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© 2020 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 013/18 Rechtliche Aspekte des Handelns der Deutschen Bundesbank bei den TARGET2-Salden Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste

Ausarbeitung Rechtliche Aspekte des Handelns der ......7 Schünemann, Bernd: Die TARGET2-Salden der Deutschen Bundesbank in der Perspektive des Untreuetatbe-standes in: Zeitschrift

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Page 1: Ausarbeitung Rechtliche Aspekte des Handelns der ......7 Schünemann, Bernd: Die TARGET2-Salden der Deutschen Bundesbank in der Perspektive des Untreuetatbe-standes in: Zeitschrift

© 2020 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 013/18

Rechtliche Aspekte des Handelns der Deutschen Bundesbank bei den TARGET2-Salden

Ausarbeitung

Wissenschaftliche Dienste

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Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines sei-ner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasse-rinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeit-punkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abge-ordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, ge-schützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fach-bereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen.

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Rechtliche Aspekte des Handelns der Deutschen Bundesbank bei den TARGET2-Salden

Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 013/18 Abschluss der Arbeit: 28.02.2018 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen

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Inhaltsverzeichnis

1. Fragestellung 4

2. Was sind TARGET2-Salden? 5

3. Pflichten der Bundesbank und Vereinbarkeit mit TARGET2-Salden (Fragen 2 und 3) 5

3.1. Vermögensbetreuungspflicht 5 3.2. Pflicht zur Preisstabilität 7 3.3. Weitere rechtliche Aspekte der TARGET2-Salden 8

4. Kreditvergabe durch die Bundesbank (Frage 4) 9

5. Risikomanagementsystem bei der Bundesbank? (Frage 5) 10

6. Obergrenzen für TARGET2-Salden? (Frage 6) 10

7. Regelungsbefugnisse des Deutschen Bundestages gegenüber der Deutschen Bundesbank bezüglich der TARGET2-Salden (Frage 7) 10

8. Unterstützung der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung durch die Deutsche Bundesbank (Fragen 9 bis 11) 11

9. Deutsche Bundesbank und Eurorettungspolitik (Fragen 12 und 13) 12

9.1. Die Deutsche Bundesbank als Mitglied des ESZB 13 9.2. Die Kredit- und Bürgschaftsprogramme der Mitgliedsstaaten zur

Eurorettung 14 9.3. Rechtsbeziehungen der EZB-Politik zu den Euro-

Rettungsprogrammen 15

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1. Fragestellung

Die Auftraggeber erkundigen sich nach den Rechtsbeziehungen der Deutschen Bundesbank zu den sogenannten TARGET2-Salden sowie sich daraus ergebenden Implikationen für den Deut-schen Bundestag und die Bundesregierung. Im Einzelnen wurde gefragt:

1. Verpflichten die Regelungen zum Euro die Bundesbank im Target2 System unbegrenzt Li-

quidität zur Verfügung zu stellen?

2. Die Liquiditätsbereitstellungen erhöhen die Forderungen an andere Teilnehmer im Euro-

System ohne Sicherheiten. Die wirtschaftlichen Verhältnisse mancher teilnehmenden

Schuldner sind prekär. Wie ist der Aufbau der Forderungen im Target2 System mit der

Verpflichtung eines Vorstands zur Sicherung der Vermögenswerte zu vereinbaren?

3. Verstößt der Vorstand gegen seine Verpflichtungen, wenn er den Aufbau der Target2 For-

derungen akzeptiert, obwohl keine realistische Rückzahlungsperspektive existiert, z. B.

durch eine erwartbare Umkehr der Kapital- und Warenströme oder eine entsprechende

Kreditfähigkeit der verschuldeten Notenbanken/Staaten?

4. Ist der Vorstand der Bundesbank verpflichtet oder berechtigt, Kredite ohne Rücksicht auf

die Risiken der Bundesbank auszureichen? Anhand welcher Kriterien sind die Grenzen

einer Kreditausreichung festzumachen?

5. Ist der Vorstand der Bundesbank zur Etablierung eines Risikomanagementsystems ver-

pflichtet?

6. Ergibt sich hieraus eine Pflicht Obergrenzen für die Target2 Forderungen zu definieren?

Schließlich verlangt die Bankenaufsicht von den Banken Limitsysteme.

7. Kann der Deutsche Bundestag der Bundesbank Risikolimitierungen vorschreiben oder ist

dies in der Eigenverantwortung des Vorstands?

8. Ist die Europolitik der Finanzpolitik zuzuordnen?

9. Nach welchen Kriterien ist zu bemessen, inwieweit die Bundesbank die Wirtschaftspolitik

unterstützen muß oder ist es ausschließlich Entscheidung des Vorstands?

10. Welche Kriterien hat der Vorstand bei der Unterstützung der Wirtschaftspolitik anzule-

gen? Ist dies einzig die Preisstabilität?

11. Gibt es eine Verpflichtung eine Eurorettungspolitik der Bundesregierung zu unterstützen?

12. Gibt es eine Verpflichtung die Eurorettung über das vom Bundestag beschlossene Maß

hinaus durch den Einsatz weiterer Mittel zu unterstützen?

13. Gibt es eine Berechtigung die vom Bundestag genehmigten Mittel zur Eurorettung durch

Einsatz von Mitteln der Bundesbank aufzustocken?

14. Gemäß Art. 14 (3) des ESZB Statuts sind die nationalen Zentralbanken integraler Bestand-

teil des Systems der europäischen Zentralbanken und handeln gemäß den Leitlinien und

Weisungen der EZB. Dies beinhaltet keinen Nachteilsausgleich im Sinne eines Beherr-

schungsvertrags. In Analogie hierzu wäre der Vorstand der Bundesbank verpflichtet, die

ausreichende Wahrung der eigenen Interessen der Bundesbank zu beachten. Ist dem so?

15. Anhand welcher Kriterien hat der Vorstand der Bundesbank zu beurteilen, dass die Wei-

sungen der EZB nachteilig sind und deren Ausführung zu verweigern?

