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82 Alexander Schmidt: Beobaehtungen in 0st-Preussen fiber Syrnium ura~ense. Von Alexander Sehmidt, KSnigl. ~'orstreferendar. Als ich im December vorigen Jahres (1883) in das Revier Gauleden (Regierungsbezirk K(inigsberg) kam, machte reich Herr OberfSrster Hoffmann aufmerksam auf das Vorkommen der yon ihm schon beobachteten Uraleule und gab mir den Ruth, dieselbe mSglichst zu schonen und nach Kraften zu beobachten, da es immerhin m~iglich seiu kSnnte, dass der Kauz im Reviere brute. Sehon in den ersten Tagen meines dortigen Aufenthaltes sah ich eine Uraleule, welche sich Abends bei eintretender D~mmerung auf einer jungen Sehlagfi~iehe einstellte und hier nach Miiusen jagte. Als ich nun bald nachher durch Beobaehtung mehrerer anderer Uraleulen in benachbarten Jagen die Ueberzeugung gewonnen butte, dass diese Art im Reviere keineswegs wenig vertreten sei, fasste ich den Entschluss, eine zu erlegen. Am Tage nach Weihnachten gelang es mir denn auch, ein sehr schSnes Exemplar zu schiessen. Dieses hatte sich gewohnheits- m~issig auf der oben erw~hnten Schlagfi~che bei eintretender Ditmmerung wieder eingefunden. Wegen etwas zu grosser Entfernung war der erste Schuss unsicher; die Kugel schlug nur einige Seitenfedern ab. Der Kauz strich weg, hakte aber bald wieder ungefiihr 200 m yon mir auf; ohne besonders gute Deckung schlich ich nun auf ca. 100 m an uud gab ihm einen zweiten Schuss, welcher tSdtlich wirkte. Bei Untersuchung fund ich, dass an einem Fliigel die Spitzen der 3 ersten Schwingen fehlten, die unbedingt yon einer dritten Kugel abgeschlagen sein mussten. Ich maehte Herrn Hoffmann hiervon Mittheilung und erfuhr, dass er auf derselben Schlagfi£che ungefahr 4 Wochen vorher nach einem Kauz gesehossen, seine Kugel aber nur die Spitzen dreier Schwingen abgeschnitten h~itte, welche letztere er aufbewahre. Es war ftir reich leicht, zu eonstatiren, dass diese yon meinem Exemplare herrtihrten. Ich erw~ihne diese Thatsache, um die aueh aus zahlreichen spiiteren Beobaehtungen gefolgerte Behauptung zu begriinden, dass der Uralkauz sehr wenig seheu ist Und nicht, wie ich in einem unserer bcsten zoologischen Werke gelesen, ,,gegen StSrungen

Beobachtungen in Ost-Preussen überSyrnium uralense

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82 A l e x a n d e r S c h m i d t :

Beobaehtungen in 0st-Preussen fiber Syrn ium ura~ense.

Von

Alexander Sehmidt, KSnigl. ~'orstreferendar.

Als ich im December vorigen Jahres (1883) in das Revier Gauleden (Regierungsbezirk K(inigsberg) kam, machte reich Herr OberfSrster Hoffmann aufmerksam auf das Vorkommen der yon ihm schon beobachteten Uraleule und gab mir den Ruth, dieselbe mSglichst zu schonen und nach Kraften zu beobachten, da es immerhin m~iglich seiu kSnnte, dass der Kauz im Reviere brute.

Sehon in den ersten Tagen meines dortigen Aufenthaltes sah ich eine Uraleule, welche sich Abends bei eintretender D~mmerung auf einer jungen Sehlagfi~iehe einstellte und hier nach Miiusen jagte.

Als ich nun bald nachher durch Beobaehtung mehrerer anderer Uraleulen in benachbarten Jagen die Ueberzeugung gewonnen butte, dass diese Art im Reviere keineswegs wenig vertreten sei, fasste ich den Entschluss, eine zu erlegen.

Am Tage nach Weihnachten gelang es mir denn auch, ein sehr schSnes Exemplar zu schiessen. Dieses hatte sich gewohnheits- m~issig auf der oben erw~hnten Schlagfi~che bei eintretender Ditmmerung wieder eingefunden.

