollkommener Weise anschauliche 12-tonale Schriftsprache als die perfekte Hilfe zur Bewusstmachung des 12-tonalen Denkens.

Die 12-tonale Bewusstmachung ist vielfach möglich, aber am natürlichsten ganz einfach durch Transkription von 7-Notation zu 12-Notation. Wenn man 12-transkribieren kann – was leicht und einfach ist – kann man auch die 12-Tonalität gängig 7-tonal schreiben und lesen - und man bekommt obendrein ein erneutes, tieferes Erleben davon, was 7-Tonalität sein mag ...

Auch das bezweckt diese Introduktion.

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Der Fund

Seit die 7-Notation existiert, ist die 12-Notation eine latente Möglichkeit als eine neue Antwort auf ein altes Rätsel: "Was ist größer als seine Mutter, wenn es geboren wird?" – "Der Eiszapfen!" – "Ja – und die 12-Notation!" Es machte harte Arbeit, die 12-Notation zu enthüllen, verschleiert, wie sie ist, von der 7-Notation – und weil es nun mal schwierig ist, den Wald vor lauter Bäumen zu sehen. Wie andere Rätsellösungen ist auch diese so einfach, dass es verwundern kann, dass sie nicht schon längst gefunden wurde:

Die schöne Symmetrie unserer vertrauten Klaviatur und unseres ebenfalls vertrauten Notationssystems fordert ja dazu auf, die 7 alphabetischen Stammtöne 'a h c d e f g' symmetrisch zu notieren, mit dem Mittelton 'd' zentral auf der Mittellinie.

Dann keilen sich die 5 schwarzen Tasten dazwischen – mit gis unten als Schlagseite, weil 12 eine gerade Zahl ist. Damit ist die Lösung gegeben:

Durch einfache, aber konsequente Analogie:

– wie 7 Töne 5 Linien fordern, fordern 12 Töne 7 Linien. – wie der Mittelton der 7-Skala auf der mittleren der 5 Linien notiert wird, wird der Mittelton der 12-Skala auf der mittleren der 7 Linien geschrieben. – wie die übrigen sechs Töne der 7-Skala je ihren Platz stufenweise im 5-Liniensystem haben, so bekommen die übrigen elf Töne der 12-Skala je ihren Platz stufenweise im 7-Liniensystem. – wie die 7 Stammtöne von unten nach oben mit den ersten Buchstaben des Alphabets a h c d e f g benannt werden, bekommen die 12 Stammtöne als Namen die nachstehenden Buchstaben des Alphabets IJKLMNOPQRST.

Voilà! Die chromatische Skala der 7 Tonalität ist gleich die diatonische 12-Skala!

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Von Skala zu Schlange 7-Skala und 12-Skala werden je zu Quarte/Quinte-Sequenz neu geordnet, zu einem 7-Modul und einem 12-Modul, die also – mit 7 gemeinsamen Tönen – beide eine Quarte/Quinte-Ordnung sind:

Die Quarte/Quinte-Sequenz wird erweitert, indem die Module mit Versetzungs-zeichen wiederholt werden:

Der 7-Modul wird nach rechts wiederholt als ♯-Modul (mit ♯ vor jeder Note) und wieder als x-Modul (mit x vor jeder Note) ... Und entsprechend nach links als ♭-Modul und ♭♭-Modul ...

Ganz ähnlich wird der 12-Modul nach rechts wiederholt als ♯-Modul (mit ♯ vor jeder Note) und wieder als x-Modul (mit x vor jeder Note) ... Und entsprechend nach links als ♭-Modul und als ♭♭-Modul ..:

Hier sind nun 7-Schlange und 12-Schlange (= Quarte/Quinte-Sequenz) mit Violinschlüssel, G-Schlüssel bzw. K-Schlüssel, notiert, indem alle Töne innerhalb einer Oktave angebracht sind. 7-Schlange und 12-Schlange haben gemeinsame Exponentenreihe (= Zahlenreihe): jeder Ton hat also zwei Notationen, die einen Exponenten gemeinsam haben:

Unterschiedlich ist also Notation und Buchstabenname. Gemeinsam ist Laut (= Frequenz) und Zahl (= Exponent).

Der Exponent ist die Personen- und Sozialnummer des einzelnen Tones, der den individuellen Platz des Tones in der Schlangenordnung angibt.

