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stadt-konzept bürgerstr. 19 40219 düsseldorf tel 0211-3036491 fax 0211-1601457 [email protected] ______________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________ Kunst bewegt! Kunst- und Kulturprojekte an Schulen in Nordrhein Westfalen Eine qualitative Wirksamkeitsstudie zum NRW Landesprogramm ‚Kultur und Schule’ Autoren: Annette Aulke / Alexander Flohé / Dr. Reinhold Knopp

Bericht Kultur und Schule stadt-konzept · Projekten miteinander zu kommunizieren, ohne dass dies zu einem Stören führt oder getadelt wird. Die Kinder und Jugendlichen beschreiben

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stadt-konzept bürgerstr. 19 • 40219 düsseldorf • tel 0211-3036491 • fax 0211-1601457 • [email protected]

______________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________

Kunst bewegt! Kunst- und Kulturprojekte an Schulen in Nordrhein Westfalen

Eine qualitative Wirksamkeitsstudie zum NRW Landesprogramm ‚Kultur und Schule’

Autoren: Annette Aulke / Alexander Flohé / Dr. Reinhold Knopp

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Wirksamkeitsstudie „NRW Landesprogramm Kultur und Schule“ Bericht

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Inhaltsverzeichnis

Einleitung...................................................................................................................3

1 Zusammenfassung.......................................................................................5

2 Grundlagen der Untersuchung....................................................................8

2.1 Methodisches Vorgehen.................................................................................8

2.2 Auswahl der Projekte....................................................................................17

3 Untersuchungsergebnisse ........................................................................19

3.1 Anders wahrnehmen und agieren.................................................................20

3.2 Sich selbst und andere anders wahrnehmen................................................27

3.3 Es geht auch anders.....................................................................................32

3.4 Neues lernen ................................................................................................35

3.5 Zeigen und Präsentieren ..............................................................................37

3.6 Kulturelle Kompetenz....................................................................................40

3.7 Weitere Hinweise..........................................................................................44

4 Zusammenarbeit im Projekt.......................................................................49

5 Ergebnisse im Überblick............................................................................52

6 Schlusswort ................................................................................................55

Anhang.....................................................................................................................57

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Einleitung

‚Kunst bewegt!’ – dieser Titel steht für die Ergebnisse einer qualitativen Wirksamkeitsstudie, die von der Bürogemeinschaft stadt-konzept im Auftrag der Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen im Zeitraum Dezember 2007 bis März 2008 durchgeführt wurde. Untersucht wurden ausgewählte Projekte aus dem NRW-Landesprogramm ‚Kultur und Schule’.

Das Landesprogramm startete mit dem Schuljahr 2006/2007 und bereits im zweiten Projektjahr 2007/2008 werden mehr als 1.100 Projekte gefördert. Mit diesem Programm will die Landesregierung Künstlerinnen und Künstler mit Projekten aus allen Sparten der Kultur (Theater, Literatur, bildende Kunst, Musik, Tanz, Film und neue Medien) in die Schulen Nordrhein-Westfalens holen und somit die künstlerisch-kulturelle Bildung stärken. Da Bildung immer auch den Erwerb differenzierter Wahrnehmungs- und Ausdrucksmöglichkeiten und die Ausbildung einer ästhetischen Intelligenz umfasst, bieten Kunst und Kultur hierfür die besten Voraussetzungen. Jede Schülerin und jeder Schüler sollte – unabhängig von seiner familiären Herkunft – die Chance erhalten, im Laufe seiner Schulzeit mit möglichst allen Sparten der Kunst in Berührung zu kommen, um feststellen zu können, ob er oder sie zu einer oder mehreren eine besondere Neigung oder gar Begabung besitzt und sie auf Dauer aktiv ausüben möchte.

Der Staatssekretär für Kultur, Hans Heinrich Grosse-Brockhoff, stellt dazu in einem Beitrag bei der Tagung „Vom Mehrwert der Kunst“ am 3. November 2006 fest: „Für mich gehört zur Bildung nicht nur der Erwerb kognitiven Wissens, sondern auch die selbst bestimmte Wahrnehmung und der eigene kreative Ausdruck. Wir brauchen intentionsfreie Lernfelder, Kunsträume, in denen die Kinder und Jugendlichen sich selbst erfahren können, in Geist und Körper gleichermaßen (…) Unser Ziel muss sein, dass jedes Kind im Verlauf seiner Schullaufbahn mindestens einmal konkret mit den Künsten in Berührung kommt, mit der Musik, mit dem Tanz, mit der Malerei; zunächst rezeptiv, dann aber auch aktiv“ (zitiert nach: Kulturpolitische Mitteilungen Nr. 115, IV/2006).

Die Notwendigkeit einer fachliche Begleitung und Evaluation des Programms wurde bereits vor dem Start der ersten Ausschreibung im Schuljahr 2006/2007 festgestellt, so dass im Januar 2007 das Zentrum für Kulturforschung in Bonn beauftragt wurde, die Gesamt-Evaluation des Landesprogramms ‚Kultur und Schule’ zu übernehmen. Der Fokus dieser Untersuchung lag auf dem ersten Projektjahr. Neben der Auswertung sämtlicher Projektunterlagen wurden Gespräche mit Repräsentanten aller am Landesprogramm beteiligten Personengruppen (aus Kunst, Schulen, Fortbildungsinstitutionen, aber auch den

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Kommunen und Bezirksregierungen) geführt, alle beteiligten Künstlerinnen und Künstler und Schulen nochmals schriftlich befragt sowie – in ausgewählten Schulen - die Eltern um ein Meinungsbild gebeten. Der abschließende Bericht dieser Gesamtevaluation des Landesprogramms ‚Kultur und Schule’ wird in einer gesonderten Publikation vorgestellt.

Gegenstand der von stadt-konzept durchgeführten Studie, die als Ergänzung der Gesamtevaluation zum Landesprogramm beauftragt wurde, waren die Potenziale für die Entwicklung der an den Projekten beteiligten Kinder und Jugendlichen. Zentrales Thema der Studie war deshalb ihre Selbstsicht und die Veränderungen ihrer Wahrnehmungen und Einstellungen. Insgesamt zwölf Projekte, die sich in Hinblick auf das Alter der Schülerinnen und Schüler, der Schulformen, der regionalen Standorte und der Sparten unterschieden und damit ein Abbild der Vielfalt der Angebote im NRW-Landesprogramm ‚Kultur und Schule’ repräsentieren, wurden besucht. Die an diesen Projekten beteiligten Kinder und Jugendlichen wurden mit unterschiedlichen Methoden befragt. Die Außensicht auf deren Entwicklungen im Projekt wurde ergänzend durch eine Befragung der beteiligten Künstlerinnen und Künstler sowie Lehrerinnen und Lehrer ermittelt.

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1 Zusammenfassung

Welche Wirkungen haben die Projekte des NRW-Landesprogramms ‚Kultur und Schule’ bei den beteiligten Kindern und Jugendlichen? Um auf diese Frage eine erste ,Antwort zu finden, wurden im Zeitraum Dezember 2007 bis März 2008 zwölf ausgewählte Projekte besucht, die sich in Hinblick auf das Alter der Schülerinnen und Schüler, der Schulformen, der regionalen Standorte und der Genres unterschieden und damit ein Abbild der Vielfalt der Angebote im Landesprogramm repräsentierten. Ziel dieser Besuche war es, die Potenziale zu entdecken, die die Teilnahme an künstlerisch-kulturellen Projekten für die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen bietet. Der Blick war also auf das gerichtet, was durch die Projekte ermöglicht und warum dies ermöglicht wird.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Ziele des NRW-Landesprogramms ‚Kultur und Schule’ in den evaluierten Projekten in hohem Maße realisiert wurden. Bei den Interviews, Beobachtungen und Workshops zeigt sich, dass den Schülerinnen und Schüler durch die Zusammenarbeit mit Künstlerinnen und Künstlern differenzierte Wahrnehmungs- und Ausdrucksmöglichkeiten erfahren haben. Sie machten neue Erfahrungen im Bereich der ästhetischen Bildung und entwickelten in vielen Fällen auch ein neues Selbstbewusstsein. Hinsichtlich der Wirkungen auf die Kinder und Jugendlichen haben wir zur Veranschaulichung folgende Kategorien entwickelt, die in dem Bericht zu den Untersuchungsergebnissen vorgestellt und begründet werden:

„Wir nennen es kulturelle Kompetenz“ Dieses Zitat aus einer Diskussion bringt die Ergebnisse der Untersuchung auf den Punkt: Neue Sichtweisen, neue Fähigkeiten und ein gewachsenes Selbstbewusstsein sind einige der zu beobachtenden Wirkungen, die die Projekte bei den beteiligten Kindern und Jugendlichen unter guten Rahmenbedingungen hervor bringen können. Der Begriff ‚kulturelle Kompetenz’ bietet sich als Klammer an, mit der die Vielzahl von Wirkungen zusammengefasst werden können. Er beinhaltet über diese Verknüpfung der vielfältigen neuen Erfahrungen hinaus auch den Hinweis auf die Chance des Transfers: Eine neue, mit ästhetischer Wahrnehmung verbundene Sichtweise auf die eigene Lebenswelt. Der Erwerb von kultureller Kompetenz wird immer über Kunst und Kultur vermittelt. Die unmittelbare Zusammenarbeit mit Kunst- und Kulturschaffenden ist dabei ein wichtiger Bestandteil. Kulturelle Kompetenz ist weit mehr als Wissenserwerb. Diese Kompetenz geht auf die Mitwirkung bei einer künstlerischen Produktion zurück. Über die aktive Aneignung von Kunst und Kultur wird - mittelbar - auch ein anderer Zugang zu gesellschaftlichen Themen möglich.

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Anders wahrnehmen und agieren „Am Anfang habe ich gedacht, ist das gestört“ – kaum ein Zitat bringt es besser auf den Punkt als diese Äußerung einer 16jährigen Gymnasiastin, die an einem Performance-Projekt zum Thema „Nichts“ in Münster mitgemacht hat. In vielfältiger Weise werden die Schülerinnen und Schüler in den Kunst- und Kulturprojekten mit Neuem konfrontiert und ihre bisherigen Erfahrungen in Frage gestellt. Unabhängig von Alter, Schulform und sozialer Lage berichten Kinder und Jugendliche in den Interviews und Workshops mit ihren eigenen Worten davon, dass sie in den Kunst- und Kulturprojekten neue Formen der ästhetischen Wahrnehmung erfahren haben und in anderer Weise als bisher tätig geworden sind, gleich ob im Umgang mit Material und Technik oder in Bewegung und Ausdruck.

Sich und andere anders wahrnehmen Mit dem Anstoß, anders als bisher wahrzunehmen, verändern sich vielfach auch die Blickwinkel, mit denen die Akteurinnen und Akteure auf sich und auf ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter schauen. Sie nehmen sich und andere anders wahr. „Ich habe mehr Selbstvertrauen“, antworten viele der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, wenn sie nach den persönlichen Auswirkungen des Projektes befragt werden. Nicht übereinander lachen, sich gegenseitig unterstützen, sich daran freuen, wenn es bei anderen auch klappt, solche Äußerungen zeigen, dass in den Projekten eine Atmosphäre vorherrscht, die sich durch gemeinschaftliches Handeln auszeichnet.

Es geht auch anders Diese Atmosphäre gemeinschaftlichen Schaffens hat auch viel mit Erfahrung eines anderen Rahmens für das Arbeiten zu tun und kann auf die Überschrift gebracht werden: Es geht auch anders. Die erste Antwort auf die Frage, ‚was ist anders als im Schulunterricht?’ ist immer gleich: Man kann sich bewegen und darf herum gehen. Auch wird oft hervorgehoben, dass es immer wieder möglich ist, in den Projekten miteinander zu kommunizieren, ohne dass dies zu einem Stören führt oder getadelt wird. Die Kinder und Jugendlichen beschreiben ihrem jeweiligen Alter entsprechend sehr sensibel die besondere Situation im Projekt, die sie als deutlich anders als den Regelunterricht erleben. Dazu gehört auch die Wahrnehmung, dass die Künstlerinnen und Künstler sich anders verhalten, ihnen gegenüber anders auftreten, als dies den Lehrerinnen und Lehrern möglich ist.

Neues lernen Kunst braucht Kenntnisse, deshalb wurde in allen Projekten den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Weg zum Erwerb neuer Kompetenzen geöffnet. Diese neuen Kompetenzen unterscheiden sich von schulischen Qualifikationen und zeichnen sich vielfach durch besondere Alltagstauglichkeit aus. Beispiele dafür waren in allen Projekten zu finden, etwa wenn Viertklässler ihren Eltern die Funktionen der Digitalkamera erklären können und Realschülerinnen und -schüler

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unterschiedlicher Jahrgangsstufen sich als Filmkritikerinnen und -kritiker im Internet präsentieren. Über Tanz und Theater erwerben Kinder und Jugendliche neue Formen der Selbstdarstellung, sie können von besserer Körperhaltung, sicherer Bewegung und sprachlichem Ausdruck auch in anderen Lebensbereichen profitieren.

Wir zeigen es Euch – gerne Darin sind sich alle Befragten einig und es gehört bei den Projekten einfach dazu: Die anfängliche Angst oder auch Scheu, das Ungewohnte anderen einsichtig zu machen, weicht im Laufe des Projektes dem immer deutlicher wachsenden Wunsch nach einer öffentlichen Präsentation. Diese kann in den Projekten vielfältige Formen haben, von der klassischen Theater- und Musical-Aufführung über eine Ausstellung, die Ausstrahlung eines Films oder einer Internetpräsenz. Mal dient die Präsentation als Orientierung auf ein Ziel, mal ist sie in erster Linie der Wunsch, das neu Gelernte und Ausprobierte Freunden, Verwandten und auch Fremden zu zeigen. Wichtig ist die Präsentation allemal, das geben die Äußerungen der Befragten eindeutig wieder.

Im Erwerb kultureller Kompetenz liegt die große Chance, die die Projekte den teilnehmenden Kindern und Jugendlichen bieten. Dafür sollten sie gute Voraussetzungen vor Ort vorfinden und Unterstützung erhalten. Die Bedeutung der Rahmenbedingungen wird deshalb in einem gesonderten Punkt dargestellt.

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2 Grundlagen der Untersuchung

Welche Wirkung hat ein einmal wöchentlich stattfindendes Kunst- und Kulturprojekt auf die daran beteiligten Kinder und Jugendlichen? Zunächst einmal ist die Fragestellung zu präzisieren:1 Es geht darum, genauer hinzuschauen, welche Entwicklungen für die Kinder und Jugendlichen unter good practice Bedingungen möglich sind. Damit ergeben sich Konsequenzen für die Auswahl von Projekten und für die Vorgehensweise bei der Untersuchung. Die wichtigste Zielgruppe in der Studie sind die an den Projekten beteiligten Kinder und Jugendlichen. Es sind deshalb solche Ansätze der qualitativen Forschung zu nutzen, die besonders geeignet sind, einen Zugang zu dieser Zielgruppe zu eröffnen. Besondere Aufmerksamkeit richtet sich auf die Erfahrungen mit der Evaluation von Kulturprojekten mit Kindern und Jugendlichen sowie auf die Ansätze der ethnografischen Forschung. Die Angemessenheit des Forschungsdesigns hinsichtlich des Gegenstands der Untersuchung ist eine der wichtigsten Ausgangspunkte für deren Erfolg. Für das Nachvollziehen und Prüfen der Ergebnisse ist die intersubjektive Nachvollziehbarkeit von besonderer Bedeutung.2 In der Darstellung der Ergebnisse kommen deshalb die befragten Schülerinnen und Schüler mit vielen Zitaten zu Wort.

2.1 Methodisches Vorgehen

Um den Kindern und Jugendlichen der Jahrgangsstufen 3 und 4 bis 11 gerecht zu werden, mussten unterschiedliche Zugänge in der Evaluation gewählt werden. Ziel war es, den Teilnehmenden Anlass zu ausführlichen Antworten zu geben. In 1 Die Fragestellung hat einen entscheidenden Einfluss auf das Forschungsdesign (Flick, Uwe 2004, S. 258f. In: Flick, Uwe u. a., Hg: Qualitative Forschung. Ein Handbuch, Reinbek bei Hamburg). 2 Siehe dazu Steinke, Ines 2004: Gütekriterien qualitativer Forschung. In: Flick, Uwe u. a., Hg: Qualitative Forschung. Ein Handbuch, Reinbek bei Hamburg.

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anderen Evaluationen mit dieser Zielgruppe wurden positive Erfahrungen mit der Kombination von Elementen des narrativen und des problemzentrierten Interviews gemacht.3 Über das offene Erzählen können biografische Aspekte aus dem Leben der Jugendlichen Berücksichtigung finden. Das problemzentrierte Interview sichert zugleich die Vergleichbarkeit der Aussagen im Hinblick auf die zentrale Fragestellung. Allerdings sollte das Alter der jeweils an der Untersuchung beteiligten Kinder und Jugendlichen berücksichtigt werden. Dazu wurde ein Mix aus Methoden entwickelt, die – je nach Alter und Projektsituation – unterschiedlich kombiniert wurden:

1. Strukturierte Beobachtung4 2. Workshop-Verfahren 3. Gruppen- und Einzelinterviews mit Elementen aus narrativem und

problemzentrierten Interviewansätzen5 4. Besondere Zugänge, Selbstbefragung etc.

Die einzelnen Verfahren werden im Folgenden kurz vorgestellt und durch Beispiele aus den Projekten veranschaulicht.

1. Strukturierte Beobachtung Die strukturierte Beobachtung unterscheidet sich von der teilnehmenden Beobachtung durch die Passivität der Beobachtenden. Den Kindern und Jugendlichen wird erläutert, worum es bei der Evaluation geht und dass das Einverständnis eingeholt wurde, an der Kursstunde beobachtend teilzunehmen. Schon nach kurzer Zeit ist die Anwesenheit der Beobachtenden den Kindern und Jugendlichen nicht mehr präsent. Die Beobachtungen orientieren sich an einem Leitfaden und werden mit Stichworten schriftlich festgehalten. Beobachtet wurde im konkreten Fall zunächst einmal das Verhalten der Kinder in der Arbeitseinheit im Projekt. Was tun sie und in welcher Weise tun sie es? Wie bewegen sie sich im Raum? Wie gehen sie mit den angebotenen Aufgaben, Medien etc. um, wie konzentriert sind sie, wie eigenständig arbeiten sie, wie präsentieren sie ihre Ergebnisse etc.? Auch die Beziehung der Kinder untereinander, ihre Zusammenarbeit war ein Punkt, der Beachtung fand. Ein weiterer Aspekt war die Zusammenarbeit mit den Künstlerinnen und Künstlern. Wie reagieren die Kinder und Jugendlichen auf die Künstlerin bzw. den Künstler, wie verläuft die

3 Die Hiketiden – eine Evaluation im Auftrag des Bundesjustizministeriums zu einem Theaterprojekt mit 80 Jugendlichen (Bericht zur Evaluation unter: www.bmj.bund.de/files/-/2086/Materialien.pdf). 4 Die strukturierte Beobachtung wurde für diese Untersuchung in Anlehnung an Ethnografische Methoden entwickelt (Flick, Uwe 2000, S. 166ff. In: Flick, Uwe: Qualitative Forschung, Reinbek bei Hamburg). Allerdings musste die Tatsache Berücksichtigung finden, dass bei der Zahl der in die Untersuchung einbezogenen Projekte keine Beobachtung über einen längeren Zeitraum möglich war. 5 Zu den Stärken und Schwächen dieser Interviewformen siehe: Flick, Uwe 2000, S. 94ff. In: Flick, Uwe: Qualitative Forschung, Reinbek bei Hamburg – Hopf, Christel 2004, 349 ff. In: Flick, Uwe u. a., Hg: Qualitative Forschung. Ein Handbuch, Reinbek bei Hamburg.

