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Bildung lebenslang? Zur Bedeutung von Bildung im Alter
Vortrag gehalten an der
Evangelischen Akademie Recklinghausen e.V.
27. November 2006
Prof. Dr. Monika Reichert
Universität Dortmund
Gliederung des Vortrags
1. Wichtige Definitionen: Lernen und Bildung
2. Zur Notwendigkeit von Bildung im Alter
3. Zur Bildungsbeteiligung älterer Menschen: Wichtige Daten und Fakten
4. Voraussetzung für Bildung und Lernen im Alter: Wichtige Ergebnisse aus Soziologie und Psychologie
5. Barrieren für Bildung und Lernen im Alter
6. Wichtige Maßnahmen zur Überwindung von Bildungsbarrieren bzw. Förderung von Bildung und Lernen im Alter
7. Resümee
Bitte vervollständigen Sie diesen Satz
Lebenslanges Lernen/Bildung im Alter ist wichtig, weil…..
1. Zur Definition von Bildung und Lernen
Definition: (Lebenslanges) Lernen
• Jede zielgerichtete Lerntätigkeit, die einer kontinuierlichen Verbesserung von Kenntnissen, Fähigkeiten und Kompetenzen dient (Memorandum über Lebenslanges Lernen der Kommission der Europäischen Gemeinschaft, Brüssel 2000)
• Formales Lernen: findet in Bildungs- und Ausbildungseinrichtungen statt
• Nicht-formales Lernen: findet außerhalb der Hauptsysteme der allgemeinen und beruflichen Bildung statt (z.B. Lernen am Arbeitsplatz, im Rahmen von Aktivitäten verschiedenster Organisationen
• Informelles Lernen: natürliche Begleiterscheinung des täglichen Lebens, ein Lernen „en passant“
Definition: Bildung I
• Bildung kann definiert werden als der bewusste, gezielte Erwerb von neuem Wissen oder neuen Fertigkeiten.
• Als Bildung kann auch das Ergebnis dieses Prozesses bezeichnet werden.
• Das Verfolgen von Bildungszielen kann sich über verschieden lange Zeiträume erstrecken und kann verschiedenste Handlungen wie ein Studium, Bücher lesen, Diskussionen und das Lernen von Fertigkeiten integrieren.
• Sich bilden ist zielbewusst, sinnhaftes Handeln.• Bildung ist breiter gefasst als Lernen, da bei Letzterem das
bewusste Verfolgen eines Ziels nicht unbedingt gegeben sein muss.
Definition: Bildung II
• Kaiser (1997) versteht Bildung „… als die persönliche, zielgerichtete Weiterentwicklung des Menschen in der Auseinandersetzung mit sozialen, gesellschaftlichen, historischen und kulturellen Lebenslagen“.
Definition: Bildung im Alter I
• Altenbildung• Altersbildung• Erwachsenenbildung mit älteren Menschen• Erwachsenenpädagogik• Geragogik• Gerontagogik• …..
Definition: Bildung im Alter II
• „Bildung im Alter ist bislang weder in der Theorie noch in der Praxis präzise situiert“ (Sommer, 2004).
• In der Regel meint Altersbildung ein Angebot der Institutionen der Erwachsenenbildung und der gemeinwesenorientierten Seniorenarbeit (vgl. Kolland, 2003)
Definition: Weiterbildung
• „die Wiederaufnahme des organisierten Lernens nach einer abgeschlossenen Erstausbildung“ (Bildungskommission des deutschen Bildungsrates, 1970).
Weiterbildung
Nachberufliche W. Berufsbezogene W.
(z.B. allgemeine W.) (z.B. Umschulung)
2. Zur Notwendigkeit von lebenslangem Lernen und Bildung im Alter
Lebenslanges Lernen/Bildung im Alter ist wichtig,
Gesellschafts-/Bildungs- und ArbeitsmarktpolitischeGründe:
… weil wir in einer Wissensgesellschaft leben und Wissen der wichtigste Produktivfaktor unserer Gesellschaft ist!
