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88 2012/4 88 2012/4 Autogenes Training Der Entspannungs- bestseller Wer Körper, Geist und Seele gleichermaßen etwas Gutes tun möchte, dem sei Autogenes Training empfohlen. Eine Entspannungsmethode bestens geeignet für unsere schnelllebige Zeit, um innerhalb kurzer Zeit Stress abzubauen und zur inneren Ruhe zu finden. Aber nicht nur das. Weltweite Studien zeigen: Autogenes Training hilft auch bei Schlafstörungen, Angst- und Panikattacken, Bluthochdruck, Migräne und vielen anderen Gesundheitsproblemen. BIO sprach mit einem Experten

Autogenes Training - shaker-media.de€¦ · Emile Coué, ein französischer Apotheker, hatte sie von 1880 an in den Metropolen Europas gesellschaftsfähig ge-macht. Sein wichtigster

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88 2012/488 2012/4

AutogenesTraining

Der Entspannungs-bestseller

Wer Körper, Geist und Seele gleichermaßen etwas Gutes

tun möchte, dem sei Autogenes Training empfohlen. Eine

Entspannungsmethode bestens geeignet für unsere

schnelllebige Zeit, um innerhalb kurzer Zeit Stress

abzubauen und zur inneren Ruhe zu finden. Aber nicht nur

das. Weltweite Studien zeigen: Autogenes Training hilft

auch bei Schlafstörungen, Angst- und Panikattacken,

Bluthochdruck, Migräne und vielen anderen

Gesundheitsproblemen. BIO sprach mit einem Experten

PoensgenJudith
Textfeld
Ein Gratisheft des laufenden Jahres kann angefordert werden bei BIO Ritter-Verlag, Monatshauserstr. 8, 82327 Tutzing, Tel. 08158-8021, Fax -7142, E-Mail: [email protected]
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Autogenes Training ist alsGesundheitsprophylaxegenauso empfehlenswertwie zur Milderung vonKrankheitssymptomen.Jeder kann es erlernenund selbst anwenden

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Eine kleine Gruppe. Ein freundlich ge-

stalteter Übungsraum. Leise Entspan-

nungsmusik. Manche Teilnehmer lie-

gen auf Matten, die Arme locker ne-

ben sich ausgestreckt, andere sitzen bequem

zurückgelehnt auf Stühlen oder versuchen

sich im Kutschersitz, bei dem man in sich zu-

sammensinken darf wie früher die Kutscher

auf ihren Kutschböcken.

Irgendwann dann die Aufforderung des

Kursleiters, innerlich die Sätze mitzusprechen,

die er laut, aber mit beruhigender Stimme

vorgibt. Bis zu sechsmal werden die Sätze

wiederholt und alle lassen sich Zeit, um den

Wirkungen dieser Worte nachzuspüren:

l Ich bin vollkommen ruhig und entspannt.

l Mein Körper ist angenehm schwer.

l Mein Körper ist angenehm warm.

l Ich atme ganz ruhig und gleichmäßig.

l Mein Herz schlägt ganz ruhig und

regelmäßig.

l Mein Sonnengeflecht ist angenehm warm,

strömend warm.

l Meine Stirn ist angenehm kühl.

Das ist Autogenes Training. Diese formel-

haften Sätze sollen dabei helfen, körperlich

zu entspannen und innerlich zur Ruhe zu

kommen. Das Gefühl von Schwere und Wär-

me breitet sich im Körper aus. Nichts muss

jetzt geschehen. Außer dass ich mich um

mich selbst kümmere, um meine tiefe At-

mung, meinen regelmäßigen Herzschlag, um

ein gutes Bauchgefühl und eine kühle Stirn.

Und das sind auch schon die wesentlichen

Elemente dieser Entspannungsmethode, mit

der man so viel erreichen kann: Der Übende

wirkt ein auf etwas, das sonst vom unterbe-

wussten Anteil des Nervensystems gesteuert

wird, vom Parasympathikus. Und profitiert

davon auf allen Ebenen.

Wo kommt dasAutogene Training her?Das „Training für autogene Entspannung“ hat

seinen Namen von dem Berliner Psychiater

und Neurologen Prof. Dr. Johannes Heinrich

Schultz. 1926 stellte er die aus der Hypnose

entwickelte Methode zum ersten Mal vor und

machte sie 1932 in seinem Buch „Das auto-

gene Training“ der Allgemeinheit zugänglich.