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Kommunikation? Die Zeiträume für die Beobachtungen waren je nach Ablauf der Projekte und der Rahmenbedingungen unterschiedlich lang.

Beispiel 1: Beim Projekt „Filmkritiken“ in der Lessing-Realschule Gelsenkirchen findet der zweite Besuch statt. Das Projekt ist bereits in einem fortgeschrittenen Stadium. Die zwölf anwesenden Kinder und Jugendlichen kommen aus unterschiedlichen Schulklassen (5. bis 8. Schuljahr). Sie kennen die Interviewer bereits und sind über das Verfahren informiert. Die Interviewer erklären den Teilnehmerinnen und Teilnehmern, dass sie diesmal als Zuschauer gekommen sind und fragen, ob das für alle so in Ordnung ist. Nachdem dies geklärt ist, führt die Künstlerin ihre Arbeit fort. Nacheinander stellen Zweiergruppen ihre Arbeit vor. Sie haben auf Karten Stichworte für die Handlung in ‚ihrem Drehbuch’ geschrieben, die sie der Künstlerin und den anderen erklären. In den ca. 50 Minuten dieser Arbeitsphase und in der darauf folgenden ‚Freiarbeit’ an den Computern werden folgende Beobachtungen erfasst:

• Fachliche Kompetenz in Hinblick auf das Projektziel: Die Kinder und Jugendlichen zeigen in Laufe der Arbeitseinheit, dass sie sich gut mit dem Genre Film auskennen. Sie benutzen in der gemeinsamen Arbeitseinheit Fachbegriffe (z.B. „Plot“) und können den Interviewern im Anschluss daran ihre Filmkritiken mit Fachlichkeit vorstellen.

• Konzentration und Umgang mit dem Gegenstand des Projektes: Die Teilnehmenden sind sehr konzentriert bei der Sache. Sie stellen Nachfragen zu den Präsentationen der anderen und gehen auf die Fragen der Künstlerin ein. Die Präsentationen der ‚Drehbücher’ geben immer wieder Anlässe, zu lachen und auch mal miteinander zu reden. Danach stellt sich die Konzentration auf die Ausführungen der Gruppe und der Künstlerin unmittelbar wieder ein.

• Kommunikation und Umgang untereinander: Jede Präsentation wird ernst genommen. Es gibt – zum Teil auch durch die Handlungen bedingt – immer wieder scherzhafte Bemerkungen, die aber in keiner Weise verletzend sind. Die Teilnehmenden beteiligen sich an der Entwicklung von Handlungsalternativen für die Abläufe der vorgestellten Szenen.

• Eigenständiges Arbeiten: Im Anschluss an den Austausch über die Arbeitseinheiten gehen die Kinder und Jugendlichen an die Computer. Sie nehmen die Arbeit an ihren Filmkritiken auf. In manchen Fällen zeigen sie sich gegenseitig ihre Texte.

• Zusammenarbeit mit der Künstlerin: Die Künstlerin stellt Nachfragen zu den Präsentationen und fragt auch die anderen Teilnehmenden nach ihrer Meinung. Es gibt einen freundlichen Umgang miteinander, die Teilnehmenden gehen auf die Fragen der Künstlerin ein.

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Beispiel 2: Elf Kinder aus der vierten Klasse und ein Gast aus einer weiterführenden Schule sind in den Computerraum in der Gemeinschaftsgrundschule Dörenhagen zum Projekt ‚Digitales Atelier –Fabelwesen’ zusammen gekommen. Auch hier ist das Projekt bereits fortgeschritten. Die Kinder haben unterschiedlich komplexe Programme für die Bildbearbeitung kennen gelernt und haben gemeinsam mit dem Künstler Exkursionen durchgeführt, um Tiere zu beobachten und zu fotografieren. Diese Tiere dienen ihnen jetzt als Vorlagen für ihre Fabelwesen. Die Kinder begrüßen den Künstler und die Schulleiterin, die ihnen den Interviewer vorstellen. Sie gehen direkt an die Computer und bearbeiten ihre Bilder. Es werden folgende Beobachtungen aufgezeichnet:

• Fachliche Kompetenz in Hinblick auf das Projektziel: Alle Kinder sind in der Lage, mit dem Bildbearbeitungsprogrammen umzugehen.

• Konzentration und Umgang mit dem Gegenstand des Projektes: Sie arbeiten sehr konzentriert daran, das Projektziel umzusetzen und eigene Fabelwesen zu erschaffen.

• Kommunikation und Umgang untereinander: Die Kinder zeigen sich gegenseitig ihre Entwürfe und helfen einander. Viele finden ihre Entwürfe und die Entwürfe der anderen sehr lustig und es wird auch oft gelacht. Trotzdem sind die Kinder sehr ernsthaft bei der Sache. Es gibt nicht für alle einen PC-Arbeitsplatz, so dass sie zum Teil zu zweit an einem PC sitzen und gemeinsam über die Entwürfe des- bzw. derjenigen beratschlagen, der oder die gerade am Zuge ist. Im Verlauf der Stunde wechseln sich die Kinder ab, ohne dass es zu Konflikten kommt.

• Eigenständiges Arbeiten: Die Kinder arbeiten eigenständig, ziehen allerdings immer wieder den Künstler zu Rate.

• Zusammenarbeit mit dem Künstler: Die Kinder suchen vielfach den direkten Kontakt mit dem Künstler, sowohl für fachliche Unterstützung als auch dafür,

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ihm ihre Arbeiten zu präsentieren. Der Umgang mit einander ist sehr ruhig und durch Freundlichkeit gekennzeichnet.

2. Workshop-Verfahren In Hinblick auf das meist enge Zeitfenster für die Befragung wurden in mehreren Projekten Workshop-Verfahren einsetzt. Diese Methode hat sich besonders bei Projekten bewährt, an denen jüngere Kinder teilnehmen. Nach einer kurzen Erläuterung wurden den Kindern und Jugendlichen Karten gegeben, auf die sie Stichworte zum Projekt aufschreiben sollten. Die Stichworte wurden an der Tafel mit Klebeband befestigt und dort gemeinsam begutachtet bzw. erläutert und anschließend sortiert. Abschließend wurden die Ergebnisse zusammengefasst und die Kinder und Jugendlichen befragt, ob diese vollständig sind und einem Fremden ausreichend Informationen über das Projekt geben.

Beispiel 1: An der Literaturwerkstatt in der Gemeinschaftsgrundschule Erkrath nahmen an Tag des Interviews elf Kinder aus der 3. und 4. Klasse teil. Nach der Vorstellung der Interviewer und einigen Erläuterungen zur Befragung werden die Kinder gebeten, darüber zu berichten, was sie in der Literaturwerkstatt tun. Es sind am Anfang nur einige Wenige, die sich immer wieder zu Wort melden, und es wiederholen sich die Aussagen: „WIR SCHREIBEN GESCHICHTEN, GEDICHTE UND

COMICS…“. „WIR DÜRFEN UNSERE GESCHICHTEN VORLESEN…“. „WIR LERNEN VIEL ÜBER BÜCHER…“. Die Kinder werden jetzt gebeten, jeweils drei Stichworte zum Projekt auf Karten zu schreiben („Was fällt Euch zur Literaturwerkstatt ein?“). Hieran

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beteiligen sich alle Kinder sehr rege. Manche schauen zunächst beim Nachbarn, was dort aufgeschrieben wird, aber schon bald hat jedes Kind seine eigenen Aussagen zu Papier gebracht. Die Karten werden alle mit Klebeband an der Tafel fixiert und gemeinsam begutachtet und thematisch sortiert. Viele Karten geben das wieder, was schon in der offenen Runde gesagt wurden, z.B. „GESCHICHTEN SCHREIBEN“, „BÜCHER KENNENLERNEN“. Aber es gibt jetzt auch Stichworte, die der Erläuterung bedürfen, z.B.: „TINTE“ – „FUNNY“ – „SACHEN, DIE ES NICHT GIBT“ – „GERÜCHE“ – „FRAU ZIMMERMANN“. Die Kinder können jetzt direkt angesprochen werden, was sie mit diesen Äußerungen meinen. Ein Mädchen sagt, dass sie von Mythen fasziniert ist, denn da geht es um Sachen, die es nicht gibt. Zum Thema Mythen fällt nun einer ganzen Reihe von Kindern etwas ein, was sie gerne erzählen möchten. Je mehr sich die Kinder ‚frei’ geredet haben, desto genauer und differenzierter werden die Aussagen zu Mythen. Ähnlich verhält es sich mit dem Stichwort „Gerüche“. Hierzu haben die Kinder Texte in Form von ‚Elfchen’ geschrieben. Auch hier wird zunächst einem Kind die Möglichkeit geben, seine Karte zu erläutern und dann ergänzen die anderen, was sie mit dem Thema ‚Gerüche’ verbinden. Im Anschluss an diese Runde schreiben die Kinder Karten zu der Frage ‚Was ist in der Literaturwerkstatt anders als im Unterricht?’

Beispiel 2: Bei dem Interview zum Projekt „Digitales Atelier – Fabelwesen“ in der Gemeinschaftsgrundschule Dörenhagen nehmen ebenfalls Kinder aus der 4. Klasse teil. Auch hier wird mit Workshopelementen gearbeitet: Die Kinder werden gebeten, jeweils drei Karten zu der Frage zu schreiben, „Was ist anders als im Unterricht?“. Viele Stichworte beziehen sich auf die vergnügliche Seite des Projektes: „SPAß“ – „LACHEN“ – „MAN KANN REDEN UND LACHEN“ – „LUSTIGE BILDER“ – „NICHT LANGWEILIG“. Es gibt auch Stichworte zu dem, was gelernt wurde: „BILDER

VERÄNDERN“ – „TIERE BEOBACHTEN UND FOTOGRAFIEREN“ – „VIELE FOTOS“ – „AM PC ARBEITEN“. Und auch Hinweise darauf, dass die Mitarbeit als sehr ‚frei’ empfunden wird: „MAN KANN NICHTS FALSCH MACHEN“ – „DIE BILDER SO MACHEN, WIE ICH ES WILL“. Die Kinder erläutern ihre Karten. Viele unterstreichen dabei die Lust am freien Arbeiten: „ES MACHT SEHR VIEL SPAß, WEIL WIR ALLEINE AM PC ARBEITEN KÖNNEN UND

DIE BILDER SO GESTALTEN KÖNNEN, WIE WIR ES WOLLEN“ – „DER KÜNSTLER MECKERT

NICHT SONDERN ER GIBT NUR TIPPS, WIE WIR ES AUCH ANDERS MACHEN KÖNNEN. ER SAGT, JEDES BILD HAT EINEN WERT“. Viele Äußerungen weisen auf die Lerneffekte hin: „WIR HABEN VIEL ÜBER DAS FOTOGRAFIEREN GELERNT“ – „ICH HABE MEINEM VATER

GEZEIGT, WIE DAS GEHT“ – „AM PC ZU ARBEITEN IST LEICHTER, ALS ICH ES MIR (VORHER) GEDACHT HABE“ – „ICH BIN RICHTIG GUT AM COMPUTER, SAGT MEIN BRUDER“.

3. Gruppen- und Einzelinterviews In Gruppengesprächen und auch in Einzelinterviews wurden jeweils mehrere Teilnehmerinnen und Teilnehmer parallel zu den Projektstunden interviewt. Die

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Fragen nach dem Verlauf der Projekte und der eigenen Aktivitäten, veranlasste die Kinder und Jugendliche, über das Geschehene zu berichten. In diesem ersten Teil wurde den Befragten Zeit gelassen, ihre eigenen Erfahrungen und persönlichen Bezüge darzulegen. Vielfach waren Rückfragen dahingehend möglich, ob sie so etwas schon einmal gemacht’ hatten und falls ja, was im Projekt ‚anders’ war.

In dem strukturierten Teil des Interviews wurde mit Leitfragen gearbeitet. Zentrale Themen waren dabei:

• Fragen hinsichtlich der Unterschiede zum Unterricht. • Fragen zur Besonderheit der Person des Künstlers bzw. der Künstlerin,

auch in Abgrenzung zu den Lehrerinnen und Lehrern. • Fragen dazu, was für sie im Projekt neu war, was sie gelernt haben, was

ihnen am Projekt wichtig war, was ihnen gefallen bzw. nicht so gut gefallen hat.

• Fragen nach der Bewertung des Verlaufes des Projektes, sofern diese nicht bereits vorher von selber angesprochen wurden.

• Fragen nach Bedeutung der Präsentation und die Bewertung der Zusammenarbeit mit den anderen.

Beim zweiten Besuch zur Evaluation des Projektes ‚Nichts bewegt sich’ im Freiherr-vom-Stein Gymnasium Münster steht die Reflexion über den Ablauf der Performance auf dem Plan. Dies bietet den Interviewern die Möglichkeit, die Äußerungen in der Gesamtklasse auszugsweise zu protokollieren und auf dieser Grundlage in Kleingruppen Interviews durchzuführen. Das Alter der am Projekt beteiligten Schülerinnen und Schüler ermöglicht eine Konzentration auf ein leitfadengestütztes Interview. Die Ergebnisse decken sich mit denen aus den anderen Projekten: Deutliche Unterscheidung zum Unterricht, insbesondere im Hinblick auf die Möglichkeit, freier zu agieren, sich zu bewegen, andere Formen der Kommunikation zu finden, mit der Künstlerin in eine neue Form von Kooperation zu treten. Da die Schülerinnen und Schüler sich sehr kommunikativ in die Interviews einbrachten, konnten über die zentralen Fragen (siehe oben) hinaus auch biografische Aspekte angesprochen werden. Eine Frage richtete sich dabei auf die Erfahrungen, die bis zum Projekt mit Kunst gemacht worden sind. „ICH SEHE

KUNST JETZT VÖLLIG ANDERS“ - „WIR HABEN EINE NEUE KUNSTSPARTE KENNENGELERNT“ - „ES IST KLARGEWORDEN, DASS KUNST GANZ UNTERSCHIEDLICHE FORMEN HABEN KANN“. Alle Befragten bewerteten die Mitwirkung bei einer Performance als persönliche Entwicklung zu einem völlig neuen Zugang zu Kunst. „AM ANFANG FAND ICH DAS LÄCHERLICH, JA PEINLICH, ABER HINTERHER HABE ICH GESEHEN, WAS DA AN IDEEN UND

ARBEIT DRIN STECKT“. Kunst wird jetzt verstärkt mit der Entwicklung von Ideen, Konzepten und mit Arbeitsaufwand („DER DA DRIN STECKT“) verbunden. Die Präsentation der Performance wird von Mehreren als eine persönlich wichtige

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Erfahrung charakterisiert: „ICH FÜHLTE MICH DURCH DIE AUFFÜHRUNG ERNST

GENOMMEN“ – „MAN DACHTE FAST WIR SIND KÜNSTLER“.

4. Besondere Zugänge, Selbstbefragung etc. In einigen Projekten war es möglich, darüber hinaus auch Elemente aus der Projektarbeit für die Befragung zu nutzen. So wurden die Kinder in einem Fall animiert, ein Gedicht über das Projekt zu schreiben, da sie mit dieser Methode des Schreibens sehr vertraut waren. In einem anderen Fall ermöglichte das Projekt (Videoarbeit und Interviews), die Kinder sich untereinander interviewen zu lassen. Hier wurden lediglich die Stichworte dazu geliefert. In einem Theaterprojekt wurden die interviewten Gruppen animiert, ihre „Aussagen“ durch kurze Darstellungen zu verdeutlichen (z.B. Selbstbewusstsein).

In Steinhagen bei dem Projekt ‚News Magazin’ sind die Jugendlichen mit dem Medium Interview bereits vertraut. Sie haben im Projekt gelernt, mit Mikrofon und Kamera umzugehen, Interviews inhaltlich zu strukturieren, diese professionell zu moderieren und technisch zu bearbeiten. Diese Kompetenzen konnten die Jugendlichen für den vorliegenden Bericht unter Beweis stellen:

Beim ersten Besuch wurde beobachtet, wie die Jugendlichen an die Interviews herangehen: es werden Fragen gesammelt, ein Leitfaden erarbeitet und es wird sich geeinigt, wer moderiert und wer filmt. Vor Ort (hier wurde in der Kirche von Steinhagen der Küster interviewt) klären die Jugendlichen geübt die Lichtverhältnisse und Bildeinstellungen ab, der Künstler wird routiniert und sehr unbefangen von der jugendlichen Moderatorin befragt. Bei Fragen und Unsicherheiten wird oft zunächst untereinander diskutiert, bevor die Künstlerin zur Hilfe gerufen wird. Die Künstlerin hält sich im Gegenzug zurück und lässt die Jugendlichen ihre Problemlösungen selber entwickeln, steht aber immer zur Verfügung und erklärt sehr ruhig die Sachverhalte. Die Unwägbarkeiten von Kunst und Technik (ungünstige Lichtverhältnisse, leere Akkus, starke Hintergrundgeräusche) bringen die Künstlerin nicht aus der Ruhe, sie disponiert um und fragt die Jugendlichen nach Alternativen. So lernen die Jungen und Mädchen, dass sich die Interviews trotz sorgfältiger Planung nicht perfekt durchführen lassen und dass sie jederzeit flexibel und kreativ für Alternativen sein müssen.

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Bei dem zweiten Besuch wird den Jugendlichen erklärt, dass sie etwas über das Projekt erzählen sollen, und zwar nicht einfach durch Fragen und Antworten, sondern durch ein Interview-Rollenspiel. Sie sollen sich vorstellen, sie selber wären Soziologen, die nach Steinhagen gereist sind und nun wissen wollen, was in dem Projekt passiert und wie die Jugendlichen dies beurteilen. Die Jugendlichen sind begeistert von der Idee und fangen sofort an, einen Fragekatalog zu entwickeln. Interessanterweise formulieren die Schülerinnen und Schüler neben reinen „Wissensfragen“ auch solche, die sich reflektierend auf ihre eigene Persönlichkeit beziehen:

1. Was macht Ihr hier? 2. Was für Kenntnisse gab es vor dem Projekt schon zu diesem Thema? 3. Was habt Ihr durch das Projekt gelernt? 4. Was wisst Ihr nachher über Steinhagen als Heimat? 5. Wie schätzt Ihr eure Arbeit ein? 6. Wie schätzt Ihr Eure Teamfähigkeit ein, Euer soziales Verhalten? 7. Wie lief der Umgang mit der Kamera? 8. Habt ihr Angst, euch vor der Kamera zu zeigen? 9. Ist die Künstlerin anders als die Lehrer?

Anschließend wurden die Schülerinnen und Schüler in zwei Gruppen geteilt, ‚Soziologen’ und ‚Schüler’ und es wurde wechselseitig vor laufender Kamera das Interview durchgeführt. Abzüglich der altersgemäßen Konzentrationsschwächen und der Nervosität durch die Anwesenheit ‚echter Wissenschaftler’ haben die Schülerinnen und Schüler spannende Interviews mit aufschlussreichen Antworten durchgeführt (siehe Punkt 3. ‚Untersuchungsergebnisse’). Dieses Verfahren, die Jugendlichen sich selber anhand eigener Fragen interviewen zu lassen, hat die Jugendlichen nochmals ganz besonders das Projekt und ihre persönliche

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Entwicklung reflektieren lassen. Sie haben ihre fachlichen Kompetenzen formuliert, ihre größere Selbstsicherheit festgestellt, ihre Unbefangenheit mit den Medien und vormals fremden Interviewpartnern registriert und die besondere Form des Unterrichts mit der Künstlerin zu schätzen gelernt (siehe Punkt 3.3 ‚Es geht auch anders’). Den Stolz über diese Kompetenzen und darüber, an diesem Projekt teilhaben zu dürfen, hat man den Schülerinnen und Schülern sehr deutlich angemerkt.