Wegen etwas zu grosser Entfernung war der erste Schuss unsicher; die Kugel schlug nur einige Seitenfedern ab. Der Kauz strich weg, hakte aber bald wieder ungefiihr 200 m yon mir auf; ohne besonders gute Deckung schlich ich nun auf ca. 100 m an uud gab ihm einen zweiten Schuss, welcher tSdtlich wirkte. Bei Untersuchung fund ich, dass an einem Fliigel die Spitzen der 3 ersten Schwingen fehlten, die unbedingt yon einer dritten Kugel abgeschlagen sein mussten. Ich maehte Herrn Hoffmann hiervon Mittheilung und erfuhr, dass er auf derselben Schlagfi£che ungefahr 4 Wochen vorher nach einem Kauz gesehossen, seine Kugel aber nur die Spitzen dreier Schwingen abgeschnitten h~itte, welche letztere er aufbewahre. Es war ftir reich leicht, zu eonstatiren, dass diese yon meinem Exemplare herrtihrten.

Ich erw~ihne diese Thatsache, um die aueh aus zahlreichen spiiteren Beobaehtungen gefolgerte Behauptung zu begriinden, dass der Uralkauz sehr wenig seheu ist Und nicht, wie ich in einem unserer bcsten zoologischen Werke gelesen, ,,gegen StSrungen

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hiiebst empfindlich ist und, wenn er Gefabr vermuthet, sofort seinen Stand verl~isst."

In einer unweit meiner Wohnung liegeaden Fichtendickung fand ich eines Tages eine Uraleule, welche eine Hiihle am Wurzel- knoten einer Espe zur Wohnung gew~thlt hatte. In derselben lagen zahlreiche GewSlle yon 6--8 cm Li~nge, 3 cm St~trke, walzen- fSrmiger Gestalt, schleimig glatter Oberfl~iche und hellgrauer Farbe. Der Kauz kehrte schon am folgenden Tage zu der HShle zurttek und bewohnte dieselbe his Ende M~irz, um sie alsdann g~nzlich aufzugeben. Ich konnte mieh fast stets auf 2--3 m d e r HShle n~thern, ehe derselbe herausstrieh.

Einen anderen Uralkauz traf ich verschiedene Male unter einer mit dicht herabh~ngenden Zweigen versehenen Fiehte~ welche in einem Erlenbrueh steht, am Boden sitzen. Ich untersuchte s~immt- liche Gew(ille~ welche mir im Laufe des Winters zur Hand kamen, und land niemats etwas anderes in denselben als Haare und Knochen yon M~usen.

Bei mehreren Treibjagen striehen mir Uraleulen an; dieselben hakten sehr oft vor den Treibern auf, sahen aber sehr seharf um sieh uad vernahmen reich schou auf ziemlieh weite Entfernung. So oft ich den Kauz habe fliegen sehen (wiihrend des Winters und beim Brutplatz), niemals habe ich ein S c h w e b e n oder R a u s e h e n - - yon welchem Brehm berichtet - - beobachtet. Er streieht mit sanftem, unh5rbarem Fl~igelschlag und mitunter un- gemein schnell, selbst im gesehlossenen Holze.

So still und verborgen die Uraleule die Winterszeit bin bringt, ebenso auffiillig und bemerklich macht sie sich durch ihr reges Wesen zur Zeit der Fortpfianzung.

Diese beginnt in den letzten Tagen des Monats Miirz und kfindigt sich durch das auffallend hi~ufige Erseheinea der Eule am Tage, durch die Ver~tnderung des seitherigen Aufenthaltes, welcher nun nach alteren Besti~nden in der N~ihe freier Flliehen (Schl~ge, Wiesen, Moore) verlegt wird, an.

Mit dem 28. Miirz begannea zahlreiche Uraleulen im Revier ihre Stimmen vernehmen zu lassen, und sah ich yon diesem Tage ab dieselben fast stets in Paaren.

