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Bestimmung der Wölbspannungen von doppeltsymmetrischen Kastenquerschnitten mit Diagrammen

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578 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Stahlbau 75 (2006), Heft 7

Bei torsionsbeanspruchten Stäben mit Kastenquerschnitten ist esin der Regel ausreichend, die Wölbkrafttorsion nur an den Stelleneines Einzeltorsionsmoments (Auflager- oder eingeprägtes Mo-ment) zu untersuchen, und dies auch nur, wenn das Momentnicht an einem frei verwölbbaren Stabende angreift. Außerdemdürfen bei statisch unbestimmten Systemen die Auflagertorsions-momente vereinfachend unter vollständiger Vernachlässigungder Wölbkrafttorsion bestimmt werden, weil deren Einfluß vonder Stelle des Einzeltorsionsmoments aus rasch abklingt undsomit die Torsionsdrehwinkel nur unwesentlich beeinflußt. Dervorliegende Beitrag erlaubt die Ermittlung der Wölbnormal- und -schubspannungen an den genannten Stellen mit Hilfe von Dia-grammen oder alternativ mit Hilfe von Formeln, die nur von zweiQuerschnittsparametern abhängen; dabei brauchen weder se-kundäres Torsionsmoment noch Wölbmoment bestimmt zu wer-den. Die verwendete Theorie berücksichtigt die sekundärenSchubverformungen, was bei geschlossenen Querschnitten stetserforderlich ist.

Determination of warping stresses of box sections by diagrams.For determination of warping torsion for beams with box sectionit is sufficient to examine only points with external torsional mo-ments. Moreover in the case of statically indeterminate systemsthe reaction torsional moments may be calculated neglectingwarping torsion completely. This contribution allows the determi-nation of normal and shear stresses of warping torsion by dia-grams or alternatively by formulae depending only of two para-meters of the section. Warping moment and secondary torsionalmoment must then not be calculated. The applied theory enclud-es secondary shear deformation, which is always necessary inthe case of hollow sections.

1 Einleitung

In [1] wurde gezeigt, daß bei Stäben mit geschlossenemQuerschnitt und Torsionsbeanspruchung die primäre Tor-sion (St. Venant-Torsion) zwar überwiegt, die sekundäreTorsion (Wölbkrafttorsion) im allgemeinen aber nicht ver-nachlässigt werden kann. Diese sekundäre Torsion hat dieEigenschaft, daß sie im wesentlichen nur an „Störstellen“auftritt und von dort aus rasch abklingt. Als Störstellensind in erster Linie Stellen mit einem äußeren Einzeltor-sionsmoment zu verstehen (Auflagermoment oder einge-prägtes Moment). Darüber hinaus dürfen bei statisch un-bestimmten Torsionssystemen (Einfeld-, Mehrfeldträger)näherungsweise (aber praktisch ausreichend genau) die sta-

tisch unbestimmten Auflagertorsionsmomente unter Ver-nachlässigung der sekundären Torsion berechnet werden.Schließlich ist die Feststellung wichtig, daß (im Gegensatzzu offenen Querschnitten) bei geschlossenen Querschnit-ten für die Wölbkrafttorsion grundsätzlich die sekundärenSchubverformungen berücksichtigt werden müssen.

Der Vollständigkeit halber sei nochmals erwähnt, daßgemäß [2] die Analogie zur Theorie II. Ordnung des Biege-stabes mit Längszugkraft auch in diesem Fall noch Gültig-keit hat.

Im folgenden Beitrag wird ausschließlich der doppelt-symmetrische, rechteckige Kastenquerschnitt betrachtet.Die Tatsache, daß sein Tragverhalten hinsichtlich der Wölb-krafttorsion mit nur zwei Parametern beschrieben werdenkann, erlaubt es, die maßgebenden Normal- und Schub-spannungen unmittelbar mit Hilfe von Diagrammen zubestimmen.

Die hier verwendete Theorie stimmt mit jener in [3]überein, wenn dort der Sonderfall des doppeltsymmetri-schen Kastenquerschnitts betrachtet wird.