„Autogen“ bedeutet dabei, dass nicht, wie

bei der Hypnose, ein anderer die Entspan-

nung oder den hypnotischen Zustand „gen“-

VON MARGOT MÜLLER

Auch tranceartige Tänzeoder buddhistischeMeditationstechnikenkönnen den Zugangzum Unterbewusstseinerleichtern

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eriert/erzeugt, sondern dass man es selbst („auto“)

tun kann. Deshalb findet man in diesem Zusam-

menhang auch die Begriffe Selbsthypnose oder

Autosuggestion.

In seinen Anfangszeiten hat man das Autogene

Training manchmal auch „das deutsche Yoga“ ge-

nannt. Mit dem Atem zu arbeiten, sich körperlich

entspannen zu lernen und auch seinen Geist zu

beeinflussen, ist sicher keine Erfindung moderner

Zeiten. Die Quellen liegen tief verborgen im Heil-

wissen verschiedener alter Kulturen – ob es sich um

Yoga oder schamanische Trancetänze handelt, um

buddhistische Meditationstechniken oder Selbst-

hypnose, wie sie schon die alten Ägypter kannten.

Es gibt viele Zugänge zum Unterbewussten.

J. H. Schultz, der Vater des Autogenen Trainings,

sammelte die grundlegenden Erfahrungen dafür

schon in den Zwanziger Jahren des letzten Jahr-

hunderts. Damals arbeitete er an einem Berliner

Hypnose-Ambulatorium und erforschte die Wirkung

der Tiefenentspannung unter Hypnose auf den Kör-

per. Er befragte seine Patienten, welche körperli-

chen Empfindungen während der Hypnose bei ih-

nen vor allem auftraten. Das waren Gefühle von

Schwere und Wärme, die dann auch im Autoge-

nen Training besonders wichtig wurden.

Die Autosuggestion im therapeutischen Einsatz

war damals schon recht bekannt. Emile Coué, ein

französischer Apotheker, hatte sie von 1880 an in

den Metropolen Europas gesellschaftsfähig ge-

macht. Sein wichtigster Satz mit dem sich seine

Schüler programmierten, lautete: „Es geht mir mit

jedem Tag in jeder Hinsicht besser und besser.“ Be-

achtliche Heilerfolge hatte er damit erzielt, und wer

auf sich hielt im Berlin des beginnenden 20. Jahr-

hunderts, „machte Coué“.

J. H. Schultz ging es von Anfang an um eine

schnell zu erlernende und leicht einsetzbare psy-

chotherapeutische Methode. Ärzte sollten sie auch

ohne fundierte psychiatrische Ausbildung an ihre

Patienten weitergeben können, damit diese den

wachsenden Anforderungen der modernen Zeiten

gewachsen waren. Auch den wichtigen Therapie-

zielen der damaligen Zeit, nämlich Leistungssteige-

rung, berufliche Tüchtigkeit und Erhaltung der

Volksgesundheit, kam die Methode entgegen.

Rasche Entspannungfür GestressteFür echte Meditation und ein wirkliches Nach-

Innen-Gehen, um sich zu verändern oder eine spiri-

tuelle Entwicklung einzuleiten, ist heutzutage oft

keine Zeit. Das nimmt man sich vielleicht für später

vor, wenn man in Rente ist und die Kinder aus dem

Haus sind. Für die hektischen Zeiten des Berufs- und

Familienlebens braucht man eine Methode, mit der

man schnell und zuverlässig einen entspannten Zu-

stand erreichen kann.

Und da kommt das Autogene Training ins Spiel.

Heute steht es zwar nicht mehr so konkurrenzlos da

wie vor einem knappen Jahrhundert, doch in seinen

Grundzügen enthält es das, was viele andere Ent-

spannungstechniken auch beinhalten: muskuläre

Entspannung, verbesserte Durchblutung, ruhige At-

mung, regelmäßigen Herzschlag, ein klarer Kopf.

Und noch mehr: Das Fühlen in den Körper hinein

und das bewusste Erleben körperlicher Vorgänge er-

möglicht auch ein Abschalten störender Gedanken

und erleichtert den Zugang zum Unterbewussten.

