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371 B. Ebel, M. Hofer (Hrsg.), Automotive Management, DOI 10.1007/978-3-642-34068-0_25, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013 Automobilmarkt-Prognosen – Modelle und Methoden Ferdinand Dudenhöffer und Kathrin Dudenhöffer 25 Inhaltsverzeichnis 25.1 Prognoseverfahren im Überblick ............................................................................................ 372 25.2 Kurzfrist- und Mittelfristprognosen: Zeitreihenanalyse...................................................... 373 25.2.1 Anreicherung durch automobilspezifische Komponenten .................................. 375 25.3 Ökonometrische Prognosemodelle ......................................................................................... 377 25.4 Akzeptanzprognosen................................................................................................................. 378 25.5 Langfristprognosen.................................................................................................................... 379 25.6 Fazit.............................................................................................................................................. 381 25.7 Literatur....................................................................................................................................... 381 _______________________ Prof. Dr. Ferdinand Dudenhöffer (), Kathrin Dudenhöffer Universität Duisburg-Essen, Bismarckstraße 90, 47057 Duisburg, Deutschland e-mail: [email protected], [email protected]

Automobilmarkt-Prognosen – 25 Modelle und Methodenhk0378/publikationen/2013/Automobilmarkt... · Interessant wird das einfache Zeitreihenmodell, sobald neben den Trend-, Saison-

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371B. Ebel, M. Hofer (Hrsg.), Automotive Management,DOI 10.1007/978-3-642-34068-0_25, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

Automobilmarkt-Prognosen – Modelle und Methoden

Ferdinand Dudenhöffer und Kathrin Dudenhöffer

25

Inhaltsverzeichnis

25.1 Prognoseverfahren im Überblick ............................................................................................ 372 25.2 Kurzfrist- und Mittelfristprognosen: Zeitreihenanalyse ...................................................... 373

25.2.1 Anreicherung durch automobilspezifische Komponenten .................................. 375 25.3 Ökonometrische Prognosemodelle ......................................................................................... 377 25.4 Akzeptanzprognosen ................................................................................................................. 378 25.5 Langfristprognosen .................................................................................................................... 379 25.6 Fazit .............................................................................................................................................. 381 25.7 Literatur ....................................................................................................................................... 381

_______________________ Prof. Dr. Ferdinand Dudenhöffer (), Kathrin Dudenhöffer Universität Duisburg-Essen, Bismarckstraße 90, 47057 Duisburg, Deutschland e-mail: [email protected], [email protected]

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372 Ferdinand Dudenhöffer und Kathrin Dudenhöffer

Die Prognose der Fahrzeugnachfrage ist für Automobilhersteller und Zulieferer Aus-gangspunkt zentraler Marketing- und Unternehmensentscheidungen. Damit kommt der Qualität der Prognosen und der Überschaubarkeit des Gesamt-Prognose-Systems hohe Bedeutung bei. Prognosequalität ist das Ergebnis der eingesetzten Prognosemethode. Der Beitrag gibt einen Überblick über die in der Automobilindustrie verwendeten Pro-gnosemodelle und erläutert die Vorteile explikativer Zeitreihenmodelle.

25.1 Prognoseverfahren im Überblick

Wie jede Branche bedient sich die Automobilindustrie bei der Prognose zukünftiger Fahrzeugkäufe branchenspezifischer Prognosemodelle. Als Messeinheit wird in der Automobilindustrie das Verkaufsvolumen ( = verkaufte Einheiten, gemessen an Neuzu-lassungen) herangezogen. Bezogen auf den Prognosezeitraum lässt sich eine Untertei-lung in Kurzfrist- und Mittelfristprognosen (Prognosezeitraum bis zu 5 Jahren) sowie Langfristprognosen (Prognosezeitraum bis zu 20 Jahren) vornehmen. Abbildung 25.1 illustriert diese in ihrer Fristigkeit differierenden Prognoseverfahren.

Die Kurzfrist- und Mittelfristprognosen unterscheiden sich dabei wesentlich von der Langfristprognose. Während bei Langfristprognosen in Analogiebetrachtungen Struk-turdaten wie Bevölkerungsentwicklung, Fahrzeugdichte (Fahrzeuge pro 1000 Einwoh-

TS-Note Bitte ver-weisen Sie im Text auf alle Bilder und Tabellen im Kapitel.