Allabendlich, wenn eben die D~immerung hereinzubreehen be- gann, kurz vor der Zeit des .Schnepfenzuges, erschien gewShnlieh das Weibehen auf der yon dem Paare nun bestimmt gewahlten Sehh.~iche, ~fri~:]~ c!ni~e ~Me zioml~ch tief tiber den Boden hin

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und hakte sehliesslich auf dem dtirren Aste eines alten UeberhNters auf. Von bier aus jagte es einige Zeit nach Dungkafern, welche in der warmen Abendluft an ihm vor~iber summten und welche es in sehr geschickten Wendungcn mit den Fiingen zu haschen ver- stand und sofort verzehrte. Die erstmalige Beobachtung dieser Thatsache machte ich in Gemeinschaft mit Herrn OberfSrster Hoff- mann am 29. Nfiirz d. ;Is. (1884).

Naeh Beendigung dieser Jagd Hess dasselbe seinen Paarruf vernehmen. Derselbe klingt wie ein kurzer, rauh-kreischender Trompetenstoss und hat entfernte Aehnliehkeit mit dem Sehreien des Fischreihers. Der Vogel wiederholt ~ denselben in Intervallen yon 2 his 3 Minuten sehr oft, mitunter bis 20 Mat.

Nach einiger Zeit wurde auch das NIiinnehen rege und be- antwortete aus dem nahen Hochbestande den Ruf des Weibchens mit ether Stimme, welche dem dumpfen, kurz abgebroehenen Bellen eines sehr starken Hundes ~thnelt~ das man auf weite Entfernungen bin etwa im Walde vernimmt. Dieser Ton, welcher nieht die ge- ringsteAehnlichkeit mit dem desWeibchens besitzt, wird gewShnlieh 3--4 Mal scMell hinter einander in Zeitabstttnden yon ca. 8 bis 10 ~inuten bis in die sinkende Naeht hinein wiederholt; er besitzt eine solche Kraft, dass man ihn auf Entfernungen yon mehr als 2000 m hiiren kann, wiihrend man den des Weibchens kaum auf 150 m hin zu vernehmen vermag.

Diese seltsam klingenden Rufe h6rte ich in tier ersten Periode der Fortpflanzungszeit der Eule auch am frtihen ~orgen bet an- breehender D~immerung.

Sie scheinen die einzigen Lautiiusserungen des Uralkauzes zu seth, da er nur diese vor und w~thrend des Bratens, beim Filttern der Jangen, bet der Vertheidigung gegen andere VSgel, bet den heftigen Angri,ffen, die er auf mich machte, wiihrend ich seinen Horst bestieg, beim pliitzliehen Anbliek eines Feuers in der Nacht etc. vernehmen liess.

Am Ab~nd des 4. April lockte ich im Jagen 118 des Reviers ein Uraleulenpaar dutch Spitzen (Nachahmen des Tones ether Maus), welchem dasselhe sehr eifrig folgte, an mein Versteck heran and erhielt durch gltickliche Ftigung des Zufatles Gelegenheit, den Begattungsakt zu beobaehten, bei.welehem das Weibchen sich mit halbausgebreiteten t~lfigeln und aufgebl~ihtem Gefieder unter fort- wlihrender Aeusserung des oben erw~ihnten Tones auf einem dicken Baumast in dessea L~ngsrichtung niederbeugte.

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Diesem Zufall ist es zu verdanken~ dass ieh zu constatireu vermoehte, you welchem Gesehleehte die vorbezeichneten Rule ge- ~tussert worden.

Unweit dieser Stelle, wo die Begattung stattgefunde% land ich am Nachmittag des 5. April einen yon der Uraleule besetzten Horst, welcher einem Bussard fl'fiher als Wohnung gedient haben mochte, uud in dem diehten Gezweige einer ~tstigen Fiehte angebracht war.

Er enthielt ein Ei tier Uraleule, welches dieselbe bebrfitetc. An den folgenden Tagen sah ich fiber jener Stelle, welche

ich vorlaufig nicht besucheu wollte, ein Bussardenpaar kreisen. Am 10. April bemerkte ieh die weibliche Uraleule auf der

benachbarten Sehlagfi~tche, unaufhSrlich schreiend, ~tusserst unruhig uud ~ngstlich umherziehen.

Am 12. bestieg Herr Naturforscher Hartert, welcher sieh eifrig an meinea Beobachtungen betheiligte, den Horst und land in dem- selben 1 Ei tier Uraleule und 3 Eier yore ~[gusebussard. Am iblgenden Tage strich nach l~ingerem Klopfen ein Bussard vom Horste ab. Herr Hartert nahm das seltsame Gelege aus, welches ich ihm fiberliess. Der Uralkauz war unzweifelhaft yon dem Bussard aus seiner Wohnung vertrieben worden.

