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Heribert Potuznik Stadtmuseum „Alte Hofmühle“ Ausgabe Hollabrunner Museumsverein 2010

ausgabe4 4 2010 - altehofmuehle.files.wordpress.com · Im Dezember 2010 wäre Heribert Potuznik hundert Jahre ... den Bergbau zu modernisieren und Kupfererz zumindest ... Wäscherinnen,

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Heribert Potuznik

S ta d t m u s e u m

„ A l t e H o f m ü h l e “Ausgabe Hollabrunner Museumsverein 2010

MAG. RAINER RIENMÜLLERRechtsanwalt

A 1010 Wien, Kohlmarkt 16

Tel.: +43-1-5 333 222 Mobil: +43-(0)664-307 58 52Fax: +43-1-5 333 222-10 Email: [email protected]

Titelbild: Chimwemwe-Markt in Kitwe, Öl/LW,1978

Heribert Potuznik1910 - 1984

AFRIKA

Ausstellung in der

„Alten Hofmühle“ Hollabrunnvom 18. April bis 4. Juli 2010

Im Busch von Zambia, Aquarell/Papier, 3.9.1980, (34x40,6)

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Zur 100. Wiederkehr des Geburtstages des „Weinviertler Malers“

Afrikanische Landschaft, Aquarell/Papier, 5. Dez. 78, (49x41)

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VOM WEINVIERTEL NACH ZAMBIAZUM 100. GEBURTSTAG VON HERIBERT POTUZNIK

Im Dezember 2010 wäre Heribert Potuznik hundert Jahre alt geworden. Die Stadt Hollabrunnveranstaltet aus diesem Anlass eine Gedenkausstellung mit Werken des Künstlers.Heribert Potuznik ist auf Grund zahlreicher Präsentationen beileibe kein Unbekannter. EineKurzfassung seines Lebens und seines künstlerischen Schaffens soll die Erinnerung etwasauffrischen.Potuznik wurde am 26.12.1910 in Wien geboren und absolvierte von 1925 bis 1929 eine Aus-bildung zum Entwurflithographen. Durch diese Tätigkeit angeregt, erwachte in ihm derWunsch, selbst künstlerisch tätig zu werden. Anfangs der Dreißiger lernte er Karl Gunsam(1900-1972) kennen und gelangte durch diesen in den Umkreis von Josef Dobrowsky (1889-1964). In der Folge auch in den Kreis von jungen Künstlern, wie zum Beispiel FerdinandStransky (1904-1964), Heinz Steiner (1905-1974), Ernst Paar (1906-1986) und Hanns Letz(1908-1983), denen Potuznik bald freundschaftlich verbunden war. Karl Gunsam war seit1932 Mitglied des legendären „Hagenbundes“ (1900-1938), durch dessen FürsprachePotuznik 1937 Mitglied desselben wurde.Von 1938 bis Anfang 1940 besuchte Potuznik die Danziger Kunstschule, wurde jedoch imMärz 1940 zum Kriegsdienst eingezogen. 1946 aus der Kriegsgefangenschaft nach Wien zurückgekehrt, verlegte er seinen Wohnsitznach Fischamend, behielt aber in Wien ein Atelier.1947 trat der Künstler der Wiener Künstlergruppe „Der Kreis“ bei und traf dort erneut auf Ferdinand Stransky und Ernst Paar. Potuznik verließ 1956 den Kreis wieder und wechseltenoch im selben Jahr zum Wiener Künstlerhaus, dem er bis zu seinem Ableben die Treue hielt.1961 war für Potuznik`s künstlerisches Schaffen ein wichtiges Jahr. Er gibt sein Wiener Ate- lier auf und übersiedelt in das Weinviertel, zunächst nach Mariathal und wohnte ab 1970 inGrossnondorf. Der Künstler liebte das Weinviertel mit seinen überschaubaren Hügeln,Feldern, Weingärten und Motive seiner neuen Heimat wurden fortan sein wichtigstes künst-lerisches Thema. Und nicht von Ungefähr wurde er von vielen Kunstfreunden als „Maler desWeinviertels“ bezeichnet.Heribert Potuznik hatte sich nie in ein stilistisches Konzept zwingen lassen. Grundsätzlichwar er der französischen Malerei verhaftet und gelangte von impressionistisch inspiriertenBildern zum Kubismus bis hin zum Konstruktionismus und zu expressionistischenDarstellungen. Ab 1960 widmete er sich auch der abstrakten Kunst. Eine Besonderheit imWerk des Künstlers stellen die ab 1978 entstandenen „Afrika-Bilder“ dar, die zuletzt 1979 im