Flankierend zu den Beobachtungen und Interviews mit den Kindern und Jugendlichen wurden auch die Künstlerinnen und Künstler sowie beteiligte Lehrerinnen und Lehrer befragt. In diesen Befragungen standen zum einen die Wirkungen bei den Teilnehmern im Mittelpunkt, zum anderen ging es um die Rahmenbedingungen.6

2.2 Auswahl der Projekte

Der Auswahl der in die Studie aufgenommen Projekte wurden verschiedene Kriterien zugrunde gelegt, um eine möglichst breit angelegte Übersicht zu bekommen.

Die zentralen Kriterien für die Auswahl der Projekte, die in die Untersuchung einbezogen wurden, waren folgende:

• Da die wichtigste Zielgruppe in der Studie die an den Projekten beteiligten Kinder und Jugendlichen sind, war das primäre Auswahlkriterium möglichst alle Schulformen und Altersstrukturen bzw. Jahrgangsstufen zu berücksichtigen.

• Daneben galt es, die verschiedenen Kunst- und Kultursparten mit in die Untersuchung aufzunehmen.

• Zudem wurden die Lage und die Größe der verschiedenen Orte berücksichtigt, um eine geographische Verteilung gemäß dem ausgewogenen Verhältnis von ‚Stadt und Land’ gewährleisten zu können.

Anhand der Kriterien und auf der Grundlage der Projektdatenbank www.kulturundschule.de wurden folgende Projekte für die Wirksamkeitsstudie ausgewählt: 6 Die Gespräche mit den beteiligten Künstlerinnen und Künstler sowie Lehrerinnen und Lehrer wurden vom Grundsatz her an der Methode des Experteninterviews orientiert, d.h. im Mittelpunkt stand das Expertinnen- und Expertenwissen, über das diese Akteurinnen und Akteure über die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen in den Projekten verfügen (Meuser, Michael/Nagel, Ulrike 1997: Das ExpertInneninterview - Wissenssoziologische Voraussetzungen und methodische Durchführung. In: Friebertshäuser, Barbara/Prengel, Annedore (Hrsg.): Handbuch Qualitative Forschungsmethoden in der Erziehungswissenschaft, Weinheim und München). Allerdings wurde bei der Verwendung der Aussagen die subjektive Eingebundenheit in die Projekte relativierend berücksichtigt. Die Fragen nach den Rahmenbedingungen der Projekte wurden gesondert erhoben.

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Stadt/ Gemeinde Schulform Schulklasse Sparte Projekttitel

Neuss Hauptschule 8. - 9. Klasse Bildende Kunst Wandbild

Erkrath Grundschule 3. - 4. Klasse Literatur Literaturwerkstatt

Steinhagen Gymnasium 5. Klasse Neue Medien/ Film

News Magazin - Zeitreise durch

Steinhagen

Münster Gymnasium 11. Klasse Bildende Kunst Nichts bewegt sich

Borchen - Dörenhagen Grundschule 4. Klasse Bildende Kunst Digitales Atelier -

Fabelwesen

Duisburg SO (bes. Förderung)

SO (bes. Förderung) Tanz Geräusche, Natur

in Bewegung

Köln Hauptschule 8. - 9. Klasse Tanz Dance Xperience!

Leverkusen Gesamtschule 7. Klasse Musik/ Neue Medien Elektronenmusik

Wuppertal Grundschule 1. - 4. Klasse Musik Musikwerkstatt

Köln Grundschule 3. - 4. Klasse Theater Helden bitte melden!

Kleve Hauptschule 5. - 6. Klasse Theater Traumjobs und Lebensvisionen

Gelsen-kirchen Realschule 5. - 8. Klasse Journalismus/

Internet/ Film Onlineredaktion

Filmkritiken

Eine ausführliche Darstellung der ausgewählten Projekte mit der Projektbeschreibung und die Adressen der beteiligten Schulen finden sich im Anhang des Berichtes.

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3 Untersuchungsergebnisse

Die Projekte aus dem NRW-Landesprogramm ‚Kultur und Schule’ bieten den teilnehmenden Kindern und Jugendlichen die Chance, Kompetenzen zu erwerben, die eine wichtige Ergänzung zur schulischen Qualifikation darstellen.

Mit den Projekten der unterschiedlichen Sparten aus Kunst und Kultur sind grundsätzlich Kinder und Jugendliche aller Altersgruppen und aller sozialen Lebenslagen zu erreichen. Wie gut dies gelingt, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab, auf die wir im Bericht zu den Untersuchungsergebnissen näher eingehen werden. Von Bedeutung sind dabei die Rahmenbedingungen, die die Künstlerinnen und Künstler in den Schulen vorfinden.

Wir stellen die Ergebnisse der Untersuchung hinsichtlich der beobachteten Wirkungen bei den Kindern- und Jugendlichen unter Überschriften, die diese anschaulich machen:

• ‚Anders wahrnehmen und anders agieren’. In allen untersuchten Projekten steht die Aktivität der beteiligten Akteure im Mittelpunkt. Gefragt wird danach, wie sich durch diese vielfältige Formen (neuen) Handelns ihnen neue Sichtweisen und Blickrichtungen öffnen.

• ‚Sich selbst und andere anders wahrnehmen’. Unter dieser Überschrift werden sowohl Selbsteinschätzungen als auch Bewertungen über das Miteinander im Projekt erfasst.

• ‚Es geht auch anders’. Diese Überschrift steht für die Fragen nach der Abgrenzung zum Regelunterricht.

• ‚Neues lernen’. Welche Kompetenzen konnten in den Projekten aneignet werden?

• ‚Zeigen und präsentieren’. Welche Bedeutung wird einer Projektpräsentation beigemessen?

• ‚Kulturelle Kompetenz’.

Unter der Überschrift ‚Weitere Hinweise' werden abschließend einige Kritikpunkte und weitere Beobachtungen im Feld vorgestellt, die mittelbar mit den Wirkungen auf Kinder und Jugendliche in den Projekten zu tun haben.

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3.1 Anders wahrnehmen und agieren

In den Kunst- und Kulturprojekten werden die Kinder und Jugendlichen in der Schule, also in einem für sie vertrauten und bekannten Raum, mit Neuem konfrontiert. Sie nähern sich in Zusammenarbeit mit den Künstlerinnen und Künstlern einem Gegenstand neu oder begegnen diesem in anderer Weise als sie dies bisher in der Schule gewohnt sind. In dem Ensemble ‚Neues kreatives Angebot und Vermittlung durch eine Person, die nicht aus dem System Schule kommt und so anders ist’, liegt eine große Chance neue Erfahrungen in der Wahrnehmung zu machen und anderes zu agieren. ‚Anders wahrnehmen und agieren’ – auf diese kurze Formel ist das erste Ergebnis der Evaluation von besonders guten Praxisbeispielen zu bringen.

„DA HABE ICH MIR DIE HAARE VOM SCHWANZ DES PFERDES GENOMMEN UND MIR DAMIT

EINEN ZOPF GEMACHT“ – ein Viertklässler aus der Grundschule Dörenhagen bei Borchen zeigt lachend sein Selbstportrait, das einer Selbstverfremdung entspricht. Geschickt mit der Maus die Möglichkeiten des Programms zur Bildbearbeitung nutzend, erklärt er seine Idee: „WIR HABEN TIERE IM GEHEGE UND AUF DEM BAUERNHOF BEOBACHTET UND FOTOGRAFIERT. MIT DIESEN BILDERN HABEN WIR

FABELWESEN GESCHAFFEN, MANCHMAL HALB FISCH UND HALB VOGEL“. Die Kinder finden immer neue Formen der Gestaltung. Sie beherrschen die Technik digitaler Bildverarbeitung soweit, dass diese für sie ein Werkzeug für die Entfaltung von Phantasien geworden ist. Nach der vielfältigen Veränderung von Wesen aus der Tierwelt, ist es im letzten Teil des Projektes spannend, wie man sich selber verändern kann. Dazu geben sie sich untereinander Tipps, aber das eigene Äußere darf nur jeder selbst verändern.

So nehmen die Kinder auch selber Verantwortung für die Gestaltung und karikieren sich nicht gegenseitig. Mit dem gleichen geschärften Blick begutachten Kinder und Jugendliche aus den Klassen 5 bis 8 einer Realschule in Gelsenkirchen die Bilder aus Spielfilmen. „WENN MAN VOR UND NACH DEM PROJEKT VERGLEICHT,

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SIEHT MAN DIE FILME MIT GANZ ANDEREN AUGEN“, „MAN LERNT IM ALLTAG, FILME ANDERS

ZU SEHEN“. „ICH KANN NUN MEINEN ELTERN DIE KAMERASTELLUNG UND DEN SINN DES FILMS ERKLÄREN“.

Sie rekonstruieren gemeinsam mit der Künstlerin, wie die Handlung in Filmen aufgebaut ist und was den ‚Roten Faden’ ausmacht. Und sie schreiben selber ein kleines Drehbuch: Dazu bilden sie kleine Filmteams und gliedern die Handlung in Teilelemente, wie z.B. das Ziel, welches sich Held oder Heldin gesetzt haben. Sie schreiben mögliche Hindernisse auf, die bei der Verwirklichung dieses Zieles auftreten können und entwickeln Alternativen, wie der Held oder die Heldin mit diesen Schwierigkeiten umgehen wird.

Auf diese Weise erarbeiten sie einen Handlungsstrang und reflektieren gemeinsam mit der Künstlerin, wie dies in bekannten Filmen abläuft und wo die Unterschiede oder Gemeinsamkeiten zur eigenen Produktion liegen. Einige von ihnen sind inzwischen auch als Filmkritikerinnen und -kritiker im Internet auf einer Seite für Kinder und Jugendliche mit entsprechenden Kritiken vertreten.

In Steinhagen nehmen die Jugendlichen die Kamera selbst zur Hand und drehen einen Film, der sich mit der Ortgeschichte befasst:

„WIR HABEN GANZ VIELE ORTE AUFGESUCHT UND DORT LEUTE NACH DER GESCHICHTE BEFRAGT UND JETZT SIEHT MAN DAS IRGENDWIE GANZ ANDERS, SO ZUM BEISPIEL DIE

KIRCHE“ Als ‚Profis’ in Sachen Kameratechnik und Interviewtechnik entwickeln sie die Fragen des Evaluations-Teams für den vorliegenden Bericht und interviewen

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sich gleich selber. Vor laufender Kamera berichten sie davon, dass sie im Projekt „KREATIV SEIN KÖNNEN“ und „FREIES DENKEN“ erfahren.

In einer Hauptschule in Kleve hat sich eine Gruppe von Mädchen im Alter von 11 bis 13 Jahren aus unterschiedlichen Klassen bewusst für die Teilnahme an einem Theaterprojekt entschieden. Als etwas Besonderes stellen sie den Wechsel der Rollen heraus. „MAN KANN JEMAND GANZ ANDERES SEIN ALS MAN EIGENTLICH IST“. „MAL

SPIELE ICH EINE PRINZESSIN, MAL BIN ICH EINE BAUERSFRAU“. Eine Schülerin sagt, dass sie nicht gerne die Rolle der traurigen Frau spielt, die ihren Mann verloren hat und nun nicht mehr alle Arbeit auf dem Feld bewältigen kann. „ICH BIN NICHT GERNE

TRAURIG ABER DAS GEHÖRT JA ZUM STÜCK DAZU“. Die Mädchen können die unterschiedlichen Rollen gut beschreiben. Sie sehen, dass es privilegierte und benachteiligte Positionen in dem Theaterstück gibt und lernen, diese Unterschiede durch Körperhaltung, Gang und Sprache herauszustellen.

In der Förderschule in Duisburg lernen die u.a. hörbehinderten Kinder, Geräusche darzustellen, indem die Künstlerin ihnen eine Bildkarte zeigt und die Kinder ihre eigenen Ausdrucksformen für dieses Geräusch entwickeln. Auch für das Tanzprojekt selber haben die Kinder eine eigene Gebärde entwickelt, die deutlich die große Freude am Tanzen zeigt: „DIE GEBÄRDE FÜR DAS TANZEN WAR EINE GROßE, FREUDIGE GEBÄRDE. DIE KINDER HABEN IN DEM PROJEKT NEUE FREIRÄUME ERLEBT UND

DADURCH NEUE KÖRPERERFAHRUNGEN GEMACHT“, so die Künstlerin.

In einer Hauptschule in Neuss haben sich die Jugendlichen aus den 9. Klassen in der Kunst AG darauf geeinigt, im Projekt eine Wand in ihrem Aufenthaltsraum zu gestalten. Künstler und Kunstlehrer haben gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern beraten, welches Motiv dafür in Frage kommen könnte. Man einigte sich auf die Darstellung eines perspektivischen Bildes, auf dem ein Kinosaal mit einer Leinwand und einem Filmausschnitt zu sehen ist. Gemeinsam wurden dazu Filme und Materialien zu Filmen gesichtet, bis sich die Gruppe auf ein Motiv einigen konnte, vom dem sie glaubte, dass es allen Schülerinnen und Schülern der Schule

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bekannt ist: Ein Ausschnitt aus der Comic Verfilmung ‚Die Simpsons’. „WIR HABEN

LANGE DISKUTIERT, WELCHES BILD WIR NEHMEN SOLLEN, DAZU HABEN WIR UNSERE IDEEN AUF EIN LEERES BLATT GESCHRIEBEN“. „WIR HABEN UNS VERSCHIEDENE BILDER

ANGESCHAUT UND DER KÜNSTLER HAT UNS GESAGT, OB DAS EINFACH ODER SCHWIERIG

ZU MACHEN IST“. „WIR HABEN UNS FÜR DIE SIMPSONS ENTSCHIEDEN, DENN DIE KENNT JEDER“. „DA MUSSTEN WIR GENAU HINSCHAUEN, WIE SO WAS GEZEICHNET WIRD, DAS IST

ANDERS, ALS WENN MAN NUR DIE COMICS GUCKT“.

Die Veränderung von Sichtweisen ist in allen Projekten ein wichtiges Thema. Aus solch neuen Perspektiven heraus, fällt es den Kindern und Jugendlichen leichter, anders als bis dato zu agieren. Dies soll an drei unterschiedlichen Beispielen veranschaulicht werden:

In einer Grundschule in Erkrath führt eine Künstlerin Schülerinnen und Schüler aus der 3. und 4. Klasse aus neuer Perspektive an das Lesen und Schreiben heran. Die Kinder erfahren in sinnlicher Präsentation etwas über das Entstehen der Bücher und über den Umgang mit Wörtern. Dabei spielen auch Märchen und Mythen eine große Rolle, was aus der Sicht der Kinder sehr zur Spannung beiträgt. Ein wichtiges Medium im Projekt ist das Schreiben von ‚Elfchen’, was so viel bedeutet, wie mit elf (Stich-) Worten eine Geschichte zu erzählen. Dazu gibt die Künstlerin Anregungen, z.B. indem sie das Thema Gerüche vorgibt. Die von den Kindern geschaffenen ‚Elfchen’ werden alle aufbewahrt und zu einem Buch zusammengefasst, in dem dann die Arbeit der Schülerinnen und Schüler dokumentiert ist. Die Kinder haben auf diese Weise einen anderen Zugang zum Lesen und Schreiben erworben. Sie agieren sehr frei und selbstbewusst, wenn sie ihre Texte präsentieren. Auf die Frage, was ihnen an dem Projekt wichtig ist, kommen Antworten, wie „WIR DÜRFEN UNSERE GESCHICHTEN VORLESEN“ und „WIR

LERNEN ETWAS ZU MYTHEN, SIND KOMISCHE SACHEN, DIE ES GAR NICHT GIBT“.

In einer Hauptschule in Köln wird in mehreren Gruppen an der Inszenierung eines Musicals gearbeitet. Eine der Gruppen besteht aus Mädchen der Klassen 7 bis 10 und erarbeitet in dem Kulturprojekt die Choreografien für das Stück. Der Zugang

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zum Tanz ist für die Mädchen einfach, denn alle mögen es, zu tanzen. Neu für sie ist die Arbeit an den Choreografien. Hier kommt es in erster Linie darauf an, die Bewegungen in der Gruppe aufeinander abzustimmen, die individuelle Leistung ist demgegenüber von nachrangiger Bedeutung. „ES SIEHT SO GUT AUS, WENN UNSERE

SCHRITTE UND DREHUNGEN GLEICHZEITIG SIND“ und „DAFÜR MÜSSEN WIR DIE SCHRITTE GENAU LERNEN, DENN MAN KANN NICHT IMMER SCHAUEN, WAS DIE ANDEREN MACHEN“, so einige der Kommentare.

Die Kinder aus der Grundschule in Köln Mülheim üben sich in der pantomimischen Darstellung. Dazu gehört, neben der Präsentation von Tieren, auch das gegenseitige Steuern der Bewegungen. Diese Übung heißt ‚Roboter’ und fordert von demjenigen, der sich steuern lässt, großes Vertrauen. „VERTRAUEN UND FREUNDE“ verbinden die kleinen Darsteller auch mit diesen Szenen: „WIR HABEN EIN

SPIEL GEMACHT, WEM MAN AM MEISTEN VERTRAUT. DA WAREN WIR SO IM KREIS UND

HABEN UNS VERTRAUT“.

Die neue Sicht auf Dinge und Sachverhalte ist in den Projekten vielfach eng mit der Aufforderung nach kreativem Gestalten verbunden. Sehr deutlich wird dies am Bespiel der Performance ‚Nichts, Stille, Leere’ in der 11. Klasse in einem Gymnasium in Münster. Übereinstimmend berichten die Teilnehmenden, dass sie am Anfang sehr irritiert über die Ambitionen des Künstlers waren. Es war ihnen auch peinlich, im offen einsehbaren Schulgelände Übungen zur Annäherung an den Inhalt einer Performance zu machen.

In den Interviews berichten sie davon, dass es der Vermittlung des Künstlers, seine als „ERFRISCHEND ANDERS“ und „MITREIßEND“ beschriebenen Art zu verdanken ist, dass schließlich Neugierde und Offenheit die Oberhand gewinnen. Nach der intensiven Auseinandersetzung mit Beispielen für Performance-Kunst und vielen Übungen dazu, kreieren sie ihren eigenen Beitrag, den sie zum Abschluss im

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Kulturzentrum Cuba in Münster präsentieren: Die Aufführung beginnt im Foyer. Dort sitzt ein Jugendlicher einem Bettelnden gleich und hat vor sich ein Schild mit der Bitte, für nichts Geld zu geben. Ein Teilnehmer putzt mit einem imaginären Lappen das Nichts, hier repräsentiert durch die alle umgebende Luft. Eine Gruppe spielt eine Szene im Restaurant, in der zwei Gäste ‚nichts’ essen, symbolisiert durch unbeschriebene Papierschnipsel. So lassen sich die Beispiele fortsetzen. Die Jugendlichen schildern in dem Interview sehr anschaulich, wie sich ihr Blick auf das, was sie als Performance kannten, veränderte. Sie nehmen jetzt diese Form von Kunstproduktion anders wahr und haben selber als Teil einer Performance agiert. „AM ANFANG WAR ES EIN BISSCHEN LÄCHERLICH UND PEINLICH, ABER ALLE FANDEN ES AUCH WITZIG“. Das ändert sich im Laufe des Projektes, denn „AM SCHLUSS STAND MAN RICHTIG DAHINTER“. „WENN MAN JETZT WOANDERS SO WAS

SIEHT, SO EINE PERFORMANCE, DENKT MAN ZWAR IMMER NOCH, WAS MACHEN DIE DA FÜR

EINEN – IM POSITIVEN SINNE – PSYCHOKRAM, ABER JETZT VERSTEHT MAN ES DOCH, ZUMINDEST ZUM TEIL“. „UND MAN WEIß JETZT, DASS DA ARBEIT DRIN STECKT UND MUT

DAZU GEHÖRT, DAS ZU MACHEN“.