16. Gilt dies auch für geldpolitische Entscheidungen, die sich indirekt auf die Risiken der Bundesbank auswirken?

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Diese Ausarbeitung behandelt nicht die Fragestellungen zu 1., 8. sowie die Fragen 14, 15 und 16. Diese werden in gesonderten Bearbeitungen der Unterabteilung PE (Europa) beantwortet.

2. Was sind TARGET2-Salden?

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) verwendet in seinem Urteil vom 18.3.20141 folgende Be-schreibung für das TARGET2-System:

„Das TARGET2-System dient der technischen Abwicklung von grenzüberschreitenden Zahlungs-vorgängen. Die Deutsche Bundesbank beschreibt es insoweit als das Zahlungssystem der Zentral-banken des Eurosystems für die Abwicklung eilbedürftiger Überweisungen in Echtzeit, bei dem Kreditinstitute gegen eine monatliche Fixgebühr ihren Zahlungsverkehr über eine einheitliche Plattform abwickeln. TARGET2-Salden entstehen durch die tägliche Saldierung der grenzüber-schreitenden Transaktionen. Sie stellen Forderungen oder Verbindlichkeiten gegenüber der Euro-päischen Zentralbank dar.“2

3. Pflichten der Bundesbank und Vereinbarkeit mit TARGET2-Salden (Fragen 2 und 3)

3.1. Vermögensbetreuungspflicht

§ 3 des Bundesbankgesetzes (BBankG) lautet: „Die Deutsche Bundesbank ist als Zentralbank der Bundesrepublik Deutschland integraler Bestandteil des Europäischen Systems der Zentralban-ken. Sie wirkt an der Erfüllung seiner Aufgaben mit dem vorrangigen Ziel mit, die Preisstabilität zu gewährleisten, hält und verwaltet die Währungsreserven der Bundesrepublik Deutschland, sorgt für die bankmäßige Abwicklung des Zahlungsverkehrs im Inland und mit dem Ausland und trägt zur Stabilität der Zahlungs- und Verrechnungssysteme bei. Sie nimmt darüber hinaus die ihr nach diesem Gesetz oder anderen Rechtsvorschriften übertragenen Aufgaben wahr.“

„§ 3 beschreibt die Aufgaben, die die Bundesbank zu erfüllen hat. Die Norm steht systematisch im Zusammenhang mit dem Protokoll (Nr. 4) über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank (ESZB-Satzung), die ebenfalls Aufgaben für die nationalen Zentralbanken festlegt, und weiteren Fachgesetzen, die Aufgaben an die Bundesbank übertragen.“3

Aus dem Gesetzeswortlaut des § 3 BBankG lässt sich keine allgemeine Pflicht zur Sicherung der Vermögenswerte der Bundesrepublik Deutschland ableiten. „Die Bundesbank ist die deutsche Zentralbank und somit Bestandteil des Europäisches System der Zentralbanken (ESZB). Handelt die Bundesbank als dieser Bestandteil zur Ausführung von Aufgaben innerhalb des ESZB, ist sie nach Art. 14.3 Satz 1 ESZB-Satzung verpflichtet, den Leitlinien und Weisungen der EZB zu fol-gen – wird sie allein aufgrund einer nationalen Ermächtigungsnorm tätig, ist dies hingegen nicht

1 BVerfG, Urteil vom 18. März 2014, Az: 2 BvE 6/12

2 BVerfG: aaO., Rn. 139, juris

3 Nomos-BR/Berger/Rübsamen BBankG/Katrin Rübsamen/Henning Berger BBankG § 3 Rn. 1, beck-online

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der Fall. Mit der Einführung des Euro als einheitliche Währung ist auch die geldpolitische Sou-veränität der Bundesrepublik aufgegeben worden und auf das ESZB übergegangen4 – die Bundes-bank ist seither Bestandteil des Systems und kein eigenständiger „geldpolitischer Akteur“ mehr5. Die Grundlage für die Übertragung der Währungshoheit auf das ESZB findet sich in Art. 88 Satz 2 GG.“6

Schünemann7 nennt als Grundlage seines Untreuevorwurfs gegen den Bundesbankvorstand eine Verletzung der „Fürsorgestellung aus Gesetz, nämlich aus Art. 88 GG i.V.m. § 13 Abs. 1 BBankG und § 7 Abs. 1 BBankG, wonach der Vorstand die Bundesregierung zu beraten hat.“ Die Bera-tungsaufgabe der Bundesbank sei ein sogenannter Dienst höherer Art, der auch den zentralen In-halt der Amtspflichten der Bundesbank bilde und deshalb von Ranghöhe und Wichtigkeit unbe-denklich Untreueniveau aufweise. Er gesteht jedoch auch zu, dass „die Beratungsaufgabe kein eigenes Verfügungsrecht über das Vermögen der Bundesrepublik Deutschland“8 impliziere.

Prof. Schünemann hatte u.a. gegen den Bundesbankvorstand Strafanzeige wegen Untreue vor dem Hintergrund der TARGET2-Salden gestellt. Das Ermittlungsverfahren wurde von der Staats-anwaltschaft Frankfurt/Main eingestellt.

Nach Auffassung von Kirkpatrick9, der bei der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt die Dienstauf-sichtsbeschwerde Schünemanns gegen die Einstellung des Ermittlungsverfahrens bearbeitete, ergibt sich aus § 3 BBankG lediglich eine Betreuungspflicht für das Vermögen der Bundesbank, aber keine förmliche Verpflichtungs- und Verfügungsbefugnis für das Vermögen der Bundesre-publik Deutschland.

Die Bundesbank hält und verwaltet die Währungsreserven der Bundesrepublik Deutschland, § 3 BBankG. Sie ist jedoch nicht für das gesamte Vermögen der Bundesrepublik verantwortlich. Die-ses obliegt vielmehr dem Bund und den Ländern. Diese sind für ihre Vermögens- und Haushalts-wirtschaft dem Deutschen Bundestag bzw. ihrem jeweiligen Landesparlament gegenüber verant-wortlich, Art. 114 Abs. 1 GG für den Bund.

