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Das Ende der Panda-Politik erstes Panda-Paar 1980 noch unkompliziert als Staats- geschenk für den damaligen Kanzler Helmut Schmidt nach Berlin kam, wurde um ihre Nachfolger mehrere Jahre lang auf höchster Regierungsebene gerungen. Es ging um politische Bedingungen, den rechtlichen Rahmen und viel Geld (oziell sind die Pandas dies- mal kein chinesisches Geschenk, sondern werden als Teil eines eigens dafür gegründeten bilateralen For- schungsprojekts nach Deutschland ausgeliehen). Die Pandas sind der kuschelige Teil der deutsch- chinesischen Beziehungen. In anderen Bereichen wird der Kontakt zunehmend härter; eine Tatsache, die Deutschlands Politik und Wirtschaft mit wach- sender Beunruhigung beobachten. Lange war das Verhältnis vor allem komplementär: Deutsche Inno- vationskraft und Chinas Modernisierung ergänzten sich ideal. Doch inzwischen richtet sich die Auf- merksamkeit zunehmend auf den wirtschaftlichen und auch politischen Wettbewerb – und auf die Kon- ikte, die daraus entstehen könnten. Irgendwo in den Bambuswäldern der westchinesi- schen Provinz Sichuan wird derzeit ein Panda-Pär- chen auf seinen Einsatz in Deutschland vorberei- tet. Im Sommer 2017 sollen sie mit Chinas Präsident Xi Jinping nach Berlin reisen und dort im Zoo ihren Dienst antreten, als chinesische Botschafter der Her- zen. Pandas muss man einfach lieben: Sie sind putzig, schutzbedürftig und ernähren sich friedlich vegan. In Peking wünscht man sich, die globale Sympathie für Chinas Nationaltier würde dem ganzen Land gelten, weswegen die „Panda-Diplomatie“ seit langem Teil der chinesischen Soft-Power-Bemühungen ist. Doch symbolträchtig sind nicht nur die Bären selbst, sondern auch die mühsamen Verhandlungen, die ih- rer Entsendung vorausgingen. Während Deutschlands Juli 2016 Deutschland genießt zu China ein Sonderverhältnis – noch. Doch je mehr der politische und wirtschaftliche Wettbewerb zunimmt, umso mehr muss sich Deutschland auf Konflikte einstellen. Starken deutschen Interessen stehen bisher oft nur schwache Instrumente zur Verfügung. Bernhard Bartsch ist Senior Expert im Programm „Deutschland und Asien“ der Bertelsmann Stiftung. Asia PolicyBrief Bernhard Bartsch

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Page 1: Bernhard Bartsch Das Ende der Panda-Politik · Pandas muss man einfach lieben: Sie sind putzig, schutzbedürftig und ernähren sich friedlich vegan. In Peking wünscht man sich, die

Das Ende der Panda-Politik

erstes Panda-Paar 1980 noch unkompliziert als Staats-

geschenk für den damaligen Kanzler Helmut Schmidt

nach Berlin kam, wurde um ihre Nachfolger mehrere

Jahre lang auf höchster Regierungsebene gerungen.

Es ging um politische Bedingungen, den rechtlichen

Rahmen und viel Geld (offi ziell sind die Pandas dies-

mal kein chinesisches Geschenk, sondern werden als

Teil eines eigens dafür gegründeten bilateralen For-

schungsprojekts nach Deutschland ausgeliehen).

Die Pandas sind der kuschelige Teil der deutsch-

chinesischen Beziehungen. In anderen Bereichen

wird der Kontakt zunehmend härter; eine Tatsache,

die Deutschlands Politik und Wirtschaft mit wach-

sender Beunruhigung beobachten. Lange war das

Verhältnis vor allem komplementär: Deutsche Inno-

vationskraft und Chinas Modernisierung ergänzten

sich ideal. Doch inzwischen richtet sich die Auf-

merksamkeit zunehmend auf den wirtschaftlichen

und auch politischen Wettbewerb – und auf die Kon-

fl ikte, die daraus entstehen könnten.

Irgendwo in den Bambuswäldern der westchinesi-

schen Provinz Sichuan wird derzeit ein Panda-Pär-

chen auf seinen Einsatz in Deutschland vorberei-

tet. Im Sommer 2017 sollen sie mit Chinas Präsident

Xi Jinping nach Berlin reisen und dort im Zoo ihren

Dienst antreten, als chinesische Botschafter der Her-

zen. Pandas muss man einfach lieben: Sie sind putzig,

schutzbedürftig und ernähren sich friedlich vegan. In

Peking wünscht man sich, die globale Sympathie für

Chinas Nationaltier würde dem ganzen Land gelten,

weswegen die „Panda-Diplomatie“ seit langem Teil

der chinesischen Soft-Power-Bemühungen ist.

Doch symbolträchtig sind nicht nur die Bären selbst,

sondern auch die mühsamen Verhandlungen, die ih-

rer Entsendung vorausgingen. Während Deutschlands

Juli 2016

Deutschland genießt zu China ein Sonderverhältnis – noch. Doch je mehr der

politische und wirtschaftliche Wettbewerb zunimmt, umso mehr muss sich

Deutschland auf Konfl ikte einstellen. Starken deutschen Interessen stehen bisher

oft nur schwache Instrumente zur Verfügung.

