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31 S O N D E R A U S G A B E D E R D B U giou et al. 1987) besitzt eine Deletion der aceEF-Gene für die Un- tereinheiten E1 und E2 des Pyruvat-Dehydrogenase-Komplexes sowie Mutationen in den Genen pflB und poxB, die zum Verlust der Pyruvat-Formiat-Lyase-Aktivität und der Pyruvat-„Oxidase“-Akti- vität führen. Dieser Genotyp bedingt, dass der Stamm keine Mög- lichkeit besitzt, um Pyruvat zu Acetyl-CoA bzw. Acetat umzusetzen und daher bei Wachstum in Minimalmedien Acetat-auxotroph ist. Außerdem besitzt der Stamm ein defektes pps-Gen, verbunden mit einem Verlust der PEP-Synthetase-Aktivität: Pyruvat + ATP + H 2 O PEP + AMP + PP a (Gl. 4). Ausgehend von diesem Stamm soll eine möglichst vollständige aerobe, glykolytische Umsetzung von Glucose zu Pyruvat erreicht werden. Das bei der Oxidation von Glycerinaldehyd-3-phosphat entstehende NADH wird dabei durch die Atmungskette reoxidiert (Abb. 1): Glucose + O 2 2 Pyruvat - + 2 H + + 2 H 2 O (Gl. 5). Nachdem in Vorversuchen die Acetat-Auxotrophie des E. coli- Stammes YYC202 bestätigt werden konnte, wurde in der ersten Pro- jektphase das Wachstum und die Produktbildung in Minimalmedi- um mit Glucose und Acetat untersucht (Kultivierung in Schüttel- kolben). Dabei zeigte sich, dass tatsächlich ein beträchtlicher Teil der verbrauchten Glucose in Pyruvat umgesetzt und ins Medium ausgeschieden wird (Abb. 2). Wachstum und Pyruvat-Bildung wa- ren abhängig von der zugesetzten Acetat-Konzentration. Bei glei- cher Glucose-Ausgangskonzentration führten steigende Acetat-Kon- zentrationen erwartungsgemäß zu einer höheren Zellausbeute und zu einer geringeren Pyruvat-Ausbeute. Die Acetat-Konzentration erwies sich also als kritischer Parameter zur Steuerung von Wachs- tum und Produktbildung. Unter Acetat-limitierenden Bedingungen wurde bei diesen Versuchen bis zu 1.7 mol Pyruvat/mol Glucose gebildet. Eine maximale Pyruvat-Ausbeute kann nur mit nicht-wachsen- den Zellen erreicht werden, da wachsende Zellen einen beträchtli- chen Teil der Intermediate aus Glykolyse und Pentosephosphat- Weg für Biosynthesen verwenden. Aus diesem Grund wurde auch die Glucose-Umsetzung durch Zellen von E. coli YYC202 untersucht, die nach Wachstum in Glucose-Minimal-Medium in einem Puffer ohne weitere Nährstoffe resuspendiert worden waren. Dabei konn- te unter geeigneten Bedingungen eine vollständige Umsetzung von Glucose zu Pyruvat erreicht werden (Abb. 3). Bei Versuchen zur Umsetzung von höheren Glucose-Konzen- trationen durch wachsende und nicht-wachsende Zellen von E. coli YYC202 wurde die Bildung von Lactat als Nebenprodukt beobach- tet. Verantwortlich dafür ist die NAD + -abhängige D-Lactat-Dehy- drogenase (ldhA-Genprodukt): Pyruvat - + NADH + H + D-Lactat - + NAD + (Gl. 6). Dieses Enzym wird durch anaerobe Bedingungen und einen niedrigen pH-Wert induziert, ist jedoch auch unter aeroben, pH- neutralen Bedingungen mit hoher Aktivität im Zellextrakt vorhan- den (Mat-Jan et al. 1989). Im Stamm YYC202 ist eine hohe intrazel- luläre Pyruvat-Konzentration zu erwarten, so dass die D-Lactat- Dehydrogenase trotz ihrer schlechten Pyruvat-Affinität (K m -Wert etwa 7 mM bei pH 7.5; Tarmy und Kaplan 1968) und trotz ihrer im Vergleich zu den beiden membrangebundenen NADH-Dehydro- genasen (K m 5 bzw. 50 µM) schlechten NADH-Affinität (K m 0.25 - 0.5 mM) einen Teil des Pyruvats zu Lactat reduziert. Um die Bil- dung dieses Nebenproduktes, das aufgrund seiner chemischen Ähn- lichkeit zu Pyruvat ein Problem bei der Aufarbeitung darstellt, zu eliminieren, soll das ldhA-Gen (Bunch et al. 1997) deletiert werden. B. Fermentationsentwicklung Aufbauend auf der oben beschriebenen Stamm-Charakterisie- rung und -Optimierung wurde der Stamm YYC202 anschließend in Laborfermentern (7.5 l Volumen) mit CO 2 und O 2 -Abgas-Analytik sowie pH-Kontrolle fermentiert. Primäres Ziel dabei war es, Kultur- parameter zu identifizieren, die eine Regelung und damit eine Op- timierung der Fermentationsprozesses erlauben. Die unter Punkt A beschriebenen Ergebnisse hatten gezeigt, dass die Acetat-Konzentration einen kritischen Parameter für die Regulation von Wachstum und Pyruvat-Bildung darstellt. Da die on-line-Bestimmung von Acetat, z.B. via HPLC, sehr aufwändig ist, wurde in den ersten fed-batch-Fermentationsexperimenten (syn- thetisches Glucose-Medium mit manueller Acetat-Zugabe nach ei- nem empirisch gewählten Dosierprofil) untersucht, welche Korre- lation zwischen der CO 2 -Bildungsrate (on-line-Analytik) und der Acetat-Verbrauchsrate (off-line-Messung via HPLC) besteht. Bei geringer Aktivität des oxidativen Pentosephoshat-Weges wird CO 2 in erster Linie im Citrat-Cyklus gebildet. Da dessen Funktion von Acetyl-CoA und damit in der Mutante YYC202 strikt von der Ace- tat-Zugabe abhängig ist, wurde erwartet, dass Acetat-Verbrauchsra- te (ACR) und CO 2 -Bildungsrate (CTR) proportional zueinander sind. Tatsächlich zeigten die experimentellen Daten (Abb. 4), dass die CO 2 -Bildungsrate identisch mit Acetat-Verbrauchsrate ist, d.h. ACR = CTR (Gl. 7). Unter Verwendung dieser Beziehung ist es nunmehr möglich, die Acetatverbrauchsrate on-line abzuschätzen und durch Variation dieses Parameters Wachstum und Produktbildung on-line zu steu- ern. Wird eine hochselektive Umsetzung von Glucose in Pyruvat bei geringer Wachstumsrate angestrebt, so könnte dies mit einer niedrigen Acetatdosierrate erreicht und durch die on-line-Messung des CO 2 -Abgassignals kontrolliert werden. Alternativ könnte eine hohe Wachstumsrate bei geringer Pyruvat-Produktion realisiert wer- den, in dem immer eine sättigende Acetat-Konzentration zur Verfü- gung gestellt wird. Die gefundene Korrelation (Gl. 7) bietet also die Abb. 4: Zeitliche Verläufe von OD 600 und Acetat-Konzentration (oben) bzw. von CO 2 -Bildungsrate CTR und Acetatverbrauchsrate ACR bei einer fed- batch-Fermentation mit manueller Acetatzugabe gemäß dem im oberen Teil angezeigten Acetat-Feed-Profil. Biokatalyse

Biokatalyse - DBU · luläre Pyruvat-Konzentration zu erwarten, so dass die D-Lactat-Dehydrogenase trotz ihrer schlechten Pyruvat-Affinität (K m-Wert etwa 7 mM bei pH 7.5; Tarmy

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giou et al. 1987) besitzt eine Deletion der aceEF-Gene für die Un-tereinheiten E1 und E2 des Pyruvat-Dehydrogenase-Komplexessowie Mutationen in den Genen pflB und poxB, die zum Verlust derPyruvat-Formiat-Lyase-Aktivität und der Pyruvat-„Oxidase“-Akti-vität führen. Dieser Genotyp bedingt, dass der Stamm keine Mög-lichkeit besitzt, um Pyruvat zu Acetyl-CoA bzw. Acetat umzusetzenund daher bei Wachstum in Minimalmedien Acetat-auxotroph ist.Außerdem besitzt der Stamm ein defektes pps-Gen, verbunden miteinem Verlust der PEP-Synthetase-Aktivität:

Pyruvat + ATP + H2O � PEP + AMP + PPa (Gl. 4).

Ausgehend von diesem Stamm soll eine möglichst vollständigeaerobe, glykolytische Umsetzung von Glucose zu Pyruvat erreichtwerden. Das bei der Oxidation von Glycerinaldehyd-3-phosphatentstehende NADH wird dabei durch die Atmungskette reoxidiert(Abb. 1):

Glucose + O2 � 2 Pyruvat- + 2 H+ + 2 H2O (Gl. 5).

Nachdem in Vorversuchen die Acetat-Auxotrophie des E. coli-Stammes YYC202 bestätigt werden konnte, wurde in der ersten Pro-jektphase das Wachstum und die Produktbildung in Minimalmedi-um mit Glucose und Acetat untersucht (Kultivierung in Schüttel-kolben). Dabei zeigte sich, dass tatsächlich ein beträchtlicher Teilder verbrauchten Glucose in Pyruvat umgesetzt und ins Mediumausgeschieden wird (Abb. 2). Wachstum und Pyruvat-Bildung wa-ren abhängig von der zugesetzten Acetat-Konzentration. Bei glei-cher Glucose-Ausgangskonzentration führten steigende Acetat-Kon-zentrationen erwartungsgemäß zu einer höheren Zellausbeute undzu einer geringeren Pyruvat-Ausbeute. Die Acetat-Konzentrationerwies sich also als kritischer Parameter zur Steuerung von Wachs-tum und Produktbildung. Unter Acetat-limitierenden Bedingungenwurde bei diesen Versuchen bis zu 1.7 mol Pyruvat/mol Glucosegebildet.

Eine maximale Pyruvat-Ausbeute kann nur mit nicht-wachsen-den Zellen erreicht werden, da wachsende Zellen einen beträchtli-chen Teil der Intermediate aus Glykolyse und Pentosephosphat-Weg für Biosynthesen verwenden. Aus diesem Grund wurde auchdie Glucose-Umsetzung durch Zellen von E. coli YYC202 untersucht,die nach Wachstum in Glucose-Minimal-Medium in einem Pufferohne weitere Nährstoffe resuspendiert worden waren. Dabei konn-te unter geeigneten Bedingungen eine vollständige Umsetzung vonGlucose zu Pyruvat erreicht werden (Abb. 3).

Bei Versuchen zur Umsetzung von höheren Glucose-Konzen-trationen durch wachsende und nicht-wachsende Zellen von E. coliYYC202 wurde die Bildung von Lactat als Nebenprodukt beobach-tet. Verantwortlich dafür ist die NAD+-abhängige D-Lactat-Dehy-drogenase (ldhA-Genprodukt):

Pyruvat- + NADH + H+ � D-Lactat- + NAD+ (Gl. 6).

Dieses Enzym wird durch anaerobe Bedingungen und einenniedrigen pH-Wert induziert, ist jedoch auch unter aeroben, pH-neutralen Bedingungen mit hoher Aktivität im Zellextrakt vorhan-den (Mat-Jan et al. 1989). Im Stamm YYC202 ist eine hohe intrazel-luläre Pyruvat-Konzentration zu erwarten, so dass die D-Lactat-Dehydrogenase trotz ihrer schlechten Pyruvat-Affinität (Km-Wertetwa 7 mM bei pH 7.5; Tarmy und Kaplan 1968) und trotz ihrer imVergleich zu den beiden membrangebundenen NADH-Dehydro-genasen (Km 5 bzw. 50 µM) schlechten NADH-Affinität (Km 0.25 -0.5 mM) einen Teil des Pyruvats zu Lactat reduziert. Um die Bil-dung dieses Nebenproduktes, das aufgrund seiner chemischen Ähn-lichkeit zu Pyruvat ein Problem bei der Aufarbeitung darstellt, zueliminieren, soll das ldhA-Gen (Bunch et al. 1997) deletiert werden.