Das eigentliche Training läuft immer noch nach

den alten Grundsätzen der Methode ab, so wie

J. H. Schultz sie entwickelte. Die körperliche Ent-

spannung wird durch eine Art von Selbsthypnose

herbeigeführt. Ich sage und stelle mir vor, was jetzt

gleich in meinem Körper passieren wird.

Die Entspannungsformeln klingen bei jedem Kurs-

leiter ein bisschen anders. Jeder hat da so seine

Lieblingsformulierungen. Mal sind die Sätze länger,

mal kürzer. Das hängt auch davon ab, wie weit

man mit dem Üben schon ist. Aber immer geht es

um das Erleben von Schwere und Wärme, um ei-

nen warmen Bauch, einen kühlen Kopf und ein

Was die Kranken-kassen sagenDie DAK nennt das Autogene Training den„Star unter den Entspannungsmethoden“:„Unter den verschiedenen Entspannungs-techniken ist Autogenes Training einwahrer Bestseller. Mit der besserenStressbewältigung steigert sich nicht nurdas Wohlbefinden, sondern können auchverschiedene Beschwerden verhindertoder sanft behandelt werden. Klinischkontrollierte Studien haben gezeigt, dassAutogenes Training positiv wirkt bei:

l nervösen Herz- und Kreislaufstörungen

l verschiedenen Beschwerdenim Magen-Darm-Trakt

l Migräne, Kopfweh

l Wetterfühligkeit

l Schlafstörungen

l Nervosität, „Lampenfieber“

l Unsicherheit, Selbstzweifeln

l Angstzuständen

l Unterstützung bei derRaucher-Entwöhnung

l Überlastung

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wohltemperiertes Herz. Um körperli-

che Entspannung und innere Ruhe.

Wer regelmäßig übt und schnell in

den tief entspannten Zustand gelan-

gen kann, wird sich gerne auch mal

an weitergehenden „formelhaften Vor-

sätzen“ erproben wollen. Das sind

Sätze, mit denen man einen positiven

Zustand beschreibt, den man errei-

chen will.

Bei depressiven Zuständen kann

man sich zum Beispiel sagen: „Ich

lasse die Vergangenheit ohne Groll

hinter mir und blicke nach vorn“ oder

„Ich bejahe mich selbst“. Wenn ich für

eine Prüfung zu lernen habe, könnten

solche Sätze helfen: „Konzentriert

und aufmerksam präge ich mir das

Wichtige ein“ oder: „Mein Gedächt-

nis behält das Wesentliche“. Will ich

mehr Selbstvertrauen gewinnen, ma-

che ich mir klar: „Ich bin für mein ei-

genes Leben verantwortlich und gestalte es

nach meinen Wünschen. Ich denke klar und

bin gelassen.“

Heute spricht man in solchen Zusammen-

hängen auch von Affirmationen oder

insgesamt vom positiven Denken. „Positiv“ be-

deutet dabei, dass man auf Verneinungen

und Negativ-Formulierungen weitgehend

verzichtet. Also nicht: „Ich lasse mich von

nichts mehr aufregen“, sondern: „Ich bleibe

ruhig und gelassen“. Das Ganze verbindet

man dann noch mit einer bildhaften Vorstel-

lung des eigenen Verhaltens oder des Zu-

standes, den man erreichen will.

Was Autogenes Trainingbewirken kannHeilpraktiker Abbas Schirmohammadi be-

treibt in Erding, im Norden von München,

eine Praxis für Coaching, Managementbera-

tung und Entspannungstherapie. Dort gibt er

auch Kurse für Autogenes Training, mit dem

Patienten dann oft verblüffende Erfolge erzie-

len (siehe auch Interview). Zwei Beispiele aus

seiner Praxis zeigen, wie tief das Autogene

Training wirken kann.

Endlich wieder durchschlafen

„Silke Enke*, 32, litt seit langem unter Schlaf-

störungen, vor allem Durchschlafstörungen.

Bis zu zehnmal wurde sie nachts wach. Dazu

kamen Ängste aller Art. Morgens war sie er-

schöpft und konnte im Büro nichts leisten.

