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Ausbreitung von Gerüchen in Kaltluftabflüssen Röckle, R., Richter, C.-J. iMA Richter & Röckle Eisenbahnstraße 43, D-79098 Freiburg 1 Einleitung Kaltluftabflüsse spielen bei der Ausbreitung von Geruchsstoffen in vielen Fällen eine ent- scheidende Rolle. Sie bilden sich während wolkenarmer Nächte in strukturiertem Gelände aus und folgen – analog zu Wasser – dem Hanggradienten oder der Talachse. Falls sich eine Geruchsquelle (z.B. eine Deponie, eine Kompostierungsanlage o.ä.) innerhalb eines Kaltluftabflusses befindet, werden die entstehenden Geruchsemissionen auf ihrem Ausbrei- tungspfad nur wenig verdünnt und breiten sich schlierenförmig, oft über mehrere Kilometer hinweg, aus. Die Kaltluftströmung folgt, je nach Mächtigkeit, unterschiedlich stark den Geländeformen. Dies bedingt komplizierte Ausbreitungspfade, die eine Zuordnung zwischen Emittent und Einwirkort in der Planungsphase oft nur schwer vorhersagen lassen. Bei Kaltluftabflüssen handelt es sich um stabil geschichtete Strömungen im Übergangsbe- reich laminar - turbulent. Die folgenden Abbildungen zeigen Rauchpatronenversuche kurze Zeit nach Einsetzen der Kaltluftabflüsse an einem Hang. Man erkennt, dass die Rauchfahne vor allem der Vertikalen kaum auffächert und dem Gelände folgt. Abbildung 1: Rauchpatronenversuch, Blick den Hang hinab — 1 —

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Ausbreitung von Gerüchen in Kaltluftabflüssen

Röckle, R., Richter, C.-J. iMA Richter & Röckle

Eisenbahnstraße 43, D-79098 Freiburg

1 Einleitung Kaltluftabflüsse spielen bei der Ausbreitung von Geruchsstoffen in vielen Fällen eine ent-scheidende Rolle. Sie bilden sich während wolkenarmer Nächte in strukturiertem Gelände aus und folgen – analog zu Wasser – dem Hanggradienten oder der Talachse. Falls sich eine Geruchsquelle (z.B. eine Deponie, eine Kompostierungsanlage o.ä.) innerhalb eines Kaltluftabflusses befindet, werden die entstehenden Geruchsemissionen auf ihrem Ausbrei-tungspfad nur wenig verdünnt und breiten sich schlierenförmig, oft über mehrere Kilometer hinweg, aus.

Die Kaltluftströmung folgt, je nach Mächtigkeit, unterschiedlich stark den Geländeformen. Dies bedingt komplizierte Ausbreitungspfade, die eine Zuordnung zwischen Emittent und Einwirkort in der Planungsphase oft nur schwer vorhersagen lassen.

Bei Kaltluftabflüssen handelt es sich um stabil geschichtete Strömungen im Übergangsbe-reich laminar - turbulent. Die folgenden Abbildungen zeigen Rauchpatronenversuche kurze Zeit nach Einsetzen der Kaltluftabflüsse an einem Hang. Man erkennt, dass die Rauchfahne vor allem der Vertikalen kaum auffächert und dem Gelände folgt.

Abbildung 1: Rauchpatronenversuch, Blick den Hang hinab

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Abbildung 2: Rauchpatronenversuch, Blick vom Waldrand den Hang hinauf

Analog werden auch bodennahe Geruchsemissionen nur in geringem Maße verdünnt, so dass es in relativ weit entfernten Bereichen zu Geruchseindrücken kommen kann. Fragestel-lungen, die sich im Zusammenhang mit Geruchsausbreitung in Kaltluftabflüssen ergeben, sind:

• Welche Standorte sind für geruchsemittierende Anlagen gut / weniger gut / nicht geeignet

• Wo sind Geruchsimmissionen in der Umgebung der geplanten Anlage in Kaltluftabflusssi-tuationen zu erwarten

• Wie wirken sich Geruchsminderungsmaßnahmen auf die Reichweite aus, in der Gerüche bei Kaltluftabflüssen wahrgenommen werden können

Im Auftrag des Umweltministeriums Baden-Württemberg wurde deshalb ein einfach zu be-dienendes Programm entwickelt, das für jeden beliebeigen Ort innerhalb Baden-Württembergs die Kaltluftabflüsse und die Ausbreitung von bodennah emittierten Gerüchen prognostiziert. Dieses Programm steht den Gewerbeaufsichtsämtern, den Landwirtschafts-ämtern und der Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg zur Verfügung.

Die Idee und Umsetzung des Projekts wird in den folgenden Kapiteln beschrieben.