Nach Auffassung von Kirkpatrick, scheitere die Argumentation, dass die fehlende Beratung der Bundesregierung durch die Bundesbank eine Pflichtverletzung bedeute, bereits daran, dass es

4 Bonner Kommentar-Häde, GG, Art. 88 Rn 624; Hahn/Häde, § 12 Rn 1, zit. Nach Nomos-BR/Berger/Rübsamen: aaO., § 3 Rn. 12

5 Hahn/Häde: Währungsrecht, § 12 Rn. 1

6 Nomos-BR/Berger/Rübsamen BBankG/Henning Berger/Katrin Rübsamen BBankG § 3 Rn. 2-15, beck-online

7 Schünemann, Bernd: Die TARGET2-Salden der Deutschen Bundesbank in der Perspektive des Untreuetatbe-standes in: Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik 2012, S. 84-106 (95)

8 Schünemann: ebenda

9 Kirkpatrick, David Ryan: Die Target2-Salden der Deutschen Bundesbank – Ein Fall der Untreue? in: wistra 2013, 249-255 (254)

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keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür gebe, dass eine Beratung der Bundesregierung unterblie-ben sei.10

Die Vermögensbetreuungspflicht der Bundesbank besteht also nur für ihr eigenes Vermögen. Das Handeln der Bundesbank innerhalb des TARGET2-Systems verletzt somit keine Vermögensbe-treuungspflicht.

3.2. Pflicht zur Preisstabilität

Ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur Wahrung der Preisstabilität ist beim TARGET2-System auch nicht ersichtlich.

„Wann das Ziel der Preisstabilität erreicht ist, wird in den Verträgen nicht definiert. Der EZB-Rat hat die Preisstabilität als „jährlichen Anstieg des harmonisierten Verbraucherpreisindexes (HICP) innerhalb der Eurozone von weniger als 2 Prozent“ definiert.11

„Dem Ziel der Preisstabilität sollen auch die Art. 123-125 Vertrag über die Arbeitsweise der Euro-päischen Union (AEUV) dienen. Das Verbot des Art. 123 AEUV, seitens der Zentralbanken natio-nalen Einrichtungen Kredite zu gewähren, soll die Haushaltsdisziplin fördern. Denn wenn sich nationale Einrichtungen Kredite auf dem Kapitalmarkt beschaffen müssen, bietet die Aussicht auf günstigere Refinanzierungsmöglichkeiten keinen Anreiz solider zu wirtschaften. Darüber hin-aus sollen die Vorschriften verhindern, dass die unabhängig handelnden Zentralbanken politisch unter Druck geraten, Staaten mit Zentralbankkrediten zu versorgen.“12

Die TARGET2-Salden sind nach Auffassung des BVerfG jedoch keine Kredite an Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, sondern Rechnungssalden die auf Grund einer einheitlichen Plattform zur Abwicklung des Zahlungsverkehrs im Euro-Raum entstehen. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil zu den TARGET2-Salden das Gebot der Preisstabilität nicht als problemati-sches Kriterium benannt.13 Das Handeln des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) – und der Bundesbank als Mitglied des ESZB – müsse anhand seiner rechtlichen Aufträge und Mandate beurteilt werden.14 Die ökonomische Betrachtungsweise machte sich das BVerfG hier

10 Kirkpatrick: siehe Fn. 9, S. 253

11 Pressemitteilung der EZB vom 13.10.1998; abrufbar unter: https://www.ecb.eu-ropa.eu/press/pr/date/1998/html/pr981013_1.en.html

12 Nomos-BR/Berger/Rübsamen BBankG § 3 Rn. 16-37, beck-online

13 BVerfG, Urteil vom 18. 03.2014 – 2 BvE 6/12-, juris

14 BVerfG: aaO., Rn. 141, juris

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explizit nicht zu Eigen.15 Letztlich finden sich weder in der BVerfG-Entscheidung noch im Vor-trag der Beschwerdeführer Hinweise darauf, dass das TARGET2-System im Konflikt mit dem Ge-bot der Preisstabilität stünde.

Auch Prof. Sinn16 argumentiert bei seiner Darstellung der TARGET2-Salden nicht mit einer Ge-fährdung der Preisstabilität, sondern mit Ausfallrisiken bei Ländern die mit negativen TARGET2-Salden aus dem Euroraum austreten würden. Hierbei wird jedoch nicht deutlich, welche kon-krete Rechtspflicht die Bundesbank verletzt haben sollte. Sinn verweist zudem darauf, dass alle relevanten Entscheidungen zum TARGET2-System im EZB-Rat getroffen worden seien. „Ange-sichts dieser Machtverteilung [im EZB-Rat] hätte die Bundesbank auch die Entstehung der Tar-get-Forderungen, die auf die Absenkung der Sicherheiten bei den Refinanzierungskrediten zu-rückzuführen ist, nicht verhindern können, selbst wenn sie es gewollt hätte.“ 17

3.3. Weitere rechtliche Aspekte der TARGET2-Salden

Das BVerfG hat in seiner Entscheidung vom 13.4.2014 die von den Beschwerdeführern aufgewor-fenen Zweifel an der verfassungsrechtlichen Vereinbarkeit der TARGET2-Salden als unzulässig zurückgewiesen, weil es die Ausführungen zu den drohenden Haftungsrisiken für unsubstantiiert hielt.18