… weil auf Grund des schnellen technologischen Wandels Wissen immer wieder aktualisiert werden muss!
… weil lebenslanges Lernen die Voraussetzung zum Erhalt und zur Förderung der (beruflichen) Leistungs- und Beschäftigungsfähigkeit einer insgesamt alternden Gesellschaft ist!
Lebenslanges Lernen/Bildung im Alter ist wichtig,
Gesellschafts-/Bildungs-/ArbeitsmarktpolitischeGründe:
… weil damit inter- und intragenerationelle soziale Ungleichheiten abgebaut bzw. gemildert werden!
… weil eine alternde Gesellschaft ältere Menschen als Träger von Wissen benötigt!
…. weil sie als eine wesentliche Voraussetzung für gesellschaftliche Partizipation auch im Alter ist!
Lebenslanges Lernen/Bildung im Alter ist wichtig,
Gründe auf der Ebene des Individuums:
… weil dadurch die kognitiven Fähigkeiten im höheren Alter erhalten bleiben und gefördert werden können!
… weil das Bedürfnis nach Übernahme von Funktionen und Aufgaben hiermit besser realisierbar ist!
… weil sie eine wichtige Voraussetzung für eine bessere Bewältigung des eigenen Alters sein kann!
… weil es sich um eine Tätigkeit handelt, die auch zur Lebenszufriedenheit im Alter beiträgt!
Ein 1. Fazit
„Das zweite Leitbild (der Altenberichtskommission „Potentiale des Alterns“) lässt sich umschreiben mit Recht auf lebenslanges Lernen und Pflicht zum lebenslangen Lernen“ (Kruse, 2005).
3. Voraussetzungen für Bildung und Lernen im Alter: Wichtige Ergebnisse aus
Psychologie und Soziologie
Wichtige Erkenntnisse der Psychologie zum Thema sind u.a.:
Lernen bzw. Bildung ist lebenslang möglich;
Ältere Menschen lernen „anders“ als jüngere;
Kontinuierliches, also am besten lebenslanges Training fördert den Bildungserfolg (selbst im höheren Alter);
Lernerfolge erhöhen die die Lernmotivation und die Lebenszufriedenheit;
Das Selbstbild im Hinblick auf die Lernfähigkeit im Alter kann fördernd oder hemmend sein;
Wichtige Erkenntnisse der Psychologie zum Thema sind u.a.:
Anknüpfen an biographische Lernerfahrungen fördert den Bildungserfolg;
Soziale und räumliche Umweltbedingungen können lebenslanges Lernen fördern oder hemmen;
Wichtige Erkenntnisse der Soziologie zum Thema sind u.a.:
Institutionelle Rahmenbedingungen bzw. Institutionen können lebenslanges Lernen fördern oder hemmen;
Die bisherige Dreiteilung des Lebenslaufs behindert eine Parallelität z.B. von Arbeit und Lernen;
Einmal erworbene Bildungsbenachteiligungen werden über den Lebenslauf „mitgeschleppt“;
Wichtige Erkenntnisse der Soziologie zum Thema sind u.a.:
Unterbrechungen von berufsbezogenen Bildungs-prozessen im Lebenslauf erhöhen Bildungs-benachteiligungen und behindern die Lernmotivation;
Es gibt – z.B. bedingt durch historische Ereignisse - große Kohortenunterschiede im Lern- bzw. Bildungsverhalten;
Die Sozialisation in geschlechtstypische Rollen beeinflusst das Lern- und Bildungsverhalten;
Bildungsbenachteiligungen fördern soziale Ungleichheiten;
4. Zur Bildungsbeteiligung älterer Menschen: Wichtige Daten und Fakten
Ausgangslage
Studien zum Thema (Weiter-)bildung bzw. lebenslanges Lernen konzentrieren sich meist auf erwerbstätige Altersgruppen.