Bernhard Bartsch ist Senior Expert im Programm

„Deutschland und Asien“ der Bertelsmann Stiftung.

Asia PolicyBrief

Bernhard Bartsch

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Asia PolicyBrief | Juli 2016

Deutsch-chinesische Dialogformate

Quelle: Eigene Darstellung

Abkürzungsverzeichnis

Deutschland:AA – Auswärtiges AmtBAKS – Bundesakademie für SicherheitspolitikBGR – Bundesanstalt für Geowissenschaften und RohstoffeBMAS – Bundesministerium für Arbeit und SozialesBMBF – Bundesministerium für Bildung und ForschungBMUB – Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und ReaktorsicherheitBMEL – Bundesministerium für Ernährung und LandwirtschaftBMFSFJ – Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und JugendBMG – Bundesministerium für GesundheitBMI – Bundesministerium des InnernBMJV – Bundesministerium für Justiz und für VerbraucherschutzBMVg – Bundesministerium der Verteidigung

BMVI – Bundesministerium für Verkehr und digitale InfrastrukturBMWi – Bundesministerium für Wirtschaft und EnergieBSH – Bundesamt für Seeschifffahrt und HydrographieBfN – Bundesamt für NaturschutzDAAD – Deutscher Akademischer AustauschdienstGfZ – Deutsches GeoForschungsZentrum PotsdamDFG – Deutsche ForschungsgemeinschaftDPMA – Deutsches Patent- und MarkenamtPTB – Physikalisch-technische Bundesanstalt

China:ACYF – All-China Youth FederationAQSIQ – General Administration of Quality Supervision, Inspection and Quarantine

Metrologische ForschungPTB / NIM

1979

Ausschuss für wissenschaft-liche und technologische

Zusammenarbeit

1978

Forum für FinanzstabilitätDeutsche Bundesbank / PBOC

2011

Kooperation im Bereich Grüne Logistik

BMVI / MoT

2011

Arbeitsgruppe zu Energieeffizienz

BMWi / NDRC

2013

Austausch zu Umwelttechno-logien in Zukunftsstädten

BMBF / MoST

2014

Zusammenarbeit im Bereich LED-Technologie

BMBF / MoST

2012

Wirtschafspolitische Konsultationen

1985

Mittelstands-konsultationen

BMWi / MIIT

2006

SeismologieBGR; GfZ / CSB

1996

Zentrum für Wissenschaftsförderung

DFG / NSFC

N. N.

Forum für wirtschaftliche und technologische

ZusammenarbeitBMWi / NDRC

1997

Arbeitsgruppe zu Produktsicherheit

BMWi / AQSIQ

2008

Kooperationsplattform

zum Schutz artenreicher

ÖkosystemeBfN / CRAES

2008

Binnenschiffs-frachtverkehr

BSH / N. N.

1989

EnergiepartnerschaftBMWi / NDRC; NEA

2006

Strategische Partnerschaft und Kooperation in Bildung

und ForschungBMBF / MoE

2014

Hochschulkooperation in innovationsorientierte

Forschung zur Lösung globaler Herausforderungen

BMBF / MoE

2014

UmweltdialogBMUB / MEP

2000

Strategische Plattform Elektromobilität

BMWi / MIIT

2010Arbeitsgruppe zur Bekämpfung des

KlimawandelsBMUB / NDRC

2010

Forschungs- und Innovations-programm „Sauberes Wasser“

BMBF / MoST

2011

Lenkungsausschuss für Meeresforschung-

und -technologieBMBF / SOA

1986

Gemischter Wirtschaftsausschuss

BMWi / MOFCOM

1979

Bilaterale Kommission NormungBMWi / SAC

2011

Strategische Plattform

Innovation BMBF / MoST

2014

Landwirtschaftsausschuss auf Vizeministerebene

BMEL / MOA

2006

Partnerschaft zum Schutz geistigen Eigentums

DPMA / SIPO

2010

Dialog im Bereich Ladeinfrastruktur

BMWi

N. N.

Innovationsplattform Lebenswissenschaften

BMBF / MoST

2011

Forum für wirtschaftliche und technologische

ZusammenarbeitBMWi / NDRC

1997

Beratender Wirtschafts-ausschuss (DCBWA)

Vertreter von Unternehmen

2014

Hochrangiger Finanzdialog

BMF / MoF

2015

Wissenschaft und Bildung

Wirtschaft und Technologie

Urbanisierungs-partnerschaftBMUB / MoHURD

2013

Arbeitsgruppe zu erneuerbaren Energien

BMWi / NEA

2009

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Asia PolicyBrief | Juli 2016

CASS – Chinese Academy of Social SciencesCRAES – Chinese Research Academy of Environmental SciencesCSB – Chinese Seismic BureauLAO – Legislative Affairs Office of the State Council, P. R. ChinaMEP – Ministry of Environmental Protection MIIT – Ministry of Industry and Information Technology MOA – Ministry of Agriculture MOD – Ministry of National Defence MoE – Ministry of Education MoF – Ministry of Finance MOFCOM – Ministry of CommerceMoH – Ministry of Health MoHRSS – Ministry of Human Resources and Social Security