Wäscherinnen mit Kind, Aquarell/Papier, 26. Dez. 78, (40x33)

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Stadtmuseum St. Pölten umfassend präsentiert wurden. Diese Bilder sind nun abermalsThema dieser Ausstellung.Man hat Heribert Potuznik vor vielen Jahren manchmal vorgeworfen, er hätte keinen einheit-lichen Stil in seiner Kunst. Inzwischen weiß man es längst besser. Er beherrschte viele unter-schiedliche Stilrichtungen und passte sie dem jeweiligen Thema gekonnt an. Wer sich mitdem Werk des Künstlers wirklich auseinandergesetzt hat, vermag es zumeist auch, „einenPotuznik“ zu erkennen.Genauso vielfältig wie die künstlerischen Möglichkeiten Heribert Potuzniks sind auch seineverschiedenen künstlerischen Techniken. Er beherrschte die Ölmalerei, das Aquarell, dasPastell, die Monotypie, Zeichnungen in jeder Art mit Kohle, Feder oder Bleistift, sowie diewichtigsten druckgraphischen Möglichkeiten, wie den Holzschnitt, die Radierung und dieLithographie. Der Künstler schuf auch zahlreiche Fresken, Sgraffiti und Mosaike in Wien undNiederösterreich, einige davon auch in Hollabrunn.In Kurzfassung noch einige biographische Details: Studienreisen führten Heribert Potuznikin verschiedene Länder, u.a. nach Holland, Belgien, Frankreich, Italien, Kreta und Zambia,Werke von ihm wurden in vielen Städten der Welt gezeigt, wie z.B. in Rom, Paris, Brüssel,Bukarest und Tokio, sowie auch in Zambia. Öffentliche und private Sammlungen bewahrenBilder und Graphiken Heribert Potuzniks auf, darunter die Österreichische GalerieBelvedere, die Graphische Sammlung Albertina, das Wien-Museum, das Niederöster-reichische Landesmuseum und das Salzburger Landesmuseum Rupertinum. Auch Ehrungenblieben nicht aus. Mehrere Goldmedaillen des Landes Niederösterreich und des WienerKünstlerhauses, sowie 1975 die Verleihung des Professortitels seien davon erwähnt.Heribert Potuznik starb nach schwerem Leiden am 22.4.1984 im Krankenhaus Mistelbach. Ich möchte diesen Beitrag nicht abschließen, ohne auch seiner inzwischen ebenfalls verstor-benen Witwe Irmgard zu gedenken. Sie hat ihm in all den Jahrzehnten gemeinsamen Lebenssozusagen „den Rücken freigehalten“ und es Heribert Potuznik ermöglicht, ganz für seineKunst zu leben.

Ich wünsche dieser Ausstellung den gebührenden Erfolg!

Peter Chrastek

Marktfrauen in Kitwe, Öl/LW, 7.12.80, (26x26)