Zulassungen BRD

Monate

1. Kurz/ Mi�elfrist-Prognose

• Zeitreihen-Analyse

• Regressions-Analyse

Erklärungs-Variable: Sozialprodukt, Konsum, ...

2. Langfrist-Prognose

• Szenario-Analyse

• Struktur-Datenvergleich• Fahrzeugdichten• Pro Kopf Sozialprodukt

Bevölkerung Fzg-Dichte Fzg-Bestand Zulassungen

1980.......20032004

20052006.......20142015

.......82,1 Mio82,2 Mio

.......638639

.......42,1 Mio42,2 Mio

.......3,24 Mio3,27 Mio

82,2 Mio82,2 Mio............

81,5 Mio81,4 Mio

645651

............679680

43,0 Mio43,5 Mio............

48,6 Mio48,8 Mio

3,25 Mio3,40 Mio............

3,51 Mio3,48 Mio

Abb. 25.1 Prognosemodelle in der Automobilwirtschaft

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25 Automobilmarkt-Prognosen – Modelle und Methoden 373

ner), Bruttosozialprodukt pro Kopf für die Prognose der Entwicklung der Motorisierung herangezogen werden und mit der Szenariotechnik gearbeitet wird, bieten sich für Kurz-frist- und Mittelfristprognose zwei unterschiedliche Methoden an: die Zeitreihenanalyse und die ökonometrischen Modelle (Regressionsanalyse).

Neben dieser zeitlichen Differenzierung können Prognosen nach ihrer räumlichen Abgrenzung unterschieden werden. So lassen sich Prognosen für den Weltmarkt, einzel-ne Länder oder auch regionale Märkte erstellen. Die Prognosen können in ihrer Tiefe beliebig variieren. So können Fahrzeugmärkte weiter nach Segmenten, Kraftstoffarten, Hersteller oder Modellen aufgeteilt werden. Selbstverständlich lassen sich die einzelnen Modelle weiter nach unterschiedlichen Aufbauarten (Limousine, Fließheck, Cabrio, etc.) oder Versionen prognostizieren.

Aus dieser Beschreibung wird deutlich, dass ein mehrdimensionales, ineinander ge-schlossenes Prognosesystem, das eine große Anzahl von Teilprognosen erzeugt, im Mit-telpunkt der Marketingplanungen der Automobilhersteller und Zulieferer steht.

25.2 Kurzfrist- und Mittelfristprognosen: Zeitreihenanalyse

Die Zeitreihenprognose basiert auf der Analyse der Zulassungszahlen aus der Vergan-genheit und versucht, den Kurvenverlauf der Zulassungen aus der Vergangenheit in der Zukunft „fortzusetzen“. Damit erklärt die Zeitreihenanalyse die Zukunft ausschließlich aus den Daten derselben Variablen aus der Vergangenheit. Weil in der Vergangenheit ein bestimmtes Muster bei den Fahrzeugkäufen vorlag, folgert die Zeitreihenprognose, dass in der Zukunft ein ähnliches Kaufmuster der Konsumenten gegeben ist. Die Be-stimmungsfaktoren, die in der Vergangenheit die Kaufentscheidung der Konsumenten prägten, bleiben dabei außer Betracht. Dies wird in Abb. 25.1 illustriert und kann durch den Ausdruck (1) beschrieben werden.

(1) Zulassung BRD (t+1) = f [ Zulassung BRDt , Zulassung BRDt−1 , …, Zulassung BRDt−n ]

Der Zusammenhang (1) wird auch als univariates Prognosemodell bezeichnet, da nur eine Variable – eben der Verlauf dieser Variable in der Vergangenheit – zur Erklärung der Zukunft herangezogen wird. Um die Entwicklung der Zeitreihe in der Zukunft zu verstehen, ist es notwendig, das Muster der Zeitreihe zu analysieren.

Dabei wird die Zeitreihe in dem Standard-Zeitreihen-Komponenten-Modell in vier verschiedene Komponenten zerlegt:

eine Trend-Komponente Tt, deren Verlauf als durch langfristig wirkende Ursachen bedingt angesehen wird.

eine zyklische Komponente Zt, deren Verlauf den Konjunkturzyklus reflektiert und die sich deshalb „wellenförmig“ bewegt. Autokäufer verhalten sich etwa im Konjunktur-abschwung zögerlich und schieben geplante Autokäufe zeitlich hinaus.