Abends war sie kaputt und hatte keine Lust

mehr auf Sex. Die Beziehung zu ihrem Freund

war gefährdet.

Silke arbeitete im dreitägigen Kurs sehr in-

tensiv und engagiert mit und lernte, sich vor

allem auf die Ruhe zu konzentrieren. Bereits

am zweiten Tag schaffte sie es, innerhalb von

drei Minuten in tiefe Entspannung zu kom-

men. Sie war sehr erfreut über ihre Fortschritte

und nahm sich vor, täglich zu üben. Der Heil-

praktiker empfahl ihr zusätzlich, ein Schlafta-

gebuch anzulegen und ihre Fortschritte zu

kontrollieren.

In den Folgemonaten übte sie zweimal

täglich das Autogene Training – morgens

nach dem Aufwachen und abends vor dem

Einschlafen. Abends kam zur allgemeinen

Entspannung der formelhafte Vorsatz: „Ich

habe einen wunderschönen, erholsamen,

gesunden Schlaf. Ich träume sehr gut. Ich

schlafe durch bis morgen früh.“

Schon nach einem Monat berichtete Silke

begeistert, dass sie nur noch ein- oder

zweimal pro Nacht aufwache und morgens

gut erholt sei. Drei Monate später der nächs-

te Anruf: die Schlafstörungen hätte sie nun

ganz überwunden.

Silke ist seitdem so fit, dass sie wieder an-

gefangen hat, Squash zu spielen. Auch im

Bett klappt es wieder. Dem Autogenen Trai-

ning ist sie weiterhin treu geblieben. Sie

macht es weiterhin zweimal täglich und ist

begeistert von dieser Entspannungsmethode,

Autogenes Training verhilft auchgestressten Managern zu mehrRuhe und Gelassenheit

Heilpraktiker AbbasSchirmohammadi gibtregelmäßig Kurse fürAutogenes Training

Wenn Ärger, Sorgen und Stressnicht schlafen lassen kann oftAutogenes Training helfen

Besonders bewährt hat sich dieSelbsthilfemethode, um vomRauchen loszukommen

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die ihr „das Leben und die Liebe

zurückgegeben hat.“

Zum Nichtraucher dankAutogenem Training

Eckhardt Meier*, 64, Topmana-

ger und Workaholic, wollte sich

mit Autogenem Training das

Rauchen abgewöhnen und sei-

nen Magen beruhigen. Im Kurs

hatte Eckhardt Probleme, sich zu

entspannen. Als Manager, der

immer auf Achse war und millio-

nenschwere Geschäfte abwickel-

te, kannte er das Wort Entspan-

nung nicht. Schnell wurde er un-

geduldig und meinte, das sei

nichts für ihn, er spüre gar nichts.

Heilpraktiker Schirmohammadi

erklärte ihm, dass das Autogene

Training wirklich regelmäßig ge-

übt werden muss und bat ihn,

sich selbst diese Zeit zu geben.

Mit viel Geduld gelang es dem

Patienten schließlich doch, einen

entspannten Zustand zu errei-

chen. Erst am dritten Kurstag war

er in der Lage, sich wirklich gut

und tief entspannen zu können.

Es war eine neue Erfahrung für

ihn, eine schöne und sehr positi-

ve, wie er auch den anderen

Kursteilnehmern berichtete. Zu-

sammen mit dem Therapeuten

entwickelte er passende Zusatz-

formeln, um sich das Rauchen

abzugewöhnen und den Magen

zu beruhigen.

„Ein Jahr später traf ich Eck-

hardt zufällig bei einem anderen

Seminar wieder“, berichtet der

Heilpraktiker. „Er war Nichtrau-

cher und absolut gesund, sein

Magen bereitete ihm keine Pro-

bleme mehr und auch sonst füh-

le er sich wie ein neuer Mensch.

