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Jürgen Heckel Kommunizieren lernen . . . Anregungen zur Selbsthilfe

Kommunizieren lernen - library.fes.delibrary.fes.de/pdf-files/akademie/bayern/07827.pdf · Mit dem vorliegenden Leitfaden „Kommunizieren lernen“ des Münchner BayernForums der

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Jürgen Heckel

Kommunizierenlernen . . .Anregungen zur Selbsthilfe

Die Broschüre wird vom BayernForum der Friedrich-Ebert-Stiftung veröffentlicht.Die Ausführungen und Schlussfolgerungen sind vom Autor in eigener Verantwortung vorgenommen worden.

Impressum: BayernForum der Friedrich-Ebert-Stiftung Prielmayerstr. 3 80335 Münchenwww.bayernforum.de

Gestaltung: Jürgen Pichler, Pichler/Treffer KommunikationsDesign

Druck:

ISBN 978-3-86872-590-2

Jürgen Heckel

Kommunizierenlernen . . .Anregungen zur Selbsthilfe

Kommunikation ist der einzige und wichtigste Faktor, der betimmt,welche Arten von Beziehungen der Mensch mit anderen eingeht undwas er in seiner Umwelt erlebt. Wie er zurecht kommt mit seinem Le-ben, wie er vertraute Beziehungen knüpft, wie produktiv er ist, wie erseinen Sinn findet, wie er mit seinem persönlichen Gott verbundenist, all dies hängt weitgehend von seinen Kommunikationsfähigkeitenab. Kommunikation ist der Maßstab, mit dem zwei Menschen gegen-seitig den Grad ihres Selbstwertes messen, und sie ist auch das Werk-zeug, mit dem dieser Grad für beide geändert werden kann.

Virginia Satir

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort 6

I Einleitung 7

II Kommunikationsmodelle: Vier Seiten einer Nachricht . . . 9

III Die Landkarte 12

IV Das Werte- und Entwicklungsquadrat 14

V Wie offen kann ich sein? Selektive Authentizität 16

VI Die Toleranzampel oder: Drei Straßen in der Kommunikation 19

VII 9 Tipps zur Freien Rede 21

VIII Gliedern – Ordnen 25

IX Vorbereitung einer Rede oder eines Referates 28

X Feedback 30

XI Moderation 31

XII Kleine Anleitung für Podiumsdiskussionen 36

XIII Die Lernselbsthilfegruppe Kommunikation 37

XIV Literatur 41

„Demokratie braucht Demokraten“ – dieses berühmte Wort Friedrich Eberts ist sein politisches Vermächtnis und bestimmtauch heute die Arbeit der Friedrich-Ebert-Stiftung. Demokratie lebt von den Einstellungen, der Handlungsfähigkeit und derHandlungsbereitschaft ihrer Bürgerinnen und Bürger. Als Stützpfeiler und wichtiges Instrument der Demokratie fördertunsere politische Bildungsarbeit das gesellschaftliche Engagement von Bürgerinnen und Bürgern. Unsere Bildungsarbeitfußt dabei auf Ideen und Grundwerten der Sozialen Demokratie, der wir uns verpflichtet fühlen. (aus: Lernen fürSoziale Demokratie, hrsg. von der Friedrich-Ebert-Stiftung Berlin-Bonn 2010)

Wir erstreben eine lebendige und aktive Demokratie. Diese ist auf Entwicklung und Verbesserung persönlicher Kompe-tenzen, d.h. die Fähigkeit zur erfolgreichen Bewältigung komplexer Anforderungen in unterschiedlichen Situationenangewiesen. Kompetentes Handeln von mündigen Bürgerinnen und Bürgern schließt den Einsatz von Wissen, vonkognitiven und praktischen Fähigkeiten genauso ein wie soziale und kommunikative Kompetenzen.

Mit der Entfaltung dieser Kompetenzen bei möglichst vielen Bürgerinnen und Bürgern wollen wir zur Belebung derdemokratischen Institutionen und Parteien beitragen und eine aktive Bürgergesellschaft fördern.

Mit dem vorliegenden Leitfaden „Kommunizieren lernen“ des Münchner BayernForums der Friedrich-Ebert-Stiftung kön-nen Sie in Eigenverantwortung Ihre kommunikativen Fähigkeiten verbessern. Für die Herausgabe gab es zwei Gründe:Zum einem ist die Broschüre als Ergänzung gedacht für die vielfältigen Seminare, die die Friedrich-Ebert-Stiftung in Bayernzu diesem Thema anbietet. Zum anderen wollen wir Sie ermutigen, Ihre Kommunikation im Rahmen Ihres gesellschaft-lichen Engagements in Vereinen und Initiativen zu verbessern. Gesellschaftliche Gruppen, insbesondere Bürgerinitiativenund politische Parteien sind hier ein ideales Lernfeld.

Die „Anregungen zur Selbsthilfe“ können Sie natürlich alleine bearbeiten oder zusammen mit Gleichgesinnten in einerLernselbsthilfegruppe Kommunikation (Kap. 13). Wir empfehlen Ihnen die Broschüre in Zusammenhang mit einemSeminarbesuch zur Freien Rede bzw. zur Verbesserung der Kommunikationskompetenz bei der Friedrich-Ebert-Stiftung.Angebote dazu finden Sie im neuen Jahresprogramm der Politischen Akademie der Friedrich-Ebert-Stiftung(www.fes.de/pa). Neben den Angeboten des BayernForums (www.bayernforum.de) empfehlen wir Ihnen auch die Pro-gramme der Akademie Frankenwarte in Würzburg (www.frankenwarte.de), des Regensburger Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung (www.fes-regensburg.de), der Georg-von-Vollmar-Akademie in Kochel (www.vollmar-akademie.de) und derKommunalakademie Bayern (www.kommunalakademie-bayern.de). Die „Akademie Management und Politik“ derFriedrich-Ebert-Stiftung (www.fes-mup.de) bietet mit dem bundesweiten Trainingsprogramm für ehrenamtlich engagierteFührungskräfte intensive Ausbildungsgänge und praxisnahe Trainingskonzepte für das professionelle Management ingesellschaftspolitischen Organisationen und für die wirkungsvolle Kommunikation mit Mitgliedern, Bürger/innen und derÖffentlichkeit an.

Der Autor dieser Broschüre Jürgen Heckel kommt aus der Praxis und lehrt seit über 20 Jahren Kommunikation. Er sam-melte wertvolle Erfahrungen durch sein Engagement in Initiativen, Vereinigungen und Selbsthilfegruppen. Er predigt keineDogmen, erteilt keine Ratschläge, sondern zeigt durch die vielfältigen Modelle in der Broschüre Suchwege auf, auf denenSie in Eigenverantwortung herausfinden können, wie Sie Ihr kommunikatives Wachstum fördern können. Seine persön-liche und übertragbare Erfahrung: „Es lohnt sich nicht, anderen etwas vorzumachen. Menschen haben ein ganz feinesGespür dafür, ob es jemand ehrlich meint oder nicht.“

Dem A1 Verlag danken wir, dass wir einige Grafiken aus Jürgen Heckels Buch „Frei sprechen lernen“ verwenden durften.Dem Garchinger Künstler und Grafiker Jürgen Pichler Dank für die Gestaltung und Dank an Alexandra Herde fürssorgfältige Korrektur lesen.

Horst Schmidt M.A.Leiter des BayernForums der Friedrich-Ebert-Stiftung

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Vorwort

Täglich müssen wir uns in unterschiedlichenSprechsituationen gegenüber sehr unterschied-lichen Empfängern verständlich machen. Dazu be-nötigen wir kommunikative Kompetenz. Kommu-nikative Kompetenz ist eine Schlüsselqualifikation,die uns persönlich, beruflich und gesellschaftlichgleichermaßen abverlangt wird. Persönlich, weilunsere Lebenszufriedenheit und seelische Ge-sundheit in hohem Maß von der zwischen-menschlichen Kommunikation abhängt, beruflich,weil unser Fortkommen weitgehend von unserenkommunikativen Fähigkeiten bestimmt ist und ge-sellschaftlich, weil in der Willensbildung unsererdemokratischen Gesellschaft Interessengegensätzedurch Kompromisse zu regeln sind. Für die politi-sche Bildung erwächst daraus die Aufgabe, Fä-higkeiten und Kompetenzen zum Zusammenlebenzu vermitteln. Unsere Zukunft wird nicht in ersterLinie von den Naturwissenschaften abhängen,sondern von unseren sozialen Fähigkeiten. Siewird davon abhängen, ob es uns gelingt, Men-schen unterschiedlicher Herkunft miteinander insGespräch zu bringen. Die Voraussetzung dafür ist,die Interaktionen zwischen den Menschen ver-stehen zu lernen. Ich hoffe, dass diese kleine Bro-schüre ein klein wenig dazu beitragen wird.

Obwohl uns in allen Lebensbereichen ständigkommunikative Kompetenzen abverlangt werden,überlassen wir unsere kommunikative Entwick-lung immer noch weitgehend dem Zufall. Diesekleine Broschüre soll Ihnen dabei helfen, bewußterals bisher auf die Entwicklung Ihrer kommunikati-ven Fähigeiten zu achten, und Sie motivieren, derEntwicklung dieser Fähigkeiten systematischer alsbisher Ihre Aufmerksamkeit zu schenken. Ehren-amtliches Engagement in Gruppen und Initiativeneröffnet Ihnen vielfältige Lernchancen. Das Wirk-samste bei der Einübung kommunikativer Kom-petenz ist nicht die Anhäufung theoretischenWissens, sondern die Einübung im Handeln, dieandauernd korrigierende Interaktion mit anderen.Es muß in einer Gruppe für Sie erfahrbar werden,dass Sie gut reden können, wenn Sie sich nurtrauen. Kommunikationsseminare sind sehr hilf-reich, aber Kommunikative Kompetenz einzuüben

ist eine lebenslange Aufgabe, ein niemals enden-der Prozeß der Verbesserung, Bereicherung undVergrößerung von Fähigkeiten.

Kommunikation kann nirgendwo erfolgreichereingeübt und geschult werden als in Vereinen,Bürgerinitiativen, Gewerkschaften und Parteien.Gruppen und Organisationen sind ein idealesLernfeld, denn egal aus welchen Motiven sie zu-sammenkommen und miteinander arbeiten, essind immer auch kommunikative Fähigkeiten, diedabei geschult werden. Halten Sie einen Momentinne: Sie sind Mitglied in einem Verein, in einer Ar-beitsgruppe oder in einer Partei. Sie wollten immerschon einmal einige Dinge zur Sprache bringen,die Ihrer Meinung nach tabuisiert werden. Ob-wohl Sie sich fest vorgenommen hatten, sich zuWort zu melden, haben Sie sich an diesem Abendwieder nicht getraut oder Sie sind mit Ihrem Wort-beitrag unzufrieden. Mit welchem Gefühl gehenSie nach Hause? Oder haben Sie sich nicht auchschon oft über sinnlose, endlose Diskussionen undnutzlose Auseinandersetzungen geärgert. Nur all-zuviele Menschen geben dann enttäuscht ihrehrenamtliches Engagement auf. Ich möchte Siedazu ermuntern nicht wegzuschauen und zuresignieren, sondern von folgender Sichtweise aus-zugehen, mit dem Ziel Veränderungen einzulei-ten: Wie gehe ich mit diesen Konflikten um undwas kann ich daraus lernen? Wo liegen die Grün-de und Ursachen? Was kann ich dazu beitragen,dass es besser gelingt? Wo mache ich Fortschritte,wo mache ich immer wieder die gleichen Fehler?Welche Rolle spiele ich in diesem Prozeß? Ma-chen Sie sich auf die Suche nach Fesseln, die Ihrkommunikatives Wachstum behindern.

Helfen dabei werden Ihnen die in dieser Broschürevorgestellten Kommunikationsmodelle. Sie habendie Aufgabe, die Komplexität von Kommunika-tion durchsichtiger zu machen, und sie helfen uns,unsere eigenen Handlungen bewusster wahrzu-nehmen und neue Wege einzuschlagen. Wennein Kommunikationsweg nicht funktioniert, wäh-len Sie einen anderen. Sie wachsen in IhremEngagement und machen die wunderbare Erfah-

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Einleitung

I Einleitung

rung: Jeder kleine Veränderungsschritt stößt wei-tere Veränderungsschritte an.

Diese Broschüre ist kein Rezeptbuch mit genau zubefolgenden Anleitungen, sondern ein vielseiti-ges Angebot einander ergänzender Bausteinezwischenmenschlicher Kommunikation, die indi-viduell kombiniert werden können. Wählen Siebitte das aus, womit Sie glauben, etwas anfangenzu können: Wenn Sie sich die Frage stellen „Wieoffen kann ich sein?“, dann beschäftigen Sie sichmit Kapitel 5, wenn es Sie interessiert, was Sieberücksichtigen sollten, wenn Sie sich in einerVersammlung zu Wort melden, dann schauen Siein Kapitel 7 nach. Sie lernen in Kapitel 6 mit Hilfeder Toleranzampel, ob Sie sich in Bezug auf Ihrekommunikativen Fähigkeiten auf einer Wach-stumsstraße befinden oder in einer Sackgasse.Praktische Hinweise zur Vorbereitung Ihres Rede-beitrages finden Sie in Kapitel 9.