MoHURD – Ministry of Housing and Urban-Rural Development MoST – Ministry of Science and Technology MoT – Ministry of Transport MPS – Ministry of Public SecurityNDRC – National Development and Reform CommissionNEA – National Energy AdministrationNIM – China International Institute of MetrologyNPC – National People’s CongressNSFC – National Natural Science Foundation of ChinaPBOC – People’s Bank of China (Zentralank)SAC – Standardization AdministrationSIPO – State Intellectual Property Office of ChinaSOA – State Oceanic Administration

Austausch zwischen Gesetzgebungsorganen

Bundestag / NPC

2005

Regierungs-konsultationen

Verschiedene Ministerebenen

2011

Sportwissenschaftlicher Dialogmechanismus

BMI / General Administration of Sport of China

2009

Hochschul-Modellpartnerschaften

BMBF / MoE

2012

Dialogforum im Bereich Zivilgesellschaft

N. N.

2005

RechtsstaatsdialogBMJV / LAO

2000Konsultationsrunden zur Terrorismusbekämpfung

AA

2003

Werbe- und Informations-plattform für Tourismus

2014Jugendpolitischer Dialog

BMFSFJ / ACYF

2006

WissenschaftskollegBMBF / MoE

2012

Parteiendialog SPD / KPCh

1984

Cyber-Konsultationen

2016

Dialog im Bereich Gesund-heitswesen

BMG / MoH

1980

Schulpartner-schaft PASCH

AA

2008

Menschenrechts-dialog

2003

Konsultationen für konsularische Fragen

N. N.

Städtepartner-schaften

Bundesländer / Provinzen

1982

Allianz für BerufsbildungBMBF / MoE

2012

Mediendialog für hochran-gige Vertreter von Medien, Verbänden und Behörden

AA

2011

Erfahrungsaustausch zum Aufbau eines rechtsstaatlichen Systems

im Bereich Beamten- und Verwaltungsrecht

BMI / MoHRSS

1990

Seminar über Sicherheits-politik mit hochrangigen

Offizieren BMVg; BAKS / MOD

2005

Hochschulkolleg (CDHK)DAAD / Tongji Universität

1998

Journalistisches Austausch-programm „Medienbotschaf-

ter China-Deutschland“ Robert Bosch / Global Times

2011

Vizeminister-Dialog zur Kriminalitätsbekämpfung

BMI / MPS

2000

Außen- und Sicherheits-politischer Dialog

BMVg / MOD

N. N.

KulturnetzRobert Bosch Stiftung /

Goethe Institut

N. N.

Symposien und Experten-austausch zu den Bereich Arbeitsmarktpolitik, und

-gesetzgebungBMAS / MoHRSS

2004

Zukunftsbrücke: Chinese-German Young

Professional CampusMercator Stiftung; BMW Stiftung /

CASS; ACYF

2012

Politik und Verwaltung

Kultur und Gesellschaft

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Asia PolicyBrief | Juli 2016

teressen vertritt China mit wachsender Konsequenz

und Vehemenz. Das ist Pekings gutes Recht, zwingt

aber auch Deutschland, seinerseits eigene Interessen

und Instrumente zu ihrer Umsetzung zu überdenken.

Drei aktuelle Diskussionen zeigen, wo Bruchstellen

liegen, an denen die harmonische Grundstimmung in

den deutsch-chinesischen Beziehungen gefährdet ist.

Beispiel 1: Kuka

Der Name Kuka wurde im Sommer 2016 zum Syn-

onym für die Frage, wie willkommen chinesische

Investitionen in Deutschland sind. Der Roboterher-

steller Kuka gilt als Schlüsselspieler der deutschen

„Industrie 4.0“. Dass der chinesische Konzern Midea

den Aktionären ein attraktives Übernahmeange-

bot machte, schürte Befürchtungen, die Chinesen

könnten sich deutsches Kern-Know-how sichern,

nicht nur von Kuka selbst, sondern auch von Kunden

wie Daimler oder Siemens, die in ihren Werken mit

Kuka-Robotern produzieren.

Die Bundesregierung bemühte sich hinter den Kulis-

sen, ein deutsches Konsortium zusammenzustellen,

um ein Gegenangebot vorzulegen und die deutsche

Kontrolle über Kuka zu sichern. Auch die Drohung,

Berlin könne die Übernahme durch eine langwie-

rige Prüfung um Jahre verzögern, wurde gestreut.

Kritiker warfen der Bundesregierung – insbesondere

Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel – vor, sich auf

das Terrain des Protektionismus zu begeben und da-

mit den zentralen Grundsatz deutscher Wirtschafts-

politik zu verletzen, das Bekenntnis zu freien Märk-

ten. Doch kann Deutschland an diesem Grundsatz

gegenüber einer Wirtschaftsgroßmacht festhalten,

die selbst große Teile ihres Marktes abschottet?