Ein Radio ist ein Radio und auch ein Musikinstrument. Das gilt auch für Anrufbeantworter oder Radiowecker, denn alle diese elektronischen Geräte können für die Erzeugung von Geräuschen und Klängen genutzt werden. Um diese andere Sicht auf alltägliche Dinge geht es unter anderem in dem Projekt ‚Elektronenmusik’, das in der 6. Klasse einer Gesamtschule in Leverkusen-Schlebusch durchgeführt wird. Auch hier wird die Veränderung der Wahrnehmung von Dingen mit aktivem Handeln verknüpft. Die Teilnehmer finden es „SCHÖN, SPANNEND, ANDERE TÖNE ZU MACHEN“. Sie genießen es, unabhängig von Vorgaben, „FREI IMPROVISIEREN ZU KÖNNEN“. Die experimentellen Anteile im Projekt werden

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verknüpft mit gemeinsamen Betrachtungen, was Geräusche ausmacht, welche Unterschiede es in den Tönen gibt, welche davon in der Natur vorkommen oder durch menschliche Arbeit hervorgebracht wurden.

Auch die Künstlerinnen und Künstler sowie die Lehrerinnen und Lehrer, sofern im Projekt integriert, äußerten sich positiv hinsichtlich der Entwicklungen, die sich bei den Kindern und Jugendlichen im Bereich ästhetischer Wahrnehmung abgezeichnet haben. So berichtet beispielsweise ein Künstler aus dem Projekt „Elektronenmusik“ darüber, dass „DIE KINDER SEHR AN DIESER UNBEKANNTEN ART VON MUSIK INTERESSIERT SIND“ und dass ihnen die dialogische Vermittlung zwar neu ist, aber „GUT AUFGENOMMEN WIRD“. Als „SEHR DEUTLICH ZU SEHEN“ bezeichnet der Künstler die Entwicklung von „NEUEN BLICKRICHTUNGEN“ und „BLICKWINKELN“ bei den Kindern im Projekt „Digitales Atelier“. Die Kinder setzen sich intensiv mit der Gestalt der fotografierten Tiere oder auch mit einer Bildvorlage auseinander und machen sich sehr viele Gedanken, in welcher Weise diese Vorlagen zu verändern sind.

Ein weiteres Beispiel kommt aus der Arbeit mit Sprache und Ausdruck. Die Künstlerin des Projektes ‚Traumjobs und Lebensvisionen’ schildert, wie schwierig es am Anfang war, Ruhe und Aufmerksamkeit herzustellen, sobald „DAS SYSTEM

SCHULE MIT LEHRER, TISCH, STÜHLE, SCHÜLER, UNTERRICHT… AUFGEHOBEN WAR“. Über die Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Rollen im Stück, von der Prinzessin zur Bauersfrau, ist es gelungen, nach und nach eine „UMORIENTIERUNG

HERZUSTELLEN“. Die Kinder denken sich in die Rollen ein, lernen unter der Anleitung der Künstlerin, sich den Rollen entsprechend zu bewegen. Sie sind mal

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die Schauspielerin und mal das Publikum, das sich mit der Darbietung auseinander setzt. Das schafft Aufmerksamkeit und „HÄLT DIE MÄDCHEN BEI DER SACHE“.

Künstlerin und Lehrerin sind sich im Projekt ‚News Magazin’ (Steinhagen) einig: „BEI DEN KINDERN ENTWICKELT SICH BUCHSTÄBLICH ÄSTHETISCHE WAHRNEHMUNG, WEIL

SIE STÄNDIG HINTER DER KAMERA STEHEN UND IHRE UMWELT DURCH DAS AUGE DER KAMERA WAHRNEHMEN“. Im Projekt ‚Filmkritiken’ (Gelsenkirchen) haben die Schüler und Schülerinnen gemeinsam den Film ‚Haarspray’ angeschaut und dann den Figuren aus dem Film charakteristische Merkmale zugeordnet. „AUF DIESE WEISE WURDE DER FILM MIT GANZ ANDEREN AUGEN GESEHEN“ berichtet die Künstlerin. „DIE

SCHÜLER HABEN NACHHER VERSTANDEN, DASS ES SICH UM BESTIMMTE TYPISIERUNGEN

HANDELT UND WAS DIESE BEIM BETRACHTER AUSLÖSEN“. Ähnliche Rückmeldungen zu veränderter Wahrnehmung gab es auch von den Akteuren der anderen in die Befragung einbezogenen Projekte.

3.2 Sich selbst und andere anders wahrnehmen

In den Kunst und Kulturprojekten besteht für die teilnehmenden Schülerinnen und Schüler nicht nur die Möglichkeit, Dinge und Sachverhalte aus neuer Perspektive heraus zu betrachten. Es bietet sich ihnen auch in vielfältiger Weise die Chance, sich selber und ihre Beziehung zu den anderen im Projekt anders wahrzunehmen. In den Befragungen finden sich viele Hinweise darauf, dass sich das Selbstbewusstsein der Teilnehmenden durch die Mitwirkung im Projekt verbessert. Die Stärkung des Selbstbewusstseins wird auch in den Projektzielen immer wieder genannt. Sie korrespondiert in der Regel mit realem Qualifikationserwerb: Die

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Schülerinnen und Schüler sind selbstsicherer, weil sie etwas Neues gelernt haben, weil sie ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten erweitern und ausprobieren konnten. Sehr anschaulich wird dieses ‚sich selbst und andere anders wahrnehmen’ in einem Bericht des Künstlers aus Münster: „MIT KÖRPERÜBUNGEN IN DER GRUPPE, RAUMWAHRNEHMUNGS-, PRÄSENZ- UND KOORDINATIONSÜBUNGEN ALLER SINNE ARBEITETEN DIE JUGENDLICHEN MIT VIEL SPAß AN DEM EIGENEN KÖRPERBEWUSSTSEIN. DA ALLE DIE GLEICHEN ÜBUNGEN MACHTEN, WURDEN DIE, ANSONSTEN IN DEM

JUGENDLICHEN ALTER EHER PEINLICHEN SITUATIONEN MIT DER ZEIT VÖLLIG ANDERS WAHRGENOMMEN. EINE ATMOSPHÄRE VON GEGENSEITIGEM RESPEKT UND VERTRAUEN, DIE BASIS FÜR EIN INTENSIVERES ARBEITEN, WAR SOMIT GEGEBEN.“.

In der Turnhalle der Hauptschule Köln kommt eine Gruppe von Mädchen zusammen, um mit dem Tänzer und Choreografen an ihrem Part in einem Schulmusical zu arbeiten. Die Lehrerin tanzt selber gerne und unterstützt die Arbeit mit großem Engagement. Die Mädchen sind mit viel Spaß bei der Sache und erschrecken sich richtig, als der Künstler sie foppt und sagt, er habe die CD mit der Musik vergessen.

Ihre Begeisterung spiegelt sich in den Interviews wieder: „MAN IST IN SEINEM ELEMENT“ - „ICH LERNE VIEL, U. A. DIE

SCHRITTE“ - „ICH TANZE JETZT AUCH ZU

HAUSE“ - „ICH KANN MICH VIEL BESSER BEWEGEN UND DAS SIEHT GUT AUS“ - „FRÜHER

HABE ICH MICH NIE GETRAUT, ES ZU ZEIGEN, NUN KANN ICH BESSER TANZEN“ - „ES BRINGT MEHR MUT, SO RAUSZUGEHEN (UND ZU

PRÄSENTIEREN), DENN ICH BIN SONST SO NE

SCHÜCHTERNE“ – „DIE CHOREOGRAFIE IST ECHT HARTE ARBEIT, ABER MAN SIEHT IMMER

SOFORT, WARUM MAN DAS MACHT“ – „WICHTIG

IST AUCH, DASS MAN IMMER AUCH AUF DIE ANDEREN ACHTET, SICH GEGENSEITIG HILFT

UND MITEINANDER AN DEN SCHRITTEN

ARBEITET“ (Dance Xperience! / Köln).

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„ES HAT UNS NICHT GEFALLEN, DASS DIE ANDEREN UNS VON DRAUßEN, VOM SCHULHOF

AUS, ZUSEHEN KÖNNEN ABER JETZT IST DAS NICHT MEHR SO SCHLIMM, JETZT LACHEN WIR AUCH UND WINKEN DENEN“. Auch bei den Teilnehmenden bei dem Theaterprojekt in Kleve handelt es sich um eine reine Mädchengruppe. Im Verlauf des Projektes haben sie Mut gefasst: „AM ANFANG HATTE ICH ANGST, DASS DIE ANDEREN LACHEN, JETZT NICHT MEHR“. Und jetzt wollen sie „ZEIGEN WAS WIR KÖNNEN“ (Traumjobs und Lebensvision / Kleve).

Im Projekt ‚Helden bitte melden’ in einer Grundschule in Köln Mülheim sind am Tag des Besuches nur Jungs zu sehen. Es fällt ihnen am Anfang nicht leicht, im Sitzkreis ruhig zu bleiben, aber es gelingt dem Künstler, ihre Aufmerksamkeit zu binden. Er fragt, was ihnen gut gefallen hat und woran sie Kritik haben. Nach diesem Austausch werden die Kinder in Bewegung gesetzt: Sie erhalten Karten mit Tiernamen und stellen diese pantomimisch dar. Das macht ihnen sichtlich Spaß und sie zeigen es gerne: „WIR HABEN KEINE PROBLEME AUFZUTRETEN“. Bei den Kindern hat sich mehr Körperbewusstsein heraus gebildet und auch der Umgang untereinander ist – vermittelt über entsprechende Übungen – besser geworden: „WIR MACHEN SPIELE, WO WIR UNS GEGENSEITIG HELFEN UND LERNEN VIELE SACHEN“ (Helden bitte melden / Köln).

Großes Selbstbewusstsein haben sich die Teilnehmenden am Videoprojekt in Steinhagen erworben: „WIR HABEN GELERNT, WIE MAN INTERVIEWT UND EINEN FILM SCHNEIDET“. „KAMERAFÜHREN, WIE MAN FILMT“ – „ICH HABE KEINE ANGST MEHR, MICH

VOR EINER KAMERA ZU ZEIGEN“. Ihr Thema, die Recherche zur 750jährigen Geschichte von Steinhagen, hat sie zu verschiedenen Orten und Interviewpartnerinnen und -partnern geführt. Ohne Scheu haben sie ihnen völlig fremde Personen interviewt und hatten auch kein Problem damit, bei Versprechern die Szene komplett nachdrehen zu lassen. Bei der gemeinsamen Nachbearbeitung wurden technische und persönliche Unstimmigkeiten besprochen und bei Bedarf die Szene wiederholt. Diese sehr offene Anschauung der eigene Leistung und die damit verbundene Kritik hat den Schülerinnen und Schülern nach kurzer Zeit keine Probleme mehr bereitet: Sie haben gelernt, dies nicht als persönliche, sondern als fachliche Beurteilung zu sehen und konnten dies positiv für sich nutzen. Ihr Beitrag wird im Bürgerfernsehen ausgestrahlt werden, was ihnen auch sehr wichtig ist (News Magazin / Steinhagen).

Auch im Projekt „Filmkritiken“ strahlen einige der Teilnehmenden großes Selbstbewusstsein aus: „WIR SEHEN FILME JETZT GANZ ANDERS“. „MIR KANN DA KEINER MEHR WAS WEISMACHEN“. Beeindruckt zeigte sich ein Jugendlicher im Interview von der Teilnahme an einem Kritikertreffen. Hier dabei sein zu können, wurde von ihm mit Anerkennung verbunden, denn: „DA WAREN PROFIKRITIKER ANWESEND“ (Filmkritiken / Gelsenkirchen).

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Vielfach ist die Projektstruktur so angelegt, dass Gruppenarbeit und der Zusammenhalt von Gruppen gefördert wird, ganz besonders deutlich wird dies bei den Projekten aus den Bereichen Tanz und Theater. Die Gruppenbildung wird auch durch die in den Projekten durchgehend vorherrschende offene Arbeitsweise (siehe Kap. 3.3 ‚es geht auch anders’) und Kommunikationsstruktur verstärkt. Die Entwicklung im Projekt zur Zusammenarbeit und Gruppenbildung wird von vielen Teilnehmenden sehr deutlich gesehen: „ES IST GUT IN GRUPPEN ZU ARBEITEN, DENN

WENN MAN WAS NICHT WEIß, WISSEN ES DIE ANDEREN UND MAN KOMMT WEITER“ (Elektronenmusik / Leverkusen). „MACHT SPAß, MEHR GRUPPENARBEIT ZU MACHEN“. „DIE KLASSENGEMEINSCHAFT WURDE GESTÄRKT“ (Wandbild / Neuss). „VERTRAUEN IST

WICHTIG UND NEUE FREUNDE FINDEN“ (Helden bitte melden / Köln). „GEMEINSAM LESEN UND NICHT ALLEIN“ (Literaturwerkstatt / Erkrath).

In einigen Projekten arbeiten die Teilnehmender aus unterschiedlichen Klassen und zum Teil auch unterschiedlichen Jahrgangsstufen zusammen. Über dieses gemeinsame Tun im Projekt entwickeln sich häufig andere Sichtweisen auf die ‚anderen’: „MEINE FREUNDE SIND DABEI, DASS IST WICHTIG. ABER WIR HABEN AUCH DIE

AUS DEN ANDEREN KLASSEN KENNENGELERNT, SO RICHTIG KENNENGELERNT, NICHT NUR AUF DEM FLUR UND HOF“ (Traumjobs und Lebensvisionen / Kleve). „MIT DEN

ANDEREN TANZEN IST SUPER“. „FREUNDE FINDEN, DIE KOMMEN AUS UNTERSCHIEDLICHEN

KLASSEN“. „ZUSAMMENARBEIT UNTEREINANDER UND MITEINANDER UND MIT GIOVANNI (Tanzlehrer)“ (Dance Xperience! / Köln).

Sich selbst und andere anders wahrnehmen lernen die Kinder aus der Förderschule in Duisburg: In diesem Tanzprojekt hat die Künstlerin am Tag des Besuches einen so genannten Tanzsack mitgebracht. Die Kinder schlüpfen vollständig in diesen blauen Sack und stellen einen Eiszapfen dar. Für die zuschauenden Kinder sieht dieser Eiszapfen erstaunlich echt aus, die Kinder im Tanzsack selber sehen sich nicht, sondern nehmen nur die sie umgebende Welt wie in einer blauen Höhle dar. Für diese Kinder ist es aufgrund ihrer unterschiedlichen Behinderungen besonders wichtig, auf verschiedenen Sinnesebenen angesprochen zu werden. Sie haben in dem Tanzprojekt eine bessere Köperwahrnehmung erfahren und gelernt, Gehörtes und Gesehenes in Körperbewegungen umzusetzen.

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Je älter die Projektteilnehmer sind, desto reflektierter sehen sie die neuen Möglichkeiten, die in der Zusammenarbeit als Gruppe liegen: „WIR SIND EINE LUSTIGE TRUPPE, STICHELN UNS ABER STÄNDIG, DABEI MACHT ES VIEL MEHR SPAß, UNSERE VERSUCHE GEMEINSAM ANZUSEHEN UND SIE DANN ZU BEARBEITEN“ (News Magazin / Steinhagen). „WIR HABEN DAS ZUSAMMEN DURCHGESTANDEN UND ALS GRUPPE WAREN WIR STARK, DA KONNTEN WIR DEN GANZEN WAHNSINN ZEIGEN

(PERFORMANCE), OHNE DAS UNS DAS WAS AUSGEMACHT. IM GEGENTEIL, DAS WAR COOL“ (Nichts bewegt sich / Münster).

„ZUSAMMEN FILME SCHAUEN IST COOL, DA SIND MEHR GEFÜHLE DRIN, WENN MAN

ZUSAMMEN GUCKT“ (Filmkritiken / Gelsenkirchen). Doch nicht nur die Gemeinschaft wurde als wichtig angesehen, sondern auch das eigene Können, und so konnte daraus resultierend das Selbstbewusstsein gesteigert werden – hierzu kommt die Künstlerin in Gelsenkirchen zu der Aussage: „ICH KONNTE BEI DIESER ARBEIT

BEOBACHTEN, WIE SCHÜLER/INNEN SCHREIBHEMMUNGEN VERLOREN, IHRE SPRACHLICHEN AUSDRUCKSMÖGLICHKEITEN ERWEITERTEN UND GANZ

SELBSTVERSTÄNDLICH MIT TECHNIK UND PROFI-SOFTWARE UMZUGEHEN LERNTEN. VON

LEHRERN ERHIELT ICH DIE RÜCKMELDUNG, DASS DER KURS DEM SELBSTBEWUSSTSEIN EINIGER SCHÜLER/INNEN ENTSCHEIDEND AUFGEHOLFEN HAT“.

Die Veränderung der Selbstsicht der Teilnehmenden und ihr Zusammenwachsen in der Gruppe werden auch in vielen Fällen von den Künstlerinnen und Künstlern und einigen Lehrerinnen und Lehrern bestätigt. „DAS PROJEKT FÜHRT ZU EINER

VERÄNDERUNG DER PERSON, DER PERSÖNLICHKEIT. ES GIBT IHNEN VIEL FREIHEIT“, formuliert es der Künstler des Performance Projektes. Er hat die anfängliche Skepsis genau gespürt und weiß aus Erfahrung, dass dieser Punkt irgendwann überwunden ist: „DANN HABEN DIE VERTRAUEN IN DAS PROJEKT UND TRAUEN SICH WAS

UND DANN BEGINNT FÜR ALLE DER SPAß DARAN“.

Um an dieser Stelle den Prozess zu verdeutlichen, dem solch ein Wachsen an Vertrauen und Respekt innerhalb eines Projektes zugrunde liegen kann, hier nochmals ein anschauliches Zitat aus einem Bericht des Künstlers in Münster: „Da die Performance-Kunst immer eine körperliche Kunst ist, in der der Mensch meist öffentlich eine Handlung vollzieht und viel von ‚sich’ zeigt, stand das Problem der Peinlichkeit und Scham in dem Projekt schnell im Raum. ‚Das ist mir peinlich, so etwas zu zeigen’, war nur eine Äußerung einer Schülerin von vielen. Das Thema besprach die ganze Gruppe und wir suchten gemeinsam nach Lösungen, die helfen, eine Performance öffentlich zu realisieren ohne in ‚die peinlichen Situationen’ zu kommen. Ein wesentlicher Lösungspunkt war, dass wir miteinander absprachen, alle Übungen zu machen: so zeigte sich jeder in gleicher und/oder ähnlicher Situation. Der zweite Lösungspunkt: wenn jemand öffentlich vor den anderen etwas zeigt oder aufführt, wird dieses mit Achtsamkeit und Würde

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behandelt. Es entstand das Ritual des Applauses nach jeder Darbietung! Eine gegenseitige Wertschätzung in dem ‚sich zeigen’ war gewachsen“.