Untersuchungen, die sich explizit mit älteren Menschen auseinander setzen, behandeln das Thema Bildung häufig nur am Rande.
Untersuchung: Bildung im Alter
Auftraggeber: BMFSFJ Projektdurchführung: Prof. Dr. M. Kohli, FU Berlin
Anzahl der Befragten: 1.991 im Alter ab 50 Jahren, repräsentative Stichprobe
Methode: Telefoninterviews zur Teilnahme bzw. Nichtteilnahme an
(Weiter-)Bildungsangeboten in den letzten drei Jahren (1996-1999)
Befragung von Altersbildungsveranstaltern (in 150 ausgewählten Gemeinden)
Ausmaß der Bildungsbeteiligung I
Von 1.991 Befragten hat ein Viertel im Dreijahres-zeitraum von 1996 bis 1999 an mindestens einer Bildungsveranstaltung teilgenommen.
Die aktuelle Bildungsbeteiligung ist unabhängig vom Geschlecht. Allerdings gibt es einen geschlechts-spezifischen Unterschied im Hinblick auf die beruflich bedingte Weiterbildung.
Der stärkste Einfluss auf das Ausmaß der Bildungsbeteiligung geht vom Alter aus.
Ausmaß der Bildungsbeteiligung II
Es gibt einen starken Zusammenhang zwischen Bildungsverhalten im Alter mit der schulischen Grundbildung.
Zudem ist das Bildungsverhalten von der (ehemaligen)
beruflichen Stellung abhängig.
Art der Bildungsteilnahme Älterer I
Unter den nicht auf den Beruf bezogenen Veranstaltungstypen dominieren Kurse und Seminare sowie Besichtigungen und Bildungsreisen.
Während bei den jüngeren Altersgruppen die Teilnahme an Kursen und Seminaren im Vordergrund steht, nimmt dieser Anteil mit zunehmendem Alter – vor allem ab Mitte 60 – spürbar ab. Ab dann gewinnen Bildungsreisen und Besichtigungen deutlich an Gewicht.
Art der Bildungsteilnahme Älterer II
Rangreihe der Veranstaltungen: 1. Besichtigungen von Städten, Ländern, Baudenkmälern =
29%2. Veranstaltungen zu Gesellschaft, Geschichte oder Politik.
= 14%3. musische Veranstaltungen = 9%4. Fremdsprachenkurse = 9%5. Veranstaltungen über Gesundheit, Ernährung und
Sportangebote = 7%
Art der Bildungsteilnahme Älterer III
Veranstaltungsträger Volkshochschulen = 26% Kirchen und kirchliche Träger = 14% Vereine = 10% Privat organisiert = 10% Unternehmen und Betriebe = 9% Kommerzielle Bildungsträger = 7% Sonstige (z.B. Universitäten) = 24%
Art der Bildungsteilnahme Älterer IV
Gewünschte Weiterbildungsangebote in den nächsten zwei Jahren: Kunst-, Musik- und Konzertveranstaltungen = 45% Veranstaltungen zur Ernährung und Gesundheit = 45% Veranstaltungen zur L änder- und Heimatkunde, zu
Literatur und Theater = 36% Veranstaltungen zu Umweltthemen, Rechts- und
Rentenfragen sowie Gesellschaft und Politik = 27% Veranstaltungen zu Technik, Computer und Fremdsprachen
= 24% Veranstaltungen zu Astrologie und Esoterik = 7%
Art der Bildungsteilnahme Älterer V
Im Hinblick auf die Wahl der Themenbereiche gibt es ausgeprägte geschlechtsspezfische Unterschiede.
Frauen: deutlich höhere Nachfrage nach musischen, künstlerischen und gestalterischen Bildungsangeboten sowie bei Gesundheits- und Ernährungsfragen
Männer: deutlich höhere Nachfrage nach gesellschaftlichen, politischen, rechtlichen, technischen, natur- und betriebswirtschaftlichen Themen.
