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] (MPCBMF 8FSUTDIレQGVOHTLFUUFO Im Herbst 2013 hat der BDI bei der IW Consult GmbH die Studie »Globale Kräf- teverschiebung – Wo steht die deutsche Industrie in der Globalisierung« in Auftrag gegeben. Die Studie zeigt deutlich: Deutschland ist Globalisierungsgewinner. Doch der deutsche Erfolg ist kein Selbst- läufer. 4FJUF (BTUCFJUSBH 5IPSTUFO-BOH *8$POTVMU(NC) Wandel gehört zur Welt der Wirtschaft. Ein Trend in den vergangenen Jahrzehn- ten ist die globale Kräfteverschiebung. 4FJUF 8FMUXJSUTDIBGUVOEEFVUTDIF&YQPSUF 3FLPSEBVTGVISFO ŭŭ Für das laufende Jahr rechnet der BDI mit weiter steigenden Exporten. 4FJUF *OUFSWJFX 1FUFS#JFTFOCBDI #PTDI(NC) Als global agierendes Unternehmen ist Bosch in hohem Maße abhängig von weltweiten Wertschöpfungsketten. 4FJUF 8FJUFSF"VFOXJSUTDIBGUTUIFNFO (BTUCFJUSBH 7FSハOEFSVOHBMT $IBODFCFHSFJGFO Wolfgang Tiefensee, Wirtschaftsminister Thüringens, weist auf die Wichtigkeit von Veränderungsbereitschaft für die Wirt- schaft hin. 4FJUF 55*1 #%*GPSEFSUJOEVTUSJFàCFSų HSFJGFOEF6STQSVOHTSFHFMO Industrieübergreifende Ursprungsregeln in TTIP könnten Transaktionskosten ver- ringern und einen Kontrapunkt zu wider- sprüchlichen Handelsregeln setzen. 4FJUF 3VTTMBOE 4FJUF 3VTTMBOE 4FJUF ,POGMJLUSPITUPGGF 4FJUF ,POGMJLUSPITUPGGF 4FJUF 4FMUFOF&SEFO 4FJUF 4FMUFOF&SEFO 4FJUF #$PBMJUJPO 4FJUF #$PBMJUJPO 4FJUF

BDI-Aussenwirtschafts-Report - 1 | 2015€¦ · BDI-Aussenwirtschafts-Report 1 | 2015 03 Deutsche Exporte Rekordausfuhren 2014 dank starkem zweiten Halbjahr Im Jahr 2014 wurden laut

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1 | 2015

GlobaleWertschöpfungsketten

Im Herbst 2013 hat der BDI bei der IWConsult GmbH die Studie »Globale Kräf-teverschiebung – Wo steht die deutscheIndustrie in der Globalisierung« in Auftraggegeben. Die Studie zeigt deutlich:Deutschland ist Globalisierungsgewinner.Doch der deutsche Erfolg ist kein Selbst-läufer.

>> Seite 12

Gastbeitrag

Thorsten Lang,IW Consult GmbH

Wandel gehört zur Welt der Wirtschaft.Ein Trend in den vergangenen Jahrzehn-ten ist die globale Kräfteverschiebung.

>> Seite 12

Weltwirtschaft und deutsche Exporte

Rekordausfuhren 2014  

Für das laufende Jahr rechnet der BDImit weiter steigenden Exporten.

>> Seite 2

Interview

Peter Biesenbach,Bosch GmbH

Als global agierendes Unternehmen istBosch in hohem Maße abhängig vonweltweiten Wertschöpfungsketten.

>> Seite 20

Weitere AußenwirtschaftsthemenGastbeitrag

Veränderung alsChance begreifen

Wolfgang Tiefensee, WirtschaftsministerThüringens, weist auf die Wichtigkeit vonVeränderungsbereitschaft für die Wirt-schaft hin.

>> Seite 21

TTIP

BDI fordert industrieüber­greifende Ursprungsregeln

Industrieübergreifende Ursprungsregelnin TTIP könnten Transaktionskosten ver-ringern und einen Kontrapunkt zu wider-sprüchlichen Handelsregeln setzen.

>> Seite 23

Russland>> Seite 25Russland>> Seite 25

Konfliktrohstoffe>> Seite 26Konfliktrohstoffe>> Seite 26

Seltene Erden>> Seite 26Seltene Erden>> Seite 26

B20 Coalition>> Seite 30B20 Coalition>> Seite 30

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BDI-Aussenwirtschafts-Report 1 | 2015 02

Weltwirtschaft und deutsche ExporteWeltwirtschaft und deutsche Exporte

Weltwirtschaft und WelthandelWeltwirtschaft und Welthandel

Weltwirtschaft trotz fallender Ölpreisezuletzt schwächer

Im dritten Quartal 2014 hatte die Weltwirtschaft trotz der geo-politischen Spannungen in der Ukraine und im Nahen Osten anFahrt aufgenommen. Nach Schätzungen des Netherlands Bu-reau of Economic Analysis (CPB) lag die weltweite Industriepro-duktion um 0,6 Prozent über dem Vorquartal (Q2 2014: 0,4 Pro-zent). Besonders in den Schwellenländern kam die Industrie-produktion wieder in Fahrt (1,1 Prozent). Stimulierend auf dieWeltkonjunktur wirkte der niedrige Ölpreis, der während deszweiten Halbjahrs in US$ um über 50 Prozent zurückging. ImNovember (letzter verfügbarer Wert) hat die Industrieproduktiondann aber gegenüber dem Vormonat kaum noch zugelegt (0,1Prozent). Laut dem Internationalen Währungsfonds (IWF) ist dieweltweite Wirtschaftsleistung im Jahr 2014 gegenüber dem Vor-jahr um 3,3 Prozent gewachsen. Für das Jahr 2015 rechnet derIWF mit einem Wachstum von 3,5 Prozent, das waren 0,2 Pro-zentpunkte weniger als in der IWF-Prognose vom Oktober2014. Als Grund für die Abwärtsrevision nannte der IWF dieschwierigere wirtschaftlich Lage in China, Russland, Japan undin der Eurozone.

Das Wachstum des Welthandels hatte sich im dritten Quartalmit einem Plus von 2,0 Prozent gegenüber dem Vorquartal lautCPB deutlich beschleunigt (Q2 2014: 0,8 Prozent). Auch derHandel hat sich zuletzt abgekühlt, im November war sogar eindeutlicher Rückgang zu verzeichnen (-1,0 Prozent gegenüberdem Vormonat). Ausschlaggebend für die nachlassende Dyna-mik waren neben der rückläufigen Nachfrage in Asien (-2,1 Pro-zent gegenüber dem Vormonat) auch die sinkenden Einfuhrennach Mittel- und Osteuropa (-4,5 Prozent). Der Containerum-schlag-Index von RWI und ISL, ein guter Indikator für die Ein-schätzung des Warenhandels, deutete zuletzt im Januar aufeine Abkühlung hin. Der IWF rechnet allerdings damit, dass derWelthandel im Jahr 2015 um 3,8 Prozent gegenüber dem Vor-jahr zunehmen wird, das wären 0,7 Prozentpunkte mehr als2014.

Stabile Entwicklung in Europa

Laut Eurostat hat das Bruttoinlandsprodukt in der Eurozone imvierten Quartal 2014 um 0,3 Prozent gegenüber dem Vorquartalzugelegt (EU: 0,4 Prozent). Gestützt wurde das Wachstum ins-besondere von Deutschland (0,7 Prozent), aber auch von ehe-maligen Krisenländern wie Spanien (0,7 Prozent) und Portugal(0,5 Prozent). In Italien ist die Wirtschaftsleistung nicht mehr ge-sunken. Außerhalb der Eurozone sind weiterhin Ungarn (0,9Prozent), Polen (0,6 Prozent) und das Vereinigte Königreich(0,5 Prozent) überdurchschnittlich gewachsen. Im Novemberlag die Arbeitslosenquote in der Eurozone bei 11,5 Prozent, seitAugust verharrt sie konstant auf diesem Niveau. Die Jugendar-beitslosigkeit ist hingegen im Oktober und November jeweils um0,1 Prozentpunkte angestiegen und lag zuletzt bei 23,7 Prozent

(EU: 21,9 Prozent). Die von der Europäischen Kommission ver-öffentlichten Indikatoren für das Wirtschaftsklima (BCI und ESI)deuteten zuletzt im Januar auf eine stabile Entwicklung hin. DieSchwäche des Euro stützte die konjunkturelle Entwicklung derEurozone zum Jahresende; der reale effektive Wechselkurs(gegenüber 39 anderen Währungen) ist im vierten Quartal umweitere 1,7 Prozentpunkte gesunken. Die Inflation lag im De-zember bei lediglich 0,2 Prozent, sodass das Inflationsziel derEuropäischen Zentralbank (EZB) kein Hindernis für eine weiteremonetäre Expansion in der Eurozone darstellt. Am 14. Januar2015 entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einerVorentscheidung, dass das umstrittene Ankaufprogramm derEuropäischen Zentralbank (»Outright Monetary Transactions«,kurz OMT) grundsätzlich mit EU-Recht vereinbar sei. Nur einenTag später, am 15. Januar, hob die Schweizer Nationalbank(SNB) die Kopplung des Franken an den Euro auf. Seit Sep-tember 2011 hatte sie einen Mindestkurs von 1,20 Franken jeEuro verteidigt, um die schweizerische Exportwirtschaft zu stüt-zen. Am 22. Januar beschloss die EZB dann ein Programmzum Ankauf von Vermögenswerten im Umfang von mehr alseiner Billion Euro. Es beinhaltet den Kauf von Staatsanleihendurch die EZB und durch die nationalen Notenbanken. Mit derUmsetzung dieses Programms voraussichtlich ab Anfang Märzdürfte der Wert des Euro noch weiter sinken. Der schwacheEuro, die geldpolitische Lockerung und der niedrige Ölpreis lie-fern positive Impulse für die europäische Wirtschaft. Allerdingsstellte sich der Wahlsieg der sozialistischen Partei Syriza unddie Bildung einer Regierungskoalition mit der rechtspopulisti-schen Unabhängigen Griechen schon wenige Tage nach derWahl im Januar als ernsthafte Bedrohung für den wirtschaftli-chen Aufschwung heraus. Eine Beendigung der Zusammenar-beit mit der Troika wäre eine große Gefahr für den Zusammen-halt der Eurozone, für die Fortsetzung des Reformpfads in derEU und für den wirtschaftlichen Aufschwung in Europa. Im Ja-nuar ging der IWF noch von einem Wachstum der Wirtschaftder Eurozone im laufenden Jahr in Höhe von 1,2 Prozent aus(2014: 0,8 Prozent).

USA: Wachstum beschleunigt sich weiter

Die Wirtschaft in den USA ist im dritten Quartal um 1,2 Prozentgegenüber dem Vorquartal gewachsen. Im vierten Quartal wardie Zunahme mit 0,7 Prozent geringer. Das Wachstum imSchlussquartal wurde vor allem von privaten Konsumausgaben,Investitionen, Exporten und von einer Steigerung der Staats-ausgaben getragen. Der Arbeitsmarkt entwickelt sich weiterhinpositiv, im Januar betrug die Arbeitslosenquote nur noch 5,7Prozent (Januar 2014: 6,6 Prozent). Der US-Immobilienmarkthat sich im dritten Quartal weiter belebt. Sowohl die Zahl derBaugenehmigungen als auch die Verkäufe von Einfamilienhäu-sern sind im dritten Quartal wieder angestiegen. Das Haushalts-defizit lag im Jahr 2014 mit 2,8 Prozent unter den Prognosen.Der Einbruch der weltweiten Ölpreise wirkt sich stimulierend aufdie US-Wirtschaft aus, obwohl die US-amerikanische Öl- und

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BDI-Aussenwirtschafts-Report 1 | 2015 03

Deutsche ExporteDeutsche Exporte

Rekordausfuhren 2014 dankstarkem zweiten Halbjahr

Im Jahr 2014 wurden laut dem Statistischen Bundesamt Warenim Wert von 1.133,6 Milliarden Euro aus Deutschland ausge-führt. Das war mehr als jemals zuvor und 3,7 Prozent mehr alsim Vorjahr. Zum Ausfuhrrekord hat maßgeblich die hohe Nach-frage nach »Made in Germany« in der zweiten Jahreshälfte bei-getragen. Nachdem die Ausfuhren schon im dritten Quartal umkräftige 2,8 Prozent gegenüber dem Vorquartal in die Höheschnellten, legten sie im Schlussquartal um weitere 1,4 Prozentgegenüber dem Vorquartal zu.

Die Ausfuhren in die Mitgliedsländer der EU stiegen 2014 mit5,4 Prozent deutlich stärker an als die Exporte in »Drittländer«(1,5 Prozent). Die Importe stiegen mit 2,0 Prozent um 1,7 Pro-zentpunkte schwächer als die Exporte. Die Außenhandelsbilanzschloss 2014 mit ihrem bislang höchsten Überschuss (217,0

Milliarden Euro) ab. Trotz des hohen Überschusses profitierendie Länder der Eurozone nach wie vor von der Stärke des deut-schen Außenhandels. Sie sind weiterhin die wichtigsten Liefe-ranten für Deutschland. Der Anteil der deutschen Importe ausden Ländern der Eurozone an den Gesamteinfuhren hat sich imJahr 2014 leicht auf 44,9 Prozent erhöht.

Auftragslage deutet auf weiteresWachstum hin

Auch die Auftragsbücher der deutschen Exportunternehmensind zum Jahresende voller geworden. Der Auftragseingang inder Industrie aus dem Ausland ist im Schlussquartal gewach-sen. Zugenommen haben sowohl die Bestellungen aus der Eu-rozone als auch aus den Drittländern. In allen industriellenHauptgruppen (Vorleistungsgüter, Investitionsgüter und Kon-sumgüter) hat die Auslandsnachfrage angezogen.

Ölschieferindustrie unter dem Preisverfall leiden. Der von derFederal Reserve Bank (Fed) vorgegebene Leitzins liegt weiter-hin historisch niedrig bei 0,0 Prozent bis 0,25 Prozent. Expertengehen davon aus, dass die angekündigte Anhebung des Zinsni-veaus frühestens ab März erfolgen wird. Trotz der dadurch zuerwartenden Dämpfung der Konjunktur und einer Aufwertungdes US-Dollars dürfte das Wachstum der US-Wirtschaft im Jahr2015 angesichts der niedrigen Ölpreise weiter an Fahrt aufneh-men. Der IWF hat im Januar seine Prognose für die Entwick-lung der US-Wirtschaft im laufenden Jahr deutlich um 0,5 Pro-zentpunkte auf 3,6 Prozent angehoben.