Die weiteren Zitate veranschaulichen, dass solche Erfahrungen auch in den anderen Projekten gewonnen werden: „DEN MÄDCHEN IST ES IMMER NOCH PEINLICH, WENN ANDERE SCHÜLER VON AUßEN ZUSCHAUEN, ABER IHR MUT IST GEWACHSEN UND SIE WOLLEN AUF JEDEN FALL DIE AUFFÜHRUNG“ (Traumjobs und Lebensvisionen / Kleve). „DIE JUGENDLICHEN HABEN IM UMGANG MIT DER KAMERA GROßES SELBSTVERTRAUEN

GEWONNEN UND KEINE ANGST MEHR, INTERVIEWS MIT FREMDEN DURCHZUFÜHREN“ (News Magazin / Steinhagen). Mehr Selbstbewusstsein - das gilt auch für die Jüngeren: „ES IST UNÜBERSEHBAR, WIE DAS SELBSTBEWUSSTSEIN DER KINDER WÄCHST. SIE WOLLEN VORTRAGEN UND IHRE TEXTE IHREN ELTERN UND VERWANDTEN ZEIGEN“ (Literaturwerkstatt / Erkrath).

3.3 Es geht auch anders

Immer wieder findet sich in den Interviews und Beobachtungen der Hinweis darauf, dass die Form der Aneignung von Kunst und Kultur für die Kinder und Jugendlichen eine wichtige Bedeutung hat. Die Kinder und Jugendlichen registrieren sehr sensibel, dass sich die Arbeitssituation im Projekt deutlich von der im Unterricht unterscheidet. Oberflächlich betrachtet handelt es sich dabei um die Möglichkeiten, sich anders verhalten zu können: Sie können sich bewegen, es gibt Situationen, in denen sie sich untereinander unterhalten können und insgesamt wird viel gelacht:

„MAN KANN LACHEN UND REDEN“, „ES MACHT SPAß, VIEL MEHR SPAß“ (Digitales Atelier / Dörenhagen). „WIR DURFTEN RUMLAUFEN, MUSSTEN UNS NICHT MELDEN UND DURFTEN

REDEN“ (Elektronenmusik / Leverkusen). „WIR MÜSSEN NICHT LEISE SEIN, DÜRFEN

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AUCH REDEN“ (Literaturwerkstatt / Erkrath) „MAN MUSS NICHT SITZEN UND SCHREIBEN, MAN KANN ALLES RAUSLASSEN“ (Dance Xperience! / Köln). „WIR KONNTEN WUT RAUSLASSEN. MUSSTEN MIT SOLCHEN DINGERN AUF DEN BODEN HAUEN. DAS HAT GUT

GETAN. SO VIELE SPIELE, WIR HABEN VIEL GELACHT“ (Helden bitte melden / Köln). „WIR

DÜRFEN ESSEN, REDEN, DENKEN“, „HIER SIND WIR KREATIV“ (News Magazin / Steinhagen). Auch die etwas älteren Jugendlichen wissen es zu schätzen, dass sie sich freier bewegen können: „MAN MUSS NICHT AUF DEM STUHL SITZEN, KANN SICH

BEWEGEN, KANN ÜBUNGEN MACHEN“ (Nichts bewegt sich / Münster).

Ihnen ist dabei durchaus bewusst, dass es sich um Lernen handelt, aber eben in einer anderen Art und Weise und in einem anderen Rahmen: „WIR LERNEN WAS, WO

WIR SPAß DRAN HABEN“ (Traumjobs und Lebensvisionen / Kleve). „GUT WAR, DASS MAN AUCH LERNT, ABER AUF EINE ANDERE WEISE, AUF EINE WEISE, DIE SPAß MACHT. NICHT IMMER SO LANGWEILIGER KLASSENUNTERRICHT“ (Filmkritiken /Gelsenkirchen).

Wichtig ist auch, dass das Lernen nicht mehr in den Kategorien ‚richtig’ und ‚falsch’ verläuft. In den meisten Projekten ist der Ansatz wesentlich experimenteller: „DER

KÜNSTLER SAGT, WIR MACHEN NICHTS FALSCH, ES IMMER NUR ANDERS UND MANCHMAL

ÄNDERN WIR DIE BILDER AUCH, WENN UNS DER KÜNSTLER EINEN TIPP GIBT ODER UNS HILFT“ (Digitales Atelier / Dörenhagen). „IDEEN WERDEN WEITERENTWICKELT, WIR

WERDEN DAZU ANGESPORNT“ (Nichts bewegt sich / Münster). „WIR HABEN KEINE

ANGST, VIEL FALSCH ZU MACHEN. DER KÜNSTLER SAGTE, ES GIBT NUR EURE IDEEN UND ES GIBT NICHT FALSCH ODER RICHTIG“ (Nichts bewegt sich / Münster).

Über das Arrangement der Projektstunde hinaus ist vor allem der Habitus der Künstlerinnen und Künstlern für die Kinder und Jugendlichen von großer

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Bedeutung. Sie nehmen ihn bzw. sie als interessanten Menschen wahr, mit dem sie in eine gänzlich andere Form der Kommunikation eintreten können, als dies sonst im Schulalltag möglich ist: „DER KÜNSTLER IST NICHT SO STRENG, ER IST BESSER

GELAUNT“ (Digitales Atelier / Dörenhagen). „DIE KÜNSTLERIN IST LUSTIG, LACHT OFT. SIE IST LUSTIG ANGEZOGEN. DIE MACHT SACHEN MIT IHRER STIMME“ (Traumjobs und Lebensvisionen / Kleve).

Es ist aber auch die spezifische Sachkompetenz der Künstlerinnen und Künstlern, die von den Kindern und Jugendlichen wahrgenommen und geschätzt wird: „DIE KÜNSTLERIN IST JA JOURNALISTIN, SIE ERKLÄRT UNS VIEL, IST LOCKER ABER ZEIGT ALLES

GENAU“ (Filmkritiken / Gelsenkirchen). „DER KÜNSTLER IST LUSTIG, KENNT VIELE

TRICKS. DER MUSS EINEN GUTEN LEHRER GEHABT HABEN“ (Helden bitte melden / Köln). „DIE KÜNSTLERIN IST TOLL, DIE HAT SCHON PREISE DAFÜR GEWONNEN!“ (News Magazin / Steinhagen).

Die Künstlerinnen und Künstler können aus der besonderen Rolle, die sie in der Schule einnehmen, und aus ihrem fachlichen Background heraus, den Kindern und Jugendlichen anders gegenüber treten, diese auch auf ‚Augenhöhe’ ansprechen und erreichen: „DIE KÜNSTLERIN REDET MIT UNS, WIE MIT MENSCHEN“ (News Magazin / Steinhagen). „WIR KÖNNEN UNSERE MEINUNG SAGEN, KRITIK WIRD AKZEPTIERT“ (Traumjobs und Lebensvisionen / Kleve). „DER KÜNSTLER IST SO ERFRISCHEND

ANDERS. ER GAB UNS VERTRAUEN UND WIR GABEN IHM VERTRAUEN ZURÜCK“ (Nichts bewegt sich / Münster).

Die befragten Künstlerinnen und Künstler bestätigen die Sicht der Interviewten. Sie definieren sich als ‚produktive Fremdkörper’ im Schulsystem und das auch sehr deutlich in Abgrenzung zu den Lehrerinnen und Lehrern. „WIR HABEN ALS EXTERNE

UND DANN AUCH NOCH MIT DEM STATUS KÜNSTLER GANZ ANDERE MÖGLICHKEITEN ALS

DIE LEHRER“. „ES IST ABER AUCH UNSER PFLICHT, DIESE AUFGABE ZU ÜBERNEHMEN UND DIE ROLLE (KÜNSTLER) EINZUNEHMEN“ (Nichts bewegt sich / Münster).

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3.4 Neues lernen

Wie bereits im Punkt 3.2. ausgeführt, basiert das gewachsene Selbstbewusstsein auf den neu gewonnenen Erfahrungen und dem damit verbundenen Erwerb von Qualifikationen. In Dörenhagen beispielsweise registrieren die Kinder zunächst aufmerksam, wer sie im Projekt besucht und wollen zeigen, was sie am Computer machen.

Aber schon nach kurzer Zeit ändert sich das. Sie arbeiten weiter an ihrem Projekt als würde sie niemand dabei beobachten. Nur wenn jemandem etwas besonders Gutes gelungen ist, sich selbst als Fabelwesen mit drei Nasen und vier Augen umzugestalten, dann wird der Kontakt zum Künstler und auch zum ‚Forschungsteam’ gesucht. Ähnlich ist es in Kleve, wo die Schülerinnen sehr konzentriert an ihren Rollen arbeiten.

In den Projektzielen finden sich zahlreiche Hinweise darauf, welche Ziele im Hinblick auf die Erweiterung von Qualifikationen angestrebt werden. Vielfach ist es der Umgang mit technischen Medien und Techniken oder bessere körperliche Ausdrucksweise:

‚Mikrofon, Kamera, Schnitt’ – ‚Digitale Bildverarbeitung, Arbeit am PC’ – ‚Einblicke in Improvisationsprozesse, Wissen über Klangwelten’ – ‚Perspektivisches Sehen und Malen’ – ‚Tänzerische Ausdrucksformen“ – „Künstlerischer Ausdruck’.

Die Schülerinnen und Schüler geben in den Interviews und Workshops Rückmeldungen zu den von Ihnen erworbenen Qualifikationen: „WIR KÖNNEN JETZT BESSER ZEICHNEN“ (Wandbild / Neuss). „WIR HABEN ELFCHEN SCHREIBEN GELERNT, HABEN VIEL ÜBER BÜCHER GELERNT“ (Literaturwerkstatt / Erkrath). „WIR HABEN

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CHOREOGRAFIEN EINSTUDIERT, KÖNNEN JETZT IN DER GRUPPE DAS ZEIGEN“ (Dance Xperience! / Köln). „WIR HABEN GELERNT, IN ANDERE ROLLEN ZU SCHLÜPFEN UND DIE AUCH ZU SPIELEN“ (Traumjobs und Lebensvisionen / Kleve). „UND MAN LERNT, DIE

FILME AUS EINER ANDEREN SICHT ZU SEHEN, JEDE KAMERAEINSTELLUNG, JEDE

PERSPEKTIVE IST WICHTIG, DAS LERNEN WIR“ (Filmkritiken / Gelsenkirchen). „NATÜRLICH DER UMGANG MIT DER KAMERA, ABER AUCH DAS SCHNEIDEN UND

ZUSAMMENFÜGEN“ (News Magazin / Steinhagen).

In den begleitenden Gesprächen mit den Künstlerinnen und Künstlern und in einigen Fällen auch mit den Lehrerinnen und Lehrern wurden diese Entwicklungen bei den Kindern und Jugendlichen im Bereich ästhetischer Wahrnehmung durchgehend unterstrichen. Immer wieder wird auf die Möglichkeiten hingewiesen, die im künstlerischen Umgang mit Material, Sprache und Ausdruck liegen. Dabei kommt dem Fähigkeitserwerb aus der Sicht der Künstlerinnen und Künstlern eine grundlegende Bedeutung für die Entfaltung von Kreativität zu: „DER

HANDWERKLICHE UMGANG MIT DEN GERÄTEN IST WICHTIG FÜR DIE MUSIKALISCHE

IMPROVISATION“ und „MAN MUSS DEN AUFBAU DER RADIOS KENNEN UND JEDES KIND BEKOMMT AUCH MAL EINEN LÖTKOLBEN IN DIE HAND“ (Elektronenmusik / Leverkusen). Ausführlicher formulieren es die Künstler dieses Projektes an anderer Stelle: „IN

DEN ‚ELEKTRONENMUSIK’-WORKSHOPS ZERLEGTEN DIE SCHÜLER ELEKTRONISCHE ALLTAGSGEGENSTÄNDE WIE Z.B. BATTERIEBETRIEBENE RADIOS, ANRUFBEANTWORTER

ODER RADIOWECKER UND FUNKTIONIERTEN DIESE ZU KONTROLLIERT SPIELBAREN

MUSIKINSTRUMENTEN UM. SO ERHIELTEN SIE NICHT NUR EINBLICK IN DAS SONST VERBORGENE INNENLEBEN DER GERÄTE, SONDERN ERWEITERTEN AUCH IHR WISSEN

ÜBER PHYSIK UND ELEKTROTECHNIK. DER HANDWERKLICHE UMGANG MIT DEN GERÄTEN

WAR DER EINSTIEG IN EINE MUSIKALISCHE GRUPPENIMPROVISATION UND VERMITTELTE EINEN INTUITIVEN ZUGANG ZU MUSIKALISCHEM AUSDRUCK.“

In anderen Projekten gingen die Äußerungen in die gleichen Richtung: „DIE

SCHÜLERINNEN UND SCHÜLER MACHEN DIE ERFAHRUNG, WAS EINE PERSPEKTIVE, WAS PERSPEKTIVISCHES SEHEN IST, ERST DANN KÖNNEN SIE IHRE VORSTELLUNGEN FÜR DAS

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BILD AUCH UMSETZEN“ (Wandbild / Neuss). „DIE CHOREOGRAFIEN EINZUSTUDIEREN IST

FÜR DIE MÄDCHEN HARTE ARBEIT“ (Dance Xperience! / Köln). „DIE SCHÜLER SIND GUT BEI DER SACHE. EIN TEIL VERSTEHT SICH BEREITS ALS INTERNETREDAKTEUR, OBWOHL

WIR HIER AUCH TECHNISCHE PROBLEME MIT DEM ZUGANG HABEN“ (Filmkritiken / Gelsenkirchen). „ZUNÄCHST WAREN DIE GANZ ERSTAUNT, DASS SIE AUCH DIE THEORIE ÜBER SCHNITT, PERSPEKTIVEN UND KAMERAEINSTELLUNGEN LERNEN MÜSSEN.“ (News Magazin / Steinhagen)

3.5 Zeigen und Präsentieren

Die Projekte sind in der Regel so angelegt, dass die Arbeiten zum Schluss öffentlich präsentiert werden. Je nach Anlage der Projekte kann diese Präsentation sehr unterschiedlich ausfallen, von der Aufführung eines Theaterstückes bis zur Einweihung einer künstlerisch gestalteten Wand in einem Aufenthaltsraum. Alle befragten Kinder und Jugendlichen weisen der Präsentation zum Abschluss des Projektes eine große Bedeutung zu: „DIE AUSSTELLUNG IST UNS WICHTIG, DA SEHEN

DIE ANDEREN (FREUNDE, ELTERN, GESCHWISTER), WAS WIR GEMACHT HABEN“, „DA

STEHT DANN AUCH UNSER NAME“ (Digitales Atelier / Dörenhagen). „DIE AUFFÜHRUNG IST UNS WICHTIG, WEIL WIR SO VIEL GEÜBT HABEN“. „WIR HABEN ES SCHON ALLEN

FREUNDEN ERZÄHLT“, „WIR ZEIGEN ES DEN 5KLÄSSLERN, DAMIT DIE SEHEN, DASS

SCHULE AUCH SPAß MACHEN KANN“ (Traumjobs und Lebensvisionen / Kleve). „DASS UNTER DEM BILD UNSERE NAMEN STEHEN, DASS IST SCHON COOL, VOR ALLEM, WEIL DAMIT

AUCH DIE NEUEN SCHÜLER WISSEN, DASS WIR DAS GEMACHT HABEN“ (Wandbild / Neuss).

Dies gilt auch dann, wenn es keine explizite Schlusspräsentation gibt, denn die Kinder und Jugendlichen äußern sich auch zu anderen Formen der Präsentation, die ihnen wichtig sind: „ES GIBT KEINE PRÄSENTATION ABER EIN PLAKAT UND IM INTERNET KANN MAN ALLES LESEN“, „ICH ERZÄHLE ES MEINEN FREUNDEN UND DEN

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ELTERN“ (Filmkritiken / Gelsenkirchen). „UNSERE TEXTE KOMMEN IN EIN BUCH, DASS

ZEIGE ICH DANN MEINEN ELTERN UND DEN GROßELTERN“ (Literaturwerkstatt / Erkrath).

Obgleich die einzelnen Projektstunden für sich eine abgeschlossene Einheit darstellen und einen eigenen Stellenwert haben, kommt der Präsentation vielfach auch die Funktion einer Orientierung zu. In den Projekten, in denen die Präsentation von besonderer Bedeutung ist, quasi als Ergebnis der Projektarbeit, ist diese Funktion natürlich besonders ausgeprägt: „JAAA, DIE AUFFÜHRUNG IST

WICHTIG. SO KÖNNEN WIR UNS AUCH MAL PRÄSENTIEREN“ (Dance Xperience! / Köln). „ES WAR WICHTIG, DAS ZU ZEIGEN UND WIE VIEL ARBEIT DARIN STECKT“. „WIR KONNTEN

ZEIGEN, WIE VIELE MÖGLICHKEITEN DES NICHTS ES GIBT“. „ICH FÜHLTE MICH DURCH DIE

AUFFÜHRUNG ERNST GENOMMEN. MAN DACHTE FAST, WIR SIND KÜNSTLER“ (Nichts bewegt sich / Münster).

Dass die Präsentation im Laufe des Projektes für die Kinder eine immer größere Bedeutung gewinnt, deckt sich auch mit den Beobachtungen der Künstlerinnen und Künstler. „DIE MÄDCHEN WOLLEN DAS SCHON ZEIGEN, SIE HABEN SICH DAFÜR AUCH KOSTÜME GEWÜNSCHT“ (Traumjobs und Lebensvisionen / Kleve). „DIE AUFFÜHRUNG

IM CUBA WAR FÜR DIE JUGENDLICHEN SEHR WICHTIG, AUCH DASS SIE AN EINEM SOLCHEN

ORT DURCHGEFÜHRT WURDE. ES WURDEN BEITRÄGE IM FOYER UND IM VERANSTALTUNGSRAUM GEZEIGT, DAS PUBLIKUM MUSSTE STEHEN UND SICH VON EINEM

ORT ZUM ANDEREN BEWEGEN. FÜR DIE JUGENDLICHEN EIN TOLLES ERLEBNIS“ (Nichts bewegt sich / Münster). „DIESE DOKUMENTATION IST DEN SCHÜLERN SEHR WICHTIG. SIE SAGEN, DASS DAS BUCH IHRE ELTERN BEGEISTERT UND DARAUF SIND SIE STOLZ“ (Literaturwerkstatt / Erkrath).