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12-tonal denken. 7-tonal schreiben Wer möchte aber auf 7 Linien notieren? Oder nach 7 Linien spielen? Nicht viele – noch nicht. Das Erlernen jedoch, 12-tonal zu denken, während man 7-tonal schreibt und liest, ist realistisch und relevant für den musikalischen Alltag, einfach und durchführbar, ganz der Mühe wert. Die natürlichste und einfachste Weise, die 12-Tonalität kennen zu lernen, ist das Transponieren von 7 auf 12.

Transkription von 7 zu 12

Der Code zur Transkription von 7-Notation zu 12-Notation ist ganz einfach die 7-Schlange über die 12-Schlange notiert. Aus dem Code sind hier dreizehn Töne mit den Exponenten von -2 bis +10 geschnitten:

Note für Note ist aus 7 in 12 übersetzt worden: unter jeden einzelnen 7-notierten Ton ist seine Übertragung in 12-Notation notiert. Jeder Ton bekommt somit zwei Notationen und zwei Buchstabennamen, aber nur eine Frequenz und einen Exponent.

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Mit diesem Code wird Bachs h-moll-Tema transkribiert:

Jede Note ist einfache Transkription, nur nicht das h des ersten Taktes. Wie Bach das 7-tonale h dadurch oktavenverlegt, dass er 7 Stufen tiefer im 7-tonalen Notations-system notiert, wird das 12-tonale L dadurch oktavenverlegt, dass es 12 Stufen tiefer im 12-tonalen Notationssystem notiert wird.

Der 7-tonale G-Schlüssel wird zum 12-tonalen K-Schlüssel, sonst bleiben 4/4-Zeichen, Achtelpausen, Notenwerte und Taktzeichen unverändert.

Die Vorzeichen sind analog: h-moll ist zwei Quinten von der Stammskala a-moll entfernt, somit zwei ♯-Vorzeichen, und 'h-chromatisch ist drei Quinten von der Stammskala 'd-chromatisch' entfernt, somit drei ♯-Vorzeichen.

Der Unterschied ist auffällig: die 7-Notation hat acht verwirrende Versetzungszeichen im Gegensatz zu nur eine Versetzungszeichen in der 12-Notation. Hier beweist die 12-Notation ihre Stärke: sie enthüllt ein 12-tonales Thema, das in die Dominantentonart moduliert, indem ♯ den Modulationston (Modulator) zeigt. Es geschieht im folgenden 7-tonalen Fugenthema ganz analog:

Dies 7-tonale Thema (Bach: W.KL 1) verwendet acht verschiedene Töne: die 7 Töne Es-Durs + den Modulationston a, der die Terz der neuen Dominante ist. Entsprechend hat das 12- tonale Thema 13 Töne: die 12 Töne der 'h-chromatisch' (= 'h-12') + den Modulationston ♯M (= his), der die Terz der neuen Wechseldominante ist.

Frede Schandorfs 12-Transkription der ersten Takte von Bartoks Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta ist ein neueres Beispiel eines kurzen tonalen Ausschlages. Auch hier enthüllt die 12-Notation wie ein Seismograph im dritten Takt eine feine 12-tonale Bewegung, die in der 7-Notation von den vielen notwendigen Versetzungszeichen verschleiert wird.

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7- & 12-CODES Um von 7 auf 12 transkribieren zu können, braucht man nur Schlangen, Tonleitern und Transpositionen.

Schlangen

Schlangen in 7- & 12-Notation: oben mit Violinschlüssel (G- & K-Schlüssel), in der Mitte mit Altschlüssel (C- & O-Schlüssel) und unten mit *Bassschlüssel (F- und S-Schlüssel). Diese drei Schlangen sind der Primär-Code für Transkription von 7-Notation zu 12-Notation.

Oktavierung in 12-Notation ist einfach, indem sie die beiden Regeln beachtet: – 'einmal Linie, immer Linie': die Noten I K M O Q S und ihre Alterationen; – 'einmal Zwischenraum, immer Zwischenraum': die Noten J L N P R T und ihre Alterationen. Das heisst, dass Noten auf Linie zur 6. Linie über/unter versetzt werden, und Noten im Zwischenraum zum 6. Zwischenraum über/unter versetzt werden. Die alternative Notation ist eine Pfeilspitze aufwärts bzw. abwärts der Note zu notieren, die oktaviert werden soll. Wenn mehrere Noten zu oktavieren sind, wird eine Pfeilspitze vor der ersten Note und eine durchgestrichene Pfeilspitze nach der letzten Note notiert, welches dem 7-tonalen all' octava mit gestrichelter Linie entspricht.