Asien mit nachlassender Dynamik

Die Wirtschaft in Asien ist laut IWF im vergangenen Jahr mit6,5 Prozent etwas schwächer gewachsen als noch 2013 (6,6Prozent). Im dritten Quartal hatte die Industrieproduktion mit 1,4Prozent Wachstum im Vergleich zum Vorquartal noch ver-gleichsweise gut abgeschlossen (weltweite Produktion: 0,6 Pro-zent). Im Oktober und November stagnierte das Wachstum indieser Region; die Importe gingen sogar deutlich zurück (-0,7Prozent und -2,1 Prozent im Vergleich zum jeweiligen Vormo-nat). Für das laufende Jahr rechnet der IWF mit einem Wachs-tum von nur noch 6,4 Prozent.

Die wichtigste Volkswirtschaft in der Region, China, ist im ver-gangenen Jahr mit 7,4 Prozent so langsam gewachsen wie seit1990 nicht mehr. Das China Economic Panel (CEP-Indikator),das die wirtschaftliche Entwicklung der chinesischen Wirtschaftin den nächsten zwölf Monaten und ihre aktuelle Lage ein-schätzt, verzeichnete zuletzt im Februar einen deutlichen Rück-gang. Gründe für die gedämpfte Entwicklung sind unter ande-rem Überkapazitäten in vielen Branchen, der schwache Immo-bilienmarkt und steigende Schulden. Laut der chinesischen Re-gierung ist ein langsameres Wachstum durchaus erwünscht.Anfang Februar hat die chinesische Zentralbank (Peoples Bankof China, PBoC) die Reserveanforderungen an Banken um 0,5

Prozentpunkte (auf nun 19,5 Prozent) gesenkt. Dadurch soll dieKreditvergabe stimuliert werden. Der IWF hat im Januar seineWachstumsprognose für das laufende Jahr um 0,3 Prozent-punkte auf 6,8 Prozent gesenkt.

Durch den wiederholten Rückgang des BIP rutschte Japan abdem dritten Quartal technisch in eine Rezession. Auch für dasvierte Quartal ist keine Besserung zu erwarten. Im Dezemberverzichtete die japanische Zentralbank trotz niedriger Ölpreiseauf eine weitere Öffnung der Geldschleusen. Der IWF hat seineWachstumsprognose für das laufende Jahr um 0,2 Prozent-punkte zurückgenommen und erwartet nun eine Zunahme um0,6 Prozent.

Russische Wirtschaft vor Rezession

Im Jahr 2014 dürfte die Wirtschaft in Russland um lediglich 0,6Prozent gewachsen sein. Die Volkswirtschaft leidet unter denniedrigen Weltmarktpreisen für Öl und Erdgas, unter den inter-nationalen Wirtschaftssanktionen und unter einer Kapitalfluchtals Folge des Ukraine-Konflikts. Infolgedessen ist der Rubel-Kurs stark eingebrochen. Angesichts der Schwierigkeiten desLandes hatte die Regierung im Januar ein Konjunkturpaket inHöhe von 34,6 Milliarden US-Dollar angekündigt, dessen Wir-kung aber ungewiss ist. In einer aktuellen Umfrage des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft gehen 91 Prozent derbefragten deutschen Unternehmen in Russland von einer nega-tiven Entwicklung der russischen Wirtschaft im laufenden Jahraus. Nur noch 15 Prozent bezeichneten Ihre Geschäftslage alsgut. 78 Prozent der Unternehmen spüren die Auswirkungen derUkraine-Krise. Die konjunkturelle Entwicklung in Russlandhängt im hohen Maße vom weiteren Verlauf der Ukraine-Kriseab und ob im Zuge der Minsk-Vereinbarungen eine Lösung desKonflikts erreicht werden kann. Der IWF geht aktuell davon aus,dass die russische Wirtschaft 2015 um 3,0 Prozent schrumpfenwird.

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BDI-Aussenwirtschafts-Report 1 | 2015 04

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BDI-Aussenwirtschafts-Report 1 | 2015 05

Nicht alle Frühindikatoren für die Entwicklung der globalen Kon-junktur lassen darauf hoffen, dass die Nachfrage nach deut-schen Produkten im laufenden Jahr weiter zunehmen wird. DasWeltwirtschaftsklima des ifo-Instituts zeigt für das Frühjahr 2015wieder aufwärts. Der Frühindikator der OECD (»Composite

Leading Indicators«) deutet auf ein stabiles Wachstum in denUSA und in anderen Industrieländern hin. Die Eurozone zeigezumindest leichte Anzeichen von Wachstum. Hingegen deutetder Frühindikator der Bundesbank für die Weltwirtschaft zuletztim Februar eine schwächere Entwicklung der Weltwirtschaft an.

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BDI-Aussenwirtschafts-Report 1 | 2015 06

Fazit und PrognoseHerausforderungen und ExportwachstumFazit und PrognoseHerausforderungen und Exportwachstum

Weltwirtschaftliches Umfeld

Die Konflikte in der Ukraine und im Nahen Osten haben auchim Frühjahr nicht nachgelassen. Hinzu kamen die Unsicherhei-ten, die sich durch den Regierungswechsel in Griechenland er-geben haben. In China hat sich die wirtschaftliche Dynamiknicht beschleunigt, sondern weiter abgebremst. Der Motor derWeltwirtschaft sind weiterhin die USA, aber auch hier könntesich im Verlauf dieses Jahres das Wachstumstempo nach einerAnhebung des Zinsniveaus abschwächen. Dennoch hat diedeutsche Exportwirtschaft 2015 gute Wachstumschancen. Sti-mulierend auf die weltweite Dynamik und damit auf die Nach-frage nach Produkten »Made in Germany« können sich derniedrige Ölpreis und der schwache Euro auswirken.

Exportorientierte Industriebranchenzuversichtlich für 2015

Die Stimmung der exportorientierten Branchen der deutschenIndustrie zum Jahresbeginn ist positiv. Die Branchenverbänderechnen überwiegend mit steigenden Exporten im Jahresver-lauf. Die Ausfuhren der deutschen Automobilindustrie befindensich bereits auf einem hohen Niveau. Der BranchenverbandVDA rechnet für das laufende Jahr mit anhaltendem Rücken-wind durch den schwachen Euro und durch die niedrigen Treib-stoffpreise. Auch der VCI erwartet steigende Ausfuhren derchemischen Industrie im Jahr 2015, auch wenn das Wachs-tumstempo wohl nicht mehr an die vergangenen Jahre heran-reichen kann. Die deutsche Elektroindustrie und die keramischeIndustrie gehen ebenfalls von einer positiven Exportentwicklungihrer Branchenexporte in diesem Jahr aus. Die deutschen Ma-schinenbauer rechnen zumindest für das erste Quartal 2015 miteinem Wachstum gegenüber dem Vorjahresniveau; die Nichtei-sen-Metallindustrie erwartet für das Gesamtjahr eine stabile bisleicht steigende Entwicklung ihrer im Ausland abgesetztenTonnage.

Herausforderungen für die Entwicklungder Ausfuhren

Trotz der zuletzt nachlassenden Dynamik der Weltwirtschaft istdie deutsche Industrie zu Beginn des Jahres 2015 zuversicht-

lich. Doch durch den hohen Grad der internationalen Verflech-tung und durch die global ausgedehnten Wertschöpfungskettenist sie mehr denn je auf offene Märkte und weltweiten Friedenangewiesen. Vor diesem Hintergrund steht die deutsche Wirt-schaft im Jahr 2015 vor großen Herausforderungen:

• Die Politik der griechischen Regierung darf das Vertrauen dereuropäischen Partner nicht noch weiter erschüttern. Der Re-formpfad in Europa darf nicht durch populistische Politik aufhalbem Wege unterbrochen werden. Mit einer guten Wirt-schaftspolitik und einer vertrauensvollen Zusammenarbeit mitden europäischen Partnern hat Griechenland alle Chancen,seine Lage erheblich zu verbessern.

• Der hohe Grad an Internationalisierung und die komplexen,globalen Wertschöpfungsketten der deutschen Industrie zei-gen, wie wichtig weltweiter Freihandel für Deutschland ist.Weitere Erfolge in der Doha-Runde der WTO, ein zügiger Ab-schluss von TTIP und weiterer Handels- und Investitions-schutzverträge sind wichtige Elemente zur Sicherung unse-res Wohlstands.

• Die Konflikte in der Ukraine und im Nahen Osten belastennicht nur die direkt betroffenen Länder, sondern die gesamteWeltwirtschaft und damit auch die international ausgerichtetedeutsche Industrie. Die Bundesregierung und die Europäi-sche Union müssen alles daran setzen, die bestehendenKonflikte im Verlauf des Jahres zu beenden. Die Beschlüssedes Ukraine-Friedensgipfels in Minsk Anfang Februar müs-sen umgesetzt werden.

• Ein Grund für das gedrosselte Wachstum der chinesischenWirtschaft sind die schleppenden marktwirtschaftlichen Re-formen. Eigentum muss besser geschützt und Kooperation inder Wirtschaft verbessert werden. Ein wichtiger Schritt ist derzügige Abschluss des Investitionsförder- und Schutzabkom-mens zwischen der Europäischen Union und China.

Wenn diese Herausforderungen im Laufe des Jahres angegan-gen werden und die damit verbundenen Risiken begrenzt blei-ben, können die deutschen Ausfuhren im Jahr 2015 nach Ein-schätzung des BDI ihr Wachstumstempo beibehalten.

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BDI-Aussenwirtschafts-Report 1 | 2015 07

Entwicklungen in den BranchenEntwicklungen in den Branchen

Automobilindustrie: Export weiter auf hohem LevelAutomobilindustrie: Export weiter auf hohem Level

Im letzten Jahr konnten die deutschen Pkw-Hersteller ihre Ex-porte um drei Prozent auf über 4,3 Millionen Pkw erhöhen. ImJanuar setzte sich der positive Trend fort; arbeitstäglich berei-nigt lagen die Ausfuhren um zwei Prozent über dem Vorjahres-monat. Für den weiteren Jahresverlauf kann man mit Rücken-wind durch den zuletzt schwächeren Euro und die niedrigenTreibstoffpreise rechnen. Die Perspektiven für das globale BIP-Wachstum sind ebenfalls gut. Risiken für die Automobilexporteergeben sich aus der Russland-/Ukraine-Krise. Insbesonderedann, wenn sie weiter nach Mittel- und Osteuropa ausstrahlensollte, könnte sie sich negativ auf das deutsche Exportergebnisauswirken. Im vergangenen Jahr gingen mehr als drei von fünfExport-Pkw nach Europa, das entsprach einem überdurch-schnittlichen Zuwachs von fünf Prozent. Wichtigster Partner warmit 821.000 Einheiten wiederum Großbritannien (sieben Pro-zent). Höhere Wachstumsraten erreichten die Krisenländer Ita-lien (14 Prozent), Griechenland (20 Prozent), Spanien (31 Pro-zent), Irland (35 Prozent) und Portugal (47 Prozent) – allerdingsist die absolute Höhe der Ausfuhren in diese Länder noch aus-baufähig. Ebenfalls erfreulich entwickelte sich der ExportmarktChina mit einem Plus von 13 Prozent auf 274.000 Stück.

Chemisch-pharmazeutische Industrie: Exportwachstum 2015 erwartetChemisch-pharmazeutische Industrie: Exportwachstum 2015 erwartet

Auch im Jahr 2014 konnten sich chemisch-pharmazeutischeProdukte aus Deutschland erfolgreich am Weltmarkt behaup-ten. Die Ausfuhren nahmen insgesamt um 3,5 Prozent zu.Damit lag das Exportvolumen der Chemie- und Pharmaunter-nehmen bei 169,3 Milliarden Euro und war eine wichtige Stützedes deutschen Chemiegeschäfts. Nach einem starken drittenQuartal schwächte sich das Exportwachstum im Schlussquartal2014 zwar ab, doch ist im ersten Quartal 2015 wieder mit einemmoderaten Aufschwung zu rechnen. Der Aufwärtstrend auf denglobalen Märkten setzt sich weiter fort. Die Stabilisierung derEurozone schreitet trotz einiger politischer Erschütterungen wei-ter voran. Davon profitieren die Ausfuhren in den wichtigstenMarkt für die deutsche chemisch-pharmazeutische Industrie: 58Prozent der Exporte gehen in die EU. Auch von den Auslands-märkten außerhalb der EU kommen positive Signale. Die US-Wirtschaft erweist sich als robust, und das Asiengeschäft nimmtleicht an Fahrt auf. Damit dürften die deutschen Chemieausfuh-ren im laufenden Jahr auch über das erste Quartal hinaus stei-gen. Mit den Aufschwungsphasen vergangener Jahre ist dieWachstumsdynamik allerdings nicht zu vergleichen.

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BDI-Aussenwirtschafts-Report 1 | 2015 08

Elektroindustrie: Positive Exportentwicklung in 2014Elektroindustrie: Positive Exportentwicklung in 2014

Die Ausfuhren der deutschen Elektroindustrie haben zwischenJanuar und November 2014 ihren Vorjahreswert mit 151,3 Milli-arden Euro um 4,1 Prozent übertroffen. Die Elektroexporte indie Industrieländer legten in den ersten elf Monaten des letztenJahres um 3,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf 99,1 Milliar-den Euro zu. Die Branchenausfuhren in die Schwellenländerwuchsen im selben Zeitraum um 4,8 Prozent auf 52,2 MilliardenEuro. Während die Exporte in die Eurozone von Januar bis No-vember des vergangenen Jahres um 3,4 Prozent gegenüberdem Vorjahr auf 46,4 Milliarden Euro und die Lieferungen in dieUSA um 3,8 Prozent auf 12,5 Milliarden Euro zulegten, stiegendie Exporte nach China deutlich kräftiger um 15,6 Prozent auf13,6 Milliarden Euro. Die gesamten deutschen Elektroexportelagen im Drei-Monats-Zeitraum von September bis November2014 um 6,9 Prozent höher als im Jahr zuvor. Im ersten Quartal2015 sollte sich die positive Entwicklung im Ausfuhrgeschäftfortsetzen, zumal die Exporterwartungen der Branchenunter-nehmen für die kommenden drei Monate zu Jahresbeginn denhöchsten Stand seit Juni 2014 erreicht haben.

