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Herrn Bundesminister der Finanzen Peer Steinbrück Wilhelmstraße 97 10117 Berlin III A 5 – O 3100 – 25/05 9.1.06 Az. 25.3 24.01.2005 Reform der Aufbau- und Ablauforganisation der Zollverwaltung; Mobilisierung von Einsparpotentialen und Erhöhung der Wirksamkeit bei der Aufgabenwahrnehmung Ihr Schreiben vom 9. Januar 2006 mit Aktenzeichen III A 5 – O 3100 – 25/05 Unser Schreiben vom 21. November 2005 Sehr geehrter Herr Steinbrück, vielen Dank für Ihre Antwort auf unser Schreiben vom 21. November 2005 durch die Parlamentarische Staatssekretärin Frau Dr. Barbara Hendricks. Dem zum Ausdruck gebrachten Wunsch, unsere Kritik und unsere Vorschläge zur Reform der Bundeszollverwaltung näher darzulegen, kommen wir gerne nach. Sie haben zu Beginn der neuen Legislaturperiode nicht zuletzt wegen der in der Tat angespannten und knappen Haushaltslage des Bundes darauf hingewiesen, dass auch im öffentlichen Dienst ein Einsparvolumen von einer Milliarde Euro realisiert werden muss. Das eine solche Forderung bei vielen Beschäftigten im öffentlichen Dienst, gerade in den unteren und mittleren Einkommensgruppen Sorgen im Hinblick auf ihre berufliche und auch finanzielle Zukunft auslöst, können Sie dabei sicher nachvollziehen. Sorgen lösen aber auch die Zustände in der Bundeszollverwaltung aus, die die Aufgabenwahrnehmung zuweilen äußerst schwierig gestalten. Sie können versichert sein, dass die Mitarbeiter der Bundeszollverwaltung wesentlich motivierter sein werden, ihren Beitrag zur Haushaltskonsolidierung zu leisten, wenn sie sicher sein können, dass „ihr“ Minister um eine generelle Optimierung der Einnahmesituation bemüht ist. Die gegenwärtige Aufbauorganisation der Bundeszollverwaltung genügt einem solchen Anspruch nach unserer Einschätzung keinesfalls.

Brief der GdP an Peer Steinbrück

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Das wirklich zukunftsfähige Konzept der GdP für den Zoll

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Herrn Bundesminister der Finanzen Peer Steinbrück Wilhelmstraße 97 10117 Berlin III A 5 – O 3100 – 25/05 9.1.06 Az. 25.3 24.01.2005 Reform der Aufbau- und Ablauforganisation der Zollverwaltung; Mobilisierung von Einsparpotentialen und Erhöhung der Wirksamkeit bei der Aufgabenwahrnehmung Ihr Schreiben vom 9. Januar 2006 mit Aktenzeichen III A 5 – O 3100 – 25/05 Unser Schreiben vom 21. November 2005 Sehr geehrter Herr Steinbrück, vielen Dank für Ihre Antwort auf unser Schreiben vom 21. November 2005 durch die Parlamentarische Staatssekretärin Frau Dr. Barbara Hendricks. Dem zum Ausdruck gebrachten Wunsch, unsere Kritik und unsere Vorschläge zur Reform der Bundeszollverwaltung näher darzulegen, kommen wir gerne nach. Sie haben zu Beginn der neuen Legislaturperiode nicht zuletzt wegen der in der Tat angespannten und knappen Haushaltslage des Bundes darauf hingewiesen, dass auch im öffentlichen Dienst ein Einsparvolumen von einer Milliarde Euro realisiert werden muss. Das eine solche Forderung bei vielen Beschäftigten im öffentlichen Dienst, gerade in den unteren und mittleren Einkommensgruppen Sorgen im Hinblick auf ihre berufliche und auch finanzielle Zukunft auslöst, können Sie dabei sicher nachvollziehen. Sorgen lösen aber auch die Zustände in der Bundeszollverwaltung aus, die die Aufgabenwahrnehmung zuweilen äußerst schwierig gestalten. Sie können versichert sein, dass die Mitarbeiter der Bundeszollverwaltung wesentlich motivierter sein werden, ihren Beitrag zur Haushaltskonsolidierung zu leisten, wenn sie sicher sein können, dass „ihr“ Minister um eine generelle Optimierung der Einnahmesituation bemüht ist. Die gegenwärtige Aufbauorganisation der Bundeszollverwaltung genügt einem solchen Anspruch nach unserer Einschätzung keinesfalls.

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Wir wollen Ihnen mit unseren Strukturvorschlägen empfehlen, den o.a. Einsparbetrag zu erbringen, ohne die Kolleginnen und Kollegen in der Bundeszollverwaltung weiter durch Gehaltskürzungen und Arbeitszeitverlängerungen zu belasten und dabei gleichzeitig helfen, die Bundeszollverwaltung „Fit für die Zukunft“ zu machen. Bekanntlich ist die Gewerkschaft der Polizei schon seit langem zu der politischen Einschätzung gekommen, dass auch der öffentliche Dienst zukünftig noch stärker in die Pflicht genommen wird, um den Bundeshaushalt zu konsolidieren. Diese finanzpolitischen Überlegungen sowie die von uns erkannten schwerwiegenden Strukturprobleme in der Bundeszollverwaltung waren letztendlich der Auslöser dafür, dass wir bereits im Jahre 2000 dem Bundesministerium der Finanzen konkrete und weitreichende strukturverändernde Vorschläge unterbreitet haben, die einerseits einen großen Beitrag zur Einsparung von Personal- und Sachkosten leisten und andererseits den Wirkungsgrad der Bundeszollverwaltung bei der Wahrnehmung der verschiedenartigen Aufgaben deutlich verbessern. Bis heute haben wir jedoch nicht erkennen können, dass sich Ihre Abteilung III mit diesen von uns eingebrachten grundsätzlichen Strukturvorschlägen und Argumenten ernsthaft auseinandergesetzt hat. Auch warten wir noch auf die Bereitschaft zu einem gemeinsamen Dialog mit uns, in dem wir mit Ihrer Abteilung III diese Vorschläge intensiver erörtern könnten. Im Gegensatz zu Ihrer Abteilung III sind fachkundige Abgeordnete der beiden Fraktionen von SPD und CDU/CSU an unseren Vorschlägen interessiert und in einem regelmäßigen Dialog mit uns. Darüber hinaus erhalten wir mittlerweile Anfragen aus dem europäischen und auch außereuropäischen Ausland, in dem wir unsere Vorstellungen zu einer wirksameren Bekämpfung der Finanzkriminalität durch den Umbau der vollzugspolizeilichen Einheiten der Zollverwaltung näher darstellen und erläutern sollen. Ungeachtet dessen bin ich gerne bereit die von Ihnen gewünschten Präzisierungen dem Bundesministerium der Finanzen erneut in aller Deutlichkeit im Einzelnen umfangreich wie gewünscht darzulegen, bitte dabei aber zugleich um Verständnis, dass sich diese Vorschläge in einem Antwortschreiben nicht exakt und vollständig darstellen lassen. Bevor ich zu Ihren konkreten Fragestellungen komme, möchte ich Ihnen die grundsätzlichen Einschätzungen und Annahmen erläutern, die Grundlage unserer perspektivischen Überlegungen sind. 1. Zölle und Marktordnung sind nicht die Aufgaben der Zukunft Erklärtes Ziel der internationalen und innereuropäischen Politik ist es, auf lange Sicht die Zölle und die Marktordnungen deutlich zu reduzieren bzw. abzuschaffen und die noch vorhandenen Verwaltungsabläufe zur Sicherung der zu realisierenden Einnahmen zu vereinfachen. Damit wird den WTO-Verhandlungen im Rahmen der Doha-Runde Rechnung getragen. Im Juni 2004 wurde dazu der vollständige Abbau aller Agrarsubventionen für die Zukunft vereinbart. Während der letzten WTO-Runde im Dezember 2005 in Hongkong