Wenn es Ihnen gelingt für sich und eine GruppeWachstum einzuleiten, so helfen Sie mit, eineneue Kommunikationskultur in Verbänden, Verei-nen, Parteien und Gewerkschaften zu begründen.Sich in Gemeinschaften zu engagieren bedeutetin der Praxis sich auf Konflikte mit Andersden-kenden einzulassen: zuhören, begründen, auf-einander eingehen, ehrlich und offen sein, argu-mentieren, werben, aufbrechen, provozieren, er-muntern, konfrontieren, den eigenen Standpunktbegründen und dabei stets auch die Möglichkeitdes eigenen Irrtums eingestehen. Ich bekennemich ausdrücklich dazu, in meiner Kommunika-tion zu konfrontieren und gelegentlich auch zupolemisieren. Ich konfrontiere oder polemisiereaber nicht mit dem Ziel, andere zu verletzen oderzu diffamieren, sondern um neue Gedankenräu-me aufzuschließen. Ich achte streng darauf, dassmeine Provokationen nicht ein vergiftetes gesell-

schaftliches Klima produzieren, wie es durchRechtspopulisten geschieht. Wer Andersdenkendenur diffamiert, bedroht oder bekämpft, trägtnichts zur Verbesserung der politischen Kultur bei.Er stellt die Gewalt als Mittel der Politik nicht inFrage, sondern bestätigt sie. Es geht ums Anteil-nehmen des Einzelnen an der Gemeinschaft undums Anteilnehmen der Gemeinschaft am Lebendes Einzelnen. Ich erlebe einen doppelten Ge-winn in meiner ehrenamtlichen Tätigkeit. Vonmeinem Engagement profitiert nicht nur die ent-sprechenden Organisation und dadurch die de-mokratische Gesellschaft, sondern ich profitiereauch für mich persönlich, sowohl beruflich alsauch privat. Mein Engagement lohnt sich überdas originäre Engagement hinaus.

Der unschätzbare Vorteil, den das Gruppenler-nen gewährt: Der Praxistransfer, die unmittelbareAnwendung des Gelernten, ist in den Gruppen-prozess selbst eingebaut.

Vielleicht entschließen Sie sich nach Anfangser-folgen sogar im Umfeld Ihrer gesellschaftlichenAktivitäten eine Lernselbsthilfegruppe Kommuni-kation zu gründen, wo Sie für einen begrenztenZeitraum gemeinsam mit anderen gezielt an Ih-rem kommunikativen Wachstum arbeiten. Selbst-hilfegruppen setzen zwei für Menschen unersetz-liche „Medikamente“ ein: Zuhören und Sprechen.Zuhören ist der Anfang vom Anfang im Verände-rungsprozess, denn nur wer zuhören kann istauch in der Lage zu sprechen. Und wer dem Hö-ren und Zuhören einen Wert gibt, ist auf demWeg zur Achtsamkeit sich selbst und anderengegenüber. Wer sich dem Gruppenklima konti-nuierlich aussetzt, wird Zuhören und Reden alsLebenskunst entdecken. Wer redet, sät – und werzuhört, erntet!

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Einleitung

Die vier Seiten einer Nachricht, der vierohrige Empfänger

Friedemann Schulz von Thun beschreibt denGrundvorgang der Kommunikation folgenderma-ßen: Vereinfacht gesehen ist Kommunikation einVorgang zwischen Sender und Empfänger, derSender sendet, der Empfänger empfängt.Ein Sender sendet eine Nachricht, die immer, obder Sender will oder nicht, vier psychologischbedeutsame Aspekte enthält. Vereinfacht ausge-drückt: Wir senden auf vier Kanälen.

1. SachinhaltWie kann ich den Sachinhalt meiner Rede klarund verständlich mitteilen? Die Zuhörer solltenden Sachinhalt nicht nur verstehen, sondern sichauch gut merken können. (siehe Gliedern – Ord-nen, S.23)

2. BeziehungAuf diesem Kanal wird vermittelt, wie Sender undEmpfänger zueinander stehen. Wie behandle ichden Empfänger? Bin ich oberlehrerhaft, überheb-lich, kalt, zynisch oder bin ich offen, gespannt,erwartungsfroh, diskussionsfreudig? Eine Nachrichtkann noch so sachorientiert gesendet werden, dieBeziehungsebene spielt mit. Nichtsachliche Antei-

le aus einer Diskussion zu verbannen ist illusionär.Störungen fragen nicht nach Erlaubnis, sie sindeinfach da.Watzlawick: „Jede Kommunikation hat einen In-halt und einen Beziehungsaspekt, derart, dass letz-terer den ersteren bestimmt.Die Beziehungsebene bestimmt, was auf der Sach-ebene ankommt.

Oder: Wie Menschen meine Kommunikation ver-stehen, hängt davon ab, wie ich sie während desKommunizierens behandle.“

Merke: Der Sachinhalt zielt auf den Kopf, die Be-ziehung zielt auf das Herz. Nur allzu oft verstehtdas Herz, was der Verstand nicht begreift.Sprich als Sender so zum Empfänger, wie Du selbstgern „behandelt“ werden möchtest.

3. AppellWenn wir etwas mitteilen, wollen wir immer auchetwas erreichen, Einfluss nehmen. Der VersuchEinfluss zu nehmen kann entweder offen oderverdeckt sein. Wir unterscheiden deshalb zwischenoffenen und verdeckten (versteckten) Appellen.Vermeiden Sie verdeckte Appelle, die Zuhörer wis-sen nicht woran sie sind, werden mißtrauisch, sindständig auf dem „Appellsprung“. Unsere Zuhörersind „gezwungen“ unsere Mitteilungen zu inter-pretieren. Das geht in der Regel schief.Ein Wegweiser in Richtung bessere Kommunika-tion: Möglichst wenig Appelle, aber wenn schondann offene Ich-Botschaften, die direkte Auffor-derung, der offen geäußerte Wunsch. Verschaffen Sie sich Klarheit über die AppellseiteIhrer Nachrichten.

3. SelbstoffenbarungAuf dieser Seite der Nachricht offenbart sich, wasich von mir selbst beim Sprechen preisgebe, wieoffen ich bin. Selbstoffenbarungsanteile in der Redesind Kostproben der Persönlichkeit. Auch jede wis-senschaftliche Nachricht enthält eine Selbstoffen-barungsseite, achten Sie einmal darauf: Wenn esdem Redner gelingt, den Sachinhalt mit hohenSelbstoffenbarungsanteilen zu verküpfen, dann wirdaufmerksam zugehört. Wer auf diesem Kanal seinePersönlichkeit verbirgt, sendet die Selbstoffenba-rung: „Von mir erfährst Du nicht, wo ich stehe.“

Der vierohrige Empfänger

Es wird nicht nur auf vier Kanälen gesendet, eswird auch mit vier Ohren empfangen. Das Dilem-

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II Kommunikationsmodelle

Kommunikationsmodelle

ma: Der vierohrige Empfänger hat die freie Aus-wahl, auf welchen Ohren er uns zuhört. Der Emp-fänger hat die Freiheit, den Sender gründlichmisszuverstehen. Genau das ist es, was Kommuni-kation so schwierig macht.Bildlich stelle ich mir das folgendermaßen vor: Dievier Ohren bestehen aus vier gleich großen Luft-ballons, die verschieden groß aufblasbar sind. Wel-che Ohren wie groß (empfindlich) „aufgeblasen“sind, hängt gleichermaßen vom Empfänger wievom Sender ab.

1. Das SachohrDas Sachohr fragt: Wie ist der Sachinhalt zu ver-stehen?

2. Das BeziehungsohrDas Beziehungsohr hört mit folgender Fragestel-lung: „Wie redet der eigentlich mit mir? Wenglaubt er oder sie vor sich zu haben?“ Das Bezie-hungsohr ist äußerst empfindlich, häufig sogarüberempfindlich. Beziehungsbotschaften bestim-men das Selbstwertgefühl eines Menschen. Je ge-ringer das Selbstwertgefühl ist, desto empfind-licher ist das Beziehungsohr. Hier liegt die Schnitt-stelle von Kommunikation und Selbstwert.

3. Das AppellohrDas Appellohr stellt folgende Fragen: Was soll ichtun, denken, fühlen aufgrund seiner/ihrer Mittei-lung? Viele Menschen hören überempfindlich aufdem Appellohr. Als sich mein türkischer FreundKadir einen wertvollen Teppich gekauft hatte undich in Bewunderung ausbrach, antwortete er nur:„Willst Du ihn haben?“

4. Das SelbstoffenbarungsohrDieses Ohr ist wie ein guter Therapeut diagno-stisch tätig: Was ist das für einer? Was ist mit ihm?Der Empfänger möchte gern wissen, was für einMensch der Vortragende ist. Steht er auch als Per-son zu seinen Aussagen? Redet er nur so oderhandelt er auch danach?

Die vierseitige Nachricht – Der vierohrige Empfänger

1. Eine Nachricht enthält viele Botschaften. EineNachricht ist nicht die Übermittlung von Fakten,

sondern immer die Interpretation durch denEmpfänger.

2. Ob der Sender will oder nicht, gesendet wirdimmer auf allen vier Kanälen.

3. Diese vier Dimensionen, diese vier Aspekte be-stimmen die Qualität einer Nachricht.

Zeichnung S. 50

Es wird nicht nur auf vier Kanälen gesendet, sondern auch mit vier Ohren empfangen.

4. Der Empfänger hat die freie Auswahl, auf wel-chem oder welchen Ohr/en er zuhören will. Dievier Ohren sind bei allen Menschen unter-schiedlich empfindlich.

5. Signale auf der Inhaltsebene können um sobesser verstanden werden, je positiver die Be-ziehung der Gesprächspartner verläuft.

5. Vierseitiges Empfangen ist ebenso Lernziel wiedas vierseitige Senden. Nicht nur das Redenmacht uns zu begehrten Gesprächspartnern,sondern auch das Ausmaß unseres Zuhörens.

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Kommunikationsmodelle

Kommunikationsdiagnose

Wir haben festgestellt: ein und dieselbe Nachrichtenthält viele Botschaften. Diese Vielfalt läßt sichmit Hilfe des „Nachrichtenquadrates“ ordnen, unddas Nachrichtenquadrat dient uns als Lupe, umNachrichten in ihrer Vielfalt zu entschlüsseln.

Zeichnung S. 51 unten

Wobei hilft mir dieses Modell?1. Sende ich auf allen 4 Kanälen? Welche Aspekte

vernachlässige ich? 2. Wann hören die Zuhörer besonders gern zu?3. Werden die 4 Kanäle auch in meinen schrift-

lichen Äußerungen sichtbar? 4. Sende ich offene oder versteckte Appelle?

Kommunikation ist keine Einbahnstraße, sondern ein Kreislauf...

Freies Sprechdenken ist kein Monolog, sondernein Dialog. Es gibt nicht einen Sender und einenEmpfänger, sondern wir sind in diesem Kreislaufimmer Sender und Empfänger zugleich. EineSprechsituation ist ein vielschichtiges Geschehen,in dem die Wahrnehmungen der Beteiligten vonallem mitbestimmt werden, was sie während deskommunikativen Prozesses bewegt. Kommunika-tionsmodelle helfen uns dabei, die Interaktionenzwischen Menschen besser zu verstehen.

Wenn ich auf die Feedbackschleife achte, begegneich nicht meiner Nachricht, sondern – wenn icheinfühlsam hineinschaue – meinem Empfangsre-sultat.

Wie kann ich mich verbessern?

1. Zugang zu sich selbst findenIch versuche, meine Innenwelt zu erspüren. Werbin ich, was will ich, was will ich davon mitteilen?Das Maß wie ich Zugang zu anderen finde, istdavon abhängig, welchen Zugang ich zu mir selbsthabe, denn der Weg zu den anderen führt überden Umweg zu mir selbst. Beispiel: Wer keinenZugang zu seinen eigenen Gefühlen hat, findetauch keinen Zugang zu den Gefühlen andererMenschen.

2. Wissen, wie ich durch meine Kommunikation wirke

Durch Feedback erfahre ich, wie ich auf anderewirke. Was kann ich, was kann ich nicht? Nachwelchen Mustern und Glaubenssätzen handle ich?Je genauer ich weiß, wie ich wirke, desto wohlerfühle ich mich, und wenn ich mich wohl fühle,dann kann ich alle meine kommunikativenRessourcen mobilisieren.

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Kommunikationsmodelle

3. Wahrnehmungsfähigkeiten steigernDie Pforten der Wahrnehmung (Aldous Huxley)sind unsere Augen, Ohren, Nase, Mund und Haut.Es sind unsere Bezugspunkte mit der Welt. Alsguter freier Sprechdenker öffne ich meine Sinnes-organe: Mehr hören, riechen, schmecken, fühlenund sehen als bisher. Ich achte bewusster als bis-her auf nonverbale Zeichen: auf Klangfarbe, Laut-stärke, Rhythmus, Akzent, Mimik und Gestik.

4. FlexibilitätJe flexibler ich mich in dem Kommunikationskreis-lauf verhalte, desto erfolgreicher bin ich. Flexibilitäterlaubt mir Wahlmöglichkeiten. Wenn ein Wegnicht funktioniert, wähle ich einen anderen.