Watzinger19 analysiert die BVerfG-Entscheidung in ihrer Dissertation folgendermaßen: „Auch äu-ßerte sich das Bundesverfassungsgericht nicht zu den in seinem Urteil vom 12. September 2012 bestätigten Grundsätzen zur haushaltspolitischen Gesamtverantwortung, nach denen das finanzi-elle Gesamtengagement der Bundesrepublik Deutschland der Höhe nach begrenzt sein und der Bundestag im Einzelnen Maßnahmen zustimmen muss. Der Grund dafür, dass das Bundesverfas-sungsgericht diesen Aspekt nicht im Zusammenhang mit TARGET2 angesprochen hat, kann nur daran liegen, dass es in den TARGET2-Salden keine Kredite und kein Haftungsrisiko sieht. Das-selbe gilt im Hinblick auf einen Verstoß gegen das Verbot monetärer Haushaltsfinanzierung ge-mäß Artikel 123 AEUV. Offensichtlich sieht das Bundesverfassungsgericht keine Möglichkeit dazu, dass bestimmte Mitgliedsstaaten durch die TARGET2-Salden „finanziert“ werden. Der Ansicht des Bundesverfassungsgerichts ist zuzustimmen. Eine Verletzung des Grundgesetzes durch einen Verstoß gegen den Grundsatz der Haushaltsverantwortung infolge der TARGET2-Sal-den scheidet aus. Weder durch die rechtliche Möglichkeit des Entstehens der TARGET2-Salden noch durch die tatsächliche Entstehung der TARGET2-Salden selbst werden neue, über die bis-herigen Verträge hinausgehende Verpflichtungen oder Risiken begründet. Dabei bewirken die TARGET2-Salden keine Umgestaltung der Wirtschafts- und Währungsunion, sondern vielmehr

15 Watzinger: Rechtliche Probleme der Ausgestaltung von Zahlungsverkehrssystemen in der Europäischen Wirt-schafts- und Währungsunion. Eine Analyse von TARGET2, S. 369

16 Sinn: Die Target-Kredite der Deutschen Bundesbank, ifo-Schnelldienst vom 21.3.2012, S. 25; im Internet unter: https://www.cesifo-group.de/DocDL/ifosd_Sonderausgabe_20120321-1.pdf [zuletzt abgerufen am 14.2.2018]

17 Sinn: aaO., S. 24 ff.

18 BVerfG: aaO., Rn. 139 f.

19 Watzinger: siehe Fn. 15

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ihre Ermöglichung mit dezentraler Struktur. Eine Umgestaltung der Wirtschafts- und Währungs-union wie durch Art. 136 Abs. 3 AEUV findet daher gerade nicht statt. Auf eine Einschätzungs-prägorative des Deutschen Bundestages bei der Übertragung von Kompetenzen, wie beispiels-weise bei der Schuldenbremse, kommt es folglich nicht mehr an.“20

4. Kreditvergabe durch die Bundesbank (Frage 4)

Die Rechtsgrundlage für die Kreditvergabe durch die Bundesbank bildet § 19 Nr. 1 BBankG und die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Deutschen Bundesbank (AGB-BBank). Demnach darf die Deutsche Bundesbank Kreditinstituten und anderen Marktteilnehmern Darlehen gegen Si-cherheiten gewähren. Die Kreditvergabe ist nicht vergleichbar mit den Regelungen zum TARGET2-System. Rechtsgrundlage für das TARGET2-System ist die EZB-Leitlinie vom 5. De-zember 2012 (EZB/2012/27).21

Nach den AGB-BBank „schließt die Bank geldpolitische Geschäfte mit in Deutschland ansässigen oder niedergelassenen Kreditinstituten ab, die nach den Vorgaben des Eurosystems zur Unterhal-tung von Mindestreserven verpflichtet, finanziell solide sind und einer staatlichen Aufsicht un-terliegen.“ Gemäß AGB-BBank Abschnitt V Nr. 2 Abs. 1 führt die Bank „geldpolitische Geschäfte als Offenmarktgeschäfte und im Rahmen von ständigen Fazilitäten durch. Als Offenmarktge-schäfte betreibt die Bank befristete Kreditgeschäfte gegen Stellung von Sicherheiten (Offenmarkt-kredite)“.

Gemäß AGB-BBank Abschnitt V Nr. 3 Abs. 1 nimmt die Bank zur Besicherung von Offenmarkt- und Übernachtkrediten Wertpapiere einschließlich mit notenbankfähigen Kreditforderungen un-terlegter nicht marktfähiger Schuldtitel (non-marketable Debt Instruments backed by eligible Cre-dit Claims – „DECCs“) im Sinne der Nummer 12a und Termineinlagen der Geschäftspartner im Sinne von Nummer 17 zum Pfand sowie Kreditforderungen der Geschäftspartner im Wege der Sicherungsabtretung sowie nach Maßgabe der Nummer 13 als Sicherheit herein (Sicherheiten).

Gemäße AGB-BBank Abschnitt V Nr. 3 Abs. 4 Satz 1 müssen Offenmarkt- und Übernachtkredite jederzeit durch ausreichende Sicherheiten unterlegt sein.

„Die Bank wird insbesondere dann Geschäftspartner aus Risikogründen vom Zugang zu den geld-politischen Geschäften vorübergehend oder dauerhaft ganz oder teilweise ausschließen, wenn jene die Kapitalanforderungen gemäß Verordnung (EU) Nr. 575/2013 oder (bei Kreditinstituten mit Sitz außerhalb des EWR) nach einem vergleichbaren Standard auf individueller oder konsoli-dierter Basis nicht erfüllen; es sei denn, der Geschäftspartner kann glaubhaft machen, dass aus-reichende Rekapitalisierungsmaßnahmen zeitnah erfolgen werden.“22

20 Watzinger: siehe Fn. 15, S. 369 f.

21 https://www.ecb.europa.eu/ecb/legal/pdf/l_03020130130de00010093.pdf [zuletzt abgerufen am 26.2.2018]

22 AGB-BBank Abschnitt V Nr. 1 Abs. 3

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5. Risikomanagementsystem bei der Bundesbank? (Frage 5)

Eine direkte Verpflichtung zur Etablierung eines Risikomanagementsystems kann weder dem BBankG noch den AGB-BBank entnommen werden. „Grundsätzlich soll einem großen Kreis an Geschäftspartnern Zugang zu den Kredit- und Offenmarktgeschäften des ESZB gewährt wer-den.“23 Die AGB-BBank geben jedoch einen Hinweis darauf, dass die Bundesbank nur mit finan-ziell soliden Kreditinstituten und anderen Marktteilnehmern Geschäfte abschließen soll.

6. Obergrenzen für TARGET2-Salden? (Frage 6)

Eine rechtliche Verpflichtung zur Einhaltung von Obergrenzen bei den TARGET2-Salden ergibt sich weder aus dem BBankG noch aus den AGB-BBank.