Maschinenausfuhren: Divergierende EntwicklungenMaschinenausfuhren: Divergierende Entwicklungen

In den Herbstmonaten September bis November 2014 erhöhtensich die deutschen Maschinenexporte um nominal 3,6 Prozentgegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum, wobei die Märkterecht unterschiedliche Entwicklungen zeigten. Die Exporte indie beiden größten Märkte wuchsen seit langem erstmals wie-der zweistellig: nach China um 11,8 Prozent und in die USA um11,2 Prozent. Große Unterschiede gab es innerhalb der EU.Während die Exporte in die EU insgesamt um 6,2 Prozent stie-gen, legten Ausfuhren in die Eurozone nur um 3,4 Prozent zu.Außerhalb der Eurozone punkteten das Vereinigte Königreichmit einem Plus von 12,8 Prozent sowie Polen, Tschechien undUngarn mit Wachstumsraten um die 20 Prozent. Innerhalb derEurozone zogen Exporte nach Italien um 14,4 Prozent an,während Ausfuhren nach Frankreich und Österreich um ca. 1,5Prozent nachgaben. Die Exporte nach Russland gingen um14,1 Prozent zurück, die in die Türkei um 7,4 Prozent. GroßeUnterschiede gab es auch in Übersee: Während Südostasienum 11,4 Prozent zulegte, rutschte Südamerika um 21,4 Prozentab. Mit 3,8 Prozent wuchsen erstmals auch Exporte nach Indienwieder. Der Auftragseingang aus dem Ausland hat moderat zu-gelegt. In der Folge könnte die Maschinenausfuhr im erstenQuartal 2015 ihr Vorjahresniveau wieder leicht übertreffen. Fürein dynamisches Exportwachstum dürfte dieser Zuwachs aller-dings nicht ausreichen.

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BDI-Aussenwirtschafts-Report 1 | 2015 09

Nichteisen-Metallindustrie zu Jahresbeginn wieder zuversichtlicherNichteisen-Metallindustrie zu Jahresbeginn wieder zuversichtlicher

Nach einer unerwartet robusten Entwicklung im Vorjahr blicktdie deutsche Nichteisen(NE)-Metallindustrie zu Jahresbeginndeutlich zuversichtlicher ins Jahr 2015 als noch im Dezember.Insgesamt erzielten die metallerzeugenden und -verarbeitendenUnternehmen 2014 etwa 44 Prozent ihres Umsatzes auf Aus-landsmärkten. 58 Prozent der Exporte gingen in die Eurolän-der – das sind vier Prozentpunkte weniger als 2013. Obwohl dieausgeführte Tonnage 2014 leicht stieg, sank der Auslandsum-satz der gesamten Branche metallpreisbedingt um zwei Prozentgegenüber 2013 auf 19,6 Milliarden Euro. Die Exporte der Alu-miniumindustrie verzeichneten im selben Zeitraum ein Plus vonvier Prozent auf sieben Milliarden Euro. Die Buntmetallindustrie(Kupfer, Zink, Blei, Zinn und Nickel) lieferte 2014 Waren imWert von 7,3 Milliarden Euro ins Ausland – drei Prozent wenigerals 2013. Die Ausfuhr der NE-Metallgießereien sank im selbenZeitraum um zwei Prozent auf 1,7 Milliarden Euro. Die Börsen-preise für Metalle entwickelten sich in verschiedene Richtun-gen: Kupfer sowie – in abgeschwächter Form – Blei und Zinndämpften den Auslandsumsatz 2014 im Vergleich zum Vorjahr.Zink, Nickel und mit Abstrichen auch Aluminium trieben ihn indie Höhe. Dynamisch entwickelte sich die Nachfrage aus denUSA. Für 2015 rechnet die NE-Metallindustrie mit einer stabilenbis leicht steigenden Entwicklung der im Ausland abgesetztenTonnage.

Papiererzeugende Industrie: Konstante Entwicklung des Auslandsabsatzes 2014Papiererzeugende Industrie: Konstante Entwicklung des Auslandsabsatzes 2014

Der Auslandsabsatz der deutschen Zellstoff und Papierindustriehat sich 2014 im Vergleich zum Vorjahr relativ konstant entwi-ckelt (-0,1 Prozent). Der Absatz in die westeuropäischen Länderstieg im Vergleich zum Vorjahr leicht an (0,6 Prozent). Rückläu-fig war 2014 hingegen der Absatz nach Osteuropa und in dieübrigen Regionen (-1,2 Prozent). Bezogen auf die jeweiligenSortenbereiche verlief die außenwirtschaftliche Entwicklung2014 unterschiedlich. So stiegen der Auslandsabsatz von Pa-pier, Karton und Pappe für Verpackungszwecke um 1,8 Prozentund der von technischen Spezialpapieren um 3,9 Prozent an.Im Bereich der grafischen Papiere hielt der negative Trend2014 mit einem Rückgang des Auslandsabsatzes von 2,9 Pro-zent weiter an.

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BDI-Aussenwirtschafts-Report 1 | 2015 10

Keramische Industrie: Exportwachstum für 2015 erwartetKeramische Industrie: Exportwachstum für 2015 erwartet

Die vorliegenden Zahlen für das Schlussquartal 2014 weisenauf einen guten Jahresabschluss hin. Die Feinkeramische In-dustrie konnte ihren Auslandsumsatz im Vergleich zum Vorjahrum fünf Prozent steigern. Wesentlich zur positiven Entwicklungtrugen der Bereich Technische Keramik und die Porzellanher-steller bei. Aufgrund der schleppenden Konjunkturentwicklungin Europa – der wichtigsten Zielregion für die Exporte der fein-keramischen Industrie – wird für 2015 ein weniger starker, aberdennoch positiver Zuwachs von 1,5 Prozent erwartet. Voraus-setzung ist, dass es keine weiteren geopolitischen Unruhengibt, die zu Verwerfungen auf den Märkten führen. Einen positi-ven Beitrag könnte hingegen die gute konjunkturelle Entwick-lung in den USA leisten.

Branchenfokus: TextilindustrieBranchenfokus: Textilindustrie

Textil ist innovativ

Die deutsche Textil- und Modeindustrie ist mittelständisch ge-prägt und setzt rund 30 Milliarden Euro im Jahr um (davon etwa60 Prozent Textil, 40 Prozent Bekleidung). Die textilen Exportebelaufen sich auf rund 24 Milliarden Euro. Die Unternehmenstellen vielfältige Vorerzeugnisse und Endprodukte für höchstunterschiedliche Anwendungsbereiche her. Deutsche Modeun-ternehmen exportieren attraktive Markenprodukte in alle Welt.Aber Textil ist heute weit mehr: Textile Werkstoffe halten Einzugin viele Anwendungsgebiete wie den Flugzeug- und Automobil-bau, die Bauindustrie oder auch die Medizintechnik, die früherkonventionellen Materialien vorbehalten waren. Massive Ge-wichtseinsparungen und weitaus höhere Belastungsgrenzenmachen Faserverbundstoffe in der Luft- und Raumfahrttechnikunverzichtbar. Auch aus dem Bereich von Gesundheit und Me-dizin sind Textilien nicht mehr wegzudenken. In den BereichenGeo- und Bautechnik, Energie und Umwelt sowie Wohnen undLeben übernehmen Textilien wesentliche Funktionen. SmartTextiles werden schon bald zu alltäglichen Begleitern.

Die deutsche Textil- und Modeindustrie ist Weltmarktführer imBereich technischer Textilien. Mit etwa 1.200 Unternehmen und120.000 Beschäftigten im Inland ist sie die zweitgrößte Kon-sumgüterindustrie in Deutschland. Textilunternehmen sind

wichtige Zulieferer für Branchen wie Automobil, Luft- undRaumfahrt, Medizin, Geotechnologie etc. Kapitalintensive undtechnologisch anspruchsvolle Produktionsschritte finden in derRegel am deutschen und europäischen Standort statt, währendlohnintensive Arbeitsschritte überwiegend im Ausland durchge-führt werden. Auch auf den Import vieler industrieller Vorer-zeugnisse ist die Industrie angewiesen. Die Unternehmen sinddamit wichtiger Teil globaler und hochgradig fragmentierterWertschöpfungsketten.

Zu den wichtigsten Absatzmärkten und Handelspartnern derdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie zählen unter ande-rem Russland, die Schweiz, die USA und China. Der Außen-handelsüberschuss alleine mit Blick auf die USA lag 2013 beirund 200 Millionen Euro. Für die exportorientierte Branche mitihren internationalen Lieferketten hat damit die Liberalisierungdes Warenhandels und die Öffnung von Auslandsmärkten hoheBedeutung. Die Schließung neuer Freihandelsabkommen derEU, der Abbau von tarifären und nicht-tarifären Handelshemm-nissen sowie einfache zoll- und präferenzrechtliche Regelungenbilden wichtige Voraussetzungen für erfolgreiches Agieren iminternationalen Wettbewerb. Deswegen setzt sich der Gesamt-verband der deutschen Textil- und Modeindustrie auch nach-drücklich für TTIP ein.

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Ingeborg Neumann

»Die deutsche Textil- und Modeindustrie ist in hohem Maßeexportorientiert. Offene Grenzen für Investitionen und

Waren sind für den Erfolg unserer Unternehmen von großer Be-deutung. Der Gesamtverband der deutschen Textil- und Mode-industrie setzt sich deshalb nachdrücklich für den Abschlussvon Freihandelsabkommen wie TTIP ein.«

Ingeborg NeumannGeschäftsführende Gesellschafterin der Peppermint HoldingGmbH und Präsidentin des Gesamtverbandes der deutschenTextil- und Modeindustrie

Der Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustriee. V. (t+m) ist der Dachverband der deutschen Textil- undModeindustrie und vertritt die Interessen der Branche in denBereichen der Wirtschafts- und Sozial- sowie Tarif- und Bil-dungspolitik. Mitglieder sind 10 Landes- und 14 Fachverbän-de. t+m ist Mitglied des BDI und der BDA. Auf europäischerEbene vertritt er die Interessen der deutschen Branche imeuropäischen Verband EURATEX. Mit dem 2015 neu aufge-nommenen Bundesverband der Schuh- und Lederwarenin-dustrie, dessen Mitgliedsunternehmen rund 3 Milliarden Euroumsetzen (davon mehr als 600 Millionen Euro mit Exporten),gewinnt die Repräsentanz des Gesamtverbandes weiter anBedeutung.

Der Gesamtverband unterstützt seine Mitglieder bei der Er-schließung neuer Märkte mit Länderanalysen, Kontaktbörsen

sowie Messebeteiligungen in den Zielregionen. Hinzu kom-men Kooperationsbüros des Verbandes in Moskau undShanghai, die den Unternehmen bei Absatz- und Beschaf-fungsprojekten zur Seite stehen.

Zur Fachkräftegewinnung führt t+m außerdem die Kampagne»Go Textile!« durch, die eine wichtige Maßnahme zur Nach-wuchssicherung ist.

www.textil-mode.de

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Die Studie »Globale Kräfteverschiebung«

Hintergrund: Globale WertschöpfungskettenHintergrund: Globale Wertschöpfungsketten

Im Herbst 2013 hat BDI bei der IW Consult GmbH die Studie»Globale Kräfteverschiebung – Wo steht die deutsche Industriein der Globalisierung« in Auftrag gegeben. In der Untersuchungwurden die weltwirtschaftlichen Veränderungen des vergange-nen Jahrzehnts sowohl auf volkswirtschaftlicher als auch aufUnternehmensebene eingehend dargestellt. Als Indikatorenhierfür wurden Anteile am Welt-BIP, dem Welthandel, der in-dustriellen Produktion sowie einer Vielzahl weiterer Mess-größen zurate gezogen. Neben einem Vergleich der wesentli-chen Wettbewerber Deutschlands hat sich die Studie der Fragegewidmet, ob das zunehmende Engagement deutscher Unter-nehmen über Produktionsstätten im Ausland einen sicherndenoder womöglich erodierenden Effekt für den Standort Deutsch-land zur Folge hat. Beruhend auf neueren Datengrundlagen derOECD erlaubt die Studie zudem – über das traditionelle Brutto-konzept des Warenhandels hinausgehend – eine Aufschlüsse-lung der Handelsströme nach Wertschöpfungseinheiten, dasheißt nach den Importanteilen in den Exporten.

Die Studie zeigt deutlich: Deutschland ist Globalisierungsgewin-ner. Doch der deutsche Erfolg ist kein Selbstläufer. Im jüngsten»Global Competitiveness Report«, den das World EconomicForum im September 2014 veröffentlichte, ist Deutschland vonPlatz 4 auf Platz 5 abgerutscht. Werden heute nicht die richti-

gen Weichen gestellt, wird es die deutsche Wirtschaft in Zukunftdeutlich schwerer haben, im internationalen Wettbewerb mit zuhalten.

>> Zu ausgewählten Ergebnissen der Studie>> Zur Studie

Thorsten Lang

Gastbeitrag Thorsten Lang & Agnes Millack (IW Consult GmbH)»Globale Kräfteverschiebung in der Industrie«Gastbeitrag Thorsten Lang & Agnes Millack (IW Consult GmbH)»Globale Kräfteverschiebung in der Industrie«

Anteil der Industrieländer amweltweiten BIP schrumpft

Wandel gehört zur Welt der Wirtschaft. Ein Megatrend in denvergangenen Jahrzehnten ist die globale Kräfteverschiebung.Dieser Wandel brachte neue Wettbewerber und neue Märktehervor. Im Jahr 1995 wurden rund 94 Prozent der weltweitenWirtschaftskraft von einer Gruppe von 50 Ländern (G50) er-bracht (Weltbank Datenbank/eigene Berechnungen IWConsult). Darunter befinden sich 26 etablierte Industrieländerwie Deutschland, die USA, Japan sowie Frankreich und 24 auf-holende Industrieländer, darunter China, Brasilien, Indien undeinige Länder Mittel- und Osteuropas. Während die etabliertenIndustrieländer im Jahr 1995 noch 86,5 Prozent des Brutto-inlandsprodukts der G50 auf sich vereinten, schrumpfte dieserAnteil im Jahr 2012 auf 69,6 Prozent. Noch deutlicher verlief imselben Zeitraum der Aufholprozess in der Industrie. Die neuenWettbewerber konnten ihren Anteil an der industriellen Wert-schöpfung der G50 von 16,2 auf 41,3 Prozent steigern.

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Agnes Millack

Deutschland ist Globalisierungsgewinner

Zwar haben sich die globalen Kräfte in den vergangenen 20Jahren deutlich verschoben, die etablierten Industrieländerhaben jedoch trotz der Anteilsverluste vom Aufholprozess profi-tieren können. Dies liegt am starken Wachstumseffekt, der vonden aufholenden Industrieländern ausgelöst wurde. Vor allemDeutschland hat von der Globalisierung profitiert, nicht zuletztaufgrund seines Branchenmixes. Deutsche Produkte sind inden aufholenden Ländern stark nachgefragt. Außerdem ma-chen die engen internationalen Verflechtungen, insbesondereim europäischen Produktionsnetzwerk, und die Integration in in-ternationale Wertschöpfungsketten die deutsche Industrie zumGlobalisierungsgewinner.