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erklärte Bundeswirtschaftsminister Glos, Deutschland wolle „so viele Zölle wie möglich abschaffen". Vor diesem Hintergrund ist die Annahme realistisch, dass eine Vielzahl fiskalischer Aufgaben des „klassischen“ Zolls künftig entbehrlich ist. Die Bedeutung der beiden fiskalischen Säulen „Zölle“ und „Marktordnung“ für den Zoll tritt damit unstrittig mehr und mehr in den Hintergrund. Ein weltweit liberalisierter Warenverkehr birgt jedoch auch Risiken, die vorwiegend im Ausnutzen der gewünschten Freizügigkeit des Welthandels durch Kriminelle zu sehen sind. Auch aus diesem Grund fordert die Europäische Kommission seit 2002 zur Abwehr der Bedrohungen durch den Warenverkehr den Umbau der europäischen Zollverwaltungen zu „Polizeien für den Warenverkehr“ und unterstützt damit Forderungen der Gewerkschaft der Polizei. Solche Bedrohungen beziehen sich z.B. auf Gefahren durch schädliche Lebensmittel, Rauschgift, verbotene Arzneimittel, geschützte Tier- und Pflanzenarten, sowie geschützte Produkte, aber auch Waffen, Kriegswaffen und Sprengstoff, die nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund wachsender internationaler terroristischer Aktivitäten an Bedeutung gewinnen. 2. Verschiedenartige Aufgaben benötigen verschiedenartige Strukturen Eine sich radikal und schnell verändernde, auf Globalisierung ausgerichtete Weltwirtschaft mit ihren nahezu ungebremsten und kaum noch zu kontrollierenden internationalen Kontakten, Dienstleitungen, Waren- und Geldbewegungen muss notwendigerweise mit der gleichen Dynamik zu Veränderungen bei der Bundeszollverwaltung führen. Die moderne Freizügigkeit in unserer heutigen Ordnung bietet allerdings auch zunehmend Raum für illegale Aktivitäten zum Nachteil der ansonsten ehrlichen Allgemeinheit und für den Staat. Gerade im Zuständigkeitsbereich der Bundeszollverwaltung entstehen beispielsweise durch Rauschgift-, Waffen- und Zigarettenschmuggel, illegale Beschäftigung oder die Missachtung der Außenwirtschaftsbestimmungen Bedrohungen für die Menschen, die Unternehmen und den Staat, die durch einen neu aufgestellten und wirksamer operierenden Zoll abgewehrt werden müssen. Diese veränderte Herausforderung wird durch die Bundeszollverwaltung zu meistern sein. Mit nahezu allen diesen finanzpolizeilich zu verfolgenden Delikten lassen sich in relativ kurzen Zeiträumen in auf Dauer angelegten unauffälligen Strukturen durch gut ausgebaute Netzwerke von Scheinfirmen große illegale Vermögen akkumulieren. Diese Vermögen werden durch intelligente Geldwäsche in korrespondierenden kriminellen Organisationen dem legalen Wirtschaftskreislauf wieder zugeführt und stellen dort eine erhebliche Bedrohung für die redlich agierende Wirtschaft dar. Damit bedrohen sie nicht nur das sozialmarktwirtschaftliche Wirtschaftsgefüge, sondern auf Dauer auch das Sozialgefüge der Bundesrepublik Deutschland. Diese hohen und illegalen Vermögen, soweit sie nicht durch Rauschgiftschmuggel oder verbotene Kriegswaffenexportgeschäfte erlangt wurden, sind zudem Vermögen, die zuvor den öffentlichen Kassen durch Zoll- oder Steuerhinterziehung, Subventionsbetrug, Sozialversicherungsbetrug oder durch Abgabenhinterziehung vorenthalten bzw. entzogen wurden und somit den politischen Handlungsspielraum stetig schmälern.

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Verbotene Exportgeschäfte im Außenwirtschaftsbereich bedrohen nicht nur durch die große und illegale Kapitalakkumulation das Wirtschafts- und Sozialgefüge, sondern sie bedrohen auch den Frieden zwischen den Völkergemeinschaften und können dabei großen außenpolitischen Schaden für die Bundesrepublik Deutschland verursachen. An dieser Stelle sei daran erinnert, dass ein politischer Auslöser für die Stärkung und Neuorganisation des deutschen Zollfahndungsdienstes Anfang der 90er Jahre die Lieferung einer Giftgasfabrik nach Libyen war. Die Gefahren für Leib und Leben, die sich aus dem Schmuggel von Rauschgift und Waffen sowie von Waren, die den Verbraucher vor allem gesundheitlich bedrohen ergeben, sind offensichtlich und erklären sich u.E. von selbst. Die jetzige Bundeszollverwaltung muss deshalb nach unserer festen Überzeugung zum einen möglichst serviceorientiert und effektiv die notwendigen zollamtlichen und steuerlichen bzw. abgabenrechtlichen Finanzverwaltungsaufgaben administrativ erledigen, ohne dabei ein zusätzliches Handelshemmnis zu bilden, gleichzeitig aber mit ihren finanzpolizeilichen Aufgaben im Bereich der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung bei der Überwachung des grenzüberschreitenden Warenverkehrs und der Bekämpfung der illegalen Beschäftigung den Schutz der Bürgerinnen und Bürger sowie die Sicherung der öffentlichen Einnahmen gewährleisten. Für eine serviceorientierte Bundesfinanzverwaltung zur Erhebung der Zölle, Steuern und Abgaben gelten aber vollkommen andere Anforderungen, wie sie an eine polizeilich ausgerichtete Sicherheitsverwaltung gestellt werden, die mit Maßnahmen der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung die Menschen, die Wirtschaft und den Staat vor ernsthaften Bedrohungen schützen soll. Diese Ausgangslage und Zielvorgabe einer bürger- und wirtschaftsnahen Finanzverwaltung konkurriert mit der der finanzpolizeilichen Aufgabe der Gefahrenabwehr und der Repression. Nicht zuletzt deshalb ist die Trennung zwischen Finanzverwaltung und Finanzpolizei ein wesentlicher Bestandteil zur Korruptionsprävention. Hier sei insbesondere auf die aus Sicht des Bürgers und der Wirtschaft unverzichtbare Trennung zwischen Genehmigungs- und Dienstleistungsbehörde einerseits und Kontroll- und Strafverfolgungsbehörde andererseits hingewiesen. Nicht selten wirken sich mögliche Fehler auf Seiten der Bewilligungs- oder Festsetzungsbehörde auf Fragen der Schuld und Haftung bei Zuwiderhandlungen aus. Die bloße Möglichkeit eines Abhängigkeitsverhältnis zwischen Verwaltung und Strafverfolgung bedroht das Vertrauen in die souveräne Aufgabenwahrnehmung durch den Staat. Die im Wesen unterschiedlichen Aufgaben der Bundeszollverwaltung stellen darüber hinaus grundlegend verschiedene Anforderungen an das eingesetzte Personal und die Nachwuchsgewinnung. Insbesondere die körperlichen Voraussetzungen an die bereits heute in den verschiedenen polizeilichen Vollzugsbereichen des Zolls tätigen Beschäftigten, aus deren Kreise die nochmals körperlich und psychisch höher belasteten polizeilichen