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Neben dem wichtigen ‚Zeigen’ in der Aufführung und in der Präsentation vor Mitschülern, Freunden und Angehörigen, ist ein weiterer Punkt die eventuell vorhandene Resonanz in der (lokalen) Presse auf die öffentlichen Präsentationen. „WIR STEHEN IN DER ZEITUNG“ war ein häufig gehörter Satz, den die Kinder und Jugendlichen vortrugen. Neben der Begeisterung war das eine nochmalige Unterstützung in ihrer Arbeit und steigerte die Überzeugung, etwas „AUßERGEWÖHNLICHES“ und „WICHTIGES“ getan zu haben. Ein sehr anschaulich beschriebenes Beispiel einer Berichterstattung in den Medien sei hier aus Münster dargestellt: „Das Nichts in all seiner Vielfalt. Es war ein für kulturelle Veranstaltungen eher ungewöhnlicher Wunsch, der die rund 50 Gäste am Donnerstag ins Cultur- und Begegnungszentrum Cuba an der Achtermannstraße lockte: Nichts geboten zu bekommen. Und tatsächlich: Das Publikum wurde nicht enttäuscht. Dafür sorgten die an der Aufführung beteiligten Schüler der Jahrgangsstufe 11 des Freiherr-vom-Stein-Gymnasiums, indem sie das Nichts auf unerwartet vielfältige Weise zeigten. Dennoch durfte das Motto ‚Nichts bewegt sich’ keinesfalls wörtlich genommen werden. Allein die Wechsel der Aufführungsorte zwischen Foyer und Bühnenraum ‚Black Box’ verlangten den Anwesenden ein Mindestmaß an Bewegung ab. In ihrer gut einstündigen Performance-Art-Aufführung brachten die Schüler in Zusammenarbeit mit dem Aktionskünstler Stephan US Alltagssituationen und -gegenstände in einen ungewohnten Kontext. Und das teils sogar mit messbarem Erfolg, wie das Münzhäuflein vor dem ‚Bettler’ Nils Heitkamp zeigte, der die Besucher mit dem Schild ‚Gib mir Geld für Nichts’ zur Wohltätigkeit animierte. Auf der filmischen Präsentation des Nichts gab es unter anderem das Türschild der Familie Nichts und etliche Nullen zu bestaunen. Auf viele weitere Arten ließen die Schüler das Nichts agieren: Monika Potaczek und Ayda Aksoy machten sich mit verbundenen

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Augen auf den Weg ins Nichts, und Zico Banach und Alexander Schorfheide kosteten die Genüsslichkeit des Nichts: Am festlich gedeckten Tisch ließen sie sich unbeschriebenes Papier auftischen, das sie mit Feinschmeckermine verspeisten. Die Zuschauer dankten für das originelle und kurzweilige Programm, indem sie die 22 Darsteller mit verdientem Beifall bedachten – für Nichts, selbstverständlich." (Aus: Westfälische Nachrichten, Kultur, 16.02.2008)

3.6 Kulturelle Kompetenz

In der Präsentation des NRW-Landesprogramms ‚Kultur und Schule’ heißt es u. a.: „Die Landesregierung will die künstlerisch-kulturelle Bildung in Schule und Kommunen stärken. Denn Bildung ist mehr als die Aneignung kognitiven Wissens und Könnens: Bildung umfasst immer auch den Erwerb differenzierter Wahrnehmungs- und Ausdrucksmöglichkeiten und die Ausbildung einer ästhetischen Intelligenz. Kunst und Kultur bieten hierfür die besten Voraussetzungen“.7

Ein Ergebnis aus den Beobachtungen und den Interviews ist, dass in den Projekten vielfältige Kompetenzen angeeignet werden können. Fähigkeiten und Fertigkeiten, wie etwa das Schreiben von Geschichten oder von Filmkritiken, körperlicher und sprachlicher Ausdruck in Tanz und Theater, der Umgang mit 7 Staatskanzlei Nordrhein-Westfalen (Hrsg.): Kultur und Schule. Das NRW-Landesprogramm, ohne Datum.

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neuen Medien und vieles mehr, werden dort vermittelt. Damit bietet sich auch die Chance, neues Selbstbewusstsein zu entwickeln, insbesondere, wenn das neu Erfahrene und Erlernte in einer öffentlichen Präsentation gezeigt werden kann. Durch die musikalische Zweckentfremdung von Alttagsgegenständen oder auch durch die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Thema ‚Nichts’, werden den Teilnehmenden andere Möglichkeiten der Wahrnehmung eröffnet.

Der Erwerb dieser neuen Qualifikationen ist jedoch mehr als nur ‚Neues lernen’, denn er beinhaltet wesentlich mehr als nur die Aneignung technischer oder fachlicher Kenntnisse. Vielfach gelingt es, die Kinder und Jugendlichen sehr nah an das künstlerische Genre heran zu führen: „WIR WISSEN JETZT, WAS EINE

PERFORMANCE IST“, „AM ANFANG WAR ES IRGENDWIE PEINLICH ABER ZUM SCHLUSS

STAND MAN RICHTIG DAHINTER. MAN WAR ÜBERZEUGT UND SAGTE, JA ICH MACHE DAS JETZT“ (Nichts bewegt sich / Münster). „MAN KANN SEINE GEFÜHLE ZEIGEN UND

SPIELEN, MAN KANN SICH AUSDRÜCKEN UND DAS KANN MAN AUCH FÜR DEN BERUF (DIE

BEWERBUNG) BRAUCHEN“ (Traumjobs und Lebensvisionen / Kleve). „WIR HABEN UNS SELBER VIEL BEIGEBRACHT, WEIL WIR FREI ERFINDEN UND IMPROVISIEREN KONNTEN, KÖNNEN JETZT AUCH LÖTEN“ (Elektronenmusik / Leverkusen). „FOTOGRAFIEREN, MIT

DER KAMERA ARBEITEN UND AM PC“ (Digitales Atelier / Dörenhagen). „WIR HABEN VIEL ÜBER DIE ORTSGESCHICHTE ERFAHREN, KÖNNEN JETZT RICHTIG GUTE INTERVIEWS

MACHEN, UMGANG MIT DER KAMERA“ (News Magazin / Steinhagen).

Dieses weiter gefasste Verständnis von Qualifikation findet sich auch in den Gesprächen mit den Künstlerinnen und Künstlern: „DIE KINDER WERDEN ANIMIERT, SICH GEDANKEN ZU THEMEN ZU MACHEN, ÜBER DIE SIE VORHER NOCH NICHT

NACHGEDACHT HABEN. ES GEHT DABEI DARUM, ETWAS KREATIV ZU BEWÄLTIGEN“ (Digitales Atelier / Dörenhagen).

Sich Gedanken zu machen, sich kritisch mit einem Thema auseinanderzusetzen und diese Reflexion in einem kreativen Prozess anzuwenden, ist bei vielen Projekten schon in der Konzeption angelegt:

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„UNSER HEUTIGER ALLTAG IST VOLL VON ELEKTRONISCHEN APPARATUREN UND

MASCHINEN, MAN KÖNNTE OHNE ÜBERTREIBUNG VON EINER ALLGEGENWÄRTIGKEIT DER ELEKTRONIK SPRECHEN. KONSEQUENTERWEISE IMPLIZIERT “ELEKTRONENMUSIK” EIN

AUSEINANDERSETZEN MIT DEN ALLTÄGLICHEN ELEKTRONISCHEN MILIEUS.“ (Elektronenmusik / Leverkusen).

„KINDER UND JUGENDLICHE WACHSEN IN EINER ZEIT DER MEDIEN- UND BILDERFLUT EINER

KONSUMORIENTIERTEN GESELLSCHAFT AUF. OFT IST DIE WERBUNG MIT IHREN BILDERN

SCHNELLER ALS DIE KUNST. GLEICHZEITIG HERRSCHT IN DIESER FÜLLE OFT EINE ORIENTIERUNGSLOSIGKEIT UND RESIGNATION, EINE FORM DER INHALTSLEERE: BILDER

UND HANDLUNGEN WERDEN BELIEBIG. IN DIESEM PROJEKT SETZE ICH MIT DEN SCHÜLERN

THEMATISCH AM ANFANG EINES KUNSTWERKES AN: DER LEERE, DEM NICHTS, DER STILLE“ (Nichts bewegt sich / Münster).

„DIE KRITISCHE WÜRDIGUNG EINES FILMES FÄLLT NICHT NUR JUGENDLICHEN, SONDERN

SEHR OFT AUCH ERWACHSENEN SCHWER. SIE SETZT EIN BEWUSSTSEIN FÜR DIE VIELFÄLTIGEN GESTALTUNGSEBENEN UND -MÖGLICHKEITEN BEI FILMEN VORAUS BZW. DIE

NOTWENDIGKEIT, DIESE MIT DEN JUGENDLICHEN GEMEINSAM ZU ERKUNDEN“ (Filmkritiken / Gelsenkirchen).

Das gesamte Arrangement in den Projekten trägt dazu bei, den Kindern und Jugendlichen der Zugang zu kultureller Kompetenz zu öffnen. Es ist insbesondere die Erfahrung der Zusammenarbeit mit Künstlerinnen und Künstlern, die dabei hervor zu heben ist. Die Festlegung auf diese besondere ‚Berufsgruppe’ im NRW-Landesprogramm Kultur und Schule ist ein wesentlicher Eckpunkt, da diese als ‚Fachkräfte’ einen völlig anderen Zugang zu Qualifikation und Wahrnehmung bieten und dies als Persönlichkeit auch repräsentieren.

In allen evaluierten Projekten haben die Teilnehmenden die Chance, sich selber als handelnde Akteure in der Auseinandersetzung mit Körperarbeit, Ausdruck, Material oder Medien zu erleben. Sie werden damit zu Subjekten einer kulturellen Produktion und die dabei zu realisierenden Erfahrungen können sie im Idealfall auch für eine neue Art und Weise der Auseinandersetzung mit ihrer konkreten Lebenswelt nutzen. „HIER SIND WIR KREATIV“ und „ERFAHREN FREIES DENKEN“ – ein solches Zitat aus den Interviews mit Schülerinnen und Schülern aus einer 5. Klasse (Zeitreise / Steinhagen) unterstreicht dies ebenso, wie die Äußerung eines ähnlichen alten Jungen aus dem Projekt Elektronenmusik: „DU KANNST AUS ALLEN

MÖGLICHEN DINGEN TÖNE MACHEN UND AUF EINMAL IST NICHTS MEHR SO, WIE DU ES

KENNST – DAS IST FÜR MICH KUNST“.

Eine Fülle von Äußerungen dokumentieren, dass in den evaluierten Projekten Anstöße vermittelt wurden, die über die Bewältigung von neuen Anforderungen hinaus reichen und als kulturelle Kompetenz auch für andere Bereiche Substanz

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bieten. Dabei sind natürlich Schulformen, Alter der Teilnehmenden und auch die Projektinhalte zu berücksichtigen. An dieser Stelle dazu beispielhaft einige Rückmeldungen zum ‚Besonderen’ im Projekt.

Aus Grundschulklassen: „EIGENE TEXTE UND GESCHICHTE SCHREIBEN. DIE DANN

VORTRAGEN DÜRFEN“ (Literaturwerkstatt / Erkrath). „MIT DEM PROGRAMM (PC MAL

PROGRAMM) KANN MAN VIELES GESTALTEN, MAN KANN SICH BEI DEN ANDEREN HAARE ODER EINE NASE LEIHEN UND IN DAS EIGENE BILD REINSCHIEBEN, MAN KANN SOLANGE

DARAN ARBEITEN, BIS ES NICHT MEHR ZU ERKENNEN IST UND WAS GANZ NEUES DARAUS

GEWORDEN IST“ (Digitales Atelier / Dörenhagen). „WIR HABEN PANTOMIME GELERNT UND AUCH MAL WAS AUS DEM THEATER, SO VIELE SPIELE UND WIE WIR UNSERE WUT

RAUSLASSEN OHNE ANDEREN WAS ZU TUN“ (Helden bitte melden / Köln).

Aus der 6. Klasse Gesamtschule: „SCHÖN, SPANNEND, ANDERE TÖNE MACHEN, UNBEKANNTE ART VON MUSIK.“ „ALLES AUSPROBIEREN KÖNNEN.“ „SCHRÄGE TÖNE SIND

AUCH MUSIK, DAS IST DOCH NUR EINE FRAGE VON GESCHMACK“ (Elektronenmusik / Leverkusen).

Aus den Jahrgangstufen 4-8 Realschule: „MAN SIEHT FILME MIT GANZ ANDEREN

AUGEN.“ „DIE HANDLUNGEN SELBER BESTIMMEN, EIN DREHBUCH ODER SO, DAS IST

SCHON WAS BESONDERES.“ „ICH BIN EIN FILMKRITIKER“ (Filmkritiken / Gelsenkirchen).

Aus Hauptschulen, höhere Klassen: „WIR LERNEN WIE DAS LEBEN IST.“ „WIR KÖNNEN

VIELE VERSCHIEDENE ROLLEN SPIELEN“ (Traumjobs und Lebensvisionen / Kleve) – „VIEL FREIE ZEIT“ (und) „WENN MAN FREI DENKEN MUSS, DANN IST DAS GUT.“ „MIT DEM BILD IST DAS DANN UNSER RAUM.“ „WIR HINTERLASSEN ETWAS, WENN WIR WEG SIND“ (Wandbild / Neuss). „IN DER GRUPPE ZU TANZEN IST COOL, WENN DU DAS KANNST, DANN IST DAS MEHR ALS SONST.“ „DAS (DIE CHOREOGRAFIE) IST ZWAR ANSTRENGEND ABER DAS IST TANZEN, NICHT WENN DU GUT IM FREESTYLE BIST“ (Dance Xperience! / Köln).

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Aus dem Gymnasium, unterschiedliche Stufen: „… ERFAHREN FREIES DENKEN“ – „EIN

ANDERES GEFÜHL FÜR DEN ORT“, denn wir „HABEN SCHON DIE GANZE ORTSGESCHICHTE KENNENGELERNT“ (News Magazin / Steinhagen) – „…MAN DACHTE FAST, WIR SIND

KÜNSTLER“ (Nichts bewegt sich / Münster).

Diese Zitate zeigen die Potenziale, die in den Projekten des NRW-Landesprogramms ‚Kultur und Schule’ liegen.

Diese Äußerungen der Teilnehmenden unterstreichen, dass der eingangs zitierte Anspruch aus dem NRW-Landesprogramm, differenzierte Wahrnehmungs- und Ausdruckmöglichkeiten und die Ausbildung einer ästhetischen Intelligenz zu fördern, in den Projekten erfüllt werden kann. Dabei kommt allerdings der Struktur der Projekte, ihrer Passgenauigkeit für die jeweilige Zielgruppe und auch den Rahmenbedingungen vor Ort besondere Bedeutung zu. Diese Punkte werden in den Kapiteln 3.7 und 4. Rahmenbedingungen konkretisiert.

3.7 Weitere Hinweise

Der Zuschnitt der Projekte in Hinblick auf das Alter und die Schulform ist für die Realisierung der aufgezeigten Potenziale von großer Bedeutung. Die involvierten Akteure von Schule und aus dem Kreis der Künstlerinnen und Künstler müssen im Vorfeld eine Abstimmung vornehmen, so dass sowohl eine Über- wie auch eine Unterforderung der Teilnehmenden ausgeschlossen werden kann.

In den evaluierten Projekten hat sich gezeigt, dass bereits Grundschüler mit Angeboten aus unterschiedlichen Sparten gut zu erreichen sind. Im Projekt ‚Digitales Atelier’ beispielsweise wurde zunächst mit einem sehr kindgerechten, einfachen Programm für die Bildbearbeitung gestartet und erst zu einem späteren Zeitpunkt neue Software eingesetzt, mit der mehr Gestaltungsmöglichkeiten gegeben sind. Die Thematik Fabelwesen sprach die Kinder an und erreichte sie. Die im Rahmen des Projektes durchgeführten (Foto-) Exkursionen in die Tierwelt (Park und Bauernhof) wurden von den Kindern als wichtige Stationen im Projekt bewertet: Toll war das „RAUSGEHEN UND DIE TIERE ANSCHAUEN“ und „RICHTIGE TIERBILDER ALS VORLAGE ZU HABEN“.

Die positiven Äußerungen der interviewten Schülerinnen und Schüler zum ‚sich bewegen können’ weisen auf die Bedeutung der Projektstruktur hin und zwar unabhängig davon, aus welcher Sparte die Angebote kommen, Es ist wichtig, den Schülerinnen und Schülern den Zugang zu Kunst und Kultur durch konkretes Handeln zu öffnen. Kunst und Kultur können bei den Kindern und Jugendlichen etwas ‚in Bewegung bringen’. Dafür ist aber Voraussetzung, dass die Angebote für das Handeln auf die Möglichkeiten der Kinder und Jugendliche zugeschnitten sind,

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diese ansprechen und fordern. In den in die Untersuchung einbezogenen Projekten ist dies fast überall in besonderer Weise gelungen.

Trotz aller Schwierigkeiten standen in den medialen Projekten in ausreichender Weise Geräte zur Verfügung oder wurden von den Künstlerinnen und Künstlern mitgebracht. In einem anderen Fall ist es der Künstlerin gelungen, den von ihr kritisierten Ausfall von Internetzugängen durch einen Aufbau des Angebotes auszugleichen, der den Teilnehmenden trotzdem praktisches Handeln ermöglichte. In einem Projekt war zu beobachten, dass bei der konkreten Umsetzung des Wandbildes nicht für alle Schüler und Schülerinnen Handlungsangebote gegeben waren. Dabei ist natürlich zu berücksichtigen, dass in einer solchen Phase der Umsetzung eine Abwägung notwendig ist, zwischen der Qualität (die den Teilnehmenden auch wichtig ist: Etwas „HINTERLASSEN …, WENN WIR SCHON WEG

SIND“) und der Einbeziehung aller.

In den besuchten Projekten war nicht zu beobachten, dass es für Kinder und Jugendliche aus Migrationsfamilien größere Schwierigkeiten gab als für andere Teilnehmende. Dies unterstreicht noch einmal die Bedeutung von konkreten Handlungsmöglichkeiten. Es gibt Sparten, aus denen Angebote entstehen, die völlig unabhängig von einer möglichen Einschränkung in der Sprachkompetenz sind. Dies trifft dort zu, wo es in erster Linie um körperlichen Ausdruck geht, wie z.B. in den Projekten ‚Dance Xperience!’ und ‚Helden bitte melden’ und bei Angeboten, wo das Bildnerische im Vordergrund steht. Dass ein unterschiedliches Niveau in der Sprachkompetenz trotzdem kein ‚K.O.-Kriterium’ für die Teilnahme sein muss, zeigten die Beobachtungen und die Interviews im Theaterprojekt ‚Traumjobs und Lebensvisionen’. Einige der Mädchen klagten zwar über Schwierigkeiten, den Text zu lernen, äußerten aber zugleich die Freude über die Übernahme von Rollen im Stück und über die Möglichkeit, sich bewegen zu können. Diese Äußerungen deckten sich mit den Beobachtungen, die vor den

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Interviews gemacht wurden. Die Künstlerin bestätigte, dass in diesem Projekt sprachliche Probleme anfangs ein Hindernis darstellten.

Auffallend war, dass weder in den Beobachtungen, noch in den Interviews mit Teilnehmenden und den Akteuren aus Kunst und Schule die Genderthematik eine Rolle spielte. Zwar gab es dazu auch keine konkreten Fragen in den Interviews, aber weder bei den Beobachtungen zur Mitarbeit noch bei Fragen zum miteinander Agieren nahm dieses Thema Raum ein. In drei der auswählten Projekte gab es ausschließlich Jungs als Teilnehmer (Helden bitte melden / Köln) bzw. Mädchen als Teilnehmerinnen (Dance Xperience! / Köln sowie Traumjobs und Lebensvisionen / Kleve). Im ersten Projekt erklärt sich die ausschließliche Teilnahme von Jungs durch die konkrete Auswahl. Hier sollte den Jungs ein besonderes Angebot gemacht werden, in dem sie lernen, mit Wut umzugehen und gewaltfreie Möglichkeiten der Konfliktbearbeitung kennen zu lernen. Die Projektziele beinhalteten darüber hinaus auch den Umgang mit körperlichen Ausdruck und Selbst- und Sinneswahrnehmung. In den Interviews sagen die jungen Schüler (3. und 4. Klasse), dass sie die Aktivitäten „LUSTIG“ finden und ihnen die Teilnahme daran „NICHT PEINLICH“ ist. „JA, DAS IST GUT OHNE DIE MÄDCHEN, IST BESSER, WEIL WIR DA MEHR TOBEN DÜRFEN.“ Daraus lässt sich entnehmen, dass es darum geht ‚mehr Raum’ zu haben und nicht um ein Abgrenzen vom anderen Geschlecht, denn zeigen kann man ‚das’ den Mädchen ja: „WIR MACHEN VIELLEICHT EINE AUFFÜHRUNG, NUR WIR JUNGS MACHEN DAS DANN, VOR DEN MÄDCHEN.“

Bei den beiden Projekten, an denen nur Mädchen teilnehmen, existieren parallele Angebote. Damit wirkt sich ein Aspekt der organisatorischen Rahmenbedingungen oft unbeabsichtigt auch inhaltlich auf die Projekte aus: Je nachdem, wann und wie das Projekt in den Schulalltag integriert ist, sind überwiegend weibliche oder

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männliche Teilnehmerinnen oder Teilnehmer anzutreffen. Dies ist ganz besonders im Nachmittagsbereich der Fall, wenn die Projekte in Formen von AG’s laufen: Ist ein Kunst- und Kulturprojekt in zeitlicher Konkurrenz zu Sport-AG’s angesiedelt, so kann es passieren, dass überwiegend Mädchen den Weg zur Kultur finden, während die Jungs ihre Kräfte z.B. im Handball messen. Anders herum haben sich einige der Mädchen überlegt, das Kulturprojekt im nächsten Halbjahr zugunsten einer „Bleib fit“-AG abzuwählen: „ICH MUß EH NOCH EIN PAAR KILO ABNEHMEN“, war von 12jährigen Schülerinnen zu hören. Hier stellt sich die Frage, ob nicht durch eine planvollere Platzierung des Kulturprojektes die Einseitigkeit von Geschlechterverhältnissen durchbrochen oder diesen sogar gegengesteuert werden kann.