Immer dann, wenn es sehr stres-

sig zuginge, beruhige und ent-

spanne er sich mit Autogenem

Training. Zudem mache er es re-

gelmäßig abends, wenn er von

der Arbeit nach Hause komme.“

Das Interview zum Thema

Warum AutogenesTraining heute soerfolgreich ist

Abbas Schirmohammadi

sammelte in verschiede-

nen Berufen und Tätig-

keitsfeldern Lebenserfahrung. Sei

es im Club Robinson, im Studium

oder als langjähriger TV-Kom-

mentator und Moderator mit ei-

gener Live-Sendung. Er ist auch

musikalisch versiert, bezeichnet

sich als „Multi-Instrumentalist“,

komponiert Entspannungs- und

Heilungsmusik und spielt sie auch

selbst ein. Zum Teil zusammen mit

seinem Bruder Kian Schirmo-

hammadi. BIO fragte ihn nach

seinen langjährigen Erfahrungen

mit dem Autogenen Training.

Herr Schirmohammadi, Sie

geben Kurse für Autogenes Trai-

ning. Welche Menschen kom-

men zu Ihnen und wem würden

Sie empfehlen, diese altbe-

währte Entspannungsmethode

zu erlernen?

Abbas Schirmohammadi: Es

sind Menschen aller Alterklassen,

die vom Autogenen Training

profitieren können. In meine Kur-

se kommen Manager, Bürokräf-

te, Verkäuferinnen, IT-Experten,

Hausfrauen, Studenten, Ärzte,

Rechtsanwälte, Barkeeper – je-

der Beruf ist vertreten. Jedem,

der nach einer Selbsthilfe-Me-

thode sucht, um zur inneren Mit-

te und zur Gelassenheit im Tru-

bel des Alltags zu finden, ist zum

Autogenen Training zu raten. Es

ist wirklich der Bestseller unter

den Entspannungstechniken.

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Wie läuft so ein Kurs denn ab? Machen

Sie das einmal in der Woche abends oder

in mehrtägigen Kursen?

Abbas Schirmohammadi: In der Regel ar-

beite ich mit festen Gruppen, zwischen sechs

und zehn Personen. Ein Kurs umfasst zehn

Einheiten, jeweils an einem Abend der Wo-

che. Hier lernt der Einsteiger wie es funktio-

niert. Im Laufe der Einheiten werden die sie-

ben Grundstufenübungen durchgeführt, mit

denen man sich selbst in einen Zustand der

Entspannung versetzen kann.

Hier gehen wir Schritt für Schritt vor. Durch

gezielte Ansprache des vegetativen Nerven-

systems, das unter anderem für Herzschlag

und Atmung zuständig ist, lernen wir, unsere

Organe und unseren Körper zu steuern. Wir

können somit eine Umschaltung von Stress

auf Entspannung durchführen.

Dies gelingt natürlich nicht von jetzt auf

sofort. Daher ist es wichtig, dass die Teilneh-

mer bis zum nächsten Termin täglich zu Hau-

se üben, damit der Körper sich auf die sug-

gestiven Formeln einstellen kann. Im An-

schluss an die Übungsrunden und zu Beginn

jeder neuen Einheit berichtet jeder Teilneh-

mer dann, wie es bei ihm geklappt hat und

welche Fortschritte er gemacht hat, bzw.

auch welche Blockaden aufgetaucht sind.

Fragen werden beantwortet und wichtige

Hinweise gegeben.

Der Unterschiedzur Hypnose

Autogenes Training wird ja als eine Form

der Selbsthypnose bezeichnet. Manche

Menschen haben aber gegenüber der Hyp-

nose so manche Vorbehalte. Kann man

auch solche Menschen vom Autogenen

Training überzeugen?

Abbas Schirmohammadi: Die medizinische

Hypnose ist ein außerordentlich wertvolles

therapeutisches Werkzeug, um Menschen hel-

fen zu können. Leider präsentieren diverse

Show-Hypnose-Inszenierungen und Berichter-

stattungen oft ein Bild der Hypnose, das so

überhaupt nicht stimmt. Hypnose wird als et-

was Unseriöses, Gefährliches dargestellt. Der

Mensch verliere die Kontrolle über sich und sei

dem Hypnotiseur komplett ausgeliefert. Das ist

völliger Quatsch! In der Hypnose behält jeder

voll und ganz die Kontrolle über sich.