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Spezialkräfte gewonnen werden, unterscheiden sich erheblich von den Anforderungen an Verwaltungsbeamte und -beschäftigte einer Finanzverwaltung. Eine dauerhaft ausreichende Nachwuchsgewinnung für beide Bereiche kann mit einer einheitlichen Laufbahn und Ausbildung nicht gewährleistet werden. Während bei Anwendung der hohen Anforderungen des Polizeidienstes grundlos geeignete Bewerber für den Verwaltungsdienst unzulässig ausgegrenzt werden, gefährdet der Verzicht auf polizeidiensttaugliche Anforderungen bei Dienstanfängern die Funktionsfähigkeit der Vollzugsbereiche. Die Bundesfinanzpolizei ist auch deshalb von den administrativen Bereichen der Bundesfinanzverwaltung herauszulösen, weil für deren spezifische Aufgabenwahrnehmung in den Bereichen der Gefahrenabwehr, beispielsweise bei Schmuggel- und Außenwirtschaftsdelikten oder auch bei der Strafverfolgung von Zoll- und Wirtschaftsdelikten auch aufgrund zunehmender Deliktsuntreue eine vollständige Integration in die bundesdeutsche Sicherheitsarchitektur zwischen den Polizeien des Bundes und der Länder zwingend erforderlich ist. Hierzu gehört selbstverständlich auch der entsprechende polizeiliche Informations- und Nachrichtenaustausch sowie die wechselseitige Nutzung der polizeilich verfügbaren Sach- und Personalressourcen auf allen Seiten. Die Bundesfinanzpolizei könnte ihren Auftrag wirksamer erfüllen, weil sie eine hervorragende Schnittstelle zwischen den Erkenntnissen der Finanzbehörden einerseits und den übrigen Polizeien anderseits bilden würde, ohne dass datenschutzrechtliche oder verfassungsrechtliche Probleme in Bezug auf die polizeilichen Kompetenzen aufgeworfen werden. Für eine wirksame Bekämpfung der gesamten Zollkriminalität sind zudem schnelle und schlanke polizeiliche Führungsstrukturen erforderlich, die rund um die Uhr die vorhandenen vollzugspolizeilichen Personal- und Sachmittelressourcen professionell und lageangepasst im Einsatz führen und steuern können. Durch die zunehmende Technologisierung bei den administrativen Aufgaben der Finanzverwaltung entstehen im Verhältnis zu den Kontroll- und Ermittlungseinheiten vollkommen unterschiedliche Anforderungen im Bereich der Flächenpräsenz. Während in Zukunft die steuerlich-administrativen Aufgaben beispielsweise im Zusammenhang mit der Zoll- oder Steueranmeldung zunehmend zentraler organisiert werden können, bleibt die Anforderung an die vollzugspolizeilich ausgerichteten Einheiten, dicht an der Ware oder der zu kontrollierenden Beschäftigung sowie an den möglichen Straftätern zu operieren. Ungeachtet der eine Trennung von Finanzverwaltung und Finanzpolizei erfordernden Unterschiede ist eine enge vertrauensvolle Zusammenarbeit dieser Behörden unverzichtbarer Bestandteil dieser neuen Aufgaben- und Aufbaustruktur. Insbesondere ein enger Daten- und Informationsaustausch gewährleistet die besonderen Funktionen einer Finanzpolizei und einer Finanzverwaltung.

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3. Schlanke und effektive Strukturen schaffen Die Gewerkschaft der Polizei ist im gleichen Umfang davon überzeugt, dass die Bundeszollverwaltung mit ihren derzeit neun Mittelbehörden (8 Oberfinanzdirektionen und dem Zollkriminalamt) sowie 51 örtlichen Behörden (43 Hauptzollämter und 8 Zollfahndungsämter), die eben keine funktionsfähigen Führungsstrukturen gerade für die vollzugspolizeilichen Einheiten beinhalten, alles andere als schlank und effizient aufgestellt ist. Eine zukunftsfähig aufgestellte Zollverwaltung hat sich an dem Bedarf an Verwaltung und den Herausforderungen von morgen zu orientieren. Ihr Haus hat die Botschaft ausgegeben, dass der Beschäftigte zur Arbeit kommen muss und nicht umgekehrt. Vor diesem Hintergrund ist allerdings eine sinnvolle und auf Dauer ausgerichtete Struktur anzubieten. Ansonsten ist schon jetzt vorhersehbar, dass Jahr für Jahr Rechtfertigungsdebatten für oder wider Standorte und Aufgaben geführt werden. Auch deswegen setzt sich die Gewerkschaft der Polizei dafür ein, jetzt eine auf lange Sicht tragfähige Struktur für die Bundeszollverwaltung zu gestalten. Das beinhaltet, dass die künftige Aufbauorganisation der Bundeszollverwaltung vom Grundsatz zwei- statt dreistufig zu realisieren ist. Mit der Einführung des Zollfahndungsdienstgesetzes wurde bereits ein Weg beschritten, den wir im Ansatz für richtig erachten und den wir etwas salopp so formulieren würden: „Packt endlich zusammen, was zusammen passt.“ Leider wurde diese richtige Erkenntnis in dem zwei Jahre jüngeren Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz nicht berücksichtigt, so dass die Einheiten der Finanzkontrolle Schwarzarbeit Teil der Hauptzollämter wurden und heute über entsprechende Reibungsverluste zwischen den Oberfinanzdirektionen (OFD), den Hauptzollämtern und der Abteilung FKS bei der OFD Köln klagen. Dem nachvollziehbaren und sinnvollen Bündelungsgedanken folgend fordert die Gewerkschaft der Polizei weiter, sämtliche vollzugspolizeilich ausgerichteten Einheiten der Bundeszollverwaltung in einer Bundesfinanzpolizei zu bündeln, während die administrativ ausgerichteten Finanzverwaltungsdienste in einer Bundesfinanzverwaltung zu organisieren sind. Dies würde bedeuten, dass im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen unter dem Dach von zwei statt neun, dafür aber verschiedenartigen Kopfbehörden (Bundesfinanzpolizeipräsidium und Bundesfinanzdirektion) die unterschiedlichen Sparten (Finanzpolizei und Finanzverwaltung) mit nur noch 16 statt 51 Ortsbehörden in der Fläche bedarfsorientiert mit regionaler Kongruenz organisiert würden. Die bisherigen Aufgaben des Zollfahndungsdienstes, der Mobilen Kontrollgruppen, des Zollgrenzdienstes und der Finanzkontrolle Schwarzarbeit in den Bereichen Gefahrenabwehr und Repression durch Kontrolle, Strafverfolgung und Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten würden unter dem Dach eines Bundesfinanzpolizeipräsidiums mit Sitz

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in Köln gebündelt und in acht Bundesfinanzpolizeiämtern an den jetzigen Standorten der Zollfahndungsämter durchgeführt. Die übrigen Finanzverwaltungsaufgaben im Bereich der Erhebung und -verwaltung von Zöllen, Steuern und Abgaben sowie die Strafsachenstellen und die Betriebsprüfung etc. würden unter dem Dach einer Bundesfinanzdirektion mit Sitz in Cottbus in acht Bundesfinanzämtern durchgeführt.

Bundesministerium der Finanzen Bundesfinanzpolizeipräsidium

mit Sitz in Köln Bundesfinanzdirektion

mit Sitz in Cottbus Bundesfinanzpolizeiämter

jeweils mit weiteren Außenstellen

Gemeinsame örtliche Zuständigkeiten z.B. nach Bundesländern

Bundesfinanzämter jeweils mit weiteren

Außenstellen Bundesfinanzpolizeiamt Hamburg

Hamburg, Schleswig-Holstein Mecklenburg Vorpommern

Bundesfinanzamt Hamburg

Bundesfinanzpolizeiamt Berlin

Berlin, Brandenburg

Bundesfinanzamt Berlin

Bundesfinanzpolizeiamt Dresden

Sachsen, Thüringen

Bundesfinanzamt Leipzig

Bundesfinanzpolizeiamt Hannover

Niedersachsen, Bremen, Sachsen-Anhalt

Bundesfinanzamt Hannover

Bundesfinanzpolizeiamt Essen

Nordrhein-Westfalen

Bundesfinanzamt Düsseldorf

Bundesfinanzpolizeiamt Frankfurt a.M.

Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland

Bundesfinanzamt Frankfurt a.M.

Bundesfinanzpolizeiamt Stuttgart

Baden-Württemberg

Bundesfinanzamt Karlsruhe

Bundesfinanzpolizeiamt München

Bayern

Bundesfinanzamt Nürnberg

Die mit der Bundeszollverwaltung in der Fläche vergleichbare jedoch etwas größere Bundespolizei kommt ebenfalls mit insgesamt 19 Ortsbehörden (Bundespolizeiämter) aus. Es ist durchaus organisatorisch leistbar, dass auch in der Bundeszollverwaltung in Zukunft durch eine Leitung mit einem entsprechenden Sachgebiet für die Aufgaben Personal, Haushalt und Organisation sowie einer Abschichtung von Verantwortung nicht nur 300 bis 600 Beschäftigte sondern auch 2.500 Beschäftigte in der Fläche verwaltet, betreut und bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben unterstützt werden. Zentrale Dienststellen, wie z.B. das Bildungszentrum und das Beschaffungsamt würden von beiden Behördenzweigen genutzt und personell gespeist. Sonderdienststellen der Finanzverwaltung, wie beispielsweise die zentrale Steuerzeichenstelle in Bünde würden Teil der Bundesfinanzdirektion.

