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MEDIZINISCHER FORTSCHRITT: IGA-NEPHROPATHIE 71 J nephrol Team 2-2004 J. V. DONADIO, J. P. GRANDE Mayo Clinic and Mayo Foundation, Rochester, Minn., USA ÜBERSICHT: IGA-NEPHROPATHIE Bei der IgA-Nephropathie handelt es sich um eine eigentlich noch nicht so lange be- kannte Erkrankung. Sie wurde erstmals von Berger und Hinglais in 1968 beschrieben. Sie gilt heute allgemein als die weltweit häufigste Form von primärer Glomerulo- nephritis. Die IgA-Nephropathie ist eine durch den Immunkomplex vermittelte Glomeruloneph- ritis, die immunhistologisch durch Vorliegen von glomerulären IgA-Ablagerungen neben einer Vielzahl von histopathologischen Läsionen definiert wird. Auch wenn die primäre IgA-Nephropathie die größte Auf- merksamkeit erfährt, gehen viele andere Erkrankungen ebenfalls mit glomerulären IgA-Ablagerungen einher (Tabelle 1). Der gängigste Krankheitstyp ist hier die Schön- lein-Henoch-Purpura. Es kann tatsächlich vorkommen, dass sich dieses Krankheitsbild nicht von der primären IgA-Nephropathie unterscheiden lässt und eine systemische Form des Erkrankungsprozesses darstellen könnte. Die IgA-Nephropathie wurde zwar über Jahre hinweg als eine gutartige Erkrankung angesehen, man ist sich aber inzwischen sicher, dass eine große Zahl von Fällen in ein Nierenversagen übergeht. In der Tat stellt die IgA-Nephropathie die Hauptursa- che für terminale Nierenerkrankung bei Patienten mit primärer glomerulärer Erkran- kung dar, die eine Nierenersatzbehandlung benötigen. DEMOGRAPHISCHE MERKMALE Die primäre IgA-Nephropathie kann in je- dem Lebensalter auftreten, wobei sie meis- tens im zweiten und dritten Lebensjahrzehnt klinisch in Erscheinung tritt. Das Verhältnis von männlichen zu weiblichen Erkrankten ist je nach Land unterschiedlich, von unter 2:1 in Japan bis zu 6:1 in Nordeuropa und den Hauptursachen IgA-Nephropathie Schönlein-Henoch-Purpura Sekundäre Ursachen Lebererkrankungen: alkoholbedingt, primäre biliäre oder krytogene Zirrhose; Hepatitis B (in Endemiegebieten); chronische Schistosomiasis Darmerkrankungen: Zöliakie, chronische ulzerative Kolitis; Morbus Crohn Hauterkrankungen: Dermatitis herpetiformis, Psoriasis Bronchien- und Lungenerkrankungen: Sarkoidose, idiopathische pulmonale Hämoside- rose, zystische Fibrose, Bronchiolitis obliterans Neoplasie: Karzinome der Lungen, des Larynx und Pankreas, Mycosis fungoides Infektion: HIV, Lepra Andere systemische oder immunologische Störungen: systemischer Lupus erythemato- sus, rheumatoide Arthritis, Cryo-Immunglobulinämie, Psoriasis-Arthritis, Gelenkverstei- fung, Sjögren-Syndrom, Behcet-Syndrom, Reiter-Syndrom, familiäre Immun-Thrombozy- topenie, Autoantikörper-vermitteltes (monoklonale IgA-vermittelt) Goodpasture-Syn- drom Erkrankungen gleichzeitig mit IgA-Nephropathie: mit antineutrophilen zytoplasmati- schen Antikörpern assoziierte Vaskulitis, diabetische Nephropathie, membranöse Neph- ropathie, Wegenersche Granulomatose TABELLE 1: Erkrankungen in Verbin- dung mit der glomerulä- ren Ablagerung von IgA

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71 J nephrol Team

2-2004

J. V. DONADIO, J. P. GRANDE Mayo Clinic and Mayo Foundation, Rochester, Minn., USA

ÜBERSICHT: IGA-NEPHROPATHIE

Bei der IgA-Nephropathie handelt es sich um eine eigentlich noch nicht so lange be-kannte Erkrankung. Sie wurde erstmals von Berger und Hinglais in 1968 beschrieben. Sie gilt heute allgemein als die weltweit häufigste Form von primärer Glomerulo-nephritis. Die IgA-Nephropathie ist eine durch den Immunkomplex vermittelte Glomeruloneph-ritis, die immunhistologisch durch Vorliegen von glomerulären IgA-Ablagerungen neben einer Vielzahl von histopathologischen Läsionen definiert wird. Auch wenn die primäre IgA-Nephropathie die größte Auf-merksamkeit erfährt, gehen viele andere Erkrankungen ebenfalls mit glomerulären IgA-Ablagerungen einher (Tabelle 1). Der gängigste Krankheitstyp ist hier die Schön-lein-Henoch-Purpura. Es kann tatsächlich vorkommen, dass sich dieses Krankheitsbild nicht von der primären IgA-Nephropathie unterscheiden lässt und eine systemische

Form des Erkrankungsprozesses darstellen könnte. Die IgA-Nephropathie wurde zwar über Jahre hinweg als eine gutartige Erkrankung angesehen, man ist sich aber inzwischen sicher, dass eine große Zahl von Fällen in ein Nierenversagen übergeht. In der Tat stellt die IgA-Nephropathie die Hauptursa-che für terminale Nierenerkrankung bei Patienten mit primärer glomerulärer Erkran-kung dar, die eine Nierenersatzbehandlung benötigen.

DEMOGRAPHISCHE MERKMALE Die primäre IgA-Nephropathie kann in je-dem Lebensalter auftreten, wobei sie meis-tens im zweiten und dritten Lebensjahrzehnt klinisch in Erscheinung tritt. Das Verhältnis von männlichen zu weiblichen Erkrankten ist je nach Land unterschiedlich, von unter 2:1 in Japan bis zu 6:1 in Nordeuropa und den

Hauptursachen • IgA-Nephropathie • Schönlein-Henoch-Purpura Sekundäre Ursachen • Lebererkrankungen: alkoholbedingt, primäre biliäre oder krytogene Zirrhose; Hepatitis

B (in Endemiegebieten); chronische Schistosomiasis • Darmerkrankungen: Zöliakie, chronische ulzerative Kolitis; Morbus Crohn • Hauterkrankungen: Dermatitis herpetiformis, Psoriasis • Bronchien- und Lungenerkrankungen: Sarkoidose, idiopathische pulmonale Hämoside-

rose, zystische Fibrose, Bronchiolitis obliterans • Neoplasie: Karzinome der Lungen, des Larynx und Pankreas, Mycosis fungoides • Infektion: HIV, Lepra • Andere systemische oder immunologische Störungen: systemischer Lupus erythemato-

sus, rheumatoide Arthritis, Cryo-Immunglobulinämie, Psoriasis-Arthritis, Gelenkverstei-fung, Sjögren-Syndrom, Behcet-Syndrom, Reiter-Syndrom, familiäre Immun-Thrombozy-topenie, Autoantikörper-vermitteltes (monoklonale IgA-vermittelt) Goodpasture-Syn-drom

• Erkrankungen gleichzeitig mit IgA-Nephropathie: mit antineutrophilen zytoplasmati-schen Antikörpern assoziierte Vaskulitis, diabetische Nephropathie, membranöse Neph-ropathie, Wegenersche Granulomatose

TABELLE 1:

Erkrankungen in Verbin-dung mit der glomerulä-ren Ablagerung von IgA

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Vereinigten Staaten. Darüber hinaus neigen Weiße und Asiaten eher zu einer IgA-Nephropathie als Schwarze aus den USA und Südafrika. Für die niedrigere Prävalenz bei der schwarzen Bevölkerung gibt es kei-ne Erklärung. Es scheint eine geringes Auf-treten der Erkrankung bei Polynesiern aus Neuseeland und ein hohes bei den gebürti-gen Amerikanern aus New Mexiko und den Aborigines in Australien zu geben.