Artikel 6 der EZB-Leitlinie 2012/27 enthält die näheren Bestimmungen zur Abwicklung der TAR-GET2-Salden zwischen den nationalen Zentralbanken (NZB) und der EZB. Artikel 6 enthält auch keine Angaben zu einer Obergrenze der TARGET2-Salden für einzelne NZB.

Eine derartige Obergrenze lässt sich auch nicht aus dem allgemeinen Bankenaufsichtsrecht her-leiten. Die von der BaFin erlassenen MARisk nebst dazu gehöriger Erläuterungen24 enthalten in AT 4.3.2 auch Ausführungen zur Risikosteuerung u.a. mit Limitsystemen. Sie gelten jedoch nur für Kreditinstitute im Sinne des KWG.25 Die Deutsche Bundesbank ist eine Anstalt des öffentli-chen Rechts.26 Auf sie ist das KWG nicht anwendbar. Es gilt vielmehr das speziellere Bundes-bankgesetz. Die Bundesbank ist zudem selbst zur Überwachung der MARisk bei anderen Kredit-instituten berufen.

7. Regelungsbefugnisse des Deutschen Bundestages gegenüber der Deutschen Bundesbank bezüglich der TARGET2-Salden (Frage 7)

Der Deutsche Bundestag kann der Bundesbank keine Risikolimitierungen zum TARGET2-System vorschreiben.

„Der parlamentarische Gesetzgeber muss bei der Regelung von Organisation und Aufgaben der Bundesbank (nach Art. 73 Nr. 4, 74 Nr. 11 und 88 GG) die eigenverantwortliche Wahrnehmung der währungspolitischen Zuständigkeiten durch die Bundesbank achten. Die Autonomie der Bundesbank im Verhältnis zur Bundesregierung reduziert empfindlich den Umfang parlamentari-scher Kontrolle. Wegen des Gleichlaufes von parlamentarischer Verantwortung mit bestehenden Einwirkungsbefugnissen ist die weisungsfreie Aufgabenwahrnehmung durch die Bundesbank der

23 Nomos-BR/Berger/Rübsamen BBankG/Katrin Rübsamen/Henning Berger BBankG § 19 Rn. 1-23, beck-online

24 Erläuterungen zu den MARisk vom 27.10.2017; https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Rundschrei-ben/dl_rs0917_marisk_Endfassung_2017_pdf_ba.pdf?__blob=publicationFile&v=5 [zuletzt abgerufen am 18.2.2018]

25 Erläuterungen zur MARisk vom vom 27.10.2017, AT 2.1., Seite 7; aaO.

26 Nomos-BR/Berger/Rübsamen BBankG/Henning Berger/Katrin Rübsamen BBankG § 2 Rn. 3, beck-online

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parlamentarischen Verantwortung der Bundesregierung entrückt. Dem Parlament ist es auch ver-sagt, konkrete geldpolitische Entscheidungen durch Gesetz zu steuern oder hierauf durch schlichte Parlamentsbeschlüsse Einfluss zu nehmen. Eine solche Einflussnahme würde ebenfalls den unionsrechtlichen Autonomiestandard für die nationalen Zentralbanken verletzen. Dennoch ist die Ausübung parlamentarischer Kontrolle über die Bundesbank nicht völlig ausgeschlossen. Dem Bundestag verbleibt die Befugnis, die Tätigkeit der Bundesbank zu erörtern und sich mit Pe-titionen aus dem Aufgabenbereich der Bundesbank (nach Art. 17, 45c GG) zu befassen.“27

Das TARGET2-System beruht auf einer EZB-Leitlinie, die der EZB-Rat beschlossen hat. „Als in-tegraler Bestandteil des Europäischen Systems der Zentralbanken handelt die Bundesbank „ge-mäß den Leitlinien und Weisungen der EZB“ (Art. 14.3 EZB-Satzung). Bei der Ausführung der durch die EZB veranlassten Maßnahmen (etwa nach Art. 12.1 EZB-Satzung) mag man die Bun-desbank aus funktionaler Sicht als europäische Behörde einordnen. Dennoch übt die Bundesbank auch beim Vollzug geldpolitischer Entscheidungen der Europäischen Zentralbank deutsche Staatsgewalt aus. Die – unmittelbar anwendbaren – Leitlinien und Weisungen der EZB äußern Durchgriffswirkung auf ein deutsches Staatsorgan. Dabei gilt für diese Leitlinien und Weisungen Vorrang des Unionsrechts.“28

Es gäbe daher keinen Kompetenzspielraum für den nationalen Gesetzgeber Limitierungen zu ei-ner EZB-Leitlinie zu beschließen. Der EZB-Rat übt insoweit die gemäß Art. 88 Satz 2 GG auf die Europäische Union und die Europäische Zentralbank übertragenen Kompetenz der Geldpolitik im Euro-Raum aus. Dieser Regelungsbereich steht dem Deutschen Bundestag nicht mehr als Ge-setzgebungskompetenz zur Verfügung.

8. Unterstützung der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung durch die Deutsche Bundes-bank (Fragen 9 bis 11)

§ 12 Satz 2 BBankG sieht vor, dass die Bundesbank die allgemeine Wirtschaftspolitik der Bun-desregierung unterstützt, soweit dies unter Wahrung ihrer Aufgabe als Bestandteil des Europäi-schen Systems der Zentralbanken möglich ist.