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Potuznik in Zambia

Dass Heribert Potuznik nach Zambia kam, war ein Zufall. 1977 war der Sohn einer mit ihmbefreundeten Familie, Dieter Schöberl, für drei Jahre in den sog. Kupfergürtel, nach Kitwe,gegangen - als Softwaretechniker im Auftrag von IBM. Das seit 1964 unabhängige Zambiastand damals auf dem Höhepunkt seiner Entwicklung. Staatspräsident Kenneth Kaunda undseine Regierung versuchten, den Bergbau zu modernisieren und Kupfererz zumindest teilwei-se zu verarbeiten, um dadurch die volkswirtschaftliche Abhängigkeit des Landes vom Roh-kupferexport zu verringern. Ein gewaltiges Vorhaben, das ohne moderne Technik, Expertenund vor allem Kapital aus den Industrieländern nicht umzusetzen war. Österreich, dessenRegierungschef Bruno Kreisky dem blockfreien Zambia mit Sympathie gegenüberstand, warin all dem ein Partner. Kitwe war und ist eines der weltweit größten Kupferbergwerke imTagbau. „Es gibt ein Wort, das meistens nicht gut gewählt ist: gigantisch“, schrieb Schöberlan seine Freunde. „Für dieses Riesenloch passt gar kein anderes. 200-Tonnen-Lastwagensehen vom Rande dieses Bergwerkes wie kleine Ameisen aus. Steht man dann daneben,reicht man gerade bis zur Radnabe. Einen ganzen Nachmittag wurden wir dort mit einem klei-nen Bus herumgeführt. Nur damit eine Vorstellung von den Dimensionen entsteht: einer die-ser Zweihunderttonner überfuhr einen falsch geparkten Landrover, ohne dass der Fahrerauch nur etwas merkte.“Abgesehen von Versorgungsengpässen bei Zigaretten und Alkohol war das Leben in Kitwesehr angenehm. Schöberl verfügte über ein großes Firmenhaus mit Garten, Wächter undHausangestellten, genoss tagsüber den Swimmingpool und fand rasch Anschluss an europäi-sche, aber auch einheimische Familien. Einmal hatte er die Gelegenheit, eine (dreistündige)Rede von Präsident Kaunda in Kitwe mitzuerleben. „Der hatte schon ein gewisses Charisma“,sagt er in einem Interview. Mit seinen Verwandten und Freunden in Österreich blieb Schöberlüber eine auf Schreibmaschine getippte und mit Fotos illustrierte Briefserie in Verbindung, dieer „TIMES of ZAMBIA“ taufte; seine ständige Einladung, ihn doch in Afrika zu besuchen, sollwährend dreier Jahre von mehr als hundert Personen befolgt worden sein. Ende März 1978 kam auch Heribert Potuznik nach Zambia. Aus Neugier? Um sich noch wei-ter in die Einsamkeit zurückzuziehen? Es war der erste Flug seines Lebens gewesen und derBeginn dreier jeweils dreimonatiger Aufenthalte in Kitwe (auf drei Monate war nämlich dasTouristenvisum befristet). Afrika scheint für ihn eine Liebe auf den ersten Blick gewesen zusein, und mit seiner üblichen Arbeitswut stürzte er sich wieder ins Malen. „Heribert brauchtegenau einen Tag, um sich einzuleben, bereits am zweiten erklärte er, ihm sei, als wäre erschon monatelang hier, und dann begann er zu malen. Seither breiten sich wie eine Seuche

Chimwemwe-Markt in Kitwe, Filzstift/Papier, 30.5.78, (30x23)

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Bilder in meinem Haus aus... Den Vorschlag, in die Kaya [Dienstbotenquartier, Anm. d. A.] zuziehen und dadurch mein Zimmer für Bilder frei zu bekommen, habe ich abgelehnt.“Die ersten Zeichnungen und Frauengemälde (Wasserfarben, 1978) entstanden im eigenenGarten, aber dann wurde die Stadt erforscht - der große Chimwemwe-Markt, das Bergwerk,die Felstürme in der Umgebung. Später führten ihn Ausflüge u. a. nach Livingstone amZambezi, zum Kafue und an den Tanganjikasee. Potuznik war beeindruckt von der afrikani-schen Vegetation, der weiten Landschaft - und dem Licht. „Was ihn fasziniert hat, waren dieFarben, die ganz anders sind, und hauptsächlich das Licht der „golden hour“, dieser kurzenDämmerung, die es ja bei uns nicht gibt. Und auch bei den Menschen: da beißt sich keineFarbe, da kann einer Giftgrün mit Hellblau und einer roten Kappe tragen - durch den dunklenTeint passt das.“, so Schöberl.Stundenlang habe „der Heribert“ am Markt gemalt, und bald sei er in der Stadt bekannt gewe-sen „wie ein bunter Hund“. Das großformatige Ölbild „Chimwemwe-Markt in Kitwe“ (1978), zudem zahlreiche Zeichnungen und Entwürfe existieren, muss in der Tat als eines vonPotuzniks Hauptwerken angesehen werden; nicht zu Unrecht wird es mit Leopold CarlMüllers berühmtem „Markt in Kairo“ verglichen. „Vielfigurig und bunt ist der Markt in die typi-sche Landschaft dieser Gegend mit ihren schirmförmigen Akazien eingebettet, die einem gro-ßen Teil der afrikanischen Baumsteppe ihren eigenwilligen Charakter verleihen. Viele derschlanken Gestalten mit ihren lebhaft-bunten Gewändern und Turbanen sind aus den Afrika-bildern Potuzniks bekannt - die Lastenträgerin, die Mütter mit den Kindern im Tragtuch. ImVordergrund wird unter einem Schirm verkauft; Verkäufer und Käufer vermischen sich imHintergrund zu einem großen Strom graphischer Elemente, dunkle Konturen stehen nebenstarken Farbflächen, deren Rot und Gelb sich in zarteren Abstufungen im Himmel fortsetzen.“(Schmidt).Während er Bitten von Europäern, sie zu porträtieren, ungern erfüllte („Weiße könnte er ehauch zu Hause malen“, sagte er), ging Potuznik direkt auf Einheimische zu, ohne Rücksichtauf ihren Status. „Es war kein Unterschied, ob er mit dem House Boy geplaudert hat oder miteinem Graduierten aus Oxford,“ (Schöberl, wie auch im Folgenden). In dem lockeren Kreisvon Fachkräften im Umkreis des Bergwerks und von Verwaltungsbeamten, in den Potuznikleicht Zutritt fand, verloren die Unterschiede der Herkunft ohnehin an Bedeutung. „DieAfrikaner kriegen langsam nach einiger Zeit dann Gesichter und schauen nicht alle gleichaus, und nach einiger Zeit fällt es Ihnen eigentlich gar nicht mehr auf, welche Farbe der eineoder andere hat.“ Eine Ausstellung seiner Gemälde, vom österreichischen Botschafter inLusaka, Franz Palla, am 22. Dezember 1978 in Anwesenheit des Polizeikommandanten vonKitwe eröffnet, wurde zum gesellschaftlichen Ereignis. Und diese Alltagserfahrungen am