2 Formeln zur Berechnung von primärer und sekundärerTorsion für den doppeltsymmetrischen Kastenquerschnitt

Bild 1 zeigt den betrachteten Querschnitt mit Abmessun-gen.

Die erforderlichen Formeln lauten gemäß [1]:

Hilfswerte

(1)a = hs

Bestimmung der Wölbspannungen von doppeltsymmetrischen Kastenquerschnitten mit Diagrammen

Helmut Rubin

Fachthemen

Bild 1. Querschnitt mit AbmessungenFig. 1. Box section with dimensions

DOI: 10.1002/stab.200610061

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Stahlbau 75 (2006), Heft 7

(2)

g = a + b (3)

Stegfläche

AS = hs (4)

Gurtfläche

AG = bt (5)

Gesamtfläche

A = 2(AS + AG) (6)

Für a = b liegt der Sonderfall eines wölbfreien Quer-schnitts vor, bei dem keine sekundäre Torsion auftritt.

Für die weiteren Formeln wird angenommen:

a π b (7)

Wölbordinate in den Randpunkten (Bild 2)

(8)

Hinweis: Die Verwölbung bei reiner primärer Torsion hatfür ein positives Torsionsmoment umgekehrte Richtungwie wR in Bild 2.

Wölbträgheitsmoment

(9)

primäres Torsionsträgheitsmoment

(10)

sekundäres Torsionsträgheitsmoment

(11)II A

AhbA A

h bTs

S G

=+ -

20

1 5

2 2 2 2

g w

( ) ( ),

I bhT = 2 2

g( )

I ARw w= 2

3

w a bgR

bh= -4

b = bt

Hilfswerte

(12)

(13)

statische Wölbflächenmomente

(14)

(15)

(16)

Wölbnormalspannung in den Randpunkten

(17)

Ein positives Wölbmoment Mw ruft Wölbnormalspannun-gen s mit demselben Vorzeichen wie die Einheitsverwöl-bung gemäß Bild 2 hervor.

Schubfluß aus primärem Torsionsmoment MTp

(18)

Schubfluß aus sekundärem Torsionsmoment MTs

Randpunkte (19)

Gurtmitten (20)

Stegmitten (21)

Positive Schubflüsse haben den gleichen Drehsinn wiepositive Torsionsmomente (Bild 2). Bild 3 zeigt den prinzi-piellen Verlauf (Parabeln) von Ts über den Querschnitt.Tatsächlich haben T1,s und T2,s stets unterschiedliche Vor-zeichen. Die Schubspannungen t werden jeweils aus Schub-fluß/Blechdicke erhalten.

TMI

SsTs

2 2, =w

TMI

SsTs

1 1, =w

TMI

SsTs

0 0, =w

TM

bhkonstp

Tp= =2

.

s ww

wR R

MI

=

S S ARS2 0 4

= - w

S S ARG1 0 4

= + w

Sh b

R0

2 2

6= -

gw

l 0 = EIGIT

wk

k =+

11 I IT Ts/

Bild 3. Schubfluß aus sekundärem Torsionsmoment MTsFig. 3. Shear flow by secondary torsional moment MTs

Bild 2. Einheitsverwölbung mit Randordinaten wR, positiveRichtung von MT, MTp, MTs und JFig. 2. Unit warping with edge ordinates wR, positive direc-tion of MT, MTp, MTs and J

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3 Berechnungskonzept der folgenden Abschnitte

Im weiteren Verlauf der Arbeit wird folgendes Konzeptverfolgt: Der resultierende Zustand wird nicht durch Über-lagerung von primärer und sekundärer Torsion gebildet,sondern es wird ein „Grundzustand“ mit der AnnahmeMTp = MT und ein „Störungszustand“ mit der AnnahmeMTp = –MTs (also MT = 0) überlagert. Der Grundzustandwird so berechnet, als würde ein wölbfreier Querschnittvorliegen. Wie bereits erwähnt, dürfen ggf. vorhandene sta-tisch unbestimmte Auflagertorsionsmomente nur für die-sen Grundzustand berechnet und als endgültig angesehenwerden. Der zu überlagernde Zustand der Störung ist dannauf die Einwirkungsstellen von Einzeltorsionsmomentenund deren unmittelbarer Nachbarschaft, wo die Störungabklingt, beschränkt.