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Eine weitere Facette der globalen Kräfteverschiebung ist dieProduktionsseite. Stiegen die weltweiten Exporte von Endpro-dukten vom Jahr 2000 bis zum Jahr 2011 um 138 Prozent,legte der Handel mit Vorleistungsprodukten um 182 Prozent zu(World Input-Output Database, kurz WIOD). Hier sind es dieetablierten Wettbewerber, die Veränderungen der globalenWertschöpfungsketten vorantreiben. In den etablierten Ländernstieg der Anteil der importierten Vorleistungen an allen Vorleis-tungen von 20 auf 27 Prozent, während in den aufholenden In-dustrieländern die Quote bei rund 15 Prozent verharrte. Eben-falls erheblich zugelegt haben die Direktinvestitionsbestände inden aufholenden Industrieländern, wobei die angelegten Mittelweiterhin vor allem aus den etablierten Industrieländern stam-men.

Rückwirkungen der Auslandsproduktionauf den Standort Deutschland

Über die Rückwirkungen der Auslandsproduktion auf denStandort Deutschland ist bisher wenig bekannt. Deutschlandhat im internationalen Standortvergleich viele Stärken, bei denKosten aber einen Schwachpunkt. Mit seiner starken Technolo-gieorientierung kann sich die deutsche Industrie immer wieder

temporäre Vorsprünge erarbeiten, die den Nachteil bei denKosten ausgleichen. Anlass zu Gelassenheit ist dies jedochnicht, da die deutsche Industrie zunehmend unter Druck steht.Laut den Daten des IW-Zukunftspanels, einer repräsentativenUmfrage des Forschungsinstituts IW Köln unter 1.900 Unter-nehmen der Industrie und industrienahen Dienstleistern vomHerbst 2013, erwarten zwei Drittel der Industrieunternehmen,dass chinesische Wettbewerber in fünf Jahren technologischdeutlich aufgeholt haben werden.

Motive für Auslandproduktion

Zwei Motive dominieren bei der Entscheidung, im Ausland zuproduzieren: der Marktzugang und die günstigere Produktion imVergleich zu Deutschland. Entsprechend führt der Ausbau derAuslandsproduktion nicht zu einem unmittelbaren Abbau der In-landsproduktion. Gleichwohl charakterisiert ein Drittel der Unter-nehmen mit Auslandsproduktion ihre Tätigkeit im Ausland nichtals ergänzend oder sichernd zur Inlandsproduktion, sondern alsersetzend – Tendenz steigend. Dies wirkt sich in zwei Dimen-sionen auf das Inland aus: Erstens sind die Investitionen im In-land deutlich häufiger auf den Erhalt oder die Modernisierungals auf den Ausbau oder Aufbau gerichtet. Zweitens findet derAufbau von Produktionspersonal in den nächsten Jahren vorallem im Ausland statt.

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»Globale Wertschöpfungsketten: Aufgaben für die Außenwirtschaftspolitik«»Globale Wertschöpfungsketten: Aufgaben für die Außenwirtschaftspolitik«

Sollen deutsche Unternehmen auch in Zukunft wettbewerbs-fähig sein, gilt es drei Dinge zu sichern: die Wertschöpfungsket-te, die Offenheit der Märkte und nicht zuletzt dieStandortqualität.

Sicherung offener Märkte –Handelserleichterung auch für Importe

Ein wichtiger Baustein für Deutschland und Europa, ihre zen-trale Position im Netzwerk der globalen Wertschöpfungskettenauszubauen, sind multilaterale und bilaterale Handelsabkom-men. Durch den Abbau von Zöllen und regulativen Barrierenhelfen sie, Kosten im Handel – sowohl für Exporte als auch Im-porte – zu senken. Und sie tragen dazu bei, faire Wettbewerbs-bedingungen im Welthandel herzustellen.

Der Königsweg der Handelspolitik ist und bleibt die multilateraleLiberalisierung und Regelsetzung durch die Welthandelsorgani-sation (WTO). Im Fokus stehen sollte dabei der schnelle Ab-schluss der laufenden Doha-Verhandlungsrunde. Kurzfristig giltes, das Abkommen über erleichterte Zollverfahren (Trade Facili-tation Agreement) im Rahmen der WTO in die Praxis umzuset-zen und damit auch das Vertrauen in die Handlungsfähigkeitder WTO zu stärken. Um protektionistischen Tendenzen entge-gen zu wirken, muss die WTO auch künftig ihre zentralen Auf-gaben in der Überwachung handelspolitischer Maßnahmenihrer Mitglieder und in der Streitschlichtung effektiv ausführen.Die WTO bietet langfristig die Möglichkeit, die vielen komplexenRegelungen in bi- und plurilateralen Abkommen zumultilateralisieren.

Insgesamt profitieren die Inlandsstandorte also weniger vomNachfragezuwachs nach deutschen Industrieprodukten als dieAuslandsstandorte. Die Industrie verschwindet nicht ausDeutschland, sie wächst aber auch nicht in dem Maße, wie esfrüher angesichts der Entwicklung der Absatzchancen in denaufholenden Industriestaaten der Fall gewesen wäre.

Bedeutung der Standortqualität

Zur Stärkung der Inlandsproduktion kommt der Standortqualitäteine besondere Bedeutung zu. Die Unternehmen müssen ihre(temporären) Vorteile im internationalen Wettbewerb immerwieder neu erarbeiten. Bei der erforderlichen Forschungsinfra-struktur kann Deutschland punkten, gleichzeitig können abernoch weitere Verbesserungen erreicht werden. Dazu ist bei-spielsweise die Einführung einer unbürokratischen steuerlichenForschungsförderung erforderlich, die es Unternehmen erleich-tert, immer wieder temporäre Wettbewerbsvorsprünge zu si-chern. Da Deutschland im internationalen Standortvergleich beiden Kosten einen deutlichen Wettbewerbsnachteil aufweist,sind neue kostentreibende Regulierungen und verteilungspoliti-sche Wohltaten zu unterlassen. Schließlich benötigen Unter-nehmen auch in Zukunft Planungssicherheit für Investitionenam Standort Deutschland.

Dr. Thorsten Lang ist Leiter Empirie und Befragungen der IWConsult GmbH. Agnes Millack ist Research-Assistentin im Be-reich Unternehmen und Strukturwandel der IW Consult GmbH.Die IW Consult ist ein Beratungsunternehmen im Institut derdeutschen Wirtschaft Köln.

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Darüber hinaus können moderne Handelsabkommen mit aus-gewählten Partnern (Freihandelsabkommen) dazu beitragen,die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen zu stärken.Neben dem Abbau von Zöllen enthalten diese Abkommen auchVereinbarungen zu technischen und regulatorischen Aspekten,zum öffentlichen Auftragswesen und zum Wettbewerb. Damitergänzen sie auf vielfältige Weise den multilateralen Prozess.Entsprechend sollte das Handelsabkommens mit Kanada(Comprehensive Economic and Trade Agreement, kurz CETA)zügig ratifiziert werden. Neben den Verhandlungen mit denUSA über eine Transatlantische Handels- und Investitionspart-nerschaft (TTIP) sollten auch die Verhandlungen mit denASEAN-Staaten, Japan sowie Indien und Mercosur intensiv vor-angetrieben werden.

Schutz deutscher Investitionen im Ausland

Der Bestand deutscher Direktinvestitionen im Ausland, der sichseit 1990 laut Bundesbank auf rund 1,2 Bio. Euro (2012) ver-fünffacht hat, ist Ausdruck der weltweit starken Verflechtung derdeutschen Wirtschaft. Deutsche Unternehmen erwirtschaftenlaut Bundesbank einen Auslandsumsatz (2012: 2,4 Bio. Euro),der die deutschen Exporte (2012: 1,1 Bio. Euro) um mehr alsdas Doppelte übersteigt. Bei ihren Investitionen orientiert sichdie deutsche Industrie an den Leitlinien für multinationale Unter-nehmen der OECD und fördert damit im Ausland ökologischeund soziale Standards. Umso wichtiger ist ein umfassenderSchutz dieser Investitionen. Diesen Schutz bieten 129 Investiti-onsförder- und Schutzverträge (IFV), die Deutschland mit ande-ren Staaten abgeschlossen hat. Seit 2009 fällt der Abschlussneuer IFV und von Investitionskapiteln in Handelsverträgen indie Zuständigkeit der Europäischen Kommission. Auch zukünf-tige europäische IFV – etwa im Rahmen von TTIP – müsseneinen ausreichenden Schutz für deutsche Auslandsinvestitionengewährleisten.

Allerdings gibt es auch deutlichen Reformbedarf bei den IFV.Die Handlungsfähigkeit des Staates, Gesetze im Allgemeinwohlzu erlassen, darf nicht eingeschränkt werden. Zentrale Rechts-begriffe, etwa die »indirekte Enteignung«, müssen präziser for-muliert werden. Schiedsverfahren sollten transparenter werdenund es sollte eine Möglichkeit geben, in Berufung zu gehen. Einmodernes Investitionsabkommen mit den USA wäre ein wichti-ger Schritt auf dem Weg zu einem verbesserten Standard fürInvestitionsverträge. TTIP wird Vorbild werden, wenn es denMarktzugang verbessert und die notwendigen Reformen um-setzt. Ein neuer internationaler Standard könnte darüber hinausden Weg ebnen zu einem multilateralen Regelwerk für den In-vestitionsschutz, ähnlich den Vorschriften der Welthandelsorga-nisation (WTO) für den Handel. Nicht zuletzt wird sich das In-vestitionskapitel in TTIP auf die laufenden Verhandlungen mitChina auswirken.

Ausbau des außenwirtschaftlichenInstrumentariums

Die absehbare Abwanderung wichtiger Kunden von industriel-len Zulieferern, den großen Produzenten, in Richtung der auf-

strebenden Industrieländer, stellt die große Mehrheit der kleinenund mittelständischen Industrieunternehmen in Deutschland,die bislang nicht im Ausland aktiv sind, vor erhebliche Heraus-forderungen. Neben einer Verbesserung der Standortqualität inDeutschland – allen voran der hohen Kosten durch erhöhteEnergiepreise sowie Regulierung – sollten insbesondere Strate-gien zur Unterstützung der noch im Ausland inaktiven Unter-nehmen in den Fokus genommen werden. Vorrangig bedarf dasbestehende außenwirtschaftliche Instrumentarium einer zielge-richteten Konsolidierung der einzelnen Programme. Denn aufBundes- und Landesebene gibt es eine Vielzahl an parallelenProduktangeboten. Darüber hinaus sollten bewährte und nach-frageorientierte Förderinstrumente zur Erschließung neuerMärkte – mit Fokus auf den Mittelstand – wie das Auslandsmes-seprogramm des Bundes (AMP) oder das BMWi-Markter-schließungsprogramm für KMU mit einer höheren Kapitalaus-stattung ausgerüstet werden, ohne dass es an anderer Stelle zuKürzungen der Außenwirtschaftsförderung kommt.

Auch bedarf es zur weiteren Internationalisierung von KMU zu-sätzlicher Forschung, um Motive für und wider eines Auslands-engagements nach Branchen, Unternehmenstyp und -größebesser bestimmen zu können. Ableitend ließen sich Strategienzur aktiven Förderung von Unternehmen entwickeln. Nicht zu-letzt kommt ein Auslandsengagement nicht für jedes Unterneh-men in Frage, sondern ist mithin abhängig von einem intelligen-ten und kostengünstigen Zusammenspiel der einzelnen Stufenin der Wertschöpfungskette – von den Forschungsbedingungenbis hin zu den Kosten für Transport, Produktion, Beratung undService.

Als größter singulärer Etatposten in der Außenwirtschaftsför-derung kommt den Exportkreditgarantien eine besondere Be-deutung zu. Angesichts einer zunehmenden Diversifizierung derAbsatzmärkte, insbesondere in Richtung Schwellen- und Ent-wicklungsländer, sollten die Hermesdeckungen weiter ausge-baut werden. Denn die neuen Märkte sind im Vergleich zu dentraditionellen Absatzmärkten in den Industriestaaten durchhöhere Risiken und einen geringeren Zugang zum internationa-len Kapitalmarkt gekennzeichnet. Ein wichtiger Ansatzpunktsind die Regeln über ausländische Zulieferanteile an deutschenExporten. Diese sollten weiter flexibilisiert werden. »Globalsourcing« sichert deutschen Exporteuren den Erhalt ihrer inter-nationalen Wettbewerbsfähigkeit, da sie so komparative Kos-tenvorteile nutzen können. Dabei hat das IW Köln einen klarenNachweis darüber erbracht, dass trotz eines gestiegenen An-teils an ausländischer Wertschöpfung in deutschen Exportendie Wertschöpfung insgesamt – beruhend auf dem Mengen-effekt und höheren Exportzahlen – gestiegen ist. Ein ausländi-scher Zulieferanteil von über 49 Prozent sollte daher kein Grundsein, deutschen Exporten eine Hermesdeckung zu verweigern.

Ansprechpartner:Dr. Stormy-Annika [email protected] [email protected]. Christoph [email protected]

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BDI-Aussenwirtschafts-Report 1 | 2015 17

Kerstin Petretto

Gastbeitrag Kerstin Petretto (IFSH)»Zur (Un-)Sicherheit der Wertschöpfungskette«Gastbeitrag Kerstin Petretto (IFSH)»Zur (Un-)Sicherheit der Wertschöpfungskette«

Die internationale Wertschöpfungskette ist durch die Vielzahlihrer verwobenen Teilbereiche zahlreichen Risiken ausgesetzt.Dies gilt für die Sicherung und den Abbau von Rohstoffen ge-nauso wie für Produktions- und Weiterverarbeitungsprozessesowie Lieferwege. Aus sicherheitspolitischer Perspektive stellensich dabei die Handels-und Logistikketten als besonders ver-wundbar dar: Rohstoffe und Güter werden zu Wasser, über dieLuft, die Schiene, die Straße und über Rohrleitungen transpor-tiert. Zudem ist ein Großteil der Logistik mittlerweile digital orga-nisiert, womit der Cyberspace zu einem alles überwölbendenBereich von Wertschöpfungs- und Handelsnetzen geworden ist.

Sicherheitsrisiken

Die bestehenden Sicherheitsrisiken sind äußerst heterogen undsteigern sich potenziell, wenn politisch, gesellschaftlich undwirtschaftlich fragile Staaten gekreuzt werden. Sie reichen vondiversen Formen der Kriminalität wie maritimer Piraterie,Schmuggel, Diebstahl, Erpressung, Korruption, Spionage, Sa-botage und Manipulation kritischer Infrastrukturen über politischmotivierte Gewalt bis hin zu Naturkatastrophen.

