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Rechtsprechung bbl 2009, Heft 2 April 67 © Springer-Verlag 2009 Salzburg Baugebrechen; feuerpolizeiliche Mängel; feuerpoli- zeilicher Auftrag; Bestimmtheit DOI 10.1007/s00738-009-0590-8 §§ 11, 13 sbg FPolO 1973 Ein feuerpolizeilicher Auftrag, der die Festlegung und Montage von Kehrbehelfen (hier: im unaus- gebauten Dachboden und über Dach) „im Einver- nehmen mit dem Rauchfangkehrer“ vorschreibt, ist zu unbestimmt, weil offen bleibt, was zu ge- schehen hätte, wenn ein Einvernehmen wegen unterschiedlicher Auffassungen nicht herstellbar ist. VwGH 22.10.2008, 2008/06/0088 <38> Steiermark Nachträgliche Vorschreibung baulicher Maßnahmen bei bestehenden Hochhäusern DOI 10.1007/s00738-009-0591-7 § 103 stmk BauG 1995; § 7 Abs 3 und 3a stmk FeuerpolizeiG 1985; Art 7 B-VG Der Verzicht auf die nachträgliche Vorschreibung bestimmter baulicher Maßnahmen bei bestehen- den Hochhäusern bewirkt keine Gleichheits- widrigkeit (hier: durch Aufhebung des § 103 stmk BauG), weil es im Gestaltungsspielraum des Ge- setzgebers liegt, ob und in welchem Ausmaß er bei bestehenden baulichen Anlagen nachträgli- che brandschutztechnische Maßnahmen ver- langt. Differenzierungen bei der nachträglichen Vor- schreibung von Brandschutzmaßnahmen zwi- schen überwiegend Wohnzwecken dienenden und anderen (zB überwiegend Bürozwecken die- nenden) Hochhäusern sind mangels sachlicher Begründung gleichheitswidrig. VfGH 9.10.2008, G 39/08 ua <39> Aus der Begründung: Der VfGH geht zunächst davon aus, dass § 7 Abs 3 des Stmk FeuerpolizeiG 1985 eine Rechtsgrundlage dafür bietet, bei bestehenden bauli- chen Anlagen dem Eigentümer bzw Verfügungsberech- tigten die Bereitstellung oder Errichtung von geeigne- ten Brandmelde- und Alarmeinrichtungen, Löschanla- gen, Löschmitteln und Löschwasserbezugsstellen mit schriſtlichem Bescheid aufzutragen, wenn dies offen- kundig wegen der besonderen Beschaffenheit oder des besonderen Verwendungszweckes der baulichen Anla- ge, unter Bedachtnahme auf die baulichen Gegeben- heiten, im Interesse der Brandsicherheit erforderlich und wirtschaſtlich zumutbar ist. Der VfGH hegt keinen Zweifel, dass die genannten Auſträge für besonders brandgefährdete bauliche Anlagen, wie Hochhäuser iSd § 4 Z 36 Stmk BauG, das sind Gebäude, bei denen der Fußboden von Aufenthaltsräumen mehr als 22,0 m über dem tiefsten Punkt des an das Gebäude anschlie- ßenden Geländes liegt, erteilt werden können (vgl § 9 Abs 5 und 6 lit f Stmk FeuerpolizeiG 1985). Der durch die angefochtene Nov aufgehobene § 103 Stmk BauG bot eine – über die im § 7 Abs 3 Stmk FeuerpolizeiG 1985 hinausgehende – Möglichkeit, bei bestehenden Hochhäusern zusätzliche bauliche Maßnahmen, wie zB die Ausbildung der Hauptstiegenhäuser und der Auf- schließungsgänge als eigene Brandabschnitte, die brandbeständige Trennung der Kellergeschoße von den Stiegenhäusern oder die Ausstattung der Stiegenhäuser und Aufschließungsgänge mit einer Überdruckbelüf- tungsanlage vorzuschreiben. Der VfGH verkennt nicht, dass mit der Auebung des § 103 Stmk BauG die genannten baulichen Maß- nahmen bei bestehenden Häusern nicht mehr vorge- schrieben werden können. Der Verzicht auf die nach- trägliche Vorschreibung bestimmter baulicher Maß- nahmen bei bestehenden Hochhäusern bewirkt jedoch entgegen der Annahme der Antragsteller keine Gleich- heitswidrigkeit der Auebung des § 103 Stmk BauG, liegt es doch im Gestaltungsspielraum des Gesetzge- bers, ob und in welchem Ausmaß er bei bestehenden baulichen Anlagen nachträgliche brandschutztechni- sche Maßnahmen verlangt. Der Antrag auf Auebung der Z 2 des Art 1 des Gesetzes v 20.11.2007, mit dem das Stmk BauG und das Stmk FeuerpolizeiG 1985 geändert werden, LGBl 6/ 2008, war daher abzuweisen. 2.2. Zu § 7 Abs 3a Stmk FeuerpolizeiG 1985: Wie oben ausgeführt bietet § 7 Abs 3 Stmk Feuer- polizeiG 1985 nur eine Rechtsgrundlage für die Vor- schreibung der Bereitstellung oder Errichtung von ge- eigneten Brandmelde- und Alarmeinrichtungen, Lösch- anlagen, Löschmitteln und Löschwasserbezugsstellen, nicht aber für die Vorschreibung von darüber hinausge- henden baulichen Maßnahmen, um bestehende Hoch- häuser an den Stand der Brandschutztechnik anzupas- sen. § 7 Abs 3a Stmk FeuerpolizeiG 1985 normiert einer- seits, dass § 7 Abs 3 leg cit auf bestehende, überwiegend Wohnzwecken dienende Hochhäuser nicht anzuwen- den ist, soweit hinsichtlich ihrer der Benützungsbewil- ligung zugrunde gelegten und weiterer vor dem In- Kraſt-Treten der Nov LGBl 6/2008 installierten techni- schen Brandschutzeinrichtungen die Funktionstüchtig- keit gewährleistet ist. Über die in diesen Hochhäusern vorhandenen Sicherheitsvorkehrungen hinaus kann die Beh aber nachstehende Einrichtungen zusätzlich vor- schreiben: 1. Trockensteigleitung, 2. Druckknoprandmeldeanlage und Alarmeinrich- tung, 3. tragbare Feuerlöscher, 4. Brandschutztüren zwischen Erdgeschoß und Keller sowie 5. brandhemmende Türen zu Wohnungen.