Am 6. April entdeckte ich in einem anderen Jagen cinch zweiten yon der Uraleule besetzten Bussardhorst. Derselbe stand auf einer Birke, in liehtem Bestande, ziemlieh hoeh fiber der Erde (14 m). Schon yon weitem war an dem senkrecht aufstehenden und im Winde flatternden Schwanze des Kauzes zu erkennen, dass derselbe yon ihm bewohnt war, Dfirch diese eigenthfimliehe Stellung des Sch.wanzes beim Brtiten, welche ieh stets beobaehtet habe, wird alas Aufsuchen der Nester unseres interessanten Kauzes wesentlich erleichtert.

Am 4. April war der mir wohlbekannte Horst noch nicht besetzt; das Brutgeseh~tft musste also eben erst begonnen haben.

Ieh bestieg den Baum, aus Furcht die Eule zu stSren, vor- liiufig nicht, sondern beobachtete blos das Benehmen des Vogels bei dem Horste.

Es wfirde reich zu weit ffihren, die Beobachtungen eines jeden Tages zu sehildern, und fasse ich deshalb dieselben zusammen.

Es brfitet nur das Weibchen. Dieses verliisst am Abend bei einbrechender Naeht und am Morgen lange vor der ersten D~immerung den Horst, um zu jagen.

Im ersten Drittel der Brutperiode (yore 5. his 14. April) bleibt

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es 2--3 Stunden dem Horste fern; im zweiten Drittel (15. bis 24. April) kehrt es schon nach 1 bis 2 st~indiger, im letzten Drittel (24. April bis Anfang Mai) schon nach I/2 bis 3/4 standiger Abwesenheit zum Neste zuriick.

Im ersten Drittel der Zeit sucht es seine Nahrung allein, im 2. und letzten Drittel ~r/igt ihm das M~innchen einige, jedoch nicht ausreichende :Nahrung zu. Bis zum letzten Tage der Brutzeit ist das Weibchen immer gezwungen, noeh selbst auf Beute aus- zugehen.

Es sucht diese auf freien Fl~tchen und scheint sich meist mit M~iusen und K~fern, welche letztere es aus der Luft greift, zu be- gntigen; nur ein Mal habe ich beobachtet, dass es ein Eichkiitzchen schlug.

Ich g]aube, dass aus dem Grunde der Uralkauz scinen Brut- platz in der N~the freier Fliichen legt, damit das Weibchen in den wenigen Stunden freier Zeit wiihrcnd des BrUtens leicht und schnell zur Nahrung gelangen kann. Sobald das Weibchen den Horst verl~tsst, lockt es durch seinen Ruf das M~tnnchen herbei, welches sofortige Folge leistet und den Wachdienst tiber die geliebte Brut ttbernimmt.

In der I~iihe des Horstes finden sich niemals GewSlle vor. Am 2. Mai bestieg ich morgens den ttorst und land 2 Eier

vor. Am hbend desselben Tages waren die Jungen ausgefallen. Von Schaalenresten war nichts zu finden.

Dieser Horst war mit grttnem Fichtenreisig am Rande belegt, im Inneren aber nicht weiter ausgebaut.

Das Weibchen verliess die Jungen sehr ungern und hakte dicht neben mir auf.

Die Jungen waren klein (ebenso gross wie die Jungen eines Waldkauzes), yon schneeweisser Farbe, hatten bleiblauen Schnabel und Krallen, waren iiusser~t beweglich, gaben einen leisen, pfeifcnden Ton von sich uncl hatten die Augen noch fast vollstiindig geschlossen.

Neben ihnen lag der Vorderkiirper einer Arvicola amphiSius, welchen das M/innchen im Laufe des Tages herangeschleppt haben musste. Kaum hatte ich den Horst verlassen, als das Weibchen, welches" mittlerer Weile durch lautes Rufen das M~tnnchen herbei- gezogen hatte, auf denselben zur~ickkehrte, die Jungen in ihre vorige Lage (mit den Seiten dicht zusammen, die Kiipfe naeh ver- sehiedener Richtung) brachte und sie, den Kopf tief in den Horst

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gedrfiekt, den Hinterleib sehr stark gehoben, mit der Brust be- deekte.