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4. Die derzeitigen Strukturen sind untauglich diesen Anforderungen gerecht zu werden. Die Struktur des Zollfahndungsdienstes, den Sie im Internet zurecht als die „Kriminalpolizei des Zolls“ bezeichnen, bildet im Vergleich zu den übrigen Einheiten der Bundeszollverwaltung eine positive Ausnahme und steht genauso wegweisend wie beispielhaft für die Zukunft der Zollverwaltung. Hier wurde mit dem Zollfahndungsdienstgesetz durch den Gesetzgeber bereits 2002 deutlich erkannt, dass in der Bündelung des deutschen Zollfahndungsdienstes mit einer zentralen Führungs- und Steuerungsbehörde die Wirksamkeit der Strafverfolgung im Zuständigkeitsbereich der Zollverwaltung verbessert wird, weil auch dadurch bei der Zollfahndung Reibungsverluste nahezu gegen Null minimiert wurden, während sie bei der FKS immer noch bestehen. Nicht nachvollziehbar ist deshalb, dass die mit der „Kriminalpolizei des Zolls“ korrespondierenden Kontroll- und Streifendienste bei den Mobilen Kontrollgruppen und im Grenzzolldienst nicht zugleich in die selben wirksameren Strukturen der Zollfahndung eingebunden worden sind und stattdessen ohne eine ständige lageangepasste Führung und Steuerung bei den Hauptzollämtern verblieben sind. Zollkontrollen durch die Mobilen Kontrollgruppen und den Zollgrenzdienst sowie die Ermittlungen des Zollfahndungsdienstes sind letztendlich dem gleichen Ziel „Bekämpfung der Zollkriminalität“ verpflichtet. Gerade die systematische und regelmäßige Aufbereitung und Verfügbarmachung der wechselseitigen Erkenntnisse zwischen den Kontroll- und Streifenbeamten auf der einen Seite sowie den Ermittlungsbeamten auf der anderen Seite würde die Effizienz bei der Bekämpfung von Zolldelikten signifikant erhöhen. Zugleich könnten die Kolleginnen und Kollegen sich durch gemeinsame Führungsstrukturen stets bei der finanzpolizeilichen Aufgabenwahrnehmung wechselseitig unterstützen und ergänzen. Hierzu ließen sich vielschichtige Beispiele aus der Praxis darstellen. Allein bei der Bewältigung von Großlagen sowie bei der Unterstützung von tagtäglichen Spontaneinsätzen sind die Vorteile einer solchen Struktur deutlich sichtbar. Derzeit ist es so, dass zum Beispiel im Stadtgebiet Düsseldorf für Grenzkontrollen am Flughafen das HZA Düsseldorf zuständig ist, für mobile Kontrollen die MKG Duisburg des HZA Krefeld und für die Ermittlungen das ZFA Essen. Dieser Umstand macht deutlich, das im Grunde bei der notwendigen Abarbeitung einer bestimmten und plötzlich auftretenden Lage in Düsseldorf (möglicherweise noch in den Abend- oder Nachtstunden) keine angeordnete lagebedingte Kräftebündelung möglich ist, da alle zuständigen Kräfte für Düsseldorf zu unterschiedlichen örtlichen Behörden gehören und deren erster gemeinsamer Chef der Abteilungsleiter III im BMF ist. Führungsstrukturen, die vor Ort die Verantwortung für die Beurteilung und Abarbeitung von Lagen übernehmen und die Kräfte entsprechend steuern, sind nicht existent.

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Diese für die Aufgabenwahrnehmung und Fürsorgepflicht unerträgliche Situation ist auf nahezu jede beliebige Stadt übertragbar. Besonders schwierig wird die Situation, wenn sie neben einer personellen Unterstützung auch noch kurzfristig auf spezielle Ausrüstung, wie z.B. Röntgenmobile, Diensthunde, besondere Fahrzeuge etc. zurückgreifen müssen. Da offenbaren sich plötzlich „Fürstentümer des Zolls“, die mit zweckmäßiger und kostengünstiger Verwendung von Einsatzmitteln nichts gemein haben. Auch ist z.B. für einen x-beliebigen Zollfahndungskollegen in der Republik aufgrund nicht existenter regionaler Führungs-, Lage- und Einsatzzentralen nicht oder nur kaum ermittelbar, ob z.B. zu einem bestimmten Zeitpunkt Kontrollkräfte der Zollverwaltung auf der BAB 3 in Bayern im Einsatz sind, die ggf. einen möglichen Drogenkurier aufgrund eines konkreten Hinweises abfangen und festnehmen können. Ebenfalls nicht nachvollziehbar ist, warum die Zollverwaltung einen zweiten parallel laufenden kriminalpolizeilichen Ermittlungsdienst in den Hauptzollämtern neben den Zollfahndungsämtern eingerichtet hat. Die mit strafprozessualen Ermittlungen beauftragten Beschäftigten der FKS machen letztendlich die gleiche Tätigkeit, wie die Beamten im Zollfahndungsdienst, greifen dabei stetig auf die Spezialeinheiten der Zollfahndung zurück und bewegen sich als Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft in den selben rechtlichen Rahmenbedingungen bei der Verfolgung von Straftaten. Den Vorschlag des Präsidenten des Zollkriminalamtes Herrn Karl-Heinz Matthias, die Ermittlungen im Bereich der FKS ebenfalls im Zollfahndungsdienst anzusiedeln, hat Ihr Abteilungsleiter Stähr als nicht zielführend abgelehnt. Heute können wir im Handkommentar von Dr. Bernd Josef Fehn zum Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz in der Rz. 5 zu § 1 nachlesen, dass die Anbindung der FKS an die Hauptzollämter zu Reibungsverlusten führt, die logisch konsequent durch eine neu zu bildende Sparte analog und parallel zum Zollfahndungsdienst behoben werden könnten. An dieser Stelle gehen wir einen Schritt weiter. Wir teilen die Kritik von Dr. Bernd Josef Fehn, empfehlen aber nicht eine weitere Sparte sondern die Verschmelzung der FKS mit dem Zollfahndungsdienst, die dann gemeinsam mit den Mobilen Kontrollgruppen und dem Zollgrenzdienst die Bundesfinanzpolizei bilden würde. In der Folge könnten dann auch vor Ort die uniformierten Kontroll- und Streifenkräfte der bisher verschieden organisierten Einheiten von FKS, MKG und Zollgrenzdienst auf einen gemeinsamen und optimaler genutzten Fuhrpark und andere gemeinsame Ausrüstungsgegenstände und Liegenschaften zurückgreifen, genauso wie die Ermittlungskräfte von FKS und Zollfahndung eine einheitliche „Kriminalpolizei des Zolls“ bilden würden. Kontroll- und Streifenkräfte wären somit vereint mit den Ermittlungskräften eine schlagkräftige Einheit. Alle operativ eingesetzten Vollzugsbeamten unterständen dann im Gegensatz zu heute einer Amtsleitung und würden im Einsatz durch ein Lagezentrum auf Amtsebene geführt und betreut, welches auch Ansprechpartner nach außen wäre. Nach unserer Kenntnis blicken auch Bürger, Rechtsanwälte, Polizei, Finanzämter, Staatsanwaltschaften, Stadt- und Gemeindeverwaltungen durch das sachliche und örtliche