VORKOMMEN DER ERKRANKUNG Einige wenige epidemiologische Studien haben sich mit dem Vorkommen der primä-ren IgA-Nephropathie in verschiedenen Bevölkerungen weltweit beschäftigt. Das berichtete Vorkommen in drei Regionen von Frankreich und jeweils einer Region in den Niederlanden, Deutschland und Italien schwankte von 15 bis 40 neuen Fällen pro Million Einwohner pro Jahr. Im Gegensatz dazu berichtete eine Studie in den Vereinig-ten Staaten einen Anstieg von 5 Fällen (von 1975 bis 1979) auf 12 Fälle (von 1990 bis 1994) pro Million Einwohner pro Jahr (im östlichen und mittleren Teil des Bundesstaa-tes Kentucky). In den meisten Berichten aus Kohortenstu-dien in entsprechenden Zentren werden die Prävalenzraten als Prozent der Fälle von primärer Glomerulonephritis oder als Pro-zentsatz der Gesamtserie von Nierenbiop-sien angegeben. Das Auftreten der Erkran-kung scheint in Asien (Singapur, Japan und Hongkong), Australien, Finnland und Südeu-ropa am höchsten zu sein (20 bis 40 Pro-zent). In Großbritannien, Kanada und den Vereinigten Staaten liegen die Zahlen viel niedriger. In den USA beispielsweise liegt die Häufigkeit der IgA-Nephropathie bei lediglich 2 bis 10 Prozent, mit Ausnahme der Amerikaner aus New Mexiko, wo die Prävalenzrate mit 38 Prozent angegeben wird. Auch wenn genetische Unterschiede die regionalen Schwankungen in der Erkran-kungshäufigkeit teilweise erklären können, kann hier auch die unterschiedliche Praxis der Nierenbiopsie in den einzelnen Zentren eine Rolle spielen. Zum Beispiel kann die IgA-Nephropathie häufiger erkannt werden, wenn sich Patienten mit leichten Abwei-chungen im Urinbefund einer Biopsie unter-ziehen. In Japan wird ein Routine-Screening zur Erkennung von anormalen Harnbefun-den bei allen Kindern im Schulalter durchge-führt. Darüber hinaus werden symptomfreie

Personen mit mikroskopischer Hämaturie eher einer Nierenbiopsie unterzogen, was zur höheren Diagnose einer IgA-Nephropathie führt. Im Gegensatz dazu läuft die gängige Praxis in Großbritannien, Kanada und den Verei-nigten Staaten darauf hinaus, dass bei Pati-enten mit isolierter Hämaturie oder leichter Proteinurie keine Nierenbiopsie empfohlen wird; die Untersuchung des Nierengewebes bleibt denjenigen Personen vorbehalten, bei denen sich eine steigende Proteinurie oder eine abnehmende Nierenfunktion entwi-ckelt. Die Zurückhaltung bei der Durchfüh-rung von Nierenbiopsien führt unausweich-lich zu einer geringeren Zahl von Fällen von IgA-Nephropathie, die in der Allgemeinbe-völkerung dieser Länder berichtet werden. URSACHEN UND GENETISCHE FAKTOREN

Die Ursache der primären IgA-Nephropathie ist nicht bekannt. Es konnten keine bestän-digen infektiösen oder umweltbezogenen Stoffe identifiziert werden, die als für die IgA-Antikörper-Response verantwortlich be-trachtet werden können. Isolierte Fälle von IgA-Nephropathie sind üblich, die Krankheit gilt nicht als familiär bedingt. Es wurde jedoch nahe gelegt, dass es immungenetische Faktoren geben könn-te, die einige Personen für eine IgA-Nephro-pathie anfällig machen können, und es wur-de auch ein familiäres Cluster berichtet. Einige Studien haben beispielsweise eine Verbindung zwischen dem Auftreten einer IgA-Nephropathie sowie der Progression der Erkrankung und bestimmten HLA-Antigenen hergestellt, während andere Autoren hier keinen Zusammenhang sahen. Es wurden keine durchgehenden geneti-schen Störungen identifiziert, die die Ent-wicklung oder Progression einer IgA-Neph-ropathie vorhersagen würden. Die geneti-sche Analyse einer familiären IgA-Nephro-pathie ist der am meisten versprechende Ansatz, um Gene der IgA-Nepropathie oder einer IgA-Anfälligkeit zu identifizieren. In einer neueren Multizenterstudie wurden beispielsweise 30 Familien mit IgA-Nephro-pathie (24 aus Italien und 6 aus den USA) mit Hilfe eines kompletten Genom-Scanning analysiert. Die Analyse zeigte eine enge Verbindung – in 60 Prozent der verbunde-nen Nachkommen – mit dem Merkmal 6q22-23, einer 6,5-cM-Region, gebunden durch die polymorphen Marker D6S1702 und D6S262 auf Chromosom 6, mit einem

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maximalen Odds-Wahrscheinlichkeitsscore von 5,6 an D6S1040. Solche Befunde stüt-zen die Annahme, dass die familiäre IgA-Nephropathie eine komplexe Erkrankung ist, die von einem oder mehreren Genen in Kombination mit umgebenden Bedingungen ausgelöst wird.

PATHOGENESE Klinische Beobachtungen an Patienten, die sich einer Nierentransplantation unterzogen haben, sprechen deutlich für die Annahme, dass es sich bei der IgA-Nephropathie um eine Systemerkrankung handelt. Der histo-logische Nachweis einer rekurrierenden IgA-Nephropathie wird bei mehr als 35 Prozent der Patienten beobachtet, die zur Behand-lung einer terminalen Nierenerkrankung infolge IgA-Nephropathie ein Nierentrans-plantat erhalten haben. Wird eine Niere aus einem Spender mit asymptomatischer IgA-Nephropathie in einen Empfänger mit ter-minaler Nierenerkrankung transplantiert, die durch eine andere Erkrankung als die IgA-Nephropathie verursacht ist, dann ver-schwinden die Ablagerungen in der Spen-derniere schnell. Einige, aber nicht alle Pati-enten mit IgA-Nephropathie weisen erhöhte IgA-Serumspiegel oder erhöhte IgA-Spiegel in einem Komplex mit Fibronektin auf. Es konnte jedoch kein Antigen durchgehend in den zirkulierenden Immunkomplexen mit IgA oder in Biopsieproben von Nieren bei