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Kommunikationsmodelle / Die Landkarte

III Die Landkarte

Das Landkartenmodell geht von folgenden Über-legungen aus: Unsere Welt besteht aus einerUnendlichkeit von Sinneseindrücken. Wir wärenvöllig überfordert, völlig orientierungslos, wennwir alle Sinneseindrücke aufnehmen würden.Gegen diese unendlich vielen Sinneseindrückeschützen Filter unser Gehirn. Wir nehmen nureinen kleinen Teil davon wahr. Wir generalisieren,verzerren, tilgen. Dieser kleine Teil wird noch zu-sätzlich gefiltert durch individuelle Erfahrungen,durch unsere Kultur, unsere Einstellungen, unse-re Interessen, unsere Glaubenssätze. Auf derGrundlage dieser Sinneseindrücke konstruierenwir uns eine Repräsentation dieser Welt: unsereLandkarte.

Unsere Vorstellungen von der Welt sind abernicht die Welt, sondern unsere Vorstellungen vonder Welt. Jeder Mensch lebt nicht in einer, son-dern in seiner einzigartigen Welt. Seine Abbil-dung der Welt gibt es kein zweitesmal. EineLandkarte die Orientierung bietet, ist eine demGebiet ähnliche Struktur, darin ist ihre Brauch-barkeit begründet.Die Einträge auf der Landkarte bestimmen unserHandeln. Menschliches Verhalten ist regelgeleitet,was nicht mit determiniert (vorausbestimmt) zuverwechseln ist. Ob wir Handlungsoptionen imLeben haben, ob wir in der Lage sind, verschiede-ne Wege und Srategien zu wählen oder ob wirimmer wieder den gleichen Fehler machen, ist vonder Qualität und Quantität unserer Einträge ab-

hängig. Wie wir die Welt wahrnehmen, aus wel-chem Blickwinkel wir unser Leben sehen (fühleich mich z.B. als Mobbingopfer oder als Mobbing-beteiligter), bestimmt unsere Landkarte. Von denEinträgen auf der Landkarte ist abhängig, welcheWahlmöglichkeiten ich im Leben habe.Das Erklärungsmodell Landkarte wird häufig NLP-Autoren zugeschrieben, ist aber auf Alfred Kor-zybski und den Philsophen H. Vaihinger („DiePhilosophie des Als Ob“) zurückzuführen. ÄhnlicheGedanken finden sich auch bei Aldous Huxley.Menschen, denen das Leben gelingt, besitzen einvielseitiges Repräsentationssystem dieser Welt,eine Landkarte mit vielen unterschiedlichenEinträgen, verbunden mit der Bereitschaft, weitereEinträge zumachen. Wenn ein Weg nicht funk-tioniert, wählen sie einen anderen.Diejenigen, die ein verarmtes Leben führen, habenein einseitiges Repräsentationssystem dieser Welt,die Karte ist flach, die Sichtweisen sind schwarz/weiß, sie zeigen kaum Bereitschaft, aufgrundneuer Erfahrungen neue Einträge zu machen.Mein Ziel ist eine vielseitige und vielschichtigeRepräsentation unserer Welt mit vielen Sichtwei-sen, so dass mir stets Wahlmöglichkeiten zur Ver-fügung stehen. Ich schärfe meine Sinne undWahrnehmungsfähigkeiten und überprüfe meineFilter auf Durchlässigkeit. Neue Erfahrungen füh-ren, wenn ich dazu bereit bin, zu neuen Einträgen.Ständig bereichere ich meine Landkarte durchneue und andere Sichtweisen. So weist sie einedem „Gebiet ähnliche Struktur“ auf.

Wobei kann uns dieses Vor-stellungsbild helfen? Was kann ich mir damit klar machen?

1. Ich kommuniziere nie direkt mit meinem Gesprächspartner, sondernimmer über meine Landkarte.

Wenn ich z. B. einem Lehrer begegne, begegneich ihm durch die Filter meiner früheren Erfahrun-gen, die ich auf der Landkarte eingetragen habe.Mich beeinflussen die Meinungen meiner Eltern,meine persönlichen Erlebnisse, kurzum alles, wasan Sinneseindrücken in meiner Landkarte festge-schrieben ist. Wie differenziert und offen meinBild ist, hängt von der Zahl meiner Einträge ab, vorallem von den unterschiedlichen Sichtweisen.

2. Erkenne Dich selbst – fühle Dich in dieanderen hinein.

Ich erkenne, wie bedeutsam es für die Entwick-lung meiner Kommunikation ist, meine Landkartezu kennen. Genauso versuche ich, mich in dieLandkarten meiner Gesprächspartner einzufühlen.

So komme ich vielleicht bei meinem Gesprächs-partner über das Gesagte an das Gemeinte heran.

3. Wie entsteht Veränderung?Nur allzuviele Menschen glauben, dass Sie Ver-haltensweisen abschaffen oder unterdrücken kön-nen. Aus Erfahrung glaube ich nicht daran. Ein-träge in unserer Landkarte können wir nichtlöschen. Ich möchte es an folgendem Beispiel aufzeigen.Häufig kommen erfolgreiche junge Männer zu mirin den Kommunikationsunterricht und sagenselbstbewußt: Im Wesentlichen gelingt mir Kom-munikation. Der Grund weshalb ich gekommenbin: Ich werde in Diskussionen zu schnell aggressiv.Aufklären brauche ich den Betreffenden nicht, erweiß es ja, es stört ihn. Er hat auch erfahren, dassdagegen ankämpfen oder sich zusammenreißennur für einen begrenzten Zeitraum klappt. An-schließen explodiert er um so heftiger. Was tun?

1. Schritt: Kapitulation/Akzeptanz: Ich akzeptiereohne wenn und aber, dass es so ist wie es ist. Ich

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Die Landkarte

kämpfe nicht mehr dagegen an, ich kapituliere.Akzeptanz schafft Bereitschaft. Erst wenn ich dasDagegen-an-Kämpfen aufgebe, erst dann bin ichbereit, aufgrund neuer Erfahrungen neue Einträgezu machen.

2. Schritt: Ich lerne, aufgrund neuer Erfahrungenim Kommunikationstraining oder in der Gruppe,dass es hilfreich sein kann, einen Streit auch malzu vertagen, und trage diese Erfahrung in meineLandkarte ein. Ich lerne, dass Schweigen eine Ver-handlungsstrategie sein kann, und trage auch die-se Erfahrung in meine Landkarte ein. Und plötzlichmache ich die Erfahrung: Wenn in Diskussionender Zeitpunkt kommt, an dem ich früher aggressivwurde, erlaubt mir meine Landkarte jetzt Wahl-möglichkeiten. Ich wähle aus: ich streite, ichschweige, ich vertage.

Es ist eine Veränderung durch Bereicherung.Ich brauche keine Verhaltensweisen oder Eigen-schaften abzuschaffen, was sowieso nicht funk-tioniert, sondern muss nur neue Verhaltensweisenund Fähigkeiten erwerben! Veränderung durchBereicherungen ist doch etwas Tröstliches, eineheilsame Einsicht gegen Veränderungsängste,diese hochkarätigen Widerständler.

4. Ich erkenne, welche Glaubenssätze aufmeiner Landkarte verankert sind undwelchen Einfluss sie auf mein Verhaltenhaben.

Die Grundidee der Wertequadrat-Struktur ist auf Ari-stoteles (Nikomachische Ethik) zurückzuführen. Jede Tu-gend ist als Mitte zwischen zwei fehlenden Extremen zubestimmen, zum Beispiel die schwäbische Tugend Spar-samkeit muss in ausgehaltener Spannung (Balance) zurGroßzügigkeit stehen, sonst verkommt sie zu Geiz. Dieanzustrebende Tugend ist bei Aristoteles, im Unterschiedzum Wertequadrat, als ein Fixpunkt gedacht, der sichallerdings verschieben lässt.

Das Wertequadrat in der vorliegenden Form stammtvon Helwig, Friedemann Schulz von Thun hat es weiter-entwickelt zum Entwicklungsquadrat. Beim Werte- alsauch beim Entwicklungsquadrat ist die Vorstellung einesoptimalen Fixpunktes aufgegeben worden zugunstender Vorstellung einer dynamischen Balance, was mir fürkommunikative Prozesse fruchtbar und gewinnbringenderscheint.

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Die Landkarte / Das Werte- und Entwicklungsquadrat

Glaubenssätze, die unsere Kommunikation erschweren:

Es ist gefährlich offen zu sein, außer Verletzungen

kommt nichts dabei heraus.

Wenn ich mich so gebe wie ich bin, dann mögen

mich die Leute nicht.

Was sagen die Nachbarn und Kollegen dazu?

Ich fühle mich nicht berechtigt.

Wie ich wirklich bin, ist nicht liebenswert.

Ich will um keinen Preis die Gefühle anderer Menschen

verletzen, verletze lieber dich selbst.

Positive Glaubensätze

Was Hänschen nicht gelernt hat, kann Hans immer

noch lernen!

Einsicht in Machtlosigkeit erzeugt Stärke.

Erst die Einsicht in die Unsicherheit des Lebens verschafft

mir ein gewisses Maß an Sicherheit.

Ich riskiere das Leben. Kein Risiko einzugehen kann sich

eines Tages als das größte herausstellen.

IV Das Werte- und Entwicklungsquadrat

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Das Werte- und Entwicklungsquadrat

Grundidee

Jeder Wert, jede Tugend, jedes Leitprinzip, jedesPersönlichkeitsmerkmal kann nur dann zu einerkonstruktiven, positiven Wirkung gelangen, wennes sich in ausgehaltener Spannung (Balance) zueinem positiven Gegenwert, einer Schwestern-tugend befindet. Ohne die Balance verkommt derWert zu seiner Entartungsform.

Beispiel:Die großartige Fähigkeit, gut zuhören zu können,das große Geschenk was wir einem Menschenmachen, verkommt ohne den positiven Gegen-wert Konfrontation (mit kommunikativer Klarheitden eigenen Standpunkt begründen zu können)zu wertlosem Opportunismus.

Im Quadrat sind vier unterschiedliche Beziehun-gen entstanden:

1. Auf der oberen Linie das ErgänzungsverhältnisZuhören und Konfrontation in einem dialekti-schen Gegensatz.

2. Die Diagonalen bezeichnen konträre Gegen-sätze zwischen einem Wert und einem Unwertund geben die Entwicklungsrichtung an.

3. Die senkrechten Linien bezeichnen die Entar-tungsform.

4. Die untere Linie ist die Verbindung zwischenbeiden Entartungsformen. Sie zeigt gleichzeitig

den Weg auf, den viele Menschen beschrei-ten, wenn ihnen die Kraft fehlt, aus diesemVerhalten herauszukommen. Sie fliehen von ei-ner Entartungsform in die andere.

Was kann ich mir damit klarmachen?

Wenn ich spüre, dass ich einer Person gegenüberfeindlich gesonnen bin, dann weist mich das Ent-wicklungsquadrat darauf hin, dass ich gut beratenbin, dieser Person erst einmal besser und auf-merksamer zuzuhören. Es liegt diesem Quadratdie Hoffnung zugrunde, dass auch in dem Kon-frontationstyp ein Gegenpol ruht. Wenn ich ineinem Team zu Opportunismus neige, wird mirklar, dass ich mich in Richtung Konfrontation zuentwickeln habe.

Die Kunst, diese dialektischen Gegensätze zu ver-einen, ist die Aufgabe jeglicher Kommunikation,sei der Anlass privater, beruflicher oder politischerNatur.

Paradoxie: Je mehr Hingabe, desto größer ist dieChance zur Selbstverwirklichung. Ohne Einbin-dung und Mitarbeit in der Gesellschaft kannSelbstverwirklichung nicht klappen.Dieses Wertequadrat gibt mir eine Antwort aufmeine wichtigste Lebensfrage:

Habe ich das Leben, das ich wirklich leben will?

Viele Jahre war ich davon überzeugt, dass wir unsinbezug auf Offenheit alternativ für einen der bei-den Wege zu entscheiden haben:

Weg 1Ich muß den Mut aufbringen, meinen lebendigen,aber auch sehr verletzbaren Kern nach außen zuoffenbaren. Ich entscheide mich, das in unsererGesellschaft übliche Versteckspiel aufzugeben, undakzeptiere den schmerzlichen Mißbrauch meinerOffenheit.

Weg 2Ich will um jeden Preis einen guten Eindruck ma-chen und darf deshalb niemals Schwächen zei-gen. Ich suche mir Mittel, die mir helfen, meinetieferliegenden Emotionen zu unterdrücken unddas schon so rechtzeitig, dass diese Gefühle garkeine Chance mehr haben, mich auf der bewuss-ten Ebene zu erreichen.

Doch wir sind nicht gezwungen, uns alternativ füreinen Weg zu entscheiden. Diesen Rigorismus ver-langt uns das Leben nicht ab. Wir würden sogarscheitern, wenn wir es täten.Kommunikation enthält, ob ich will oder nicht,immer zwei Aspekte: sie verläuft immer im Span-nungsfeld zwischen Authentizität und Wirksam-keit. Es ist eine ständige Kompromisssuche zwi-schen Ausdruck und Wirkung.