Baugebrechen; feuerpolizeiliche Mängel; feuerpolizeilicher Auftrag; Bestimmtheit

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Rechtsprechungbbl2009, Heft 2April 67

© Springer-Verlag 2009

Salzburg

Baugebrechen; feuerpolizeiliche Mängel; feuerpoli-zeilicher Auftrag; Bestimmtheit

DOI 10.1007/s00738-009-0590-8

§§ 11, 13 sbg FPolO 1973

Ein feuerpolizeilicher Auftrag, der die Festlegung und Montage von Kehrbehelfen (hier: im unaus-gebauten Dachboden und über Dach) „im Einver-nehmen mit dem Rauchfangkehrer“ vorschreibt, ist zu unbestimmt, weil offen bleibt, was zu ge-schehen hätte, wenn ein Einvernehmen wegen unterschiedlicher Auffassungen nicht herstellbar ist.

VwGH 22.10.2008, 2008/06/0088 <38>

Steiermark

Nachträgliche Vorschreibung baulicher Maßnahmen bei bestehenden Hochhäusern

DOI 10.1007/s00738-009-0591-7

§ 103 stmk BauG 1995; § 7 Abs 3 und 3a stmk FeuerpolizeiG 1985; Art 7 B-VG

Der Verzicht auf die nachträgliche Vorschreibung bestimmter baulicher Maßnahmen bei bestehen-den Hochhäusern bewirkt keine Gleichheits-widrigkeit (hier: durch Aufhebung des § 103 stmk BauG), weil es im Gestaltungsspielraum des Ge-setzgebers liegt, ob und in welchem Ausmaß er bei bestehenden baulichen Anlagen nachträgli-che brandschutztechnische Maßnahmen ver-langt.

Differenzierungen bei der nachträglichen Vor-schreibung von Brandschutzmaßnahmen zwi-schen überwiegend Wohnzwecken dienenden und anderen (zB überwiegend Bürozwecken die-nenden) Hochhäusern sind mangels sachlicher Begründung gleichheitswidrig.