Die genannte Vorgehensweise ist korrekt, wenn keineStreckentorsionsmomente m vorliegen. Wie in [1] be-schrieben, ist in einem Bereich mit m = konst. ein Wölb-moment Mw = km�2

0 und am Anfang und Ende dieses Be-reichs ein sekundäres Torsionsmoment MTs = ± km�0/2vorhanden. Diese beiden Schnittgrößen sind wegen �0 << �in der Regel aber klein im Vergleich zu jenen aus den Ein-zeltorsionsmomenten an den Auflagern und können des-halb vernachlässigt werden. Damit sind im zweiten Zu-stand nur noch Störungen im Bereich von Einzeltorsions-momenten zu berücksichtigen.

4 Formulierung des Störungszustandes in Abhängigkeit derQuerschnittsparameter nn und rr

Da der Störungszustand nur lokal auftritt und nur vom ein-wirkenden Torsionsmoment abhängt, kann dieser in einer be-zogenen, dimensionslosen Darstellung in Abhängigkeit vonlediglich zwei Querschnittsparametern beschrieben werden.

Diese lauten:

(22)

(23)

Für n = r liegt der wölbfreie Querschnitt vor. Nach Einführung dieser Parameter in die allgemeinen

Gln. (1) bis (21) wird folgende dimensionslose Darstellungerhalten:

Hilfswerte

(24)

(25)

(26)

bezogener Wert von �0

(27)

m Querdehnungszahl

l 01 1 1

30= +

++/( ) ,nr

n rm

k

k n r= -( ),

2

0 8k

ck

= -+

n rn r

2 2

13 75,

k = -+

ÊËÁ

ˆ¯̃

+ + +nn r

n r n r2

2 211 0 8/

( ),

r = st

n = hb

Der Verlauf der sekundären TorsionsschnittgrößenMw und MTs im Bereich eines einwirkenden Einzeltor-sionsmoments Me

T ist in Tabelle 1 angegeben. Alle darge-stellten Funktionen klingen gemäß [1] mit dem Faktore–x/�0 ab, wobei x als Betrag des Abstandes von der Einwir-kungsstelle des Moments Me

T zu verstehen ist. In der Regelist �0 < b und �0 < h, so daß bei Stäben mit üblichenSchlankheiten �0 << � (Stablänge) gilt (vgl. Diagramm für�_

0 in Bild 4).

Tabelle 1. Wölbmoment Mw und sekundäres Torsionsmo-ment MTs an der Stelle eines Einzeltorsionsmoments Me

T(Last- oder Auflagergröße)Table 1. Warping torsional moment Mw and secondary tor-sional moment MTs at the point of an external torsional mo-ment Me

T (loading or reaction)

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Stahlbau 75 (2006), Heft 7

Das Zeichen D weist jeweils darauf hin, daß es sich nur umden Anteil des Störungszustandes handelt.

Die interessierenden absoluten Größen werden mitnachfolgenden Formeln erhalten. Die erforderlichen Grö-ßen Ms, Mt und MJ gehen aus Tabelle 2 hervor, die analogzu Tabelle 1 aufgebaut ist.

(33)

�0 ist für den Abklingfaktor e–x/�0 von Interesse. Es kanndavon ausgegangen werden, daß etwa im Abstand x = 3�0von Me

T der Einfluß der Störung abgeklungen ist (Faktore–3 ª 0,05).

Wölbnormalspannung an den Randpunkten

(34)

Vorzeichen siehe Gl. (17)

Schubfluß

Randpunkte: (35)

Gurtmitten: (36)

Stegmitten: (37)

Vorzeichen wie bei Gln. (19) bis (21)

Ohne Beweis sei hier angegeben, daß als Kontrolle

DT__

R + DT__

G + DT__

S = 0 (38)

bzw.

