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86 Automotive Agenda 06 ENERGIE Tankstelle in Backnang, 1979 Dort, in meinem ersten Ferienjob, habe ich eine Menge gelernt. Über Autos und ihre Fahrer. Damals dachte ich, dieses Wissen reicht für ein ganzes Leben. Studenten fuhren Polo, Architekten am liebsten Saab, Deutschlehrer saßen im Passat, Unternehmer im Mercedes, während die Unternehmensberater den BMW be- vorzugten und die Werber einen Porsche. Porsche fand ich als Kind schon toll (BMW war der Feind). Damit war meine berufliche Laufbahn seit dem ersten Ferienjob vorge- zeichnet. Ich hätte es schlechter treffen können. Mein erstes Auto war trotzdem ein Golf, die GTI-Version. Es hat zwar ein wenig gedauert, aber derzeit fahre ich einen 911 Carrera 2,7 RS. Wie sich das gehört für einen Werber. Aber in der Garage stehen auch noch ein Volvo XC90 und ein Audi A2. An mir ist kein Car Guy verloren gegangen. Warum auch, in den vergangenen 25 Jahren habe ich eine Menge Werbung für Autos gemacht. Nicht nur für Porsche. Auch für Mercedes. Für VW. Und für Ford, Opel und Skoda. Ich habe Ben- zin im Blut. 102 Oktan. Die wollen wirken. Im richtigen Auto. Welches für mich richtig ist und welches falsch, weiß ich seit jenen Wochen an der Tank- stelle. Entscheidungen für oder gegen ein Auto werden nach dem Image getroffen, das die Marken über Jahrzehnte aufgebaut hatten. Das Auto als Visitenkarte, die anzeigt, zu welcher Sorte Mensch man sich zählt. Umweltschutz, Pfennigfuchs Der Typus „Umweltschützer“ fuhr 1979 noch nicht an der Tank- stelle vor. Es gab höchstens jene Dieselfahrer, die den Spritver- brauch auf zwei Stellen nach dem Komma ausgerechnet haben. Aber die fielen unter den Typus „Pfennigfuchser“. Heute sind wir alle vom Typus „Umweltschützer“. Und mögen nicht zugeben, dass sich unter der grünen Tarnfarbe leider auch ein Pfennigfuchser verbirgt. Die Autohersteller haben es trotzdem gemerkt. Und stecken jetzt in der Bredouille. Öffentlichkeit und Politik rufen zwar lautstark nach ökologisch sinnvollen und nachhaltigen Lösungen für die Mobilität der Zukunft – nur bezahlen mag sie niemand. Während andere Län- der ihre Autoindustrie mit milliardenschweren Forschungspa- keten unterstützen, haben die Politiker Deutschlands beim Elektro-Gipfel im Mai einen Rückzieher gemacht. Der „Umwelt- schützer“ hebt also bedauernd die Hände: zu teuer, diese Mögen wir es nicht alle, das Energiesparen? Bloß kosten darf es bitte recht wenig. Und mit dieser Vorgabe sollen Werber das grüne Profil einer neuen Generation umweltschonender Autos schärfen. Ach so, den Geschmack von Freiheit und Abenteuer bitte nicht ver- gessen. Es gibt leichtere Aufgaben, findet Matthias Wetzel. Bloß keine kastrierten Kater!

Bloß keine kastrierten Kater!

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Tankstelle in Backnang, 1979 Dort, in meinem ersten Ferienjob, habe ich eine Menge gelernt. Über Autos und ihre Fahrer. Damals dachte ich, dieses Wissen reicht für ein ganzes Leben. Studenten fuhren Polo, Architekten am liebsten Saab, Deutschlehrer saßen im Passat, Unternehmer im Mercedes, während die Unternehmensberater den BMW be-vorzugten und die Werber einen Porsche.Porsche fand ich als Kind schon toll (BMW war der Feind). Damit war meine berufliche Laufbahn seit dem ersten Ferienjob vorge-zeichnet. Ich hätte es schlechter treffen können.Mein erstes Auto war trotzdem ein Golf, die GTI-Version. Es hat zwar ein wenig gedauert, aber derzeit fahre ich einen 911 Carrera 2,7 RS. Wie sich das gehört für einen Werber. Aber in der Garage stehen auch noch ein Volvo XC90 und ein Audi A2. An mir ist kein Car Guy verloren gegangen. Warum auch, in den vergangenen 25 Jahren habe ich eine Menge Werbung für Autos gemacht. Nicht nur für Porsche. Auch für Mercedes. Für VW. Und für Ford, Opel und Skoda. Ich habe Ben-zin im Blut. 102 Oktan.Die wollen wirken. Im richtigen Auto. Welches für mich richtig ist und welches falsch, weiß ich seit jenen Wochen an der Tank-

stelle. Entscheidungen für oder gegen ein Auto werden nach dem Image getroffen, das die Marken über Jahrzehnte aufgebaut hatten. Das Auto als Visitenkarte, die anzeigt, zu welcher Sorte Mensch man sich zählt.