Patienten mit IgA-Nephropathie ausgemacht werden. Der Mensch produziert zwei Isotyp-Subklas-sen von IGA – IgA1 und IgA2. Plasmazellen in Verbindung mit dem Verdauungstrakt und den Atmungswegen produzieren bei-des, IgA1 und IgA2, während Plasmazellen im Knochenmark, den Lymphknoten und der Milz vorwiegend IgA1 produzieren. Die glomerulären IgA-Ablagerungen bei der IgA-Nephropathie scheinen ausschließlich von der IgA1-Subklasse zu sein. Trotz intensiver Forschungen konnte der einer glomerulären IgA-Ablagerung bei IgA-Nephropathie zu-grunde liegende Mechanismus nicht defi-niert werden. Mögliche Mechanismen sind in Abbildung 1 dargestellt. Der Beginn einer IgA-Nephropathie könnte in Zusammenhang mit Infektionen der obe-ren Atemwege stehen. Aus diesem Grund wurde vorgeschlagen, dass die IgA-Nephro-pathie aus einer Hyperaktivität des Schleim-haut-Immunsystems entsteht. Die gängigen Beobachtungen sprechen jedoch dafür, dass die Schleimhaut-Immunität, die zum Teil von IgA gesteuert wird, bei Patienten mit IgA-Nephropathie verringert ist. Mukosa-T-Zellen, die von Patienten mit IgA-Nephro-pathie isoliert wurden, zeigen eine verringer-te Expression der Gene, die für Vγ3 und Vδ3 kodieren, im Vergleich zu normalen Kontrol-len. Diese variablen Regionen zählen zu den am häufigsten von γ/δ-Zellen der Mukosa exprimierten bei normalen Personen. Die möglichen Mechanismen, durch die dieser

ABBILDUNG 1:

Mögliche zugrunde liegende Mechanismen für glomeruläre Ablagerung von IgA und Progressi-on der Nierenerkrankung bei IgA-Nephropathie.Eine verringerte IgA-Response auf Mukosa-Antigene könnte die erhöhte Produktion von polymeren IgA1 durch das Knochenmark fördern, was zu erhöhten Serumspiegeln von IgA1 führt. Eine fehlerhafte Galak-tosylierung von IgA1, vielleicht aufgrund einer ge-schwächten β1,3-Galactosyl-Transferase-Aktivität, könnte die IgA1-Clearance in der Leber verringern und das Anbinden von IgA1-Komplexen an glomeru-läre Mesangialzellen fördern. IgA1-Ablagerungen in den Nieren triggern die Produktion einer Reihe von Zytokinen und Wachstumsfaktoren durch Nierenzel-len und zirkulierende Entzündungszellen, was zu den charakteristischen histopathologischen Merkmalen der Mesangialzellen-Proliferation und Extrazellular-matrix-Ablagerung führt.

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Defekt der Mukosa-T-Zellen die glomeruläre Ablagerung von IgA bei Patienten mit IgA-Nephropathie vorantreibt, bleiben noch zu definieren. Bei einigen Patienten mit IgA-Nephropathie ist die Produktion von IgA1 im Knochenmark erhöht und könnte für den beobachteten Anstieg der IgA1-Serumspie-gel verantwortlich sein. Die erhöhte Produktion von IgA reicht nicht aus, um eine IgA-Nephropathie hervorzuru-fen. Patienten mit IgA absondernden Mye-lomen oder Patienten mit HIV-Infektion weisen zum Beispiel häufig deutlich erhöhte IgA-Serumspiegel auf, leiden aber selten an einer IgA-Nephropathie. Aus diesem Grund haben sich neuere Studien auf die mögli-chen Störungen des IgA-Moleküls als einen Faktor in der Pathogenese der IgA-Nephro-pathie konzentriert. IgA1 ist – wie andere Immunglobuline auch – stark glykosyliert. Zucker ist durch zwei Arten von Bindung an Proteine gebunden. N-gebundene Zucker sind komplexe Strukturen, die an Aspargin-Reste gebunden sind, und finden sich häufig auf zirkulierenden Proteinen; O-gebundene Zucker bestehen aus einfachen Zuckerket-ten, die an Serin- oder Threonin-Reste ge-bunden sind. O-gebundene Zucker sind auf den Zelloberflächen-Proteinen weit verbrei-tet, auf zirkulierenden Proteinen jedoch selten zu finden. Ein einzigartiges Merkmal von IgA1 ist das Vorhandensein von zahlrei-chen O-Glykosylierungsorten innerhalb der Scharnierregion; IgA2 und andere Im-munglobuline besitzen keine solchen Orte (Abb. 2A). Diese O-gebundenen Zucker bestehen aus N-Acetyl-Galaktosaminen, die

an Serin oder Threonin O-gebunden sind. Galaktose ist durch eine β1,3-Bindung mit N-Acetyl-Galaktosamin verbunden und Sia-linsäure ist durch α1,3-Bindungen bzw. α2,6-Bindungen der Galaktose oder N-Acetyl-Galaktosamin zugefügt (Abb. 2B). Neuere Studien haben gezeigt, dass ein Defekt in der Galaktosylierung von IgA1 vorliegt, sowohl im Serum als auch in IgA1, ausgewaschen aus Nephrektomie-Proben von Patienten mit IgA-Nephropathie. IgA1 aus Patienten mit IgA-Nephropathie überlebt nach Injektion in Mäuse länger im Blutkreis-lauf als IgA1, das aus gesunden Kontrollen isoliert wurde. Die Inkubation von IgA1 aus normalen Patienten mit β-Galaktosidase erhöht dessen Bindung an menschliche Mesangialzellen. Diese Beobachtung legt nahe, dass Mesangialzellen einen Rezeptor für IgA1 besitzen, der eine Spezifität für untergalaktosyliertes IgA1 zeigen könnte. Die Art dieses vermeintlichen IgA1-Rezep-tors auf Mesangialzellen bleibt jedoch noch zu charakterisieren. Neuere Studien haben herausgefunden, dass die Aktivität von β1,3-Galaktosyl-Transferase in Leukozyten bei Patienten mit IgA-Nephropathie verringert ist. Eine verringerte Aktivität dieses Enzyms, das den Anbau von Galaktose an N-Acetyl-Galaktosamin-Reste auf O-gebundenen Gly-kanen fördert, könnte für die mangelnde Galaktosylierung von IgA1 bei Patienten mit IgA-Nephropathie verantwortlich sein. Die Grundlage für die geringere Aktivität der β1,3-Galaktosyl-Transferase bei der IgA-Nephropathie ist nicht bekannt.

ABBILDUNG 2:

Die Struktur eines normalen IgA1-Moleküls (Abb. A) und die Struktur von Kohlenhydraten, die an Serin- oder Thre-

oninreste O-gebunden sind, innerhalb der Scharnierregion der normalen IgA1 (Abb. B)

CH1, CH

2 und CH

3 bezeichnen konstante Regionen der schwe-

ren Kette (=H-Kette), und VH bezeichnet die variable Region der

schweren Kette. CL und V

L beziehen sich auf die konstanten

bzw. variablen Regionen. Die IgA1-H-Kette enthält eine Schar-nierregion zwischen den CH

1- und CH

2-Regionen. N-Acetyl-

Glukosamin (GaINAc) ist O-gebunden an Serin (Ser)- oder Thre-onin (Thr)-Reste innerhalb der Scharnierregion des IgA1-

Moleküls. N-Acetyl-Glukosamin ist durch die Wirkung des En-zyms β1,3-Galaktosyl-Transferase an Galaktose (Gal) gebunden.