Im Literaturverzeichnis sind einige Arbeiten aufgeführt, die sich mit Kaltluftabflüssen und der Ausbreitung in ihnen auseinandersetzen. Spezielle Arbeiten zur Ausbreitung von Gerüchen in Kaltluftabflüssen sind nicht bekannt. Es gibt jedoch Untersuchungen zu Gerüchen aus Tierhaltungsbetrieben, in denen auf die Problematik der Ausbreitung in Kaltluftabflüssen hin-gewiesen wird. Dies sind die „Österreichische Abstands-Richtlinie“ (Piringer und Schauber-ger, 1998) und die „Schweizer Verordnung“ (Richner und Schmidlin, 1995).

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2 Kaltluftabflüsse Die in den Tagstunden auftretenden Hangauf- bzw. Talwinde sind meist sehr turbulent, so dass die Verdünnungsfähigkeit der Atmosphäre hoch ist. Die in den Abend- und Nachtstun-den auftretenden Kaltluftströme (Hangab- bzw. Bergwinde) sind jedoch mit stabiler thermi-scher Schichtung verbunden, so dass sich freigesetzte Luftbeimengungen nur sehr wenig verdünnen. Kaltluftabflüsse sind deshalb in der Lage, Gerüche über größere Distanzen rela-tiv unverdünnt zu verfrachten.

2.1 Entstehung von Kaltluftabflüssen

In klaren windschwachen Nächten ist die Energieabgabe der Boden- und Pflanzenoberflä-chen aufgrund der langwelligen Ausstrahlung größer als die Gegenstrahlung der Luft. Dieser Energieverlust verursacht eine Abkühlung der Boden- und Pflanzenoberfläche unter die Luft-temperatur. Durch molekularen und turbulenten Wärmeaustausch zwischen Pflanze und Umgebungsluft bildet sich somit eine bodennahe Kaltluftschicht. Diese ist um so ausgepräg-ter je negativer die Strahlungsbilanz, je geringer die Wärmezufuhr aus dem Boden und je schwächer der Massenaustausch mit der darüber liegenden Luftschicht ist.

In ebenem Gelände bleibt diese bodennahe Kaltlufthaut an Ort und Stelle liegen. In geneig-tem Gelände setzt sie sich infolge der horizontalen Dichteunterschiede hangabwärts in Be-wegung. Dieser Prozess ist von der Hangneigung und dem Dichteunterschied abhängig. Die hangparallel wirkende Reibungskraft bremst die abfließende Luft. Die beschriebenen Vor-gänge sind in der Regel instationär, d.h. es kommt zu "pulsierenden" Kaltluftabflüssen.

In Geländeeinschnitten fließen die Hangabwinde zusammen und es kann ein mehr oder we-niger mächtiger Talabwind (=Bergwind) entstehen. Die vertikale Mächtigkeit der abfließen-den Kaltluft und die Geschwindigkeit des Abflusses hängen im wesentlichen von der Fläche des Einzugsgebiets, der Kaltluftproduktionsrate, dem Talgefälle und den Rauhigkeiten im Talbereich ab. Die Fließrichtung wird durch die Geländeform bestimmt. Als Leitlinien des Kaltluftabflusses treten talwärts führende Einsenkungen des Geländes wie z.B. Seitentäler, Schluchten und Rinnen in Erscheinung.

In tiefer gelegenen konkaven Geländeformen wie z.B. in Tälern, Talkesseln, Schluchten und Mulden sammelt sich die Kaltluft und bildet einen Kaltluftsee. In dieser stagnierenden Kaltluft können sich intensive Inversionen ausbilden, die den vertikalen Luftaustausch deutlich redu-zieren.

Kaltluftentstehung und -abfluss hängen somit von folgenden Faktoren ab:

• meteorologische Verhältnisse

• Flächennutzung

• Geländeform und -exposition

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2.2 Intensität der Kaltluftabflüsse

Da es sich bei Kaltluftströmungen um Dichteströme handelt, unterscheidet sich das vertikale Windprofil deutlich von der Vertikalstruktur der Strömungen, die tagsüber auftreten. Bei letz-teren nimmt die Windgeschwindigkeit mit der Höhe zu (vgl. Abbildung 2 rechts). In Kaltluft-strömungen stellt sich dagegen im Bereich zwischen einem Viertel bis zur Hälfte der Kaltluft-höhe ein Maximum der Windgeschwindigkeit ein (Abbildung 2 links).

Bei Hängen mit geringer Rauhigkeit und großem Gefälle liegt die Kaltluftmächtigkeit meist unter 10 m. Das Windgeschwindigkeitsmaximum befindet sich im unteren Drittel. Die Wind-geschwindigkeiten können dort recht hoch sein (>3 m/s). Ist der Hang bewachsen, mit Ge-bäuden bestanden oder durch inhomogene Geländestrukturen gekennzeichnet, so führt dies zu größeren Kaltluftmächtigkeiten. Das Windgeschwindigkeitsmaximum verschiebt sich in diesem Fall zur Mitte der Kaltluftschicht. Die Windgeschwindigkeiten sind in diesem Fall al-lerdings deutlich geringer (Gygax, 1985).