Gabriels Vorstoß sorgte in Peking für schwere Irritati-

onen, scheiterte letztlich aber daheim am taktischen

Desinteresse der deutschen Großindustrie sowie am

deutschen Aktienrecht. Wie Midea künftig als Kuka-

Hauptaktionär agieren wird, bleibt abzuwarten. Die

Diskussion, wo angesichts Chinas off ensiver Expan-

sion auf die Weltmärkte die Linie zwischen eff ektiver

Standortsicherung und Protektionismus verlaufen

sollte, dürfte das deutsch-chinesische Verhältnis

aber auch künftig begleiten und belasten.

Beispiel 2: Marktwirtschaftsstatus

Ähnliche Sorgen stehen im Zentrum der Debatte um

Chinas Anerkennung als Marktwirtschaft, die Pe-

king von der EU im Dezember 2016 verlangt. Ihren

Zwar gilt es aus gutem Grund als Gebot der unter-

nehmerischen und diplomatischen Vernunft, Ver-

werfungen nicht unnötig herbeizureden. Doch in

vertraulichen Gesprächsrunden diskutieren deutsche

Manager und Politiker inzwischen off en, wie lange

sich Deutschland noch auf die Harmonie im deutsch-

chinesischen Verhältnis verlassen kann, und wie sich

Deutschland China gegenüber künftig positionieren

sollte. Starken deutschen Interessen stehen bisher

oft nur schwache Instrumente zur Verfügung.

Sonderverhältnis mit Bruchstellen

Noch genießt Deutschland zu China ein Sonderver-

hältnis. Beide Länder sind füreinander politische

und wirtschaftliche Schlüsselpartner. Kein anderes

europäisches Land ist mit China enger verfl ochten.

Mehr als 60 Dialogformate betreiben Deutschland

und China miteinander (siehe Abbildung 1). Das pro-

minenteste davon sind die Regierungskonsultatio-

nen. Zuletzt reiste die deutsche Kanzlerin dafür im

Juni 2016 mit sechs Ministern und fünf Staatssekre-

tären nach Peking. Deutschland ist das einzige Land,

mit dem China regelmäßig Kabinettssitzungen auf

Ebene der Regierungschefs abhält.

Wirtschaftlich sind die beiden Länder füreinan-

der der jeweils wichtigste Handelspartner auf dem

anderen Kontinent. Exporte in die Volksrepublik

machen rund zwei Prozent des deutschen Bruttoin-

landsprodukts aus (siehe Abbildung 2). Für manche

Großkonzerne oder mittelständische Technologie-

unternehmen ist China sogar ein regelrechter

Schicksalsmarkt. Mehr als 5.000 deutsche Firmen

sind heute in China aktiv, über 1.000 chinesische

Unternehmen in Deutschland. An deutschen Hoch-

schulen bilden Chinesen seit vielen Jahren die größte

Gruppe ausländischer Studierender (aktuell rund

23.000) und schaff en damit auch auf persönlicher

und gesellschaftlicher Ebene ein immer dichter

werdendes Netz an Verbindungen.

Die politischen, wirtschaftlichen und gesellschaft-

lichen Verfl echtungen sind inzwischen so eng, dass

eine grundsätzliche Erschütterung der Beziehungen

durch einzelne Konfl ikte schwer vorstellbar scheint.

Doch je weiter sich das Verhältnis entwickelt, umso

komplexer wird es auch. China ist auf der Weltbüh-

ne kein Panda, der sich ausschließlich sympathisch,

schutzbedürftig und friedliebend verhält. Seine In-

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Asia PolicyBrief | Juli 2016

wie in Ostasien ein Konfl ikt schwelt, der das Potenzial

hat, eine der wirtschaftlich wichtigsten Weltregionen

zu destabilisieren. Zudem zeigt Chinas fundamen-

tale Ablehnung des Den Haager Schiedsspruchs, wie

schwierig es ist, das Land in internationale Gover-

nance-Strukturen einzubinden. Genau daran aber

hat Deutschland ein elementares Interesse.

Szenarien für Chinas Entwicklung

Die aktuellen Diskussionen zeigen nicht nur, wo

mögliche Spannungsfelder in den deutsch-chinesi-

schen Beziehungen liegen. Mindestens ebenso wich-

tig wie die konkreten Einzelfälle ist die allgemeine

Verunsicherung, wohin sich China entwickelt.

Lange – aus heutiger Sicht: zu lange – handelten

Deutschlands Politik und Wirtschaft in der Annah-

me, das chinesische System würde sich mittelfristig

dem westlichen annähern. Der Trend hin zu einer

freieren Wirtschaft, stärkerer Rechtssicherheit, grö-

ßerer internationaler Öff nung und auch einer gewis-

sen politischen Liberalisierung schien unumkehrbar.

Solchen Annahmen ist es etwa zuzuschreiben, dass

die Europäer den Chinesen 2001 die Anerkennung

als Marktwirtschaft innerhalb von 15 Jahren in Aus-

sicht stellten. Sie gingen davon aus, dass es ganz von

selbst so kommen würde.

Doch spätestens seit dem Beginn der Ära Xi Jinping

ist diese Gewissheit weitgehend verfl ogen. Stattdes-

sen befi ndet sich China in einer Phase struktureller

Umbrüche, mit ungewissem Ausgang. Wie gut oder

schlecht China diese Transformation gelingt, wird

auch die Beziehungen mit Deutschland prägen.