Umweltschutz, Pfennigfuchs

Der Typus „Umweltschützer“ fuhr 1979 noch nicht an der Tank-stelle vor. Es gab höchstens jene Dieselfahrer, die den Spritver-brauch auf zwei Stellen nach dem Komma ausgerechnet haben. Aber die fielen unter den Typus „Pfennigfuchser“. Heute sind wir alle vom Typus „Umweltschützer“. Und mögen nicht zugeben, dass sich unter der grünen Tarnfarbe leider auch ein Pfennigfuchser verbirgt. Die Autohersteller haben es trotzdem gemerkt. Und stecken jetzt in der Bredouille. Öffentlichkeit und Politik rufen zwar lautstark nach ökologisch sinnvollen und nachhaltigen Lösungen für die Mobilität der Zukunft – nur bezahlen mag sie niemand. Während andere Län-der ihre Autoindustrie mit milliardenschweren Forschungspa-keten unterstützen, haben die Politiker Deutschlands beim Elektro-Gipfel im Mai einen Rückzieher gemacht. Der „Umwelt-schützer“ hebt also bedauernd die Hände: zu teuer, diese

Mögen wir es nicht alle, das Energiesparen? Bloß kosten darf es bitte recht wenig. Und mit dieser Vorgabe sollen Werber das grüne Profil einer neuen Generation umweltschonender Autos schärfen. Ach so, den Geschmack von Freiheit und Abenteuer bitte nicht ver-gessen. Es gibt leichtere Aufgaben, findet Matthias Wetzel.

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Elektroautos! Außerdem, wo tankt man Strom? Tja, schade das alles. Man würde ja so gerne … und der Pfennigfuchser reibt sich die Hände. Macht nix, sagen die Markenstrategen bei den Autoherstellern. Wir tun ja auch nur so, als ob. Dann kreieren sie Vokabeln wie Blue-e-motion, ecoflex, PIP und BlueEfficiency, mit denen sich die Wartezeit bis zur Elektrifizierung des Autos schön überbrü-cken lassen. Kaum anders als vor Kurzem, als alle Welt HD-Fern-seher beworben hat, man aber noch gar kein HD-Fernsehen empfangen konnte. Erst kommt die Werbung, dann das Produkt. Dabei ist es spannend zu beobachten, wie die Hersteller den Spa-gat zwischen ökologisch korrekter Kommunikation und marken-typischem Versprechen hinkriegen werden.

Macht Kinder statt Autos!

Wirklich kaufen werden die Öko-Produkte in den nächsten Jah-ren wohl am ehesten die Zielgruppe der „Early Adopters“. Die sind als Erste an technischen Neuerungen interessiert, haben Geld und leben in Großstädten. Die „Early Adopters“ hatten als Erste das iPhone und fahren sicher auch als Erste einen Hybrid oder ein Elektroauto. Fragt sich nur, wie ein paar Hunderttausend Menschen ein paar Millionen Autos fahren sollen. Vielleicht lösen wir dieses Problem mit einer Kampagne für mehr Kinder?Es offenbart sich ein gewisses Dilemma. Die Vorstände haben gerade beim Elektrogipfel mit Kanzlerin Angela Merkel verspro-chen, alles auf die Karte Stromrevolution auf deutschen Straßen zu setzen. Gleichzeitig wissen sie, dass reine Elektroautos in den nächsten zehn, wenn nicht 20 Jahren keine Aussicht auf relevante Marktanteile versprechen. Sie sind konfrontiert mit einer einbre-chenden Nachfrage, müssen zugleich viel Geld in Forschung und Entwicklung stecken und sollen außerdem die teilweise arg ram-ponierten Marken und Images wieder zum Glänzen bringen. Die Autohersteller haben bisher das gemacht, was sie besonders gut können – nämlich Verbrennungsmotoren. Denen haben sie das Saufen und Qualmen abgewöhnt, und das haben sie gut ge-macht. Schadstoffausstoß runter, Spritverbrauch runter, Leistung rauf. Das können wir Deutschen. Und das wird in den nächsten Jahren weiterhin das große Thema im Automobilbau bleiben. Denn solange alternative Antriebssysteme teuer bleiben, werden sie nur in homöopathischen Mengen bei den dicken SUVs und Limousinen oder in Cityflöhen wie dem Smart eingebaut. So sieht es aus. Aber so wird es nicht kommuniziert. Da werden ganz andere Töne angeschlagen.