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Tonleitern

Tonleitern in 7- und 12-Notation, oben mit Violinschlüssel (G- & K-Schlüssel), in der Mitte mit Altschlüssel (C- & O-Schlüssel) und unten mit Bassschlüssel (F- und S-Schlüssel). (i) über dem Schlüssel zeigt an, dass die Stammtonleiter gis = 1 = +6 verwendet. Die Alternative ist (u) über dem Schlüssel, hier wird as = U = -6 verwendet. In der Regel hat Frede Schandorf die (u)-Fassung benutzt.

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Transpositionen

Nicht zuletzt für Analyse sind Transpositionen der 12-tonalen Stammtonleitern nützlich. Die linke Reihe ist b-Transpositionen, die rechte Reihe ♯-Transpositionen. Der Exponent des ersten Tones jeder Transposition gibt die 12-Vorzeichen der Transposition an, z.B in der untersten rechten Transposition: der Exponent +6 des ersten Tones gibt an, dass die 12-Notation sechs ♯-Vorzeichen verwendet.

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PRAKTISCHE WINKE In den Codes mit Buchstabennamen und Exponenten sind alle Information über das 12-tonale Material enthalten. Während man von 7 zu 12 transponiert, enthüllt die 12-Tonalität ihr Wesen, gibt liebenswürdig ihre Geheimnisse preis.

Warnung! Wer lieber selbst möchte, übergehe diese Winke, transponiere und erfahre! Wer aber den Weg abkürzen möchte, bekommt hier einige Informationen. Viel Glück!

Die Quarte/Quinte-Schlange

Töne haben Nummer und Namen. Die Schlange ist ihre numerische Ordnung; die Tonleiter ist ihre alphabetische Ordnung.Die Zahl – der Exponent – ist die Personen- und Sozialnummer des Einzeltones, die dem Ton seinen individuellen Platz in der Schlange angibt – und damit seine Beziehung zum Umfeld, seinen Spannungswert als Ton im aktuellen Intervall.

Bei Berechnung von Intervallspannung liest man von unten: erst den unteren Ton, dann den oberen Ton. Zwei Beispiele, mit Hilfe der Schlange: Der Ton F♯ = S hat den Exponenten +4, während der Ton A = J den Exponenten +1 hat: die Intervallspannung ist 'minus drei Grad', indem man von +4 bis +1 drei Sclangenpositionen in negativer Richtung (=links) zählt. Die Intervallspannung 'minus drei Grad' hat Zeichen '3-', d.h. '3 Grad kontraktiv'. Der Ton ♭E = Q hat den Exponenten -5, während der Ton E = Q den Exponenten +2 hat: die Intervallspannung ist 'plus sieben Grad', indem man von -5 bis +2 sieben Schlangenpositionen in positiver Richtung (=rechts) zählt. Die Intervallspannung 'plus sieben Grad' hat das Zeichen '7+', d.h. '7 Grad expansiv'.

Kleine und verminderte Intervalle sind negativ, d.h. kontraktiv/zusammenziehend:sie sind „Minus-Intervalle“.Große und vergrößerte Intervalle sind positiv, d.h. expansiv/erweiternd:sie sind „Plus-Intervalle“.

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7-tonale chromatische Tonleiter = 12-tonale Tonleiter

Eine 7-tonale Tonleiter hat 2 kleine und 5 große Stufen (2 Halbtonstufen und 5 Ganztonstufen). Eine 12-tonale Tonleiter hat 7 kleine und 5 große Stufen (7 Halbtonstufen und 5 Ganztonstufen).

Die 7-tonale und die 12-tonale kleine Stufe (Halbtonstufe) sind gleich groß, z.B. d-es / O-P oder e-f / Q-R. Die 12-tonale große Stufe (Ganztonstufe) ist mit der chromatischen Halbtonstufe der 7- Tonalitet identisch, z.B. es-e / P-Q oder f-fis / R-S.

7-Notation und 12-Notation haben die gemeinsame Schwäche, dass sie nicht unmittelbar mitteilen, ob eine Stufe Ganz- oder Halbtonstufe ist.