Die Auswirkungen der Risiken sind ganz unterschiedlich. Imschlimmsten Fall führen sie zu einer Verzögerung oder einerUnterbrechung der Wertschöpfungskette. Jedes ihrer einzelnenGlieder sieht sich dabei anderen Risiken ausgesetzt. Allerdingskann man sie auch nicht getrennt voneinander betrachten, denndurch ihre enge logistische Verzahnung werden oft auch die Ri-siken, egal ob land-luft-seeseitig oder im Cyberspace, miteinan-der vernetzt.

Mangelndes Risikomanagement

Daher ist ein umfassendes Risikomanagement gefragt, das sichden Risiken zuwendet, die sich auf die Gesamtheit der Han-dels- und Logistiknetze auswirken können. Allen Globalisie-rungs- und Vernetzungstendenzen zum Trotz mangelt es hierzuallerdings bislang eindeutig an Engagement, sowohl in der Wirt-schaft als auch der Politik und der Forschung. Zwar gibt es ins-besondere in der EU diverse Regelungen und freiwillige Selbst-verpflichtungen, aber diese betreffen meist nur einzelne Logis-tikbereiche oder sind einseitig ausgerichtet. Vor allem abermangelt es an einer kohärenten Abstimmung. Auch in globalagierenden Unternehmen gibt es nur selten adäquate Strate-gien zum Risikomanagement der Wertschöpfungskette. DreiGründe sind dafür ausschlaggebend:

Erstens werden die Risiken in ihrer Wahrscheinlichkeit und Aus-wirkung unterschätzt. Dies liegt daran, dass die Sicherheit derHandels- und Logistikkette ein wicked problem ist: ein solchesbasiert auf unzähligen, oft ineinander verschränkten Ursachen,von denen jede einzigartig ist. Daher kann es keinen allgemei-nen Test potenzieller Lösungswege geben, genauso wenig wiees eine richtige Antwort gibt. Hinzu kommt, dass viele Risikenauf politischen Rahmenbedingungen fußen: Kriminalität und po-litische Gewalt florieren vor allem in fragilen Staaten, auch Na-turkatastrophen wirken sich hier weitaus schlimmer aus. Dies

verleitet Sicherheitsmanager und Führungskräfte leicht dazu,die Hände in den Schoß zu legen, da das Potenzial der eigenenEinflussnahme sehr gering erscheint. Also befasst man sich lie-ber gar nicht mit dieser Form der Risiken – beziehungsweiseerst, wenn das eigene Haus schon brennt.

Zweitens ist es ein schwieriges Unterfangen, die Kosten für diePrävention von Risiken zu rechtfertigen. Denn, auf einen kurzenNenner gebracht: Niemand lobt oder zahlt gerne für die Lösungeines Problems, das noch gar nicht eingetreten ist.

Drittens scheitert die Etablierung von umfassenden Risikoma-nagementstrategien oft an dem beträchtlichen Bedarf an ver-trauensvollem Austausch und Kooperation: Der hohe Wettbe-werb in der globalisierten Wirtschaft erschwert einerseits Ver-trauensbildung und Informationsteilung. Andererseits haben diezu beteiligenden Akteure nicht nur differenzierte Interessensla-gen, sondern verfügen durch ihre unterschiedlichen Unterneh-mens- und Branchenidentitäten auch über verschiedenartigeFormen des Kooperations- und Kommunikationsverhaltens.

Handlungsoptionen

Die Prävention und Abwehr sicherheitspolitischer Risiken ist zu-allererst eine staatliche Hoheitsaufgabe, auch wenn es um dieVerwundbarkeit von Wirtschaftsabläufen geht. Die Politik kannsie jedoch nicht ganz allein erfüllen. Zum einen aufgrund vonohnehin bereits bestehenden Budgetzwängen, die sich multipli-zieren, wenn durch zunehmende Investitionen der Wirtschaft inRegionen fragiler Staatlichkeit noch mehr Ausgaben im Sicher-heitssektor erforderlich werden. Zum anderen macht ein einsei-tiges Engagement der Politik für die Sicherheit der Wertschöp-fungskette schlicht keinen Sinn: Erstens müssen zahlreiche, dieSicherheit von Unternehmen betreffende, staatliche Beschlüssevon diesen direkt oder unter ihrer Mitarbeit umgesetzt werden;es besteht daher ein Wechselspiel der notgedrungenen Koope-ration. Zweitens ist die Politik auf Expertise aus der Praxis an-gewiesen, bis sie eine neue, die Wertschöpfungskette betref-fende, Regelung beschließt. Denn nur Praktiker wissen, woderen neuralgische Punkte sind und welche Möglichkeiten es

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BDI-Aussenwirtschafts-Report 1 | 2015 18

Gastbeitrag von Alexandros Ragoussis und Przemyslaw Kowalski (OECD)»Teilhabe von Entwicklungsländern an globalen Wertschöpfungsketten«Gastbeitrag von Alexandros Ragoussis und Przemyslaw Kowalski (OECD)»Teilhabe von Entwicklungsländern an globalen Wertschöpfungsketten«

Die Teilhabe an globalen Wertschöpfungsketten (GWK) ist inAfrika und Asien bereits weit verbreitet. Sie geht einher mit po-sitiven Effekten wie Produktivitätssteigerungen, höheren Pro-duktreifegraden und einer größeren Diversifizierung von Expor-ten.

Niedrige Zölle, die Teilnahme an regionalen Handelsabkom-men, liberale Regelungen für Direktinvestitionen, eine moderneInfrastruktur, hohe Standards beim Schutz geistigen Eigentumssowie hochwertige Institutionen sind wichtige Kriterien für eineTeilnahme an GWKs.

Die Verbreitung globaler Wertschöpfungsketten ist charakteris-tisch für die Wirtschaft des 21. Jahrhunderts. Die »GWK-Revo-lution«, die weitgehend dem Effizienzstreben multinationalerUnternehmen, aber auch technischen Veränderungen und han-delspolitischen Reformen zuzuschreiben ist, hat zu einer wach-senden Spezialisierung von Arbeitsbereichen und Unterneh-mensfunktionen geführt. Davon sind große wie kleine Unterneh-men gleichermaßen betroffen. GWKs führten zu einer Vernet-zung von mehr Ländern und Märkten und so zu einer Vertiefungdes geografischen Globalisierungsprozesses: auf sektoralerEbene durch die Verzahnung von Primärrohstoff-, Herstellungs-und Dienstleistungsbereichen und hinsichtlich Unternehmens-funktionen durch die Integration von Produktion und Vertrieb,aber auch von F&E und Innovation.

GWKs bieten neue Möglichkeiten, vonHandel und Investitionen zu profitieren

Obwohl manche Menschen der Meinung sind, internationaleWertschöpfungsketten seien nichts qualitativ Neues, verändertdas Entstehen von GWKs doch unsere Überlegungen im Hin-blick auf die Folgen von Handel und Investitionen. Im Bereich

der GWKs ist zum Beispiel die Wettbewerbsfähigkeit von Ex-porten grundlegend verknüpft mit dem Zugang sowohl zu preis-günstig importierten Vormaterialien als auch zu effizientenDienstleistungen. Die Grenzübertrittskosten durch Importzölleoder langwierige Zollformalitäten erhöhen sich, wenn Produkti-onsabläufe mehrfache Grenzübergänge erforderlich machen.Internationale Regelungen und Standards gewinnen an Bedeu-tung, während ausländische Direktinvestitionen – oft als Ersatzfür Handel betrachtet – zur treibenden Kraft für Austausch undWettbewerbsfähigkeit auf internationalen Märkten werden. DieTeilhabe an GWKs birgt allerdings auch Risiken, wie etwa dieÜbertragung makroökonomischer oder durch Naturkatastro-phen verursachter Schockwellen. Diese müssen durch unter-nehmensinterne Strategien zur Überwachung und Schadens-minderung abgefangen werden.

Eine zentrale Folge der wachsenden Zahl und Reichweite vonGWKs liegt in der Bedeutung des Zugangs zu importierten Vor-leistungen. Selbst in jüngerer Vergangenheit war die Wirt-schaftsförderungspolitik vieler Schwellen- und Entwicklungslän-der stark auf Importsubstitution ausgerichtet. Ausländische Im-porte sollten durch heimische Produkte ersetzt werden, um da-durch die Auslandsabhängigkeit zu verringern und die Binnen-konjunktur zu stärken. In einigen Ländern wird dieser Weg an-gesichts krisenbedingter schleppender Wachstumsraten undhoher Arbeitslosigkeit nun überdacht. In einer Welt komplexer,in GWKs hergestellter Produkte ist es nicht optimal oder erstgar nicht möglich, rein inländische Wertschöpfungsketten aufzu-bauen. Stattdessen sollten Regierungen die Rahmenbedingun-gen schaffen, die es Unternehmen ermöglichen, an globalenWertschöpfungsketten teilzuhaben. Dies ist sehr wahrscheinlichder schnellere und kostengünstigere Weg zu einem wirtschaftli-chen Aufschwung.

gibt, sie zu beheben – ohne ihren reibungslosen Ablauf zubehindern.

Um diese Anforderung leisten zu können, muss jedoch zualler-erst innerhalb der Unternehmen selbst ein gezieltes Bewusst-sein für potenzielle Sicherheitsprobleme geschaffen werden,und zwar von ganz unten bis ganz oben. Dies bedeutet: Unter-nehmen müssen eine umfassende und vorrausschauende Risi-koanalyse betreiben mit dem Ziel, nicht nur das eigene Hausabzusichern, sondern herauszufinden, wie sie einen Beitragzum Gesamtpuzzle der Sicherheit der Wertschöpfungsketteleisten können. Dafür müssen sie systematisch kritische Punkteinnerhalb einzelner, für sie bedeutsamer Abschnitte der Produk-tions- und Logistikabläufe identifizieren und bewerten sowiederen Abhängigkeiten untereinander herausfiltern. Darauf auf-bauend können sie sich auf die wichtigsten Risiken fokussierenund die Ableitung geeigneter operativer oder taktischer Maß-nahmen vornehmen. Spätestens an diesem Punkt ist es rat-sam, sich nach geeigneten Kooperationspartnern umzusehen.Höchstwahrscheinlich gibt es andere Akteure, ob branchennahoder branchenfern, die ganz ähnlichen Risiken ausgesetzt sind

und ebenso nach Lösungen suchen. Wenn sich diese Akteurezusammentun, um ihre jeweiligen Erfahrungen und ihr Wissenauszutauschen, und zudem Experten oder Vertreter andererDomänen wie Politik und Zivilgesellschaft hinzuziehen, dannkönnten sie gemeinsam – effizienter und effektiver – Pläne zurVermeidung von sicherheitspolitischen Risiken entwickeln.

Angesichts der aktuellen sicherheitspolitischen Entwicklungenund der immer weiter fortschreitenden Verzahnung internationa-ler Handels- und Logistiknetze sind die Etablierung eines ent-sprechenden Diskurses und darauf aufbauender kooperativerInitiativen längst überfällige erste Schritte, um den Weg zu einerbesseren Absicherung der internationalen Wertschöpfungsket-ten zu ebnen.

Kerstin Petretto ist in Frankfurt am Main ansässige wissen-schaftliche Fellow des Instituts für Friedensforschung und Si-cherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH). Ihre For-schungsschwerpunkte sind Maritime Sicherheit, Politisches Ri-sikomanagement und Fragile Staaten, insbesondere in Subsa-hara Afrika.

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BDI-Aussenwirtschafts-Report 1 | 2015 19

Neue empirische Daten, zusammengetragen und dargestellt ineinem demnächst erscheinenden OECD-Bericht, liefern Politi-kern in Asien und Afrika eine Grundlage zur Einschätzung derBeteiligung ihrer Länder an GWKs für zukünftige politische Ent-scheidungen. Sie zeigen, dass diese Regionen bereits inhohem Maß an GWKs beteiligt sind. Weiterhin belegen sie,dass eine größere Teilhabe an GWKs, sei es durch stärkereNutzung des in importierten ausländischen Zwischenproduktenenthaltenen Mehrwerts oder durch die Einfuhr von ausgereifte-ren Zwischenprodukten, mit positiven Effekten einhergeht.Hierzu gehören Produktivitätssteigerungen, eine höhere Pro-duktreife und eine größere Diversifizierung von Exporten, wennauch sehr heterogene Ergebnisse in den verschiedenen Ein-kommensgruppen festgestellt wurden (OECD, 2015).

Politische Maßnahmen können Teilhabean GKWs maßgeblich erleichtern

Einfach gesagt kann bis heute von einer »Fabrik Afrika« imSinne der »Fabrik Asien«, in der der regionale Handel mit Zwi-schenprodukten eine vorherrschende Rolle spielt, kaum dieRede sein. Mit einigen Ausnahmen greifen afrikanische Länder

weit weniger auf ausländische Vorleistungen zurück als ihreMitstreiter in Asien. Die Ausfuhren verarbeiteter Zwischenpro-dukte durch afrikanische Länder sind generell weniger breit ge-fächert, sowohl im Hinblick auf die Menge der gehandelten Pro-dukte als auch auf die bedienten Märkte. Die Überlebensdauerder Handelsbeziehungen im Zwischenhandel (engl. »survivalrate«, also der Anteil der Geschäftsbeziehungen, die über einJahr hinausreichen), kann in Afrika um die Hälfte niedriger seinals jene in Asien.

Die Studie zeigt, dass strukturelle Merkmale, auf die Länderdurch politische Maßnahmen kurz- und mittelfristig nur schwerEinfluss nehmen können, zu den Hauptfaktoren für eine Teil-habe an GWKs zu gehören scheinen. Firmen in Ländern mitgrößeren Binnenmärkten können beispielsweise auf ein größe-res Spektrum heimischer Zwischenprodukte zurückgreifen, seies zum Kauf oder zum Verkauf. Entwickelte Länder neigendazu, mehr aus dem Ausland zu beziehen und einen höherenAnteil ihrer Bruttoexporte als Zwischenprodukte zu verkaufen.Auch Produktionsstrukturen und die geographische Lage spie-len eine große Rolle: Ein breit aufgestelltes produzierendes Ge-werbe und die Nähe zu großen Volkswirtschaften, in denenviele Unternehmen ihren Hauptsitz haben, führen tendenziell zu

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Peter Biesenbach

Interview mit Peter BiesenbachInterview mit Peter Biesenbach

In welchen Märkten ist die Robert Bosch GmbH aktiv, wo erwar-ten Sie zukünftige Absatzmärkte?»Die Bosch-Gruppe ist als international führendes Technologie-und Dienstleistungsunternehmen mit einem Umsatz von 48,9Milliarden Euro weltweit aktiv. Unsere Kernmärkte liegen dabeiin Europa, Nord- und Südamerika und Asien. Mit unseren Un-ternehmensbereichen Mobility Solutions, Industrial Technology,Consumer Goods sowie Energy and Building Technology sindwir derzeit in rund 50 Ländern aktiv. Inklusive Vertriebspartnersind wir in rund 150 Ländern vertreten. Insofern sind wir mit un-seren Produkten im Grunde fast überall auf der Welt präsent.