Am Abend dieses Tages verliess das Weibehen einige Minuten die Jungen, hakte auf dem niichsten Baume auf, ring laut zu schreien an, wurde yon dem herbeigerufenen Miinnehen gefiittert und strich dana wieder zum Horste.

Von nun ab bestieg ich tiiglich und mitunter aueh zur :Nacht- zeit den Horst, bis die Jungen fl~igge waren -- im Ganzen 34 Mal.

Ich will auch hier wieder, yon tier Darstellung tier tiigliehen Beobachtungen abstehend, nur die Hauptresultate erw~thnen.

Es brachte der Zufall, dass ich am 1. Mai das Gelege eines Waldkauzes (St. aluco) fand (dasselbe befand sich in einer hohlen Espe), aus welchem die Jungen schon am 4. auskamen. Ich nahm am 6. eines dieser Jungen aus und setzte es in den Horst der Uraleule, um mit den anderen Beobachtungen vergleichende Studien fiber Entwicklung tier beiden nahe verwandten Eulenspecies zu verbindeu.

Die alten Uraleulen nahmen sich des Fremdlings sofort an und ernahrten ihn wie die eigenen Kinder. Ich fand sofort einen Unterschied zwischen den Nestlingea beider Arten, welcher darin bestand, dass der junge aS~co am Tage die Augen stets fast ge- schlossen hielt, w~ihrend die Uraleulen die ±ugen immer vollstiindig often hatten.

Vom 10. Lebenstage ab traten bei beiden £rten wesentliche Versehiedenheiten hervor. Der Sehnabel des Waldkauzes blieb blau, w~h~end derselbe bei den jungen Uraleulen in der ganzen vorderen Hiilfte und auf der Firste aus der blauen in eine intensiv gelbe Farbung iiberging.

Das Innere des Mundes behielt bei ersterem seine bl~tuliche Fiirbung und fitrbte sieh bei letzteren rothgelb (w~thrend es anfangs auch blau gefitrbt war); ebenso verhielt es sich mit der anfiinglieh bei beiden Arten gleichen F~irbung der Krallen.

Das mit dem 12. Lebenstage bei beiden Species auftretende erste Schleiergefieder hatte eine hellgraue F~rbung.

Bei dem jungeu aluco blieb diese Farbe, wiihrend sie bei den Uraleulen schon naeh 4--5 Tagen einen hellgelben und nach 3 weiteren Tagen einen schmutziggelben Ton annahm.

Die sieh zu derselben Zeit stark entwiekelnden Schnabelborsten ~berragten bei den Uraleulen schon naeh wenigen Tagen bei weitem

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die NasenlScher, wiihrend sie bei aluco diesetben sparer kaum er- reichtem

Das flaumige Zehengefieder wuehs bei ersterer Art dicht filzig bis tief herab zu den Krallen~ bei letzterer spiirlich und kaum bis zur halben Zehenliinge.

Der junge aluco zeigte stets, wenn ieh reich dem Horste n~therte, ein geduldiges, wenig seheues Wesen, wShrend die jungea Uraleulen ~iusserst seheu und bSsarlig waren, sich auf den Rticken warfen und mit Sehnabel und Fiingen heftig nach mir sehhlgen. Naehdem ich sie sehliesslieh beruhigt hatte, nahmen sie mir ebenso wie der junge Waldkauz mitgebrachte Stticke yon VSgetn aus der Band.

Am 23. ~ai sprang ein junger Uralkauz~ als ich den Horst bestieg, aus demselben~ und schiekte ich diesen mit einem jungen aluco, weleher aus demselben Neste stammte, aus welchem ich den in den Uraleulenhorst eingesetzten entn0mmen hatte, an Herrn Prof. Altum.

Am 28. Mai verliess der junge Uralkauz den Horst, w~hrend der Waldkauz zuriickblieb. Der letztere wurde zwar noeh ge- fiittert, aber nieht mehr geschtitzt und vertheidigt yon dem alten Uraleulenpaar.