Die Balance zwischen beiden Polen macht ge-glückte Kommunikation aus. Ich kommunizierenicht echt oder wirksam, sondern echt und wirk-sam. Ich möchte in meinem Redebeitrag auf derVersammlung nicht nur authentisch sein, sondernich möchte auch etwas bewirken und in Bespre-chungen Einfluß nehmen um Veränderungen an-zuregen.

Authentizität

Mit Authentizität ist die Übereinstimmung zwi-schen drei Bereichen der Persönlichkeit gemeint.

1. Inneres Erleben (was ich fühle, was sich in mirregt)

2. Bewusstsein (was ich davon bewusst mitkriege)

3. Kommunikation (was ich mitteile, nach außensichtbar werden lasse)

Authentisch sein bedeutet:

– Ich mache mir bewusst, was ich denke undfühle. Ich horche aufmerksam in mich hinein.

– Ich habe den Mut, mich so anzunehmen, wieich bin und habe den Mut, das anderen zuzeigen.

– Selbstverständlich freue ich mich über Aner-kennungen, aber wenn ich keine bekomme,lebe ich auch.

– Ich achte in Gesprächen auf meine eigenenInteressen und Wertvorstellungen.

– Ich äußere meine persönliche Meinung nichtnur privat, sondern auch öffentlich, auch ge-genüber der Obrigkeit.

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Selektive Authentizität

V Wie offen kann ich sein? Selektive Authentizität

Wirkung

Die Fähigkeit, authentisch zu kommunizieren, be-weist einen gewissen Mut, ergibt aber noch keineerfolgreiche Kommunikation. Der Wert Authenti-zität muß in ausgehaltener Spannung zur Wirk-samkeit stehen. Ich möchte offen kommunizie-ren, aber auch in der Lage sein, wenn die Situationes erfordert, mich zu verschließen und Gefühlenicht zu zeigen. Sehr häufig setzen sich Gefühleunkontrolliert in die Tat um, und ich bin ihnenmachtlos ausgeliefert. Diese Gefühle könnenunsere besten Absichten zunichte machen. Zurkommunikativen Kompetenz gehört auch dieFähigkeit, mit solchen Gefühlen und Impulsenumgehen zu können.

– Wirkung bedeutet bildreich und in sich schlüs-sig argumentieren zu können. Ich bemühemich um Allgemeinverständlichkeit, um Glie-derung und Ordnung (siehe S.23), um Kürzeund Prägnanz.

– Wirkung bedeutet, sich wirkungsvoll darstel-len zu können, überzeugen zu können, fürZiele einzutreten. Wenn es sein muss auchkämpferisch.

– Ich schätze die Kunst der Diplomatie und be-mühe mich um überzeugende Moderation.

Der Wunsch, in unserer Kommunikation wirkenzu wollen, berücksichtigt ein seelisches Grundbe-dürfnis, das keinesfalls vernachlässigt werden darf.Ich bekenne mich ausdrücklich dazu, im Lebenwirken zu wollen. Das hat mit Angeben nichts zutun. Angeberei ist die Vortäuschung falscherTatsachen.

Der Wegweiser: Selektive Authentizität

Der Wegweiser in Richtung mehr Offenheit wird oftmissverstanden als Aufruf zu totaler Offenheit. TotaleOffenheit zerstört Kommunikation, selbst in derallerbesten Zweierbeziehung müssen stets ver-schlossene Bereiche übrigbleiben, in die keiner ein-dringen darf. Die Grundlagen der humanistischenPsychologie: Ich fühle mich verantwortlich dafür,

wie das, was ich sage und wie ich es sage, beim an-deren ankommt. Deswegen sage ich noch langenicht, was andere hören wollen, sondern ich wähleaus, was ich sage und tue. Alles, was ich sage, istecht und ehrlich, nicht etwa wahr. Das bedeutetaber nicht, dass ich immer alles sage. Es ist eineOffenheit, die sich an realistischen Gesprächssitua-tionen orientiert, sorgsam auf die Verletzlichkeitendes Menschen achtet und prinzipiell Rücksichtdarauf nimmt, wieviel der einzelne verkraften kann.

Der eherne Grundsatz heißt: den anderen so we-nig wie möglich zu verletzen. Um diesen Grund-satz klarzustellen und sich eindeutig von anderenVorstellungen abzugrenzen, hat Ruth Cohn denBegriff der „selektiven (auswählenden) Authenti-zität" geprägt: Authentizität verweist auf den Aus-drucksaspekt, in dem Begriff der Selektivitätkommt die Sorge um die Wirkung zur Geltung.

„Zur Authentizität gehört – erst einmal – zweier-lei: Das eine ist, mir möglichst klar zu werdenüber meine eigenen Gefühle, Motivationen undGedanken, mir also sozusagen nichts vorzuma-chen. Das andere ist, das, was ich sagen will,ganz klar anzusprechen. Zur Klarheit gehört, dassich es so sage, dass es beim anderen ankommenkann. Der andere hat ja ein „Empfangsgerät“,das möglicherweise nicht auf mich eingestellt ist,auf das, was ich „sende“, und wie ich es „sen-de“. Ich muß also versuchen, mir vorzustellen,wie das, was in mir vorgeht, vom anderen gehörtwird. Ich habe einmal formuliert: „Nicht alles,was echt ist, will ich sagen, doch was ich sagesoll echt sein. Für mich ist Offenheit nicht etwas,was von Anfang an zwischen Menschen mög-lich ist, sondern etwas, was vorsichtig erworbenund gelernt werden muß. Das kann man nichtsofort und mit Gewalt. Ich glaube allerdings, dasssogar in der allerbesten Beziehung immer nochverschlossene Bereiche übrigbleiben. Ich kannmir keine Beziehung vorstellen, in der totaleOffenheit zu jeder Zeit möglich und zu ertragenist. Ich unterscheide deshalb zwischen optima-ler und maximaler Authentizität. Die Richtlinieist: Das, was sich an persönlicher Erfahrung imInneren ereignet, mit optimaler innerer Ehrlichkeitund komunikativer Klarheit – also authentisch –dem Partner mitzuteilen. Optimale Authentizitäthat immer selektiven Charakter; maximale, d.h.

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Selektive Authentizität

absolute Aufrichtigkeit kann zerstören. Ich glau-be, dass absolute Offenheit ein Aberwitz ist. An-dererseits hat unsere Zivilisation eine lange Zeitdestruktiver Verschwiegenheit und Heucheleiauszugleichen. Ich glaube daher, dass mit derOffenheit-um-jeden-Preis-Bewegung das Pendelin die Gegenrichtung ausschlägt. Auch hier be-darf es dynamischer Balance – zwischen Schein-heiligkeit und Rücksichtslosigkeit. Oder positivgesagt: Zwischen gutem Schweigen und guterKommunikation.“ Ruth Cohn (1979)

Wie man keine Freunde gewinnt

Von vielen Kritikern der Humanistischen Psycholo-gie wird der Bestsellerautor Dale Carnegie als Vor-bild hingestellt, vor allem mit seinem Buch „Wieman Freunde gewinnt“, im Originaltitel deutlicher:„How to win friends and influence people“. Car-negies Anschauungen sind durch folgende Kern-gedanken zu umreißen: „Wenn Sie beliebt seinwollen, merken Sie sich die Regel: Lächeln Sie!“„Die einzige Möglichkeit, einen Streit zu gewin-nen, ist, ihn zu vermeiden.“ „Der Köder soll demFisch schmecken und nicht dem Angler!“ DieStrategie: Wie verpacke ich etwas hübsch undnett und wie verberge ich dabei meine wah-ren Absichten.

Was wird empfohlen? Ich gewinne Sympathie und Einfluss auf andereMenschen, indem ich ihre Schwächen einkalku-liere und in die eigene Verhaltensstrategie ein-baue. Gewinnen und Verlieren durch Täuschungwird zur vorrangigen Kategorie zwischenmensch-licher Beziehungen. Stellen wir uns folgende Fra-ge: Wirkt es, funktioniert es, ist es eine taugliche,wenn vielleicht auch ethisch nicht ganz „saubere“Strategie? Meine langjährigen Erfahrungen liefernmir meinen Haupteinwand: Wir Menschen habenein ganz feines Gespür dafür, ob es jemand ehrlichmeint oder nicht. Friedemann Schulz von Thunhat die Kritik an Carnegie in einem wirkungsvollenKerngedanken zusammengefaßt: „Ihre Armselig-keit verrät sich nicht nur in der erstarrten Lächel-grimasse, sondern auch dort, wo eigentlich dieStärke dieses Ansatzes liegen soll: in der (schlech-ten) Wirksamkeit.“

– Es ist ein Irrtum, durch Freundlichkeit oder An-passung Ziele erreichen zu können. Es gelingtbestenfalls nur kurzfristig als Täuschung.

– Es ist ein Fehler, unbedingt gemocht werden zuwollen. Wir zahlen einen hohen Preis dafür.Schon Plato vermittelte seinen Schülern: Ichkenne keinen sicheren Weg zum Erfolg, nureinen zum sicheren Misserfolg, es jedem rechtmachen zu wollen.

– Nach Carnegie lächle ich nicht, weil ich möch-te, sondern weil ich soll.

– Imponiergehabe hilft nicht weiter, sondern hin-dert mich, mir selbst und anderen nahe zu sein.

– Wenn ich mich ständig so gebe wie ich nichtbin, besteht die Gefahr, dass der Kontakt zwi-schen meinem Äußeren und meinem Innerenabreißt.

– Carnegies Empfehlungen bedeuten verbergen.Das verschlingt ungeheure Energien.

– Immer nur Liebsein hilft nicht weiter. HabenSie keine Angst vor der eigenen Wut. Wir dür-fen elementare Basisgefühle wie Angst, Wut,Schmerz und Freude nicht ungestraft unter-drücken.

– Konflikte können nicht durch Ausblenden ver-hindert oder vermieden werden. Sie sind inte-grale Bestandteile der Wirklichkeit, die es zuakzeptieren gilt.

Darstellung mit Hilfe des Werte- und Entwicklungs-quadrates

Das Spannungsverhältnis von Authentizität undWirksamkeit lässt sich auch hervorragend amEntwicklungsquadrat deutlich machen:

Zeichnung

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Kommunikationsmodelle

Das Programm Achtung + Toleranz ist ein Kon-zept zur Demokratieerziehung, das zum demo-kratischen Umgang mit Konflikten in einer plura-listischen Gesellschaft anregt. Es vermittelt Basis-kompetenzen zum friedlichen Miteinander. Für diepluralistische und multikulturelle Gesellschaft istToleranz eine unverzichtbare Grundhaltung, ohnedie kein friedliches Zusammenleben funktionierenkann. Doch Toleranz ist keine Selbstverständlich-keit. Sie muss immer wieder neu gelehrt underlernt werden.

Das Konzept wurde im Auftrag der BertelsmannStiftung von einer Arbeitsgruppe unter Leitungvon Susanne Ulrich am Centrum für angewandtePolitikforschung (CAP) der LMU in München ent-wickelt: Ulrich, Susanne: „Achtung + Toleranz",Wege demokratischer Konfliktregelung, mit CD-ROM. Unter Mitarb. v. Jürgen Heckel, Eva Oswald,Stefan Rappenglück, Florian M. Wenzel. VerlagBertelsmann Stiftung Gütersloh, 2., überarbeiteteund erweiterte Auflage 2006. Das „Herz“ des Pro-gramms bildet die Toleranzampel. Es hilft seinen

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Die Toleranzampel

VI Die Toleranzampeloder: Drei Straßen in der Kommunikation: Zwei Sackgassen und eine Wachstumsstraße

Benutzern im Alltag, die eigenen Reaktionen bes-ser einzuordnen und Konflikte friedlich auszutra-gen.

Dieses Modell lässt sich auch vorzüglich auf kom-munikatives Verhalten anwenden. Es sind drei Stra-ßen in der Kommunikation, die wir tagtäglich ge-hen: Zwei Sackgassen, die gelbe und die rote und ei-ne Wachstumsstraße, die grüne. In eine Sackgasseim Verkehr dürfen wir hineinfahren, vielleicht fin-den wir dort einen Parkplatz, aber wir müssen rück-wärts wieder heraus. Wachsen, mich kommunikativfortentwickeln, tue ich nur, wenn ich auf der grünenStraße unterwegs bin. Egal ob es erfolgreich ist odernicht, ich mache vielfältige Erfahrungen, die mich inmeiner kommunikativen Entwicklung bereichern. Esist ja eine der vielen „Gemeinheiten“ des Lebens,dass wir in der Regel durch Fehler und Missge-schicke mehr lernen als durch Erfolge.

Sackgasse – die gelbe Straße

Die gelbe Straße ist ein gewaltiger Energieschlucker.Am Anfang benötige ich wenig, danach jedochimmer mehr. Ich bin allzu beflissen auf die Zu-stimmung anderer aus oder will einfach nur aus-weichen, habe nicht den Mut fremdes Geländezu betreten, ein Risiko einzugehen. Oder ich willtarnen, täuschen, verbergen. Es zeugt von gerin-gem Selbstbewusstsein bei jeder Entscheidung andie Wirkung bei Dritten zu denken.