B. Fermentationsentwicklung

Aufbauend auf der oben beschriebenen Stamm-Charakterisie-rung und -Optimierung wurde der Stamm YYC202 anschließend inLaborfermentern (7.5 l Volumen) mit CO2 und O2-Abgas-Analytiksowie pH-Kontrolle fermentiert. Primäres Ziel dabei war es, Kultur-parameter zu identifizieren, die eine Regelung und damit eine Op-timierung der Fermentationsprozesses erlauben.

Die unter Punkt A beschriebenen Ergebnisse hatten gezeigt,dass die Acetat-Konzentration einen kritischen Parameter für dieRegulation von Wachstum und Pyruvat-Bildung darstellt. Da dieon-line-Bestimmung von Acetat, z.B. via HPLC, sehr aufwändig ist,wurde in den ersten fed-batch-Fermentationsexperimenten (syn-thetisches Glucose-Medium mit manueller Acetat-Zugabe nach ei-nem empirisch gewählten Dosierprofil) untersucht, welche Korre-lation zwischen der CO2-Bildungsrate (on-line-Analytik) und derAcetat-Verbrauchsrate (off-line-Messung via HPLC) besteht. Beigeringer Aktivität des oxidativen Pentosephoshat-Weges wird CO2

in erster Linie im Citrat-Cyklus gebildet. Da dessen Funktion vonAcetyl-CoA und damit in der Mutante YYC202 strikt von der Ace-tat-Zugabe abhängig ist, wurde erwartet, dass Acetat-Verbrauchsra-te (ACR) und CO2-Bildungsrate (CTR) proportional zueinander sind.Tatsächlich zeigten die experimentellen Daten (Abb. 4), dass dieCO2-Bildungsrate identisch mit Acetat-Verbrauchsrate ist, d.h.

ACR = CTR (Gl. 7).

Unter Verwendung dieser Beziehung ist es nunmehr möglich,die Acetatverbrauchsrate on-line abzuschätzen und durch Variationdieses Parameters Wachstum und Produktbildung on-line zu steu-ern. Wird eine hochselektive Umsetzung von Glucose in Pyruvatbei geringer Wachstumsrate angestrebt, so könnte dies mit einerniedrigen Acetatdosierrate erreicht und durch die on-line-Messungdes CO2-Abgassignals kontrolliert werden. Alternativ könnte einehohe Wachstumsrate bei geringer Pyruvat-Produktion realisiert wer-den, in dem immer eine sättigende Acetat-Konzentration zur Verfü-gung gestellt wird. Die gefundene Korrelation (Gl. 7) bietet also die

Abb. 4: Zeitliche Verläufe von OD600 und Acetat-Konzentration (oben) bzw.von CO2-Bildungsrate CTR und Acetatverbrauchsrate ACR bei einer fed-batch-Fermentation mit manueller Acetatzugabe gemäß dem im oberen Teilangezeigten Acetat-Feed-Profil.

Biokatalyse

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Möglichkeit, die Prozessführung auf unter-schiedliche Prozessoptima wie Maximierungder Raum-Zeit-Ausbeute, Maximierung desProdukttiters oder Maximierung der Pyru-vat/Glucose-Selektivität auszurichten.

Ergänzend zur Acetat-Regelung wurdeder Ansatz verfolgt, die Glucose-Konzentra-tion während der Fermentation auf einenkonstanten Wert von 5 g/l einzuregeln, da-mit keine Substrat-Limitierung eintritt. Zudiesem Zweck wurde in den Bypass des La-borreaktors eine Ultrafiltrationseinheit zurBereitstellung eines zellfreien Permeats fürenzymatische Glucose-Messungen (OLGA-Technik, IBA, Göttingen) eingebaut (Abb.5). In Abbildung 6 ist ein Beispiel für einenAcetat- und Glucose-geregelten fed-batch-Prozess im 7.5 L Bioreaktor gezeigt. Dabeiwurde eine optische Dichte bei 600 nm(OD600) von 35, ein Brenztraubensäure-Ti-

ter von 500 mM (ca. 44 g/l), eine Raum-Zeit-Ausbeute von 24.7 mmol l-1 h-1 und eine ma-ximale differentielle Selektivität von 1.2 molPyruvat/mol Glucose erreicht.

Für die Zukunft ist eine Serie von Ex-perimenten geplant, bei denen der Einflussunterschiedlicher Glucose-Konzentrationenund unterschiedlicher Acetatverbrauchsra-ten auf die Pyruvat-Bildung untersucht wird.Die daraus resultierenden Ergebnisse sollendie Basis für eine quantitative Prozessmo-dellierung bilden. Weiterführende Verfah-renskonzepte sehen z.B. eine geregelte,zweistufige Prozessführung vor. In einerWachstumsphase mit relativ geringer Pyru-vat-Bildung sollen zunächst durch Biomas-serückhaltung mittels Mikro-/Ultrafiltrationhohe Zelldichten und damit hohe Biokata-lysatorkonzentrationen erzielt werden. An-schließend sollen diese Zellen in Abwesen-heit von Acetat die zugegebene Glucosemöglichst quantitativ in Pyruvat umsetzen.Unter Verwendung der vorgestellten rege-lungstechnischen Ansätze soll eine optimier-te Steuerung der beiden Prozessphasen er-folgen. Zusätzlich soll mit Hilfe einer Pro-tonenbilanz untersucht werden, ob eine on-line-Abschätzung der Pyruvat-Bildungsrateaus den Daten der pH-Titrationsrate, desGlucose- bzw. Acetat-Verbrauchs und derCO2-Bildung möglich ist. Dazu soll ein ent-sprechendes Protonenbilanz-Modell in dasMessdatenerfassungsprogramm MEDUSAintegriert und analysiert werden.

C. Halbtechnische Realisierung

Der im Labormaßstab entwickelte Fer-mentationsprozess soll in Kooperation mitder Firma Rhein Biotech GmbH (Düssel-dorf) in den Technikumsmaßstab überführtund ein Pyruvat-Aufarbeitungsverfahrenetabliert werden. Am Ende dieses Prozes-ses soll ein kommerziell einsetzbares Brenz-traubensäure-Herstellungsverfahren stehen.

Bei der Übertragung des Fermentations-prozesses aus dem Labor- in den halbtech-nischen Maßstab müssen die Bauart-beding-ten Einflüsse des vergrößerten Reaktorsy-stems auf den Fermentationsprozess sowieseine Regelbarkeit untersucht werden. Ob-wohl in beiden Fällen gleiche Reaktortypen(Rührkesselreaktoren) eingesetzt werden,können z.B Unterschiede in den erzielba-ren Sauerstoffeintragsraten auftreten. Ein imVergleich zum Laborreaktor reduzierter Sau-erstoffeintrag im Technikumsreaktor kannzur Limitierung des Wachstums und zur Bil-dung unerwünschter Nebenprodukte füh-ren. Weiterhin steigt bei hohen Reaktorendurch den erhöhten hydrostatischen Druckz.B. auch die Gelöstkonzentration an CO2

im unteren Reaktorbereich an. Im Fall derPyruvat-produzierenden E. coli-Zellen könn-te damit eine unerwünschte Erhöhung der

PEP-Carboxylase-Aktivität und eine Verrin-gerung der Glucose/Pyruvat-Selektivitätverbunden sein. Fermentationen unterÜberdruck könnten diesen Effekt simulie-ren und quantitativ erfassen. Zusätzlich sollder Einfluss der Zellrückhaltung durch Ver-wendung einer Mikro-/Ultrafiltrationsmem-bran im vergrößerten Reaktorsystem ermit-telt werden. Dazu muss u.a. untersucht wer-den, welche Pumpraten im Reaktorumlaufnotwendig sind, um eine Sauerstofflimitie-rung im Bypass zu vermeiden. Da der Lei-stungseintrag zwecks Schonung der Zellenmöglichst scherkraftarm erfolgen soll, müs-sen verschiedene Pumpentypen auf ihreEignung getestet werden. Auch sollen z.B.Deckschichtbildung, transmembranerDruck und erzielbarer Permeatstrom für diemaßstabsvergrößerte Ultra-/Mikrofiltrations-einheit untersucht werden. Weiterhin mussdie Übertragbarkeit der im Labormaßstabentwickelten Regelungsstrategie auf denTechnikumsreaktor getestet werden. DieReglerparametrisierung muss entsprechendangepasst werden. Dies schließt auch dieÜberprüfung und ggfs. Änderung des Pro-tonenbilanz-Modells mit ein.

Das zweite Ziel im Rahmen der halb-technischen Realisierung ist die Entwick-lung eines umweltverträglichen, wirtschaft-lichen und scale-up-fähigen Aufarbeitungs-verfahrens zur Isolation von Pyruvat aus derFermentationslösung. Da es sich bei demZielprodukt um ein Anion handelt, könntez.B. die Donnan-Dialyse zur Aufarbeitunggeeignet sein (Yonemoto, T. und Tadaki T.1991). Alternativ sollen Verfahren wie Elek-trodialyse, Präzipitation und Chromatogra-phie hinsichtlich ihrer Eignung für die Py-ruvat-Aufarbeitung getestet werden.

D. Ökologische und ökonomischeEvaluation des Prozesses

Parallel zur Prozessentwicklung im La-bor- und Technikumsmaßstab erfolgt einedem jeweiligen Entwicklungsstand angepas-ste Bewertung des Gesamtprozesses hin-sichtlich ökologischer und ökonomischerKriterien. Diese erfolgt durch ein Team un-ter Leitung von Prof. Dr. Heinzle (Univer-sität des Saarlandes) und soll Hilfestellun-gen z.B. bei der Auswahl eines geeignetenPyruvat-Aufarbeitungsverfahrens liefern.

Referenzen

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Abb. 5: Schematischer Aufbau des 7.5 l –Bioreaktors mit integrierter Glucose-Messungund Regelung.

Abb. 6: Beispiel eines fed-batch-Prozesses mitAcetat-Regelung via CO2-Abgasmessung.Zusätzlich wurde Glucose auf einen Sollwert von5 g/l konstant eingeregelt. Aus technischenGründen wurde der Acetat-Feed nach ca. 15 hProzesszeit gestoppt.

Biokatalyse

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Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Michael BottInstitut für BiotechnologieForschungszentrum Jülich GmbHD-52425 JülichFon: +49 2461 615515Fax: +49 2461 612710eMail: [email protected]://www.kfa-juelich.de/ibt/biochem/biochem.html

Biokatalyse

L-Glycerol-3-phosphat (L-G3P) ist einubiquitär verbreitetes Stoffwechselzwi-schenprodukt in lebenden Zellen. Wirt-schaftlich ist diese Substanz als Precursor-molekül für die enzymatische Synthese vonKohlenhydratbausteinen im Rahmen derProduktion von Pharmaka bedeutsam. Dieherkömmlichen chemischen und enzymati-schen Methoden zur Gewinnung von L-G3Psind umweltbelastend bzw. teuer. Mit Hilfevon genetisch modifizierten Stämmen derBäckerhefe Saccharomyces cerevisiae alsBiokatalysatoren, soll L-G3P auf biotech-nologischem Wege hergestellt werden.Durch geeignetes metabolic engineeringist es bereits gelungen, das gewünschteProdukt intrazellulär in der Hefe anzuhäu-fen. Weitere Arbeiten sollen sich nebeneiner Ausbeutesteigerung darauf konzen-trieren, das L-G3P aus den Zellen in dasumgebende Medium auszuschleusen.