DTR + DTG + DTS = 0 (39)

erfüllt sein muß. Dies kann aus der Bedingung hergeleitetwerden, daß das Torsionsmoment aus DT Null sein muß.

Allen Schubflüssen DT im Störungszustand ist nochder im Querschnitt konstante Schubfluß

(40)

des Grundzustandes zu überlagern.Änderung des Torsionsdrehwinkels durch Störungs-

zustand

(41)

DJ wird gegenüber dem Torsionsdrehwinkel J0 des Grund-zustandes in der Regel klein und deshalb meist vernach-lässigbar sein. DJ ermäßigt den Betrag von J0.

Die Definition von DJ lautet:

(42)

wobei das Integral nur über den Störungsbereich auszu-führen ist bzw. DMw die Änderung von Mw in diesem Be-

D D DJ J w= ¢ = =Ú ÚdxGI

M dxM

GITTs

T

1

D DJ J J= M

bh st G

TM

bhT

0 2=

D DT TMbhS S= t

2

D DT TMbhG G= t

2

D DT TMbhR R= t

2

s s sR R

M

bh st=

l l0 0= bh

bezogene Wölbnormalspannung an den Randpunkten

(28)

bezogene Schubflüsse

Randpunkte: (29)

Gurtmitten: DT__

G = DT__

R + c (30)

Stegmitten: DT__

S = DT__

R – nrc (31)

bezogene Änderung des Torsionsdrehwinkels

(32)DJ n rnr

k= +2

0l

DTc

R = -+

-nn r

r k2 1

1 5,

s nrR c= 2 0l

Tabelle 2. Definition von Ms, Mt und MJ für verschiedeneSystemfälleTable 2. Definition of Ms, Mt and MJ for various cases ofsystems

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Stahlbau 75 (2006), Heft 7

5.4 Diagramm für �_

0

Dieses Diagramm liefert den bezogenen Wert �_

0 und dieangegebene Formel den Absolutwert �0. Damit ist das Ab-klingverhalten der Schnittgrößen und Spannungen desStörungszustandes eindeutig festgelegt. Wie ersichtlich,ist �

_0 nur wenig veränderlich (im Diagrammbereich von

0,51 bis 0,58). Das Diagramm ist wieder punktsymme-trisch.

6 Beispiel eines Querschnitts

Für die folgenden Beispiele wird als Querschnitt gewählt(vgl. Bild 1):

b = 0,2 m, h = 0,3 m, t = 0,02 m, s = 0,01 m

Gln. (22) und (23):

n = 1,5, r = 0,5

6.1 Bezogene Größen nach Formeln des Abschnitts 4

6.2 Bezogene Größen nach Diagrammen des Bildes 4

Mit n = 1,5 und 1/r = 2 erhält man aus den Diagrammendie bezogenen Größen s

_R, DT

__G, DT

__S, DJ

_und �

_0. Alle abge-

lesenen Werte entsprechen den zuvor errechneten Grö-ßen, wobei die geringere Ablesegenauigkeit praktisch völ-lig ausreichend ist.

7 Beispiel 1: Eingespannter Stab

Bild 5 zeigt Beispiel 1 mit dem Querschnitt nach Abschn. 6.Das linke Ende ist starr eingespannt, das rechte Ende freiverwölbbar; dort wird das Torsionsmoment MT = 0,12 MNmentsprechend der St. Venant-Torsion über einen konstan-ten Schubfluß T0 = MT/(2bh) = 1 MN/m eingeprägt.

Der wirkliche Zustand wird gemäß Abschn. 3 durchÜberlagerung von Grund- und Störungszustand erhalten;letzterer ist auf die Einspannstelle am linken Ende be-schränkt.