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Abbildung 2: Typische vertikale Strömungsprofile. links – in einem Kaltluftabfluss, rechts – sonstige Grenzschicht-strömungen

Die maximalen Windgeschwindigkeiten bei Hangabwinden (Kaltluftabflüssen am Hang) hän-gen von zahlreichen topographischen Parametern ab. Bei kleinen horizontalen und vertikalen Erstreckungen liegen die Windgeschwindigkeiten unter 1 m/s. Bei ausgedehnten Hängen können auch höhere Windgeschwindigkeiten auftreten. Die Windgeschwindigkeiten in Berg-winden sind deutlich höher. Abhängig vom Talgefälle und der Größe des Kaltlufteinzugsge-bietes können im Maximum Werte bis über 10 m/s auftreten.

Abhängig von der vertikalen Mächtigkeit der Kaltluft, der Fließgeschwindigkeit und der Rau-higkeit des Untergrunds setzt sich die Strömung auch in den hang- bzw. talfolgenden Ebe-nen fort. Die Reichweite liegt je nach Intensität der Strömung zwischen wenigen Metern bei kleinen Hängen und mehreren Kilometern bei größeren Talausgängen.

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2.3 Vertikale Erstreckung der Kaltluftabflüsse

Die am Hang abfließende Kaltluft wächst durch Einmischung von Luft aus darüber liegenden Schichten an. Die vertikale Mächtigkeit dieser Strömung kann mit ca. 5% der zurückgelegten Höhendifferenz eines Luftpakets bis zum betrachteten Punkt abgeschätzt werden. Weist ein Hang eine Höhendifferenz von 200 m auf, so beträgt die vertikale Mächtigkeit des Kaltluftab-flusses im Bereich des Hangfußes etwa 10 m.

In Tälern sammelt sich die Kaltluft und fließt entsprechend dem Talgefälle ab. Hier liegen die vertikalen Höhen des Kaltluftflusses, falls kein übergeordneter Wind vorhanden ist, im Ni-veau der Randhöhen. Mit zunehmender Windgeschwindigkeit des übergeordneten Windes geht die Kaltluftmächtigkeit zurück.

2.4 Zeitlicher Verlauf der Kaltluftabflüsse

Hangabwinde setzen ein, wenn die Strahlungsbilanz an der Erdoberfläche negativ wird. Dies ist, abhängig von der Exposition des Hanges, in den Nachmittags- und Abendstunden der Fall. Am Rheintalrand setzen die Hangabwinde ca. ½ Stunde vor Sonnenuntergang ein. Sie dauern die Nacht über an, sofern sie nicht von einem stärkeren Bergwind überlagert werden. Wenn der Hang am Morgen wieder besonnt bzw. die Strahlungsbilanz positiv wird, endet der Hangabwind. Am Rheintalrand ist dies ca. 1 bis 2 Stunden nach Sonnenaufgang der Fall.

Bergwinde setzen gegenüber den Hangabwinden etwas später ein. Sie beginnen meist erst nach Sonnenuntergang. In den Morgenstunden dauern sie länger an.

2.5 Häufigkeit von Kaltluftabflüssen

Kaltluftabflüsse treten bei windschwachen und gleichzeitig wolkenarmen Wetterlagen auf, da in diesen Fällen gute Ausstrahlungsbedingungen vorliegen und die bodennah gebildete Kalt-luftschicht nicht durch Turbulenzen aufgelöst wird.

In großen Tälern bilden sich Kaltluftabflüsse auch bei Wetterlagen mit höheren Windge-schwindigkeiten und Bedeckungsgraden aus. Zum Beispiel tritt der Höllentäler (Freiburger Bergwind) auch dann noch auf, wenn die Windgeschwindigkeiten im Feldbergniveau (1500 m) bis ca. 7 m/s betragen. Bei höheren Windgeschwindigkeiten kann der Höllentäler nicht mehr entstehen, da die Höhenströmung bis zum Boden durchgreift. Basierend auf die-sen Randbedingungen kann abgeschätzt werden, dass in ca. 60% der Nächte mit diesem Wind zu rechnen ist.

Die geringmächtigeren Hangabwinde reagieren wesentlich empfindlicher auf übergeordnete Strömungen. In windgeschützten Lagen (z.B. Waldschneisen) bilden sich Kaltluftabflüsse häufig aus, während in exponierten Lagen nur bei ausgesprochen schwachwindigen Strah-lungswetterlagen ein ausgeprägter Abfluss auftritt. Heldt und Höschele (1989) geben an, dass bei Windgeschwindigkeiten, die in 50 m über Grund mehr als 5 m/s betragen, praktisch nur noch in geschützten Tälern Hangwinde auftreten, während bei weniger als 3 m/s die

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Hangwind-Wahrscheinlichkeit auf überdurchschnittliche Werte ansteigt. Auch mit dem Ta-gesgang der Temperatur fanden die Autoren eine hohe Korrelation. Falls die Differenz der Maximal- und Minimaltemperatur innerhalb eines Tages mehr als 10 K beträgt, ist die Auf-trittswahrscheinlichkeit von Hangabwinden überdurchschnittlich hoch.