Sialinsäure ist an Galaktose gebunden über eine α2,3-Verbindung und an N-Acetyl-Glukosamin über eine α2,6-

Verbindung.

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Die Clearance von IgA1 in der Leber ist bei Patienten mit IgA-Nephropathie verringert. Der Asialoglykoprotein-Rezeptor in der Le-ber, der die terminalen Galaktose-Reste erkennt, ist der hauptsächliche Ort für den IgA-Abbau. Jedoch bleibt die Rolle dieses Rezeptors bei der Clearance von untergalak-tosyliertem IgA1 bei der IgA-Nephropathie noch zu definieren. Sobald IgA1-haltige Immunkomplexe sich in den Nieren abgelagert haben, werden diese mit glomerulärer Entzündung assoziiert. Eine Anzahl von Zytokinen und Wachstumsfakto-ren wurden mit der Entwicklung und Pro-gression einer Nierenschädigung bei Patien-ten mit IgA-Nephropathie in Verbindung gebracht. Zum Beispiel induziert ein Serum-faktor, wahrscheinlich ein Lektin, das bei Patienten mit IgA-Nephropathie vorliegt, die Expression von Interleukin-6 durch periphere mononukleare Zellen. Lektine können eben-so die Interleukin-6-Sekretion über Mesangi-alzellen fördern. Interleukin-6 fördert die Proliferation von Mesangialzellen und die Synthese von Makromolekülen der extrazel-lulären Matrix. Erhöhte Expression von Inter-leukin-6 in den Nieren und Ausscheidung über den Urin korreliert mit dem Ausmaß der Nierenschädigung bei Patienten mit IgA-Nephropathie. Ein Plättchen-abgeleiteter Wachstumsfaktor wurde für die Proliferation von Mesangialzellen bei Patienten mit IgA-Nephropathie und anderen glomerulären Erkrankungen verantwortlich gemacht. Der transformierende Wachstumsfaktor β1 (TGF- β1) stellte sich als ein dominierendes fibro-genes Zytokin heraus, das zu Glomeru-losklerose, interstitieller Fibrose und tubulä-rer Atrophie führt. Das Vorhandensein von TGF-β1 in den Nieren korreliert mit der Schwere des tubulointerstitiellen Schadens bei Patienten mit IgA-Nephropathie. Die meisten derzeit bei IgA-Nephropathie durchgeführten Therapien zielen auf diese nicht immunvermittelten Mechanismen der Progression der Nierenerkrankung ab.

PATHOLOGIE Abbildung 3 zeigt die typischen Merkmale der IgA-Nephropathie, wie sie mit Lichtmik-roskopie, in Immunfluoreszenzstudien und mit Elektronenmikroskopie identifiziert wer-den können. Die häufigste lichtmikrosko-pisch auffindbare Veränderung im Rahmen einer IgA-Nephropathie ist eine fokale oder diffuse Expansion von mesangialen Regio-nen, mit Zellen und Matrix. Eine Ausweitung

ABBILDUNG 3:

Typische morphologische Veränderungen bei der IgA-Nephropathie In Bild A zeigt in Lichtmikroskopie (x400) eine Ausweitung der Mesangialregionen mit Zellen und Matrix (periodische Säure-Schiff-Färbung). In Bild B zeigt die Immunfluoreszenz-Mikroskopie (x400) die Ablagerung von IgA vorwiegend innerhalb der Mesangialregionen der Glomeruli. In Bild C ergibt die elektronen-photomikrographische Untersu-chung (x6000) elektronendichte Ablagerungen innerhalb der Mesangialregionen. von Mesangialzellen und -matrix ist keines-wegs ein spezifischer Befund für die IgA-Nephropathie und kann bei einer Reihe von anderen Nierenerkrankungen einschließlich diabetischer Nephropathie, fokal-segmen-

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taler Glomerulosklerose und einer Reihe von glomerulären Läsionen bei systemischen Erkrankungen beobachtet werden. Darüber hinaus kann man in der lichtmikroskopi-schen Untersuchung bei Patienten mit IgA-Nephropathie eine Vielzahl von Läsionen erkennen; dazu zählen diffuse endokapillare Proliferation, segmentale Sklerose, segmen-tale Nekrose und die Bildung von halb-mondförmigen Zellen. Da die lichtmikroskopisch identifizierten Merkmale der IgA-Nephropathie unspezi-fisch sind, sind Immunfluoreszenz- oder Immunperoxidase-Studien, die eine vorwie-gende Ablagerung von IgA nachweisen, unbedingt erforderlich, um eine definitive Diagnose der IgA-Nephropathie stellen zu können. Die Immunkomplex-Ablagerungen werden vorwiegend innerhalb von mesangi-alen Bereichen von Glomeruli gefunden, mit fokaler paramesangialer oder subendothelia-ler Ausbreitung. Eine Reihe von anderen Immunglobulinen und Komplement treten bei IgA häufig mit auf, darunter IgM, IgG, C3, Lambda-Leichtketten und Kappa-Leicht-ketten. Elektronendichte Ablagerungen las-sen sich elektronenmikroskopisch nachwei-sen, hauptsächlich innerhalb von mesangia-len Bereichen von Glomeruli. Man kann eventuell auch eine fokale oder diffuse Ex-pansion von mesangialen Bereichen – mit Zellen, Matrix oder beidem – beobachten. Zusätzlich zu den glomerulären Verände-rungen kann man bei Patienten mit IgA-Nephropathie eine Reihe von tubulointersti-tiellen und vaskulären Veränderungen er-kennen, darunter die interstitielle Fibrose, tubuläre Atrophie, interstitielle Entzündung, vaskuläre Sklerose oder Abdrucke von Ery-throzyten und proteinartige Abdrucke in-nerhalb der Tubuli. Diese Merkmale können auch bei progressiver Nierenerkrankung jedweder Genese beobachtet werden. Trotzdem kann die genaue Untersuchung dieser Merkmale wichtige prognostische Informationen für Patienten mit IgA-Neph-ropathie liefern.

KLINISCHE MERKMALE In den frühen Erkrankungsstadien weisen viele Patienten keinerlei offensichtliche Symptome auf und sind sich keinerlei Prob-leme bewusst. Bei diesen Patienten kann eine IgA-Nephropathie lediglich während eines routinemäßigen Screenings oder bei der Untersuchung eines anderen Krank-heitsbildes vermutet werden. Es gibt jedoch