Wäscherinnen, Aquarell/Papier, 30. Nov. 78, (22x38)

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Copper Belt, „wo es keine Unterschiede mehr zwischen Europäern und Afrikanern gab“,begannen nicht nur Potuzniks Kunstauffassung, sondern auch seine Einstellung zum Lebenund zu Mitmenschen zu verändern. Er hat gesagt: “Hier unten werden meine Bilder fröhlicher.Das Afrika war eine Zäsur in meiner Arbeit.“Selbst ein Vergleich seiner Selbstporträts, wie er sie rituell zu jedem Jahresende malte,scheint dies zu bestätigen: Dem mürrischen, maskierten alten Mann von 1977 steht im Jahrdarauf ein zwar vom Leben gezeichnetes, aber zugleich offenes Gesicht gegenüber, an dassich seine „kleine Freundin von Kitwe“ schmiegt: eine Eule.In Erzählungen und den Briefen werden, teils anekdotenhaft, Umrisse von Potuzniks sozialenKontakten in Zambia deutlich, Zeugnisse eines teils mehr, teils weniger gelungenen kulturel-len Austausches. Da ist die Geschichte von der Frau eines Hausangestellten, die der Künstlerersucht hatte, ihm mit einem Kind Modell zu sitzen. „Sie kam mit fünf [Kindern]. Dem Anlassentsprechend saß sie mit einem Kind auf dem Schoß eine Stunde vollkommen bewegungs-los würdevoll im Garten, umringt von den verbliebenen Kindern, die ebenfalls kaum zu atmenwagten, und wurde gezeichnet...“ Tage später flatterte eine Vorladung des Local Court wegenEhebruchs ins Haus (noch dazu irrtümlich nicht an Potuznik, sondern an einen weiterenMitbewohner gerichtet). In einem langwierigen, auf Bemba und Englisch geführten und vonden Europäern mit viel Schmunzeln begleiteten Verfahren erfolgte letztlich die Verurteilung zu100 Kwacha Strafe und Ersatz der Gerichtskosten in Höhe von 4 Kwacha 20 Ngwe (umge-rechnet damals ein paar hundert Schilling) - weil Potuznik die Frau nicht, wie traditionell gebo-ten, über ihren Ehemann, sondern direkt angesprochen hatte.Da ist weiters Ruth, eine Arbeitskollegin von Herrn Schöberl, von der Potuznik eine wunder-volle Zeichnung angefertigt hatte (die Frisur hatte sie sich extra für die Session machen las-sen). Auf Vermittlung ihrer europäischen Freunde verbrachte sie im März 1979 einige Tage inHollabrunn, zusammen mit ihrem Mann Ed und Sohn Christopher (damals waren dieEinreisebestimmungen noch liberaler). „Christopher liebt Hollabrunn. Hier in Kitwe stürzenkeine fremden Leute, nur weil er ein wenig dunkler ist als die anderen Hollabrunner Kinder,auf ihn zu und stecken ihm Schokolade in die Taschen. Zusätzlich hob Ruth noch Gerda undMartins Pflanzenumsatz, denn alle fünf Minuten stand jemand neuer im Garten, und da nie-mand sagen konnte, dass er oder meistens sie eigentlich gekommen waren, um ,den Besuch’zu sehen, musste wohl oder übel zuerst etwas Pflanzliches eingekauft werden.“Etwa zwanzig Kilometer von Kitwe entfernt liegt Kalulushi mit seiner Missionsstation St.Joseph. 1931 gegründet und bis heute von Franziskanerpriestern und -schwestern betreut,bestand sie neben der Kirche und Wohngebäuden auch aus einem Spital und einem neuerrichteten Gehörlosenheim; die Gottesdienste dort fanden in Bemba statt. Potuznik hatte denabgelegenen Ort - im Vergleich zu welchem Kitwe schon als „Zivilisation“ erschien - bereits in