Dieser Befund wird auch durch den Jahresgang der Auftrittswahrscheinlichkeit bestätigt. Das Maximum von Kaltluftabflüssen wird im Spätsommer/Frühherbst beobachtet In den Winter-monaten ist die Wahrscheinlichkeit am geringsten.

3 Ausbreitung von Gerüchen in Kaltluftabflüssen

3.1 Allgemeines

Bei Kaltluftabflüssen handelt es sich um stabil geschichtete Strömungen im Übergangsbe-reich laminar – turbulent, d.h. der vertikale Luftaustausch ist deutlich reduziert. Demzufolge werden Geruchsemissionen nur in geringem Maße verdünnt, so dass es auch in relativ weit entfernten Bereichen zu Geruchseindrücken kommen kann. Diese Geruchseindrücke können vor allem in den Sommermonaten, in denen man sich häufiger im Freien aufhält oder bei Nacht die Fenster geöffnet hält, belästigend wirken.

3.2 Einflussgrößen auf die Ausbreitung in Kaltluftabflüssen

Damit sich Geruchsstoffe in einem Kaltluftabfluss ausbreiten, sind folgende Voraussetzun-gen notwendig:

• Die Quelle muss im Einzugs- oder Wirkungsbereich eines Kaltluftabflusses liegen.

• Der Rezeptor muss stromab, d.h. in der Regel tiefer als die Quelle gelegen sein.

• Die Quelle muss in den Kaltluftstrom emittieren.

Ob es beim Rezeptor zu Geruchseindrücken kommt, hängt vom Ausbreitungspfad, der Ver-dünnung der Geruchsstoffe und den Emissionen ab. In der folgenden Auflistung sind die we-sentlichen Abhängigkeiten dargestellt.

Emission

Quellstärke: Mit zunehmender Quellstärke nehmen die Entfernungen zu, in denen Geruchseindrücke wahrnehmbar sind.

Quellkonfiguration: Relevant sind vor allem bodennahe Quellen. Quellen, die oberhalb der fließenden Kaltluft emittieren, brauchen nicht betrachtet zu werden.

Die horizontale Ausdehnung der Quelle entscheidet hauptsächlich über die Breite des betroffenen Gebietes.

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Emissionsverlauf: Von Interesse sind nur Quellen, die zu Zeiten emittieren, in denen Kaltluftabflüsse auftreten. Dies sind im Wesentlichen kontinuierli-che Emissionen wie sie von Deponien, Kläranlagen, landwirtschaftlichen Betrieben u.ä. ausgehen.

Ausbreitungsverhältnisse

Topographie: Die Intensität des Kaltluftstromes hängt von der Größe des Kalt-lufteinzugsgebietes, der Hangneigung, der Talneigung und von nutzungsspezifischen Größen (Art der Vegetation, Bodenparame-ter, usw.) ab.

Meteorologie Die Meteorologie bestimmt, ob Kaltluftabflüsse auftreten oder nicht. Am ausgeprägtesten sind Kaltluftabflüsse bei windschwa-chen Wetterlagen mit geringer Bewölkung.

Bei geringmächtigen Kaltluftabflüssen kann die übergeordnete Windrichtung die Richtung des Abflusses erheblich beeinflussen.

Ausbreitungspfad

Lage des Emittenten: Der Ausbreitungspfad wird durch die Geländestruktur geprägt. Entscheidend ist die Lage des Emittenten. Die Lage kann zu-nächst nach folgenden Kriterien eingeordnet werden.

• Quelle auf Hochebene

• Quelle am Hang

• Quelle am Hangfuß

• Quelle in einem Geländeeinschnitt

• Quelle in einem Tal

Lage des Rezeptors: Eine der wichtigsten Größen ist der Abstand zwischen Emittent und Rezeptor. Daneben spielt der Standort in Bezug zum Standort des Emittenten eine Rolle.

Geländestruktur: Bei geringmächtigen Kaltluftabflüssen folgt die Strömung analog zu Wasser dem größten Geländegefälle. Hindernisse wie Hecken und Dämme können eine Führung bodennaher Kaltluft bewirken.