Biotechnologische Produktion

von L-Glycerol-3-phosphat

Dr. Elke Nevoigt, M. Sc. Huyen Thi ThanhNguyen, Prof. Dr. Dipl.-Ing. Ulf StahlTechnische Universität Berlin, Institut fürBiotechnologie, Fachgebiet Mikrobiologie undGenetik

Einleitung und Fragestellung

� L-Glycerol-3-phosphat (L-G3P) ist einpotenzielles Zwischenprodukt für die enzy-matische Synthese von Kohlenhydratbaustei-nen, Phospholipiden und Nukleosiden. AusL-G3P können so beispielsweise über dieZwischenstufe Dihydroxyacetonphosphat(DHAP) mit Hilfe von Aldolasen, z.B. Fruc-tose-1,6 bisphosphataldolase (EC 4.1.2.13),Fuculose-1-phosphataldolase (EC 4.1.2.17)und Rhamnulose-1-phosphataldolase (EC4.1.2.19), stereochemisch reine Kohlenhydrat-bausteine hergestellt werden [Bednarski et al.,1989; Wong et al., 1983]. Dies ist insofern vongroßem wirtschaftlichem Interesse, als Koh-lenhydrate (z.B. Salicylsäure, 2-Keto-3-Des-oxyoctonsäure und verwandte Zucker) eineSchlüsselrolle bei der Zell-Zell-Erkennungspielen und somit in zahlreichen medizinischrelevanten biologischen Prozessen, wie z.B.in der Immunantwort menschlicher Zellenund bei der Metastasenbildung, eine zentra-le Rolle spielen [Ogura et al., 1992]. Daherstellt L-G3P eine interessante Ausgangssub-stanz für die Pharmakaproduktion dar. Dadiese Substanz am Markt jedoch nur zu ver-gleichsweise hohen Kosten verfügbar ist,wurde es bisher nicht für solche Syntheseneingesetzt.

L-G3P wird in traditionellen Herstel-lungsverfahren aus Glycerol synthetisiert,welches chemisch phosphoryliert wird [Cher-buliez und Weniger, 1946]. Dabei müssenaggressive Phosphorylierungsreagenzien ein-gesetzt werden. Die entsprechenden Verfah-ren führen nicht zu stereochemisch reinemL-G3P, sondern zu einem Gemisch von race-mischem DL-G3P und G2P. Das gewünsch-te L-G3P fällt nur mit maximal 25%iger Aus-beute an.

Eine Alternative zu den chemischen Her-stellungsverfahren ist eine enzymatisch kata-

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lysierte Phosphorylierung von Glycerol [Cransund Whitesides, 1985]. Da diese ReaktionATP-abhängig ist, erfordert die Herstellungvon L-G3P eine ständige Regenerierung desKosubstrates ATP. Dies kann mit Hilfe vonPhosphatdonormolekülen erfolgen. Eine ge-eignete Verbindung wäre das Phosphoenolpy-ruvat, welches jedoch chemisch über bromier-te Zwischenprodukte, d.h. aufwändig undwenig umweltfreundlich, hergestellt wird.

Interessanterweise ist L-G3P auch einubiquitär verbreitetes Zwischenprodukt desPrimärstoffwechsels lebender Zellen und stellteine zentrale Ausgangssubstanz für die Fett-synthese (Triacylglycerole und Phospholipi-de) dar. Allerdings ist die Menge an L-G3P,die in Zellen und Geweben vorliegt, so gering,dass eine Isolation dieser Substanz nicht in Er-wägung gezogen werden kann. Die Produkti-on von L-G3P auf biologischem Wege, z.B. mitHilfe von Mikroorganismen, ist folglich erstdann relevant, wenn es gelingt, den Stoffwech-sel der Zellen so zu modifizieren, dass L-G3Pakkumuliert wird. Ein entsprechender Eingriffin den Stoffwechsel bestimmter Mikroorganis-men (metabolic engineering) ist mit Hilfe derGentechnik möglich. Diese Überlegungenführten zu der Idee des Forschungsvorhabens,L-G3P auf biotechnologischem Wege, d.h. mitder Hilfe von genetisch optimierten Stämmender Bäckerhefe Saccharomyces cerevisiae, auspreiswerten Rohstoffen (z.B. Melasse) zu pro-duzieren. Eine solche Herstellungsform istzugleich ökonomisch und umweltentlastend.Hinzu kommt, dass Hefe- und andere Zellen

ausschließlich die gewünschte L-Form vonG3P, d.h. eine stereochemisch reine Substanz,bilden.

Biotechnologische Produktion von L-G3Pmit Hilfe von genetisch optimiertenStämmen der Bäckerhefe Saccharomycescerevisiae

L-G3P ist kein Stoffwechselendprodukt,sondern ein Zwischenprodukt, welchesdurch enzymatische Reaktionen ständig inandere Produkte (z.B. Glycerol, Lipide)weiter verstoffwechselt wird (Abb. 1). Umdie Konzentration eines solchen Stoffes inder Zelle zu erhöhen, gibt es zwei grund-sätzliche Möglichkeiten des metabolic engi-neering: i) die Verstärkung seiner Bildung imStoffwechsel bzw. ii) die Verminderung oderHemmung seiner Verstoffwechselung. Füreine Optimierung der Akkumulation desgewünschten Stoffes sind beide Wege mit-einander zu kombinieren.

Beschleunigung der Produktion von L-G3Pim Hefestoffwechsel – Verschiebung desHauptmetabolitflusses in RichtungGlycerol

Die Glykolyse (Embden-Meyerhof-Par-nas-Abbau; Abb. 1) ist der Hauptweg derZuckerverwertung in Hefen. Dabei werdendie Zucker zu Pyruvat metabolisiert. Inner-halb der alkoholischen Gärung wird das Py-ruvat dann zu Ethanol und CO2 umgesetzt.

Im Rahmen der alkoholischen Gärungwird der größte Teil des cytosolischenNADH reoxydiert, welches beim glykolyti-schen Zuckerabbau gebildet wird (Abb.1).Die Reduktionsäquivalente werden dabeiauf den Elektronenacceptor Acetaldehydübertragen und es entsteht Ethanol undNAD (Abb. 1). Letzteres ist von entschei-dender Bedeutung für die Zelle, da NADdort nur in katalytischen Mengen vorhandenist [Bakker et al., 2001]. Für eine Aufrecht-erhaltung des Stoffflusses muss es demnachpermanent regeneriert werden. Eine alter-native Möglichkeit zur Regeneration vonNAD ist die Übertragung der Reduktions-äquivalente von NADH auf Dihydroxy-acetonphosphat. Dabei entsteht L-G3P alsZwischenprodukt und Glycerol als Endpro-dukt (Abb. 1). Die Regeneration von NADim Rahmen dieses Nebenweges der Glyko-lyse spielt eine wichtige Rolle im Hefestoff-wechsel. Wenn sich die Hefe vermehrt undBiomasse bildet, entsteht „überschüssiges“NADH. Dies übersteigt die Regenerie-rungskapazität der alkoholischen Gärungund muss deshalb innerhalb der Glycerol-bildung „entsorgt“ werden. Die Menge an„überschüssigem“ NADH, das im Rahmender Glycerolbildung reoxidiert werden muss,kann erhöht werden, indem man der Hefe-zelle den Elektronenakzeptor der alkoholi-schen Gärung, d.h. das Acetaldehyd, ent-zieht. Dies erreicht man beispielsweisedurch Zugabe von Sulfit, welches eine Kom-plexierung des Acetaldehyds zur Folge hat[Neuberg und Reinfurth, 1918]. Mit dieserMethode („2. Neuberg’sche Vergärungs-form“) wurde zu Beginn des letzten Jahrhun-derts Glycerol produziert.

Neben seiner Bedeutung für die NAD-Regeneration spielt Glycerol bei Hefen einewichtige Rolle als kompatible Substanz beiosmotischem Stress. Um dem Wasserentzugbei einer Erhöhung des extrazellulären os-motischen Druckes entgegenzuwirken, bil-det die Hefe verstärkt Glycerol und akku-muliert es [Nevoigt and Stahl, 1997].

Neben den genannten Beispielen gibtes Daten, die belegen, dass eine verstärkteGlycerolbiosynthese aus Zuckern auchdurch gentechnische Eingriffe in die Hefemöglich ist. Durch Veränderungen einzelnerEnzymaktivitäten konnte der Stoffwechselvon S. cerevisiae bei gleichzeitiger Verminde-rung der Ethanolausbeute in RichtungGlycerol verschoben werden [Nevoigt andStahl, 1996]. Unter anderem wurde diesdurch die Erhöhung der Aktivität der Glyce-rol-3-phosphatdehydrogenase (GPD) er-reicht (Abb. 1). Das Gen, welches für denHauptteil der GPD-Aktivität verantwortlichist (GPD1) [Larrson et al., 1993; Albertyn etal., 1994] wurde mit Hilfe eines „Multico-py“-Vektors in der Hefe überexprimiert.Entsprechende Hefestämme weisen eine

Abb. 1: Vereinfachte Darstellung der Glykolyse einschließlich der alkoholischen Gärung (Ethanolbil-dung) sowie der Glycerolbildung bei der Bäckerhefe S. cerevisiae. Die bisher durchgeführten Stoff-wechselveränderungen zur Akkumulation von L-Glycerol-3-phosphat sind rot gekennzeichnet.GPD: Glycerol 3-phosphatdehydrogenase; GPP: Glycerol-3-phosphatase

Biokatalyse

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20-25fach erhöhte Aktivität der GPD auf.Das führt zu einer Verschiebung des Haupt-stoffwechselweges in der Hefe, so dass einerheblicher Anteil der Metabolite in dieGlycerolbildung fließt, die, wie erwähnt,normalerweise nur einen Nebenweg dar-stellt. Die Glycerolausbeute stieg in solchenStämmen auf das 6fache.

Die Verschiebung des Stoffwechsels inRichtung Glycerol ist eine Möglichkeit, dieBildung von L-G3P zu erhöhen. Es ergab sichdie Frage, ob es in Stämmen mit erhöhterGPD-Aktivität zu einer Akkumulation dieserSubstanz kommt. Wie die Messungen zeig-ten, war die intrazelluläre Konzentration vonL-G3P hier tatsächlich erhöht (Abb. 2).

Reduzierung der Verstoffwechselung vonL-G3P – Hemmung der Dephosporylierungzu Glycerol

Wie erwähnt, besteht ein anderer Weg,um ein Stoffwechselzwischenprodukt zuakkumulieren, darin, dessen Weiterverstoff-wechselung zu hemmen bzw. ganz zu un-terbinden. Im Falle von L-G3P könnte mandazu einerseits die Bildung von Glyceroli-piden und andererseits die Dephosphorylie-rung zu Glycerol hemmen. Da letztere Re-aktion für die Verwertung von L-G3P quan-titativ mehr ins Gewicht fällt, bestand dererste Schritt in einer Verminderung der Ak-tivität der Glycerolphosphatase. Es existie-ren zwei sehr ähnliche Isoformen diesesEnzyms in der Hefe (Gpp1p und Gpp2p).Gpp1p ist für 75% der Enzymaktivität ver-antwortlich [Norbeck et al., 1996]. Das ent-sprechende Gen (GPP1) wurde deshalb inder Hefe deletiert. In dem resultierendenHefestamm war folglich nur noch 25% derursprünglichen Enzymaktivität vorhanden.Wie Abb. 2 zeigt, führt diese Veränderungebenfalls zu einer Akkumulation von L-G3P, die ähnlich hoch ist, wie in dem Stammmit der erhöhten GPD-Aktivität.

Im letzten Schritt wurden beide En-zymaktivitätsveränderungen miteinanderkombiniert. Dazu wurde die Kopiezahl desGPD1-Gens in einem Stamm erhöht, dessenGPP1-Gen deletiert ist. Dies hatte im Ver-gleich zu den Einzelenzymmodifikationeneine wesentlich stärkere Erhöhung der intra-zellulären L-G3P-Menge zur Folge (Abb. 2).Dieses Ergebnis lässt deutlich erkennen, dasseine Kombination aus verstärkter Bildung undverminderter Verstoffwechselung eine effek-tive Strategie zur Akkumulation eines Stoff-wechselzwischenproduktes darstellt.