Natürlich gibt es auch beim Autogenen

Training immer wieder Menschen, die unsi-

cher sind und Angst davor haben, die Kon-

trolle zu verlieren. Es sei klar gesagt: Bisher

hat sich noch jeder auf das Autogene Trai-

ning bei mir eingelassen. Der Proband muss

wissen, dass er im Autogenen Training

niemals die Kontrolle über sich verliert, dass

er lediglich in einem hypnoiden, tief ent-

spannten Zustand verweilt, doch gleichzeitig

wach, ansprechbar und komplett handlungs-

fähig ist. In den Kursen lauscht er meiner

Stimme, später gibt er sich selbst die Sugges-

tionen vor. Jede Entspannungshaltung wird

mit einem ganz bestimmten Auflösungs-Ritual

beendet, das ihn wieder komplett zurück ins

Hier und Jetzt holt. Die Gefahr, hilflos im hyp-

noiden Zustand gefangen zu bleiben, ist also

nicht gegeben.

Wie das AutogeneTraining wirkt

Im Autogenen Training wird meist mit

dem Gefühl von Schwere und Wärme gear-

beitet. Warum ist das so wichtig?

Abbas Schirmohammadi: Das Gefühl der

Schwere sorgt für körperliche Entspannung.

Verspannungen lösen sich und der Mensch

lässt alles los, was ihn belastet. Die Schwere,

die gefühlt wird, ist befreiend und wohltuend.

Im Anschluss daran lässt man angenehme

Wärme durch den Körper strömen. Die Wär-

me sorgt für eine optimale Durchblutung, löst

alle Stauungen im Körper und bewirkt einen

Autogenes Training lässt sich besondersgut in der Gruppe erlernen. UnterAnleitung eines erfahrenen Therapeuten

Im Zustand tiefer Entspannung könnenpositive Suggestionen wirksam werden

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intensiven Energiefluss von Kopf bis Fuß. Ähn-

lich wie in der warmen Badewanne: Hier ent-

spannt sich der Körper ja auch wunderbar

im warmen Wasser. Vertieft wird die Entspan-

nung dann weiter mit der Atemübung, der

Herzübung, der Sonnengeflechtsübung und

der Stirnübung.

Was ist sonst noch wichtig, um in den Zu-

stand dieser heilsamen Entspannung zu ge-

langen?

Abbas Schirmohammadi: Alle Probleme,

Sorgen und Gedanken ziehen lassen. An

nichts denken, sich ganz auf den Körper kon-

zentrieren und Außengeräusche ausblenden.

Die Muskeln loslassen. Die suggestiven For-

meln werden immer mehrfach, in der Regel

sechs Mal, wiederholt. Ab einem bestimmten

Zeitpunkt ist man so gut und tief entspannt,

dass störende Geräusche wie Husten, Han-

dyklingeln, Glockenschlagen oder Ähnliches

einen nicht mehr irritieren können. Selbst in

der überfüllten S-Bahn ist es jederzeit mög-

lich, sitzend Autogenes Training zu machen

und tief entspannen zu können, ohne von

den vielen Geräuschen um einen herum ge-

stört zu werden.

Wo AutogenesTraining hilft

Die Indikationen, bei denen Autogenes

Training angeblich helfen soll, sind sehr viel-

fältig. Asthma, Burnout, hoher Blutdruck, De-

pressionen, Hautkrankheiten, Migräne, Pa-

nikattacken, Schlafstörungen, Tinnitus und

vieles andere mehr. Wird da nicht ein biss-

chen viel versprochen?

Abbas Schirmohammadi: Nein, die Wirk-

samkeit des Autogenen Trainings bei all die-

sen Störungsbildern ist wissenschaftlich nach-

gewiesen! Die positiven Wirkungen dieser

Methode sind durch zahlreiche Studien und

Hunderttausende von Fallbeispielen belegt.

Autogenes Training ist natürlich kein ultimati-

ves Allheilmittel, das alle Probleme schnell

und einfach beseitigen kann, aber es ist eine

hervorragende Gesundungs- und Gesunder-

haltungsunterstützung. Ängste können mit

dem Autogenen Training verringert, oft auch

ganz aufgelöst werden. Allergien können

sich dadurch verbessern oder sogar ver-

schwinden. Es hilft bei Asthma, bessert Haut-

krankheiten wie Neurodermitis, wirkt gegen

Durchblutungsstörungen, hilft bei Burnout

und Erschöpfung, indem es neue Kraft und

Energie mobilisiert.