Um den Blick auf längerfristige Strategien zu lenken,

hat die Bertelsmann Stiftung gemeinsam mit dem

Fraunhofer Institut für Innovations- und Systemfor-

schung Szenarien für das Jahr 2030 entwickelt.1 Drei

Szenarien erscheinen aus deutscher Sicht gleicher-

maßen bedenkenswert:

• Im „Status quo“-Szenario bleibt Chinas politi-

sches und wirtschaftliches System weitgehend

stabil. Für die deutsche Wirtschaft und Politik

wäre China in diesem Szenario weiterhin ein

schwieriger, aber einigermaßen berechen-

barer Partner.

Anspruch leiten die Chinesen aus dem Beitrittspro-

tokoll zur Welthandelsorganisation (WTO) von 2001

ab. Der Marktwirtschaftsstatus würde es europäi-

schen Firmen erschweren, sich gegen chinesisches

Preisdumping zu wehren. Formell wird über Chinas

Marktwirtschaftsstatus auf EU-Ebene entschieden;

Deutschlands Haltung hat dabei jedoch wesentlichen

Einfl uss.

In Berlin wie in Brüssel herrscht Frustration,

dass die Europäer nur die Wahl zwischen mehre-

ren schlechten Alternativen haben. Rein inhaltlich

besteht ein breiter Konsens, dass China die Voraus-

setzungen für eine Anerkennung als volle Markt-

wirtschaft nicht erfüllt. Unternehmen klagen über

gravierende Asymmetrie zwischen den Wettbe-

werbsbedingungen, die ausländische Firmen in

China und chinesische Unternehmen in Europa

vorfi nden, etwa bei der Rechtssicherheit, bei

der Vergabe öff entlicher Aufträge oder bei der

Off enheit für Investitionen.

Gleichzeitig müssen Deutschland und die anderen

Europäer jedoch anerkennen, dass China juristisch

gute Argumente auf seiner Seite hat. Eine chinesi-

sche Klage vor dem WTO-Gericht gilt jedenfalls als

zu riskant. Um einen Handelskrieg mit China zu

verhindern, wird den Europäern kaum eine andere

Wahl bleiben, als Chinas Wunsch weitgehend nach-

zugeben – und sich auf die Suche nach neuen Han-

delsschutzinstrumenten zu machen, die mit WTO-

Recht kompatibel sind.

Beispiel 3: Südchinesisches Meer

Während China in der Frage des Marktwirtschafts-

status auf die Einhaltung internationalen Rechts

pocht, will es im Streit um die Hoheit im Südchinesi-

schen Meer nichts von internationaler Gerichtsbar-

keit wissen. Im Juli wies das Seeschiedsgerichts in

Den Haag einen großen Teil der chinesischen Terri-

torialansprüche vor den Küsten der Philippinen und

Vietnams ab. Obwohl China der UN-Seerechtskon-

vention beigetreten ist, will es sich dem Urteil nicht

beugen. Der Konfl ikt mit den Nachbarstaaten und

der Pazifi kmacht USA droht zu eskalieren.

Zwar ist man in Deutschland froh, nicht unmittel-

bar in die Auseinandersetzung verwickelt zu sein.

Gleichzeitig muss Berlin aber auch machtlos zusehen,

1 „China 2030: Szenarien und Strategien für Deutschland“. Bertelsmann Stiftung, Juni 2016.

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Asia PolicyBrief | Juli 2016

Exporte und Importe der Bundesrepublik Deutschland 2015

Quelle: Statistisches Bundesamt, Außenhandel, Rangfolge der Handels-

partner im Außenhandel der Bundesrepublik Deutschland, 2015

Europäische Union

693.902 543.512

USA

113.990 59.655

Lateinamerika

32.128 21.083

Schweiz

49.279 42.465

Afrika

24.038 18.225

Russland

21.768 29.765

Chi

na

Chi

na

Japa

n

Japa

n

Südk

orea

Taiw

an

Asien

154.623 178.045

Exporte aus der Bundesrepublik Deutschland (Werte in Mio. Euro)

Importe in die Bundesrepublik Deutschland (Werte in Mio. Euro)

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Asia PolicyBrief | Juli 2016

Quelle: Deutsche Bundesbank, „Bestandserhebung über Direktinvestitionen“, April 2016

Bundesdeutsche Exporte und Importe in Asien

8.925 | 7.062

9.155 396

Import-Wert 2015Export-Wert 2015

Wert für Deutsche Direktinvestitionen 2014

Wert für Ausländische Direktinvestitionen 2014

Export / Import jeweils im Zeitraum von 2010, 2011, 2014 und 2015

Bangladesch640 | 4.608

Bhutan54 | 11

Myanmar148 | 197

Thailand4.050 | 5.044

Kambodscha121 | 1.235

Brunei150 | 1

Taiwan7.408 | 8.159

Philippinen2.152 | 3.008

Laos41 | 74

Vietnam2.300 | 8.025

Nepal152 | 33

Pakistan1.017 | 1.425

Indien9.771 | 7.56110.897 365

Hongkong5.892 | 1.739

3.887 477

China71.385 | 91.678

59.717 1.568

Nordkorea7 | 4

Südkorea17.923 | 7.666

8.229 3.616

Japan17.031 | 20.230

12.621 17.318

Malaysia4.817 | 7.006Indonesien

2.660 | 3.939

Singapur6.616 | 5.87113.470 1.626

Sri Lanka286 | 529

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Asia PolicyBrief | Juli 2016