4 Modellkonzept Einfache Screening-Verfahren, bei denen die Topographie charakterisiert wird und daraus die nächtlichen Ausbreitungsbedingungen abgeleitet werden, versagen, da die Kaltluftabflüs-se, zumindest zu Beginn der Nacht, eine große zeitliche und räumliche Variabilität aufwei-

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sen. In den Abendstunden dem Hang folgende geringmächtige Strömungen werden in topo-graphisch stark gegliedertem Gebiet, wie es Baden-Württemberg überwiegend darstellt, im weiteren Verlauf der Nacht durch mächtigere Kaltluftabflüsse aus Tälern überlagert. Dabei variiert an vielen Standorten die Windrichtung und die Windgeschwindigkeit stark.

Um diesen Effekten Rechnung zu tragen, wurden die komplexen Strömungsverhältnisse bei einer typischen Kaltluftsituation flächendeckend mit dem numerischen Kaltluftabflussmodell DFM (Röckle, Richter, 1998) auf einem an den Gauß-Krüger-Koordinaten orientierten 50 m Raster berechnet. Auf die berechneten Strömungsfelder, die als Datenbanken abgelegt sind, greift das Ausbreitungsmodell für die Abschätzung der Immissionssituation zurück. Die Steu-erung des Modells wird durch eine Windows-Oberfläche mit grafischen Ausgaben ermög-licht.

Vom Benutzer sind lediglich Angaben zur Lage der Quelle (Rechtswert, Hochwert, Höhe ü-ber Grund), der Ausdehnung der Quelle und zum Geruchsstoffstrom zu treffen. Als Ergebnis erhält der Benutzer die Aussage, ob am gewählten Standort Kaltluftabflüsse relevant sind und wenn ja, welche Gebiete von den Immissionen betroffen sein können.

4.1 Modellbeschreibung

Das Modell DFM beruht auf Gleichungen, die von Garrett und Smith (1984) hergeleitet wur-den. Es beschreibt ein vertikal integriertes Kaltluftabflussmodell.

In einem geländefolgenden Koordinatensystem werden die Erhaltungsgleichungen für Impuls und Masse numerisch gelöst. Die Gleichungen enthalten Terme für Advektion, Schwerebe-schleunigung, Reibung an der Erdoberfläche, Einmischen von Luft (Entrainment) am oberen Rand der Kaltluft, mesoskalige und großräumige Druckgradienten, Antrieb durch übergeord-nete Strömungen, Coriolis-Effekte und horizontale Diffusion.

Eingangsgrößen sind die Geländeoberfläche zg, geostrophischer Wind (ug,vg), übergeordne-ter Wind (ua,va), die Simulationszeit (t) und landnutzungsabhängige Größen wie der Rei-bungsbeiwert (CD), potentieller Temperaturgradient der Kaltluft (ΘD) und ein Höhenzuschlag zur Orographie.

Ausgabegrößen sind die vertikal gemittelten Horizontalkomponenten und die Höhe der flie-ßenden Kaltluft. Daraus lässt sich der lokale Volumenstrom (Produkt aus Kaltlufthöhe und Horizontalgeschwindigkeit) und unter Annahme eines typischen Kaltluftströmungsprofils auch Geschwindigkeiten in vorgegebenen Höhen ableiten.

Folgende Punkte wurden gegenüber dem ursprünglichen Modell von Garrett und Smith ver-bessert bzw. ergänzt:

1. Die Größen Reibungsbeiwert, potentieller Temperaturgradient der Kaltluft und der Höhen-zuschlag wurden von der Landnutzungsklasse abhängig gemacht.

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2. Der Ansatz zur Berechnung der horizontalen Diffusion bei der Berechnung der Kaltlufthö-he wurde verbessert, so dass keine Diffusion entgegen den Gradienten auftreten kann.

3. Die Bestimmung des Zeitschritts erfolgt nach jeder Iteration neu, so dass die Effizienz gesteigert werden konnte.

4. Die Randbedingungen an den Einströmrändern lassen sich vorgeben (z.B. aus geneste-tem Lauf mit geringerer Auflösung), so dass z.T. auch außerhalb des Untersuchungsge-biets produzierte Kaltluft ins Rechengebiet einströmen kann.

4.2 Eingangsdaten für die Berechnungen

Die Berechnungen mit dem Kaltluftabflussmodell DFM wurden auf der Basis des Digitalen Höhenmodells Baden-Württemberg, das im 50 m Raster vorlag, vorgenommen. An den Lan-desgrenzen wurde das Höhenmodell bedarfsweise ergänzt, so dass auch Kaltluftabflüsse aus benachbarten Ländern berücksichtigt werden konnten. Abbildung 4 zeigt das Relief Ba-den-Württembergs.

Abbildung 4. Baden-Württemberg in der Reliefdarstellung

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Da die Kaltluftentstehung und der Kaltluftabfluss von der Landnutzung abhängen, wurde auf eine Kategorisierung von LANDSAT-TM Daten zurückgegriffen. Diese lagen in einer Auflö-sung von 30 m vor und wurden auf das verwendete 50 m Raster interpoliert. Die ursprünglich 16 Nutzungsklassen wurden auf 10 Klassen abgebildet. Den Nutzungen wurden unterschied-liche Werte für modellspezifische Parameter (Reibung, Höhenzuschlag, potentieller Tempe-raturgradient) zugeordnet.