Liest man aber die 7-Notation mit 12-tonaler Brille, sieht man den Unterschied:

Die 12-tonale Ganztonstufe erscheint in 7-Notation als chromatische Halbtontonstufe, d.h. mit den Noten nebeneinander auf derselben Linie oder in demselben Zwischenraum angebracht, aber mit unterschiedlichen Versetzungszeichen: das Stufenverhältnis lässt sich mittelbar durch den Versetzungszeichen-Unterschied ablesen. Die Noten der Halbtonstufe dagegen sind in beiden Notationen Nachbarn: die eine Note auf Linie, die andere in einem angrenzenden Zwischenraum – hier ist das Stufenverhältnis unmittelbar durch den Positionsunterschied ersichtlich.

12-tonal betrachtet ist die 7-Notation eine Analyse-Notation, die in gewissen Beziehungen preisgibt, was die 12-Notation nicht unmittelbar mitteilt.

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Guidos Hinterhand

Guido springt helfend ein, wenn eine 12-Tonleiter 7-tonal notiert werden soll, oder wenn man eine 7-chromatische Tonleiteiter aufbauen möchte. Als Beispiel: die 12-Tonleiter, die das Tonmaterial der Fuge 8 in dis-moll des ersten Bandes des Wohltemperierten Klaviers ausmacht:

Guidos Hinterhand zeigt die Verteilung der kleinen und großen Stufen (Halb- und Ganztonstufen) der 12-Notation, gleich den diatonen und chromatischen Halbtonstufen der 7-Notation:

Die Hand wird auf diese Weise verwendet: ein Mal + ein Echo + noch ein Mal. Guido gab uns das Notationssystem und damit das Fundament der Schriftsprache, die 7- tonales Denken förderte und entwickelte. Schandorf entschlüsselt die chromatische Tonleiter als identisch mit der aus der 7-Tonalität organisch anwachsenden diatonischen 12-Tonalität: die Dia-12-Tonalität.

Wer konnte wissen, dass Guido die Dia-12-Tonalität in der Hinterhand hatte?

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Transposition / Modulation

Aus den 7 mittelsten Tönen der Quarte/Quinte-Schlange '-3 -2 -1 0 +1 +2 +3' bildet sich die 7-Stammtonleiter d-dorisch:

Die 7 Töne können verlagert werden, z.B. 3 Positionen nach links in der Schlange nach '-6 -5 -4 -3 -2 -1 0', was 3 ♭-Vorzeichen gibt: f-dorisch:

Entsprechend bildet sich aus den 12 mittelsten Tönen der Schlange '-5 -4 -3 -2 -1 0 1 +2 +3 +4 +5 +6' die 12-Stammtonleiter 'd-chromatisch' (= 'd-12') /O-12':

Die 12 Töne können – wieder entsprechend – verlagert werden, z.B. 7 Positionen nach links in der Schlange nach '-12 -11 -10 -9 -8 -7 -6 -5 -4 -3 -2 -1', was 7 ♭-Vorzeichen gibt: 'des-chromatisch' (= 'des-12') / '♭N-12':

(Die 12-tonalen Tonleiternamen sind praktischer Arbeitsjargon in dieser kurzen Einführung, die – (auch) – nicht die zwölf 12-tonalen Modi ('Kirchentonarten') umhandelt. Die hier verwendeten Tonleiternamen haben den Vorteil, dass sie implizit die Zahl der Vorzeichen angeben: der Ton d/O hat den Exponenten 0, also hat 'd-12' /'O-12' null 12-tonale Vorzeichen; und der Ton des/♭N hat den Exponenten -7, also hat 'des-12'/'♭N-12' sieben 12-tonale ♭.)

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Ganzton minus Halbton = Chroma

Der 7-tonale chromatische Halbtonschritt, das 7-Chroma, hat 7 Quarte/Quinte zwischen seinen beiden Tönen, z.B. f-♯f:

Der 12-tonale chromatische Halbtonschritt, das 12-Chroma, hat 12 Quarte/Quinte zwischen seinen beiden Tönen, z.B. P-♯P / es-dis:

Die 7-und 12-Notation haben gemeinsam, dass die Note, mit vorangestelltem ♯, wiederholt wird.

Das 12-Chroma lässt sich aber nicht unmittelbar aus der 7-Notation ablesen: denn 7-notiert sein, ist für das 12-Chroma wie Versteck spielen.

Der chromatische Halbtonschritt ist der Rest, der übrigbleibt, wenn der diatonische Halbtonschritt von dem diatonischen Ganztonschritt abgezogen wird. Die Formel lautet: Ganzton minus Halbton gleich Chroma.