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Zuständigkeitswirrwarr nicht mehr durch. Wie soll jemand auch verstehen, dass es „solche“ und „solche“ Zollbeamte gibt, die zwar im Zweifelsfall am selben Ort zuständig sind aber nicht zur selben Dienststelle gehören oder aber zur selben Dienststelle gehören, jedoch keine gemeinsamen Zuständigkeiten am Ort haben? Um dieses Wirrwarr in der Bundeszollverwaltung anschaulich und nachvollziehbar darzustellen, nehmen wir einmal an, dass beispielsweise die Polizei in NRW in etwa so organisiert wäre: Das Polizeipräsidium in Essen ist zuständig für fast alle Ermittlungen in NRW, aber nicht für Ermittlungen bei Wirtschaftsdelikten. Diese macht das Polizeipräsidium Münster und zusätzlich Verkehrsüberwachung aber nur in Westfalen, während das Polizeipräsidium Köln die Verkehrsüberwachung im Rheinland macht nicht aber Wirtschaftermittlungen, dagegen dass Polizeipräsidium Düsseldorf die Wirtschaftsermittlungen im Rheinland und zusätzlich die gesamte sonstige Gefahrenabwehr in Westfalen und im Rheinland. Im Polizeipräsidium Bonn werden dafür alle Spezialeinheiten bevorratet, die tatsächlich in Münster, Düsseldorf und Köln sitzen, während das Polizeipräsidium Bielefeld zwar eine Leitstelle hat, die mit allen per Sprechfunk kommunizieren kann, ihnen aber keine Weisungen erteilen darf, weil es nur für die Autobahnpolizei, die Wasserschutzpolizei, die Reiterstaffel, die Hundestaffeln, die Informationstechnik, Beratung und die Beschaffung in ganz NRW zuständig ist. An wen wendet sich jetzt der Bürger, der Staatsanwalt oder eine andere Verwaltung im Einzelfall. Der Bürger weiß am Ende nicht mehr, von welchem Polizisten er in Aachen konkret angehalten und kontrolliert wurde. Von dem Verkehrsüberwacher aus Köln oder dem sonstigen Gefahrenabwehrpolizisten aus Düsseldorf, einem Autobahnpolizisten aus Bielefeld oder einem....? So in etwa wirkt das Organisationswirrwarr auf die Kolleginnen und Kollegen von der Polizei, wenn sie mit den Kolleginnen und Kollegen vom Zoll zusammenarbeiten. Das ist deswegen von besonderer Bedeutung, weil gerade die Kolleginnen und Kollegen der vollzugspolizeilichen Einheiten permanent auf die Polizei angewiesen sind. Polizeigewahrsam, erkennungsdienstliche Behandlungen, Erkenntnisanfragen, Unterstützungsersuchen bei Einsätzen, Informations- und Nachrichtenaustausch u.v.m. sind nur ein paar Beispiele dazu. Im Bereich der Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen der Polizeien und der Steuerfahndungsstellen entstehen auch dann Probleme, wenn diese Kolleginnen und Kollegen versuchen herauszufinden, ob und wo bei der Bundeszollverwaltung z.B. kriminalpolizeiliche Erkenntnisse zu einer Person vorliegen. Es gibt keine gemeinsame Datenbank, in der z.B. alle durch die Bundeszollverwaltung strafprozessual verfolgten Täter und Verfahren gespeichert sind. Es gilt also, das Knäuel von Zuständigkeiten und Befugnissen zu entwirren und durch ein Konzept zu ersetzen, das nachvollziehbar und transparent für die Allgemeinheit ist und für die betroffenen Kolleginnen und Kollegen eine optimierte Effizienz gewährleistet.

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5. Die rechtlichen Strukturen sind vor allem für den Vollzugsdienst unzureichend Zunächst einmal ist festzustellen, dass für die Bundeszollverwaltung das Prinzip „Patchwork-Gesetzgebung“ gilt. Es ist der Bundeszollverwaltung in den letzten Jahrzehnten nicht gelungen zumindest die Aufgaben, Befugnisse und Zwangsmittel sowie die grundsätzlichen Organisationsbestimmungen in einem überschaubaren Zollgesetz oder Zollverwaltungs- und -organisationsgesetz zu verankern. Damit soll nicht kritisiert werden, dass sich bei bestimmten Aufgaben, zum Beispiel im Bereich der Einhaltung von Verboten und Beschränkungen bei der Einfuhr von Waren oder bei der Überwachung des Außenwirtschaftsverkehrs die Bundeszollverwaltung auf die entsprechenden Fachgesetze beruft, so wie sich auch die Polizei im Rahmen der Abwehr von Gefahren und Verfolgung von Zuwiderhandlungen beispielsweise auf die einschlägigen Gesetze zum Verkehrswesen stützt. Vielmehr sind schon die grundsätzlichen Aufgaben- und Befugniszuweisungen sowie die damit verbundenen Zwangsvorschriften in einer Art und Weise gestreut, dass es zum Teil kompetenten Juristen schwer fällt, diese Vorschriften in Gänze zu überblicken. Zudem führen solche verstreuten gesetzlichen Kompetenzzuweisungen zu absurden Zuständen. So haben z.B. die Kontroll- und Streifenbeamten einer Mobilen Kontrollgruppe oder des Zollgrenzdienstes vollkommen andere Befugnisse und Zwangsvorschriften bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben wie der Zollfahndungsdienst, selbst dann wenn sie beide am gleichen Ort die selbe ihnen zugewiesene Aufgabe erledigen. So kann z.B. der Zollfahndungsbeamte für die Dauer eines Zugriffs auf einen Rauschgiftschmuggler kurzfristig die Straße sperren, um Gefahren für die eingesetzten Beamten, Dritte oder besondere Vermögenswerte abzuwehren, während die Kontroll- und Streifenbeamten auf diese Befugnis nicht zurückgreifen können. Die Kontroll- und Streifenbeamten des Zollgrenzdienstes und der Mobilen Kontrollgruppen, wie auch die Beschäftigten der FKS, haben im Gegensatz zu ihren Kolleginnen und Kollegen beim Zollfahndungsdienst keine gesetzlich zugewiesenen Eigensicherungs- oder Schutzaufgaben bei Gefahren für sich, Dritte oder besondere Vermögenswerte, beispielsweise durch einen gegenwärtigen Angriff des Täters. Auch gelten unterschiedliche Zwangsvorschriften. Während Zollfahndungsbeamte im Rahmen der Gefahrenabwehr auf die einschlägigen Vorschriften aus dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz (VwVG) zurückgreifen, verbleiben die übrigen Vollzugsbeamten in den Verwaltungsvorschriften der Abgabenordnung, die z.B. einen Sofortvollzug, wie er im § 6 Absatz 2 des VwVG insbesondere für polizeiliche Maßnahmen vorgesehen ist, nicht kennen. Insofern sind sie im Gegensatz zu ihren Kolleginnen und Kollegen bei der Zollfahndung auch nicht Polizeivollzugsbeamte im Sinne des § 80 Absatz 2 Nr. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Das Gesetz über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes (UZwG) differenziert zurecht beim Schusswaffengebrauch zwischen den §§ 10 und 11 UZwG (Schusswaffengebrauch gegen Personen nach § 10 und im Grenzdienst nach § 11). Nicht nachvollziehbar hingegen ist, warum es in den §§ 6 und 9 dieses Gesetzes Vollzugsbeamte des Bundes in der Bundeszollverwaltung unterschiedlicher Klassen gibt. Hätte man nicht in beiden Paragraphen nach dem Wegfall der Binnengrenzen 1993 und der Einführung von Mobilen Kontrollgruppen und der damaligen BillBZ und