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374 Ferdinand Dudenhöffer und Kathrin Dudenhöffer

eine Saison-Komponente St, deren Verlauf jahreszeitliche Besonderheiten reflektiert. Also im Winter werden etwa weniger Fahrzeuge gekauft als im Frühjahr, weil Auto-fahrer das Unfallrisiko im Winter mit dem neuen Wagen scheuen.

eine Stör-Komponente Ut, deren Verlauf auf nicht feste Ursachen zurückführt werden kann, sondern die quasi „regellos“ oder zufällig um den Wert Null schwankt. Die Ut sind also Residualgrößen, die den Charakter von Zufallsschwankungen aufweisen und als Zufallsvariablen definiert werden können.

Das einfachste Komponentenmodell unterstellt dabei eine additive Verknüpfung der Komponenten und kann als (2) beschrieben werden

(2) Zulassung BRDt = Tt + Zt + St + Ut mit t = 1, 2, …, T

Das Komponentenmodell dient als Grundlage, um Aussagen über die Eigenschaften von Schätzung- und Prognoseverfahren ableiten zu können.

Ausgehend von dem Zusammenhang (2) lassen sich Schätzfunktionen für die Trend-Komponente, zyklische Komponente, Saison-Komponente ableiten und damit Zeitrei-henprognosen erstellen. In Abb. 25.2 ist die in Gleichung (2) dargestellte Zeitreihe auf Monatsbasis sowie die Trend-Komponente (Mittelwert) illustriert. Die Prognosefunk-tion für die zukünftigen Zulassungen als Summe der Einzelkomponenten ist dabei grafisch mit Hintergrund unterlegt.

Zeitreihenmodelle der in Abb. 25.2 dargestellten Form lassen sich mit Rechenpro-grammen leicht generieren und sind zunächst für alle denkbaren Zeitreihen-Variablen vorstellbar. Der spezifische automobilwirtschaftliche Bezug ist „hinter“ der Information der Zeitreihe quasi „versteckt“ und muss zum Verständnis des Wirkungszusammen-hangs nicht erläutert werden. Einfache Prognosefunktionen, wie etwa expotentielle Glät-tungsverfahren (Exponential-Smoothing) sind dabei relativ einfach erzeugbar und lie-fern in der Praxis bereits gute Prognoseergebnisse.

150

170

190

210

230

250

270

290

310

Mi�elwertIst u. Prognose

Zulassungen BRD

Zulassung BRDt = Tt + Zt + St + Ut

Monate

Prognose

Abb. 25.2 Einfache Zeitreihenanalyse und -prognose

TS-Note Bitte die Abbildung prüfen auf Vollstän-digkeit.

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25 Automobilmarkt-Prognosen – Modelle und Methoden 375

25.2.1 Anreicherung durch automobilspezifische Komponenten

Interessant wird das einfache Zeitreihenmodell, sobald neben den Trend-, Saison- und zyklischen Komponenten weitere automobilspezifische Erklärungsmuster in die Analyse mit aufgenommen werden. Diese zusätzlichen Komponenten lassen sich als automobile Sondereinflüsse darstellen.

Wesentliche Sondereinflüsse sind dabei

die Modellplanungen der Automobilhersteller Besondere Marketingaktivitäten der Automobilhersteller (Promotions) Preis-Änderungen bei Fahrzeugen oder Änderungen in den Fahrzeugkosten (Benzin,

Versicherung, Steuer) Änderungen in verbundenen Märkten (Gebrauchtwagenmarkt) Änderungen in den ökonomischen Faktoren (Wachstumsrate, Sozialprodukt,

Arbeitslosenquote, etc.)