auch Patienten, die eine aggressive Erkran-kung zeigen. Im Allgemeinen gibt es nur wenige charak-teristische klinische Anzeichen; mikroskopi-sche Hämaturie und Proteinurie können jedoch über viele Jahre hinweg anhaltend oder mit Unterbrechungen beobachtet wer-den. Patienten mit IgA-Nephropathie zeigen meistens eines der folgenden Krankheitsbil-der: Episoden mit makroskopischer Hämatu-rie (teefarbener Urin), die mit einer Infektion der oberen Atemwege zusammenfallen können (dies kommt meistens bei Patienten unter 40 Jahre vor, und die Hämaturie wird oft von Lendenschmerzen begleitet) oder unnormales Sediment im Urin und Proteinu-rie bei Patienten ohne Symptome (dies ist häufiger bei älteren Patienten der Fall, wird aber auch bei Patienten jedes Alters beo-bachtet). Es ist wichtig, dass die Patienten sich in ei-nem frühen Stadium weiteren Untersuchun-gen unterziehen (Tabelle 2), trotz der Ten-denz vieler Ärzte, erst dann zu reagieren, wenn die Nierenfunktion deutlich beein-trächtigt ist. Eine definitive Diagnose der IgA-Nephropathie ist nur durch eine Nieren-biopsie und eine immunhistologische Unter-suchung möglich. Bis zu 20 Prozent der Patienten mit IgA-Nephropathie weisen eine schwere Azotämie auf, die eine lange dau-ernde Erkrankung darstellt, die sich von den klassischen Krankheitsbildern unterscheidet, entweder dadurch, dass der Patient nicht frühzeitig genug ärztlich untersucht wurde oder weil der Patient erst spät ohne etablier-te Diagnose überwiesen wurde. Wie vorher besprochen, ist die Entscheidung eines Nephrologen, bei einem Patienten ohne Symptome, der eine mikroskopische Hämaturie und eine leichte Proteinurie auf-weist, eine Nierenbiopsie zu empfehlen, von Region zu Region verschieden und bleibt auch dann umstritten, wenn eine IgA-Nephropathie stark vermutet wird. Dies geht teilweise auf fehlende effektive Behand-lungsmöglichkeiten in den frühen Stadien der Erkrankung zurück und auf die Feststel-lung, dass vielleicht keine Behandlung erfor-derlich ist. Darüber hinaus gibt es – auch wenn einige leichte Fälle sich zu einem Nierenversagen entwickeln – keine durch-gehenden genetischen, immunologischen, klinischen oder morphologischen Marker, die eine progressive Erkrankung bei einem symptomlosen Patienten mit geringfügigen Abweichungen des Urinbefundes vorhersa-gen könnten.

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Test Klinische Bedeutung Urinanalyse Am ersten Morgen wird das Urinsediment in einer frisch ent-

nommenen Probe untersucht auf das Vorhandensein von Ery-throzyten, Leukozyten und Erythrozytenformen, die auf eine glomeruläre Schädigung hindeuten.

Urinanalyse für Proteinu-rie

Der physikochemische Test durch Eintauchen (z. B. Albustix) oder Coomassie-Blau reagiert auf Albumin sensibler als auf Globuline. Die Tests können eine Proteinurie bei Patienten mit tubulären Proteinen oder anormalen Globulinen wie Myelo-maproteine übersehen.

24-Std.-Protein-Bestimmung

Dieser Test erfordert eine akkurate Urinsammlung, was bei großen Patientenzahlen mühsam ist – z. B. bei Patienten im Rahmen einer klinischen Multizenterstudie

Verhältnis Protein:Kreatinin oder Protein:Osmolalität

Eine zufällige oder erste Morgenurinprobe wird gesammelt. Damit lässt sich eine anormale Proteinausscheidung exakt bestimmen, insbesondere bei Patienten mit einem größeren Grad an Proteinurie. Der Test kann verwendet werden, um die Wirksamkeit der Therapie zu bestimmen, und vermeidet Unge-nauigkeiten der 24-Std.-Urinsammlungen

Nierenfunktion Serielle direkte oder reziproke Kreatininbestimmungen messen die Veränderung der Nierenfunktion über die Zeit hinweg (Kur-ve), die Schätzungen der glomerulären Filtrationsrate (z. B. Inu-lin, Iothalamat und Kreatinin-Clearance) sind genauere Maße für die Nierenfunktion als das Serumkreatinin, klinisch jedoch we-niger nützlich.

Nierenbiopsie Eine immunhistologische Untersuchung wird nötig, wenn eine exakte Diagnose der IgA-Nephropathie gestellt werden soll, mit einem Befund von überwiegender oder gleich großer Ablage-rung von IgA, meistens innerhalb der Mesangialregionen von Glomeruli.

ERGEBNIS Die primäre IgA-Nephropathie zeichnet sich durch einen sehr unterschiedlichen Krank-heitsverlauf aus, der von einer total gutarti-gen Erkrankungssituation bis hin zu einem rasch progressiven Nierenversagen schwan-ken kann. 15 bis 40 Prozent der Patienten werden möglicherweise ein terminales Nie-renversagen entwickeln. Bei den meisten dieser Patienten entwickelt sich eine chroni-sche, langsam progressive Nierenerkran-kung. Während der letzten 10 Jahre wurden in vielen weltweit durchgeführten Studien an großen Patientenkohorten Merkmale (kli-nisch, pathologisch und Labor) berichtet, die eine progressive Nierenerkrankung vor-hersagen. Sowohl bei Kindern als auch Er-wachsenen treten Hypertension, hohe glo-meruläre histologische Werte, anhaltende mikroskopische Hämaturie und Proteinurie von über 1 g pro 24 Stunden und eine ver-schlechterte Nierenfunktion zum Zeitpunkt der Diagnose als ständige und starke Prädik-toren einer schlechten Nierenprognose hervor. Bei der Mehrheit der Patienten sind

die prognostischen Indikatoren von Fall zu Fall schwach. Andererseits ist es nützlich, ein Profil von klinisch-pathologischen Merkma-len aufzustellen, um festlegen zu können, für welche Patienten das größte Risiko einer Progression zum Nierenversagen besteht; bei diesen Patienten können dann die Be-handlungsstrategien darauf ausgerichtet werden, die Progression zu verlangsamen oder aufzuhalten. Ein besseres Verständnis der Pathogenese dieser Erkrankung könnte hilfreich sein bei der Ausarbeitung von Me-thoden zur Beurteilung der Aktivität als eine Prognosebasis. Im Rahmen einer neueren Entwicklung be-züglich der Prognosebeurteilung kam es zu kontroversen Diskussionen darüber, ob Polymorphismen in den Genen, die das Angiotensin-converting Enzym und Angio-tensinogen kodieren, mit einem hyper-funktionierenden Renin-Angiotensin-System bei der primären IgA-Nephropathie in Ver-bindung stehen. Die Hypothese lautet, dass eine erhöhte Produktion oder Aktivität von Angiotensin II und verringerte Bradykinin-spiegel eine schädliche Rolle bei der glome-rulären Response auf eine Schädigung spie-

TABELLE 2:

Diagnose der IgA-Nephropathie

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len, was zu einem progressiven Verlust der Nierenfunktion führt. Nach der Entdeckung eines Insertion-Deletion (I/D)-Polymorphis-mus im Intron 16 des Gens, welches das „ human angiotensin-converting enzym“ kodiert, wurden Berichte über starke Asso-ziationen zwischen dem D-Allel und kardio-vaskulären Erkrankungen – einschließlich Myokardinfarkt, linksventrikuläre Hypertro-phie und Hypertension sowie progressive diabetische und nichtdiabetische Nephro-pathien – veröffentlicht. Erste positive Er-gebnisse bei der primären IgA-Nephropathie wurden in Follow-up-Studien nicht bestätigt.