Mit dem Autogenen Training lassen sich

auch Herzrhythmusstörungen deutlich ver-

bessern, Konzentrationsstörungen beheben,

Kopfschmerzen/Migräne eliminieren, Magen-

und Darmprobleme beruhigen, Muskelver-

spannungen lösen, Ohrgeräusche in den

Griff bekommen. Schlafstörungen können be-

hoben, Schmerzen gelindert werden und vie-

les mehr. Dabei wird das Training auch gerne

begleitend zur ärztlichen oder psychothera-

peutischen Behandlung eingesetzt.

Individuelle Formelnfür jede Lebenslage

Mit Autogenem Training kann man auch

Einfluss auf sein Verhalten nehmen. Man

kann sich quasi selbst programmieren, wie

man sich verhalten will. Geht das denn?

Abbas Schirmohammadi: Hier sprechen Sie

die individuellen Formeln im Autogenen Trai-

ning an. Sie sind dafür da, sich erwünschtes

Verhalten anzueignen und unerwünschte Ver-

haltensweisen abzugewöhnen. Diese indivi-

duellen Formeln werden nach der jeweiligen

Stirnübung eingesetzt. Wenn jemand zum

Beispiel häufig Bauchschmerzen hat, kann

mit einer Suggestion wie „Mein Bauch ist ge-

sund und fühlt sich wohl“ entgegenwirken,

wer an Schlafstörungen leidet mit der Formel

„Ich schlafe nachts tief und fest und wache

morgens gut erholt auf.“ Je öfter man sich

diese Sätze suggeriert, desto wirksamer wer-

den sie.

Menschen, die ich als total schüchtern und

ängstlich kennen gelernt habe, traten ein

halbes Jahr später ganz anders auf. Andere,

die mir von immer wiederkehrenden Bezie-

hungsproblemen berichteten, und sich nach

spätestens fünf Monaten immer wieder trenn-

ten, luden mich drei Jahre später zu ihrer

Hochzeit ein. Sie konnten ihre eingravierten

negativen Verhaltensweisen verändern und

sind nun in der Lage, Probleme mit dem Part-

ner konstruktiv zu besprechen. Das alte Mus-

ter wurde durchbrochen und durch ein

neues, positives ersetzt. Solche individuellen

Formeln lassen sich auf alle Themengebiete

des Daseins, der Persönlichkeit und der Ge-

sundheit anwenden.

Wirksam auchbei Süchten

Kommt man mit so einem Vorsatz-Training

auch den Süchten bei? Was nimmt man sich

zum Beispiel vor, wenn man sich das Rau-

chen abgewöhnen will?

Abbas Schirmohammadi: Rauchen kann

man sich mit dem Autogenen Training sehr

gut abgewöhnen. Es hilft auch beim Abneh-

men oder um die Kaffee-Abhängigkeit zu

besiegen.

Bei Süchten müssen wir Kursleiter und The-

rapeuten für Autogenes Training allerdings

immer darauf achten, welche Sucht vorhan-

den ist, wie stark diese ausgeprägt ist und in

welchem Stadium sie sich befindet. Outet

sich der Übende als starker Alkoholiker, ge-

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hört er erst einmal in eine Entzugsklinik und

nicht in den Kurs für Autogenes Training. In

der Nachsorgephase schwerer Suchtfälle

allerdings kann Autogenes Training sehr hilf-

reich sein, denn der ehemalige Alkoholiker

soll ja nicht rückfällig werden. Bei der Rau-

cherentwöhnung, die wunderbar mit Autoge-

nem Training gelingen kann, wird das Rau-

cherprogramm (Zigarette gehört dazu, ist

cool, ich brauche sie, mein Verlangen

danach ist da etc.) durch ein Nichtraucher-

programm (schmeckt nicht mehr, brauche ich

nicht, ich bin stark etc.) ersetzt. Mit dem Auto-

genen Training habe ich schon viele Raucher

zum Nichtrauchen verhelfen können. Die Er-

folgsquote ist hier außerordentlich hoch.

Also, wer den Glimmstängel aufgeben

möchte, es aber bisher noch nicht geschafft

hat, sollte mal das Autogene Training aus-

probieren.

Zum Abschluss noch eine persönliche Fra-

ge: Haben Sie selbst auch intensive eigene

Erfahrungen mit dem Autogenen Training

gemacht?