Da es sich bei diesen Komponenten um zeitlich befristete Sondereinflüsse handelt, macht es Sinn, bei Erwartung von Sondereinflüssen dies in der Prognose zu berücksich-tigen. Zu diesem Zweck wird das in Abb. 25.2 illustrierte Zeitreihen-Prognose-Modell entsprechend erweitert. Bei der Erweiterung wird dabei jeweils für einen speziellen Son-dereinfluss eine Prognosefunktion modelliert. Die Ableitung der Prognosefunktion er-folgt dabei aus der Analyse der jeweiligen Sondereffekte der Vergangenheit. In einer Modellreihenprognose lassen sich dann die verschiedenen Aktivitäten des Herstellers und der Wettbewerber analog zu den Mustern der Abb. 25.4 integrieren. Damit wird

Einkommenssteigerung

Promo�onModelleinführung

Preiserhöhung

Abb. 25.3 Modellierung von Sondereinflüssen im Prognosemodell ProCar BDW-Automotive

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376 Ferdinand Dudenhöffer und Kathrin Dudenhöffer

deutlich, dass die durch automobilspezifische Komponenten erweiterte Zeitreihenanaly-se sich gut für die Prognosebedürfnisse in der Automobilindustrie eignet.

Zeitreihenanalysen mit explikativen Faktoren wie im vorliegenden Zusammenhang zeigen in gesättigten Fahrzeugmärkten, wie Deutschland, den meisten westeuropäischen Ländern, USA und Japan, robuste Prognose-Ergebnisse (hohe Prognosegüte). Gesättigte Märkte zeichnen sich dadurch aus, dass der Kauf zum überwiegenden Teil aus Ersatzbe-darf besteht. Die Kaufentscheidung wird damit durch die Lebensdauer der Produkte geprägt, die bei Pkw auf ein Intervall zwischen 7 bis 12 Jahre konzentriert ist. Über 90 % aller Pkw besitzen eine Lebensdauer, die in dieses Intervall fällt. Dabei wechseln die

Zeit

Keine Ak�vitäten

Marke�ngak�vitäten

New Model

Faceli�

Einführung

Verkäufe

Abb. 25.4 Modellreihenprognose: Integration von Sondereffekten in Prognosefunktion

150

170

190

210

230

250

270

290

310

Mi�elwertIst u. Prognose

Zulassungen BRD

Monate

Neues ModellWe�bewerber

Sonderzins

Prognose mit Sonder-Einflüssen

Abb. 25.5 Zeitreihen-Prognosemodell mit explikativen Faktoren (Sondereinflüsse)

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25 Automobilmarkt-Prognosen – Modelle und Methoden 377

Fahrzeuge in ihrer Lebensdauer in der Regel 3 bis 4-mal den Besitzer. Die Neuwagen-nachfrage wird damit durch den Gebrauchtwagenmarkt mit beeinflusst. Angebotsüber-hänge und damit niedrige Gebrauchtwagenpreise beeinflussen den „Austauschzeit-punkt“ der Fahrzeuge und damit den Neuwagenkauf. Eine andere wesentliche Einflussgröße sind die Modellneuerungen der Automobilhersteller. Ein hoher Grad an Modellneuerungen motiviert Käufer, vorzeitig das Fahrzeug zu wechseln. Die dritte wichtige Einflussgröße bildet die konjunkturelle Situation. In rezessiven Zeiten werden Ersatzanschaffungen üblicherweise hinausgezögert. Dabei gilt, dass negative Einflussfak-toren, wie Rezessionen oder Kraftstoffpreiserhöhungen, Ersatzkäufe verzögern.

Abbildung 25.5 illustriert das Zeitreihen-Prognose-Modell mit explikativen Faktoren. Dabei erlaubt eine entsprechende Verknüpfung verschiedener Zeitreihen, dass eine Viel-zahl von Zeitreihen mit überschaubarem Aufwand geführt und gepflegt werden können.

Zwischenfazit: Zeitreihenmodelle mit explikativen Faktoren erlauben Prognosen von hoher Güte, die Berücksichtigung automobiler Zusammenhänge und das überschaubare Management eines komplexen, vielschichtigen Prognosebedarfs.

25.3 Ökonometrische Prognosemodelle

Im Gegensatz zu Zeitreihenanalysen versuchen ökonometrische Prognosemodelle einen Erklärungszusammenhang zwischen den Neuzulassungen (zu erklärende Variable) und anderen „erklärenden Variablen“ herzustellen. Dabei werden in aller Regel makroöko-nomische Variablen wie Sozialprodukt, Zinssatz, Arbeitslosenquote

(3) Zulassung t = f ( Sozialprodukt t, Zinssatz t, … )

als erklärende Faktoren, wie in der Formel (3) beschrieben, herangezogen. Im einfachs-ten Fall wird dabei ein linearer Zusammenhang zwischen der erklärenden Variablen Zulassung und der erklärenden Variablen Sozialprodukt. Unser einfaches lineares Erklä-rungsmodell lautet damit

(4) yt = A + B pt + Ut

wobei, wie in unserem Komponentenmodell (2), der Ausdruck Ut eine Störgröße (Zu-fallsvariable) ist, die zufällig um den Wert null schwankt. Die Schätzung der Regres-sionsgerade leitet sich aus der beobachteten Datenreihe ab.