Weitere Optimierung der L-G3P-Akkumula-tion in der Hefe

Mit Hilfe der durchgeführten Modifizie-rungen konnte eine intrazelluläre Akkumu-lation von ca. 0,8 mg L-G3P/g Hefetrocken-masse erhalten werden. Diese Ergebnissezeigen, dass es prinzipiell möglich ist, L-G3Pdurch metabolic engineering in der Hefe anzu-häufen. Durch weitere gerichtete Eingriffein den Stoffwechsel sollte es durchaus mög-lich sein, die Ausbeute an L-G3P noch er-heblich zu steigern.

Weitere Enzymaktivitätsänderungenkönnten aus verschiedenen Gründen (z.B.ATP-Mangel) zu einer Beeinträchtigungbzw. völligen Stagnierung des Zellwachs-tums führen. Deshalb ist für die praktischeAnwendung geplant, die entscheidendenEnzymaktivitätsveränderungen in der Hefeerst dann zu induzieren, nachdem die ge-wünschte Biomasse erreicht ist. Mit dieserStrategie wird gewährleistet, dass die Zel-len sich zunächst vermehren und anschlie-ßend hohe Mengen L-G3P bilden können.

Bisher wird L-G3P von den modifizier-ten Hefestämmen intrazellulär akkumuliert.Da es sich um eine phosphorylierte Substanzhandelt, wird angenommen, dass L-G3Pnicht oder nur wenig in das Kulturmediumdiffundiert. Um ökonomisch sinnvolle Aus-beuten an L-G3P zu erhalten, ist es jedochnotwendig, dass es aus den Hefezellen in dasumgebende Medium gelangt. Daraus kannes wesentlich leichter isoliert werden, als ausden Zellen selbst. Ein wichtiges Ziel derweiteren Forschungsarbeit wird darin beste-hen, die Hefe so zu modifizieren, dass siedas gebildete L-G3P in das Medium abgibt.

Literatur

Albertyn, J.; Hohmann, S.; Thevelein, J. M. and Prior,B. A. (1994): GPD1 encoding glycerol-3-phosphatedehydrogenase is essential for growth under osmoticstress in Saccharomyces cerevisiae, and its expression isregulated by the high-osmolarity glycerol responsepathway. Mol. Cell. Biol. 14: 4135 - 4144

Abb. 2: Akkumulation von L-Glycerol-3-phosphatin genetisch optimierten Stämmen der Bäckerhe-fe S. cerevisiae im Vergleich zu einem entspre-chenden Referenzstamm.

Biokatalyse

Bakker B.M., Overkamp K.M., van Maris A.J.,Kotter P., Luttik M.A., van Dijken J.P., Pronk J.T.(2001): Stoichiometry and compartmentation ofNADH metabolism in Saccharomyces cerevisiae.FEMS Microbiol. Rev. 25: 15-37Bednarski, M.D.; Simon, E.S.; Bischofberger, N.;Fessner, W.D., Kim,M.J.; Lees; W.; Saito, T.;Waldmann, H. and Whitesides, G.M. (1989): Rabbitmuscel aldolases as a catalyst in organic synthesis. J.Am. Chem. Soc. 111: 627-635Cherbuliez, E. et Weniger, H. (1946): Phosphorylati-ons par les acides polyphosphoriques. Helv. Chim.Acta 29: 2006-2017Crans, D.C. and Whitesides, G.M. (1985): Glycerolkinase: synthesis of dihydroxyacetone phosphate, sn-Glycerol-3-phosphate, and chiral analogues.J.Am.Chem.Soc. 107: 7019-7027Larrson, K.; Ansell, R.; Eriksson and P. Adler, L.(1993): A gene encoding sn-glycerol 3-phosphatedehydrogenase (NAD+) complements an osmosensi-tive mutant of Saccharomyces cerevisiae. Mol.Microbiol. 10: 1101 - 1111Neuberg, C. und Reinfurth, E. (1918): Natürlicheund erzwungene Glycerinbildung bei der alkoholi-schen Gärung. Biochem. Z. 100: 234 - 266Nevoigt, E. and Stahl, U. (1996): Reduced pyruvatedecarboxylase and increased glycerol-3-phosphatedehydrogenase [NAD+] levels enhance glycerolproduction in Saccharomyces cerevisiae. Yeast 12:1331 - 1337Nevoigt, E. and Stahl, U. (1997): Osmoregulationand glycerol metabolism in the yeast Saccharo-myces cerevisiae. FEMS Microbiol. Rev. 21: 231-241Norbeck, J.; Pahlman, A.-K.; Akhtar, N.; Blomberg,A.and Adler, L. (1996): Purification and characteriza-tion of two isoenzymes of DL-glycerol-3-phosphatasefrom Saccharomyces cerevisiae. J. Biol. Chem. 271:13875 - 13881Ogura, H., Hasegawa, A. and Suami, T.: Carbohy-drates - Synthetic Methods and Applications inMedical Chemistry, Kodansha Ltd., Tokyo, 1992Wong, C.H. and Whitesides, G.M. (1983): Synthesisof sugars by aldolase-catalysed condensationreactions. J. Org. Chem. 48: 3199-3205

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Dipl.-Ing. U. StahlTechnische Universität BerlinInstitut für BiotechnologieFachgebiet Mikrobiologie und GenetikSeestr. 13D-13353 BerlinTel.: 030-314-72750Fax: 030-314-72922eMail: [email protected]://www.tu-berlin.de/biotec/mibi/

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Biokatalyse

In der Geflügelproduktion fallen jährlichallein in Deutschland 20.000 TonnenFedern an. Sie bestehen zu 95 % ausKeratin, einer komplexen Mischung ausunlöslichen Proteinen, und sind u. a.aufgrund des hohen Disulfidbrückenanteilsschwer abzubauen. Die Entsorgung vonAbfallfedern stellt sich laut Geflügel-schlachtereien und Daunendeckenherstel-ler als zunehmend problematisch dar. Einealternative Entsorgung zu den chemischenHydrolyseverfahren (saure und basischeHydrolyse) ist wünschenswert, da dieseeine aufwändige Aufarbeitung erfordernund die Umwelt mit hohen Salzfrachtenbelasten.

Biotechnologische Verwertung von

Abfallfedern mit Hilfe extremophiler

Mikroorganismen

Dipl.-Biotechnol. Julia Brodersen, Dipl.-Biol.Carolin Goedde, Dipl.-Ing. Carola Fuchs, Dr.rer.nat. Sabine Riessen, Prof. rer.nat. GarabedAntranikian, Prof. Dr.-Ing. Herbert MärklTech-nische Universität Hamburg-Harburg, Institut fürBioprozess- und Bioverfahrenstechnik

� Im Forschungsvorhaben zur biotechno-logischen Verwertung von Abfallfedern sol-len aus den in großen Mengen in Geflügel-schlachtereien anfallenden Federn in einemneuartigen biotechnologischen Verfahrenunter Einsatz von extremophilen Mikroor-ganismen wertvolle Aminosäuren und Pep-tide gewonnen werden.

Aminosäuren gehören zu den wichtigenbiotechnologisch gewonnenen Stoffen undstellen ein Produkt mit hohem Marktwertdar (Friedrich und Antranikian, 1996). Einbiotechnologisches Verfahren, das aus Ab-fallfedern Aminosäuren und Peptide ge-winnt, erscheint daher wirtschaftlich undökologisch vielversprechend.

Abb. 1: Prozessalternativen. In einem biotechnologischen Verfahren werden Federn in zwei Schrittenverarbeitet: Im ersten Schritt werden sie entweder durch den direkten Einsatz von Enzymen oder durchden Einsatz von lebenden Kulturen in ihre Bausteine gespalten. In einem zweiten Prozessschrittkönnen sie direkt aufgereinigt oder zu Biogas weiterverwertet werden.

Motivation und Zielsetzung

Jährlich fallen in Deutschland in derGeflügelhaltung mehr als 20.000 TonnenFedern als Schlachtabfall an (Vogt undStute, 1975), welche einerseits zur Her-stellung von Bettdecken eingesetzt undzum Großteil als billiger Futtermittel-zusatz zu Federmehl verarbeitet werden.Federn bestehen zum Hauptteil ausKeratinen, einer komplexen Mischungaus stukturbildenden Proteinen.

Unter der Vielzahl der Produkte, dieaus Abfallfedern und Federmehl herge-stellt werden (Aminosäuren, Peptide,Futtermittelzusätze, Formbauteile, Füll-stoffe in der Lederindustrie, Feuerlösch-mittel), stellen die Aminosäuren und Pep-tide die wertvollsten Erzeugnisse dar. DieHerstellung von Aminosäuren durch denEinsatz von Mikroorganismen oder ihrenEnzymen hat den Vorteil, dass bei denenzymatischen Verfahren im Vergleichzu herkömmlichen Prozessen weniger un-erwünschte Nebenprodukte erzeugt wer-den. Die Rückstände der Fermentationsind biologisch abbaubar; es entstehenkeine neuen Problemstoffe, die lediglicheine Verlagerung der Entsorgungsproble-matik darstellen würden.

Neben der Aufreinigung zu Amino-säuren ist alternativ auch die Weiterver-arbeitung der Fermentationsbrühe zuBiogas denkbar. In einer Kofermentationmit zum Beispiel Abfällen aus der Le-bensmittelproduktion ließe sich der an-fallende Restschlamm der Biogasanlageals wertvoller Dünger einsetzen, währendzusätzlich noch ein Energieträger in Formdes Biogases aus dem Abfallstoff entste-hen würde.

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Vorteile gegenüber herkömmlichenchemischen Verfahren

Die Anwendung thermostabiler Enzymein industriellen Prozessen bietet gegenübermesophilen Varianten mehrere Vorteile. Solassen sich bei ausreichender Thermostabili-tät der Enzyme Reaktionen bei Temperatu-ren von T = 70 °C und darüber durchführen,bei denen die Gefahr einer Kontaminationdurch mesophile Organismen deutlich verrin-gert wird und sich gleichzeitig höhere Sub-stratlöslichkeiten und geringere Viskositätenin beschleunigten Reaktionsgeschwindig-keiten niederschlagen (Cowan et al., 1985;Krahe et al., 1996). Dies gilt insbesondere fürproteolytische Prozesse, da eine hohe Tem-peratur die Denaturierung des Substrates be-günstigt und somit einen proteolytischenAngriff erleichtert (van der Poel und El Bous-hy, 1990). Hinzu kommt, dass thermophileProteasen häufig eine höhere spezifische Ak-tivität aufweisen als mesophile Varianten unddass sie in der Lage sind, insbesondere natür-liche Proteinsubstrate effektiv umzusetzen(Cowan et al., 1985). Somit erscheint ein ther-mophiles Verfahren als eine wirtschaftlich ren-table Alternative.

Besonders erwünscht ist die gleichzeiti-ge Hygienisierung der Abfallfedern im Pro-zess. Zu beachten sind die keimreduzieren-den Bedingungen bei der Abfallverarbeitungund die hygienische Unbedenklichkeit desProduktes. Wie umfangreiche Untersuchun-gen gezeigt haben, treten bei Kompostwer-ken zum Teil bedenkliche Keimemissionenauf (Hessisches Ministerium, 1999). Bezüg-lich hygienischer Aspekte weist ein extremo-philer anaerober Prozess mit Temperaturenzwischen 70 °C und 80 °C erhebliche Vortei-le gegenüber der Kompostierung auf. EineAnreicherung pathogener Keime ist weitge-hend auszuschließen.

Stand der Technik

Unter Keratinen versteht man eine Grup-pe von Proteinen, die von Epithelzellen inverschiedenen höheren Wirbeltieren gebildet

werden. Sie sind eine komplexe Mischungvon unlöslichen Proteinen und in der Naturweit verbreitet. Federn sind zu 95% aus β-Keratin aufgebaut, dessen strukturbildendeAminosäuren zu einem β-Faltblatt angeord-net sind. Nach dem „Twisted-sheet“-Modellbilden jeweils zwei gegenläufige Stränge vonβ-Faltblatt-Ketten eine linksdrehende heli-kale Superstruktur, die durch die hervorste-henden Seitenketten vernetzt werden (Fra-ser et al., 1972). Das β-Keratin weist eine hohemechanische Stabilität aber nur eine geringeElastizität auf. Die Stabilität, die Unlöslich-keit und das weitgehend inerte Verhalten ge-genüber Umwelteinflüssen sind vermutlichauf den hohen Gehalt an intramolekularenCystinbrücken und Peptidbindungen zwi-schen den einzelnen Aminosäureketten zu-rückzuführen (Crewther und Dowling, 1960;Harding und Rogers, 1971). Hierauf beruhtauch die Resistenz gegenüber den meistenProteasen (Fraser et al., 1972). Federkeratinist besonders reich an den AminosäurenSerin, Glutamat, Cystein, Prolin, Leucin undValin (siehe Tab.1).