Beim Wachstum sehen wir positive Entwicklungen bei unserenGeschäften in Asien und Nordamerika. Insbesondere Chinasticht derzeit hervor, aber auch Indien und die ASEAN-Regionbilden für uns wichtige Standbeine in der Region. Dies wird mei-nes Erachtens für die nächste Zeit auch so bleiben. Dazu ver-stärken wir derzeit unsere Aktivitäten in Afrika, da wir hier enor-mes Wachstumspotential sehen, das gehoben werden kann.«

Wie ist Ihr Unternehmen in globale Wertschöpfungsketten inte-griert und welche Rolle spielen dabei Freihandelsabkommenbzw. die unterschiedlichen Ursprungsregeln?»Als global agierendes Unternehmen mit rund 300.000 Mitar-beitern sind wir selbstverständlich in hohem Maße abhängigvon weltweiten Wertschöpfungsketten, etwa als Zulieferer fürdie Automobilhersteller. Freihandelsabkommen sind dabei einwichtiges Element in unserer strategischen Planung, da wir soversuchen, von niedrigen Zöllen bei unseren Produktionspro-zessen zu profitieren. Am Ende muss unser Produkt den Her-kunftsregeln entsprechen, die unser Kunde von uns verlangt.

Daher müssen wir bereits beim Einkauf von Rohprodukten dar-auf achten, dass wir dieses Ziel am Ende nicht verfehlen. Dasmag zwar auf den ersten Blick aufwändig sein, sichert aber amEnde einen präferenziellen Zugang zu wichtigen Märkten, dieauch wir mit unseren Kunden erfolgreich bedienen möchten.«

Wie wichtig ist der deutsche Markt für Ihr Unternehmen undwelche Vorteile sehen Sie durch die Offenheit der deutschenVolkswirtschaft?»Der deutsche Markt, und damit auch der europäische Binnen-markt, ist weiterhin von großer Bedeutung für unser Unterneh-men. Immerhin haben wir im Jahr 2014 rund 26 Milliarden EuroUmsatz allein in Europa erzielt und damit über die Hälfte unse-

einer Steigerung von Angebot und Nachfrage nach ausländi-schen Zwischenprodukten. Dennoch ist auch die Handels- undInvestitionspolitik eines Landes ein wichtiger Faktor für die Teil-nahme an GWKs. Wichtige Determinanten sind unter anderemniedrige Zölle, die Beteiligung an regionalen Handelsabkom-men, liberale Regelungen für Direktinvestitionen, eine annehm-bare Verkehrs- und Logistikinfrastruktur, hohe Standards beimSchutz von geistigem Eigentum sowie hochwertigeInstitutionen.

Strukturelle Nachteile hemmen die Beteiligung von Entwick-lungsländern an Wertschöpfungsketten weit stärker, als dies inIndustrieländern der Fall ist. Um die relativen Nachteile nichtpolitisch beeinflussbarer struktureller Faktoren (zum Beispielfehlende Nähe zu Produktionszentren) auszugleichen, mussdaher ein Niedriglohnland eventuell mehr für die Verbesserungseiner politischen Rahmenbedingungen tun als ein Land mithohem Einkommen. In diesem Zusammenhang gibt es viele Er-folgsgeschichten und Beispiele sowohl in Afrika als auch inAsien. Südostasiatische Volkswirtschaften wie Singapur,

Hongkong oder auch China veranschaulichen zum Beispiel,dass sich liberale Handels- und Investitionsregelungen überauspositiv auf die Teilnahme an GWKs auswirken. Viele der wirt-schaftlichen Erfolgsgeschichten in Afrika und Asien zeigen posi-tive Effekte, die entstehen, wenn auf importierte Zwischenpro-dukte zurückgegriffen wird. Politische Entscheidungsträgerhaben daher ein Interesse, Maßnahmen in ihren Entwicklungs-strategien zu integrieren, die den Zugang zu den wettbewerbs-fähigsten Vorleistungen erleichtern. Nur so können sich Länderim globalen Wettbewerb erfolgreich behaupten.

Weiterführende Informationen:OECD, Developing Countries’ Participation in Global ValueChains and its Implications for Trade and Trade-Related Poli-cies, Paris: OECD Publishing 2015 (im Erscheinen).

Przemyslaw Kowalski und Alexandros Rogoussis sind SeniorEconomists bei der OECD-Direktion für Handel undLandwirtschaft.

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Wolfgang Tiefensee

Gastbeitrag Wolfgang Tiefensee»Unser Erfolgsrezept: Veränderung als Chance begreifen«Gastbeitrag Wolfgang Tiefensee»Unser Erfolgsrezept: Veränderung als Chance begreifen«

»Made in Germany« ist eine Weltmarke. Unsere Produkte sindinternational gefragt, deutsche Unternehmen mit ihrer Inge-nieurskunst und Qualität auf der Weltbühne hervorragend plat-ziert. Deutschland verfügt also über ein solides Fundament.Wirklich? Sind nicht, um im Bilde zu bleiben, erste deutlicheRisse erkennbar, drohen auf lange Sicht Stagnation, gar Ab-stieg und Schwäche? Schimmern nicht zu viel Selbstgefälligkeitund Behäbigkeit durch, wenn stolz die Zahlenkolonnen und Auf-wärtstrends der Statistiker präsentiert werden?

Ich halte nichts von Alarmismus und Schwarzmalerei, aber vielvon Selbstvergewisserung und Realismus. Drängende Fragensind evident: Lebt Deutschland von seiner Substanz? Ruhen wiruns aus auf dem Erbe unserer Vorfahren? Mangelt es an Ver-änderungsbereitschaft? Erkennen wir die Zeichen der Zeit ineiner sich rasant ändernden Welt? Finden wir heute zeit-gemäße Antworten auf die Herausforderungen von morgen?Halten wir Wohlstand und Prosperität quasi für gottgegeben?Es geht um die Frage, wie Deutschland auf lange Sicht wettbe-werbsfähig bleibt.

Erstens: Unsere Haltung zum selb-ständigen Handeln muss sich ändern.

Deutschland muss ein Glücksland werden für die, die unterneh-merisch handeln oder einfach nur mehr aus sich machen wol-len. Es braucht die Erziehung von klein auf zum kritischen Blickauf das Gegebene, das Infrage stellen der gängigen Lebens-und Arbeitsweisen, die Neugierde auf die ganz andere Lösung.

So entsteht Fortschritt. Selbständiges Denken und Handeln istunerlässlich für gelingendes Unternehmertum und beruflichenAufstieg. Wer Neues wagt, Verantwortung für sich und andereübernehmen will, muss den roten Teppich ausgerollt bekom-men, wer unternehmerisch einmal gescheitert ist, eine zweiteChance erhalten. Wir brauchen Respekt und unbürokratischeUnterstützung in Finanzinstituten und öffentlicher Verwaltung,statt Misstrauen und Ignoranz. Die lange Bank muss aus denAmtsstuben geräumt werden, der träge Amtsschimmel seinGnadenbrot bekommen.

res weltweiten Umsatzes. Nichtsdestotrotz sehen auch wir,dass die Wachstumszahlen in anderen Regionen deutlich höhersind als derzeit in Europa. Dies sollte aber nicht bedeuten, dassEuropa sich verschließen und abschotten sollte. Im Gegenteil:Gerade in einer Zeit, in der verstärkt auf protektionistische Maß-nahmen gesetzt wird, bin ich der Ansicht, dass wir von einemverstärkten Handel mit wichtigen Regionen profitieren können.So können wir neue Absatzmärkte für unsere technologischenEntwicklungen erschließen. Dafür ist auch ein Abschluss derderzeit stattfindenden Verhandlungen über Freihandelsabkom-men notwendig, etwa mit den USA oder mit Ländern aus derASEAN-Region.«

Dr. Peter Biesenbach ist Leiter der Zentralabteilung Außenan-gelegenheiten der Robert Bosch GmbH.

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Zweitens: Familie und Beruf zugleichermöglichen.

Das Lamento über den Fachkräftemangel ist allgegenwärtig.Schaut man sich die Situation der Frauen in unserer Gesell-schaft an, schüttelt man mit dem Kopf. Frauen und Männer, diealleinerziehend oder zu zweit Kinder großziehen, und Men-schen, die ihre Angehörigen pflegen, gehören mit ihren Alltags-sorgen in den Mittelpunkt unserer Anstrengungen. Eine ausrei-chende Versorgung mit Kindertagesstätten, flexible Arbeitszei-ten, atmende Stundenbudgets, Haushaltshilfen, faire Löhne, in-dividuelle Qualifizierungs- und Karrierepläne sind nicht »nice tohave«, sondern ein absolutes Muss. Das ist eine drängendeMammutaufgabe für die gesamte Gesellschaft und nicht nur fürdie da oben in der Politik.

Drittens: Die Digitale Gesellschaft alsChance begreifen.

Vor allem Mittelständler sehen anders als Großunternehmeneher die Risiken der Digitalisierung. Sie interessieren sich kaumfür die Industrie 4.0, meiden kostspielige Investitionen, sind be-sorgt über ihre Datensicherheit und über die ungewohnten An-forderungen an die Belegschaft. Die gegenwärtig stattfindendedigitale Revolution erfasst unser wirtschaftliches, politischesund gesellschaftliches Leben. Das darf uns nicht beunruhigensondern bietet ungeahnte Möglichkeiten. In Verbindung mit derEnergiewende entstehen neue Produkte und interkulturelle Ko-operationen, die Welt rückt zusammen. Die Installation der su-perschnellen Dateninfrastruktur muss energisch beschleunigtwerden, der Tsunami an Daten und Informationen, die Digitali-sierung der Produkte und Prozesse brauchen hochqualifizierteFacharbeiter, IT-Spezialisten müssen genauso aus Europakommen wie die IT-Programme selbst.

Viertens: Vom Gastarbeiterland zurEinwanderungsgesellschaft.

Der Zuzug von Menschen aus dem Ausland nach Deutschlandist so alt wie unser Land. Und dennoch macht das Fremde vie-

len Menschen Angst, die Türen sind geschlossen. Wollen wirFachkräfte anderer Erdteile gewinnen und dafür sorgen, dasssie unbürokratisch in die Jobs kommen, müssen wir ihnen undihren Angehörigen eine Willkommenskultur bieten. Es reichtnicht, uns endlich als Zuwanderungsland zu begreifen. Vielmehrsteht die Entwicklung hin zu einer Einwanderungsgesellschaftan. Die Offenheit einer ganzen Gesellschaft ist vonnöten, damitFremde mit offenen Armen empfangen werden. Moderne Ein-wanderungspolitik zielt darauf, zum langfristigen und dauerhaf-ten Bleiben einzuladen mit einem doppelten Gewinn: den fürden zugereisten Einwanderer und den für unser Land.

Fünftens: Innovation als Voraussetzung fürWettbewerbsfähigkeit.

Als Schüler schaute ich auf die vorn im Unterrichtszimmer auf-gehängte Weltkarte: Europa in der Mitte, Asien als Appendixaußen rechts. Man sollte zukünftig Karten mit China oder denUSA im Zentrum verwenden, um die drohende Außenseiter-position Deutschlands plastisch vor Augen zu haben. Wollen wirim Weltkonzert nicht marginalisiert werden, braucht es eingrundsätzliches Umräumen im Kopf. Die ständige Weiterent-wicklung der Produkte und Prozesse, die Verschränkung vonForschung und Wirtschaft, von Innovation und Investition sindinsbesondere für die kleinen und mittelständigen Firmen derGarant für langfristige Wettbewerbsfähigkeit. Unser einzigerRohstoff befindet sich zwischen unseren Ohren, ihn gilt es in-tensiv auszubeuten.

Deutschland muss seinen Platz an der Spitze immer wiederaufs Neue erkämpfen. Das Erfolgsrezept dafür ist die Offenheitund ständige Veränderungsbereitschaft unsere Wirtschaft. Wiees in einem chinesischen Sprichwort heißt: »Wenn der Windder Veränderung weht, bauen die einen Mauern und die ande-ren Windmühlen.«

Wolfgang Tiefensee ist Minister für Wirtschaft, Wissenschaftund Digitale Gesellschaft des Freistaates Thüringen.

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AußenwirtschaftspolitikAußenwirtschaftspolitik

Ein Jahr Regierung Modi in Indien: Erste Reformansätze zu erkennenEin Jahr Regierung Modi in Indien: Erste Reformansätze zu erkennen

Nach dem Erdrutschsieg der Bharatiya Janata Party (BJP) inden Parlamentswahlen in Indien wurde Narendra Modi im Mai2014 als neuer Premierminister Indiens vereidigt. Im Oktoberkonnte er seine Position weiter stärken, als die BJP wichtigeRegionalwahlen gewann. Die BJP hat sich bei diesen Wahlenvor allem für wirtschaftspolitische Reformen ausgesprochen.

Auch wenn es bisher nicht zu den von Investoren erwarteten»Big Bang«-Reformen kam, sind wichtige Reformansätze zu er-kennen: Effizienzsteigerungen im öffentlichen Dienst, Anstiegder Investitionen in Infrastrukturprojekte, Liberalisierungen inwichtigen Sektoren sowie erste Reformen im Arbeitsrecht. Da-neben will Modi mit seinem Projekt »Make in India« Indien alsProduktionsstandort im globalen Wettbewerb stärken. Im Rah-men der Hannover Messe, auf der Indien Partnerland ist, wirdModi dieses in Deutschland präsentieren.

Die an Modi geknüpfte Hoffnung, der Wirtschaft neue Dynamikzu verleihen, spiegelt sich in aktuellen Wachstumsprognosenwieder. Der IWF hat beispielsweise seine Prognosen nach obenkorrigiert und rechnet damit, dass Indien 2017 schneller wach-sen könnte als China. Ob die Reformen tatsächlich umgesetzt

werden, hängt in erster Linie von der Zielstrebigkeit der Regie-rung ab. Ausschlaggebend wird allerdings auch sein, wie sichdas Oberhaus gegenüber den avisierten Reformen positioniert.Hier ist das Koalitionsbündnis der BJP deutlich in der Minder-heit. Ob es gelingen wird, Kompromisse zwischen Ober- undUnterhaus zu findet, dürfte sich bald bei der Einführung einereinheitlichen Mehrwertsteuer zeigen, einem wichtigen Bausteinim Reformprogramm von Modi.