Nach unseren Beobachtungen liefern Zeitreihenanalysen in gesättigten Fahrzeug-märkten zielgenauere Prognosen als die aus ökonometrischen Modellen abgeleitete Zu-lassungs- bzw. Modellprognosen. Die Ursachen für die höhere Prognosegüte der para-metergestützten Zeitreihenanalyse liegen in der zielgenaueren Beschreibung des Fahrzeug-Austauschzeitpunktes durch externe Parameter wie Modellneuerungen, Lea-sing- und Kreditfinanzierungs-Vertragslaufzeiten oder Nachfrageüberhängen auf den Gebrauchtwagenmärkten.

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378 Ferdinand Dudenhöffer und Kathrin Dudenhöffer

25.4 Akzeptanzprognosen

Vergleichbar mit ökonometrischen Prognosemodellen sind Kundenakzeptanzanalysen. Hier wird der Zusammenhang zwischen der Akzeptanz eines neuen Produktes oder eines neuen Vertriebsweges (zu erklärende Variable) durch Einflussvariablen wie z. B. soziodemografische Merkmale geschätzt. Ziel der Analyse ist eine möglichst genaue Beschreibung der aktuellen Zielgruppe, um künftige Entwicklungen des Kundenkauf-verhaltens vorhersagen zu können.

(5) Nutzungsintention = f (Alter, Geschlecht, Kaufverhalten, Markenbekanntheit …)

Wie im ökonometrischen Modell ist der einfachste Fall ein linearer Zusammenhang (vgl. Formel (4)). Ist die abhängige Variable dichotom skaliert, bietet sich ein logistisches Regressionsmodell an, das die Wahrscheinlichkeit des Eintreffens des Ereignisses „Pro-duktkauf“ oder „Nutzung eines neuen Vertriebswegs“ berechnet (Backhaus et al., 2008, S. 244 ff.).

So kann beispielsweise untersucht werden, welche Zielgruppe den Vertriebsweg über Internetvermittler nutzen wird. Seit etwa drei Jahren beginnt eine neue Art von Inter-netvermittlern das Internet für den Neuwagenvertrieb zu entdecken. Die wichtigsten Internetbroker im Neuwagengeschäft sind derzeit Meinauto.de, Autohaus24.de, Priceop-timizer.de und Carneoo.de. Sie qualifizieren die Kaufanfrage und leiten diese verbindlich an einen Markenhändler weiter. Im Mittelpunkt stehen dabei hohe Preisnachlässe auf Neuwagen bei schlankem Service. Da die Bereitschaft zu Online-Käufen in der Gesell-schaft steigt (mittlerweile kaufen 68 % der Deutschen online, vgl. Dudenhöffer et. al., 2010), ist zu erwarten, dass auch die Autokäufe via Internet weiter zunehmen.

Die Studie basiert auf einer Online-Befragung aus dem Jahr 2010 (n = 526). 60,4 % der Befragten können sich vorstellen, in Zukunft ein Auto über das Internet zu kaufen. Dieser Anteil ist um ein Wesentliches höher als der Anteil der Befragten, die tatsächlich schon ein Auto über das Internet gekauft haben (7,7 %). Die logistische Regression soll

Tab. 25.1 Signifikante Koeffizienten der logistischen Regression

Variablen Regressions-Koeffizient B

Standard-fehler

Wald Exp(B)

Geschlecht −0,946*** 0,274 11,875 2,575

Berufstätig −0,539** 0,241 04,984 1,714

Beratung beim Autokauf −0,502*** 0,100 25,146 0,606

Kaufpreis beim Autokauf −0,816*** 0,216 14,296 2,261

Produkte über Internet gekauft −0,314** 0,136 05,329 1,369

Ein Auto über Internet gekauft −1,119*** 0,245 20,812 3,061

MeinAuto.de ist bekannt −0,884*** 0,229 14,918 2,420

***) Signifikant auf dem 99 %-Niveau, **) signifikant auf dem 95 %-Niveau.

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25 Automobilmarkt-Prognosen – Modelle und Methoden 379

zeigen, welche Faktoren die Bereitschaft zum Autokauf beeinflussen. Der Anteil der erklärten Varianz beträgt im ersten Modell 36,1 % und liegt damit im akzeptablen Wer-tebereich. Die signifikanten Koeffizienten sind in Tab. 25.1 dargestellt.