2 Frauen mit Kindern, Aquarell/Papier, 7.4.78, (34x31)

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den ersten Wochen seines Aufenthalts in Zambia kennengelernt. Er verbrachte mehrereWochenenden dort oder gar ganze Wochen. Anlass dafür (oder Vorwand?) war der Umstand,dass der Altarraum der Kirche keinen künstlerischen Schmuck aufwies: Die Wand imPresbyterium war völlig kahl. Der verantwortliche Missionar, Pater Thomas Ursidio, nahmdaher Potuzniks Angebot, hier ein großflächiges Wandbild zu malen, gerne an. Mit dem ihmeigenen Enthusiasmus machte sich Potuznik ans Werk. Skizzen auf Packpapier wurdenangefertigt, mehr oder weniger gute Bekannte aus Kitwe (Schwarze und Weiße) als Modelleangeheuert, und schon im Mai 1978, knapp vor Pfingsten, war das Kunstwerk vollendet: eineWeihnachtsszene mitten im zambischen Busch, das mächtige Kruzifix auf dem Hochaltarumgeben von farbenprächtig gekleideten Frauen (nur wenige Männer), Körbe auf dem Kopftragend, Kinder auf dem Rücken oder im Arm, eine angedeutete Tischlerwerkstatt, Töpfe undholzgeschnitzte Figuren auf dem Erdboden im Vordergrund: Christi Geburt mitten im zambi-schen Alltag.Kitwes Europäer/innen waren begeistert, und ebenso auch die dargestellten Personen, diealle nach St. Joseph fuhren, um ihre Porträts im Altarraum zu bewundern. In Kalulushi selbststieß das Gemälde wohl auf weniger Anklang. „Es stellte eine lokale Szene und Menschenaus der Umgebung dar,“ schrieb Pater Miha Drevensek von der franziskanischen Zeitschrift„Mission Press“ in Ndola Anfang Jänner 2009 an den Verfasser, „aber weil es sich imPresbyterium befand und rund um das Kreuz, hatten viele das Gefühl, es wäre unpassend andieser Stelle.“ Weil das Bild zu säkular war? Oder man sich mit den dargestellten Personennicht identifizierte? Oder man Afrika nicht in dieser Weise dargestellt sehen wollte? Wir wis-sen es letztlich nicht. „Irgendwann 1987 wurde das Bild mit hellblauer Farbe übermalt, und sosteht die Sache bis heute“, schreibt Pater Miha.Potuzniks erste Rückkehr nach Österreich im Juni 1978 (zwei weitere Aufenthalte in Zambiasollten ja noch folgen) war eine kleine Sensation. Irgendwie, so hat man den Eindruck,schwang Erleichterung mit, dass der Achtundsechzigjährige seinen Ausflug nach „Afrika“ (daskonnte man sich noch vorstellen, aber „Zambia“?) überlebt hatte; im Bildband von 1993 kon-trastiert Regine Schmidt seine Gemälde sogar mit den hundert Jahre zuvor erschienenenErzählungen des Kolonialabenteurers Henry M. Stanley („Durchs dunkle Afrika“ [!]). Offenbarwar das Zambezibecken nach wie vor ein weißer Fleck auf der Karte.Bereits im Oktober fand eine erste Ausstellung in der Sparkasse von Hollabrunn statt, weite-re folgten 1979 im Stadtmuseum St. Polten - damals prägte Franz Kaindl den Begriff„Afrikanische Bilder“ - und 1980 in der Kleinen Galerie Wien. Im Wesentlichen stand bei derRezeption das Landschaftserlebnis im Vordergrund, wurden die Zeichnungen und Gemäldeeinfach als Übertragung niederösterreichischer Heimatmalerei auf Afrika betrachtet. „Potuznikmalt und zeichnet, wie in der Heimat, Natur an und für sich... „(Schmidt). Oder: „Für Heribert