4.3 Strömungsberechnungen

Die Berechnung der Kaltluftströme für einen Standort erfordert in der Regel die Berücksichti-gung des gesamten Kaltlufteinzugsgebietes. Es müssen also meist mehrere Kilometer um das Beurteilungsgebiet in die Simulation miteinbezogen werden. Eine solche Berechnung für jeden Einzelfall durchzuführen, wäre im Rahmen eines „schnellen“ Screeningmodelles zu aufwendig. Diese Rechnungen wurden deshalb flächendeckend für ganz Baden-Württemberg im 50 m-Raster durchgeführt und als Grundlage für die Ausbreitungsrechnun-gen in einer Datenbank abgelegt.

Die Datenbank enthält die mittlere Strömungsgeschwindigkeit und die vertikale Mächtigkeit der Kaltluft an jedem Gitterpunkt für zwei Termine.

1. Zu Beginn der Kaltluftabflüsse

Kurz vor Sonnenuntergang bilden sich Hangabwinde aus. In Tälern werden diese im wei-teren Verlauf von stärkeren Talabwinden überlagert. Um diese Situation zu berücksichti-gen, wurde der Termin „30 Minuten nach Beginn der Simulationen“ in der Datenbank hin-terlegt.

2. Im weiteren Verlauf der Nacht

Einige Zeit nach dem Einsetzen der Hangabwinde entwickeln sich die intensiveren Berg-winde (Talabwinde), die in Tälern die Hangabwinde überlagern. Diese Strömungen kön-nen auch mehrere Kilometer in die den Tälern vorgelagerten Ebenen (z.B. die Rheinebe-ne) hineinreichen.

Ganz Baden-Württemberg in einem Rechengang zu berechnen, sprengt derzeit noch die Möglichkeiten moderner PC’s. Das Gebiet wurde deshalb in über 30 Simulationsgebiete, die jeweils 50 km · 50 km groß waren, aufgeteilt. Die Rechengebiete überlappen sich in allen Richtungen um 15 km, so dass Ungenauigkeiten an den Rändern weitgehend vermieden werden konnten.

Die Berechnungen eines Feldes mit 1000 · 1000 Gitterpunkten (50 km · 50 km) auf einem 500 MHz Pentium-Rechner benötigt für 6 Stunden Simulationszeit, je nach Geländestruktu-rierung, bis zu 12 Stunden Rechenzeit.

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4.4 Untersuchungsgebiet

Für den Screening-Prozess wird ein Gebiet von 2 km um die Quelle betrachtet. Die Ausbrei-tungsrechnungen erfolgen deshalb in einem 4 km · 4 km großen Gebiet, in dessen Zentrum sich die Quelle befindet. Die Quelle ist durch ein Kreuz (×) markiert. Linienquelle und Flä-chenquellen werden in ihrer angegeben Ausdehnung angezeigt.

Zur Orientierung sind im Untersuchungsgebiet die Landnutzung (10 Klassen) und die Höhen-linien (in 10 m Stufen) eingetragen.

4.5 Ausbreitungsrechnungen

Die Ausbreitungsrechnung erfolgt mit einem Lagrange-Partikelmodell. Bei diesem Modellty-pus werden an der Quelle eine Vielzahl von Partikeln freigesetzt, die mit der mittleren Strö-mung verfrachtet werden. Die Diffusion durch die Turbulenz der Strömung wird durch eine der mittleren Strömung überlagerte Zusatzbewegung der Partikel simuliert. Diese Zusatzbe-wegung unterliegt statistischen Gesetzmäßigkeiten.

Die Strömung in einem Kaltluftabfluss kann kleinräumig stark variieren. Vor allem flache Kalt-luftströme werden erheblich durch das Gelände geprägt, so dass die Strömungsrichtung und die Strömungsgeschwindigkeit auf kleiner Distanz große Unterschiede aufweist. Die träg-heitslosen „Partikel“ im Modell können diesen Strömungen folgen, da in jeder Rechenzelle von der dort berechneten Strömung weitertransportiert werden. Abbildung 5 zeigt in einer Skizze, wie sich einige Partikel von Zeitschritt zu Zeitschritt durch das Simulationsgebiet be-wegen.

Q

Abbildung 5: Weg verschiedener Partikel, die an der Quelle Q starten. Die Strömung kann dabei von Zelle zu Zelle innerhalb des Rechengitters variieren.