Abbas Schirmohammadi: Und wie! Ich habe

das Autogene Training mit 19 erlernt, von

meinem Vater, einem Arzt, der seit über 40

Jahren mit dieser Entspannungsmethode ar-

beitet und Vorträge und Seminare dazu in

der ganzen Welt hält.

Schon während meiner Studienzeit half mir

das Autogene Training, gut und konzentriert

lernen zu können und Prüfungs-

ängste zu beseitigen. Auch wäh-

rend meiner Tätigkeit als TV-Mo-

derator half mir das Autogene

Training sehr, körperliche Ver-

spannungen während dreistün-

diger Live-Sendungen zu lösen,

Aufregung in den Griff zu be-

kommen, meinen beschleunigten

Herzschlag- und Atemrhythmus

zu normalisieren etc. Auch aktu-

ell setze ich das Autogene Trai-

ning gerne und regelmäßig für

mich ein, um Kraft zu tanken,

Verspannungen zu lösen und ei-

nen klaren Kopf zu gewinnen.

Mein Körper und mein Geist

schalten dann sofort um und ich

fühle mich gestärkt und losgelöst

von den Alltagsproblemen. Auf

dem Weg ins und zurück vom

Büro mache ich regelmäßig Au-

togenes Training in der S-Bahn.

So komme ich entspannt – trotz

eines harten und langen Arbeits-

tages – nach Hause und kann

den Abend genießen.

Vielen Dank für das interes-

sante Gespräch!

*) Namen von der Redaktion geändert.

Ruhe und Gelassen-heit statt heftigerGefühlsausbrüchebei Problemen in derPartnerschaft – auchdas lässt sich durchdie formelhafteVorsatzbildung inden Griff bekommen

Wo kann manAutogenesTraining lernen?Viele Volkshochschulen bietenAutogenes Training an, auch privateBildungsträger oder Anbieter imGesundheits- und Wellnessbereich.Arbeitgeber haben die Möglichkeit,Autogenes Training oder andereEntspannungsmaßnahmen imRahmen der betrieblichen Gesund-heitsförderung zu organisieren unddafür Zuschüsse zu erhalten.

Gute Grundlageninformationenfinden sich auch in Büchern zumThema Autogenes Training. Manchewerden gleich mit Übungs-CDangeboten. Das ist sicher hilfreich,wenn man das Autogene Trainingschon mal von einem autorisiertenLehrer gelernt hat. Besonders imTrend liegt man zurzeit natürlich miteiner „App“ dazu. Auch hier lassensich Angebote finden.

· Abbas Schirmohammadi: „Autogenes Training. In der Ruheliegt die Kraft“, Audio-CD, Shaker Media, ISBN 978-3-86858-599-5, € 16,90 · Dr. med. Delia Grasberger: „Autogenes Training“,Buch mit CD, GU, ISBN 978-3-8338-197-35, € 16,99 ·% CatharinaAdolphsen: „Autogenes Training für Dummies“, Wiley-VCHVerlag, ISBN 978-3-527706-34-1, € 16,95

(Alle Bücher unter www.ritter24.de + ein Überraschungsgeschenk)

Autogenes Training kann bei entsprechender Indikation vomArzt im Rahmen der psychosomatischen Behandlung erbrachtwerden Im Rahmen der Primärprävention kann die DAK einenjährlichen Zuschuss für die Teilnahme an einem Kurs geben.“Andere Krankenkassen in Deutschland schätzen den möglichenNutzen des Autogenen Trainings ähnlich ein. Was genaubezahlt oder bezuschusst wird, muss man aber bei jeder Kasseeinzeln erfragen.

In Österreich gilt das Autogene Training als anerkanntePsychotherapie-Methode. Bei der Behandlung durch einenPsychotherapeuten, der Autogenes Training anwendet, erhältman von der Krankenkasse einen Teil der Kosten ersetzt.Voraussetzung: Der Psychotherapeut steht in der beimGesundheitsministerium geführten Therapeutenliste.

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Mit Hilfe desAutogenen Trainings

kann der Ausstiegaus dem quälendenGedankenkarussellgelingen, lässt sichein Zustand tiefenFriedens erreichen