Das NRW-Landesprogramm ‚Kultur und Schule’ zielt darauf, Schülerinnen und Schüler mit möglichst vielen Sparten der Kunst in Berührungen zu bringen und denjenigen mit besonderen Neigungen und Begabungen ein dauerhaftes Engagement in diesem Bereich zu ermöglichen.8 In den evaluierten Projekten konnten dafür sehr gute Ansätze ermittelt werden. Fast alle Kinder und Jugendlichen äußerten sich in den Interviews dahingehend, gerne noch einmal an einem solchen Projekt teilzunehmen. Bei den jüngeren Teilnehmenden gab es dazu begeisterte Rückmeldungen und den Wunsch, dass es auf jeden Fall eine Fortführung oder ein neues Angebot geben solle. Für sie ist die Begegnung mit Kunst und Kultur ein positives Erlebnis, dass sie durchgehend mit Spaß und Freude am Tun und Lernen verbinden. Auf dem Hintergrund dieser Erfahrungen sind viele der Teilnehmenden sicherlich auch für andere Aktivitäten und Angebote aus diesem Bereich ansprechbar.

8 Siehe hierzu: Staatskanzlei Nordrhein-Westfalen (Hrsg.): Kultur und Schule. Das NRW-Landesprogramm, ohne Datum.

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Bei einigen Älteren gibt es differenzierte Stellungnahmen, die auf ein Interesse an Fortführung und Vertiefung hinweisen: „JA, ICH WÜRDE WIEDER MITMACHEN, ABER MEIN GRÖßTER WUNSCH IST, SELBER EINEN FILM ZU DREHEN“. „ICH WERDE AUCH WEITER

FILMKRITIKEN SCHREIBEN UND ZWAR IMMER BESSERE“ (Filmkritiken / Gelsenkirchen). „JA, AUCH GERNE NOCH MAL EINEN FILM FÜR DAS BÜRGERFERNSEHEN DREHEN“ (News Magazin / Steinhagen). „AUF JEDEN FALL WEITER TANZEN UND DA NOCH VIEL MEHR

LERNEN, HABE VORHER AUCH SCHON GETANZT UND NACH DEM KURS, WILL ICH ERST

RECHT WEITERMACHEN“ (Dance Xperience! / Köln).

Bei den Teilnehmenden aus der Oberstufe des Gymnasiums liegt der Nutzen auch im ‚Transfer’ zu anderen Formen von Kunst: „HABE JETZT EIN VÖLLIG ANDERES

VERSTÄNDNIS DAVON“. „ES IST EINE ANDERE KUNSTSPARTE, DIE WIR KENNENGELERNT HABEN UND WENN MAN JETZT SOLCHE THEATER ODER AUSSTELLUNGEN SIEHT, DIE EINEM

VORHER ABGEDREHT VORKAMEN, DANN VERSTEHT MAN ES JETZT ZUM TEIL DOCH“ (Nichts bewegt sich / Münster).

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4 Zusammenarbeit im Projekt

In den Interviews wurden zahlreiche Hinweise gegeben, die sich auf die Zusammenarbeit zwischen den Künstlerinnen und Künstler auf der einen Seite und Lehrerinnen und Lehrern auf der anderen Seite beziehen.

Die Künstlerinnen und Künstler wünschen sich durchgehend, an den Schulen konkrete Ansprechpartnerinnen und Partner zu haben. Die Frage, inwieweit dies gegeben ist, wird von den Befragten sehr unterschiedlich bewertet. In einigen Fällen gibt es eine sehr konkrete Zusammenarbeit mit einer Lehrerin oder einem Lehrer, manchmal besteht diese auch schon über einen längeren Zeitraum und hat eine bestimmte Verbindlichkeit erreicht, was von beiden Seiten sehr positiv bewertet wird: „WIR ARBEITEN SCHON LANGE ZUSAMMEN UND ES BESTEHT EIN

VERTRAUENSVERHÄLTNIS. AUF DIESE WEISE IST DAS ANGEBOT AUCH TEIL UNSERER

ARBEIT HIER AN DER SCHULE“. An einer anderen Schule meinte die Lehrerin: „ES IST UNS SEHR WICHTIG, DASS DER KÜNSTLER EIN SOLCHES KREATIVES ANGEBOT IN UNSERER

SCHULE DURCHFÜHRT, DAS KÖNNTE DIE SCHULE NICHT VON SICH AUS. DER KÜNSTLER

BRINGT FÄHIGKEITEN UND FERTIGKEITEN MIT, DIE ÜBER DAS SCHULSYSTEM HINAUS REICHEN UND ES BEREICHERN. WIR HABEN SCHON IN VIELEN PROJEKTEN

ZUSAMMENGEARBEITET UND GUTE ERFAHRUNGEN MIT EINANDER. HINZU KOMMT, DASS

DER KÜNSTLER HIER IM DORF WOHNT, WAS FÜR DIE KINDER SEHR REIZVOLL IST, DA SIE IHN KENNEN“. Dazu drei weitere Stellungnahmen aus anderen Projekten: „DIE

ZUSAMMENARBEIT ZWISCHEN UNS IST SEHR WICHTIG. WIR HABEN EINE GEMEINSAME

KOMMUNIKATIONSEBENE“, „WIR KENNEN UNS SCHON LÄNGER UND DIE ZUSAMMENARBEIT MACHT SEHR VIEL SPAß“, „GUTE ZUSAMMENARBEIT, HABEN SCHON MEHRERE PROJEKTE

MITEINANDER GEMACHT UND DIE CHEMIE STIMMT, DAS IST WICHTIG“. Es lässt sich feststellen, dass der Aspekt der guten, respektvollen und reflexiven Zusammenarbeit der Künstlerinnen und Künstler mit den Lehrkräften von nicht zu unterschätzender Wichtigkeit ist. Die Schulen sollten generell eine Ansprechpartnerin bzw. einen Ansprechpartner aus dem Kollegium - und nicht Schulsekretariat oder Schulleitung – benennen, die oder der eine Brückenfunktion zum Kollegium hat und mit für die Einbindung der Projekte in die Schule sorgt.

Es gibt vereinzelt auch kritische Rückmeldungen zur Zusammenarbeit. Eine Künstlerin bemängelt: „DAS PROJEKT IST NICHT AN DER SCHULE VERANKERT, ES GIBT

LEIDER KEINE MÖGLICHKEIT, DAS PROJEKT IM LEHRERKOLLEGIUM VORZUSTELLEN“. In einem Fall ist die Lehrerin zwar von dem Projekt begeistert, befürchtet aber dadurch eine Reduzierung des Lehrpersonals: „ERST WERDEN DIE

KUNSTLEHRERSTELLEN GESTRICHEN UND DANN WIRD MIT VIEL AUFSEHEN DAS

KUNSTPROJEKT EINGEFÜHRT, DAS IST DOCH EINE SCHIEFLAGE!“

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In einem anderen Projekt wird davon berichtet, dass die durch die Kommune eingeschränkte Auswahl eines neuen Künstlers als Vertretung für die erkrankte Vorgängerin als sehr kritisch gesehen wird, da sich in diesem Fall völlig unterschiedliche Vorstellungen über die Art und Weise der Durchführung in der Praxis heraus kristallisiert haben.

In manchen Fällen entstehen Spannungsverhältnisse zwischen den externen Akteuren aus dem Bereich Kunst und Kultur und denen aus dem System Schule. Diese können sehr produktiv und für beide Seite bereichernd verlaufen, dafür ist neben der Stimmigkeit in der gegenseitigen persönlichen Einschätzung (‚Chemie muss stimmen’) aber auch von allen Beteiligten ein hohes Reflexionsniveau erforderlich. So ist die Rolle der oder des Kunstschaffenden von der Anlage her freier als die der Lehrkräfte. Sie bzw. er kann in den Projekten weitestgehend unabhängig von Lehrplänen agieren und die Regeln, die er setzt und die von den Schülerinnen und Schüler ja vielfach positiv als viel freier bewertet werden, sind in einer Ausnahmesituation aufgestellt und haben keine Auswirkungen auf das Regelwerk in anderen Schulstunden.

Diese besondere Rolle der Künstlerinnen und Künstler, die ja auch gewünscht ist und entsprechende Effekte mit sich bringt, bekommt dann eine besonders sensible Gewichtung, wenn die Zusammenarbeit mit Fachlehrerinnen und Lehrern aus dem Bereich Kunst besteht. So wird in einem Projekt von der Skepsis des Fachkollegen berichtet, die sich allerdings durch die Rückmeldungen der Schüler in positive Erwartungen an die Aufführungen hin entwickelt. In einem anderen Projekt berichten Lehrerin und Künstler darüber, wie wichtig es ihnen ist, sich genau zu diesen Themen auszutauschen: „DER KÜNSTLER KOMMT REIN UND BRINGT WAS GANZ

ANDERES… ER KONFRONTIERT DIE SCHÜLERINNEN UND SCHÜLER MIT NEUEN THEMEN UND FORDERT EINE BESCHÄFTIGUNG MIT DEM ICH HERAUS… DA MUSS MAN ALS LEHRERIN

AUCH SCHAUEN, DASS MAN DIESEN PROZESS ZULÄSST“. Durch eine gemeinsame Reflexion der unterschiedlichen Rollen und der unterschiedlichen Ansätze ist es,

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so wird positiv berichtet, möglich, Konkurrenzen zu vermeiden und stattdessen, das „OPTIMUM FÜR DIE SCHÜLERINNEN UND SCHÜLER HERAUSZUHOLEN“.

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5 Ergebnisse im Überblick

Wesentliches Ziel des NRW Landesprogramms ‚Kultur und Schule’ ist die Vermittlung von künstlerisch-kultureller Bildung an den Schulen. Junge Menschen sollen, unabhängig von ihrer familiären Herkunft, die Chance erhalten, mit möglichst vielen Kunstsparten in Berührung zu kommen und dadurch in ihren Wahrnehmungs- und Ausdrucksmöglichkeiten gefördert werden.9

Die vorliegende qualitative Studie ist in erster Linie auf die Wirkungen der im Rahmen des NRW Landesprogramms geförderten Kunst- und Kulturprojekte auf die teilnehmenden Schülerinnen und Schüler gerichtet. Im Focus steht dabei die Frage nach den Potenzialen, nach dem, was möglich ist. Dabei ist es unumgänglich, auch einen Blick auf die Rahmenbedingungen der Projekte zu werfen. Im Folgenden werden die Ergebnisse noch einmal stichwortartig in einem Überblick präsentiert, wobei die Reihenfolge keine Wertung beinhaltet:

1. Wirkungen für die Teilnehmenden • Neues lernen. Erwerb neuer Qualifikationen in unterschiedlichen

Bereichen, z.B. Umgang mit Medien, sprachlicher und körperlicher Ausdruck.

• Andere Wahrnehmung. Hier gibt es mehrere Ebenen: Ästhetische Wahrnehmung, die mit dem Gegenstand (Inhalt) der Projekt verbunden ist – neue Möglichkeit der Selbstwahrnehmung und der Wahrnehmung der anderen Schülerinnen und Schüler.

• Selbstbewusstsein entwickeln. Das gewachsene Selbstbewusstsein basiert auf mehreren Faktoren: Das Verfügen über neue Qualifikationen, die Erfahrungen mit neuen Formen des Handelns und der Zusammenarbeit mit anderen und das Erleben des Präsentierens (Kunst zeigt sich dem Publikum).

• Erwerb kultureller Kompetenz. Die Teilnahme an einer künstlerischen Produktion – mit allen den bereits genannten Elementen – beinhaltet die Chance der Verallgemeinerung der Erfahrungen zu einem anderen Verständnis von Kunst und Kultur. Dies wird in dieser Studie mit dem Begriff der kulturellen Kompetenz erfasst, die auch für andere Bereiche des Lernens und Handelns neue Blickrichtungen öffnet.

9 Siehe hierzu: Staatskanzlei Nordrhein-Westfalen (Hrsg.): Kultur und Schule. Das NRW-Landesprogramm, ohne Datum.

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2. Neue Erfahrungen • Aneignung durch Handeln. Sowohl die fachliche Qualifizierung (‚Neues

lernen’) als auch die Auseinandersetzung mit dem Inhalt der Projekte vollzieht sich für die Teilnehmenden durch eigenes Handeln. Aneignung durch Handeln öffnet Bewegungsspielräume und zwar im unmittelbaren Sinne des Wortes. Diese Form der Aneignung wird von den Schülerinnen und Schülern aller Schulformen und Altersstufen positiv bewertet.

• Neue interpersonale Erfahrungen durch die Zusammenarbeit mit Künstlerinnen und Künstlern. Für die Schülerinnen und Schüler ist es eine wichtige Erfahrung, den Zugang zu Kunst durch Menschen geöffnet zu bekommen, die dafür sowohl entsprechende fachliche Qualifikationen und Erfahrungen einbringen, als auch ihrer Persönlichkeit die besondere Beziehung zur Kunst repräsentieren. Damit verbunden sind in der Regel auch eine andere Form der Ansprache und ein anderes Verhalten den Teilnehmenden gegenüber als diese es im Schulalltag gewöhnt sind.

3. Rahmenbedingungen • Kooperation von Schule und Kunstschaffenden. In allen

Rückmeldungen der Künstlerinnen und Künstler wird die Bedeutung dieser Kooperation hervorgehoben. Es geht auch hierbei um mehrere Ebenen: Die direkte Kommunikation mit einer Lehrerin oder einem Lehrer, die im Projekt als Partnerin oder Partner fungieren – die Kommunikation in das System Schule, vom Kollegium über die Verwaltung bis zur Hausmeisterei.

• Die Ausstattung der Projekte. Eine Schule ist weder ein Theater noch ein Kunstatelier, das ist allen beteiligten Akteuren klar. Aber Ziel sollte es sein, das Optimum im Rahmen der vorhandenen Möglichkeiten zu gewährleisten. Dies betrifft die Raum- und Materialfrage ebenso, wie die Vermeidung von Störungen.

4. Nachhaltigkeit • Anschlussmöglichkeiten finden. Viele Kinder und Jugendliche wünschen

sich die nochmalige Mitwirkung in solchen Projekten. In Hinblick auf das Ziel, ihnen den Zugang zu möglichst viele Sparten öffnen, ist diese Haltung sicherlich auch ein Anknüpfungspunkt, um sie für andere Projekte zu gewinnen. Einige der Teilnehmenden zeigen besonderes Interesse und/oder besondere Begabung. Sie sollten darin unterstützt werden, sich in diesen Kunstbereich aktiv zu vertiefen.

• Festigung der Kooperation zwischen Schule und Kunst. Wenn sich Schulen bereits mehrfach an den Projekten des Landesprogramms beteiligt

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haben, kann dies zu einer Implementierung der Kunstprojekte in das Schulsystem beitragen. Voraussetzung dafür ist, dass die Erfahrungen auch kommuniziert und in Form von Regelungen und Absprachen auch etabliert werden. In mehreren Schulen besteht bereits seit längerer Zeit eine Zusammenarbeit mit bestimmten Künstlerinnen und Künstlern. Dies kann unter Umständen dazu beitragen, die Rahmenbedingungen für die Projekte noch weiter zu verbessern.

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6 Schlusswort

Aktuelle Jugendstudien geben vielfältige Hinweise darauf, dass sich Kinder und Jugendliche in der gegenwärtigen Phase gesellschaftlicher Modernisierung unter Druck gesetzt fühlen. So führt die Shell-Jugendstudie 2006 sinngemäß dazu aus: Einer großen Integrationsbereitschaft steht die Sorge gegenüber, aufgrund von mangelnden Qualifikationen oder falscher Berufsplanung keinen Platz in der Gesellschaft zu finden.10 Jugendforscher weisen darauf hin, dass die Jugendphase durch einen Mix von beschleunigten Ausbildungszeiten und ungesicherten beruflichen Anschlussstellen zunehmend ausgehöhlt wird und sprechen von einer „Entgrenzung der Jugend“.11 Um in einer flexiblen Gesellschaft mit ihren Anforderungen an die Individuen bestehen zu können, benötigen Kinder und vor allem Jugendliche spezifische Kompetenzen, die nicht über den alleinigen Erwerb von Wissen zu erlangen sind. Die Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur und die Teilhabe an kultureller Produktion bieten hierbei besondere Chancen. Selbst in Kulturprojekten aktiv zu werden, im Idealfall in Zusammenarbeit mit Künstlern unterschiedlicher Sparten, fördert die Aneignung kultureller Kompetenz. Die Mitwirkung in Kulturprojekten ermöglicht neue Sichtweisen auf Sachverhalte und gesellschaftliche Zusammenhänge, darauf weisen zum Beispiel Evaluationen zu Theaterprojekten hin.12 Diese Chance der Gewinnung neuer Sichtweisen und Perspektiven ist für Jugendliche aller sozialen Lagen und unabhängig vom Bildungsstand gegeben, das zeigen die Ergebnisse des sehr bekannten Projektes „Rhythm is it“ oder auch die Tanztheaterarbeit des Düsseldorfer Vereins Kabawil.13 Der Begriff kulturelle Kompetenz beinhaltet damit einen persönlichkeitsbezogenen Erwerb von Fähigkeiten/Fertigkeiten und Erfahrungen.14

Die hier dokumentierte qualitative Wirksamkeitsstudie zum NRW-Landesprogramm ‚Kultur und Schule’ zeigt auf, dass der Erwerb kultureller Kompetenz in Kunst- und Kulturprojekten möglich ist. Dabei ist besonders der Ansatz hervorzuheben, die Schule für die Angebote von Künstlerinnen und Künstlern zu öffnen. Für die Schülerinnen und Schüler sind beide Erfahrungen wichtig: Das ‚andere’ kulturelle Angebot und die Zusammenarbeit mit den Künstlerinnen und Künstlern, die ebenfalls als ‚anders’ wahrgenommen werden und die auch ‚anders’ agieren. Die

10 Klaus Hurrelmann u. a. 2006: Eine pragmatische Generation unter Druck. In: Deutsche Shell Holding (Hg.): Jugend 2006, Frankfurt am Main. 11 Schröer, Wolfgang 2003: Befreiung aus dem Moratorium. Zur Entgrenzung von Jugend. In: Lenz, Karl u. a. (Hg): Entgrenzte Lebensbewältigung, Weinheim und München. 12 Finke, Raimund/Haun, Hein 2001: Lebenskunst Theaterspielen: In: Korrespondenzen. Zeitschrift für Theaterpädagogik 03/2001. Siehe hierzu auch Evaluation zu „Die Hiketiden“ unter www.bmj.bund.de/files/-/2086/Materialien.pdf. 13 Siehe hierzu: www.kabawil.de. 14 Knopp, Reinhold 2007: ‚Kulturelle Kompetenz’ als Chance für gesellschaftliche Wirksamkeit im Alter. In: Knopp, Reinhold/Nell, Karin (Hg.): Keywork, Bielefeld.