Unter der allgemeinen Wirtschaftspolitik der Bundesregierung versteht man „die Zusammenfas-sung aller Faktoren, durch welche die Bundesregierung neben der auf den monetären und kredi-tären Bereich beschränkten Tätigkeit der Bundesbank an der Manipulierung der Währung mit-wirkt“29. „Die Einschränkung der Unterstützungspflicht in Satz 2 reflektiert das Primat der Wahr-nehmung der Aufgaben des Eurosystems aus Art. 14 Abs. 1 und 4 ESZB-Satzung (Kümpel/Wittig-Löber, BankR, 5. Teil, Rn 5.423), nach dem die Bundesbank als nationale Zentralbank Aufgaben außerhalb des ESZB nur insoweit wahrnehmen kann, wie sie dessen Ziele und Funktion nicht beeinträchtigen.“30

27 Maunz/Dürig/Herdegen GG Art. 88 Rn. 69, beck-online

28 Maunz/Dürig/Herdegen GG Art. 88 Rn. 75, beck-online

29 v. Spindler/Becker/Starke: Die Deutsche Bundesbank, S. 257

30 Nomos-BR/Berger/Rübsamen BBankG/Henning Berger/Katrin Rübsamen BBankG § 12 Rn. 16, beck-online

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Es gibt keine gefestigten Kriterien für Art und Umfang der Unterstützung der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung durch die Bundesbank. Das liegt zum einen daran, dass diese Rechtsmaterie bislang nicht Gegenstand einer gerichtlichen Auseinandersetzung war. Zum anderen sind aber auch kaum verwertbare Quellen in der Literatur zu diesem Thema vorhanden.

Die Bundesregierung hat auf die Kleine Anfrage 17/1368 zur institutionalisierten Einbindung der Bundesbank in die Regierungsarbeit auf folgende Gremien verwiesen:

- Bundeskabinett: Sitzung zur Verabschiedung des Entwurfs des Bundeshaushalts (Präsi-dent/Vizepräsident),

- Kabinettsauschuss für Wirtschaft: Sitzung zur Verabschiedung des Jahreswirtschaftsbe-richts der Bundesregierung (Präsident/Vizepräsident),

- Großes Ressortleitergespräch zum Jahreswirtschaftsbericht, - Arbeitskreis Steuerschätzungen, - Interministerieller Arbeitskreis Gesamtwirtschaftliche Vorausschätzungen, - Finanzplanungsrat und Arbeitskreis des Finanzplanungsrats (bis Ende 2009), - Konjunkturrat für die öffentliche Hand, - Makroökonomischer Dialog auf nationaler Ebene, - Sozialbeirat, - GKV-Schätzerkreis, - Ausschuss für Kreditfragen der öffentlichen Hand, - Arbeitskreis Finanzwissenschaft beim Bundesministerium der Finanzen (BMF), - Wirtschaftspolitischer Gesprächskreis beim Bundesministerium für Wirtschaft und Tech-

nologie (BMWi), - Gesprächskreis „Globalisierung“ beim BMWi, - Beraterkreis Armuts- und Reichtumsbericht.

Der Vorstand der Bundesbank muss die Unterstützung der Grundzüge der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung in Einklang bringen mit den Beschlüssen und Maßnahmen der EZB. Im Zwei-felsfall sind die Beschlüsse und Leitlinien der EZB vorrangig gegenüber der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung. So wäre es der Bundesbank nicht möglich eine Wirtschaftspolitik die sich beispielsweise gegen das OMT-Aufkaufprogramm der EZB wenden würde zu unterstützen, denn damit würde die Bundesbank gegen EZB-Beschlüsse handeln.

Die Eurorettungspolitik zählt sicherlich zu den Grundzügen der Wirtschaftspolitik der Bundesre-gierung, hat sie doch unmittelbaren Einfluss auf die Stabilität der Eurozone. Diese Stabilität ist wiederum für eine stark exportorientierte deutsche Wirtschaft bedeutsam. Die nationalen Vorga-ben sind für die Bundesbank jedoch auch im Bereich der Eurorettungspolitik nur insoweit unter-stützungsfähig wie sie nicht den EZB-Beschlüssen zuwiderlaufen.

9. Deutsche Bundesbank und Eurorettungspolitik (Fragen 12 und 13)

Die Aufgabenfelder der Deutschen Bundesbank und der Bundesregierung sind bezüglich der Wirtschafts- und Geldpolitik voneinander abgegrenzt. Die Bundesregierung betätigt sich wirt-schafts- und finanzpolitisch. Die Deutsche Bundesbank ist als Zentralbank der Bundesrepublik Deutschland integraler Bestandteil des Europäischen Systems der Zentralbanken. Hier gestaltet sie als Mitglied des ESZB die Geldpolitik für den Euroraum mit. Die Bundesbank wirkt an der

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Erfüllung der Aufgaben des ESZB mit dem vorrangigen Ziel mit, die Preisstabilität zu gewährleis-ten, hält und verwaltet die Währungsreserven der Bundesrepublik Deutschland, sorgt für die bankmäßige Abwicklung des Zahlungsverkehrs im Inland und mit dem Ausland und trägt zur Stabilität der Zahlungs- und Verrechnungssysteme bei, § 3 BBankG.

9.1. Die Deutsche Bundesbank als Mitglied des ESZB

Als Mitglied des ESZB handelt die Bundesbank im EZB-Rat entsprechend dem in Art. 5 Abs. 2 EUV niedergelegten Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung nach den primärrechtlichen Befugnissen, die dem ESZB in den Verträgen eingeräumt worden sind.

„Art. 119 Abs. 2 AEUV umfasst die Tätigkeit der Mitgliedstaaten und der Union eine einheitliche Währung, den Euro, sowie die Festlegung und Durchführung einer einheitlichen Geld- und Wechselkurspolitik. Was speziell die Währungspolitik betrifft, hat die Union nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. c AEUV eine ausschließliche Zuständigkeit in diesem Bereich für die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist (vgl. in diesem Sinne Urteil Pringle, C-370/12, EU:C:2012:756, Rn. 50).31

„Nach Art. 282 Abs. 1 AEUV bilden die EZB und die Zentralbanken der Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, das Eurosystem und betreiben die Währungspolitik der Union. Nach Art. 282 Abs. 4 AEUV erlässt die EZB die für die Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Maß-nahmen nach den Art. 127 AEUV bis 133 AEUV und 138 AEUV und nach Maßgabe der Satzung des ESZB und der EZB. In diesem Rahmen ist es gemäß Art. 127 Abs. 2 AEUV Sache des ESZB, diese Politik festzulegen und auszuführen. Insbesondere ergibt sich aus Art. 129 Abs. 1 AEUV in Verbindung mit Art. 12 Abs. 1 des Protokolls über das ESZB und die EZB, dass der EZB-Rat die Geldpolitik der Union festlegt und das Direktorium der EZB diese Politik gemäß den Leitlinien und Beschlüssen des EZB-Rates ausführt. Weiter geht aus Art. 12 Abs. 1 Unterabsatz 3 dieses Protokolls hervor, dass die EZB, soweit dies möglich und sachgerecht erscheint, zur Durchführung von Geschäften, die zu den Aufgaben des ESZB gehören, die nationalen Zentralbanken in Anspruch nimmt, die gemäß Art. 14 Abs. 3 des Protokolls gemäß den Leitlinien und Weisungen der EZB zu handeln haben.“32