VfGH 9.10.2008, G 39/08 ua <39>

Aus der Begründung: Der VfGH geht zunächst davon aus, dass § 7 Abs 3 des Stmk FeuerpolizeiG 1985 eine Rechtsgrundlage dafür bietet, bei bestehenden bauli-chen Anlagen dem Eigentümer bzw Verfügungsberech-tigten die Bereitstellung oder Errichtung von geeigne-ten Brandmelde- und Alarmeinrichtungen, Löschanla-gen, Löschmitteln und Löschwasserbezugsstellen mit schriftlichem Bescheid aufzutragen, wenn dies offen-kundig wegen der besonderen Beschaffenheit oder des besonderen Verwendungszweckes der baulichen Anla-ge, unter Bedachtnahme auf die baulichen Gegeben-heiten, im Interesse der Brandsicherheit erforderlich und wirtschaftlich zumutbar ist. Der VfGH hegt keinen Zweifel, dass die genannten Aufträge für besonders

brandgefährdete bauliche Anlagen, wie Hochhäuser iSd § 4 Z 36 Stmk BauG, das sind Gebäude, bei denen der Fußboden von Aufenthaltsräumen mehr als 22,0 m über dem tiefsten Punkt des an das Gebäude anschlie-ßenden Geländes liegt, erteilt werden können (vgl § 9 Abs 5 und 6 lit f Stmk FeuerpolizeiG 1985). Der durch die angefochtene Nov aufgehobene § 103 Stmk BauG bot eine – über die im § 7 Abs 3 Stmk FeuerpolizeiG 1985 hinausgehende – Möglichkeit, bei bestehenden Hochhäusern zusätzliche bauliche Maßnahmen, wie zB die Ausbildung der Hauptstiegenhäuser und der Auf-schließungsgänge als eigene Brandabschnitte, die brandbeständige Trennung der Kellergeschoße von den Stiegenhäusern oder die Ausstattung der Stiegenhäuser und Aufschließungsgänge mit einer Überdruckbelüf-tungsanlage vorzuschreiben.

Der VfGH verkennt nicht, dass mit der Aufhebung des § 103 Stmk BauG die genannten baulichen Maß-nahmen bei bestehenden Häusern nicht mehr vorge-schrieben werden können. Der Verzicht auf die nach-trägliche Vorschreibung bestimmter baulicher Maß-nahmen bei bestehenden Hochhäusern bewirkt jedoch entgegen der Annahme der Antragsteller keine Gleich-heitswidrigkeit der Aufhebung des § 103 Stmk BauG, liegt es doch im Gestaltungsspielraum des Gesetzge-bers, ob und in welchem Ausmaß er bei bestehenden baulichen Anlagen nachträgliche brandschutztechni-sche Maßnahmen verlangt.

Der Antrag auf Aufhebung der Z 2 des Art 1 des Gesetzes v 20.11.2007, mit dem das Stmk BauG und das Stmk FeuerpolizeiG 1985 geändert werden, LGBl 6/ 2008, war daher abzuweisen.

2.2. Zu § 7 Abs 3a Stmk FeuerpolizeiG 1985:Wie oben ausgeführt bietet § 7 Abs 3 Stmk Feuer-

polizeiG 1985 nur eine Rechtsgrundlage für die Vor-schreibung der Bereitstellung oder Errichtung von ge-eigneten Brandmelde- und Alarmeinrichtungen, Lösch-anlagen, Löschmitteln und Löschwasserbezugsstellen, nicht aber für die Vorschreibung von darüber hinausge-henden baulichen Maßnahmen, um bestehende Hoch-häuser an den Stand der Brandschutztechnik anzupas-sen. § 7 Abs 3a Stmk FeuerpolizeiG 1985 normiert einer-seits, dass § 7 Abs 3 leg cit auf bestehende, überwiegend Wohnzwecken dienende Hochhäuser nicht anzuwen-den ist, soweit hinsichtlich ihrer der Benützungsbewil-ligung zugrunde gelegten und weiterer vor dem In-Kraft-Treten der Nov LGBl 6/2008 installierten techni-schen Brandschutzeinrichtungen die Funktionstüchtig-keit gewährleistet ist. Über die in diesen Hochhäusern vorhandenen Sicherheitsvorkehrungen hinaus kann die Beh aber nachstehende Einrichtungen zusätzlich vor-schreiben:

1. Trockensteigleitung,2. Druckknopfbrandmeldeanlage und Alarmeinrich-

tung,3. tragbare Feuerlöscher,4. Brandschutztüren zwischen Erdgeschoß und Keller

sowie5. brandhemmende Türen zu Wohnungen.