Den stärksten Einfluss auf den Autokauf über das Internet hat die Erfahrung mit sol-chen Käufen. Das heißt, wer einmal über das Netz einen Neuwagen gekauft hat, wird es beim nächsten Mal wieder tun. Weitere starke Einflüsse sind das Geschlecht der Befragten sowie die Relevanz des Kaufpreises. Männer und preissensitive Personen scheinen in das Internet abzuwandern. Zudem ist die Kaufintention über das Internet bei Berufstätigen höher sowie bei denjenigen, denen die persönliche Beratung beim Autokauf unwichtig ist. Die Erfahrung mit Internet-Käufen im Allgemeinen hat einen schwächeren Einfluss als die anderen signifikanten Items, zeigt aber, dass Personen, die viele Produkte im Internet kaufen, auch eine höhere Kaufbereitschaft eines Neuwagens über das Internet haben.

Diese Faktoren können zum einen auf eine mögliche Entwicklung des Autokaufs hindeuten und zum anderen lassen sich Handlungsempfehlungen für Internetvermittler sowie Autohändler und Hersteller ableiten. Bei Fortbestehen des derzeitigen hohen Preisvorteils und zunehmender Bekanntheit der Neuwagenvermittler (durch entspre-chende Information und Werbung) werden 60 % der Neuwagen in der vorliegenden Stichprobe über die Neuwagen-Broker verkauft. Unter der Annahme, dass diese Ziel-gruppe etwa 50 % der Neuwagenkäufer abbildet, wären bei Hochrechnung der Ergebnis-se auf die Neuwagenkäufer mittelfristig mit über 30 % der privaten Neuwagenverkäufe über Internetvermittler zu rechnen. Bei einem durchschnittlichen Neuwagenmarkt von 3,2 Mio. Pkw und 40 % Privatkundenanteil im Neuwagenmarkt, errechnet sich ein mit-telfristiges Potential von knapp 385.000 privaten Neuwagenverkäufen durch Internet-broker. Bei einem Durchschnitts-Neuwagenpreis von 20.000 € entspricht dies einem Umsatzpotential von knapp 8 Mrd. €.

25.5 Langfristprognosen

Zeitreihenmodelle und ökonometrische Modelle scheitern, wenn es darum geht, lang-fristige Entwicklungen – also etwa über 20 Jahre die Fahrzeugzulassungen – zu prognos-tizieren. Zu groß sind die Unsicherheiten bezüglich neuer Technologien, Produkt-Substitute, Veränderungen des Kundenverhaltens in einzelnen Branchen über längere Zeiträume, um verlässliche Ergebnisse nach diesen Verfahren zu liefern. Trotzdem ist es für Automobilhersteller und Zulieferer notwendig, sich bei Investitionsentscheidungen, zum Beispiel bei neuen Werken, langfristig festzulegen.

Um Langfristaussagen machen zu können, hat es sich als nützlich erwiesen auf Motorisierungs-Einkommens-Muster in verschiedenen Ländern zurückzugreifen. Dabei liegt den Überlegungen implizit die Hypothese zugrunde, dass steigendes Einkommen zu steigender Motorisierung führt. Maß für die Motorisierung ist dabei die Fahrzeug-dichte – definiert als Zahl der Fahrzeuge auf 1000 Einwohner eines Landes.

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380 Ferdinand Dudenhöffer und Kathrin Dudenhöffer

Über die erwarteten Wachstumsraten des Pro-Kopf-Einkommens lässt sich damit auf eine zu erwartende Fahrzeugdichte schließen. Nutzt man zusätzlich die Wachstumsrate der Bevölkerung, lässt sich der erwartete Fahrzeugbestand ableiten. Bei vorgegebener Lebenszeit der Fahrzeuge ermitteln sich dann die Zulassungen wie in Gleichung (5) beschrieben.