„Des Weiteren ergibt sich aus Art. 130 AEUV, dass das ESZB seine Aufgabe der Festlegung und Ausführung der Währungspolitik der Union in unabhängiger Weise wahrnimmt. Aus dem Wort-laut dieses Artikels ergibt sich, dass er das ESZB und seine Beschlussorgane vor externen Ein-flussnahmen schützen soll, die mit der Wahrnehmung der Aufgaben in Konflikt geraten könnten, die der AEU-Vertrag und das Protokoll über das ESZB und die EZB dem ESZB übertragen. So soll dieser Artikel das ESZB im Wesentlichen vor jedem politischen Druck schützen, damit es die für seine Aufgaben gesetzten Ziele durch die unabhängige Ausübung der spezifischen Befugnisse, über die es zu diesen Zwecken nach dem Primärrecht verfügt, wirksam verfolgen kann.“33

31 EuGH: Urteil vom 16. Juni 2015 – C-62/14 –, Rn. 34f., juris

32 EuGH: aaO., Rn. 36-39, juris

33 EuGH: aaO., Rn. 40, juris

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„Es [das ESZB] kann daher nicht in gültiger Weise ein Programm beschließen und durchführen, das über den Bereich hinausgeht, der der Währungspolitik durch das Primärrecht zugewiesen wird. Um die Einhaltung dieses Grundsatzes zu gewährleisten, unterliegen die Handlungen des ESZB nach Maßgabe der in den Verträgen festgelegten Voraussetzungen der gerichtlichen Kon-trolle durch den Gerichtshof. Insoweit ist festzustellen, dass der AEU-Vertrag keine genaue Defi-nition der Währungspolitik enthält, sondern zugleich die Ziele der Währungspolitik und die Mit-tel festlegt, über die das ESZB zur Ausführung dieser Politik verfügt.“34

„Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs geht hervor, dass für die Entscheidung über die Frage, ob eine Maßnahme zur Währungspolitik gehört, hauptsächlich auf die Ziele dieser Maßnahme abzustellen ist. Die Mittel, die die Maßnahme zur Erreichung dieser Ziele einsetzt, sind ebenfalls erheblich.“35

Zwischenergebnis: Die Maßnahmen, an denen sich die Bundesbank im Rahmen des ESZB betei-ligt, sind währungspolitischer Natur. Sie sind vom Handeln und den Direktiven der Bundesregie-rung unabhängig. Die Währungspolitik liegt nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. c AEUV in der ausschließ-lichen Zuständigkeit der Union. Dem Deutschen Bundestag als nationalen Gesetzgeber sind regu-latorische Einflussnahmen auf Grund der Übertragung des Politikbereichs auf die Europäische Union gemäß Art. 88 Satz 2 GG verwehrt. Einer Einflussnahme durch die Europäische Kommis-sion oder die Regierungen der Mitgliedsstaaten steht die Unabhängigkeit des ESZB gemäß Art. 130 AEUV entgegen.

9.2. Die Kredit- und Bürgschaftsprogramme der Mitgliedsstaaten zur Eurorettung

Die Regierungen der Eurozone haben in den vergangenen Jahren mehrere Sondervermögen ge-gründet um Stabilitätshilfen an notleidende Mitgliedsstaaten vergeben zu können. Eine derartige Konstruktion soll hier anhand des Beispiels des ESM kurz beschrieben werden.

Die ESM-Mitglieder haben einen ESM-Vertrag36 miteinander abgeschlossen. Dieser Vertrag regelt die Verfahrensweisen und Instrumente, die zur Gewährung von Stabilitätshilfen vorgesehen sind. Die stimmberechtigten Mitglieder des ESM-Gouverneursrates sind Regierungsmitglieder der je-weiligen ESM-Mitgliedsstaaten mit Zuständigkeit für Finanzen, Artikel 5 Abs. 1 ESM-Vertrag. Das ESM-Direktorium wird überwiegend von den Staatssekretären der Finanzministerien der ESM-Mitglieder gebildet. In beiden Gremien hat die EZB einen Beobachterstatus, Artikel 5 Abs. 3 und Artikel 6 Abs. 2 ESM-Vertrag. Der EZB kommt weiterhin eine Akteursrolle bei der Analyse des Bestehens einer Gefahr für die Finanzstabilität des Euro-Währungsgebietes insgesamt oder seiner Mitgliedsstaaten, der Tragfähigkeit der Staatsverschuldung sowie der Bewertung des tat-sächlichen oder potentiellen Finanzierungsbedarfs des ESM-Mitglieds zu, Artikel 13 Abs. 1 ESM-Vertrag. Die EZB übt diese Aufgaben jedoch nicht allein, sondern gemeinsam mit der Europäi-schen Kommission und bei der Tragfähigkeitsanalyse der Staatsverschuldung möglichst auch ge-meinsam mit dem IWF aus.

34 EuGH: aaO., Rn. 41-42, juris

35 EuGH, aaO., Rn. 46, juris

36 http://europa.eu/rapid/press-release_DOC-12-3_de.htm [zuletzt abgerufen am 21.2.2018]

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Bei der Aufstellung des Memorandum of Understanding sowie der Überwachung der Einhaltung der wirtschaftspolitischen Auflagen des Memorandums wirkt die EZB mit, Artikel 13 Abs. 3 und 7 ESM-Vertrag.