Ein Großteil der Abfallfedern wird heut-zutage über die Tierkörperverwertung ge-meinsam mit den übrigen Schlachtabfällenentsorgt und zu Federmehl verarbeitet oderchemisch in Aminosäuren und Peptide ge-spalten.

Als Futtermittelzugabe wird aus den Ab-fallfedern Federmehl hergestellt. Durch dieDampfhydrolyse oder die Extrudierung beihohen Scherkräften wird die Verfügbarkeitder Proteine durch das Aufbrechen der Di-sulfidbrücken erhöht. Die als Futtermittelzu-satz verwendeten Federmehlhydrolysate sindreich an Cystein und Serin, enthalten aber nurgeringe Mengen an primär limitierenden es-sentiellen Aminosäuren Lysin und Methioninund können daher nicht als alleiniges Futter-mittel eingesetzt, sondern nur in Anteilen von5% bis 8% zugemischt werden.

Weitere Anwendungsgebiete von Feder-mehl sind die Herstellung von Formbautei-len (Anker et al., 1971), die Verwendung alsFüllstoff in der Lederindustrie (Sastry et al.,1986) sowie als Feuerlöschmittel (Kulic et al.,1987). Unter der Vielzahl an Produkten, dieaus Abfallfedern hergestellt werden können,stellen Aminosäuren und Peptide insgesamtbetrachtet die wertvollsten Erzeugnisse dar.Insbesondere der hohe Gehalt an wertvollenAminosäuren wie Serin, Prolin und Isoleucinmachen Federkeratin zu einem interessantenRohstoff für die Aminosäuren- und Peptid-produktion.

Stand der Technik ist die chemische Hy-drolyse mit Salzsäure oder Natronlauge zurHerstellung von Aminosäuren aus Federn(Hoppe und Martens, 1984). Diese führtjedoch zu einem breiten Produktspektrumsowie einer hohen Salzfracht im Produkt-strom, die eine aufwändige Aufarbeitung er-

fordert und die Umwelt zusätzlich belastet.Außerdem können bei den chemischen Hy-drolyseverfahren unerwünschte Nebenpro-dukte entstehen, beispielsweise potenziellkanzerogene Chlorverbindungen beim Ein-satz von Salzsäure. Nachteil der alkalischenHydrolyse ist der Teilabbau der freigesetztenAminosäuren unter anderem durch Desami-nierung (Voet und Voet, 1995). Dies führt zueiner Verminderung der Bioverfügbarkeit derNährstoffe und somit zu einer Verschlechte-rung der Futterqualität (Papadopoulos, 1985,1989).

Aus diesen Gründen erscheint der Ein-satz eines biotechnologischen Verfahrens sinn-voll, mit dem sich sowohl hohe Salzfrachtenals auch die Bildung unerwünschter Neben-produkte verhindern bzw. minimieren lassen.Die chemische Hydrolyse wird mit Wasser-dampf und bei Drücken von bis zu p = 6,9 bardurchgeführt.

Abb. 2: Lichtmikroskopische Aufnahme vonFervidobacterium pennivorans bei 100facherVergrößerung.

Abb. 3: Abbau nativer Federn durch F. pennivor-ans innerhalb von 48h.

Komponente Native FedernTrockensubstanzGew.-%

Essentielle Aminosäuren

Threonin 4,66

Cystin/Cystein 6,87

Valin 7,38

Methionin 0,57

Isoleucin 4,90

Leucin 7,41

Tyrosin 2,79

Phenylalanin 4,35

Lysin 1,97

Histidin 0,60

Arginin 6,45

Nichtessentielle Aminosäuren

Asparaginsäure 6,21

Serin 11,13

Glutaminsäure 9,32

Prolin 8,81

Glycin 6,25

Alanin 4,27

Tab. 1: Aminosäurenzusammensetzung nativerFedern

Biokatalyse

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Biokatalyse

Abb. 5: ElektrophoretischeAuftrennung der extra- undintrazellulären Proteasefraktio-nen aus Thermoanaerobacterkeratinophilus im SDS-Polyacryl-amidgel (9%ig). Das im Gelvorliegende Federmehl konntedurch keratinolytisch aktiveProteine in einem anschließendenInkubationsschritt bei 70°C undpH 7,0 hydrolysiert werden. Nur inder extrazellulären Enzymfraktionwurden keratinolytisch aktiveProteine nachgewiesen (siehePfeil).

Vorgehen der biologischen Verfahren

Im Gegensatz zu den chemischen Ver-fahren werden bei einem biotechnologi-schen Prozess die Federn bei moderatenDrücken und Temperaturen mit Enzymenabgebaut. Es gibt mehrere Verfahrensalter-nativen (Abb. 1): In einem ersten Schrittwerden die Federn ohne weitere chemischeVorbehandlung oder Zerkleinerung in dieBausteine des Keratins, die Aminosäurenund Peptide, gespalten. Die Spaltung kannentweder durch direkten Enzymeinsatz odermit dem Enzymsystem von lebenden Bak-terien erfolgen. In einem zweiten Schrittwerden die Spaltprodukte entweder direktzu Aminosäuren aufgereinigt oder in einerBiogasanlage mit anderen Substraten ener-getisch verwertet. Beide Alternativen derWeiterverarbeitung bieten Vorteile. Wäh-rend sich für Aminosäuren hohe Marktprei-se erzielen lassen, entsteht bei der Verarbei-tung zu Biogas zum einen ein Energieträgerund zum anderen wertvoller Dünger inForm des verbleibenden Restschlammes.

Abbau der Federn mit thermophilenMikroorganismen

Im Zuge eines Screeningprogrammeswurden thermophile, keratinabbauendeMikroorganismen angereichert. Es konntenmehrere Organismen isoliert werden, die inder Lage waren, auf nativen Federn alsKohlenstoffquelle zu wachsen. Zwei derIsolate, Fervidobacterium pennivorans undThermoanaerobacter keratinophilus, erschie-nen für den Abbau von nativem Federke-ratin zur Gewinnung von Peptiden, Amino-säuren oder Biogas besonders geeignet.

Der erste Stamm, Fervidobacterium pen-nivorans, (Abb. 2) ein zur Ordnung derThermotogales zählendes Bakterium, wel-ches optimal bei 70°C und pH 7,0 wächst,weist eine hohe Protease- bzw. Keratinase-aktivität auf (Friedrich und Antranikian,1996). So konnten native Federn innerhalbvon zwei bis drei Tagen nahezu vollständigzu Peptiden und Aminosäuren abgebautwerden (Abb. 3). Die Keratinase aus Fervi-dobacterium pennivorans besitzt ein Moleku-

largewicht von 130 kDa und einen isoelek-trischen Punkt von pH = 3,8. Sie wurde alsalkalische Serinprotease klassifiziert, die beiTemperaturen zwischen T = 65°C undT = 90°C und pH-Werten von pH = 6 bispH = 12 aktiv ist und überwiegend zellge-bunden vorliegt.

Mit dem Ziel, große Mengen an Protea-sen zu produzieren, ist eine Klonierung desfür die Keratinase-codierenden Gens inmesophile Wirtsstämme (E. coli, Bacillussubtilis) obligatorisch. Nach Erhalt der kom-pletten Gensequenz wurde das Keratinase-codierende Gen mittels PCR amplifiziertund in verschiedene Expressionssystemeeingebracht. Die in unterschiedlichenWirtsstämmen exprimierte Protease ist bis-lang nicht aktiv, so dass weitere Systemegetestet werden müssen, die eine aktiveExpression ermöglichen.

Der zweite Stamm Thermoanaerobacterkeratinophilus, ein neues thermophiles, an-aerobes Bakterium (Riessen und Antrani-kian, 2001), ist ebenfalls in der Lage Fe-dern abzubauen. T. keratinophilus ist der er-ste Vertreter der Gattung Thermonanaero-bacter, für den der Abbau keratinhaltigerFasern beschrieben wurde. Der stäbchen-förmige Organismus (Abb. 4) wächst opti-mal bei 70°C und pH 7,0. Obwohl sowohlin intrazellulären als auch in extrazellulä-ren Enzymfraktionen proteolytische Akti-vität nachgewiesen wurde, konnte gezeigtwerden, dass an der Hydrolyse des Feder-keratins durch T. keratinophilus vorwiegendein extrazelluläres, proteolytisches Enzymbeteiligt ist.

Der Nachweis erfolgte über die Auf-trennung der intra- und extrazellulären En-zymfraktionen in einem SDS-Polyacryl-amidgel, welches Federmehl als Substratenthielt. Nach der elektrophoretischenAuftrennung der Proteine im Gel wurde esfür mehrere Stunden bei 70°C inkubiert. Indieser Zeit konnten die keratinolytisch ak-tiven Proteine die sie umgebenden Feder-mehlbestandteile im Gel, die als körnigeStrukturen sichtbar sind, hydrolysieren. DieHydrolysehöfe, als klare Bereiche im Gelerkennbar, wurden nur in der Gelspur nach-gewiesen, in der die extrazelluläre Enzym-fraktion aus T. keratinophilus aufgetrenntworden war (Abb. 5).

Die extrazelluläre Protease aus T. kera-tinophilus ist optimal aktiv bei 85°C und pH8,0 und besitzt eine hohe Temperatursta-bilität bei 70°C. Die hohe Temperatursta-bilität bei optimaler physiologischer Wachs-tumstemperatur ist für den in vivo-Abbauvon nativen Federn durch T. keratinophilusvorteilhaft. Da die Wachstumsbedingungendenen von F. pennivorans sehr ähneln, ist dieHerstellung einer künstlichen Mischkulturfür einen verbesserten Federabbau denk-bar. In den anstehenden Fermentationsex-

Abb. 4: LichtmikroskopischeAufnahme von Thermoanaerob-acter keratinophilus bei1000facher Vergrößerung.

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perimenten werden sowohl F. pennivoransals auch T. keratinophilus in Rein- und Misch-kultur auf ihre Effektivität bei der Umset-zung von nativen Federn getestet.

Fermentation von Fervidobacteriumpennivorans

Fervidobacterium pennivorans wurde ander TUHH bereits erfolgreich im 2L-, 10L-,30L- und 300L-Maßstab fermentiert. Fürdie Herstellung von Biomasse im 30L und300L-Maßstab kam ein Komplexmediumzum Einsatz. Für die Fermentationen im2L und 10L-Maßstab wurde Komplexme-dium mit Federn als Hauptsubstrat verwen-det, um Untersuchungen zum Abbaugraddurchzuführen. Als Betriebsparameter fürProduktion von Biomasse und Abbauversu-che wurden die optimale Temperatur vonT = 70 °C und der optimale pH-Wert vonpH = 6,8 verwendet. Für die Aufarbeitungder Zellmasse hat sich der Einsatz von kon-tinuierlichen Zentrifugen bewährt, mit de-nen sich zellhaltige Kulturbrühen rasch auf-arbeiten lassen. Die erreichten Zelldichtenlagen im Reaktor bei maximal 1,35 g/LTrockensubstanz.

Es hat sich gezeigt, dass auf eine Rege-lung des pH-Wertes während der Fermen-tation verzichtet werden kann, da die Pro-duktfreisetzung während des Zellwachs-tums nur zu einem geringen Absinken despH-Wertes führt. Hierzu ist die Anwendungeines Natriumphosphat-Puffers ausrei-chend. Da der Organismus ein recht brei-tes Plateau bezüglich des wachstumsopti-malen pH-Wertes zeigt, bleibt die Wachs-tumsrate auch bei einer geringfügigenpH-Abnahme konstant (Müller, 1999).