7.1 Grundzustand

Als Beanspruchung tritt nur der über den Querschnittund die Stablänge � konstante Schubfluß T0 = 1 MN/mauf. Die Verdrillung J¢0 = MT/(GIT) ist über die Stablängekonstant und ergibt am rechten Ende den Torsionsdreh-winkel

( ): ,

( ): ,

( ): ,

( ):

( ): ,

( ): ,

( ): ,

( ): ,

,( ): ,

24 5 88

25 0 729

26 0 213

27

29 0 061

30 0 669

31 0 608

32 0134

0 0 54528 0 688

0

k

c

T

T

T

R

R

G

S

===

= -=

= -

¸

˝Ô

˛Ô

=

==

=

k

J

sl

DDD

D

S

reich ist. Bei Angriff von MeT am durchlaufenden Stab

(Fall 1,Tabelle 2) ist für den ganzen Störbereich �MTsdx = 0,für den Bereich nur links von der Angriffsstelle f dagegennicht (vgl. Tabelle 1). Aus diesem Grund ist in Tabelle 2 imersteren Fall MJ = 0, im letzteren Fall MJ = Me

T/2. Dasheißt, der Störungszustand beeinflußt den Torsionsdreh-winkel J nur, wenn J an der Stelle f gesucht ist, und bleibtauf alle J außerhalb des Störungsbereichs ohne Einfluß.

5 Diagramme zur Bestimmung der bezogenen Größen ss__

R,DDT

_G, DDT

_S, DDJJ

_und �

_0 in Abhängigkeit von nn und rr

Anstelle der Auswertung der Gln. (24) bis (32) könneneinfacher die Diagramme des Bildes 4 zur Bestimmungder bezogenen Größen verwendet werden; darüber hinausist aus den Diagrammen ersichtlich, wie die Zustands-größen des Störungszustandes durch die Wahl der Quer-schnittsgeometrie beeinflußt werden. Der Anwendungsbe-reich ist mit 0,5 £ n £ 2 und 0,5 < r £ 2 begrenzt. Für dieQuerdehnungszahl wird m = 0,3 gesetzt. Generell ist dar-auf hinzuweisen, daß eine besondere Ablesegenauigkeitbei den Diagrammen nicht erforderlich ist, weil die ange-wandte Stabtheorie mit derAnnahme ebenbleibender Quer-schnittsteile (Gurte, Stege) selbst nur eine Näherung dar-stellt.

5.1 Diagramm für ss__

R

Nach Ablesen von s_

R wird der Absolutwert sR mit der an-gegebenen Formel und dem Wert Ms nach Tabelle 2 be-stimmt. Das Vorzeichen von sR stimmt mit jenem von wRin Bild 2 überein. Das Diagramm ist bezüglich des Mittel-punktes (n = r = 1) punktsymmetrisch, jedoch mit Vorzei-chenwechsel von s

_R. Dies bestätigt, daß bei einer Drehung

des Querschnitts um 90° derselbe Betrag von s_

R mit um-gekehrtem Vorzeichen erhalten wird.

5.2 Diagramm für DDT_

G und DDT_

S

Dieses Diagramm ermöglicht die Bestimmung von DT__

Gund DT

__S gleichzeitig. Nach der 1. Ablesung von z. B. DT

__G

wird gemäß Angabe im Diagramm n durch 1/n und rdurch 1/r ersetzt, um mit der 2. Ablesung DT

__S zu erhalten.

Dies bedeutet eine Querschnittsdrehung um 90°, so daßGurte und Stege vertauscht werden. Wie aus dem Dia-gramm ersichtlich, weisen DT

__G und DT

__S stets unterschied-

liche Vorzeichen auf. Die Absolutwerte DTG und DTS erge-ben sich aus den angegebenen Formeln mit Mt gemäß Ta-belle 2. Die ebenfalls angegebene Formel für DTR ergibtsich aus Gl. (39).

Allen Schubflüssen DT ist noch der konstante Schub-fluß T0 des Grundzustandes nach Gl. (40) zu überlagern.Positive Schubflüsse haben denselben Drehsinn wie posi-tive Torsionsmomente (Bild 2).

5.3 Diagramm für DDJJ_

Nach Ablesen von DJ_

wird der Absolutwert DJ mit derangegebenen Formel und mit MJ nach Tabelle 2 be-stimmt. DJ führt stets zu einer Ermäßigung des Betragesvon J0 im Grundzustand. Das Diagramm ist punktsym-metrisch.