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heutigen FKS beispielsweise folgende Formulierung finden können: „Vollzugsbeamte des Bundes sind Zollbeamte mit vollzugspolizeilichen Aufgaben.“ Durch die jetzigen nicht nachvollziehbaren Differenzierungen im Vollzugsdienst wird eine innere Kompatibilität zwischen den unterschiedlichen vollzugspolizeilichen Dienstzweigen der Zollverwaltung deutlich erschwert. Im übrigen lassen sich solche komplizierten Differenzierungen im UZwG in der Aus- und Fortbildung bei den fünfstelligen waffentragenden Zollbeamten nicht mehr zuverlässig vermitteln. Dies muss vor allem auf dem Hintergrund betrachtet werden, dass im Zweifelsfall das Wissen um den rechtmäßigen Schusswaffengebrauch in Bruchteilen von Sekunden rechtssicher abrufbar sein muss. Hier wäre eine eindeutigere Vorschrift auch im Hinblick auf die Eigensicherungsaufgaben, wie z.B. die Aufnahme dieses Personenkreises in das Bundespolizeibeamtengesetz, von entscheidendem Vorteil. Im Bereich des Zollfahndungsdienstgesetzes ist aus Sicht der Gewerkschaft der Polizei vor allem unklar und nicht logisch nachvollziehbar, warum den Beamten des Zollkriminalamtes, die unzweifelhaft zum deutschen Zollfahndungsdienst gehören, nur unter den Voraussetzungen des § 4 ZFdG (Eigene Ermittlungen) die selben Befugnisse wie den Beamten der Zollfahndungsämter zustehen. Auch hier schaffen sie Zollfahndungsbeamte unterschiedlicher „Klassen“, die letztendlich dem selben gesetzlichen Auftrag verpflichtet sind. Dieser Umstand ist insbesondere deswegen nicht nachvollziehbar, weil nach der alten rechtlichen Grundlage die Beamten des Zollkriminalamtes diese Befugnisse hatten und im Entwurf zum ZFdG dieser wichtige Paragraph auch enthalten war. Zu den rechtlichen Problemen bei dem aus unserer Sicht sicherlich mit etwas zu heißer Nadel gestricktem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz verweisen auch wir aus Gründen der Länge dieses Briefes im wesentlichen auf den Handkommentar von Dr. Bernd Josef Fehn, der in Ihrem Hause sicherlich bekannt ist. Ferner kritisieren wir, dass es für die Vollzugsbeamten bei den Mobilen Kontrollgruppen, im Zollgrenzdienst, bei der FKS und der Zollfahndung keine polizeiliche Eilzuständigkeit gibt. Eine solche Eilzuständigkeit ist zum einen für eine rechtlich einwandfreie Absicherung der eingesetzten und gefährdeten Beamten notwendig, damit alle gegenwärtigen Gefahren, die im konkreten Einsatz auftreten, sofort abgewehrt werden können und zum anderen auch im Falle der Notwendigkeit eines sofortigen strafprozessualen Sicherungsangriffs bei Straftaten außerhalb der Zuständigkeit der Bundeszollverwaltung die in Rede stehenden Beamten erste unaufschiebbare Maßnahmen treffen können, wie z.B. die Beschlagnahme von Beweismitteln oder die Festnahme eines dringend Tatverdächtigen, um anschließend den Vorgang an die zuständige Polizeibehörde abgeben zu können. Schlussendlich bleibt die Bundeszollverwaltung an einem für uns entscheidenden Punkt immer wieder rechtlich hängen. Die Bundeszollverwaltung will und muss einerseits mit polizeilichen Mitteln schwerwiegende Gefahren von den Menschen und vom Staat abwehren und zugleich mittlere, schwere und auch Organisierte Kriminalität von zum Teil hoch gewaltbereiten Tätern verhüten und verfolgen und hat deswegen auch entsprechende

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polizeiliche Befugnisse, die aber nicht konsequent durchdekliniert sind und bleibt deswegen auf der Ebene einer materiell-rechtlichen Polizei stehen, obwohl sie aus unserer Sicht für diese Aufgaben, nicht nur zur Sicherheit der Beamten, formell-rechtliche Polizei sein muss. 6. Ausbildung muss differenzierter werden Noch bis vor kurzem teilten sich die Bediensteten der Bundeszollverwaltung in die Laufbahnen

• einfacher Zolldienst, • mittlerer Grenzzolldienst, • mittlerer Binnenzolldienst, • gehobener Zolldienst und • höherer Dienst

auf. Im Rahmen einer Modifizierung der Laufbahnregelungen verschmolzen die Laufbahnen des mittleren Dienstes. Zwar war zumindest im Hinblick auf die Bezeichnung der Laufbahnen bei objektiver Betrachtung der Aufgabenverschiebungen im Zuständigkeitsbereich der Bundeszollverwaltung eine Reform angezeigt, die Aufgabe zugunsten jedweder Differenzierung jedoch sachfremd. Die zum Teil völlig verschiedenen Haupttätigkeitsfelder im steuerlich administrativen Verwaltungsdienst einerseits und im präventiven und repressiven Vollzugsdienst andererseits erfordern ein hohes Maß an differenzierten Fachkenntnissen und Fähigkeiten, deren Vermittlung einen angemessenen Zeitrahmen erfordert. Auch sind die körperlichen Anforderungen an Nachwuchskräfte und deren Ansprüche an ihren beruflichen Werdegang in den verschiedenen Tätigkeitsfeldern gänzlich unterschiedlich. Im Bereich der Vollzugsdienste (Zollgrenzdienst, Mobile Kontrollgruppen, Zollfahndungsdienst, Finanzkontrolle Schwarzarbeit) bilden neben den Grundlagenkenntnissen im allgemeinen und besonderen Verwaltungsrecht vor allem auch Kenntnisse im Straf- und Bußgeldrecht und in der polizeilichen Taktik, insbesondere bei der Wahrnehmung von Eingriffsbefugnissen und der Anwendung von unmittelbarem Zwang sowie der Eigensicherung die Schwerpunkte der Aus- und Fortbildung. Andererseits ist es nicht nachvollziehbar, Bundesfinanzbeamte, die sich im Wesentlichen mit der buchmäßigen Erfassung und Erhebung von Steuern befassen, umfassend in Einsatztaktik, waffenloser Selbstverteidigung, in der Anwendung körperlicher Gewalt sowie im Umgang mit Schuss- und Hiebwaffen auszubilden.

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Wie bereits im Zusammenhang mit der Nutzung gemeinsamer Ressourcen erwähnt, bietet auch die Aus- und Fortbildung der Bediensteten des mittleren und gehobenen Dienstes jeweils Möglichkeiten Teilbereiche aus Gründen einer sparsamen Haushaltsführung gemeinsam durchzuführen. Dazu bieten sich u.a. in der Frühphase der Ausbildung bzw. des Studiums das allgemeine und besondere Verwaltungsrecht (z.B. Steuerrecht, Recht des grenzüberschreitenden Warenverkehrs, Verwaltungsverfahrensrecht, Sozialversicherungsrecht, öffentliches Dienstrecht, Staatsbürgerkunde etc.) an. Anschließend muss jedoch den jeweiligen besonderen Anforderungen durch Gewichtung der Ausbildungsinhalte Rechnung getragen werden. Ziel muss es sein, hoch qualifizierte Fachkräfte zu gewinnen. Der für jeden noch so unterschiedlichen Einsatzbereich leidlich talentierte „Multifunktionsbeamte“ ist indes keine Stütze einer modernen und effizienten Bundesfinanzverwaltung oder einer schlagkräftigen Bundesfinanzpolizei. Vor dem Hintergrund ehrgeiziger Einsparungsziele der Bundesregierung, müssen Lehren aus einer kritischen Betrachtung der in der Vergangenheit im gehobenen Zolldienst und heute in allen Laufbahnen praktizierten Personalpolitik gezogen werden. Dazu ein fiktiver, aber tausendfach geschehener Werdegang eines Beamten im gehobenen Zolldienst:

Zunächst Studium, mit anschließender Verwendung in der Abfertigung bei einem Zollamt

(Mitunter wird dieser Beamte auch gerne als Vorgesetzter am Grenzzollamt eingesetzt ohne die erforderlichen Vollzugsausbildungsabschnitte durchlaufen zu haben) und späterer

Umsetzung zur Vollstreckung mit umfassender Fortbildung auf dem Gebiet des Vollstreckungsrechts,

um auf einem entsprechend höherwertigen Dienstposten befördert zu werden, wechselt der Beamte in den Zollfahndungsdienst. Hier erhält er eine umfassende Ausbildung im Strafrecht und in der Eigensicherung (Sport und Waffentraining), gefolgt von Fortbildungen in verschiedenen Spezialgebieten (Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität, verdeckte Informationsgewinnung, Einsatztaktik oder z.B. zum Polizeiführer),

um wiederum zur Beförderung auf einen entsprechenden Dienstposten zur Bundeskasse zu wechseln; selbstverständlich verbunden mit Fortbildungen im IT-Sektor

usw. Die zwangsläufig erforderliche Spezialisierung der Bediensteten kauft sich die Bundeszollverwaltung auf diese Weise seit Jahrzehnten zu einem völlig überteuerten Preis ein. Zielgerichtete Aus- und Fortbildungskonzepte hingegen ermöglichen erhebliche, sich spürbar auf den Bundeshaushalt auswirkende Kosteneinsparungen bei Personalgewinnung und Personalentwicklung. Wer zu Recht die hohen Personalkosten des öffentlichen Dienstes beklagt, kann sich derartige Verschwendung von Haushaltsmitteln und persönlicher Leistung der Beschäftigten nicht erlauben.