Für die Fermentationen im 2- und 10L-Maßstab konnte auf eine Begasung zur Er-haltung der anaeroben Atmosphäre verzich-tet werden. Die Versuchsapparatur für den2L-Maßstab ist in Abbildung 6 dargestellt.Ein steriler Betrieb der Fermenter ist nichtnötig, da der Prozess bei 70°C gegen Kon-taminationen weitgehend resistent ist. Eskonnten mikroskopisch keine Kontamina-tionen nachgewiesen werden.

Ausblick

Im Zuge einer Optimierung des Medi-ums sind die Minimierung der Bestandtei-le und die Erhöhung der Federmenge ent-scheidend. Weiterhin ist der Austausch vonessentiellen Komponenten gegen preiswer-tere Analoga sinnvoll.

Eine Mischkultur der beiden extrem-thermophilen Organismen Fervidobacteriumpennivorans und Thermoanaerobacter kerati-nophilus soll getestet werden. Für eine mög-liche Aufarbeitung der Aminosäuren stehenFiltrationsversuche an.

Literaturverzeichnis

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Korrespondenzadresse

Prof. Dr.-Ing. MärklInstitut für Bioprozess- und BioverfahrenstechnikTU Hamburg – HarburgDenickestr. 1521071 HamburgTel.: 040-42878-3017Fax: 040-42878-2909eMail: [email protected]

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Biokatalyse

Phospholipasen zur umweltschonenden

Herstellung von Phospholipiden

Prof. Dr. Renate Ulbrich-Hofmann, Fachbe-reich Biochemie/Biotechnologie, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Die von der Natur zum Abbau von Phos-pholipiden entwickelten Phospholipasenwerden schon seit einiger Zeit für verschie-dene Phospholipidtransformationen imLabor- und Industriemaßstab benutzt. Dasbetrifft besonders die Phospholipase A2 zurGewinnung von Lysophospholipiden unddie Phospholipase D zum Austausch derpolaren Kopfgruppe in Phospholipiden.Bisher jedoch scheint die synthetischePotenz der Phospholipasen keinesfallsausgeschöpft. Ein im Verbund „IndustrielleNutzung von Biokatalysatoren“ imFörderschwerpunkt „Biotechnologie“ vonder Deutschen Bundesstiftung Umweltgefördertes Projekt ist auf die Herstellungeiner rekombinanten Phospholipase A2 zurindustriellen Synthese von Lysophospholi-piden sowie Phospholipiden mit definierterFettsäurestruktur gerichtet. Dieses Vorha-ben wird im Rahmen eines Überblicks zurBedeutung von Phospholipiden undPhospholipasen in der Natur und Anwen-dung vorgestellt.

Einleitung und Fragestellung

� Für Phospholipide und Phospholidana-loga besteht ein stetig wachsender Bedarf inverschiedenen Praxisbereichen, insbesonde-re in der Lebensmittel-, pharmazeutischenund kosmetischen Industrie. In der Regelwerden diese Produkte durch die chemischeModifizierung von in der Natur vorkommen-den pflanzlichen bzw. tierischen Phospholi-piden (z. B. Lecithin aus Soja oder Hühner-ei) oder aber auf chemischem Wege vollsyn-thetisch gewonnen. Wie in vielen anderenProduktionsbereichen bietet es sich auch indieser Branche an, den Ersatz chemischerProduktionsverfahren durch enzymkataly-sierte Verfahren zu überprüfen, insbesonde-re unter dem Gesichtspunkt des Umwelt-schutzes und den zu erwartenden Marktent-wicklungen. Das im Rahmen des Verbun-des „Industrielle Nutzung von Biokatalysa-toren“ im Förderschwerpunkt „Biotechno-logie“ von der Deutschen BundesstiftungUmwelt geförderte Projekt „Rekombinan-

te Gewinnung von Phospholipase A2 zurumweltschonenden Herstellung von Phos-pholipiden“ widmet sich einer ausgewähl-ten Fragestellung aus diesem Gebiet. DasThema wird in Kooperation zwischen derArbeitsgruppe „Enzymtechnologie“, diesich am Fachbereich Biochemie/Biotechno-logie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg seit mehreren Jahren mit enzym-katalysierten Phospholipidtransformationenbeschäftigt, und der Firma Lipoid GmbH,Ludwigshafen, die seit 1977 zu den wich-tigsten Produzenten von Lecithinen undanderen hochreinen Phospholipiden gehört,bearbeitet. Im folgenden soll das geplanteVorhaben im Kontext mit der generellenBedeutung von Phospholipasen für Phos-pholipidsynthesen vorgestellt werden.

Phospholipide in der Natur undAnwendung

Phospholipide sind lebenswichtige Be-standteile aller Organismen. Hinsichtlichihrer chemischen Struktur ist allen Phospho-lipiden gemeinsam, dass sie Diester derPhosphorsäure darstellen, in denen eine al-koholische Komponente des Esters polar,die andere unpolar ist (Abb. 1). Die meistennatürlichen Phospholipide sind Glycero-phospholipide (Abb. 1). Sie enthalten einenDiacylglycerolrest als nichtpolare und Cho-lin, Ethanolamin, Serin, Glycerol oder Ino-sitol als polare Komponente. Aufgrund ih-res asymmetrischen mittelständigen C-Atoms des Glycerogerüsts sind die Verbin-dungen chiral. Die in der Natur vorkommen-den Glycerophospholipidformen sind ent-sprechend der IUPAC-IUB Commission onBiochemical Nomenclature 1,2-Diacyl-sn-glycero-3-phospholipide, wobei die Bezeich-nung sn für stereospecific numbering steht. Dieamphiphile Struktur der Phospholipide (po-lar/unpolar) bedingt eine besondere Eigen-schaft, denen die Verbindungen ihre großeBedeutung in der Natur, aber auch in denverschiedensten Praxisbereichen verdanken.

Abb. 1: Chemische Struktur der Phospholipide

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Oberhalb einer kritischen Konzentration bilden Phospholipide de-finierte supramolekulare Strukturen aus, deren Typ (Micellen, Bi-layer, Liposomen u.a.) von der Ladung und geometrischen Gestaltdes Phospholipidmoleküls sowie dem Medium, in dem sie sich be-finden, abhängt (Abb. 2).

Phospholipide in Form von Bilayer bilden den Hauptbestand-teil biologischer Membranen, durch die unterschiedliche Funkti-onsräume der Zellen bzw. einzelne Zellen voneinander getrenntwerden. Darüber hinaus sind sie an einer Vielzahl von Zellfunktio-nen beteiligt, deren Erforschung in jüngster Zeit viel Aufmerksam-keit auf sich gezogen hat. Das aktuelle Interesse an den zellulärenFunktionen von Phospholipiden resultiert vor allem aus neuerenErkenntnissen, die verschiedenen Vertretern dieser Verbindungs-klasse eine entscheidende Rolle als sekundäre Botenstoffe (secondmessenger) in biologischen Signalwandlungsprozessen zuweisen [1].Phospholipide liefern damit einen neuen Zugang für das Verständ-nis wichtiger Zellregulationsvorgänge, wie sie für die Entstehungund Therapie vieler bisher noch nicht oder schwer zu beherrschen-der Krankheiten (Tumoren, Immunkrankheiten, Alzheimer, Diabe-tes) von großer Bedeutung sind.

Eng verknüpft mit der Bedeutung von Phospholipiden für pa-thologische Vorgänge in der Zelle ist die Wirkung exogener Phos-pholipide bzw. Phospholipidanaloga auf zelluläre Prozesse, wie siein der pharmakologischen Forschung seit etlichen Jahren untersuchtwird [2]. Bei der Aktivierung der körpereigenen Immunabwehr ge-genüber Infektionen und Tumoren, aber auch bei der Alzheimer-Erkrankung und dem Diabetes mellitus konnten therapeutische Ef-fekte von Phospholipidstrukturen gefunden werden. Seit vielen Jah-ren ist bekannt, dass verschiedene Lysophosphatidylverbindungen(Abb. 1) diese Funktion erfüllen, wobei sie allerdings zu schnellmetabolisiert werden, um nachhaltig wirksam zu sein. Dieser Nach-teil führte zur Entwicklung der strukturmodifizierten Alkyllysophos-pholipide [3]. Eine neue Generation von Phospholipidanaloga mitAntitumorwirkung stellen die Alkylphosphatester, auch Alkylphos-pholipide genannt (Abb. 1), dar, die sich gegenüber den Etherphos-pholipiden durch eine verbesserte chemische und metabolische Sta-bilität auszeichnen [4]. Ein weiteres bedeutendes Forschungsge-biet betrifft die Anwendung von Phospholipiden als Transfektions-vektoren für die Gentherapie [5].

Neben diesen mehr oder weniger spezifischen Eigenschaftenbestimmter Phospholipidstrukturen werden für viele Anwendun-gen auch die unspezifischen Emulgatoreigenschaften der Phospho-lipide ausgenutzt. In dieser Funktion kommen vor allem die ausNaturprodukten (z. B. Sojaöl oder Eigelb) gewonnenen Lecithine,deren Hauptteil Phosphatidylcholin mit unterschiedlicher Fettsäu-rezusammensetzung enthält, zum Tragen. In der pharmazeutischenIndustrie spielen Phospholipide eine wichtige Rolle als Träger fürArzneistoffe [6]. Auch bei der Herstellung von Kosmetika besitzensie einen hohen Stellenwert als Emulgatoren und Liposomenmate-rial. Ein großer Bedarf für Lecithine besteht darüber hinaus in derLebensmittelindustrie. Als Zusatz zu Margarine, Käse, Schokolade,Backwaren, Teigwaren und Instantprodukten (Milchpulver, Kakao,Backmischungen) bewirken sie die Bildung und Stabilisierung vonEmulsionen, binden Wasser oder verändern Kristallisationseigen-schaften. Auch in vielen anderen Industriezweigen werden Leci-thine als wichtige Zusatzstoffe benötigt [7], z. B. in der Druck- undFotoindustrie sowie in der Textil- und in der Baustoffindustrie.

Gewinnung von Phospholipiden

So breit wie das Anwendungsspektrum von Phospholipiden ist,so vielfältig sind auch die Ansprüche an Methoden und Verfahren fürihre Gewinnung. Prinzipiell gibt es entsprechend den gewünschtenAnforderungen der Käufer verschiedene Herstellungsstrategien fürPhospholipide. Zum einen werden Phospholipide aus natürlichen

Quellen extrahiert. So wird das bekannte Lecithin aus Soja oder Hüh-nerei isoliert, wobei die Produkte in unterschiedlichem Reinheits-grad angeboten werden. Die Phospholipidkomponente des natürli-chen Lecithins besteht zu einem großen Teil aus Phosphatidylcho-lin, enthält daneben aber auch Phosphatidylethanolamin, Phosphati-dylinositol, Phosphatidsäure und Glykolipide. Die Trennung dieserSubstanzen erfolgt auf chromatographischem Wege. Phosphatidylcho-lin aus Lecithin wiederum besitzt ein inhomogenes Fettsäurespek-trum. Das Phosphatidylcholin aus Soja beispielsweise enthält etwa70 % Linolsäure (18:2), 13 % Palmitinsäure (16:0), 8 % Linolensäure(18:3), 5 % Ölsäure (18:1) und 4 % Stearinsäure (18:0) [8].

Ein Großteil der neben den natürlichen Lecithinen angebote-nen Phospholipide wird aus den natürlichen Produkten durch Mo-difizierungen und chromatographische Trennungen gewonnen. Sowerden natürliche Lecithine hydriert, wodurch die ungesättigtenFettsäuren (> 75% im Soja-Lecithin) teilweise oder vollständig ingesättigte Fettsäuren umgewandelt werden.