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E&S GALLEY PROOF

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Stahlbau 75 (2006), Heft 7

Bild 4. Diagramme für bezogene Größen s_

R, DT__

G, DT__

S, DJ_

und �_

0 in Abhängigkeit vom n = h/b und r = s/t

Fig. 4. Diagrams for related values s_

R, DT__

G, DT__

S, DJ_

and �_

0 depending of n = h/b and r = s/t

Bild 5. Beispiel 1, System und BelastungFig. 5. Example 1, system and loading

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mit IT = 0,00018 m4 nach Gl. (10)

Die Verwölbung des Querschnitts ist ebenfalls konstantüber die Länge. Nach Gl. (8) erhält man

wR = 0,0075 m2

7.2 Störungszustand

Die nachfolgend berechneten Ordinaten sind an der Ein-spannstelle vorhanden; sie klingen mit dem Faktor e–x/�0

ab. Für �0 gilt nach Gl. (33)

Nach Tabelle 2, Fall 2 erhält man mit MeT = –MT (s. Bild 5)

Ms = –MT, Mt = MT und MJ = MT.

sR beträgt nach Gl. (34):

Gemäß Bild 2 liegt damit an den Kanten vorne oben undhinten unten Druck, an den übrigen beiden Kanten Zugvor.

Zur Bestimmung der Schubflüsse wird nach denGln. (35) bis (37) der Faktor Mt/(2bh) = MT/(2bh) be-nötigt; dieser ist hier gerade gleich T0 = 1 MN/m. Somit er-gibt sich:

wie unmittelbar ersichtlich, sind die DT gegenüber T0 kei-nesfalls vernachlässigbar.

Der Torsionsdrehwinkel beträgt nach Gl. (41):

DJ beträgt nur rund 1 % von J0 und ist damit praktischvernachlässigbar.

Die Berechnung der absoluten Größen sR, DTG, DTS,DTR, DJ und �0 aus den bezogenen Werten ist auch ausden Formeln der Diagramme von Bild 4 ersichtlich.

7.3 Resultierender Zustand

sR = –97,4 MN/m2

TR = 1 – 0,061 = 0,939 MN/m

TG = 1 + 0,669 = 1,669 MN/m

TS = 1 – 0,608 = 0,392 MN/m

Bild 6 zeigt den Verlauf des resultierenden Schubflussesim Querschnitt an der Einspannstelle.

J = 0,0248 – 0,000234 = 0,0246

DJ =◊ ◊

=0134012

0 2 0 3 0 01 0 020 000234,

,

, , , ,,

G

DDD

ST MN m

T MN m

T MN m

R

G

S

= -=

= -

¸

˝Ô

˛Ô

=0 061

0 669

0 608

0

, /

, /

, /

sR MN m= -◊ ◊

= -0 688012

0 2 0 3 0 01 0 0297 4 2,

,

, , , ,, /

l l0 0 545 0 2 0 3 0134 3= ◊ = << =, , , , m m

J0 0 0248= =MGI

T

T

l,

Die maßgebenden Schubspannungen betragen:

Stegrand: (100 MN/m2)

Gurtmitte: (50 MN/m2)

Stegmitte: (100 MN/m2)

In Klammer sind die Spannungen des Grundzustandes =Zustand bei Vernachlässigung der Wölbkrafttorsion ange-geben.

8 Beispiel 2: Zweifeldriger Durchlaufträger

System und Belastung des Beispiels 2 sind in Bild 7 ent-halten. Vereinbarungsgemäß werden näherungsweise diestatisch unbestimmten Auflagertorsionsmomente unterVernachlässigung der sekundären Torsion bestimmt. Diesführt dazu, daß der ebenfalls in Bild 7 dargestellte Verlaufvon MT in den beiden Feldern unabhängig voneinander istund sich somit jeweils wie für den beidseitig gabelgelager-ten Einzelstab ergibt (MT-Fläche jeweils Null).