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Zu einer zukunftsfähigen und attraktiven Ausbildung gehört ein modernes, an den Aufgaben orientiertes Berufsbild. Dazu zählt fraglos auch Klarheit über die eigene berufliche Identität. Nicht nur in der Nachwuchsgewinnung erweist sich das zunehmend diffuse Berufsbild des Zollbeamten als kontraproduktiv. Die Bandbreite der Tätigkeiten vom Zahlstellen- oder steuerlichen Verwaltungsbeamten über den IT-System-Administrator zum bewaffneten Ermittler oder Streifenbeamten bis hin zu einer Verwendung in einer Spezialeinheit (wie ZUZ, UGZ oder OEZ) überspannt die gewöhnliche Vorstellung von einem abwechslungsreichen Beruf und auch die Bereitschaft kommender Generationen, sich freiwillig für ein solch unterschiedliches Berufsbild zu entscheiden. Wer Vollzugsbeamter werden möchte, möchte nicht in die Zahlstelle oder im Verwaltungsdienst arbeiten und wer Verwaltungsbeamter werden möchte, möchte nicht im Schichtdienst auf Verbrecherjagd gehen. Der Bedarf, die Anforderungen und das Berufsbild sind entscheidend für eine Zukunft mit Nachwuchs in der Bundeszollverwaltung. 7. Zusammenarbeitsgebot für Finanzpolizei und Finanzverwaltung aus Sicht der GdP Selbstverständlich sollen und müssen die von uns geforderten verschiedenen Behörden Bundesfinanzpolizei und Bundesfinanzverwaltung auf allen Ebenen eng und vertrauensvoll zusammenarbeiten. Ausdruck dieser gewollten Zusammenarbeit ist zunächst, dass beide Behörden dem selben Bundesministerium unterstellt sind und somit eine gemeinsame politische Führung durch den Bundesfinanzminister haben. Die Trennung dieser beiden bisher in der Bundeszollverwaltung vereinten Dienstzweige ist eben nicht in einer Konkurrenz der Aufgaben begründet, sondern vor allem den unterschiedlichen Anforderungen an das Personal und deren Aus- und Fortbildung, die Sachmittel, die Präsenz in der Fläche, die Außenkontakte sowie der Notwendigkeit differenzierter Führung und Steuerung geschuldet. Beiden Behörden ist gemein, dass sie mit unterschiedlichen Methoden dem Ziel der Sicherung der Staatseinnahmen im besonderen Maße verpflichtet sind. Bei der Bundesfinanzpolizei kommen jedoch die übrigen nicht unerheblichen Sicherungs- und Schutzaufgaben für die Bevölkerung, die Wirtschaft und den Staat hinzu. Beide Aufgaben, sowohl die steuerlich-administrativen sowie auch die finanzpolizeilichen Aufgaben, lassen sich jedoch nur wirksam erfüllen, wenn sich beide Behörden durch einen stetigen, auch online gestützten, Informations- und Nachrichtenaustausch ergänzen. So ist beispielsweise eine wirksame Rauschgift-, Waffen- oder Zigarettenschmuggelbekämpfung oder die Überwachung des Außenwirtschaftsverkehrs nur mit Erfolg möglich, wenn die Bundesfinanzpolizei Zugang zu den Warenverkehrsinformationen (Einfuhrerklärungen, Frachtpapiere, Rechnungen, Versender- und Empfängeranschriften etc.) erhält, die der Bundesfinanzverwaltung bei der Erledigung der einfuhrrechtlichen Aufgabenerfüllung zur

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Kenntnis kommen. Gleichzeitig ist für eine risikoarme und weitestgehend hemmnisfreie Abfertigung genauso von Bedeutung, dass die finanzpolizeilichen Erkenntnisse der Bundesfinanzpolizei aus den von ihr durchgeführten Kontrollen, Aufgriffen und Ermittlungsverfahren beispielsweise in die Bewertung eines Ein- oder Ausführers einfließen. Eine wirkungsvolle Risikoanalyse ist von daher für beide Seiten, wenn auch unter unterschiedlichen Gesichtspunkten, von entscheidender Bedeutung für die jeweilige Aufgabenerledigung. Diese notwendige Risikoanalyse, sowie der Austausch von Erkenntnissen und Unregelmäßigkeiten ist auf allen Ebenen der Verwaltung zu gewährleisten. Es bietet sich daher an, auf der Ebene zwischen dem Bundesfinanzpolizeipräsidium und der Bundesfinanzdirektion im Rahmen der Informationsgewinnung ein datenbankgestütztes nationales Risikoanalysezentrum einzurichten, das durch Marktbeobachtung und Auswertung der großen Warenströme, der Betriebsprüfungsberichte, der Mitteilungen in- und ausländischer Finanz- und Polizeibehörden und der übrigen Erkenntnisse aus der Bundesfinanzpolizei und der Bundesfinanzverwaltung ein Lagebild erstellt. Dieses Lagebild schafft zum einen den Überblick, in welchen Warenströmen möglicherweise verstärkt latente Gefahren für die Sicherung der Zoll- und Steuereinnahmen drohen und auch welche Warenströme nur der Tarnung dienen, um andere Produkte die einfuhrverboten oder –beschränkt sind einzuführen oder auch Teil von Geldwäsche- oder Umsatzsteuerkarussellen sind. Gleiches gilt auch für die Außenwirtschaftsüberwachung. Auf der Ebene der jeweiligen Ortsbehörden ist auch eine gemeinsame lokale Risikoanalyse durchzuführen, die aber mehr die besonderen in der jeweiligen Wirtschaftsgeographie zu suchenden Risiken analysiert und daraus lokale Handlungskonzepte für die Bundesfinanzpolizeiämter und Bundesfinanzämter entwickelt. Für diese Risikoanalyse bieten sich die bisherigen Sachgebiete „Informationsgewinnung“ der Zollfahndungsämter an, die hier mit den Bundesfinanzämtern eng und in einem Personalverbund zusammenarbeiten können. Ergebnisse solcher Risikoanalysen können gezieltere Kontrollen oder zielgerichtete Ermittlungen sein, aber auch die Zurücknahme bewilligter vereinfachter Verfahren oder die Nichtgenehmigung solcher Verfahren. So kann z.B. ein Bundesfinanzamt die Bundesfinanzpolizei im Einzelfall bitten, ein finanzpolizeiliches Screening bei einem zugelassenen Empfänger im Hinblick auf seine Zollredlichkeit durchzuführen oder die Bundesfinanzpolizei könnte das Bundesfinanzamt bitten, Waren erst zollrechtlich freizugeben, wenn sie an Ort und Stelle im Zolllager entsprechend kontrolliert worden sind, weil z.B. der Verdacht der Einfuhr verbotener Waren besteht. Die Befugnisse der Bundesfinanzämter zur zollrechtlichen Beschau bei einer Abfertigung bleiben davon unberührt. An den Grenzzollämtern würde die Bundesfinanzpolizei neben den Kernaufgaben als „Polizei für den Warenverkehr“ die Warenabfertigung für die sonst zuständigen Bundesfinanzämter in deren Auftrag selbstständig erledigen.