BEHANDLUNG

Bis vor kurzem war für Patienten mit IgA-Nephropathie noch keine effektive Behand-lung verfügbar. Auch wenn nach wie vor noch keine Heilung möglich ist, gibt es zu-nehmend Behandlungsoptionen, die darauf abzielen, die Progression zu verlangsamen. Nachdem die IgA-Nephropathie bis zu 1,3 Prozent der Bevölkerung betreffen könnte, besteht ein Bedarf an neuen therapeuti-schen Wirkstoffen, die in der Lage sind, die Nierenfunktion aufrechtzuerhalten. Für Patienten mit nur geringen Anomalien im Urinbefund, die nicht unter Hypertension leiden, besteht allgemein Übereinstimmung, keine spezielle Behandlung anzubieten, sondern diese Patienten über viele Jahre hinweg prospektiv zu verfolgen. Bei bis zu 23 Prozent der Patienten wird es zur kom-pletten Remission kommen. In den vergangenen Jahren wurden mit Hilfe von verschiedenen Behandlungsmodi bei Risikopatienten deutliche Fortschritte erzielt für den Schutz vor progressiver Nierener-krankung; zu diesen Behandlungen zählen Angiotensin-converting Enzyminhibitoren, Kortikosteroide und mehrfach ungesättigte Fettsäuren (n-3).

Angiotensin-converting Enzyminhibitoren Es gilt als gesichert, dass Angiotensin-con-verting Enzyminhibitoren das Risiko einer progressiven Nierenerkrankung bei Patien-ten mit Typ-I-diabetischer Nephropathie, hypertensiver Nephrosklerose und chroni-scher, nichtdiabetischer glomerulärer und interstitieller Nierenerkrankung verringern. Es konnte jedoch keine Studie zeigen, dass Angiotensin-converting Inhibitoren die Nie-

renfunktion bei Patienten mit IgA-Nephro-pathie schützen. Ein Rückgang der Proteinurie wird von vie-len Forschern als das Zeichen einer effekti-ven Behandlung beim Schutz der Nieren-funktion bei nichtdiabetischen Nierener-krankungen angesehen. Für die IgA-Nephro-pathie haben jedoch drei randomisierte klinische Studien sowie eine große retro-spektive Kohortenstudie herausgefunden, dass eine Vielzahl von Angiotensin-converting Enzyminhibitoren die Eiweißaus-scheidung im Urin leicht abgesenkt haben, ohne eine gleichzeitige Verbesserung der Nierenfunktion. Es sind weitere Langzeitstu-dien erforderlich, um herauszufinden, ob eine Verringerung der Proteinurie mit einer verbesserten oder aufrechterhaltenen Nie-renfunktion einhergeht. Es gibt nur wenige Daten zur Wirkung einer Kombinationstherapie mit Angiotensin-converting Enzyminhibitoren und Angioten-sin-II-Typ-1-Rezeptorantagonisten auf die Proteinurie. In zwei kleineren Studien an Patienten mit IgA-Nephropathie schien die Kombination von Losartan und Angiotensin-converting Enzyminhibitoren einen additiven Effekt auf die Verringerung der Eiweißaus-scheidung im Urin zu haben, während eine Verdoppelung der Dosis bei Monotherapie keine Wirkung zeigte. Trotz ihrer fehlenden Wirksamkeit beim Schutz der Nierenfunktion bei Patienten mit IgA-Nephropathie in diesen kurzfristigen Studien werden Angiotensin-converting Enzyminhibitoren auf breiter Basis verwen-det, um den Blutdruck zu senken und die Proteinurie zu verringern, wobei beide die-ser Faktoren als veränderbare Risikofaktoren für eine progressive Erkrankung betrachtet werden.

Kortikosteroide Kortikosteroide werden aufgrund ihrer ent-zündungshemmenden und immunsuppres-siven Eigenschaften seit mehr als 20 Jahren bei der Behandlung von IgA-Nephropathie eingesetzt. In einer kürzlich veröffentlichten, randomisierten, kontrollierten Studie wurde gezeigt, dass eine Behandlung mit Steroiden (1g intravenöses Methylprednisolon täglich drei Tage lang zu Beginn der Monate 1, 3 und 5 plus 0,5mg orales Prednison pro Kg/Körpergewicht jeden zweiten Tag über 6 Monate hinweg) die Proteinurie um 50 Pro-zent nach sechs Monaten und das Risiko eines 50-prozentigen Anstiegs des Kreati-

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ninspiegels im Serum um 36 Prozent nach fünf Jahren verringert. Zwei weitere rando-misierte Studien an kleineren Patientenko-horten zeigten ein ähnliches Absenken der Eiweißspiegel im Urin bei einer Therapie mit Steroiden, jedoch wurde keine Auswirkung auf die Nierenfunktion beobachtet. Nephro-tische Rückfälle und Steroidabhängigkeit wurden ebenfalls beschrieben. Eine Studie, in der Kortikosteroide plus Azathioprin mit Kortikosteroiden allein verglichen werden, wurde in Italien durchgeführt; diese Studie hat sich zum Ziel gesetzt herauszufinden, ob die Kombination effektiver und weniger toxisch sein könnte als eine alleinige Ste-roidbehandlung.

n-3 mehrfach ungesättigte Fettsäuren Das Grundprinzip für die Verwendung von n-3 mehrfach ungesättigten Fettsäuren, die in Nahrungsergänzungen aus Fischöl enthal-ten sind, umfasst potentielle Mechanismen, die eine Nierenentzündung und Glomeru-losklerose, beides Anzeichen für eine pro-gressive Nierenerkrankung, verringern. Die Wirksamkeit von Fischöl wurde an Patienten mit IgA-Nephropathie in vier randomisierten Studien getestet – mit unterschiedlichem Erfolg; zwei Studien zeigten, dass durch die Behandlung die Nierenfunktion stabilisiert werden konnte, und zwei berichteten über eine Abnahme der Nierenfunktion. Eine Metaanalyse dieser vier randomisierten Studien plus einer kleineren, nicht randomi-sierten Studie ergab, dass die Wahrschein-lichkeit eines zumindest kleinen günstigen Effektes auf die Beibehaltung der Nieren-funktion bei 75 Prozent lag. Bei der größten Studie handelte es sich um eine randomisierte, plazebokontrollierte Studie an Patienten mit anhaltender Protei-nurie (über 1 g pro 24 Std.) und sich ver-schlechternder Nierenfunktion (Kreatinin-spiegel unter 3,0 mg pro Deziliter [265 µmol pro Liter] zu Studienbeginn). Diese Studie lieferte einen starken Nachweis dafür, dass eine Behandlung über 2 Jahre mit einer täglichen Dosis von 1,8 g Eicosapentaenol-säure und 1,2 g Docosahexaenolsäure das Risiko eines 50-prozentigen Anstiegs im Serum-Kreatininspiegel um 82 Prozent redu-ziert. Die Behandlung führte auch zu einem um 67 Prozent niedrigeren Risiko für Tod oder terminales Nierenversagen. Die auf das Jahr berechnete mittlere Veränderung in der Kreatininclearance ergab einen Anstieg von nur 0,3 ml pro Minute pro 1,73 m2 Körper-