Audi

Auf dem Autosalon in Genf spielte bei Audi nicht der neue A8 die erste Geige, sondern der neue A1. „The next big thing“. Interessan-terweise war in erster Linie nicht von Effizienz die Rede, sondern

von Premium in der Kleinwagenklasse. Kürzlich wurde ein R8 na-mens e-tron vorgestellt; ob er in Serie geht, bleibt offen. Überhaupt hält sich Audi in der Effizienzdebatte elegant zurück – es gibt nicht einmal einen internen Überbegriff für alternative Antriebssysteme.Ein anderes Thema hat Audi jedoch schon vor Jahren als wichtig und richtig erkannt: die Gewichtsreduktion. Auch damit spart man Kraftstoff. Kommuniziert wird es jedoch nur am Rande, wenn überhaupt. Will man „Vorsprung durch Technik“ jedoch weiter pflegen, müss-te jetzt bald etwas kommen aus Ingolstadt. Aber derzeit vertraut man lieber auf Hollywood, genauer gesagt auf Justin Timberlake, der als Testimonial den A1 einführen darf. Man darf gespannt sein, ob sich dieser borrowed interest auf das Auto übertragen lässt.

BMW

BMW spielt das Instrument Nachhaltigkeit seit Längerem, und das gut: „Efficient Dynamics“ heißt es da. Und es wird untermalt von deutlich gesunkenen CO2-Werten, oftmals den besten in ihrer Klasse. Passend zum Markenkern – Fahrfreude –, baut man 1er und 3er in München, die diesen Anspruch stützen. Mit dem Mini E wird in ausgewählten Megacitys ein Großversuch durchgeführt. In Bannern im World Wide Web wird seit Wochen mit dem weiß-schwarzen Konzeptfahrzeug der IAA 2009 getrommelt, was das Zeug hält. Es gibt den X6 und den 7er als Hybridmodelle.Umso unverständlicher die vergleichsweise zurückhaltende Kom-munikation. Glaubt man, ein Elektromotor würde die Fahrfreu-de und die Akzeptanz beim Kunden schmälern? Natürlich hat eine 220-Volt-Steckdose nicht den Sexappeal eines Vierlingsaus-puffs, aber wie heißt es so schön: Drehmoment ist nur durch eines zu ersetzen – noch mehr Drehmoment. Und das haben Elektro-motoren ja zuhauf.

Ford

In Köln nix Neues. Ja, man kann auch Erdgas fahren und ja, die Kleinwagen sind günstig im Verbrauch. Hybrid oder Elektro-auto – trockener Pustekuchen. Ach so, ja, in England werden 15 Ford Focus mit einem E-Motor von Magna getestet. Darüber kann man in der Werbung natürlich nicht groß reden. Macht dann auch keiner.

Mercedes-Benz

Den (nach dem Lexus LS 600h) weltweit ersten Hybrid in der Ober-klasse, der S 400 Blue Hybrid, kam aus Untertürkheim. Das (ver-mutlich) erste Konzept eines Stadtautos, der elektrobetriebene Smart, startete 2007 in London. Die B-Klasse soll dieses Jahr noch ihren jüngsten Spross, den F-Cell, begrüßen dürfen, ein reines Elektroauto. In einer kleinen Auflage allerdings. In Berlin werden

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derzeit elektrisch betriebene Smarts getestet. Verkauft werden sol-len sie aber erst ab 2012. Zu welchem Preis, steht in den Sternen. Man kann in Stuttgart eben viel, bloß kein Hochdeutsch. Vielleicht heißt der Überbegriff deshalb auch BlueEfficiency. Mercedes spielt das Thema „grüne Autos“ jedoch virtuos. Der Film mit dem Vater, dessen Tochter mit dem neuen Freund auf den Hof kommt, macht richtig Spaß. Und das Vorurteil des Vaters, dass die Tochter womöglich wieder mit einem Hippie ankommt, bestätigt sich natürlich. Denn der fährt ein BlueEfficiency-Modell. Aber warum „blue“, warum nicht

„green“? Die Angst, zu dicht an selbst gestrickte Pullover, Müsli und

„Atomkraft? Nein Danke“-Buttons zu rücken?