Ein weiteres Thema, an dem sich Modi in der deutschen Wirt-schaft wird messen lassen müssen, sind die ins Stocken gera-tenen Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischender EU und Indien. Die EU erwartet unter anderem beim Zu-gang zu öffentlichen Ausschreibungen ein deutliches Entgegen-kommen Indiens. Diese sind für ausländische Unternehmenschwer zugänglich. Modi hat sich hierzu bisher nichtpositioniert.

Ansprechpartnerin:Rabea Fö[email protected]

TTIP: Die deutsche Industrie fordert erstmals industrieübergreifende Ursprungsregeln TTIP: Die deutsche Industrie fordert erstmals industrieübergreifende Ursprungsregeln

Ursprungsregeln verursachenKosten für Unternehmen

Seit Sommer 2013 verhandeln die EU und die USA über einumfassendes Handelsabkommen, die Transatlantische Han-dels- und Investitionspartnerschaft (TTIP). TTIP soll Wachstumund Arbeitsplätze auf beiden Seiten des Atlantiks fördern,indem Handelsbarrieren abgebaut, Kosten im Handel gesenktund neue Regeln für Handel und Investitionen etabliert werden.Wie in Freihandelsabkommen (Free Trade Agreements, FTAs)üblich, sollen für TTIP präferenzielle Ursprungsregeln (Prefe-rential Rules of Origin, PRoO) vereinbart werden, um handel-sumlenkende Effekte zu mindern.

PRoO bestimmen, unter welchen Voraussetzungen ein Erzeug-nis vom präferenziellen Zollsatz des FTA profitieren kann. Ohneden entsprechenden Nachweis kann der Präferenzzollsatz nichtin Anspruch genommen werden. Ein einheitliches EU-Modell fürPRoO in FTAs gibt es bisher allerdings nicht.

In der Wirtschaft werden PRoO zunehmend kritisch diskutiert,so auch in der Mitgliedschaft des BDI. Denn die Erfüllung vonUrsprungsregeln ist mit Kosten verbunden, die sich gerade fürviele kleine und mittelständische Unternehmen nicht rechnen.Die Nachweiserbringung bindet Zeit, schafft Arbeitsaufwandund Kosten für IT-Anwendungen. Diese Situation verschärftsich mit jedem neu verhandelten Freihandelsabkommen, da die

jeweils vereinbarten Ursprungsregeln bisher nie einheitlich wa-ren. Sie verschärft sich aber auch, da Importanteile in Exportenstetig steigen und globale Wertschöpfungsketten immer wichti-ger werden. Die deutsche Wirtschaft ist davon besonders be-troffen. Schon heute beträgt der Anteil importierter Inputs indeutschen Exporten 30 Prozent.

Der Aufwand der Ursprungserbringung lohnt sich vor allemdann nicht, wenn die Differenz zwischen dem unter der WTOgebundenen Zollsatz, der für alle Mitglieder der Welthandelsor-ganisation (WTO) gilt (sogenannter Meistbegünstigungszollsatz,MFN-Zollsatz), und dem Präferenzzollsatz klein ist. Verschie-dene wissenschaftliche Studien schätzen, dass die Ursprungs-erbringung Kosten in Höhe von zwei bis sechs Prozent desWertes einer Ware verursacht. Beträgt die Differenz zwischendem Präferenzzoll und dem MFN-Zollsatz weniger als zwei bissechs Prozent des Warenwertes, lohnt es sich für Unternehmensomit nicht mehr, den für die Nutzung des Präferenzzolls not-wendigen Aufwand zu betreiben.

TTIP ist Chance fürsektorübergreifende Ursprungsregeln

Da die Durchschnittszölle im EU-US Handel bereits sehr niedrigsind, stellt sich für TTIP die Frage nach den PRoO besondersdringlich. Der einfache angewandte Durchschnittszoll auf Indus-triegüter liegt in den USA bei 3,1 Prozent, in der EU bei 4,2 Pro-

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zent. 51,6 Prozent der Zolllinien der USA im Industriegüterhan-del sind schon heute zollfrei; bei weiteren 25 Prozent liegt derZollsatz zwischen null und fünf Prozent. Für die EU liegen dieseAnteile bei etwa 26 beziehungsweise 38 Prozent. Entsprechendschnell können hohe administrative Kosten die Marge zwischen

den neuen Präferenzzöllen und den MFN-Zöllen aufzehren.Daher fordert die deutsche Industrie für TTIP sektorübergrei-fende Ursprungsregeln. Der BDI schlägt das folgende Fünf-Spalten-Modell vor.

Die sogenannte horizontale Wertschöpfungsregel ermöglichtUnternehmen gleich welcher Branche, die Ursprungsbestim-mung einer einheitlichen Regel folgend vorzunehmen. Bislangwaren dafür dutzende von Regeln im Ursprungsprotokoll einesFreihandelsabkommens vorgesehen. Gerade dem industriellenMittelstand könnte hiermit der Sprung über den Atlantik erleich-tert werden. Zur Berechnung des Wertschöpfungsanteils solltendie europäische und US-amerikanische Berechnungsweise par-allel anwendbar sein. Neben der horizontalen Wertzuwachsre-gel enthält das Fünf-Spalten-Modell zudem industrie- und wa-renspezifische Lösungen. Einzelheiten finden Sie auf der TTIP-Homepage des BDI.

>> Zum Positionspapier

Könnten in TTIP industrieübergreifende Ursprungsregeln veran-kert werden, würde dies nicht nur die Transaktionskosten imtransatlantischen Handel verringern. Überdies könnte demTrend zunehmend komplexer, sich überlappender und teils wi-dersprüchlicher Handelsregeln in FTAs ein wichtiger Kontra-punkt gesetzt werden. Diese Chance gilt es zu nutzen.

Ansprechpartnerinnen:Dr. Stormy-Annika [email protected] [email protected]

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Aktuelle Entwicklungen in RusslandAktuelle Entwicklungen in Russland

Warten auf Waffenruhe imRussland-Ukraine Konflikt

Am 12. Februar 2015 einigten sich Russland und die Ukrainenach zähen Verhandlungen im Minsker Abkommen auf eineWaffenruhe für das Kriegsgebiet Donbass sowie auf einen Frie-densprozess. Jedoch ist die seit dem 15. Februar geltende Waf-fenruhe brüchig. Die EU erhält weiterhin ihre Sanktionen gegenRussland aufrecht. Die letzte von bislang 13 Sanktionsrundentrat am 16. Februar in Kraft: 19 weitere Personen, darunter derstellvertretende russische Verteidigungsminister, sowie 9 Sepa-ratistengruppen wurden auf die Sanktionsliste gesetzt. Solltendie Vereinbarungen von Minsk eingehalten werden, könnten dieSanktionen schrittweise gelockert werden – wenn nicht, drohtdie EU mit einer erneuten Verschärfung der Sanktionen.

Die EU setzt auf Diplomatie undSanktionen

In den USA wuchs zuletzt der Druck auf Washington, Verteidi-gungswaffen an die Ukraine zu liefern. Europa zeigte sich skep-tisch. Kanzlerin Merkel und Präsident Hollande betonten, dasssie weiter auf den Verhandlungsweg setzten. Politischer Drucksollte zudem über die bestehenden Sanktionen auf Russlandausgeübt werden.

Erleichterungen für die Industrie durchpräzisere Sanktionsverordnungen

Während die deutsche Industrie den Kurs der Bundesregierung

unterstützt, leidet sie doch erheblich unter den Auswirkungender Sanktionen. Diese ergeben sich nicht allein dadurch, dassbestimmte Güter und Technologien nicht mehr nach Russlandexportiert werden dürfen. Unternehmen aus Ländern, die dieSanktionen nicht umsetzen (China, Südkorea, Brasilien, Indienu. a.), versuchen entstehende Lücken zu nutzen. Zudem nimmtdas Ansehen Deutschlands in Russland laut Umfragen stark ab.Eine Belastungsprobe für das Exportgeschäft sind überdiesRechtsunsicherheiten durch ungenaue Textpassagen in denVerordnungen. Die Politik hat hierauf mittlerweile reagiert undmit der Änderungsverordnung (EU) 1290/2014 vom 5. Dezem-ber 2014 wichtige technische Korrekturen vorgenommen.

Solche Korrekturen sind wünschenswert. Noch besser wäre al-lerdings, wenn solche Rechtsunsicherheiten unmittelbar beimErlass von Sanktionsverordnungen vermieden würden. Die Eu-ropäische Kommission erarbeitet zurzeit entsprechende Leitli-nien zur Auslegung von EU-Sanktionsverordnungen. Damitdiese zu einer besseren Rechtssetzung beitragen, sollten diePraxiserfahrungen der Wirtschaft Berücksichtigung finden.

Aktuelle deutsch-russische Handelszahlen

Insgesamt ging der Handel mit Russland im Zeitraum Novem-ber 2013 bis November 2014 um 18 Prozent beziehungsweisesechs Milliarden Euro zurück. Deutsche Importe aus Russlandsanken im selben Zeitraum um knapp vier Prozent. Besondersbetroffen waren der Maschinen- und Anlagenbau sowie derHandel mit Kraftfahr- und Landfahrzeugen. Durch die Ge-gensanktionen Russlands sanken außerdem die Exporte vonObst, Fleisch und Milchprodukten. Innerhalb der EU trägt die

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EU-Parlament diskutiert Verordnung zum Umgang mit Konfliktrohstoffen EU-Parlament diskutiert Verordnung zum Umgang mit Konfliktrohstoffen

Die im März 2014 von der EU-Kommission vorgeschlageneVerordnung zum verantwortungsvollen Umgang mit Rohstoffenaus Konflikt- und Hochrisiko-Regionen nimmt derzeit in Brüsselweiter Form an. Der Kommissionsvorschlag sieht ein freiwilligesSelbstzertifizierungssystem für verantwortungsvolle Beziehervon Mineralien und Metallen aus Konfliktregionen vor; der An-wendungsbereich ist im aktuellen Entwurf auf die RohstoffeWolfram, Coltan, Zinn und Gold beschränkt. Ziel der Kommis-sion ist es, die Verbindung zwischen Rohstoffhandel und der Fi-nanzierung bewaffneter Gruppen, wie beispielsweise in der De-mokratischen Republik Kongo, zu durchbrechen.

Im Berichtsentwurf des federführenden Handelsausschusses,der im März 2015 abgestimmt werden soll, wird der Kommissi-onsvorschlag in weiten Teilen unterstützt und am freiwilligenAnsatz festgehalten. Anders sehen dies die Ausschüsse fürEntwicklung sowie für Auswärtige Angelegenheiten, die jeweilseine Stellungnahme zum Verordnungsentwurf abgegeben ha-

ben. Beide Ausschüsse sprechen sich für eine verbindliche Re-gulierung des Rohstoffbezugs sowie eine Ausweitung des An-wendungsbereichs auch auf rohstoffverarbeitende Endprodu-zenten aus.

Aus Sicht des BDI ist die Nachverfolgung über die gesamte Lie-ferkette in der Praxis nicht umsetzbar und führt allenfalls zueiner pauschalen Vermeidung von Konfliktregionen. Vielmehrbedarf es begleitender Vor-Ort-Maßnahmen im Rahmen derEntwicklungszusammenarbeit für ein funktionierendes Monito-ring des Rohstoffhandels in Konfliktregionen sowie der Unter-stützung und Verzahnung der bestehenden freiwilligen Indus-trie-Initiativen zum verantwortungsvollen Rohstoffbezug.

Ansprechpartnerin:Eva [email protected]

China hebt Exportquoten für Seltene Erden sowie Wolfram und Molybdän auf China hebt Exportquoten für Seltene Erden sowie Wolfram und Molybdän auf

Nachdem die chinesische Regierung seit 2010 die Exportquo-ten für Seltene Erden, ebenso wie für Wolfram und Molybdän,drastisch gesenkt hatte, hat sie für 2015 die Abschaffung derExportquoten für diese Rohstoffe angekündigt. Damit ziehtChina die Konsequenz aus dem WTO-Urteil vom März 2014.Das WTO-Panel hatte der Klage seitens der USA, der EU undJapans gegen die wettbewerbsverzerrende Praxis stattgege-ben. China hatte zwar zunächst Einspruch gegen das Urteil ein-gelegt, doch wurde dieses im August 2014 vom Berufungsgre-mium der WTO nochmals bestätigt. Die WTO befand, dass diechinesischen Exportzölle und -quoten auf Seltene Erden nichtmit dem Schutz oder der Erhaltung der Umwelt gerechtfertigtwerden können, wenn gleichzeitig der inländische Abbau undVerbrauch nicht denselben Beschränkungen unterliegt.

Allerdings bedeutet das Ende der Exportquoten noch nicht dasEnde aller handels- und wettbewerbsverzerrenden Maßnahmenfür den Export Seltener Erden. Zum einen ersetzt China die Ex-

portquoten durch ein Exportlizenzsystem und behält damit auchweiterhin die Kontrolle über die Exporte von Seltenen Erden.Zum anderen werden aktuell immer noch mehr als 90 Prozentdes Weltmarktangebots in China gefördert, wo sechs (staatli-che) Konzerne den Markt dominieren. Nach Angaben der Bun-desanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) ist dieNachfrage nach Seltenen Erden zwar zuletzt etwas zurückge-gangen, unter anderem aufgrund erfolgreicher Substitutions-bemühungen sowie der zunehmenden Umstellung von LCD-auf LED-Technologie. Gleichwohl warnt der BDI vor einer ver-frühten Euphorie – angesichts der Monopolstellung Chinassollte sich die deutsche Industrie auch weiterhin um einen diver-sifizierten Rohstoffbezug bemühen, um möglichen Engpässenin der Zukunft vorzubeugen.

Ansprechpartnerin:Eva [email protected]

deutsche Wirtschaft einen Anteil von etwa 40 Prozent an denExportrückgängen im Russlandgeschäft. Nach einer Umfragevon Ost-Ausschuss und AHK rechnen 91 Prozent der befragtendeutschen Unternehmen 2015 mit einer Rezession in Russland,72 Prozent der befragten befürchten weitere Exportrückgängeim Russlandgeschäft.

Ausblick

Das in Minsk ausgehandelte Rahmenabkommen zur Überwa-chung des Friedensplans sieht auch trilaterale Verhandlungenüber die Umsetzung des EU-Assoziierungsabkommens derUkraine unter Beteiligung der EU und Russlands vor. Bekräftigt

wurde zudem die »Vision eines gemeinsamen humanitären undwirtschaftlichen Raumes vom Atlantik zum Pazifik«. Die deut-sche Wirtschaft hofft nun, dass diesen Vereinbarungen auchTaten folgen und es zu Gesprächen über vertiefte Wirtschafts-kooperationen bis hin zu einer gemeinsamen Freihandelszonekommt.