Die Notennamen bestätigen die analoge Bildung des Chromas:

7-tonal:Ganzton: f g

minus Halbton: ♯f ggleich Chroma: f ♯f

12-tonal:Ganzton: P Q (= es e)

minus Halbton: ♯P Q (= dis e)gleich Chroma: P ♯P (= es dis ).

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Enharmonik als versteckte 12-Alteration

Die traditionelle enharmonische Umdeutung ist intervallidentisch mit 12-tonaler Alteration. Das Intervall zwischen den beiden Umdeutungstönen ist ein 12-tonales Chroma. Bei enharmonischer Umdeutung ist der eine der beiden Töne oft hinzuzudenken, also nicht notiert.

Wenn 7-Notation 12-tonal gelesen, d.h. gedacht wird, wird enharmonische Umdeutung als 12-tonale Alteration verstanden, die eine 12-tonale Bewegung oder Modulation bedeutet.

In seiner Komposition "L'Enharmonique" (Takt 15-18) beleuchtet Jean Philippe Rameau das Verhältnis zwischen enharmonischen Tönen:

7-tonal ist die Tonart g-mol mit zwei (7-tonalen) b als Vorzeichen, 12-tonal 'g-12'/T-12' mit nur einem (12-tonalem) ♭ als Vorzeichen. Die enharmonischen Töne, die Rameau gegeneinander ausspielt, sieht man im ersten Takt als 'gis / I' und im zweiten Takt als 'as / ♭I'.

Der Unterschied zwischen den beiden Tönen ist aus ihren melodischen Kontexten ersichtlich: 'a gis (e) a' / 'J I (Q) J' und 'g as g' / T ♭I T'. Die beiden Motive sind gegenseitig Umkehrungen und exponieren die beiden enharmonischen Töne als Gegensätze, die sozusagen einander den Rücken kehren und den 'Januskopfeffekt' bilden: 'a gis a' zeigt gis als aufwärtsstrebende Energie, und 'g as g' zeigt as als abwärtsgerichtete Energie

Die beiden Motive beachten die gemeingültige Regel für enharmonische Töne, dass der höhere Exponent (hier +6 = gis) aufwärts strebt, während der niedrigere* Exponent (hier -6 = gis) abwärts strebt.

Enharmonische Töne sind somit diametrale Gegenenergie. Bei enharmonischer Umdeutung = 12-tonaler Alteration ändert sich die bisherige Richtung: wenn gis zu as wird, wird Aufwärtsenergie in Abwärtsenergie verwandelt.

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Die kleinen und und großen Intervalle der 12-Tonalität

Nachstehend gilt - um konsequente Analogie zu fördern: – reine Quarte als 'kleine' Quarte, und übermäßige Quarte als 'große' Quarte, – und – verminderte Quinte als 'kleine' Quinte, und reine Quinte als 'große' Quinte.

Wie die 7-Tonalität 6 kleine und 6 große Intervalle hat, hat die 12-Tonalität 11 kleine und 11 große Intervalle.

Der Übergang von 7-Tonalität zu 12-Tonalität bedeutet Partnerwechsel: 'große' Quarte und 'kleine' Quinte finden sich und bilden ein Paar, die übrigen fünf kleinen finden übermäßige als Partner und verwandeln sie in große – und die übrigen fünf großen finden verminderte als Partner und verwandeln sie in kleine – im ganzen 11 Paare mit dem 12-Chroma als den feinen, gemeinsamen Unterschied:

in der 7-Tonalität ist der Unterschied das 7-Chroma, in der 12-Tonalität ist der Unterschied das 12-Chroma.

Mit f als Achse werden die sechs 7-tonalen Paare symmetrisch gruppiert:

Mit P als Achse werden die elf 12-tonalen Paare symmetrisch gruppiert.

Die 12-Intervalle zur 7-Notation transponiert:

Visuell verwirrend! Dafür lässt sich aber Abhilfe schaffen: neue Namen!

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– den Troll bei seinem Namen rufen: die Namen der 12-Intervalle

Eine einfache Regel erleichtert die Übersetzung aus 7-Namen in 12-Namen: kleine und verminderte werden kleine (Eins, Zwei, Drei … ... … Elf) große und übermäßige werden große (Eins, Zwei, Drei … … … Elf).

Als Beispiel: e-gis? Man denkt: "e = Null, f= Eins, fis = Zwei, g = Drei, gis = Vier" - und

"c-gis ist eine große Terz" – und "große und übermäßige werden große" – also: "e-gis ist eine große Vier".