Abb. 2: Supramolekulare Strukturen der Phospholipide

Biokatalyse

Während der größte Teil des industriellen Bedarfs an Phospho-lipiden durch die aus den natürlichen Quellen, insbesondere ausSojaöl, gewonnenen und mehr oder weniger gereinigten Lecithi-nen gedeckt wird, ist die Bereitstellung von Phospholipiden mitdefinierter, chemisch homogener Struktur oder auch neuer, in derNatur nicht vorkommender Phospholipide limitiert durch die Mög-lichkeiten, diese Verbindungen zu synthetisieren. Die chemischeSynthese erfordert im allgemeinen viele Einzelreaktionen und istmit einem hohen Reinigungsaufwand verbunden [9]. Eine interes-sante Alternative zur chemischen Herstellung von Phospholipidenund Phospholipidanaloga bietet die Enzymkatalyse [10, 11], die injüngster Zeit auf vielen Gebieten der organischen Synthese großeErfolge aufzeigt, insbesondere bei der Gewinnung synthetisch an-spruchsvoller Verbindungen, die regio- oder stereospezifische Re-aktionsschritte beinhalten. Auch in der industriellen Produktion vonPhospholipiden haben enzymatische Reaktionsschritte bereits ei-nen festen Platz erobert, und es ist zu erwarten, dass sich diese Ten-denz fortsetzt.

Die Lipoid GmbH, Ludwigshafen, gehört seit 1977 als mittel-ständisches Unternehmen zu den führenden Produzenten auf demGebiet der Phospholipidproduktion. Die Produktpalette umfasstnatürliche und synthetische Phospholipide für verschiedene Indu-striezweige, insbesondere die pharmazeutische, kosmetische unddiätetische Industrie. Ein Spezifikum der meisten Produktions-verfahren ist, dass alle Ausgangs- und Hilfsstoffe vollständig umge-

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Biokatalyse

setzt bzw. in den Prozess zurückgeführt wer-den (Abb. 3).

Phospholipasen als biotechnologischeWerkzeuge zur Synthese vonPhospholipiden

Entsprechend der Struktur natürlicherPhospholipide hat die Natur verschiedeneEnzyme für deren Spaltung entwickelt, diesich in ihrer Spezifität hinsichtlich der zuspaltenden Bindung unterscheiden (Abb. 4).So ist die vergleichsweise noch wenig be-kannte Phospholipase A1 (PLA1) spezifischfür die Abspaltung der Fettsäure in sn-1-Position vom Glycerolgerüst und Phospho-lipase A2 (PLA2) für die in sn-2-Position.Phospholipase C (PLC) katalysiert die Hy-drolyse der Phosphodiesterbindung an derglycerolständigen Seite und PhospholipaseD (PLD) an der Seite der polaren Kopfgrup-pe. Darüber hinaus gibt es in der Natur ei-nige spezielle Enzyme, die eine zusätzlicheSpezifität hinsichtlich der polaren Alkohol-komponente besitzen wie die Phosphatidy-linositol-spezifische PLC (PI-PLC) oder dieGlycosylphosphatidylinositol-spezifischePLD (GPI-PLD). Phospholipasen, dieGlycerophospholipide in sn-1- und sn-2-Po-sition zu spalten vermögen, bezeichnet manals Phospholipasen B. Weitere verwandteEnzyme sind die Lysophospholipasen, dieeine hohe Spezifität für die Hydrolyse vonLysophospholipiden besitzen, oder dieSphingomyelinasen, die spezifisch fürSphingomyeline sind und hier – vergleich-bar mit PLC – Cholinphosphat vom N-Acyl-sphingosin abspalten (Zitate in [11, 12]).

In Analogie zu vielen industriellen Pro-zessen, die sich bereits seit Jahrzehnten diehydrolytische Spezifität von Enzymen zueigen machen, wie die Stärkekonvertierungmittels Amylasen, bietet sich der Einsatz vonPhospholipasen zunächst vor allem für diehydrolytische Modifizierung von Phospho-lipiden an. Das wichtigste und bereits indu-striell praktizierte Beispiel, das auch in demvorliegenden Projekt im Blickpunkt steht,ist die Gewinnung von Lysophospholipidenmittels PLA2. Im Gegensatz zur chemischenHydrolyse erlaubt die enzymatische Hydro-lyse die Abspaltung der Fettsäure aus-

schließlich in sn-2-Position des Phospholi-pids (Abb. 5), womit eine vollständige Um-setzung ohne das Auftreten von Nebenpro-dukten möglich wird.

Die Nutzung der natürlichen hydrolyti-schen Enzymfunktion bietet sich auch an beiPLC. Die hohe Stereospezifität der PLC er-laubt es, enantiomerenreine 1,2-Diacylglyce-role durch die Hydrolyse der entsprechendenGlycerophospholipide zu gewinnen, die dannwieder zur Herstellung von synthetischenPhospholipiden mit natürlicher Konfigurati-on dienen können (Zitate in [11]).

Weitreichendere Bedeutung als für dieKatalyse hydrolytischer Modifizierungenvon Phospholipiden sollten die Phospholi-pasen allerdings besitzen, wenn es gelingt,sie für die Katalyse der Rückreaktion inHydrolysegleichgewichten, z. B. Reacylie-rungen, oder Umesterungen zu benutzen.

Eine Sonderstellung und infolgedesseneinen besonderen Platz bei der Herstellungvon Phospholipiden nimmt bisher die PLDein. Neben ihrer Fähigkeit, die Spaltung derEsterbindung zwischen dem Phosphatrestund dem polaren Alkohol zu katalysieren,ist sie in der Lage, die Umesterung an die-ser Bindung zu katalysieren, wenn ein ge-eigneter Alkohol angeboten wird (Abb. 6).Die Bedeutung dieser Transphosphatidylie-rungsreaktion in der Natur ist, obwohl siehochinteressant zu sein scheint, bisher nichtbekannt. In der Labor- sowie industriellenPraxis aber wird sie seit längerer Zeit schonzur Synthese von Phospholipiden mit mo-difizierten polaren Kopfgruppen benutzt.Man geht dann meist von Phosphatidylcho-lin aus und tauscht das Cholin als Kopfgrup-penkomponente gegen die seltener auftre-tenden Gruppen Serin, Glycerol o. a. aus,wodurch die aufwändige Isolierung der sel-ten vorkommenden Produkte umgangenwird. Vor allem aber interessiert man sichauch für die Einführung unnatürlicher Kopf-gruppen, die den resultierenden Phospholi-piden neue Eigenschaften verleihen. Alipha-tische primäre und sekundäre Alkohole, cy-clische nichtaromatische und aromatischeAlkohole, Nucleoside, Saccharide und eineVielzahl weiterer hodroxylgruppenhaltigerVerbindungen gehören zu den auf dieseWeise in Phospholipidstrukturen eingeführ-ten Komponenten (Zitate in [11]). In der ei-genen Abteilung widmeten sich Forschun-gen zu dieser Thematik zunächst grundle-genden Fragen in den PLD-katalysiertenReaktionen wie dem Zusammenspiel vonReaktionsmedium und der Struktur derReaktionspartner, da es sich gezeigt hatte,dass der Erfolg der Enzymkatalyse entschei-dend durch diese Faktoren bestimmt wird,sich aber bisher kaum vorhersagen lässt.Dabei wurde der Grenzflächendruck in denReaktionssystemen, der die Strukturierungder Phospholipidaggregate charakterisiert,als ein entscheidender Parameter für denReaktionserfolg erkannt [13]. Angewandtwurden diese Erkenntnisse für die Synthe-se neuer Phospholipide auf Glycerolbasis, indenen Cholin durch N-heterocyclische Re-ste, die aufgrund ihrer Ladung Cholinana-loga darstellen, ersetzt wurde [14, 15]. Wei-terhin wurde demonstriert, dass die enzyma-tische Katalyse mit Phospholipase D auchfür die Synthese der oben zitierten Alkyl-phosphatester (Abb. 1) mit anticancerostati-scher Wirkung geeignet ist [16]. Damit wur-de gezeigt, dass das enzymatische Wirkungs-

Abb. 3: Produktionsanlage bei der Lipoid GmbH,Ludwigshafen

Abb. 4: Spaltstellen der wichtigsten Phospholipa-sen in 1,2- Diacyl-sn-glycero-3-phosphocholin

Abb. 5: Herstellung von Lysophospholipiden mittels PLA2

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spektrum von Phospholipase D nicht aufglycerolhaltige Strukturen beschränkt ist,sondern sogar auf Alkylphosphorsäureesteranwendbar ist, womit sich eine entscheiden-de Erweiterung der enzymatischen Synthe-semöglichkeiten ankündigt.

Im Zusammenhang mit dem vorliegen-den Projekt interessieren besonders dieMöglichkeiten, PLA2 für die Gewinnungvon Phospholipiden mit definierter homo-gener Fettsäurestruktur einsetzen und da-mit chemische Reaktionsschritte durch um-weltfreundlichere Verfahren ersetzen zukönnen. Prinzipiell sind dabei zwei Strate-gien denkbar. Zum einen könnte, ausge-hend von Lysophospholipiden und einerfreien Fettsäure, unter geeigneten Reakti-onsbedingungen (wasserarme Systeme)eine Acylierung der Lysokomponente erfol-gen (Abb. 7A). Für diese Strategie gibt esin der jüngeren Literatur bereits einigeBeispiele (Zitate in [11]). Zum anderen ist,ausgehend von Phosphatidylcholin, aucheine direkte Umesterung denkbar (Abb.7B). Beide Reaktionsansätze werden imRahmen des von der Deutschen Bundes-stiftung Umwelt geförderten Projekts be-arbeitet.

Rekombinante Phospholipasen

Wie alle Enzyme zeigen Phospholipasendesselben Typs gewisse Unterschiede in Ab-hängigkeit von ihrer Herkunft. Oftmals ge-ringfügige strukturelle Differenzen (Amino-säurezusammensetzung, Raumstruktur, Me-tallbindungsaffinitäten u.ä.) bewirken Unter-schiede in den katalytischen Eigenschaftenund auch in den Stabilitätseigenschaften, diefür die Anwendung von großer Bedeutungsein können. Die Enzymquelle spielt jedochnicht nur aus diesem Grund eine entschei-dende Rolle bei der Auswahl eines Enzyms,sondern auch wegen der Möglichkeit seinerGewinnung in ausreichenden Mengen bzw.seiner bereits kommerziellen Verfügbarkeit.Die für biokatalytische Zwecke bisher benut-zen PLA2s stammen vor allem aus Tieren, ins-besondere aus Schweine- bzw. Rinderpankre-as, während PLC aus den Bakterien Bacilluscereus und Clostridium perfringens verwendetwird. Die traditionelle Quelle für PLD istWeiß- bzw. Wirsingkohl, die jedoch in jünge-rer Zeit durch Streptomyces-Species verdrängtwurde (Zitate in [11]).

Noch kaum Gebrauch gemacht wurdeauf dem Sektor der enzymatischen Phospho-lipidtransformation bisher von dem Einsatzrekombinanter Phospholipasen, obwohl sichin anderen Bereichen der industriellen En-zymologie die Ausnutzung der Vorteile re-kombinanter Enzyme schnell durchgesetzthat. Neben den Vorteilen der oftmals ver-einfachten Enzymgewinnung ist mit derEinführung von Rekombinationstechniken

Abb. 6: Transphosphatidylierung durch PLD

Abb. 7: Reacylierung (A) und Transacylierung (B) mittels PLA2

Biokatalyse

Abb. 8: Raumstruktur von PLA2 (aus Bienengift)

die Grundlage gelegt, die Eigenschaften derEnzyme (Substratspezifität, Stabilität u.a.)im Sinne der gewünschten Aufgabe zu ver-bessern. Das hier vorgestellte Projekt wid-met sich einer solchen Aufgabenstellung.Motiviert durch das seitens der Industriegegebene Interesse, die bisher zur Gewin-nung von Lysophospholipiden verwendetePLA2 aus Schweinepankreas (Lecitase)durch ein Enzym, das vergleichbare kataly-tische Effizienz besitzt, aber wegen Sicher-heitsbedenken (Virus- und Prionengefahr)und Akzeptanzgründen (religiöse Vorbehal-te moslemischer und jüdischer Kunden)nicht aus einem Säugetier gewonnen wird,zu ersetzen, wurden Arbeiten zur Gewin-nung einer rekombinanten PLA2 begonnen.Ausgehend von einem synthetisch herge-stellten Gen der PLA2, soll das Enzym in E.coli exprimiert werden. Aufgrund der gerin-gen Größe der sekretorischen PLA2s (Abb.8) und auch bereits verschiedener in derwissenschaftlichen Literatur beschriebenerExpressionsversuche für diese Gruppe von

PLA2s ist dieser Ansatz erfolgversprechend.Es ist vorgesehen, die Grundlagen für eineProduktion der PLA2 im technischen Maß-stab sowie für gentechnische Modifizierun-gen des Enzyms im Hinblick auf eine Ver-besserung seiner biokatalytischen Eigen-schaften zu erarbeiten.