gung an der chinesischen Infrastrukturbank ent-

schieden, nicht zuletzt, um einen gewissen Einfl uss

auf ihre Entwicklung zu haben. Die Gründung der AIIB

ist aber auch ein Beispiel dafür, wie es China gelingen

kann, westliche Staaten gegeneinander auszuspielen,

denn die USA versuchten bis zuletzt, die AIIB als erns-

te Alternative zu Institutionen wie der Weltbank oder

der Asiatischen Entwicklungsbank zu verhindern.

Politische Allianzen

So sehr Berlin bisher von seinem Sonderverhältnis

zu Peking profi tiert und dieses aufrechtzuerhalten

versucht, so wenig kann es sich langfristig auf diese

bevorzugten Beziehungen verlassen. In allen Szena-

rien würde die Mittelmacht Deutschland in Zukunft

davon profi tieren, wenn es gegenüber China eine

eff ektive, abgestimmte europäische Außenpolitik

gäbe. Neben allen anderen guten Gründen, die EU zu

schützen, ist der Aufstieg Chinas ein weiterer.

Chinas Entwicklung verändert das internationale

Machtgefüge. Um darin gehört zu werden und seine

Interessen abzusichern, ist Deutschland gut bera-

ten, neue politische Koalitionen zu suchen, etwa mit

anderen asiatischen Ländern. Das gilt ebenso für den

Fall, dass Chinas weltweiter politischer und wirt-

schaftlicher Einfl uss zunimmt wie für den Fall, dass

China in Konfrontationen steuert. Neue Allianzen zu

schmieden, ist jedoch mit Risiken behaftet. China

verfolgt mit großem Argwohn, wo auf der Welt sich

Bündnisse bilden, die ein Gegengewicht zum eigenen

Bedeutungsgewinn darstellen können und womög-

lich Chinas Eindämmung zum Ziel haben.

Reformprozesse und Wertepolitik

Deutschland hat ein hohes Interesse an einem sta-

bilen China mit einer handlungsfähigen Regierung.

Dabei bedingen sich Stabilität und Reformen gegen-

seitig: In der Vergangenheit war Chinas Stabilität

eine Grundvoraussetzung für die in vielen Bereichen

erfolgreiche Reformpolitik. In der Zukunft wird sich

die Stabilität aber nur durch weitere Reformen auf-

rechterhalten lassen. An ehrgeizigen, klug formu-

lierten Erneuerungszielen ist in China kein Mangel.

Allerdings herrscht aktuell große Unsicherheit, ob

China tatsächlich auf einem guten Weg ist, diese Zie-

le auch zu erreichen, und zwar schnell genug, um mit

den wachsenden Problemen Schritt zu halten.

Deutschland hat Chinas Reformpolitik in der Ver-

gangenheit in vielen Bereichen unterstützt und

• Im Szenario „Chinesischer Traum“ gelingt Chi-

nas Regierung die Umsetzung ihrer ehrgeizigen

Wirtschaftsreformen. Für Deutschland wäre das

Land ein stärkerer wirtschaftlicher Wettbewer-

ber, aber auch ein weiterhin wachsender Markt

und stabiler politischer Partner.

• Im „Große Mauer“-Szenario eskalieren eini-

ge der aktuellen Probleme und treiben China,

ähnlich wie Putins Russland, in die Isolation.

Darunter würden auch das deutsch-chinesische

Verhältnis und die deutsche Wirtschaft leiden.

Allen Szenarien ist gemein: Der Umgang mit China

wird schwieriger. Gemein ist allen Szenarien aber

auch: Deutschland kann von allen Entwicklungen

profi tieren, wenn Unternehmen und Politik rechtzei-

tig die richtigen Konsequenzen ziehen. Obwohl sich

keine eindeutige Strategie für den Umgang mit China

formulieren lässt, lassen sich mehrere Handlungs-

felder identifi zieren, die das deutsch-chinesische

Verhältnis prägen werden.

Handlungsfelder der deutschen Chinapolitik

Internationale Governance

Egal, wie China sich entwickelt: Deutschland hat

ein Interesse daran, China stärker in internationa-

le Governance-Strukturen einzubinden, um dort bei

globalen Fragen mehr Verantwortung zu überneh-

men, etwa im Rahmen der G20, in diplomatischen

Koalitionen zur Bewältigung aktueller Krisen oder in

den Gremien der Vereinten Nationen. China formu-

liert off en den Anspruch, eine Führungsmacht zu

werden, doch noch ist unklar, inwieweit es diese Rolle

innerhalb der existierenden Strukturen fi nden kann

oder dafür auf eigene Parallelinstitutionen setzt.