Die Struktur des ESM als von den Mitgliedsstaaten gegründete internationale Finanzinstitution, die ihr Stammkapital aus den nationalen Haushalten erhält und über deren Mittelverwendung die Regierungsvertreter der Mitgliedsstaaten entscheiden, verdeutlicht, dass es sich um ein wirt-schaftspolitisches Instrumentarium der nationalen Regierungen und nicht um ein geldpolitisches Instrumentarium des ESZB handelt. Trotz der mitwirkenden Rolle, die der EZB bei der Vorberei-tung und Durchführung von Stabilitätshilfen zugeschrieben werden, hat die EZB kein (Mit-)Ent-scheidungsrecht über ESM-Mittel. Sie wird lediglich wegen ihrer hohen geldpolitischen Fach-kenntnis in die Entscheidungsvorbereitung mit einbezogen.

9.3. Rechtsbeziehungen der EZB-Politik zu den Euro-Rettungsprogrammen

Verpflichtungen für die Bundesbank ergeben sich zuvörderst aus EZB-Leitlinien und Beschlüs-sen. Wie soeben dargelegt, ist die EZB jedoch bei den Eurorettungsprogrammen der nationalen Regierungen kein Entscheidungsträger, sondern soll lediglich ihre Expertise zur Beurteilung der Gefährdungen für den Euroraum zur Verfügung stellen.

Die geldpolitischen Maßnahmen der EZB, an denen die Bundesbank in den EZB-Gremien mit-wirkt, bedürfen keiner Zustimmung durch die nationalen Parlamente.

Umgekehrt ist die Bundesbank nicht verpflichtet sich an staatlichen Stabilitätshilfen zu beteili-gen. Dies würde auch dem Grundsatz der haushaltspolitischen Kontrolle durch den Deutschen Bundestag widersprechen.

Die Mittelverwendung durch die Deutsche Bundesbank unterliegt auf Grund der Unabhängigkeit der Bundesbank in § 12 Satz 1 BBankG und der Unabhängigkeit der EZB (Art. 88 Satz 2 GG; Art. 282 Abs. 3 Satz 3, 130 AEUV) nicht dem Zustimmungserfordernis durch den Deutschen Bundes-tag. Staatliche Stabilisierungshilfen, die aus dem Bundeshaushalt zur Verfügung gestellt werden, unterliegen dagegen in vollem Umfang den Hauskontrollrechten des Deutschen Bundestages.37

Unterschiedliche Auffassungen existieren lediglich für die (bislang nur theoretische Konstella-tion), dass die Bundesbank im Rahmen einer EZB-Rettungsaktion ihre finanziellen Möglichkeiten überschreitet.

„Die Frage des Verhältnisses zwischen Bundesbank und Bundestag stellte sich insbesondere auch im Rahmen der Verfahren vor dem BVerfG zur Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) und dem ESM. Denn nach der Rechtsprechung des BVerfG muss der Bundestag die Kon-trolle über grundlegende haushaltspolitische Entscheidungen behalten (BVerfGE 129, 124, Leit-satz 2 b). Wenn nun die Bundesbank im Rahmen einer Rettungsaktion ihre eigenen finanziellen Möglichkeiten überschreitet, müsste der Bund, der dazu verpflichtet ist, die Bundesbank hand-lungsfähig zu halten, dafür Sorge tragen, dass der Bundesbank wieder die erforderlichen Mittel

37 Vergleiche hierzu BVerfG-Urteil vom 18. März 2014, Az: 2 BvE 6/12 (ESM; Fiskalpakt)

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zur Verfügung gestellt werden (vgl v. Spindler/Becker/Starke, S. 487). Hierdurch wären wiede-rum der Bundeshaushalt und die parlamentarische Haushaltshoheit betroffen. Es stellt sich somit die Frage, ob die Bundesbank in Ausnahmefällen vor der Ausführung bestimmter Geschäfte einer parlamentarischen Zustimmung bedarf.“38

Prof. Herrmann gibt jedoch zu bedenken, dass eine Haftung der Bundesbank für Verluste der EZB nicht automatisch entstehen könne. „Eine Haftung für Verluste der EZB, die den Reservefonds und die monetären Einkünfte übersteigen (Art. 33 EZB-Satzung) trifft bereits die nationalen Zent-ralbanken nicht automatisch. Diese Verluste könnten lediglich über eine Erhöhung des Kapitals der EZB, zu der diese rechtlich nicht verpflichtet ist und über die der EZB-Rat mit qualifizierter Mehrheit gem. Art. 28.1, 10.3 der Satzung beschließt (wobei der Präsident der Bundesbank über keine Sperrminorität verfügt), mittelbar auf die nationalen Zentralbanken abgewälzt werden. Dazu bedürfte es jedoch zunächst einer Ermächtigung durch den Rat nach Art. 41 EZB-Satzung. Da den Bund für die Bundesbank jedoch keine Anstaltslast oder anderweitige Gewährträgerhaf-tung trifft, folgt auch hieraus keine unmittelbare haushaltswirksame Verpflichtung des Bundes. Auf die Erwirtschaftung von Gewinnen durch die Bundesbank (anders als auf deren Abführung nach § 27 Nr. 2 BBankG) hat der Bund generell keinen Rechtsanspruch.“39

Zusammenfassung: Es gibt für die Bundesbank keine Verpflichtung die Eurorettung über das be-schlossene Maß hinaus durch Einsatz weiterer Mittel zu unterstützen. Die Bundesbank kann auch nicht eine Aufstockung der vom Bundestag beschlossenen Stabilitätshilfen vornehmen, da sie nicht als eigene Hilfen gewährender Akteur an diesen Programmen teilnimmt. Die geldpoliti-schen Maßnahmen bei denen die Bundesbank im Rahmen des ESZB die EZB-Maßnahmen unter-stützt, sind nicht Bestandteil der Eurorettungsmaßnahmen der nationalen Regierungen.

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38 Nomos-BR/Berger/Rübsamen BBankG/Henning Berger/Katrin Rübsamen BBankG § 12 Rn. 1-16, beck-online

39 Herrmann, Christoph: Die Bewältigung der Euro-Staatsschulden-Krise an den Grenzen des deutschen und euro-päischen Währungsverfassungsrechts in: EuZW 2012, 805-812 (811), beck-online