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Extremophile Mikroorganismen als

Quelle stabiler Biokatalysatoren

Prof. Dr. Garabed Antranikian,TU- Hamburg-Harburg, Dr. Hans-PeterKlenk, EPIDAUROS AG, Bernried, Prof.Dr. Roland Freudl, Forschungszentrum JülichProf. Dr. Reinhard Sterner, Universität zuKöln, Prof. Dr. Wolfgang Liebl, UniversitätGöttingen

� Extremophile Mikroorganismen leben inden unwirtlichsten Milieus der Erde. Woandere Organismen nicht existieren können,sind sie zu finden: in der Tiefsee bei Drük-ken von mehreren 100 bar, in heißen Quel-len bei mehr als 100° C, in kalten Regionenbei Temperaturen um den Gefrierpunkt, inSalzseen ebenso wie in Umgebungen mit ex-tremen pH-Werten (pH <2, pH>9).

Die Anpassungen an solch extremeUmgebungsbedingungen schufen einenZellaufbau und einen Stoffwechsel, die sichstark von denen bisher untersuchter „meso-philer“ Organismen unterscheiden. Die denStoffwechsel steuernden Proteine – insbe-sondere die Enzyme – und die Zellwändebzw. -membranen dieser Mikroorganismenweisen Eigenschaften auf, die für die indu-strielle Anwendung biotechnischer Systeme

vielversprechende, neue Potenziale aufzei-gen.

Beispielsweise weisen die Enzyme ex-trem thermophiler (60-70°C) und hyperther-mophiler (80-110 °C) Mikroorganismen ne-ben einer hohen Thermostabilität im allge-meinen eine relativ hohe Beständigkeit ge-genüber denaturierenden Chemikalien wieDetergenzien, chaotropen Reagenzien, or-ganischen Lösungsmitteln sowie gegenüberextremen pH-Werten auf (Ladenstein undAntranikian, 1998; Niehaus et al., 1999).

Unter den extremophilen Mikroorganis-men finden sich aerobe und anaerobe, che-motrophe und heterotrophe Vertreter. Eini-ge heterotrophe Archaen und Bakterien sindin der Lage, verschiedene Polymere wie z.B.Stärke, Hemicellulose, Chitin und Proteinezu verstoffwechseln. Stärke ist eines der weitverbreitetsten Biopolymere in der Natur.Das aus Glucoseeinheiten aufgebaute Ma-kromolekül spielt in der Lebensmittelindu-strie eine herausragende Rolle. Unter demSammelbegriff „Modifizierte Stärke“ findetsich diese hochwertige Kohlenhydratquellein vielen Lebensmitteln wieder. Zur Modi-fikation von Stärke werden z.B. Amylasenund Verzweigungsenzyme eingesetzt (Abb.1). Mit Hilfe thermostabiler, Stärke-modifi-zierender Enzyme kann die Stärkeverede-lung gezielter und effizienter durchgeführtwerden, da beispielsweise die Raum-Zeit-Ausbeute bei hohen Temperaturen aufgrundder besseren Löslichkeit der Stärke wesent-lich besser ist. Es konnten eine Reihe vonhitzestabilen, amylolytischen Enzymen z.B.α-Amylasen, Pullulanasen und α-CGTasenaus extrem thermophilen Bakterien und Ar-

Abb. 1: Stärke-prozessierende Enzyme und ihreProdukte

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Korrespondenzadresse:

Prof. Dr. Renate Ulbrich-HofmannMartin-Luther-Universität Halle-WittenbergFachbereich Biochemie/BiotechnologieKurt-Mothes-Str. 3D-06120 HalleTel.: 0345-5524864Fax: 0345-5527303 oder 5527013eMail: [email protected]://www.biochemtech.uni-halle.de/biotech

Biokatalyse

Page 15: Biokatalyse - DBU · luläre Pyruvat-Konzentration zu erwarten, so dass die D-Lactat-Dehydrogenase trotz ihrer schlechten Pyruvat-Affinität (K m-Wert etwa 7 mM bei pH 7.5; Tarmy

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chaen charakterisiert werden. Einige dieserEnzyme sind bei 120 °C noch aktiv. Interes-santerweise konnten die Gene aus extremo-philen Mikroorganismen in E. coli bzw. Bsubtilis kloniert und erfolgreich exprimiertwerden. So konnte z.B. das Gen für eineextrem thermostabile α-Amylase des Ar-chaeons Pyrococcus furiosus in E. coli und B.subtilis kloniert und aktiv exprimiert werden.Das aus dem Lake Bogoria (Abb. 2) isolier-te Bakterium Anaerobranca gottschalkii (Abb.3) vereint zwei Extreme miteinander. Eswächst optimal bei hohem pH-Wert (9,5)und hoher Temperatur ( 55 °C) (Prowe et al.,2001). Zusammen mit der Tatsache, dass A.gottschalkii verschiedene Kohlenhydrate alsC-Quelle nutzen kann, nimmt das Bakteri-um aus diesem Grund unter allen extremo-philen Bakterien eine Sonderstellung ein.Eine thermoalkalistabile CGTase und einethermoalkalistabile α-Amylase konnten ausdem Stamm bereits gereinigt und charakte-risiert werden (Prowe, Dissertationsarbeit).Die α-Amylase ist optimal aktiv bei einempH-Wert von 9 und einer Temperatur von65 °C . Bei der CGTase, die in einem pH-Bereich von 4 bis 10,5 und einer Tempera-tur von 65 °C optimale Aktivität aufweist,handelt es um die erste beschriebene alka-listabile CGTase. Darüber hinaus ist für diebiotechnologische Anwendung von Interes-se, dass das Enzym mit Stärke, Amylose undAmylopektin als Substrat bei kurzer Inku-bationszeit und bei hoher Temperatur vor-wiegend α-Cyclodextrin bildet. Dieses kannbisher im Gegensatz zum β-Cyclodextrinnoch nicht in industriellem Maßstab herge-stellt werden.

Strategien zur Produktionvon Extremozymen

Um interessante Enzyme aus extremo-philen Mikroorganismen für die industriel-le Anwendung in größeren Mengen zu er-halten, empfiehlt sich deren rekombinanteHerstellung. Um einen schnellen Zugang zuden Genen biotechnologisch vielverspre-chender Mikroorganismen zu erhalten, kön-nen deren Genome sequenziert werden. Füreine schnelle und leichte Aufreinigung derGenprodukte ist die Sekretion der Enzymein Gram-positiven Wirtsorganismen wie z.B.Bacillus subtilis oder Staphylococcus carnosuswünschenswert. Die Eigenschaften einzel-ner Enzyme lassen sich sodann über ratio-nales Protein-Design oder gerichtete Evo-lution verbessern. Diese neuen Technikenwerden im Verbundprojekt Biokatalyse mitdem Ziel eingesetzt, maßgeschneiderteKohlenhydrat-prozessierende Enzyme her-zustellen. Als vielversprechender Organis-mus wurde Anerobranca gottschalkii ausge-wählt. Im folgenden Abschnitt werden die-se Methoden präsentiert.

Abb. 2: LakeBogoria als Quellefür Mikroorganis-men, die bei extremhohen Temperatu-ren und hohen pH-Werten optimalwachsen

Biokatalyse

Partielle Genomanalyse für die Suche nachbiotechnologisch interessanten Enzymen

Die Veröffentlichung der beiden erstenkompletten, mikrobiellen Genomsequenzen(Haemophilus influenzae und Mycoplasma ge-nitalium) im Sommer 1995 durch Craig Ven-ter und sein Team am TIGR erfolgte für vie-le Mikrobiologen zu einem überraschendfrühen Zeitpunkt. Zwar entsprach die beiTIGR verwendete Sequenziertechnologiedem damals üblichen Standard, doch dieverwendete Strategie der Sequenzassem-blierung und die Software zur Assemblie-rung des Genoms und zur Annotation derGene bedeuteten einen großen Fortschritt.In den vergangenen sechs Jahren habenweltweit zahlreiche Laboratorien die zur Ge-nomanalyse nötigen Techniken etabliert,was dazu führte, dass nunmehr bereits 36komplette Genome von Prokaryonten pu-bliziert und in öffentlichen Datenbankenabgelegt sind (GenBank, www.ncbi.nlm.nih.gov/entrez/query.fcgi?db=Genome).Dies ist aber nur die Spitze des Eisbergs.Die GOLDTM Datenbank (wit.integratedgenomics.com/ GOLD/) erfasst sogar bereits51 fertige Prokaryontengenome und nichtweniger als 208 derzeit in Durchführungbefindliche Genomprojekte. Die Anzahl derzusätzlich für industrielle Zwecke sequen-zierten Genome dürfte nicht geringer sein,nur sind diese Daten für die meisten Wis-senschaftler unzugänglich, da sie in priva-ten Datenbanken abgelegt sind. Eine deut-liche Erhöhung des Automatisierungsgradesbei der Laborarbeit durch den Einsatz vomPipettierrobotern und die Verfügbarkeit vonneuartigen vollautomatischen Kapillarse-quenziergeräten in vielen Laboratorien hatin den letzten Jahren ebenso zum raschenWachstum der bekannten Sequenzen beige-tragen wie die leichte Zugänglichkeit vonSequenzanalyseprogrammen und Sequenz-datenbanken durch das Internet. Abbildung4 zeigt, dass die Anzahl der bekannten Se-

quenzen in öffentlichen Datenbanken erstmit dem Aufkommen der Genomsequenzendeutlich angewachsen ist. Ein Ende derschnellen Zunahme an neuen Sequenzen istnicht absehbar.

Nach einer aufregenden und mit vielAufmerksamkeit bedachten Anfangsphase,in der so gut wie jedes fertiggestellte Ge-nom seinen Platz in Spitzenjournalen wieNature und Science fand, beginnt für diemikrobielle Genomanalyse nunmehr dieNormalität. Sie wird nunmehr als Techno-logie neben anderen Technologien für Pro-jekte genutzt, deren Ziel nicht mehr primärdie vollständige Aufklärung von Genomse-quenzen ist, sondern die effiziente Gewin-nung von Information für wissenschaftlicheoder wirtschaftliche Zwecke, z. B. bei derSuche nach Genen für biotechnologisch in-teressante Enzyme in extremophilen Orga-nismen. Dafür bietet sich insbesondere fürerst seit relativ kurzer Zeit bekannte undsomit noch nicht intensiv untersuchte Or-ganismen die Partialsequenzierung des Ge-noms mit der nun etablierten shotgun-Tech-nik an. Mit einer guten (= statistisch gleich-mäßig verteilten) Plasmidbibliothek kannman z. B. bei dreifacher Sequenzabdeckungca. 95% der Sequenz eines mikrobiellenGenoms erfassen. Für eine effiziente (ko-stengünstige) Sequenzermittlung sind zu-dem lange Leseweiten (>600 nt) und quali-tativ hochwertige Sequenzen (< 1 Fehler pro1000 nt Rohsequenz) erforderlich. Durchden Einsatz von automatischen Annotations-systemen (z. B. PEDANT oder MAGPIE)lässt sich auf den Sequenzbruchstücken(Contigs) eines Genoms zwar nicht der kom-plette Satz aller Gene identifizieren, aberdoch ein sehr hoher Anteil daran. EinigeGene werden in den verbleibenden Lückenversteckt liegen, andere sind nur zu sehrkleinen Teilen sequenziert und können da-her nicht durch Sequenzvergleiche mit Da-tenbanken identifiziert werden. Für das Ver-ständnis des Metabolismus eines Organis-