Sackgasse – die rote Straße:

Der Gewaltbegriff wird hierbei sehr weit gefasstund kann von einem spontanen Wutausbruchüber die Ausübung von subtilem oder offenemZwang und die Abwertung fremder Meinungen

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Die Toleranzampel

bis hin zur körperlichen Gewalt reichen. Es wirdversucht, die eigenen Werte und Normen als ein-zig richtige zu behaupten.Kommunikative Gewalt kann genauso schmerz-haft sein wie körperliche Gewalt. Durchs Ohr kön-nen wir uns gewaltig verletzen. Es hält lange anund ist oft anschlussfähig an neue Verletzungen. Wer als Führungskraft glaubt, in der Arbeit un-vermeidlich den roten Weg gehen zu müssen,wird folgende Erfahrung machen: Er wird immereinsamer!

Die Wachstumsstraße – die grüne Straße

Stell Dir nicht immer die Frage: Was werden dieanderen denken? Was sagen die Nachbarn dazu?Habe auch Mut vor den eigenen Freunden. LassDir nicht von anderen sagen, wie Du zu sein hast.Ich stelle mich nicht in Reih und Glied, ich mischemich ein, ich kritisiere und protestiere. Es ist eineSuche nach dem Ich, das nicht mitläuft, sondernaufsteht.

Ich lerne Zug um Zug mich im Anderssein wohl-zufühlen.

Wo kann mir die Ampel Orientierung bieten?

1. Die Ampel ist ein stiller Feedbacker. Das Wich-tigste in Bezug auf meine Kommunikation sageich mir nicht selbst, das Wichtigste sagt mirdie Ampel! Welche Straßen benutze ich wann?Privat, beruflich, politisch? Welche Folgen hat es für mein kommunikativesWachstum, wenn ich mich auf der gelben, derroten oder der grünen Straße bewege?

2. Ich achte auf meinen Energieverbrauch in Kom-munikationsprozessen. Wann benötige ichwenig, wann verschleudere ich meine Energie?Je weniger Energie ich verbrauche, destowohler fühle ich mich. Und wenn ich michwohl fühle, dann kann ich alle meine kom-munikativen Ressourcen mobilisieren.

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Die Toleranzampel / 9 Tipps zur freien Rede

VII 9 Tipps zur freien Rede

Reden, kommunizieren ist etwas ganz individuel-les, was bei dem einen funktioniert, funktioniertbei dem anderen noch lange nicht. Aber bei allerVerschiedenheit haben alle Redner und alle Red-nerinnen auch etwas gemeinsam. Dieses Gemein-same habe ich in „9 Tipps zur Freien Rede“ zu-sammengefasst. Die Regeln sind gelungener Kom-munikation abgelauscht.Je länger ich Kommunikation trainiere, um so mehrbin ich davon überzeugt, dass es die Summe derkleinen Fehler am Anfang ist, die uns auf einfalsches Gleis führen und von dem nur schwer wie-der herunterzufinden ist. Die 9 Tipps enthalten kei-neswegs etwas Sensationelles, das Sensationelleist, das immer wieder dagegen verstossen wird.

1.Tipp: Optimaler Redestandort

Der optimale Redestandort ist in jedem Raum wo-anders, nur wenn wir in einem Kreis sitzen, hatjeder die gleiche Chance, sich Aufmerksamkeit zuverschaffen.

Zwei Kriterien sind ausschlaggebend:

– Kommunikation bedeutet Kontakte schaffen,dem Publikum möglichst nahe sein.

– Das Publikum will Sie nicht nur hören, sondernauch sehen.

Alle Versteckspiele bieten nur scheinbare Vorteile.Überlegen Sie bitte, warum und weshalb Sie undviele andere immer wieder gegen diese einfacheRegel verstoßen.

2. Tipp: Freie Körperhaltung – keine Fixierungen

Sprechen ist hörbar gemachtes Atmen. Wenn Sienicht richtig stehen, atmen Sie nicht richtig, undwenn der Kopf nicht hinreichend mit Sauerstoffversorgt wird, fühlen Sie sich nicht wohl. Eskommt zu Blockaden und Sie können Ihre kom-munikativen Ressourcen nicht mobilisieren. Siebenötigen nicht nur einen klaren Kopf, sondernauch festen Bodenkontakt. Sie sprechen mit demganzen Körper.

Freie Körperhaltung bedeutet, auf b e i d e nBeinen stehen, die Füße leicht gegrätscht. StehenSie nicht auf einem Bein, sie sind kein Storch.Legen Sie gleich viel Körpergewicht auf beideFüße. Alles andere verführt zum Schaukeln undbehindert Sie beim Mikrophonsprechen. Wech-seln Sie nicht Standbein und Spielbein, wie inRhetorikbüchern empfohlen. Bemühen Sie sichmit beiden Beinen um feste Bodenhaftung.

Vermeiden Sie Fixierungen. Fixierungen sind derkörperliche Ausdruck unterdrückter Erregungen.Einige häufig vorkommene Fixierungen:

– Sie lehnen sich auf das Rednerpult oder hal-ten sich daran fest.

– Sie verschränken die Arme und umklammernmit der linken Hand den rechten Arm kurzhinter dem Handgelenk.

– Sie haben die Hände auf dem Rücken oder inder Hosentasche

– Sie „stützen“ eine Säule im Saal.

Weshalb lieben wir alle Fixierungen? Wir wissen,dass unser Körper sehr viel mehr über uns aussagt,als uns lieb ist. Nonverbale Zeichen sind innereGedanken in äußerer Gestalt.

3. TippBlickkontakt – alle anschauen –Sie sind immer Sender und Empfänger zugleich

Blickkontakt fällt vor allem dann auf, wenn ernicht vorhanden ist. Ich schaue meine Gesprächs-partner an, ich grenze niemanden durch fehlen-den Blickkontakt aus. Der Blick ist im mensch-lichen Kommunikationsverhalten von zentralerBedeutung, ist eines der wichtigsten Kommuni-kationssignale überhaupt. „Das Auge ist das Fen-ster zur Seele“ sagen die Inder. Mit dem Blick-kontakt sende und empfange ich in der Feedback-schleife, ich erfahre so die Reaktion der Zuhörerund fühle mich wohl. Unsicher macht mich, wennich nicht darauf achte, wie ich wirke.

Der Blickkontakt regelt die Lautstärke, das Rede-tempo, Sie spüren, ob eine Wiederholung oderein erklärendes Beispiel angebracht wäre.

4. TippLautstärke: Etwas lauter

Es ist ein Fehler zu laut oder zu leise zu sprechen.Der Tipp heißt „etwas“ lauter. Bei Unruhe im Saalnicht lauter werden. Die Versammlung unterhältsich dann noch lauter. Unterbrechen Sie Ihre Redeund schauen Sie einige Sekunden – ohne sich zubewegen – ins Publikum. Dann starten Sie erneut. Es gibt einen weiteren kleinen Trick, wenn Men-schen unaufmerksam sind und nicht zuhören.Statt einfach aufzuhören, sprechen Sie mit leiser,eindringlicher Stimme. Es funktioniert, verlangtaber viel Routine.

Schwieriger ist es, wenn sie in der Regel zu leisesprechen. Zu leise sprechen heißt, sich selbst nichtden nötigen Raum zuzubilligen. Es ist die Schnitt-stelle zwischen Kommunikation und Selbstwert.

Ermahnungen an das Publikum, doch bitte auf-merksamer zuzuhören, bringen nichts, oft genugerreichen Sie sogar das Gegenteil.

Insgesamt gilt die Regel: Wenn eine Situation kom-munikativ unbehaglich ist, fang bei Dir selber an.

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9 Tipps zur freien Rede

5. Tipp: Eine Rede ist keine Schreibe

Es gibt einen prinzipiellen Unterschied zwischeneiner Rede und einem geschriebenen Text. Bei ei-nem geschriebenen Text kann der Leser innehaltenund über das Geschriebene nachdenken. Er kannzurückblättern und den Zusammenhang zu dembereits Gelesenen erneut herstellen.

Eine Rede ist die Verfertigung der Gedanken beimReden. Sie senden auf vier Kanälen. Dieser Unter-schied ist vor allem bei der Ausarbeitung desStichwortzettels von Bedeutung.

6. Tipp: Verständlichkeit: Sag es soeinfach wie möglich, ohne zuvereinfachen.

Wer versucht einen komplizierten Sachverhalt soeinfach wie möglich darzustellen ohne ihn zu ver-einfachen, hat die Nase vorn. Ich versuche, michso verständlich wie möglich auszudrücken. SchonKurt Tucholsky mokierte sich über Schwulst in vie-lerlei Reden: „Sie sagen nicht, ein Tisch ist rund,sondern möbeltechnisch gesehen, hat der Tischirgendwie eine kreisförmige Gestalt.“

Vermeiden Sie deshalb Fremdwörter, wo immeres geht. Die Fremdwörterhuberei ist ein deutlichesAnzeichen dafür, mit Sprache nicht umgehen zukönnen. Es gibt aber auch Fremdwörter, dieunverzichtbar sind. Sie sind – wie Adorno betonte– die Juden der Sprache, also etwas Nützliches. Icherkläre Fremdwörter häufig durch einen Nachsatz.

Der Zwang zur Einfachheit, verbunden mit derAuflage „ohne zu vereinfachen“, stellt einegroße Anforderung dar. Es ist die hohe Kunstder Rede!

Auch in der Sprache dieser Broschüre habe ichversucht nach dem Grundsatz zu handeln: Sag esso einfach wie möglich, ohne es zu vereinfachen.Bei vielen Texten über Kommunikation teile ichden Verdacht des Romanisten und Sprachkritikers

Hans Martin Gauger, dass das, „was sich Wissen-schaft nennt, zu einer Sprache verkommt“, das„wissenschaftlich ist, wer auf diese Weise zu redenversteht“, und wenn jemand sich weigert „aufeine bestimmte Art und Weise zu reden“, so giltdas schon als ausreichendes Argument, dem Au-tor Mangel an Wissenschaftlichkeit vorzuwerfen.

Vier Verständlichmacher nach Schulz von Thun:

1. EinfachheitIch bilde kurze Sätze – ich bemühe mich um aus-drucksstarke Sprachbilder.

2. Gliederung und OrdnungIch achte darauf, dass meine Gedanken geord-net, gegliedert und logisch miteinander verknüpftsind. Ich achte darauf, dass meine Beiträge einenSpannungsbogen enthalten.

3. Kürze und PrägnanzBeschränken Sie sich auf das Wesentliche, wenigerist meistens mehr. Nur allzu häufig überfrachtenwir unsere Beiträge mit Fakten. „Wer etwas zusagen hat, hat keine Eile. Er lässt sich Zeit undsagt es in einer Zeile“, sagte Erich Kästner. Nursehr selten ist ein Beitrag durch Überlänge bessergeworden, aber mancher guter Beitrag ist durchÜberlänge deutlich schlechter geworden.

4. Zusätzliche StimulanzenDie ersten drei Verständlichmacher sind die Grund-substanz meiner Rede, die zusätzlichen Stimulan-zen sind die Gewürze. Die Rede wird dadurchschmackhafter. Machen Sie sich auf die Suchenach Sprachbildern, berichten Sie über Beispieleaus Ihrer Lebenswelt, sammeln sie ständig kleinelustige Begebenheiten aus dem Alltag. Aber auchhier ist weniger meistens mehr.

7. Tipp: Der Redeverlauf

Bei meinen Kommunikationskursen an der Ägäisbin ich eines Tages auf die Idee gekommen, einenRedebeitrag in einer Versammlung mit einemSprung ins Meer zu vergleichen. Selbst wenn das

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9 Tipps zur freien Rede

Wetter schön und das Meer angenehm warm ist,die meisten Menschen müssen sich erst überwin-den, bevor sie sich ins Wasser stürzen. Wir tau-chen ein, machen unruhige, leicht ängstlicheBewegungen, sind leicht verunsichert oder regi-strieren sogar kleine Ängste. Nach einigen Sekun-den tauchen wir auf, spüren die köstliche Kühledes Wassers, und es stellt sich dieses herrlicheWohlgefühl ein, das uns in einen Zustand auf-merksamer Wachheit versetzt.

So ein Sprung ins Wasser ist vergleichbar miteinem Redevorgang. Wenn ich mich auf einer Ver-sammlung zu Wort melde, muss ich mich dazuüberwinden. Es gehört Mut dazu. Das Wohlge-fühl, das sich nach dem Gelingen einstellt, ist eineÜberwindungsprämie. So wenig wie ich voraussa-gen kann welche Wellen mein Sprung ins Wasserverursacht, so wenig lässt sich beim Sprechvor-gang voraussagen, in welche Richtung er sich ent-wickelt, denn eine Rede ist immer offen und hatden Charakter einer fortwährenden Entfaltung.Der Sprung ins Meer bzw. in die „Menge“ ist dieeinzige Möglichkeit, um die Wirkung zu erfahren.Die Unsicherheitsphase am Anfang (2) besteht beiallen Rednern, auch den geübten. Es benötigteinfach Zeit, mit unseren vier Kanälen in die vierOhren der Empfänger hineinzukommen. In vielenBüchern wird empfohlen, bei besonders wichti-gen Referaten die ersten Sätze auswendig zu ler-nen, um diese Unsicherheitsphase zu vermeiden.Ich halte das für falsch. Wir benötigen diese Un-ruhe, die als Redeangst wahrgenommen wird,aber in Wirklichkeit kreative Unruhe ist. Sie ver-sorgt uns mit der notwendigen Sensibilität, ummöglichst schnell in die Ohren der Empfänger hin-

einzufinden. Ansonsten besteht die Gefahr, bei(4) abzustürzen. Da unsere Zuhörer in Bruchteilenvon Sekunden entscheiden, ob sie uns zuhören, istes sehr viel schwerer, aus dem „Loch“ bei (4) wie-der herauszukommen.