Oder: "e-gis spannt vier 12-Stufen und ist deshalb eine Vier" – und "große in 7 ist große in 12, deshalb große", – also: "e-gis ist eine große Vier".

Der Partner ist leicht zu finden: man denkt enharmonisch: "gis ändert sich zu as: e-as ist eine kleine Vier''. Prüfung: "e = Null, f = eins, fis = Zwei, g = Drei, as = Vier" – und "e-as ist eine verminderte Quarte – und "kleine und verminderte werden kleine" – also: "e-as ist eine kleine Vier"

Oder : "e-as spannt vier 12-Stufen und ist deshalb eine Vier" – und "verminderte in 7 ist kleine in 12, deshalb kleine", – also: "e-as ist eine kleine Vier".

– Namen und Zeichen der 12-Intervalle –In der Übersicht auf der nächsten Seite sind die 12-tonalen Intervalle paarweise aufgestellt und mit Namen benannt:

reine Null = reine Null : 0 = 0kleine Eins & große Eins : ’1 & 1’kleine Zwei & große Zwei : ’2 & 2’Drei & große Drei : ’3 & 3’kleine Vier & große Vier : ’4 & 4’kleine Fünf & große Fünf : ’5 & 5’kleine Sechs & große Sechs : ’6 & 6’kleine Sieben & große Sieben : ’7 & 7’kleine Acht & große Acht : ’8 & 8’kleine Neun & große Neun : ’9 & 9’kleine Zehn & große Zehn : ’10 & 10’kleine Elf & große Elf : '11 & 11’reine Zwölf = reine Zwölf : 12 = 12

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Intervall-Paare der 12-Tonalität

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PERSPEKTIVEN

In seiner Komposition „“L'Enharmonique“ notiert der Komponist und Theoretiker Jean Philippe Rameau wechselweise gracieusement und hardiment, sans altérer la mesure, d.h. inégal und égal: ungleiche und gleiche Dauer der Achtelnoten.

Rameau verwendet den Kontrast ungleiche und gleiche Dauer. Eine andere Möglichkeit wäre ungleiche und gleiche Intervallgröße, d.h. ungleichgeteilte Dia-12- Tonalität und gleichgeteilte Dodekaphonie, i.e. das durch und durch Tonale und das konsequent Atonale.

Dem Komponisten ermöglicht somit die Bewusstmachung der Dia-12-Tonalität eine Untersuchung der Möglichkeiten, die in einer bewussten Erschließung der Wechselwirkung zwischen Komposition mit ungleichgeteilten (tonalen) und gleichgeteilten (atonalen) Intervallen liegen.

Dem Theoretiker schenkt der Fund der dia-12-tonalen Notation mit ihrer beinahe doppelten Intervallanzahl ein ergänzendes Gegenspiel zur 'Analyse nach der Allen Forte-Methode'. Eine ausgebaute dia-12-tonale Theorie wird ein natürliches und gleichwertiges Komplement zur Allen Forte-Analyse schaffen können, wie auch der Versuch einer Koordination dia-12-tonaler Theorie und Forte-Analyse sich fruchtbar erweisen mag.

Durch die Bewusstmachung des komplementären Verhältnisses der ungleich- und gleichgeteilten Intervalle und damit letztendlich des Verhältnisses Stufe und Grad, verfügt der Komponist über Arbeitswerkzeug zum Lösen einer potentiellen Aufgabe eines neuen Jahrtausends: die Vereinigung traditionell dodekaphonen Techniken und dia-12-tonalen Denkens zu einer organischen Ganzheit, die unzählige latente Möglichkeiten des erweiterten und intensivierten Ausdruckes einer reich facettierten Dia-Dodekaphonie entfalten mag.

Zuletzt, aber nicht zum mindesten – oder vielleicht – vor allem: schon die Untersuchung der vielen Möglichkeiten der Dia-12-Tonalität mag das Ohr für noch nie gehörte tonale Musik erschließen, die nicht weniger variiert und mannigfaltig als das 7-tonale Schaffen des vergangenen Jahrtausends sein mag.

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APPENDIX: GRADNOTATION - ein relevantes Studienwerkzeug? Intervallspannungen

Wenn die Stammtonschlange mit einem oktavierten und wiederholten f ergänzt wird, sieht man – innerhalb des gestrichelten Rahmens – die sechs 7-tonalen Komplementär-Intervallpaare, die kleinen Intervalle oben, die großen Intervalle unten:

Die obere Zahlenreihe '76543210' notiert, wie viele Intervalle von den Stammtönen gebildet werden können, z.B. gibt die Zahl 5 an, dass 5 große Sekunden und 5 kleine Septimen möglich sind.