Volkswagen

Die Frage geht auch nach Wolfsburg, wo die „BlueMotion“ vorangetrie-ben wird, zumindest in der Werbung. Denn lange wirkten TDi und FSi wie Feigenblätter für den Volkswagen-Konzern. Dabei gab es genügend innovative Ideen wie den Drei-Liter-Polo und das Ein-Liter-„Auto“, mit dem Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch und sein damaliger Vorstands-chef Bernd Pischetsrieder publikumswirksam von Wolfsburg nach Hamburg fuhren. Aber bis ein reines Elektrofahrzeug auf dem Markt kommen wird, vergehen wahrscheinlich noch drei weitere Jahre.Was es gibt, ist der neue Touareg Hybrid, beworben als „der erste Hybrid, der mit Adrenalin betrieben wird“. Diese Printkampagne lässt tief blicken. Ähnlich wie bei Leichtzigaretten – da heißt es gerne „Voller Geschmack bei niedrigen Werten“ – versuchen die VW-Werber den Touareg bloß nicht in die Nähe kastrierter Kater zu positionieren. „Rocking the Hybrid“ heißt es auf der Website, noch ein klares Zeichen: Hybrid-SUVs sind trotz Elektromotor ein Spielzeug für Männer mit Dreitagebart und nichts für Schat-tenparker oder andere Bausparer.

Porsche

Auch Porsche hat etwas mit Mercedes gemein: nicht die Vorliebe für die Farbe Blau, sondern die Abneigung gegen das Hochdeut-sche. Effiziente Motorenkonzepte heißen in Zuffenhausen „Por-sche intelligent Performance“, kurz PIP. Bei Porsche steckt aber mehr dahinter als reine Augenwischerei. Immerhin erfand der Urahn der Porschedynastie 1898 noch als Angestellter der Lohner Werke in Wien das erste Elektroauto mit

zwei und vier Radnabenmotoren und ein Jahr später den ersten Hybriden – viele Jahre vor dem 356 und der damaligen Zeit weit voraus. Bei den 24 Stunden vom Nürburgring startet Porsche in diesem Jahr als erster Hersteller mit einem Hybridauto und in Genf wurde der Porsche Spyder 918 vorgestellt. Ebenfalls ein Hybridmodell, das bald in Serie gehen wird. Der Cayenne Hybrid wurde im Mai bei den Händlern vorgestellt, nur wenige Wochen

nach dem Touareg von VW.Porsche hat es nötig. Mit dem Stigma der Unvernunft gezeich-net, müssen sich Porschefahrer nicht nur an Tankstellen mög-lichst unauffällig verhalten. Der

Cayenne Turbo, für viele ein Markenzeichen automobiler Unvernunft, bekommt mit dem hybriden Bruder einen

grünen Tarnanstrich. Man darf auf die Verkaufszahlen ge-

spannt sein, aber solange Por-sche weiter vorneweg fährt bei den alternativen Antriebsmodel-len, muss man sich um den Fort-bestand der Sportwagenschmiede wenig Sorgen machen. Und falls der 911 Hybrid bei den 24 Stun-

den gut abschneidet, wird dies in der Kommunikation sicherlich genutzt werden. Keine schlechte Idee jedenfalls und mehr als passend zum Markenkern.

Opel

Bleibt Opel. Effizienz heißt hier im Werbedeutsch „ecoflex“. Was sich dahinter verbirgt, ahnt der Laie schon: nicht viel. Besonders spritsparende Motoren halt. Aber ecoflex kann mehr, seitdem Opel den Ampera am Start hat. Ein Hybridmodell, das sowohl an der Steckdose als auch über den Verbrennungsmotor seine Batterien aufladen kann. Markteinführung ist geplant für 2011, der Preis soll bei 40.000 Euro liegen – um solche Premiumpreise einzufahren, muss man eifrig Sprit einsparen.Am Ampera wird sich zeigen, ob Opel noch eine Zukunft hat. Noch läuft die Schonfrist, die Opel hat („die können ja nichts für ihre häss-liche Mutter GM“). Aber wenn die abläuft, heißt es statt „Wir leben Autos“ vielleicht schon bald „Wir leben in der Vergangenheit“. ☐

MATTHIAS WETZEL hat Werbewirtschaft in Pforzheim studiert und arbeitete danach bei den Agenturen Saatchi & Saatchi, Ogilvy sowie Springer & Jacoby. Seit 13 Jahren ist er in München selbstständig tätig.