Drei Stationen im Verlauf einer Rede:

1. Am Anfang abwarten, um Aufmerksamkeit zuerregen. Wenn Sie ruhig dastehen und nichtgleich loslegen wird es ruhiger im Saal.

2. Inhaltlich aber sofort zur Sache kommen. Ver-meiden sie Floskeln wie „Es ist schon allesgesagt, aber...“ oder: „Wie schon mein Vor-redner vortrefflich bemerkte...“. Sagen Sie selbst-bewusst: „Ich möchte noch zu 2 Punkten Stel-lung nehmen, die mir für die heutige Diskus-sion besonderns wichtig erscheinen: 1. – 2....“

.3. Am Ende einer Rede vermeiden Sie den Fehler,

so schnell wie möglich vom Redestandort weg-zulaufen. Es wird von den Zuhörern unbewusstals Selbstabwertung empfunden. Genießen Sieden Beifall. Er ist die letzte Feedbackschleife zuihrem Beitrag. Sie erfahren, wie Ihre Redeangekommen ist. Ist der Beifall lebhaft, zustim-mend, heiter oder von der Erleichterung ge-tragen, dass Sie endlich aufgehört haben?

8. Tipp: Die Gedächtnisstütze

Die Gedächtnisstütze ist nicht das Textbuch ihrerRede, sondern hat die Funktion eines Drehbuches,das Anweisungen für den Verlauf enthält. Ichempfehle ein Minimum an Struktur, diese eröffnetIhnen ein Maximum an Sicherheit und Entfal-tungsmöglichkeiten.

Was für den Bergsteiger die Haken in der steilenFelswand sind, sind für den Redner die Stichworteauf der Gedächtnisstütze. Die Stichworte sendenDenkimpulse aus, die Sie zum Freien Sprechden-ken anregen. Sie sind der rote Faden für Strukturund Inhalt. Diese Technik ermöglicht uns abwech-selnden Blickkontakt mit dem Publikum und un-serer Gedächtnisstütze. Wir senden und empfan-

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9 Tipps zur freien Rede

gen zugleich. Nur so sind wir in der Lage, flexibelauf die Reaktion des Publikums zu reagieren.

Regeln:

1. Fertigen Sie sich immer einen Stichwortzettelan, auch in Dienstbesprechungen. Für jedenGrundgedanken Ihrer Rede ein Stichwort. Alles,was Sie sicherer macht beim Reden, sollten Sienutzen. Eine gute Gedächtnisstütze macht ausmeiner Sicht deutlich über 50% Ihrer Sicher-heitsbemühungen aus.

2. Nur Stichworte oder kleine Halbsätze aufsPapier, keine ganzen Sätze!

3. Bauen Sie kleine Unterbrechungen ein – es sindwillkommene Denkpausen für Ihre Zuhörer.

4. Blätter nur einseitig beschreiben – immer nummerieren!

5. Freie Körperhaltung: Halten Sie die Gedächt-nisstütze mit beiden Händen in der Mitte, dieArme leicht abgewinkelt, auf keinen Fall aufdie Brust gepresst. Drücken Sie die Gedächt-nisstütze auch nicht an den Bauch, sondern

achten Sie auf den Abstand zum Körper. Zielist, dass Sie dabei optimal atmen können. Ichbetone es immer wieder: Nur wenn Sie sichwohlfühlen beim Reden, nur dann können SieIhre kommunikativen Ressourcen mobilisieren.

9. Tipp: Sei Du selbst, dann bist Du gut

Dale Carnegie predigt: Wie verpacke ich etwashübsch und nett, und wie verberge ich dabei mei-ne wahren Absichten. Mein Haupteinwand: WirMenschen haben ein außerordentlich feines Ge-spür dafür, ob es einer ehrlich meint oder nicht.Leider melden wir es oft genug nicht zurück.

Auch Redeängste zu verbergen bringt nichts. Daskostet viel Energie, die mir dann beim Verfertigender Gedanken fehlt. Kämpfen Sie auf keinen Fallgegen Ihre Redeängste. Wer vor sich selbst undvor anderen zugibt, beim Reden Angst zu haben,hat schon halb gewonnen. Auf die Frage von Teil-nehmer/innen ob es da denn überhaupt keineTipps und Tricks gegen Redeängste gibt, antworteich stets: „Die gibt es, aber es kennt sie keiner.“

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9 Tipps zur freien Rede / Gliedern – Ordnen

VIII Gliedern – OrdnenEin Minimum an Struktur schafft ein Maximum an Freiheit

Kreativ und künstlerisch sollten wir an unsere Bei-träge und Referate herangehen. Die Erarbeitungeines Vortrages ist ein Produktionsprozeß, der mitder Bildhauerei verglichen werden kann. Vorstel-lungen und Gedanken wachsen und reifen, diegrobe Form bildet sich heraus. Danach wird gefeiltund poliert.

Die Erarbeitung eines Referates ist aber auch einhandwerklicher Vorgang, denn ein guter Inhalt istnur durch eine gute Form zu vermitteln. Ohne ei-ne geeignete Form bleibt selbst der wertvollsteInhalt wirkungslos. "Die Form ist das Gesetz desInhalts", sagt Imanuel Kant.

In der Regel wirktdie historische Methode langatmigund spannungsarm. Bitte nur anwenden,wenn es auf dieexakte zeitlicheAbfolge besondersankommt.

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Gliedern – Ordnen

Die klassische Methode

Eingang Erlangung des Wohlwollens,Aufmerksamkeit erregen,den Sende-/Empfangsvorgang herstellen

Erzählung Gegenstand entwickeln, zum Thema führen

Hauptfrage feststellen Problembewusstsein wecken

Beweisführung Argumentation– den eigenen Standpunkt begründen– den gegnerischen Standpunkt widerlegen

Das Ergebnis feststellen Zielsatz

Schluss Zusammenfassung, Aufruf

Die analytische Methode

Einleitung

Was liegt vor?Wie sind die Zustände? Analyse

Gründe und Ursachen dafür?

Was müsste stattdessen sein? Utopie

Mit welchen Mitteln können Strategie die Zustände geändert werden?

Schluss (Handlungsaufruf oder Kerngedanken)

Die medizinische Methode

Symptome Äußere Erscheinungen

Diagnose Innere Ursachen

Prognose Schadensverlauf bei Nichteingreifen

Medikation Welche Mittel dienen der Heilung?

Therapie Heilungsverlauf

Die dialektische Methode

These Feststellung

Antithese Gegenfeststellung

Synthese Zusammenschau

Die historische Methode

Einleitung

Hauptteil Chronologische Abfolge der Ereignisse

Schluss

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Gliedern – Ordnen

Zu den vier Verständlichmachern

Einfachheit Kompliziertheit

Gliederung/Ordnung Ohne Zusammenhang/Unordnung

Kürze/Prägnanz Weitschweifigkeit

Zusätzliche Stimulanz Keine zusätzlichen Stimulanzen

Zur Gestaltung des Vortrages

Erholsame Pausen Zu wenig Pausen

Am Anfang 5 – 10 Sek. gewartet Zu schnell angefangen

Inhaltl. sofort zur Sache gekommen Weitschweifig angefangen

Beifall genossen Einfach davon gelaufen

Gedächtnisstütze gut genutzt Gedächtnisstütze kaum genutzt

Wirkungsvoller Schlusssatz Schlusssatz fehlt

Unsicherheiten nicht verborgen Unsicherheiten verborgen

Sei Du selbst, dann bist Du gut Redner/in nimmt eine Rolle ein

Gesamtbewertung

Zur Person

Freie Körperhaltung Fixierung

Geeigneter Redeplatz Ungünstiger Redeplatz

Alle Leute anschauen Über die Köpfe hinwegsehen

Mimik/Gestik Zu viel/zu wenig Mimik/Gestik

Natürlich geatmet Nach Luft geschnappt?

Senden und Empfangen zugleich Senden/Empfangen misslingt

Etwas lauter Zu laut/Zu leise

Etwas artikulierter Undeutlich/Genuschelt

Angemessenes Redetempo Zu schnell/Zu langsam

Eine Rede ist keine Schreibe Er/Sie liest ab!

voll undganztrifft zu: eher

mehreher

wenigerüberhaupt

nicht

Redner/in:

Kritiker/in:

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Vorbereitung einer Rede oder eines Referates

IX Vorbereitung einer Rede oder eines Referates

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Vorbereitung einer Rede oder eines Referates

Feedback sagt mir, wie ich von anderen wahrge-nommen, erlebt, verstanden oder missverstandenwerde. Darüber hinaus ist es gleichzeitig eine Hilfezur Orientierung und Regulierung meines Verhal-tens. Ich fühle mich dann sicherer, und wenn ichmich sicher fühle, kann ich alle meine kommuni-kativen Ressourcen mobilisieren.

Missbrauchen Sie Feedback nicht als Racheakt fürerlittene Wunden. Feedback richtet sich, wennnegative Kritik geäußert wird, nur gegen einbestimmtes Verhalten, nie gegen die ganze Per-son. So wird das Selbstwertgefühl jedes einzelnenmöglichst wenig verletzt.

Regeln

1. Freiwilligkeit ist unabdingbar.

2. Ich prüfe meine Motive für mein eigenes Feed-back.

3. Ich betone ausdrücklich den subjektiven Cha-rakter, ich spreche nur von mir, kein „man“oder „wir“.

4. Ich beschreibe in meinem Feedback, ich schil-dere meinen Eindruck und berichte von meinenGefühlen, die mein Gesprächspartner in mirauslöst. Feedback beruht auf Beobachtungen,nicht auf Vermutungen, ich vermeide Interpre-tationen und Bewertungen, ich urteile undverurteile nicht.Mein Gesprächspartner bleibt offen, wenn ichWahrnehmungen als Wahrnehmungen, Ver-mutungen als Vermutungen und Gefühle alsGefühle mitteile.

Das Empfangen von Feedback

Ich lerne Rückmeldungen zuzulassen und ich be-mühe mich, meiner Mitwelt Empfangsbereitschaftfür Feedback zu signalisieren, denn Feedbackkommt nicht von allein.

Ich rechtfertige mich nicht, ich argumentiere auchnicht, sondern höre in einem Zustand aufmerksa-mer Wachheit zu. Ich horche in mich hinein unddenke und fühle über das Gehörte und Gesehenenach. Feedback ist, auch wenn es in Form vonÄrger auftaucht, immer auch Interesse an meinerPerson und führt in der Regel zu intensivenGesprächen, die ich nicht missen möchte.

Ich teile dem Spender mit, wie es nach seinerRückmeldung in mir aussieht. Vor allem gebe ichRückmeldungen über die Langzeitwirkung einerRückmeldung.

Abschließende Gedanken

Bei aller Wertschätzung für Feedback, bei aller Ak-zeptanz des Satzes „Das Wichtigste im Leben sagtman sich nicht selbst, das Wichtigste wird einemgesagt (Antoine de Saint-Exupery)“, lautet die an-dere Seite der Medaille: Die Meinung anderer istund darf für mich keine Leitlinie sein. Ich nehmePositives wie Negatives als wichtige Rückmeldungzur Kenntnis. Ich versuche, daraus zu lernen. Aberdas Abwägen, die Prüfung der Brauchbarkeit isteine Aufgabe, die ich keinem anderen überlassenkann und darf. Nur ein Mensch kann wissen obdas, was ich tue, ehrlich, gründlich, offen undgesund ist, und dieser Mensch bin ich.

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Feedback

X Das Wichtigste im Leben sagt man sich nicht selbst, das Wichtigstewird einem gesagt: Feedback

Als Moderatoren nehmen wir eine vierfacheWächterrolle wahr:

– Wächter über das Thema

– Wächter über die Zeit

– Wächter über die gleichmäßige Beteili-gung aller Anwesenden

– Wächter über den kooperativen Arbeits-stil – Moderatorenschutz für Teilnehmer/innen die unfair angegriffen werden

Klassische Moderation

Die Kunst einen Vorstand oder eine Versammlungzu moderieren, ist eine Schlüsselqualifikation, dieunverzichtbar ist, wenn Sie sich im gesellschaft-lichen und politischen Bereich einmischen wollen.Gerade wer starre Versammlungsformen über-winden möchte, sollte mit dem klassischen Hand-werkszeug der Veranstaltungskommunikationsouverän umgehen können. Leider wird diesesWissen nur allzu häufig benutzt, eine Versamm-lung zu manipulieren. Das ist nur deshalb möglich,weil sich nur wenige in Geschäftsordnungsdebat-ten auskennen. Deshalb gehe ich ausführlich dar-auf ein, weil es nur sehr selten dargestellt wird.