China steht den etablierten Institutionen der globa-

len Governance skeptisch gegenüber, weil es sich dort

nicht ausreichend repräsentiert fühlt. Chinesische

Parallelstrukturen wie die Asiatische Infrastrukturin-

vestmentbank (AIIB) oder die Shanghaier Organisati-

on für Zusammenarbeit relativieren den Einfl uss der

traditionellen Institutionen. Inwieweit sich Deutsch-

land an diesen chinesischen Initiativen beteiligen

soll, ist diplomatisch eine sensible Frage. Einerseits

hat Deutschland ein Interesse daran, die bisherigen

Strukturen zu erhalten und zu stärken. Andererseits

will es von den neuen Zusammenschlüssen nicht aus-

geschlossen sein, falls diese sich durchsetzen sollten.

Im Fall der AIIB hat Deutschland sich für eine Beteili-

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Asia PolicyBrief | Juli 2016

Germany“ zu halten. Die deutsche Politik muss dafür

bildungspolitisch die richtigen Weichen stellen.

Sollte es China gelingen, sich in wichtigen Branchen

als Innovationsführer zu etablieren, wäre das Land

für die deutsche Wirtschaft nicht nur ein ernstzuneh-

mender Konkurrent, sondern auch ein Standort, der

große Chancen bietet. Um an Chinas Innovationskraft

teilzuhaben und seine klugen Köpfe zu nutzen, müss-

ten deutsche Unternehmen chinesische Mitarbeiter

und Forschungszentren zu einem integralen Teil ihrer

globalen Entwicklungsstrategie machen.

„First Mover“ hätten dabei große Vorteile. Doch bis-

her trauen sich nur wenige deutsche Unternehmen,

Kern-Know-how nach China zu transferieren. Denn

auszahlen dürfte sich ein solcher Schritt nur, wenn in

der Volksrepublik ein wettbewerbsrechtliches „Level

playing fi eld“ existiert, auf dem geistiges Eigentum

eff ektiv geschützt und off ener Marktzugang gewährt

wird. Diese Voraussetzung ist nur in den sehr reform-

optimistischen Entwicklungsszenarien gegeben.

Freihandel und Investitionen

Freier Handel ist für Deutschland als Exportnation

ein Kerninteresse. China wird ein wichtiger Absatz-

markt für deutsche Produkte bleiben. In welcher

Form sich Deutschland für den weiteren Abbau von

Handelsbarrieren einsetzen kann, hängt von der

Entwicklung des weltweiten Handelsregimes ab. Im

Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) schei-

nen neue Durchbrüche derzeit unwahrscheinlich.

Deutschland sollte deshalb auf weitere europäische

Freihandelsabkommen (FTA) hinarbeiten, um zu

verhindern, dass deutsche Exporteure durch andere

bilaterale oder regionale FTAs benachteiligt werden.

Dazu könnte ein europäisch-chinesisches FTA gehö-

ren, insbesondere eines, das auch nichttarifäre Han-

delshemmnisse abbaut.

Chinesische Auslandsinvestitionen nehmen zu und

solange das Land wirtschaftlich prosperiert, dürfte

dieser Trend weiter anhalten. Hinter den Investiti-

onen steht einerseits der Wunsch, Devisen gewinn-

bringend anzulegen, etwa in Immobilien. Ande-

rerseits sind sie Teil der Strategie, chinesische

Weltkonzerne aufzubauen, etwa durch die Über-

nahme erfolgreicher westlicher Unternehmen.

Vor allem letzteres ist nicht unumstritten.

Wie groß die politischen und wirtschaftlichen Vor-

behalte in Zukunft sein werden, hängt maßgeblich

sollte dies auch weiterhin tun. Dazu gehört aller-

dings auch die Erkenntnis, dass die Reformkräfte

in China nicht nur in der Regierung sitzen. Bürger-

rechtler oder kritische Journalisten werden regel-

mäßig Opfer von Repressionen; sie off en zu unter-

stützen, ist politisch riskant, weil Chinas Regierung

dies als Einmischung in innere Angelegenheiten

betrachtet. Sie nicht zu unterstützen, birgt seiner-

seits das Risiko, Reformen in China eher zu behin-

dern als zu fördern. Denn alle Szenarien, die von

erfolgreichen Reformen ausgehen, zeigen: Eine po-

sitive Entwicklung ist kaum denkbar ohne verbes-

serte Rechtssicherheit, ein freiheitliches Wertesys-

tem und eine gewisse digitale Öff nung.

Die Balance zwischen Wertepolitik und Interessen-

politik zu halten, gehört zu den schwierigsten Aufga-

ben der deutschen Politik im Umgang mit China. Die

deutsche Öff entlichkeit erwartet, dass die Politik ge-

genüber der chinesischen Regierung westliche Werte

wie Demokratie, Meinungs- und Pressefreiheit of-

fensiv verteidigt. Chinas Regierung wehrt sich gegen

westliche Belehrungen und sanktioniert Länder, die

sich zu sehr in Chinas interne Angelegenheiten ein-

mischen. Den sensiblen Balanceakt, eigene Werte zu

verteidigen, ohne wirtschaftliche oder politische In-

teressen zu gefährden, werden deutsche Diplomaten

in allen wahrscheinlichen Szenarien auch in Zukunft

bewältigen müssen.