Weiss und Schwarz, Tusche/Papier, 24. Nov. 1978, (32x40)

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Potuznik... bietet sich der afrikanische Busch als geradezu ideales Inspirationsobjekt an. Soist es nicht verwunderlich, dass die überwiegende Zahl der entstandenen Bilder Land-schaftsdarstellungen sind, und hier die für die Darstellung von Erlebnisinhalten geradezuprädestinierten Szenerien: Morgen und Abend, die brütende Hitze des Tages, der Regen imBusch, Gewitter, Sturm, die Üppigkeit des Blühens.“ (Kaindl). Die Begegnungen des Malersmit den Menschen blieben demgegenüber im Hintergrund, sein Weg von der Fremderfahrungzur Freunderfahrung Afrikas, das Erlebnis eines nicht rassistischen Gesellschaftsentwurfswaren uninteressant. Dass „neben der Landschaft Marktszenen, eben dort, wo das Volk sichtrifft, nicht fehlen können“ (Kaindl), fand man „selbstverständlich“ und nicht weiter beachtens-wert. Der Chimwemwe-Markt, die Büroangestellte Ruth, der junge Maler Mulenga, dieGläubigen der St. Joseph Mission - für die niederösterreichische Kunstkritik eben einfach„Volk“. Und Heribert Potuznik selber?Zwei weibliche Figuren hatten den Künstler über Jahre hinweg in seinen Werken beschäftigt:nackt, vielleicht eben dem Bade entstiegen, einander abtrocknend, einander berührend, sichvor anderen abschirmend, sich voneinander abwendend. Dazu ein Handtuch, Badetuch,Leintuch... als Utensil, als Paravant, als Grenze. Zwei nackte Frauen und ein weißes Laken -Potuzniks Chiffre für den Umgang von Menschen untereinander, für das Funktionieren oderdas Scheitern von Kommunikation.Nach seiner Rückkehr aus Zambia schuf er weitere, afrikanisch beeinflusste Versionen desMotivs. Auf einer davon stehen sich eine weiße und eine schwarze Frau gegenüber.„Sichtlich betroffen und berührt, aber nicht ohne den Eindruck einer Abwehrgestik, legt dieweiße Frau die Hände knapp unterhalb der Brust übereinander. Die dunkle Gestalt mit der,das Fremde’ betonenden afrikanischen Maske kommt ihr, mit einem Tuch den Großteil desfarbigen Körpers verdeckend, entgegen. Diese rücksichtsvolle Annäherung ist als unmissver-ständliche Geste der schwarzen Rasse zu verstehen, Hemmungen und Vorurteile abzubau-en, um sich menschlich näher zu kommen. Um die Symbolwirkung des Bildes nicht zu beein-trächtigen und die Botschaft zu unterstreichen, verzichtet Potuznik auf die Darstellung jegli-chen gegenständlich fassbaren Beiwerks. Die beiden Protagonistinnen agieren in einer zeit-und raumlosen Sphäre.“ (Alfred Weidinger).Eine Geste der Annäherung, um Hemmungen und Vorurteile abzubauen? Zambia war nichtohne Einfluss auf Potuzniks Weltsicht geblieben...

Originaltextauszüge aus „Heribert Potuznik in Zambia“in „INDABA Das Magazin für das Südliche Afrika, 61/09“, Seite 22 - 26

Frauen am Markt in Kitwe, Aquarell/Papier, 2. Dez. 78, (35x25)

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Selbstbildnis mit Eule „Hupferl“, Kohle/Papier, 26.12.78, (37x43) Buschlandschaft, n. dat., Pastell/Papier, (60x46)

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Landschaft, Aquarell/Papier, 27. Nov. 78, (60x46) Baum und Sträucher, Filzstift,Papier 7. Nov. 78, (23x31)

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Garten in Kitwe, Filzstifte/Papier, 31.3.78, (34x27) Im Busch, Aquarell/Papier, 8.4.78, (35x29)

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