Selbst wenn es Ihnen zu starr und zu bürokratischvorkommt, Sie sollten sich dieses Handwerkzeuganeignen. Selbst wenn Sie grundsätzlich visuellmoderieren, die klassische Antragsberatung solltenSie auch beherrschen. Sie ist unverzichtbar.

Bei einer Versammlung oder einer Vorstandsitzunghaben wir zwischen zwei Antragsformen zu unter-scheiden: dem Sachantrag und dem Geschäfts-ordnungsantrag (G.O.).

Der SachantragDer Sachantrag enthält Forderungen in der Sache:das Thema einer Versammlung festlegen, einArbeitsprogramm verabschieden, einen Antrag zueinem Thema stellen.

Wer einen Sachantrag einbringt hat das Recht aufeine Sachdebatte erworben. Der Antrag wird auf-gerufen, und es wird um Wortmeldungen gebe-ten. Das Ordnungsprinzip ist der Eingang derWortmeldung: Wer sich zuerst meldet ist dran.

Wie lange darf sie/er reden? Solang sie/er will, wennvorab keine Geschäftsordnung vereinbart wurde.

Wie oft darf er/sie reden? So oft er/sie will!

Wie oft darf sich ein/e Redner/in zu Wort mel-den? So oft sie/er will.

Liegt keine Wortmeldung mehr vor, so wird überden Antrag abgestimmt:

Wer ist dafür, wer stimmt dagegen, Enthaltungen?

Der Antrag ist bei einer Stimme Mehrheit ange-nommen (relative Mehrheit), bei Stimmengleich-heit abgelehnt. Satzungsänderungen bedürfeneiner 2/3 Mehrheit.

Abänderungsanträge In der Debatte können Abänderungsanträge zumSachantrag jederzeit mündlich oder schriftlich ein-gebracht werden. Abänderungsanträge werdenvorrangig behandelt, über den weitestgehendenwird zuerst abgestimmt (z.B. Atomausstieg in 10,5 oder 20 Jahren. Zuerst wird über 5 Jahre abge-stimmt, dann über 10, dann über 20 Jahre).

Es ist ein durch und durch demokratisches Ver-fahren. Ich kann die Regeln aber auch dazubenutzen, eine Debatte zu stören oder zu verzö-gern mit der Absicht, die Meinungsbildung odereine Abstimmung zu verhindern. Damit wir unsdagegen wehren können, steht uns das Instru-ment Geschäftsordnungsantrag (G.O.) zur Ver-fügung.

Der GeschäftsordnungsantragDer Geschäftsordnungsantrag regelt das Verfahreneiner Versammlung: Redezeitbegrenzung, Schluss

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Moderation

XI Moderation

der Rednerliste, Schluss der Debatte, Vertagung,Raucherpause, Wiedereröffnung der Rednerlisteusw.

Bei G.O.-Anträgen gelten drei Prinzipien:

1. G.O.-Anträge werden vorrangig behandelt. Wirmelden uns mit zwei erhobenen Händen undrufen: „Zur Geschäftsordnung, bitte!“

2. Während sich bei einem Sachantrag beliebigviele Leute melden dürfen, gilt bei einemG.O.-Antrag der Grundsatz „einer dafür/ei-ner dagegen“.Wer schon zu dem Sachantrag geredet hat,darf sich nicht mehr zur Geschäftsordnung zuWort melden.

3. Das Prinzip „weitergehend“: Wenn mehrereG.O.-Anträge vorliegen, z.B. Redezeitbegren-zung von 5, 3, oder 10 Minuten, dann wirdüber den weitestgehenden Antrag zuerst ab-gestimmt. Das ist der Antrag über 3 Minuten,weil er am weitesten in den bisherigen Ablaufder Versammlung (jeder kann solange redenwir er will) eingreift.

Die Persönliche ErklärungWenn Sie auf einer Versammlung persönlich an-gegriffen werden und die Rednerliste geschlossenist und auch der G.O.-Antrag auf Wiederöffnungder Rednerliste abgelehnt wurde, so bleibt Ihnenimmer noch ein Minderheitenrecht: die PersönlicheErklärung (P.E.). Die P.E. ist nicht von Mehrheitenauf der Versammlung abhängig und muss Ihnengewährt werden. Die Worterteilung erfolgt amEnde der Diskussion vor der Abstimmung. Es dür-fen allerdings nur Erklärungen zur eigenen Per-son sein, keine Bemerkungen zur Sachdebatte.

Visuelle Moderation

Wird bei klassischer Moderation überwiegend dasOhr zur Vermittlung genutzt, so ist es bei der vi-suellen Moderation vor allem das Auge. DerMensch behält nach Untersuchungen 20 Prozentdurch Hören, 30 Prozent durch Sehen, 50 Prozentdurch Hören und Sehen, 70 Prozent, wovon erselbst spricht, und 90 Prozent von dem, was er

selbst ausführt. Der Kerngedanke der visuellenModeration: Jedes Gruppenmitglied ist nicht nurSprecher, sondern auch Visualisierer seiner Bei-träge. Die Beziehungsebene wird dadurch weni-ger entscheidend. Mit Hilfe der Visualisierunggelingt es, die Sachaussage in den Vordergrundzu rücken.

Kartenabfrage

– Alles auf Moderationskärtchen schreiben

– Nur einen Gedanken pro Karte

– Pro Karte nicht mehr als 7 Wörter

– Halbsätze sagen mehr aus

– Karten zuordnen

– Cluster bilden (Karten nach Sinnzusammen-hang gruppieren)

– Mit Hilfe der Gruppe Überbegriffe suchen

– Überbegriffe auf ovale Karten mit verschie-denen Farben schreiben

Erst wenn die Collage fertig ist, werden die Kärt-chen auf Packpapier geklebt. Die Collage kannphotographiert oder aufgerollt und in der näch-sten Sitzung wieder verwendet werden. So kannohne große Wiederholung die Diskussion dortfortgesetzt werden, wo sie zuletzt aufgehört hat.

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Moderation

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Moderation

Praxistipps

1. Für genügend Pinnwände sorgen

2. Stellwände mit Packpapier bespannen

3. Kopfleiste mit Nadeln bestücken

4. Moderatorenhelfer verpflichten

5. Zügig moderieren

6. Hinweise zum Beschriften der Moderationskärtchen visualisieren:

– Nur eine Idee, nur ein Vorschlag auf eine Karte

– Lesbar mit Filzstift schreiben

– 1 – 3 Karten je nach Teilnehmerzahl

7. Karten verdeckt einsammeln – weder verbal noch nonverbal kommen-tieren

8. Doppelte Karten nicht unterschlagen

9. Kartentext laut vorlesen

10. Durcheinander, nicht geordnet nadeln –nicht kleben

11. Teilnehmer/innen nicht den Rücken zudrehen

12. Mit kleinen oder einfachen „Haufen“ beginnen

13. Beim Finden der Überschriften die Gruppe einbinden

14. Begriffe sorgfältig mit den Teilnehmer/innen diskutieren

15. Überschriften immer gemeinsam finden – durchaus auch ändern

16. Kleben – Fotografieren – Collageaufrollen und aufheben

ThemenspeicherAn welchen Themen möchte die Gruppe zuerst ar-beiten? Punkten: Die Teilnehmer/innen vergebenPunkte, das Wichtigste wird mit 3 Punkten be-wertet. Dann vergeben Sie 2 Punkte, und dannvergeben Sie 1 Punkt.

BrainstormingBrainstorming (Gehirnsturm) ist eine Phantasie an-regende Methode zur Ideenfindung in Gruppen.Die Ideen werden in Stichworten oder Halbsätzenauf Moderationskärtchen festgehalten und ge-meinsam strukturiert.

RegelnJede Idee ist erlaubt, je phantastischer, desto besser

Kritik ist grundsätzlich verboten

Jeder darf die Ideen des anderen aufgreifen undweiterentwickeln

So viele Ideen wie möglich

Jede Idee ist als Leistung des Teams, nicht eineseinzelnen zu betrachten

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Moderation

Aktionsplan

Klassische Gesprächsleitung odervisuelle Moderation?

Soll ich klassisch oder visuell moderieren? DieseAlternative stellt sich nicht. Gelungene Moderationist stets eine Mischform aus beidem.

Meine Empfehlung: Wo und wann immer es mög-lich ist, moderieren Sie visuell. Aber Sie solltenauch die klassische Methode beherrschen.

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Moderation

Vorbereitungen:

1. Sich immer sorgfältig sachkundig machen. Dasgilt auch für die Einstellungen und Grundüber-zeugungen der Mitstreiter. Überlegungen undFakten zum Thema auf Karteikarten schreibenund als Gedächtnisstütze mit aufs Podiumnehmen. So sind Fakten auch in Stresssituatio-nen abrufbar. Ansonsten: Die Inhalte inwendig lernen, aufkeinen Fall auswendig lernen.

2. Welche Fragen stellt der Moderator?

3. Welche Fragen an die Teilnehmer/innen erwar-te ich aus dem Publikum?

4. Welche Fragen werden mir die Podiumsteil-nehmer stellen? An welchen Stellen versuchensie mich zu widerlegen? Wie erkläre ich deut-lich die Unterschiede? Wo unterscheiden wiruns, was haben wir gemeinsam?

5. RollenspielDie Podiumsdiskussion lustvoll mit Freundinnenund Freunden im eigenen „Lager“ durchspie-len. Das übt und gibt Sicherheit, und Sie laufennicht Gefahr, dass Ihnen Ihre besten Argumen-te erst nach Schluss der Veranstaltung einfallen.

6. FairnessabkommenWenn ich eine Podiumsdiskussion moderiere,lade ich stets zu einem Vorgespräch ein undverabrede mit den Teilnehmern/innen Regeln.Zu Veranstaltungsbeginn erläutere ich sie, undzusätzlich lasse ich die Vereinbarung per Ko-pie auf die Tische legen.Schlägt der Moderator kein Vorgespräch vor:selbst eins vorschlagen!

Allgemeine Überlegungen

Sich beim Veranstalter für die Veranstaltung be-danken, Demokratie lebt von lebendigen Ausein-andersetzungen!

Hart auf der Sachebene – verbindlich auf derBeziehungsebene (siehe S.7)

Profilieren Sie sich nicht auf Kosten der anderenKandidaten, profilieren Sie sich durch Sachkenntnisund Glaubwürdigkeit.

Das Publikum interessiert sich nicht in erster Liniedafür, was ein Kandidat über den anderen sagt,sondern dafür, was er selbst vorschlägt oder selbervorhat.

Nicht auf alles eingehen. Auswählen!

Immer auf allen vier Kanälen senden. Wenn esgelingt, die Sachaussagen mit hohen Selbstoffen-barungsanteilen zu verknüpfen, dann hören dieMenschen besonders gut zu.

Die eigenen Auffassungen in Kerngedanken zu-sammenfassen – mehrfach wiederholen.

Rechthaberei vermeiden. Es lohnt sich nicht,immer recht haben zu wollen.

Andere nicht unterbrechen, aber sich selbst auchnicht unterbrechen lassen.

Sich nicht gegenseitig lächerlich machen, sondernernst nehmen. Durchaus auch mal sagen, wasman an den Mitdiskutanten schätzt.

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Anleitung für Podiumsdiskussionen

XII Kleine Anleitung fürPodiumsdiskussionen

Wenn ich mir eingestehe, dass Kommunikationkeine Naturbegabung ist, sondern dass ich lernenkann, weil ich ein ganzes Bündel an Entwick-lungsmöglichkeiten in mir herumtrage, und wennich mir klarmache, dass „Freies Sprechdenken“weder schwierig noch kompliziert ist, sondern dassich es bin, der es schwierig und kompliziert macht,und wenn ich weiß, dass dies eine Aufgabe ist, dieich nicht an andere delegieren kann, weil meingefühlsmäßiges Reagieren und mein Verhalten nurich selbst ändern kann, dann sollte ich mir einge-stehen, dass ich nur etwas erreiche, wenn ichselbst aktiv werde. Aus diesen Gründen schlageich Ihnen die Gründung einer Lernselbsthilfegrup-pe „Kommunikation“ vor.

Was bringt uns eine Lernselbsthilfegruppe Kommunikation?

Die Gruppe hat die Funktion eines Spiegels fürdas eigene Verhalten. Sie bietet Chancen zur per-sönlichen Selbstentdeckung. Wir gewinnen Ein-blick in bisher nicht bewusste Zusammenhängedes eigenen Kommunikationsverhaltens. Ich kannverschüttete Talente mobilisieren, alte Fähigkeitenausgraben und neue kommunikative Verhaltens-weisen hinzufügen. Es ist völlig egal, ob jemandaus privaten, beruflichen oder politischen Gründendiesen Wunsch hat. Je vielfältiger eine Gruppezusammengesetzt ist, um so besser. Jeder nimmtso lange an der Gruppe teil, wie er es für not-wendig hält.

Aus Erfahrung weiß ich, dass der Gruppenprozessuns etwas gibt, was uns im Leben fehlt: Die Fä-

higkeit, Vertrauen zu haben und zu schenken,und den Mut, unsere „Verteidigungswaffen“, de-ren Aufrechterhaltung uns ungeheure Energienkostet, wegzuwerfen. Es ist die Verbundenheit derTeilnehmer/innen untereinander, was als befriedi-gend empfunden wird, die Gruppe kontinuierlicharbeiten und wachsen lässt und erstaunlicheAntriebskräfte freisetzt. Ich entwickle in diesemProzess nicht nur verantwortungsvolles Interessean mir selbst, sondern auch für die anderen.