Innovation

Unabhängig davon, wie sich China entwickelt: Der

Wettbewerb um Innovation ist ein Schlüssel für

Deutschlands Zukunftsfähigkeit. Deutschland ver-

dankt seine wirtschaftliche Stärke der Innovations-

kraft seiner Unternehmen. Diesen Wettbewerbsvor-

teil zu erhalten, hat Deutschland überwiegend selbst

in der Hand. Doch die Konkurrenz wird härter. China

investiert riesige Summen, um zu den Innovations-

führern aufzuschließen, gerade auch in Branchen, in

denen Deutschland traditionell erfolgreich ist, etwa

Maschinenbau, erneuerbare Energien oder alternati-

ve Automobilantriebe.

Bisher ist dieser Plan nur punktuell erfolgreich, doch

in einigen Branchen wie Telekommunikationstech-

nologie oder Hochgeschwindigkeitszügen gehört

China schon heute mit zu den Weltmarktführern. In

jedem Fall zwingt die neue Konkurrenz die deutsche

Industrie, selbst schneller, besser und mehr zu ent-

wickeln, um den Innovationsvorsprung von „Made in

Page 10: Bernhard Bartsch Das Ende der Panda-Politik · Pandas muss man einfach lieben: Sie sind putzig, schutzbedürftig und ernähren sich friedlich vegan. In Peking wünscht man sich, die

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Asia PolicyBrief | Juli 2016

davon ab, wie positiv oder negativ China auf der in-

ternationalen Bühne wahrgenommen wird. Grund-

sätzlich hat Deutschland aber ein Interesse daran,

chinesisches Kapital anzuziehen und seine Attrakti-

vität durch Bürokratieabbau und verstärkte Stand-

ortwerbung zu erhöhen.

Fazit

China und Deutschland sind füreinander Schlüssel-

partner. Die wirtschaftlichen, politischen und ge-

sellschaftlichen Verbindungen sind heute so eng wie

nie zuvor. Das ist gut, denn Deutschland und China

brauchen einander: als Märkte und faire Wettbewer-

ber, als politische Verbündete bei der Lösung globaler

Herausforderungen, als gesellschaftliche Inspirati-

onsquellen.

Die immer enger werdenden Verbindungen bedeuten

aber auch: Noch nie stand so viel auf dem Spiel. Dass

die deutsche und die chinesische Wirtschaft sich nicht

mehr nur komplementär ergänzen, sondern zuneh-

mend Konkurrenz entsteht, ist eine natürliche Ent-

wicklung. Auch politische Interessengegensätze sind

vorprogrammiert. Gleichzeitig stehen sowohl China

als auch Deutschland unter gewaltigem Reformdruck.

Der Stress, der dadurch in den Systemen entsteht, ist

auch in den bilateralen Beziehungen spürbar.

Man sollte Konfl ikte nicht herbeireden. Genau-

so wenig sollte man sie aber ignorieren. Deutsch-

land sollte sich darauf einstellen, künftig mit China

auch Auseinandersetzungen führen zu müssen, die

härter sein werden als in der Vergangenheit. Bisher

sind solche Konfl ikte in den deutsch-chinesischen

Beziehungen kaum eingeübt. Die Herausforderung

wird darin bestehen, Strukturen zu schaff en, um

Konfl ikte aushalten und so weit isolieren zu können,

dass sie nicht andere Bereiche der Beziehungen be-

lasten. Dafür ist es notwendig, das Bewusstsein für

die eigenen Interessen zu schärfen und Instrumente

zu entwickeln, um diese möglichst auch durchset-

zen zu können. Das mag schmerzhaft sein, weil es

die Harmonie bedroht und immer wieder zu der Er-

kenntnis führt, dass Deutschlands Handlungsmög-

lichkeiten gegenüber China beschränkt sind. Aber

die deutsch-chinesischen Beziehungen sind eben

kein Panda-Zoo.

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Asia PolicyBrief | Juli 2016

Weiterführende Literatur:„China 2030: Szenarien und Strategien für Deutschland“. Bertelsmann Stiftung, Juni 2016.

Zu dieser Studie stellt die Bertelsmann Stiftung ein Online-Tool zur Verfügung. Damit können die Nutzer ihre persönlichen

Zukunftserwartungen mit den Szenarien der Experten vergleichen: https://china-szenarien.bertelsmann-stiftung.de

„More than a Market – How German Companies are growing roots in Chinese society“. Bertelsmann Stiftung, Mai 2016.

„Wirtschaft im Abschwung? Der Blick Asiens auf China“. Asia Policy Brief von Jabin T. Jacob. Bertelsmann Stiftung, April 2016.

Link: https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/publikationen/publikation/did/wirtschaft-im-abschwung-asiens-blick-auf-china-1/.

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Asia PolicyBrief | Juli 2016

Zuletzt erschienen:

Asia Policy Brief | April 2016

Wirtschaft im Abschwung?

Asiens Blick auf China

Jabin T. Jacob

Asia Policy Brief | Dezember 2015

Modis Reformagenda:

Wie realistisch ist ein Wandel in Indien?

Milan Vaishnav

Asia Policy Brief | Oktober 2015

Chinas Vertrauensfrage: Harte oder smarte

Landung – womit müssen wir rechnen?

Bernhard Bartsch

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