Die Nahrung der Jungen, auf welche ich sorgfitltig achtete, bestand in: Eiehk~ttzehen (deren ich tiber 10 Stack auf dem Horste fand), jungen Tauben, Kukuk, Hehern, unz~hligen Arvicolinen und Marinen und zahlreiehen kleinen VSgeln verschiedener Arten, als Zaunkiinig, Goldammer, Lat~bs~tnger etc.

Niemals fand ieh aber auf dem Horste eine Spur von Resten junger Rehe und Hasen, die auf tier nahe beim B~utplatz liegenden Sehtagfliiehe sehr leicht zu erbeuten gewesen w~tren. Jagdlich sch~idlich seheint hiernach der Uralkauz nicht zu sein. Die Nahrung wurde yon Miinnehen und Weibchen gemeinsehaftlieh den Jungen gebraeht und sehr hi~ufig am Tage gesucht. SobaId die Jungen st~trker und wehrhafter geworden waren~ wurden sic oft stundenlang allein gelasseh.

Die alten Kiiaze waren in den ersten Tagen nach dem Aus- fallen der Jungen wenig gefiihrlich, wurden aber schliesslich iiusserst ktihn und verwegen. Sobald ich den Baum bestieg, auf welehem der Horst stand, lockte das gewShnlieh in der N~he befindliche Weibchen das M~innchen herbei und machte mit ihm gemeinsam auf reich Angriffe, welche mitunter s~ heftig und gefiihrlieh waren,

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dass ich schleunigst die Flucht ergreifen musstc. Ich musste das Gesicht, welches erhebliche Verletzungen erhalten hatte, dureh eine BienenmUtze schfitzen. Sehr oft schlugen die Alten mit den F~tngen durch die Kleidnng durch und verwundeten reich auf dem Riicken. H~tufig versuchten dieselben reich durch gewaltige StSsse mit der Brust herunterzustfirzen.

Ich vermochte zuletzt nur noch durch Abfeuern yon Schreck- schtissen mieh gegen die gefiihrlichen Angrifl~ zu sichern. Als ich den nach Eberswalde gesandten jungen Kauz nach Hausc trug~ verfolgten die Alten reich wohl tiber 1200 m welt.

Mitte Mai land ich in einem sehr welt ,con meiner Wohnung gelegenen Jagen einen ebenfalls yon Uraleulen besetzten Bussard- horst mit Jungen.

Ende Mai wurde eine 4. Brutstiitte dieser Eule - - eine gShlc in einer alten Linde - - entdeckt, in welcher sich zwei sehr schSne und starke Junge befanden. Die Hiihlung befindet sieh ungefithr 4 m fiber dem Boden. Ich land in derselben nut Reste yon Mitusen, gr~ssercn und kleineren VSgeln und Eichk•tzehen. Die beiden jungen Kauze~ welebe ich pr:,iparirt babe, sind ungleich stark. Der kleinere (jedenfalls M~tnnchen) besitzt nut 7 weisse Querbinden auf Brust und Leib, der grSssere (jedenfalls Weibchen) deren 11. Im Uebrigen ist das Gefieder bei beiden gleich gefitrbt.

Nach Vollendun$ des Brutgesch~ftes nimrat die Uraleule wieder ein ruhigeres Wesen an; sie verl~tsst am Tage nut noch selten das Versteck. Nur einmal noch hSrte ich nachber das Rufen einer solchen, als sie ein Feuer erblickte, welches ich zur :Nacht im Walde angezfimlet hatte.

Es dfirfte hinl~nglich bekannt sein, dass der Uralkauz bis jetzt erst einmal brfitend in Preussen gefunden worden ist (Revier Kranichbruch). Der Umstand, dass das Revier Gauleden, in welchem ich 4, verschiedene Brutstellen gefunden~ in Boden-, Bestands- und Culturverh~iltnissen sieh sehr wenig yon zahlreichen Nachbarrevieren unterscheidet, dfirfte zu der Annahme berechti~en, class die Eule in Ostpreussen weir h~tufiger vorkommt~ als man geglaubt hat. Ich hege die begrtindete Vermuthung, dass sie sogar in einigen westpreussischen Revieren noch vorkommt, und fibergebe diese Arbeit der Oeffentlichkeit mit dem Wunsche, class die wenigen Beobachtungen fiber unseren ostpreussischen Stand- und Brutvogel zur vollen Kenntniss seiner Lebensweise bald erweitert und ver- mehrt werden mSgen.