Die Lernselbsthilfegruppe Kommunikation wirfteinen unschätzbaren, schnell erfahrbaren Gewinnab: Ich komme im Alltag deutlich besser zurechtund stelle fest, dass mir auch im wirklichen LebenKommunikation leichter fällt und besser gelingt.

– In der Gruppe lernen die Teilnehmer/innen,Selbstkritik zu äußern und Fremdkritik zuakzeptieren.

– Sie entwickeln die Fähigkeit zur Selbstbeob-achtung, lernen eigene Konflikte erkennen undanzunehmen und die eigenen Bedürfnisse zuartikulieren.

– Sie sind in der Lage, Gemeinsamkeiten undKonfrontationen auszutauschen und in derGruppe darüber zu reden.

– Sie lernen, mit negativen Gefühlen umzuge-hen, und Sie sind in der Lage, sie anderen mit-zuteilen.

– Sie lernen verschiedene Sichtweisen kennenund akzeptieren. Der Gruppenprozess befähigtzu dialogischer Kommunikation. Die Fähigkeit

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Lernselbsthilfegruppe Kommunikation

XIII Die Lernselbsthilfegruppe Kommunikation:Nicht intellektuelle, gefühlte Erfahrungen im Kommunikations-training vermitteln...

zum Dialog bedeutet gleichzeitig die Überwin-dung von Schwarz-Weiß-Denken und Freund-Feind-Bildern. Sie schließt ambivalenzoffeneEinstellungen mit ein.

– Sie kommen unbewussten Regeln und Glau-benssätzen auf die Spur.

– Und last but not least: Es wird die Fähigkeitgeschult, sich selbst und eine Gruppe zu leiten.

Ist das ohne professionelle Hilfe möglich?

Wenn Sie die Grundordnung der Lernselbsthilfe-gruppe ehern einhalten, kann kein Schaden auf-kommen. Das Wagnis einer Veränderung gehenSie in Eigenverantwortung ein. Sie selbst entschei-den, ob Sie sich auf neue Gedankengänge, neueErlebnisse, neue Erfahrungen einlassen, und wieweit Sie dabei gehen. Die Guppe macht Ihnen nurMut, über bisher vertraute Grenzen hinauszuge-hen. In erster Linie geht es darum, dass Sie neuekommunikative Verhaltensweisen ausprobieren,um herauszufinden, ob etwas davon für Ihren All-tag tauglich ist, Ihr verdienter Lohn: Zugang zureigenen Kreativität. Vielleicht entdecken Sie etwas,was Ihr Leben reichhaltiger macht.

Verhalten Sie sich in der Gruppe wie in einemSupermarkt: Nehmen Sie das mit nach Hause, wasSie gebrauchen können und vergessen Sie denRest. Langfristig muss Ihnen allerdings klar sein,dass Sie mithelfen sollten, die Regale wieder auf-zufüllen. Sonst sind sie eines Tages leer.

Womit fangen wir an?

Die Übungen, mit denen das Kommunikationsler-nen in den Gruppen durchgeführt werden kann,sind kleine oder auch große Referate, die die Teil-nehmer/innen in der Gruppe halten. Es sind Bei-träge, die uns im Verein oder im Alltag abverlangtwerden.

Über all das wird in der Gruppe metakommuni-ziert, geben wir uns Feedback. Die Teilnehmer/in-

nen lernen aus ihrem Verhalten, in dem sie darü-ber kommunizieren. Beiträge, Referate, Gruppen-leitungen und Gesprächsführungen werden ana-lysiert und auf ihre Brauchbarkeit für die Praxisausgewertet, mit anderen Möglichkeiten ver-glichen und von verschiedenen Sichtweisen ausbetrachtet. Was sollte ich vermeiden? Wie kommtmein Referat an? Was hat es lebendig gemacht?Habe ich auf allen vier Seiten gesendet? War ichauthentisch oder nehme ich eine Rolle an? Habeich meine Redeangst verborgen oder offen ge-zeigt? Habe ich richtig geatmet?

Hilfsregeln, die das Wachstumsklima in den Gruppen fördern:

– Rede über alles, aber sprich von dir.

– Ich unterbreche meinen Gesprächspartner nicht.

– Kümmere ich mich um mich selbst?

– Ich entscheide, ob ich rede oder schweige.

– Ratschläge sind auch Schläge.

– Rede über alles, aber möglichst nicht überzwanzig Minuten.

– Nimm, was du gebrauchen kannst, und ver-giss den Rest!

– Erzähl nicht unbedingt das, was du auch dei-nem Friseur erzählen kannst.

– Wenn die Gruppe dir sagt, du bist ein Frosch,dann ist es höchste Zeit, dass du dich nacheinem Teich umsiehst.

Die Grundordnung der Lernselbsthilfegruppe

Anonymität Es ist geschützt was ich sage, es bleibt im Raum,es wird nicht als Gesprächsstoff missbraucht. Wirgönnen uns einen geschützten Raum.

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Lernselbsthilfegruppe Kommunikation

Konfrontation der Meinungen findet andersstatt – es wird nicht diskutiert – es ist einSupermarkt der Meinungen.Vorteil: Es gibt keine „Hahnenkämpfe“, ich mussmir nicht, während der andere spricht, schon über-legen, wie ich ihn widerlege – ich brauche keineAngst zu haben, dass mein Beitrag verrissen wird.

Jeder spricht nur von sich. Immer ausbalanciert auf allen vier Kanälen, daserleichtert das Zuhören, „zwingt“ aber auch zumZuhören. Meine persönlichen Erfahrungsräumesind durch diese Regel geschützt, niemand darfdort eindringen. Es geht nicht darum, ob einerRecht oder Unrecht hat, es gibt keine Gewinnerund Verlierer. Was ich vorbringe gilt als wertvoll.Die Last der Erkenntnis und des Handelns liegtda, wo sie hingehört: beim Individuum.

Das Prinzip Freiwilligkeit Es gibt kein du musst und du sollst, sondern dukannst und du darfst.

Du darfst Fehler machen Fehlerfreundliches Verhalten statt Perfektionismus.

Keine FragenWenn wir ängstlich sind, verschließen sie uns eher,als dass sie uns öffnen.

Für die Komunikationsselbsthilfegruppe empfehle ich direktes Feedback.Selbsthilfegruppen verzichten in der Regel aufdirektes Feedback, sondern vertrauen auf indirek-tes. Das zwingt die Teilnehmer/innen einfühlsam indie Gruppe hineinzuhorchen.

Keine Ratschläge, denn Ratschläge sind auch Schläge. In der Gruppe stürzt sich niemand – mit einemBündel Ratschläge bewaffnet – auf mich. Niemanddrängt mir etwas auf, ich bestimme das Verän-derungstempo. Ich entscheide, was ich mir zumu-ten will.

Ich unterbreche nicht Gewährendes Zuhören – Kein Therapeut greiftsteuernd ein.

(Ausführlich siehe: Heckel, Jürgen: sich das Lebennehmen. A1Verl., 4. Aufl., 2010, S. 154 ff).

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Lernselbsthilfegruppe Kommunikation

Buber, Martin: Das dialogische Prinzip. Zur Geschichte des dialogischen Prinzips. Bleicher, 1992

Cohn, Ruth C.: Von der Psychoanalyse zu den themenzentrierten Interaktionen, Klett-Cotta, 1991

Heckel, Jürgen: Frei sprechen lernen. Ein Leitfaden zur Selbsthilfe. A1 Verl., 4. Aufl., 2010

Satir, Virginia: Selbstwert und Kommunikation. Pfeiffer, 1996

Schulz von Thun, Friedemann: Miteinander reden 1, 2, 3. Rowohlt , 47. Aufl., 2009

Ulrich, Susanne: "Achtung + Toleranz", Wege demokratischer Konflik-tregelung, mit CD-ROM. Unter Mitarb. v. Jürgen Heckel, Eva Oswald, StefanRappenglück, Florian M. Wenzel. Verlag Bertelsmann Stiftung Gütersloh, 2., überarbeitete und erweiterte Auflage 2006.

Watzlawick, Paul: Die Möglichkeit des Anderssein. Huber, 1991

Watzlawick, Paul/Beavin, John H./Jackson, D.: Menschliche Kommunikation. Formen, Störungen, Paradoxien. Huber, 1990

Politik und Sprache

Eppler, Erhard: Der Politik aufs Maul geschaut: Kleines Wörterbuch zum öffentlichen Sprachgebrauch. Dietz, 2009

Eppler, Erhard: Kavalleriepferde beim Hornsignal: Die Krise der Politik imSpiegel der Sprache. Suhrkamp, 1992

Leinemann, Jürgen: Höhenrausch. Die wirklichkeitsleere Welt der Politiker.Blessing, 2006

Pörksen, Bernhard: Die Konstruktion von Feinbildern: Zum Sprachgebrauchin neonazistischen Medien. Mit einem Geleitwort von Johano Strasser. VS Verlag, 2. Aufl., 2005

Strasser, Johano: Leben oder Überleben. Wider die Zurichtung des Menschenzu einem Element des Marktes. Pendo, 2001

Strasser, Johano: Als wir noch Götter waren im Mai. Pendo, 2007

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Literatur

XIV Literatur

SelbstdarstellungBayernForum

WERBUNGAkademie Soziale Demokratie

Die KommunalAkademie Bayern der Friedrich-Ebert-Stiftung qualifiziert seit 2006 Bürgerinnenund Bürger, die auf kommunaler Ebene bereits aktiv sind oder werden wollen. Sie konnten da-zu im Zeitraum bis Ende 2010 aus einem Angebot von bereits über 125 Veranstaltungen wählen.

Mit unseren vielfältigen Aktivitäten wollen wir

o Sie dazu anregen, in Ihrer Kommune mitzuarbeiten,o Sie darauf vorbereiten, in der Kommunalpolitik Verantwortung zu übernehmen,o gewählte MandatsträgerInnen dabei unterstützen, ihr Amt noch kompetenter auszuübeno den öffentlichen Dialog zu aktuellen kommunalpolitischen Themen fördern.

Deshalb veranstalten wir Seminare und Foren, in denen wir Ihnen das notwendige Wissen in zen-tralen Handlungsfeldern, persönliche und methodische Kompetenzen und das Handwerkszeugfür Ihr Ehrenamt vermitteln.

Unserer Modul-Reihe „Mit Erfolg in die Kommunalpolitik“ ermöglicht Ihnen an drei Wochen-enden einen besonders intensiven Einstieg in die Kommunalpolitik.

Erfolg in der KommunalpolitikDie KommunalAkademie Bayern vermittelt Ihnen umfangreiches und auf Ihre Interessenabgestimmtes Wissen zu kommunalen Politikfeldern wie „Stadtentwicklung“, „Sozialpolitik“und „Finanz- und Haushaltspolitik“. Auch zu Themen wie „Jugend“, „Rechtsextremismus“oder „Bürgerbeteiligung“ bieten wir Seminare und Planspiele an.

Sie können auch Veranstaltungen zur Weiterentwicklung Ihrer sozialen und methodischenKompetenzen besuchen. Dazu zählen beispielsweise Seminare zu Gesprächs- und Verhand-lungsführung, Öffentlichkeits- und Pressearbeit, TV-Training und Rhetorik.

In der jährlich stattfindenden Sommerakademie haben Sie die Möglichkeit zum Erfahrungs-austausch mit anderen Kommunalpolitikern. In Workshops aktualisieren und vertiefen Sie IhrenKenntnisstand. Prominente Gäste stellen ihre politischen Standpunkte vor.

Unsere dreiteilige Modul-Reihe „Mit Erfolg in die Kommunalpolitik“ verbindet die Vermittlungvon politischen Inhalten mit dem Training methodischer und persönlicher Kompetenzen. InKamingesprächen lernen Sie Oberbürgermeister, Landräte und Abgeordnete kennen, die einenfundierten Einblick in ihre politische Praxis geben.

In unsere Seminaren referieren anerkannte Fachleute und Praktiker aus Kommunalpolitik,Verwaltung, Verbänden und Medien.

Wir freuen uns, wenn unser Angebot Ihr Interesse findet. Sprechen Sie uns auch an, wenn SieIdeen für weitere kommunalpolitische Bildungsangebote haben

Harald ZintlLeiter der Kommunalakademie Bayern

Ich freue mich jedesMal wieder, meineumfassende Erfah-rung weiterzugebenund viele Aktive fürdie kommunal-politische Arbeit zuqualifizieren.

Brigitta Stöber (2. Bürgermeisterin Hersbruck undlangjährige Trainerin bei der KommunalAkademie)

Ich habe die Ange-bote der Kommunal-akademie Bayernintensiv genutzt. Siehaben mir denEinstieg in das Amtdes Bürgermeisterssehr erleichtert.

Michael Adam (Bürgermeister Bodenmais undregelmäßiger Teilnehmer der KommunalAkademie)

KommunalAkademie Bayern

Kontakt:

Kommunalakademie BayernRichard-Wagner-Str. 593055 RegensburgTel. 0941/ 467 1895 Fax 0941/ 79 56 [email protected]