Die Noten außerhalb des gestrichelten Rahmens sind identisch, nur ♯ macht den Unterschied: links zeigt die Zahl 7 an, dass es 7 reine Primen und 7 reine Oktaven gibt, während rechts die Zahl 0 zeigt, dass sich von den 7-Stammtönen keine übermäßige Prime (= chromatische Halbtonstufe = 7-tonales Chroma) und keine verminderte Oktave bilden lässt. Die untere Zahlenreihe '01234567' notiert - als Hypothese - den Spannungsgrad der Intervalle: die großen Sekunden und die kleinen Septimen haben den Spannungsgrad 2, indem es in der Schlange 1 Quarte + 1 Quinte zwischen den Noten f und g sind. Die reine Prime und die reine Oktave mit der Zahl 0 sind spannungsfrei, während das Chroma und die verminderte Oktave mit der Zahl 7 den Spannungsgrad 7 haben.

Wenn entsprechend die 12-Stammtonschlange mit einem oktavierten / 'zwölfierten' und wiederholten es / P ergänzt wird, sieht man – innerhalb des gestrichelten Rahmens – die elf Komplementärintervallpaare, unten große und oben kleine Intervalle:

Auch hier wird Intervallanzahl mit der oberen Zahlenreihe '12 11 ... 1 0' und Grad-spannung mit der unteren Zahlenreihe '0 1 ... 11 12' angegeben. Während die bisherigen Spannungsgradzahlen unverändert bleiben, werden die Intervallanzahlen

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vermehrt: während z.B. die Spannungsgradzahl 2 bleibt, wächst die 12-tonale Intervallanzahl zu 10 großen Sekunden und 10 kleinen Septimen / 10 großen Zweien und 10 kleinen Zehnen.

Wieder sind die Noten außerhalb des gestrichelten Rahmens identisch, mit ♯ als einzigen Unterschied: links zeigt die Intervallzahl 12 an, dass es 12 reine Primen und 12 reine Oktaven gibt, während rechts die Zahl 0 angibt, dass sich von den 12- Stammtönen keine verminderte Prime (= 12-tonale chromatische Halbtonstufe = 12- tonales Chroma) bilden lässt. – Rechts zeigt die Gradzahl 12, dass das 12-Chroma mit der Gradspannungszahl 12 das 7-Chroma an Spannung weit übertrifft.

Die beiden Gesamtnotenbilder indizieren dass die Bewegung der Quarte/Quinte-schlange innerhalb des Oktavrahmens schrittweise von der reinen Prime die beiden Chromas bildet: von 0 zu 7 Grad bzw. von 0 zu 12 Grad. Das ist die Grundlage der nachstehenden hypothetischen Gradnotation.

Gradnotation

Der Exponent des Einzeltones gibt den Spannungsgrad des Tones in Verhältnis zum 7-tonalen d = dem 12-tonalen O an.

Die Grade lassen sich – als Mittel zu Bewusstmachung – in einem besonderen Gradnotationssystem mit beliebiger Linienanzahl notieren, hier 7 Linien:

7- und 12-Notation haben die Gradnotation gemeinsam. Während 7- und 12-Notation Stufe als Ausdruck relativer Tonhöhe notieren, notiert die gemeinsame Gradnotation Grad als Ausdruck relativer tonaler Spannung. Auf der mittelsten Linie des Gradsystems wird d/O als 0 Grad angebracht. Von hier aus werden alle übrigen Töne angebracht: z.B. g/T mit der Gradzahl -1, die im Gradsystem ihren Platz im Zwischenraum unter der mittelsten Linie, also gleich unter Grad 0, hat: und ais/♯K mit der Gradzahl +8 wird auf der ersten Hilfslinie über dem Gradsystem notiert.

Die Gradnotation zeigt nicht die Oktavposition: alle ais/♯K – von Subkontraoktave zu viergestrichener Oktave – werden auf der ersten oberen Hilfslinie notiert.

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Gradnotierte Tonleiter

Die 7-tonale Stammtonleiter (d-dorisch):

Für das Verhältnis der Gradnotation zur Stufennotation gilt, dass

– Gleichbewegung zeigt großes und übermässiges Intervall (z.B. Ganzton). – Gegenbewegung zeigt kleines oder verminderes Intervall (z.B. Halbton).

