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82 MMW-Fortschr. Med. Nr. 8 / 2013 (155. Jg.) PHARMAFORUM Typ-2-Diabetes und Lebensstil Brennpunkte Gewicht und Hypoglykämie _ „Den Zucker korrigieren kann jeder, aber ich möchte Ihr Problem ganzheitlich ange- hen“, mit diesen Worten beginnt Dr. Rainer Betzholz, Diabetologe in Neuss, in der Regel seine Erstgespräche mit Typ-2-Diabetikern. Es gehe nicht nur um die Glukosewerte, sondern um das kardiovaskuläre Gesamt- risiko. Hierauf hätten auch das Gewicht und das Hypoglykämierisiko einen Einfluss, fügte er hinzu. Denn schwere Hypoglykä- mien erhöhen die Rate makrovaskulärer Er- eignisse um den Faktor 2,9 und die kardio- vaskuläre Sterberate um den Faktor 2,7 [Zoungas S et al. N Engl J Med. 2010;363: 1410–1418]. Laut Prof. Dr. Werner Kern vom Zentrum für Hormon- und Stoffwechseler- krankungen in Ulm gehen zudem nächt- liche, oft unbemerkte Hypoglykämien mit erhöhter Nahrungsaufnahme am nächsten Tag und Beeinträchtigungen der Gedächt- nisfunktion einher. Betzholz strebt bei Typ-2-Diabetern in- dividuelle Therapieziele an und versucht zunächst meist, auf Pharmakotherapie zu verzichten, um die Motivation für die Le- bensstiländerung nicht zu beeinträchti- gen. Liegt eine atherothrombotische Ge- fäßerkrankung vor, verabreicht er jedoch – wie von der DDG empfohlen [Matthaei S et al. Diabetologie 2009;4:32–64] – Metfor- min, weil dies im REACH-Register das Ster- berisiko reduziert hatte [Roussel R et al. Arch Intern Med. 2010;170(21):1892–1899]. Bei unzureichendem Ansprechen bevor- zugt Betzholz als weiteres orales Antidia- betikum eine inkretinbasierte Therapie, et- wa mit einem DDP-4-Hemmer, da diese weder das Gewicht noch das Hypoglykä- mierisiko erhöht [Phung OJ et al. JAMA. 2010;303:1410–1418]. Entsprechende End- punktstudien mit DPP-4-Hemmern wür- den derzeit laufen, so Betzholz. Erste Er- gebnisse erwartet er 2014 für Sitagliptin (z.B. Xelevia®). Zur häufig bei Typ-2-Diabetikern rat- samen Gewichtsabnahme erklärte PD Dr. Martin Füchtenbusch, München, bei einem Body-Mass-Index von 30–35 kg/m 2 könne man innerhalb von zwei Jahren nicht mehr als 4–6 kg Gewichtsreduktion erwarten. Bezüglich der Art der Diät betonte er, die Kalorien seien das einzige, was zähle. Petra Eiden Quelle: Symposium „Typ-2-Diabetes 2012: Lebensstil im Blick – die Therapie „im Genick“, im Rahmen 6. Herbsttagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft, Berlin, November 2012 (Veranstalter: Berlin-Chemie) Chronisch thromboembolische pulmonale Hypertonie (CTEPH) Verbesserung von Gehstrecke und Lebensqualität _ Für Patienten mit CTEPH stand bislang nur die Operation als Therapiemodalität zur Verfügung. Sie ist jedoch nur in der Hälfte der Fälle technisch machbar. Jetzt hat mit Riociguat erstmals ein Medikament in einer kontrollierten Studie bei dieser häufigen Form der pulmonalen Hyperto- nie (PH) eine überzeugende klinische Wirk- samkeit gezeigt. Die CTEPH wird in der WHO-Klassifika- tion der PH als eigene Entität in Gruppe 4 geführt und ist derzeit nur sehr begrenzt zu behandeln, erinnerte Prof. Ardeschir Ghofrani, Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Standort Gießen. Schätzungen zufolge entwickeln etwa 1–4% aller Pa- tienten, die eine Lungenembolie (LE) über- lebt haben, eine CTEPH. In etwa 40% der Fälle kann keine LE in der Anamnese ermit- telt werden, sodass die Diagnose dieser chronisch progredient verlaufenden Er- krankung oft verspätet erfolgt. Ursächlich für die Entwicklung einer CTEPH sind fibro- tisch organisierte Blutgerinnsel und ein Re- modeling auch nicht direkt betroffener Lungengefäße. Die einzige potenziell kurative Therapie bei der CTEPH ist ein operatives Vorgehen mittels pulmonaler Endarteriektomie. Bei mindestens der Hälfte der betroffenen Pa- tienten ist eine Operation jedoch technisch nicht möglich. Für diese Gruppe steht bis- lang keine zugelassene medikamentöse Therapie zur Verfügung. Die mittlere Über- lebenszeit beträgt hier nur knapp sieben Jahre. Erstmals ein Medikament erfolgreich getestet Studien mit den bei anderen PH-Formen eingesetzten Medikamenten verliefen bis- lang sämtlich negativ. Erst jetzt hat sich Abb. 1 Signifikante Verbesserung der 6-Minuten-Gehstrecke durch Riociguat im Vergleich zu Placebo. Abbildung 1 © frank peters / fotolia.com Das Gewicht im Normbereich halten – ein wichtiges Ziel in der Diabetestherapie. Mittlere Veränderung zum Ausgangswert des 6-MWT (m) + 46 m p < 0,0001 (95%-KI: 25–67 m) Primärer Endpunkt: Alle Patienten (n = 173/88) 50 40 30 20 10 0 -10 -20 Riociguat Placebo

Brennpunkte Gewicht und Hypoglykämie

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82 MMW-Fortschr. Med. Nr. 8 / 2013 (155. Jg.)