oberfläche bei Patienten unter Fischöl-Behandlung, im Vergleich zu einer Abnah-me von 7,1 ml pro Minute pro 1,73 m2 bei Patienten, die ein Plazebo erhielten. Diese Vorteile waren nach 6,4 Jahren Follow-up noch sichtbar. Erst vor kurzem wurden bei Patienten mit schwerer IgA-Nephropathie die Effekte einer täglichen, hochdosierten Behandlung (3,76 g Eicosapentaenolsäure und 2,94 g Docosa-hexaenolsäure) im Vergleich zu einer stan-dardmäßig dosierten Behandlung (1,88 g Eicosapentaenolsäure und 1,47 g Docosa-hexaenolsäure) mit mehrfach ungesättigten Fettsäuren, in Form eines hoch gereinigten Ethylester-Konzentrates (Omacor, Pronova Biocare), untersucht. Die Dosierungen zeig-ten eine ähnliche Verlangsamung der Rate für den Verlust der Nierenfunktion, insbe-sondere bei Patienten mit leicht fortgeschrit-tener Nierenerkrankung (definiert als Serum-Kreatininspiegel bis zu 3,0 mg pro Deziliter [265 µmol pro Liter] und Proteinurie über 500 mg pro 24 Std.). Angesichts der Unterschiede in den Ergeb-nissen der vier klinischen Studien mit Fischöl wird in den Vereinigten Staaten derzeit eine randomisierte, plazebokontrollierte Studie an Kindern und jungen Erwachsenen durch-geführt, um die Frage zu klären, was denn die bessere Behandlung bei Patienten mit Risiko einer progressiven Nierenerkrankung sei: Kortikosteroide oder n-3 mehrfach un-gesättigte Fettsäuren.

Andere Behandlungen Anekdotenhafte Berichte haben eine Stabili-sierung oder Verbesserung der Nierenfunk-tion nach Behandlung mit intravenösen Immunglobulinen, Plasmapherese, Myco-phenolat Mofetil und intravenösen Steroi-den plus Cyclophosphamid bei Patienten mit einem rasch progressiven Verlauf ge-zeigt (eine Abnahme in der Nierenfunktion von 50 Prozent oder mehr über einen Zeit-raum von drei Monaten). In einer neueren kontrollierten Studie an 38 Patienten mit weniger rasch progressiver Erkrankung führ-te die kombinierte Behandlung mit Predniso-lon und oralem Cyclophosphamid (drei Monate lang), gefolgt von Azathioprin (über 3 Jahre oder mehr) zu einem besseren Bei-behalten der Nierenfunktion und einem geringeren Grad an Proteinurie als mit Pla-zebo. Letztendlich könnte eine Tonsillenentfer-nung, eine populäre Praxis in Frankreich und

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Japan, bei Patienten mit IgA-Nephropathie, die neben makroskopischer Hämaturie unter häufiger Tonsillitis leiden, von Vorteil sein. Eine Gruppe von Patienten in Frankreich wiesen nach Tonsillenentfernung Verringe-rungen in episodischer Hämaturie und Pro-teinurie auf. Eine prospektive kontrollierte Studie über die Wirkung der Tonsillenent-fernung ist erforderlich, da es bei der IgA-Nephropathie große Unterschiede gibt. Bis heute konnte keine Studie eine langfristige Bewahrung der Nierenfunktion bei Patienten nach Tonsillenentfernung zeigen. Bis jetzt wurde auch kein überzeugender Nachweis erbracht, der die Verwendung von Angiotensin-converting Enzyminhibito-ren, n-3 mehrfach ungesättigten Fettsäuren oder einer Tonsillenentfernung bei Kindern mit IgA-Nephropathie stützen könnte, und kontrollierte Studien zum Vergleich dieser Behandlungen wurden bis jetzt nicht durch-geführt.

NIERENTRANSPLANTATION Für Patienten, bei denen sich ein terminales Nierenversagen entwickelt, stellt die Nieren-transplantation die beste Option für die Behandlung der IgA-Nephropathie dar, da es sich bei solchen Patienten eher um jüngere und ansonsten gesunde Erwachsene han-delt. In einem Bericht aus den Vereinigten Staaten war die IgA-Nephropathie für 10 Prozent der Nierentransplantationen bei Patienten mit primärer Glomerulonephritis verantwortlich. In Europa und Australien machte die IgA-Nephropathie 7 bis 20 Pro-zent der Patienten in Langzeitdialyse- und Nierentransplantationsprogrammen aus. Das Überleben von Patient und Nieren-transplantat ist hervorragend im Vergleich zu Patienten- und Transplantatüberleben nach Transplantation bei nicht-IgA-Nephro-pathie. Ungefähr ab 5 Jahre nach Transplan-tation kommt es bei 20 bis 60 Prozent der Transplantate jedoch wieder zu einer IgA-Nephropathie, wobei die höheren Prozent-zahlen aus Zentren berichtet wurden, die serienmäßige Biopsien des Nierentransplan-tates bei jedem Empfänger durchführen. Eine rekurrierende IgA-Nephropathie führt zu einer abnehmenden Nierenfunktion und zum Transplantatverlust (in bis zu 15 Pro-zent), was sich deutlich abhebt vom frühe-ren Transplantatverlust etwa infolge Trans-plantatabstoßung. Das Wiederauftreten der IgA-Nephropathie teilt sich gleichmäßig zwischen Leichennieren und Nieren aus

lebenden, verwandten Spendern auf, ein Befund, der frühere, nicht erhärtete Informa-tionen zerstreut, in denen eine angeblich stärkere Häufigkeit von IgA-Nephropathie in Nieren von lebenden, verwandten Spendern berichtet wurde infolge von HLA-Antigenen, die sowohl Spender als auch Empfänger besitzen und die das Risiko eines Rezidivs erhöhen. Angesichts der aussagekräftigen Daten, die gleiche Rezidivraten bei Leichen-nieren und Nieren aus lebenden, verwand-ten Spendern zeigen, sollte die Transplanta-tion von Nieren aus lebenden, verwandten Spendern nicht entmutigt werden. Es bleibt nachzuweisen, ob neuere immun-suppressive Therapiekonzepte – z. Bsp. der Einsatz von Mykophenolat Mofetil – vor einer rekurrierenden IgA-Nephropathie schützen (wie erst vor kurzem nahe gelegt wurde) oder den Verlust der Nierenfunktion bei Patienten mit Rezidiv verringern können.

DIFFERENTIALDIAGNOSE Es gibt zwei Krankheitsbilder, die von der primären IgA-Nephropathie abgegrenzt werden müssen: die Schönlein-Henoch-Pur-pura und die Erkrankung der dünnen glome-rulären Basalmembran. Die Schönlein-Henoch-Purpura ist ein klinisches Syndrom mit einem steil ansteigenden Auftreten in den ersten zwei Lebensjahrzehnten. Die Schönlein-Henoch-Purpura wird von der IgA-Nephropathie durch das Vorhandensein von systemischen Symptomen abgegrenzt, ein-schließlich Purpura-Ausschlag, Arthralgien und Bauchschmerzen. Während die Schön-lein-Henoch-Purpura meistens akut auftritt und auf sich selbst beschränkt bleibt, stellt das progressive Nierenversagen die Haupt-ursache für Morbidität dar. Auch wenn die klinischen Manifestationen der Schönlein-Henoch-Purpura und der IgA-Nephropathie verschieden sind, so sind die bei diesen Erkrankungen beobachteten histopathologi-schen Veränderungen ähnlich. In Biopsieproben aus der Haut von Patien-ten mit Schönlein-Henoch-Purpura enthalten die Hautgefäße häufig IgA-Ablagerungen. IgA-Ablagerungen wurden jedoch in klinisch normaler Haut von Patienten sowohl mit Schönlein-Henoch-Purpura als auch mit IgA-Nephropathie identifiziert. Die in der Nie-renbiopsie von Patienten mit Schönlein-Henoch-Purpura beobachteten morphologi-schen Veränderungen sind ähnlich denen, wie sie bei Patienten mit IgA-Nephropathie gefunden werden. Wie die Ablagerungen