Jedes Partikel trägt, je nach Quellstärke, eine gewisse Geruchsfracht mit sich. Zählt man aus, wie viel Partikel sich wie lange in einzelnen Zellen aufgehalten haben, so erhält man für jede Zelle eine Geruchsstoffkonzentration. Um glatte Verteilungen dieser Konzentration zu erhalten, müssen möglichst viele Partikel freigesetzt und verfolgt werden.

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Im Screening-Modell sind es bei Punktquellen 10.000 Partikel, bei Linien- und Flächenquel-len können es bis zu 20.000 Partikel sein. Die Konzentrationen werden für das Niveau 0 bis 5 m über Grund auf dem 50 m · 50 m Raster berechnet.

4.6 Bewertung

Die Ausbreitungsrechnung liefert Konzentrationsmittelwerte über 30 bis 60 Minuten. Es muss ein statistisches Verfahren nachgeschaltet werden, um Aussagen zu den Konzentrationsfluk-tuationen zu erhalten.

Im einfachsten Fall wird hierzu das sogenannte „Faktor-10-Modell“ verwendet. Dieser Faktor trägt dem Verhältnis der Spitzenkonzentrationen zum berechneten Konzentrationsmittelwert Rechnung. Gemäß diesem Modell liegt eine Geruchsstunde dann vor, wenn der Stundenmit-telwert der Geruchsstoffkonzentration größer oder gleich 0,1 GE/m³ ist.

In den Ergebnisdarstellungen wird ausgewiesen, mit welcher Wahrscheinlichkeit in den be-aufschlagten Gebieten mit Geruchseindrücken zu rechnen ist. Dabei wurde eine Einteilung in vier Farbstufen gewählt (siehe Tabelle 1)

Tabelle 1: Bewertungsschema für die Wahrscheinlichkeit von Geruchswahrnehmungen in Kaltluftabflüssen

Konzentrations-bereich

Farbstufe Wahrscheinlichkeit von Geruchswahrnehmungen in Kaltluftabflüssen

<0,1 GE/m³ transparent sehr gering

0,1 – 0,5 GE/m³ grün gering

0,5 – 2,5 GE/m³ gelb mittel

≥2,5 GE/m³ rot hoch

In den grünen Bereichen ist bei den vorgegebenen Quellstärken und der berechneten Mete-orologie mit Geruchseindrücken zu rechnen, die zu einer Geruchsstunde führen würden. In den gelben und roten Bereichen ist mit deutlichen Geruchseindrücken zu rechnen.

Die transparenten Bereiche (dort wo die Landnutzung sichtbar ist) sind nicht gleichzusetzen mit „keinen Geruchseindrücken“. Zunächst sind die beiden Termine (bzw. die Überlagerung) darzustellen. Verlaufen die Geruchsfahnen zu Beginn der Nacht (Termin 1) und im weiteren Verlauf der Nacht (Termin 2) in unterschiedliche Richtungen, ist auch in den Bereichen zwi-schen den Fahnen mit entsprechenden Beaufschlagungen zu rechnen.

4.7 Einschränkungen

Das Screening-Modell kann abschätzen, ob es am gewählten Standort signifikante Kaltluft-ströme gibt und an welchen Orten es zu Geruchseindrücken kommen kann.

Nicht ausgegeben werden können die für die Bewertung nach GIRL erforderlichen Geruchs-stunden im Jahr. Es kann nur die Häufigkeit der Geruchsstunden in Kaltluftabflüssen abge-

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schätzt werden. Geht man konservativ davon aus, dass in 60% der Nächte Kaltluftabflüsse auftreten, diese im Mittel 12 Stunden andauern und der Betrieb während dieser Zeit emittiert, so ergäbe sich eine Geruchsstundenhäufigkeit von 30%.

Kleinräumige Effekte (<100 m), wie z.B. die Auswirkung von Wällen oder Dämmen können nicht berücksichtigt werden, da dies bei den verwendeten Auflösungen und der Genauigkeit der Landnutzung nicht möglich ist.

In nahezu ebenem Gelände werden keine Geruchsfahnen berechnet. Hier erfolgt eine ent-sprechende Meldung auf dem Bildschirm.

4.8 Beispielfall

An einem Beispiel soll gezeigt werden, wie komplex die Ausbreitung in Kaltluft sein kann.

In einem topographisch stark gegliedertem Gebiet befindet sich eine Geruchsquelle in einem Geländeeinschnitt, der in ein Tal einmündet (siehe Abbildung 6). In diesem Tal liegen die Siedlungsbereiche Adorf, Bdorf und Cdorf. Aus Bdorf werden Geruchseindrücke in den A-bendstunden gemeldet, während im Verlauf der Nacht Gerüche in Adorf wahrgenommen werden.