Berücksichtigt man, wie ebenfalls als Näherungvorgeschlagen, für die sekundäre Torsion nur die Stellender Einzeltorsionsmomente, so erhält man für die Stel-len a, b, d und c als Me

T im Sinne von Tabelle 2 folgendeWerte:

Stelle a:

MeT = –0,10 MNm, Fall 2

Ms = –0,10 MNm

Mt = 0,10 MNm

MJ = 0,10 MNm

Stelle b:

MeT = –0,14 MNm, Fall 1

tS MN m= =0 3920 01

39 2 2,,

, /

tG MN m= =1 6690 02

83 4 2,,

, /

tR MN m= =0 9390 01

93 9 2,,

, /

Bild 6. Resultierender Schubfluß T im Querschnitt an derEinspannstelle für Beispiel 1 (zum Vergleich T0 = 1 MN/m =konst.)Fig. 6. Resultant shear flow T in the section at fixed end forexample 1 (for comparison T0 = 1 MN/m = const.)

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Ms = –0,07 MNm

links von b: Mt = –0,07 MNm

rechts von b: Mt = 0,07 MNm

Stelle b: MJ = –0,07 MNm

Stelle d:

wie Stelle b, jedoch mit MeT = 0,12 MNm

Stelle c:

MeT = –0,08 MNm, Fall 4

keine sekundäre Torsion

An der Einspannstelle a sind die Wölbnormalspannung sRund der Schubfluß DT ähnlich den Werten von Beispiel 1.Dies gilt auch für die Querschnitte rechts von b und d,während jeweils links davon DT denselben Betrag mit um-gekehrten Vorzeichen aufweist. Die Umrechnungsfaktorenergeben sich aus dem Verhältnis der Ms = Verhältnis derMt.

Bei dem hier vorliegenden statisch unbestimmten Sy-stem kommt der Größe DJ praktisch keine Bedeutung zu;vielmehr liegt der angewandten Näherung bereits die Ver-nachlässigung von DJ gegenüber J0 zugrunde.

Abschließend sei noch die Größenordnung des imFeld a–b vernachlässigten Wölbmoments Mw,ab = km�2

0 be-

trachtet. Gemäß Tabelle 1, Fall 2 beträgt Mw an der Ein-spannstelle Mw,a = kMe

T,a�0 = k(–m�ab/2)�0. Daraus ergibtsich für die Beträge das Verhältnis

Das heißt, die Wölbnormalspannung im Feld beträgt nur6,7 % jener an der Einspannstelle a und kann somit außerAcht gelassen werden. Entsprechendes gilt für den Schub-fluß DT, der aber nur an den Bereichsgrenzen von m (hierStabenden) auftritt.

In [1] sind insbesondere in Tabelle 2 Angaben überdie genauen Verläufe von Mw und MTs für den Einzelstabmit m = konst. gemacht.

Literatur

[1] Rubin, H.: Wölbkrafttorsion von Durchlaufträgern mitkonstantem Querschnitt unter Berücksichtigung sekundärerSchubverformungen. Stahlbau 74 (2005), H. 11, S. 826–842.

[2] Roik, K., Sedlacek, G.: Theorie der Wölbkrafttorsion unterBerücksichtigung der sekundären Schubverformungen – Ana-logiebetrachtung zur Berechnung des querbelasteten Zugsta-bes. Stahlbau 35 (1966), H. 2, S. 43–52.

[3] Eilering, S.: Zur Berechnung von Torsionsschubspannungenund Wölbschubzahlen an geraden dünnwandigen Stäben. Bau-ingenieur 80 (2005), S. 491–498.

Autor dieses Beitrages:o. Univ.-Prof. Dr.-Ing. Helmut Rubin, Institut für Baustatik, TechnischeUniversität Wien, Karlsplatz 13, A – 1040 Wien

M

Mab

a ab

w

w

,

, /,,

,= = =ll

0

201342 0

0 067

Bild 7. Beispiel 2, System, Belastung und MT -VerlaufFig. 7. Example 2, system, loading and curve of MT