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bei der IgA-Nephropathie bestehen die glo-merulären Ablagerungen bei Patienten mit Schönlein-Henoch-Purpura ausschließlich aus IgA1. Von Patienten mit Schönlein-Henoch-Purpura isoliertes Serum-IgA1 weist Glykosylierungsdefekte aus, die denen ähn-lich sind, die bei von Patienten mit IgA-Nephropathie isolierten IgA1 beschrieben werden. Auf der Basis von Familienstudien, einschließlich Studien an eineiigen Zwillin-gen, konnte man erkennen, dass sich die Schönlein-Henoch-Purpura möglicherweise bei einem Familienmitglied entwickelt und die IgA-Nephropathie bei einem anderen Familienmitglied mit denselben Umge-bungsbedingungen. Diese Beobachtungen stützen die Hypothese, dass die Schönlein-Henoch-Purpura und die IgA-Nephropathie Varianten desselben pathologischen Prozes-ses sind. Die Faktoren, die zur systemischen Aktivierung von IgA-haltigen Immunkomple-xen bei der Schönlein-Henoch-Purpura oder zur lokalen Aktivierung von IgA-haltigen Immunkomplexen bei der IgA-Nephropathie führen, konnten jedoch nicht identifiziert werden. Das Erkrankungsbild der dünnen glomerulä-ren Basalmembran ist eine häufige Erkran-kung, die bei weiblichen Patienten öfter auftritt und einen gutartigen klinischen Ver-lauf hat. Auch wenn mikroskopische Häma-turie, Proteinurie und Hypertension häufige Erscheinungsformen sowohl bei der Erkran-kung der dünnen glomerulären Basal-membran als auch der IgA-Nephropathie sind, scheinen Patienten mit IgA-Nephro-pathie mehr unter Hämaturie und Proteinu-rie zu leiden. Bei Patienten mit Erkrankung der dünnen glomerulären Basalmembran entwickelt sich kein terminales Nierenversa-gen. In der Nierenbiopsie werden diese beiden Krankheiten voneinander abge-grenzt. Die Diagnose einer Erkrankung der dünnen glomerulären Basalmembran wird in der elektronenmikroskopischen Untersu-chung der glomerulären Kapillarschleifen gestellt. Bei dieser Erkrankung sind die Ba-salmembranen diffus verdünnt. In der Licht-mikroskopie zeigt sich keine signifikante Ausweitung der mesangialen Gebiete, und Immunfluroreszenzstudien können IgA-Ablagerungen in den Glomeruli nicht nach-weisen. Das Vorhandensein von mesangialen IgA-Ablagerungen geht auch mit vielen anderen Erkrankungen einher (siehe unter sekundäre Ursachen in Tabelle 1); bei den IgA-Ablage-rungen handelt es sich oft um Zufallsbefun-de mit unklarer Pathogenese oder klinischer

Bedeutung. Die vielen Begleiterkrankungen werden durch ihre verschiedenen klinischen Ausdrucksformen von der primären IgA-Nephropathie abgegrenzt. Da die IgA-Nephropathie eine weit verbreitete Erkran-kung ist, kann sie auch in Verbindung mit anderen glomerulären Erkrankungen gefun-den werden (Tabelle 1).

ZUSAMMENFASSUNG Die IgA-Nephropathie, weltweit die häufigs-te Form von primärer glomerulärer Erkran-kung, ist eine von Immunkomplexen vermit-telte Glomerulonephritis, die immunhistolo-gisch durch das Vorliegen von glomerulären IgA-Ablagerungen definiert wird und die begleitet wird von einer Vielzahl von histo-pathologisch identifizierten Läsionen, ohne systemische Erkrankung. Diese Erkrankung, die in jedem Lebensalter und häufiger bei männlichen Patienten auf-tritt, zeigt regionale Unterschiede in der Häufigkeit, die sich durch genetische Unter-schiede und unterschiedliche Praktiken der Nierenbiopsie erklären lassen. Die Erkran-kungsursache und die der glomerulären Ablagerung von IgA1-haltigen Immunkom-plexen zugrunde liegenden Mechanismen sind nicht bekannt. Die beiden häufigsten klinischen Erscheinungsformen sind episo-dische makroskopische Hämaturie – oft zusammen mit einer Infektion der oberen Atemwege – bei jüngeren Patienten und anormales Urinsediment und Proteinurie bei Patienten ohne Symptome. 15 bis 40 Pro-zent der Patienten werden möglicherweise eine terminale Nierenerkrankung haben. Sowohl bei den Kindern als auch den Er-wachsenen gehen schwere glomeruläre pathologische Merkmale, anhaltende mikro-skopische Hämaturie, Proteinurie von mehr als 1,0 g pro 24 Std., beeinträchtigte Nieren-funktion und Hypertension mit einer schlechten Prognose einher. Für diese Erkrankung gibt es keine Heilung; neuere klinische Studien, in denen über zwei Jahre hinweg die Wirksamkeit von Kortikosteroiden, mit und ohne immun-suppressive Wirkstoffe, und n-3-Fettsäuren getestet wurde, haben aber gezeigt, dass diese Behandlungen günstige Auswirkungen auf die Progression der Nierenerkrankung haben. In kurzfristigen Studien konnte mit einer Auswahl von Angiotensin-converting Enzyminhibitoren die Hypertension kontrol-liert und die Proteinurie verringert werden – beides veränderbare Risikofaktoren für eine

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progressive Erkrankung. Diese positiven Effekte werden jedoch von den Studien abgeschwächt, in denen keine Vorteile mit diesen Kategorien therapeutischer Wirkstof-fe berichtet wurden. Die Nierentransplantation gilt als Behand-lung der Wahl für Patienten, die eine termi-nale Nierenerkrankung entwickeln. Obwohl sich sowohl das Patienten- als auch das Nierentransplantatüberleben günstig ver-gleichen lassen mit dem Überleben bei Pati-enten mit nicht-IgA-Nephropathie, die ein Nierentransplantat erhalten haben, tritt die IgA-Nephropathie bei 20 bis 60 Prozent der Transplantate fünf Jahre nach Transplantati-on oder später wieder auf, die Nierenfunkti-on nimmt ab und es kommt in bis zu 15 Prozent der Patienten zum Transplantatver-lust. Die Rezidive teilen sich gleichmäßig auf

zwischen Nieren aus Leichenspendern und denen aus lebenden, verwandten Spendern; die Verwendung von Transplantaten aus lebenden, verwandten Spendern sollte da-her nicht entmutigt werden. Literatur beim Verlag. DR. JAMES V. DONADIO Division of Nephrology Department of Medicine Mayo Clinic 200 First St. SW Stabile 7-22 Rochester, MN 55905 USA E-mail: [email protected]