PHARMAFORUM

Typ-2-Diabetes und Lebensstil

Brennpunkte Gewicht und Hypoglykämie _ „Den Zucker korrigieren kann jeder, aber ich möchte Ihr Problem ganzheitlich ange-hen“, mit diesen Worten beginnt Dr. Rainer Betzholz, Diabetologe in Neuss, in der Regel seine Erstgespräche mit Typ-2-Diabetikern. Es gehe nicht nur um die Glukosewerte, sondern um das kardiovaskuläre Gesamt-risiko. Hierauf hätten auch das Gewicht und das Hypoglykämierisiko einen Einfluss, fügte er hinzu. Denn schwere Hypoglykä-mien erhöhen die Rate makrovaskulärer Er-eignisse um den Faktor 2,9 und die kardio-vaskuläre Sterberate um den Faktor 2,7 [Zoungas S et al. N Engl J Med. 2010;363: 1410–1418]. Laut Prof. Dr. Werner Kern vom Zentrum für Hormon- und Stoffwechseler-krankungen in Ulm gehen zudem nächt-liche, oft unbemerkte Hypoglykämien mit erhöhter Nahrungsaufnahme am nächsten Tag und Beeinträchtigungen der Gedächt-nisfunktion einher.

Betzholz strebt bei Typ-2-Diabetern in-dividuelle Therapieziele an und versucht

zunächst meist, auf Pharmakotherapie zu verzichten, um die Motivation für die Le-bensstiländerung nicht zu beeinträchti-gen. Liegt eine atherothrombotische Ge-fäßerkrankung vor, verabreicht er jedoch – wie von der DDG empfohlen [Matthaei S et al. Diabetologie 2009;4:32–64] – Metfor-min, weil dies im REACH-Register das Ster-berisiko reduziert hatte [Roussel R et al. Arch Intern Med. 2010;170(21):1892–1899]. Bei unzureichendem Ansprechen bevor-zugt Betzholz als weiteres orales Antidia-betikum eine inkretinbasierte Therapie, et-wa mit einem DDP-4-Hemmer, da diese weder das Gewicht noch das Hypoglykä-mierisiko erhöht [Phung OJ et al. JAMA. 2010;303:1410–1418]. Entsprechende End-punktstudien mit DPP-4-Hemmern wür-den derzeit laufen, so Betzholz. Erste Er-gebnisse erwartet er 2014 für Sitagliptin (z.B. Xelevia®).

Zur häufig bei Typ-2-Diabetikern rat-samen Gewichtsabnahme erklärte PD Dr.

Martin Füchtenbusch, München, bei einem Body-Mass-Index von 30–35 kg/m2 könne man innerhalb von zwei Jahren nicht mehr als 4–6 kg Gewichtsreduktion erwarten. Bezüglich der Art der Diät betonte er, die Kalorien seien das einzige, was zähle.

■ Petra EidenQuelle: Symposium „Typ-2-Diabetes 2012: Lebensstil im Blick – die Therapie „im Genick“, im Rahmen 6. Herbsttagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft, Berlin, November 2012 (Veranstalter: Berlin-Chemie)

Chronisch thromboembolische pulmonale Hypertonie (CTEPH)

Verbesserung von Gehstrecke und Lebensqualität_ Für Patienten mit CTEPH stand bislang nur die Operation als Therapiemodalität zur Verfügung. Sie ist jedoch nur in der Hälfte der Fälle technisch machbar. Jetzt hat mit Riociguat erstmals ein Medikament in einer kontrollierten Studie bei dieser häufigen Form der pulmonalen Hyperto-nie (PH) eine überzeugende klinische Wirk-samkeit gezeigt.

Die CTEPH wird in der WHO-Klassifika-tion der PH als eigene Entität in Gruppe 4 geführt und ist derzeit nur sehr begrenzt zu behandeln, erinnerte Prof. Ardeschir Ghofrani, Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Standort Gießen. Schätzungen zufolge entwickeln etwa 1–4% aller Pa-tienten, die eine Lungenembolie (LE) über-lebt haben, eine CTEPH. In etwa 40% der Fälle kann keine LE in der Anamnese ermit-telt werden, sodass die Diagnose dieser chronisch progredient verlaufenden Er-

krankung oft verspätet erfolgt. Ursächlich für die Entwicklung einer CTEPH sind fibro-tisch organisierte Blutgerinnsel und ein Re-modeling auch nicht direkt betroffener Lungengefäße.

Die einzige potenziell kurative Therapie bei der CTEPH ist ein operatives Vorgehen mittels pulmonaler Endarteriektomie. Bei mindestens der Hälfte der betroffenen Pa-tienten ist eine Operation jedoch technisch nicht möglich. Für diese Gruppe steht bis-lang keine zugelassene medikamentöse Therapie zur Verfügung. Die mittlere Über-lebenszeit beträgt hier nur knapp sieben Jahre.

Erstmals ein Medikament erfolgreich getestetStudien mit den bei anderen PH-Formen eingesetzten Medikamenten verliefen bis-lang sämtlich negativ. Erst jetzt hat sich

Abb. 1 Signifikante Verbesserung der 6-Minuten-Gehstrecke durch Riociguat im Vergleich zu Placebo.

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Das Gewicht im Normbereich halten – ein wichtiges Ziel in der Diabetestherapie.

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Primärer Endpunkt: Alle Patienten (n = 173/88)

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