Die Gradnotation veranschaulicht die tonalen Spannungen der Tonleiterstufen: die fünf 7-tonalen großen Sekunden (Ganztöne) der steigenden Tonleiter werden in der Gradnotation als zwei steigende Grade notiert (Gleichbewegung), während die beiden steigenden Sekunden (Halbtöne) – ausbalancierend – als fünf fallende Grade notiert werden (Gegenbewegung).

Die 12-tonale Stammtonleiter 'd-12' / 'O-12':

Die Gradnotation der 12-Stammtonleiter veranschaulicht entsprechend den Unterschied zwischen 12-tonalen Ganz- und Halbtönen: die fünf 12-tonalen Ganztöne der steigenden Tonleiter erscheinen in der Gradnotation als sieben steigende Grade (Gleichbewegung), während die sieben 12-tonalen Halbtöne – auch hier ausbalancierend – als fünf' fallende Grade notiert werden (Gegenbewegung).

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Einige Beispiele

Einige kommentierte Beispiele der Gradnotation:

a. Wiederholte Gradnote zeigt reine Prime/reine Null oder reine Oktave/reine Zwölf oder mehrere Oktaven/Zwölfen.

b. Gleichbewegung (beide nach oben oder beide nach unten) der Stufen- und Gradnotation zeigt, dass das Intervall groß oder übermäßig ist. c. Gegenbewegung der Stufen- und Gradnotation zeigt, dass das Intervall klein oder vermindert ist.

d. Komplementärintervalle zeigen sich in der Gradnotation als pendelnder Ausschlag, als hin und her. e. Die Gradspannungszahl des Chromas (der chromatischen Halbtonstufe) ist gleich die numerische Größe der Tonalität: das 7-tonale Chroma hat Gradspannungszahl 7, das 12-tonale Chroma hat Gradspannungszahl 12.

f. Eine 7-tonale Ganztonreihe zeigt nur Gleichbewegung, da sie nur große und übermäßige Intervalle hat: 7-tonal: große Sekunden, große Terzen, 'große' (übermäßige) Quarten, übermäßige Quinten und eine übermäßige Sexte / 12-tonal: große Zweien, große Vieren, große Sechsen, große Achten und eine große Zehn.

g. Ein Dominantnoneakkord mit kleiner None zeigt nur Gegenbewegung, da er nur kleine und verminderte Intervalle hat: 7-tonal: kleine Terzen, 'kleine' (verminderte) Quinten und verminderte Septime / 12-tonal: kleine Dreien, kleine Sechsen und kleine Neun.

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Bartok und Bach gradnotiert

Unter der 7- und 12-Notation des Bartokzitates ist die gemeinsame Gradnotation hinzugefügt:

In der Gradnotation springt das 12-Chroma in die Augen als oberste und unterste Note (erste und letzte Note des dritten Taktes): Grad +7 und -5, was die 12 Grad Spannung zwischen den Noten dis/♯P und es/P der 7- und 12-Notation veranschaulicht.

Als obere Gradlinie kann man '+5 +5 +5 +7 +5 +5' auslesen (dreimal cis/N der beiden ersten Takte, dann Spitzenton dis/♯P im dritten Takt, und wieder zweimal cis / N im dritten und vierten Takt). Im Kontrast zu dieser gebrochenen geraden Linie ('Orgelpunkt') zeichnet die untere Gradlinie ein feines Wogen: '-4 -4 -5 -4 -5 -4' (b/K hat -4 Grad, es/P hat -5 Grad).

Die zwei/drei ♯-Vorzeichen der 7- und 12-Notation des Bach-Themas verursachen, dass die Gradnotation eine höhere Gradlage hat. Die Spitzennoten bilden das 12-Chroma: Grad -2 und +10 im ersten und dritten Takte, in der 7- und 12-Notation die Noten c und his / N und ♯N.

Bei Bach ist es augenfällig, dass unter den beiden Stufennotationen und der Gradnotation die Gegenbewegung überwiegt, dass also kleine und verminderte, d.h. zusammenziehende Intervalle überwiegen. Während Bartok nur eine kleine Mehrheit zusammenziehender Intervalle gebraucht, verwendet Bach dreimal so viel erweiternde (große und übermäßige) Intervalle als zusammenziehende (kleine und verminderte) Intervalle. – So verdeutlicht die Gradnotation, welche konzentriert zentripetale Energie diesen schwerwiegenden Fugensatz mit dem Charakter Largo: 'breit, groß, freigebig' treibt und trägt.