(6) Zulassung (t+x) = Fahrzeugbestand (t+x) – Fahrzeugbestand (t+x−1) + Ersatzbedarf (t+x)

Als Prognoseverfahren im Langfristbereich wird dabei auf die Szenariotechnik zu-rückgegriffen. Ein Beispiel hierfür ist u. a. die im Zweijahresrhythmus von der Shell AG vorgelegte Shell-Prognose.

Ausgangspunkt der Prognose ist die sogenannte Fahrzeugdichte, also die Anzahl der Fahrzeuge, die auf 1000 Einwohner in einem Land entfallen. Im Beispiel der Abb. 25.1 beträgt die Fahrzeugdichte 516 Fahrzeuge für das Jahr 2010. Die Fahrzeug-Dichte multi-pliziert mit der Bevölkerungszahl ergibt dann den Fahrzeugbestand. Die Veränderung des Fahrzeugbestandes plus Ersatzbedarf ergibt damit die Neuzulassungen eines Jahres. Die Gleichung (5) beschreibt den Zusammenhang.

Mit der Fahrzeugdichte definiert sich der Prognostiker ein Maß, das gut interpretier-bar und vorstellbar ist und aus dem über die o.a. Zusammenhänge die Automobilmarkt-

Prognose Funk�on: Logis�sche Funk�on

0

100

200

300

400

500

600

700

000.04000.03000.02000.010

Popula�onBubble-Size

Turkey

Ukraine

RussiaRomaniaSerbia and M.

Poland

Hungary

Czech Republic

Portugal

Greece

Spain

ItalyGermany

UKFr

Austria

NL

Denmark

IrlandNorway

Bulgaria

Car D

ensi

ty –

Cars

per

1.0

00 In

habi

tant

s

PHASE 1 PHASE 2 PHASE 3

7.000 25.00018.000

GDP per capita in US-$

PHASE 4

China

Abb. 25.6 Motorisierungs-Einkommens-Muster

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25 Automobilmarkt-Prognosen – Modelle und Methoden 381

Prognose abgeleitet wird. Bei der Langfristprognose geht es dann darum, Aussagen über die Entwicklung der strategischen Variablen Fahrzeugdichte über einem 10 oder 20 Jahreszeitraum zu treffen. Aufgrund des langen Prognosezeitraums bietet es sich dabei an, die möglichen Zustände der Welt durch zwei Szenarien – ein optimistisches und ein pessimistisches Szenario – zu beschreiben. Diese Beschreibungen werden exogen vorgegeben, also nicht aus einem Modellzusammenhang abgeleitet.

25.6 Fazit

Zur Prognose der Fahrzeugverkäufe werden in der Automobilwirtschaft im Kurz- und Mittelfristbereich sowohl Zeitreihenanalysen als auch ökonometrische Modelle einge-setzt. Gelingt es, Zeitreihen-Modelle mit automobilspezifischen Komponenten anzurei-chern, lassen sich umfangreiche Zeitreihensysteme, die eine hohe Prognosegüte besitzen, überschaubar anlegen und pflegen. Damit sind aus unserer Sicht PC-basierte Zeitreihen-analysen mit explikativen Faktoren gut geeignet, den Prognosebedarf der Automobil-industrie abzudecken.

Während im Kurz- und Mittelfristbereich damit elegante Prognoselösungen existie-ren, stehen im Langfrist-Bereich mit den Szenariotechniken und Dichteprognosen auch heute noch eher rudimentäre Prognoseinstrumente zur Verfügung.

25.7 Literatur

Backhaus K, Erichson B, Plinke W, Weiber R. 2008. Multivariate Analysemethoden. Eine anwendungs-orientierte Einführung, Berlin/Heidelberg.

Box GEP, Jenkins GM. 1976. Time Series Analysis, Forecasting and Control. San Francisco. Dudenhöffer F. 2002. Prognosemethoden für den PKW-Markt: Das Beispiel Dieselfahrzeuge, WISU-

Wirtschaftsstudium, 31. Jg.; Heft 8–9: S. 1092–1100. Dudenhöffer F, Dudenhöffer K, Stephan A. 2010. Wie das Internet den Autovertrieb verändert, Absatz-

wirtschaft; Heft 5: S. 82–83. Stier W. 2001. Methoden der Zeitreihenanalyse, Berlin.

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