Ein Blick in die Zukunft
Bundesweit wird mit einer deutlichen Steigerung der Bildungsnachfrage bei den 50-70-jährigen gerechnet (Schröder & Gilberg, 2005).
Auch ist davon auszugehen, dass die kommenden Senioren einen höheren Qualitätsanspruch an die Angebote der Weiterbildung haben werden.
5. Barrieren in Bezug auf Bildung und Lernen im Alter
Was sind Bildungsbarrieren?
Einflüsse unterschiedlichster Art, die entweder die Umsetzung eines vorhandenen
Bildungswunsches verhindern
oder generell verhindern, dass ein solcher Wunsch
überhaupt entsteht
Empirische Erkenntnisse zu Bildungsbarrieren im Alter
Zu den hemmenden Faktoren gehören: niedriges Bildungsniveau hohes Alter Subjektiv negativ eingeschätzter Gesundheitszustand Altersnormen/Altersbilder negative Schulerfahrungen familiäre Verpflichtungen räumliche Distanz zu Bildungseinrichtungen Informationsdefizit Finanzielle Aspekte ….
6. Wichtige Maßnahmen zur Überwindung von Bildungsbarrieren bzw. Förderung von
Bildung und Lernen im Alter
Wichtige Maßnahmen für lebenslanges Lernen/Bildung im Alter
Gesellschafts-/Bildungs-/ArbeitsmarktpolitischeEbene:
Die Dreiteilung des Lebenslaufs in „Ausbildung, Arbeit, Ruhestand“ muss überwunden werden;
Bildungsinstitutionen (z.B. Betriebe, Universitäten) müssen die Möglichkeit zum lebenslangen Lernen bzw. zur Bildung im Alter bieten;
Es müssen diesbezügliche Anreize für Bildungsinstitutionen geschaffen werden;
Wichtige Maßnahmen für lebenslanges Lernen/Bildung im Alter
Gesellschafts-/Bildungs-/ArbeitsmarktpolitischeEbene:
Bildungsangebote müssen auf bildungsungewohnte und bildungsferne Zielgruppen zugeschnitten sein;
Bildungsangebote müssen intergenerationelles Lernen ermöglichen;
Es müssen Möglichkeiten für ältere Menschen vorhanden sein, das Gelernte auch anzuwenden (z.B. im Rahmen einer ehrenamtlichen Tätigkeit);
Wichtige Maßnahmen für lebenslanges Lernen/Bildung im Alter
Gesellschafts-/Bildungs-/ArbeitsmarktpolitischeEbene:
Das negative Altersbild in unserer Gesellschaft muss durch ein realistisches Altersbild ersetzt werden;
…..
Wichtige Maßnahmen für lebenslanges Lernen/Bildung im Alter
Ebene des Individuums:
Die Fähigkeit zu lernen muss lebenslang gegeben sein;
Die Motivation zu lernen muss bei älteren Menschen vorhanden sein;
Das Vertrauen in die Fähigkeit lernen zu können, muss gegeben sein;
…..
7. Resümee
Resümee I
• Es gibt viele gute Gründe für lebenslanges Lernen und Bildung im Alter.
• Bildung im Alter wird eher zu einer Selbstverpflichtung werden müssen, auch damit ältere Menschen den Anschluss an den sozialen, kulturellen und technologischen Wandel halten.
• Lebenslanges Lernen ist nicht als eine individuelle
Bringschuld zu definieren. Verstärkte gesellschaftliche Anstrengungen zur Förderung der Bildung im Alter sind dringend notwendig.
Jeder, der aufhört zu lernen, ist alt, mag er 20 oder 80 Jahre zählen. Jeder, der weiter lernt, ist jung, mag er 20 oder 80 Jahre zählen“. (Henry Ford)