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Interviews mit den Kindern und Jugendlichen aus den Projekten zeigen, dass sie sich durchgehend in einer für sie neuen Weise an die Inhalte der Angebote annähern. In ihren Rückmeldungen aber auch in der strukturierten Beobachtung bestätigt sich, dass dies im Prozess zu neuen Formen von Wahrnehmung und Handeln führt. Auch die Selbstsicht und die Gruppenbeziehungen verändern sich und der Zugang zu neuen Fähigkeiten und Fertigkeiten lässt sich feststellen. Für die Schülerinnen und Schüler ist diese Form des Lernens sehr motivierend, da sie verstehen, dass diese Fähigkeiten und Fertigkeiten die Voraussetzung für die Mitwirkung an der Kunst- und Kulturproduktion sind. Manchmal braucht es seine Zeit, aber spätestens gegen Ende der Projekte ist der Wunsch bei den Teilnehmenden da, ihre Arbeit zu präsentieren. Bei den in die Studie einbezogenen Angeboten war dies in unterschiedlicher Weise auch immer möglich bzw. sogar als Bestandteil eingeplant. Aufgrund der Bedeutung, die die befragten Kinder und Jugendlichen der Präsentation beimessen, empfiehlt sich, die Präsentation als Standard für das Programm ‚Kultur und Schule’ zu definieren. Wichtig sind auch die Rahmenbedingungen, die die Künstlerinnen und Künstler in den Schulen vorfinden. Wünschenswert ist eine Information über die Projekte im Schulkollegium, so dass eine Wertschätzung in der Institution Schule möglich ist. Als besonders positiv hat sich darüber hinaus das Vorhandensein einer festen Ansprechpartnerin oder eines festen Ansprechpartners herausgestellt. Für die Lehrerinnen und Lehrer stellen diese von außen kommenden Kulturangebote auch eine Herausforderung dar, ist den Künstlerinnen und Künstlern doch einiges in Hinblick auf die ‚Neuvermessung von Grenzen’ möglich. Eine produktive Zusammenarbeit und Auseinandersetzung ist jedoch für beide Seiten von Nutzen, darauf gibt es vielfältige Hinweise in den Gesprächen im Rahmen dieser Studie.

Die vorgelegte qualitative Studie zeigt, dem Auftrag entsprechend, welche Wirkungen sich durch die Begegnung mit Kunst und Kultur in den durchgeführten Projekten für die beteiligten Schülerinnen und Schüler ergeben. Die Studie dokumentiert, dass das NRW-Landesprogramm ‚Kultur und Schule’ mit einem großen Nutzen für die Kinder und Jugendlichen verbunden ist und ihnen den Zugang zu kultureller Kompetenz öffnen kann.

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Anhang

Im Folgenden werden die für die Studie ausgewählten Projekte kurz dargestellt sowie Künstler, Sparte, Klasse und die Schule genannt. Die Beschreibungen der Projekte basieren auf der Datenbank der Homepage www.kulturundschule.de und wurden z.T. von den jeweiligen Künstlern aktualisiert und ergänzt.

News Magazin - Zeitreise durch Steinhagen / Steinhagen

Im Hinblick auf die 750 Jahrfeier der Gemeinde Steinhagen sollen SchülerInnen im Rahmen dieses Videoprojekts eine lebendige Verbindung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft schaffen. Dazu durchstöbern themenbezogene Recherche- Gruppen Archive, erforschen Geschichte und Geschichten, dokumentieren industriellen oder kulturellen Wandel, suchen historische Orte auf, befragen Zeitzeugen und interviewen Passanten. Mit der Video- oder Fotokamera wird prägnantes in Bild und Ton festgehalten und zu einer ca. 30-minütigen, moderierten Magazinsendung zusammengefügt. Jede Gruppe schneidet und textet dabei selbst. Das Ergebnis wird im Rahmen der Feier präsentiert. Künstlerin: Christel Heermann Sparte: Neue Medien/Film Klasse: 5. Schuljahr Schule: Steinhagener Gymnasium Ansprechpartner/in: Frau Wenig Am Cronsbach 1 33803 Steinhagen Tel.: 05204-997351

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Nichts bewegt sich / Münster

Das Performance-Art-Projekt zum Thema „Nichts Stille, Leere” greift den Gedanken auf, dass inmitten der Bilderflut der heutigen Medien eine Orientierungslosigkeit und Resignation entstehen kann, bei der es sich um eine Form der Leere handelt. Die Schüler erhalten zunächst eine Einführung in die Performancekunst, recherchieren dann zum Thema und entwickeln Gruppen- und Einzelperformances dazu. Abschließend tragen sie die Verantwortung für Organisation, Planung und Durchführung einer öffentlichen Aufführung der entstandenen Arbeiten, sowie eine Dokumentation derselben. Projektziele:

- Einblick in die Performance-Art - Auseinandersetzung und künstlerische Aufarbeitung des eigenen Leere-

Begriffs - Kennen lernen aller Aspekte einer öffentlichen Präsentation - langfristige Verfügbarkeit der Arbeit durch Dokumentation gewährleisten

Kompetenzerweiterung:

- Realisierung und Thematisierung eigener Bedürfnisse - Schulung des „eigenen“ künstlerischen Ausdrucks - verbessertes Organisations- und Planungsverhalten - höhere soziale Kompetenz durch enge Zusammenarbeit in Gruppenphasen

und bei Präsentationsplanung - kritische Auseinandersetzung mit den medialen Bilderwelten

Künstler: Stephan Us Sparte: Performance Klasse: Jahrgangsstufe 11 Schule: Freiherr-vom-Stein-Gymnasium Ansprechpartner/in: Frau Klockenbusch Dieckmannstraße 141 48161 Münster Tel.: 0251-6206540

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Schüler-Onlineredaktion ‚Filmkritiken’ / Gelsenkirchen

Gründung und Begleitung einer Schulredaktion für ‚spinxx.de’, dem seit Anfang 2005 bestehenden ‚Onlinemagazin für junge Medienkritik’ des JFC Medienzentrum Köln mit dem Schwerpunkt ‚Filmkritiken’. In den wöchentlichen Redaktionssitzungen schreiben, recherchieren, interviewen und fotografieren die Schüler/innen für das Magazin. Auf dem Programm stehen auch gemeinsame Filmsichtungen, Besuche von Filmfestivals und Medienfirmen sowie thematische Workshops. Das Projekt möchte Schülerinnen und Schülern:

- Spaß am Kino vermitteln und deren kritischen Blick auf Medien schärfen. - ermutigen und anleiten, ihre Gedanken unabhängig von möglichen

Schwierigkeiten mit Rechtschreibung und Grammatik in treffende Worte zu fassen, also ihre Freude am Schreiben fördern.

- einen Blick hinter die Kulissen der Filmwelt ermöglichen. - Vertrauen in ihre eigenen kreativen Kräfte geben. - dabei unterstützen, sich und ihre Arbeit öffentlich zu präsentieren.

Kompetenzerweiterung:

- Journalistische Praxis (Recherche, journalistische Darstellungsformen, Online-Redaktionsystem u.v.m.)

- Filmanalyse und -produktion - Kompetente Nutzung von Aufnahmetechnik und Bearbeitungssoftware - Kenntnisse über Medienbranchen und -berufe - Erweiterung des Wortschatzes

Künstlerin: Claudia Ferda Sparte: Journalismus/neue Medien/Film Klasse: 5. - 8. Schuljahr Schule: Lessing-Realschule Ansprechpartner/in: Herr Schwarzkopf Grenzstraße 3 45881 Gelsenkirchen Tel.: 0209-9571590

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Literaturwerkstatt / Erkrath

Hierbei handelt es sich um ein Folgeprojekt der Literaturwerkstatt aus dem Schuljahr 2006/2007. Das Projekt beschäftigt sich mit dem Medium Buch. Bücher bestehen nicht nur aus Papier und Pappe. Zwischen ihren Buchdeckeln wird das gesamte Wissen dieser Welt aufbewahrt. Doch wie kommt das Wissen in die Bücher? Im Schuljahr 2007/2008 wird der Schwerpunkt auf die "Eigenproduktion" in Form von Gedichten, Geschichten und Comics gelegt. Die bildnerische Gestaltung der Werke wird von einer weiteren Schülergruppe (ca. 15 - 20 Schüler) übernommen. Die Fortsetzung des Projektes ist geplant. Hier wird es dann um die Vertonung der Eigenwerke gehen. Projektziel:

- Kinder zu kreativem Umgang mit der deutschen Sprache führen. Künstlerin: Barbara Zimmermann Sparte: Literatur Klasse: 3. - 4. Schuljahr Schule: GGS Bavierschule Ansprechpartner/in: Frau Menzel-Trojahn Düsseldorferstraße 27 40699 Erkrath Tel.: 0211-243430

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Digitales Atelier - Fabelwesen / Borchen-Dörenhagen

Die Vermittlung des fachlichen Umgangs mit Digitalkamera und Bildverarbeitung steht im Mittelpunkt des Projektes. Gleichzeitig werden heimische Tiere kennen gelernt. Diese werden mittels Bildverarbeitung zu neuen Tier-/Fabelwesen zusammengesetzt. Künstler: Wolfgang Brenner Sparte: Bildende Kunst Klasse: 4. Schuljahr Schule: Gemeinschaftsgrundschule Dörenhagen Ansprechpartner/in: Frau Kuhnigk Birkenweg 13 33178 Borchen Tel.: 05293-344

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Geräusche und Natur in Bewegung / Duisburg

Die Schüler lernen verschiedene Rhythmen kennen – sie stampfen, klatschen, gehen, heben die Arme und stellen diese so dar. Die Rhythmen stammen aus der Lebenswelt der Kinder – ein tropfender Wasserhahn oder das Brüllen eines Esels vor der Tür aus dem „Schulzoo“. Schließlich entwickelt jedes der Kinder eine eigene rhythmusspezifische Bewegung. Die Darstellung des Wassers oder des Windes erfordert ganz unterschiedliche Bewegungsqualitäten, die die Kinder kennen lernen und umzusetzen lernen. Tanzelemente ergänzen die Arbeit. Projektziele:

- Förderung der Rhythmik und Motorik sowie der Ausdrucksfähigkeit Kompetenzerweiterung:

- Rhythmisches Grundempfinden - Umsetzen von Bildern, Assoziationen in Bewegungen - Bewusstere Wahrnehmung

Künstlerin: Gitta Steib Sparte: Tanz Klasse: SO (bes. Förderung) Schule: Städtische Förderschule Am Rönsbergshof Ansprechpartner/in: Schulleitung Am Rönsbergshof 13-15 47139 Duisburg Tel. 0203-462272

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Dance Xperience! / Köln

Die Montessori Hauptschule liegt in einem Stadtteil mit sozial schwachem Gefüge und großer kultureller Vielfalt. Viele dort lebende Jugendliche nutzen den Hip Hop und Breakdance als intensive und emotionale Ausdrucksform. Offene Angebote, diese Tanzformen zu lernen oder ambitionierte, talentierte junge Tänzer zu fördern fehlen gänzlich. Das Projekt setzt hier an und ermöglicht den Jugendlichen, ihre künstlerischen Kompetenzen in ihrem bisherigen Metier zu erweitern und ihre Fähigkeiten zu verbessern. Projektziele:

- Förderung der Jugendlichen im Bereich des Tanzes als alternative Ausdrucksmöglichkeit

- Vermittlung von Bewegungsfeldern aus der lateinamerikanischen und spanischen Tanztradition

- Konfrontation mit Neuem, Unbekanntem zur Erweiterung der persönlichen Möglichkeiten

- Enthemmung, Überwindung von Barrieren Kompetenzerweiterung:

- Gewinnung eines höheren Selbstwertes - Erweiterte oder grundständige tänzerische Ausdrucksformen - Interesse an Kultur, an der Andersartigkeit über die Thematik Tanz - Fähigkeit zur Entwicklung von neuen, persönlichen Perspektiven

Künstler: Jose Giovanni Saturno Sparte: Tanz Klasse: 8. - 9. Schuljahr Schule: Montessori Hauptschule Ansprechpartner/in: Frau Albien Rochusstr. 145-147 50827 Köln Tel.: 0221-5957231

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Elektronenmusik / Leverkusen

Kinder zerlegen elektronische Alltagsgegenstände – z.B. batteriebetriebene Radios, Anrufbeantworter oder Radiowecker. Sie funktionieren sie zu Musikinstrumenten um und testen die Klangqualität der selbst gebauten Instrumente. So erhalten sie nicht nur Einblick in das sonst verborgene Innenleben der Geräte und erweitern ihr Wissen über Physik, Elektrotechnik und die Verwendung mechanischer Werkzeuge. Der handwerkliche Umgang mit den Geräten ist auch der Einstieg in eine musikalische Gruppenimprovisation und vermittelt einen intuitiven Zugang zu musikalischem Ausdruck. Das Projekt besteht in der Erarbeitung einer musikalischen Gruppenimprovisation mit den selbst gebauten Instrumenten sowie ggf. in Kombination mit Instrumenten, die die SchülerInnen bereits spielen. Projektziele:

- Heranführung an elektronische Musik und Improvisation - Vermittlung technischer Fertigkeiten wie kommunikativer Kompetenzen - Anregung zum kreativen Umgang mit Ton/Klang

Kompetenzerweiterung:

- Einblicke in Improvisationsprozesse, bewusste Interaktion - Technische und kreative Kompetenzen - Ausdauer im Umgang mit unbekannten Sachverhalten

Künstler: Andreas Hirsch, Sven Hahne Sparte: Musik/neue Medien Klasse: 7. Schuljahr Schule: Städt. Gesamtschule Leverkusen-Schlebusch Ansprechpartner/in: Herr Buers Ophovener Str. 4 51375 Leverkusen Tel.: 0214-310170

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Musikwerkstatt / Wuppertal

Ausgehend von den Bedürfnissen der Kinder soll hier mit den Mitteln von Rhythmik und Musik folgendes ganzheitlich gefördert werden:

1. Konzentrationsfähigkeit und Sinneswahrnehmungen, sowie die Wahrnehmung der eigenen Person

2. das soziale Miteinander durch achtsames aufeinander Hören und miteinander ins musikalische Spiel Kommen

Hierfür erhalten die Kinder mit Hilfe von Kurzspielen und Liedern Gelegenheit, auf rhythmisch-musikalische Vorgänge zu achten und zu reagieren. Darüber hinaus soll durch freies Ausprobieren und Experimentieren mit Instrumenten des Orffschen Schulwerkes die Phantasie der Kinder angeregt und beflügelt werden und so zum eigenen Erfinden und Gestalten eigener und gemeinsamer Klangwelten angeregt werden. Hierbei soll es weniger um die Erstellung eines normgerechten und vorzeigbaren Klangergebnisses gehen, als vielmehr darum, den Kindern einen Freiraum zu geben, in dem sie sich mit Musik und Rhythmus in Interaktion mit anderen Kindern erleben können. Hiermit wird den Kindern eine vielschichtige Kommunikationsebene angeboten, auf der sie sich frei von schulischen Anforderungen spielerisch selber und in Interaktion mit anderen neu erleben können. Durch dieses Angebot soll das Selbstwertgefühl der teilnehmenden Kinder, sowie der achtsame Umgang auch mit dem anderen gefördert werden und damit ein Beitrag geleistet werden, die Sozialstruktur der Schule insgesamt zu stärken. Künstler: Wolfgang Weber Sparte: Musik Klasse: 1. - 4. Schuljahr Schule: Sankt Antonius Schule Ansprechpartner/in: Frau Minke Zur Schafbrücke 30 42283 Wuppertal Tel.: 0202-5636076

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Helden bitte melden! / Köln

Dieses Projekt vermittelt den Kindern die Wirkung und Bedeutung bestimmter Körperhaltungen über die aktive Erfahrung. Das Thema "Gewalt" nimmt innerhalb dieser analytischen Betrachtung der Körpersprache einen besonderen Stellenwert ein. Projektziele:

- Vermittlung von Grundlagen der Körpersprache und Körperhaltung. - Erörterung des Themas Gewalt und die Vermittlung eines

Gewaltverständnisses. - Vermittlung körperlicher Ausdrucksmöglichkeiten. - Einüben einer konstruktiven Konfliktkultur. - Aggressionsabbau.

Kompetenzerweiterung:

- Fähigkeit der Selbstanalyse. - Alternative Handlungskompetenz. - Geschärfte Selbstwahrnehmung und Sinneswahrnehmung. - Erhöhtes Empathieverhalten. - Möglichkeit des bewussten Einsatzes von Körpersprache.

Künstler: Peter Paul Sparte: Theater Klasse. 3./4. Schuljahr Schule: GGS Peter Petersen Ansprechpartner/in: Frau Dr. Vach Mülheimer Freiheit 99 51063 Köln Tel.: 0221-49201080

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Traumjobs und Lebensvisionen / Kleve

Über Traumjobs und Lebensvisionen – ein Theater – Film – Projekt. Gemeinsam erarbeiten die Teilnehmer eine Schauspiel-Film-Präsentation zum Thema. Dabei findet unmerklich eine Berufsvorbereitung durch Theaterübungen statt. Angesprochen werden Präsenz, Selbstbewusstsein und Selbstdarstellung, Ausdruck emotionaler Erlebnisse, Willenskraft, Verbalisierung eigener Wünsche, Konfliktbewusstsein. Auch die Reflexion des eigenen Verhaltens durch Videoaufnahmen ist Bestandteil des Projektes. Projektziele:

- Vermittlung von Grundlagen des Schauspiels - Vermittlung technisch-handwerklicher Kenntnisse zur Drehbuchentwicklung,

der Skript- und Szenenentwicklung - Vermittlung von Schnitttechniken

Kompetenzerweiterung:

- Kenntnisse im Bereich des Theaterspiels, der Improvisation und des Zusammenspiels

- Erhöhte Gruppenkompetenz und verbessertes Sozialverhalten - Schnittkenntnisse - Entwicklung eigener Berufsvorstellungen - Differenzierte Denkweise

Künstler: Harald Kleinecke Sparte: Theater Klasse: 5. – 6. Schuljahr Schule: Wilhelm-Frede-Schule Ansprechpartner/in: Herr Kerst Eichenallee 1 47533 Kleve

Tel.: 02821-3522

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Wandbild / Neuss

Gemeinsame gestalten Schüler eine Wand in einem Aufenthaltsraum in ihrer Schule. Nach der Einführung in das Thema Wandgestaltung anhand von Beispielen aus der Kunstgeschichte, sollen sich die Schüler auch mit dem Thema „Zentralperspektive“ beschäftigen. Zur konkreten Gestaltung sollen in einem ersten Schritt Entwürfe gesammelt und in der Gruppe diskutiert werden. Nach der Auswahl des Motivs werden die Arbeiten an der Wand begonnen. Zu diesen Arbeiten gehört neben dem zeichnen und malen auch die perspektivische Gestaltung und auch handwerkliche Tätigkeiten. Projektziele:

- Verschönerung / Gestaltung eines Raumes in der Schule - Gemeinschaftliches Arbeiten - Beteilung der Schülerinnen und Schüler - Anders sehen und wahrnehmen

Kompetenzerwerb:

- Perspektivisch sehen und zeichnen - Wandgestaltung, handwerkliche Fähigkeiten

Künstler: Heribert Münch Sparte: Bildende Kunst Klasse: 9. Schuljahr Schule: GHS Weißenberg Ansprechpartner/in: Herr Rode Leostr. 37 41462 Neuss Tel.: 02131-569912

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stadt-konzept Bürgerstr. 19 40219 Düsseldorf Tel.: 0211-3036491 mail: [email protected]