Ansprechpartnerinnen:Verena [email protected]. Christiane [email protected]

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Konstantes Wachstum in Subsahara-AfrikaKonstantes Wachstum in Subsahara-Afrika

Laut Weltbank nahm das Wachstum in Subsahara-Afrika 2014im Vergleich zu 2013 trotz regionaler Krisen leicht zu. Dasdurchschnittliche Wachstum stieg von 4,2 Prozent im Jahr 2013auf 4,5 Prozent 2014. Besonders Investitionen im Bereich Infra-struktur und Telekommunikation sowie der Ausbau des Finanz-dienstleistungssektors waren in Ländern wie Tansania, Nigeriaund Uganda Schlüsselfaktoren für ein stabiles Wirtschafts-wachstum. Auch die afrikanischen Währungen konnten sich, bisauf wenige Ausnahmen, wieder stabilisieren.

Der Ende 2014 veröffentlichte Regional Economic Outlook desInternationalen Währungsfonds (IWF) prognostizierte für 2015ursprünglich ein Wirtschaftswachstum von 5,75 Prozent. Beson-

ders für Länder mit niedrigem Einkommen wie die Elfenbeinküs-te, der Chad und die Demokratische Republik Kongo wird einWirtschaftswachstum von mehr als acht Prozent erwartet.Durch den Verfall des Ölpreises musste der IWF seine Pro-gnose im Januar 2015 jedoch auf 4,9 Prozent korrigieren.Neben Südafrika und Angola ist besonders Nigeria als größterÖlproduzent des Kontinents vom aktuellen Verfall des Ölpreisesbetroffen. Der IWF erwartet derzeit für Nigeria ein Wachstumvon 4,8 Prozent anstatt der Ende 2014 prognostizierten 7,3 Pro-zent. Als bevölkerungsreichstes Land mit der größten Volkswirt-schaft südlich der Sahara vor Südafrika hat die wirtschaftlicheEntwicklung Nigerias daher direkte Auswirkungen auf das zu er-wartende Wirtschaftswachstum des gesamten Kontinents.

Andererseits sind sowohl der IWF als auch die Weltbank opti-mistisch, dass der Kontinent durch Investitionen vor allem imBereich Infrastruktur, Landwirtschaft und Ausbau des Dienst-leistungssektors auch weiterhin an Attraktivität gewinnen wird.Besonders eine Einbindung in globale Wertschöpfungsketten istdabei Voraussetzung für nachhaltiges Wachstum.

Für deutsche Unternehmen bleibt Subsahara-Afrika damit eininteressanter Wachstumsmarkt. Dank der Erweiterung der Absi-

cherungsmöglichkeiten deutscher Exporte können Ausfuhren indie Länder Äthiopien, Kenia, Ghana, Mosambik, Nigeria undTansania nun auch für öffentliche Besteller über Exportkreditga-rantien, sogenannte Hermesdeckungen, abgesichert werden.

Ansprechpartnerin:Jennifer [email protected]

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BDI-Aussenwirtschafts-Report 1 | 2015 28

Vietnam: FTA auf ZielgeradenVietnam: FTA auf Zielgeraden

Die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen (FreeTrade Agreement, kurz FTA) der Europäischen Union mit Viet-nam können eventuell bereits in der ersten Jahreshälfte 2015abgeschlossen werden. Die letzte Verhandlungsrunde fand imJanuar statt; die nächste Verhandlungsrunde ist für AnfangMärz (9. – 13. März) geplant. Dies könnte die letzte Verhand-lungsrunde werden.

In den letzten Jahren weist Deutschland ein wachsendes Han-delsbilanzdefizit mit dem südostasiatischen Land auf (s. Grafik).Damit die deutsche Wirtschaft besser von der Transformation inVietnam profitieren kann, müssen folgende Punkte im FTAadressiert werden:

Mit Ausnahme von Gebrauchtwagen, gebrauchten Textilien, In-dustrieabfällen und Salz bietet Vietnam an, alle Importzölle aufIndustrieprodukte zu beseitigen. Um den Marktzugang zu ver-bessern, sollte Vietnam jedoch überdies deutlich kürzereZeiträume für den Abbau der Importzölle auf Industrieprodukteakzeptieren. Bislang sind lange Übergangsfristen von zehn Jah-ren für Kraftfahrzeuge und von sieben bis zehn Jahren für Ma-schinen und Chemieprodukte vorgesehen. Kritisch sieht derBDI, dass Vietnam die Möglichkeit zur Zollrückvergütung nichtaufgeben möchte. Außerdem hat sich Vietnam noch nicht bereiterklärt, langfristig auf Ausfuhrzölle zu verzichten.

Die deutsche Zuckerindustrie spricht sich unter anderem auf-grund hoher, teils illegaler Zuckerimporte Vietnams aus Thai-land und damit ungleicher Wettbewerbsbedingungen dagegenaus, den EU-Markt für Zucker und stark zuckerhaltige Produktezu öffnen.

Der BDI setzt sich ferner für einen wesentlich verbesserten Zu-gang zu öffentlichen Aufträgen in Vietnam ein. Die im vietname-sischen Angebot einbezogenen Regierungsstellen sind nichtausreichend. Enthalten sind neben der zentralen Ebene unteranderem Hanoi City, Ho-Chi-Minh-City und teils die zivile Be-schaffung des Verteidigungsministeriums und einige zusätzlicheDienstleistungen. Offen sind zum Beispiel noch die Einbezie-

hung von Bauleistungen bei Vergabe durch das Verkehrsminis-terium und die weitere Einbeziehung von sub-zentralen Einhei-ten sowie Versorgungs- und Staatsunternehmen. Besondersunbefriedigend ist der von Vietnam angebotene Schwellenwert,ab dem die Ausschreibungsregeln gelten. Dieser liegt für zen-trale Regierungsstellen mehr als 15 Mal so hoch wie der Stan-dard im Abkommen der Welthandelsorganisation über das öf-fentliche Beschaffungswesen.

Auch wichtig für die deutsche Industrie sind die Vereinbarungenzum Investitionsschutz in dem FTA. Leider ist zu erwarten, dassdas Investitionsschutzniveau deutlich hinter dem des geltendendeutsch-vietnamesischen Investitionsförderungsvertrags zurückbleiben wird. Zum Abbau beziehungsweise zur Vermeidungnicht-tarifärer Handelshemmnisse sollten die Verhandlungspart-ner Informations- und Konsultationsmechanismen vereinbaren.Spezifische regulatorische Vereinbarungen werden zum Bei-spiel für den Pharmasektor vorgesehen, sind aber insbeson-dere für den Automobilsektor noch nicht weitreichend genug.

Ansprechpartner:Eckart v. [email protected][email protected]

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China will öffentliches Auftragswesen weiter öffnenChina will öffentliches Auftragswesen weiter öffnen

Ende Dezember 2014 hat China ein verbessertes Angebot fürden Beitritt zum Abkommen über das öffentliche Auftragswesen(Government Procurement Agreement, kurz GPA) der Welthan-delsorganisation (WTO) vorgelegt. Es gilt jedoch als sicher,dass die GPA-Mitglieder noch weitgehendere Zugeständnisseeinfordern werden.

Wann China gegebenenfalls ein verändertes GPA-Angebot vor-legen wird, ist offen. Das GPA liberalisiert den Zugang zum öf-fentlichen Auftragswesen zwischen seinen Mitgliedern. Für denBDI ist die Erweiterung des GPA um weitere Staaten ein zentra-les Anliegen, da das öffentliche Auftragswesen durchschnittlich10 bis 15 Prozent des Bruttosozialproduktes eines Landes aus-macht und dieser Markt in vielen Industrie- und Schwellenlän-dern außerhalb der EU sehr abgeschottet ist. Dem GPA

gehören derzeit 15 Parteien an, die 43 WTO-Mitglieder umfas-sen (unter anderem die USA, Japan und die EU mit 28 Mit-gliedsstaaten). China hat sich im Beitrittsprotokoll zur WTO von2001 dazu verpflichtet, Mitglied des GPA zu werden.

Obwohl das inzwischen fünfte Beitrittsangebot Chinas als ver-traulich gilt, ist es im Januar über die Presse veröffentlicht wor-den. Zu den Verbesserungen im Vergleich zum vorherigen An-gebot zählen, dass 15 statt zehn der 22 Provinzregierungen er-fasst werden. Die Schwellenwerte, ab denen die Verpflichtun-gen des GPA gelten würden, wurden weitgehend auf den Stan-dardwert der übrigen Mitgliedsstaaten abgesenkt. Im Angebotsind mehr Dienstleistungen und weitere wichtige Bauleistungenwie Tief- und Ingenieurbau sowie Lager- und Industriegebäudeeingeschlossen. Übergangsfristen wurden verkürzt.

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BDI-Präsident und B7-Gastgeber Ulrich Grillo auf dem B20 Coalition Meeting in IstanbulBDI-Präsident und B7-Gastgeber Ulrich Grillo auf dem B20 Coalition Meeting in Istanbul

Anlässlich des zweiten B20C Plenary Meetings am 18. und 19.Januar in Istanbul traf BDI Präsident Ulrich Grillo den B20C-Vorsitzenden und CEO der Kanadischen Handelskammer, Per-rin Beatty, sowie Haluk Dinçer, Präsident des türkischen Indus-trieverbands TÜSIAD und Gastgeber der türkischen B20-Präsi-dentschaft 2015.

Ziel des B20C-Treffens war es, die inhaltlichen Schwerpunktedes nächsten Jahres zu verabschieden und den Austausch derMitglieder zu festigen. Als aktives Mitglied der B20C hat der BDIdie Federführung beim Thema »Digital Economy«übernommen.

Im Jahr 2015 hat die Türkei den Vorsitz über die G20 von Aus-tralien übernommen und richtet damit im November das kom-mende G20-Gipfeltreffen der Staats-und Regierungschefs aus.Neben dem Forum der G20 Business (B20) wurde im Jahr 2012auch die »B20 Coalition« (kurz: B20C) gegründet. Während dieB20 als informelles, jährlich rotierendes Wirtschaftstreffen auchUnternehmen und international ausgerichtete Organisationen

wie BIAC, ICC oder auch die IOC aufnimmt, ist die B20C einständiger Zusammenschluss der führenden nationalen Wirt-schaftsverbände. Die B20C dient dem kontinuierlichen Aus-tausch und zeichnet sich durch die starke Verankerung in dernationalen Politik aus.

Im Rahmen des B7-Summits 2015 kommt es zum nächstenWiedersehen im Frühjahr 2015 in Berlin. Deutschland hat imJuni 2014 die Präsidentschaft der G7 übernommen und richtetdamit das nächste Gipfeltreffen der Staats- und Regierungs-chefs am 7. und 8. Juni 2015 in Schloss Elmau (Bayern) aus.Der BDI hat die Aufgabe übernommen, den B7-Summit 2015 zuveranstalten. Dazu hat der BDI die G7-Wirtschaftsverbände am19. und 20. Mai 2015 nach Berlin eingeladen.

Ansprechpartner:Quirin [email protected]

Der BDI hält nach erster Prüfung der chinesischen Offerte deut-liche Nachbesserungen für unverzichtbar. China sollte alle Pro-vinzen, Versorgungs- und Staatsunternehmen dem GPA unter-stellen. Das Gleiche gilt für die autonomen Regionen und diekommunale Ebene, die noch gar nicht berücksichtigt sind.Außerdem sollten die Baudienstleistungen möglichst voll erfasstwerden. Nachholbedarf besteht ebenfalls bei den übrigenDienstleistungen. Diese unterliegen im aktuellen Entwurf einerzu engen Definition, wodurch ein Großteil, der im GPA-Stan-dard üblichen Dienstleistungen ausgeklammert wird. DerSchwellenwert ist generell im Dienstleistungsbereich und insbe-sondere im Baubereich auf den GPA-Standard abzusenken,

möglichst sogar auf den niedrigeren EU-Standard. Außerdementhält das revidierte Papier in den allgemeinen Ausführungennach wie vor generelle Ausnahmetatbestände beispielsweisezum Schutz »wichtiger nationaler Politikziele« oder zur Berück-sichtigung von lokaler Fertigung und zum Technologietransferin den Ausschreibungsbedingungen. Diese sind aus Sicht derdeutschen Industrie in dieser Form nicht akzeptabel.

Ansprechpartner:Eckart v. [email protected]

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BDI-Außenwirtschafts-ReportBDI-Außenwirtschafts-Report

Der BDI-Außenwirtschafts-Report informiert quartalsweise überaktuelle außenwirtschaftliche Trends. Beleuchtet werden dieEntwicklungen der Weltwirtschaft und der deutschen Außenwirt-schaft. Deutschland ist Vizeweltmeister im Export, Ausfuhrenmachen etwa die Hälfte des deutschen BIP aus. Insgesamthängen in Deutschland ein Viertel der Arbeitsplätze vomAußenhandel ab. Die weltweite wirtschaftliche Verflechtunggehört nach wie vor zu den wichtigsten wirtschaftlichen Erfolgs-strategien Deutschlands.

Der BDI-Außenwirtschafts-Report erscheint seit dem Jahr 2000und wird quartalsweise an fast 3.000 Leser aus Politik, Verwal-tung, Wirtschaft und Wissenschaft verschickt, in englischerSprache unter dem Namen BDI Foreign Economic Report zu-sätzlich an einen internationalen Leserkreis. Regelmäßig wer-den die Ergebnisse der BDI-Branchenumfrage zu den Ex-portaussichten der deutschen Industrie präsentiert.

BDI-Außenwirtschafts-Report abonnieren:>> www.aussenwirtschaftsreport.deBDI-Außenwirtschafts-Report abonnieren:>> www.aussenwirtschaftsreport.de

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Herausgeber: Bundesverband der Deutschen Industrie e. V.Breite Straße 29; 10178 Berlin

BDI-AußenwirtschaftstermineBDI-Außenwirtschaftstermine

19.03.2015 EIB-KfW-BDI-Finanzierungsveranstaltung Investitionen in Schwellen- und

EntwicklungsländernBerlin

13.04.2015 BDI-Ausschuss Außenwirtschaft Hannover

13.04.2015 Partnerland-Summit zu Indien mit Premierminister Modi (Hannover Messe) Hannover

17.04.2015 BDI-Arbeitskreis Exportkreditversicherung/Exportkreditfinanzierung Berlin

22.04.2015 BDI-Arbeitskreis USA Berlin

19.05.2015 B7-Gipfel (2 Tage) Berlin

25.09.2015 BDI-Arbeitskreis Zoll Berlin

01.10.2015 BDI-Ausschuss Außenwirtschaft Genf

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Redaktion: Dr. Stormy-Annika Mildner, Dr. Christoph Sprich (V.i.S.d.P.), Sonja WanjekDie Verantwortung für die Inhalte der Fremdbeiträge tragen die jeweiligen Autoren.