GeruchsquelleAdorf

BdorfCdorf

Abbildung 6: Perspektivische Ansicht aus Nordost. Gelände zweifach überhöht dargestellt. Maschenweiten: 50m · 50m

In den folgenden 3 Abbildungen sind Ergebnisse einer Modellsimulation mit DFM für einen Ausschnitt aus dem Gebiet dargestellt. Die linken Graphiken zeigen die Strömungsverhält-nisse in Form von Vektoren und farbig unterlegt die Intensität des Kaltluftabflusses. Zur Ori-entierung dienen Höhenlinien und schraffiert angelegte Siedlungsbereiche. Das überlagerte

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Gitternetz hat eine Maschenweite von 1 km. Die rechten Grafiken zeigen die Geruchsfahne, wobei die Bereiche größer 0,1 GE/m³ und 1,0 GE/m³ farbig unterlegt sind.

In Abbildung 7 (links) ist der Zustand kurze Zeit nach Einsetzen der Kaltluftabflüsse darge-stellt. An den Hängen haben sich Hangabwinde ausgebildet, die in Geländeeinschnitten zu-sammenfließen und mächtigere Kaltluftabflüsse bilden (gelbe und grüne Bereiche). Die Ge-ruchsquelle befindet sich in einer solchen Zone, in der sich Kaltluft von umliegenden Hängen sammelt und zu einem zu dieser Stunde bereits spürbaren Kaltluftabfluss führt.

Die Ausbreitungsrechnung für diese Situation zeigt, wie die Gerüche in das Tal verfrachtet werden und sich dort verteilen.

Abbildung 7: Kaltluftvolumenströme (links) und Geruchsfahne (rechts) kurze Zeit nach Einsetzen der Kaltluftab-flüsse

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Abbildung 8: Kaltluftvolumenströme (links) und Geruchsfahne (rechts) ca. 1 Stunde nach Beginn der Kaltluftab-flüsse

Bereits eine halbe Stunde später haben sich die Kaltluftabflüsse soweit verstärkt, dass sie Gerüche bis zur östlichen Siedlung Bdorf transportieren können (vgl. Abbildung 8 ). Ein Teil der Geruchsfracht wird bereits durch den sich entwickelnden Bergwind nach Süden umge-lenkt und erreicht Adorf.

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Abbildung 9: Kaltluftvolumenströme (links) und Geruchsfahne (rechts) nach Ausbildung des Bergwindes im weiteren Verlauf der Nacht

Im weiteren Verlauf der Nacht bildet sich der Bergwind aus einem nördlich einmündenden Tal so stark aus, dass Hangabwinde nur noch in den oberen Höhenlagen vorkommen. Die Strömung im Tal wird durch den Bergwind bestimmt (vergleiche Abbildung 9).

Die bodennah mit der Kaltluft von der Quelle abfließenden Gerüche werden vom Bergwind im Bogen nach Süden transportiert und führen im Norden der Siedlung von Adorf zu deutli-chen Geruchseindrücken.

Die Modellergebnisse decken sich somit recht gut mit den Beobachtungen.

Die folgenden Abbildungen zeigen, wie sich diese Situation dem Anwender des Screening-Modells darstellt.

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In diesem Beispiel werden nach Starten des Programms folgende Angaben in die Dialogfel-der eingetragen:

• die Bezeichnung (Deponie)

• die Lage der Quelle (Rechtswert, Hochwert, Höhe über Grund)

• die Art der Quelle (Flächenquelle und deren Abmessungen)

• der Geruchsstoffstrom

Nach Drücken des „Gebietsvorschau anzeigen“-Knopfes erhält man die in Abbildung 10 dar-gestellt Bildschirmausgabe. Anhand der Nutzung, die in diesem Fall nicht immer gut getrof-fen wurde (Sieldungsbereich fallen zu klein aus), und den Höhenlinien lässt sich überprüfen, ob die Lage der Quelle korrekt angegeben wurde.

Abbildung 10: Bildschirmausgabe für den Beispielfall

Wenn die Einstellungen korrekt sind, kann mit dem Knopf „Simulation starten“ die Ausbrei-tungsrechnung gestartet werden. Der Cursorpfeil wechselt dann in ein Sanduhrsymbol und zeigt an, dass die Rechnungen für Termin 1 und Termin 2 laufen. Diese benötigen je nach Rechenleistung des eingesetzten Computers einige Minuten.

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Wenn die Berechnungen abgeschlossen sind, erscheint das Ergebnis im Graphikfenster. In Abbildung 11 ist die Bildschirmausgabe für den 2. Termin dargestellt.

Über die Menüpunkte Datei und Drucken kann das Ergebnis und die Einschätzung der Kalt-luftsituation ausgedruckt werden.

Abbildung 11: Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Gerüchen zum 2. Termin

Das Feedback der Anwender zeigt, dass das Modell vor allem für Analyse der Geruchssitua-tion bei landwirtschaftlichen Betrieben und Deponien angewandt wird.

Das größte Problem der Anwender ist die Vorgabe der Geruchsemissionen. Diese kann häu-fig nicht mit Hilfe von Richtlinien abgeschätzt werden.

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