8. Allein durch Äußerlichkeiten wird eine Corporate Identity nicht erreicht

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Die beobachteten Versuche des Bundesfinanzministeriums, bei der Zollverwaltung eine Corporate Identity (CI) zu etablieren, werden von der GdP sehr aufmerksam -wenngleich auch kritisch- verfolgt, weil der Ansatz, eine CI für die Zollverwaltung zu gestalten, von vornherein zum Scheitern verurteilt ist. Dafür sind schlichtweg die Schnittmengen aus Aufgabenstellung und –erfüllung unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Zollverwaltung nicht ausreichend genug. Ohne entsprechende Schnittmengen kann eine CI innerhalb der Zollverwaltung genauso wenig wachsen wie sonst irgendwo. Der Sachbearbeiter im Sammelzoll eines Hauptzollamts hat im Arbeitsalltag keine Berührungspunkte mit dem Zollfahndungsdienst oder dem Grenzaufsichtsdienst und umgekehrt, genauso wie zwischen dem Mitarbeiter in der Steuerzeichenstelle und einem FKS Beamten im Kontroll- und Streifendienst keine inhaltliche Verbindung besteht. Die jeweiligen Arbeits- und Aufgabenansätze unterscheiden sich völlig von denen der anderen genannten Gruppen. Dieses Beispiel ließe sich problemlos um Abfertigungsbeamte eines Binnenzollamtes, um Vollziehungsbeamte einer Vollstreckungsstelle oder um Stromsteuersachbearbeiter ergänzen. Die berufliche Realität des Zollvollzuges hat im Grundsatz kaum, in jedem Fall aber nicht ausreichend vorhandene Schnittmengen zu den übrigen finanzbehördlichen Aufgaben der Zollverwaltung. Diese Tatsache lässt sich auch nicht durch ein Corporate Design (CD) übertünchen oder überspielen. Einheitliche Briefköpfe und einheitliche Sprachregelungen erzeugen lediglich auf der formellen Ebene Gemeinsamkeiten. In den Köpfen – und auf die kommt es doch an – entwickelt sich deswegen allein noch keine CI. Entscheidend als Ursache für eine fehlende CI muss aus Sicht der GdP auch das Fehlen eines Corporate Behaviour, einer „Unternehmenskultur“, betrachtet werden. Die Zollverwaltung verfügt zwar über eine traditionelle Kultur intern, ein planvoll herbei geführtes Corporate Behaviour ist hingegen nicht existent. Ein Ansatz, dieses zu entwickeln, mag in der durchgeführten Mitarbeiterbefragung erkannt werden. Positive Folgen für das Corporate Behaviour sind, wenn überhaupt, erst auf lange Sicht zu erwarten. Nahezu täglich wird der GdP durch ihre Mitglieder der Motivations(zu)stand übermittelt. Die Motivation befindet sich demnach aus unterschiedlichsten Gründen auf einem Tiefpunkt. Es sind eben nur wenige, die sich in der Zollverwaltung, wie sie sich seit längerem nach innen und außen präsentiert, wiederfinden können. Auch deswegen ist eine CI augenblicklich nur schwer bzw. überhaupt nicht erreichbar. Eine CI ist aus Sicht der GdP erforderlich und gestaltbar, allerdings keines für die gesamte Zollverwaltung. Möglich und realistisch ist eine solches CI nur in getrennten und eigenständigen Formen. Demnach gilt es, eine CI für den fiskalischen Teil der Zollverwaltung zu gestalten und eine andere für den Zollvollzug. Etwas anders zu versuchen, widerspricht allen Erfahrungen, die wissenschaftlich bei den Strategien zur Änderung von Unternehmenskulturen gemacht worden sind.

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Die GdP begrüßt ausdrücklich das Einfließen moderner Führungs- und Steuerungsmethoden in den beruflichen Alltag der Zollverwaltung. Wirklich modernes Führen negiert jedoch nie den Status quo. 9. Einbindung der Vollzugsdienste in das gesamte Aufgabenfeld der Bundeszollverwaltung Sie bitten uns in Ihrem Schreiben Stellung zu der Frage zu nehmen, inwieweit die Vollzugsbereiche in das gesamte Aufgabenfeld der Bundeszollverwaltung eingebunden werden können. Zu der Schnittstelle zwischen den steuerlich-administrativen, bzw. finanzbehördlichen Aufgaben beim grenzüberschreitenden Warenverkehr und Außenwirtschaftsverkehr, sowie im Zusammenhang mit verbrauchssteuerpflichtigen Waren und den finanzpolizeilichen Aufgaben der Vollzugsbereiche verweise ich auf Ziffer 7 dieses Schreibens. Die besondere Rechtsstellung der Finanzbehörde bei Steuerstrafsachen wird hiervon u.E. nicht berührt, da die Strafsachenstellen bei den Bundesfinanzämtern verbleiben würden. Durch diese Trennung zwischen Bundesfinanzpolizei und Bundesfinanzämtern wäre auch gewährleistet, dass die Wahrnehmung der operativen Repressionsaufgaben bei Steuerstraftaten von der Wahrnehmung der Rolle als faktische „Steuerstaatsanwaltschaft“ -juristisch richtig als „erkorene Staatsanwaltschaft“ bezeichnet- getrennt wird, wie im übrigen Polizei und Staatsanwaltschaft auch aus guten Gründen ansonsten getrennte Behörden sind. Im übrigen stellt sich die Frage, welche Aufgaben eine Bundeszollverwaltung zukünftig neben den finanzpolizeilichen Kernaufgaben und den wenigen verbliebenen finanzbehördlichen administrativen Bundesaufgaben überhaupt noch hat, wenn die Zölle und die Marktordnung der Vergangenheit angehören. Vor diesem Hintergrund sehen wir nicht die Notwendigkeit einer organisatorisch engen Verbindung zwischen den administrativen Aufgaben der Bundesfinanzverwaltung und den Vollzugsbereichen, die über die Vorschläge der Ziffer 7 hinaus gehen. Nach Erläuterungen unserer Standpunkte, die in sich bereits die von Ihnen aufgeworfenen drei Fragen beantworten, fassen wir zusammen: Die Bediensteten der Vollzugsbereiche der Bundeszollverwaltung sind Polizeibeamte mit fachlicher Zusatzqualifikation Die Bekämpfung der Kriminalität, die Verfolgung von Straftaten sowie die Abwehr und Beseitigung von Gefahren (auch solche, die als latente Gefahren dem grenzüberschreitenden Warenverkehr innewohnen) sind unstreitig polizeiliche Aufgaben im Zuständigkeitsbereich der Bundeszollverwaltung. Zu deren Wahrnehmung sind Polizisten und Zollbeamten im Gegensatz zu den Angehörigen aller anderen Verwaltungsberufe im besonderen Maße staatliche Hoheitsrechte übertragen. Seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert sind für den

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Bürger die Sicherheitsaufgaben und mit ihnen die Polizei ebenso wie das Gewaltmonopol des Staates zur Selbstverständlichkeit geworden. Der Polizeibeamte manifestiert und praktiziert heute aus der Sicht des Bürgers das Gewaltmonopol des modernen Rechtsstaates. Die präventiv tätigen Vollzugskräfte des Zollgrenzdienstes, der Finanzkontrolle Schwarzarbeit und der Mobilen Kontrollgruppen wehren durch strategische auf fortlaufenden Risikoanalysen basierende Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen tatsächliche und latente Gefahren, die direkt oder indirekt von internationalen Warenbewegungen ausgehen, ab. Zu den damit verbundenen typischen Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zählen neben Gefahren für Mensch und Umwelt durch Waren, deren Einfuhr und Handel verboten bzw. beschränkt sind, insbesondere auch die Gefährdung des Staatshaushaltes durch betrügerisches Handeln. Die Gefahrenabwehr im Bereich der Aufgaben der Bundeszollverwaltung und die darauf aufbauende Verfolgung von Zuwiderhandlungen erfordern zunehmend spezialisierte Polizeikräfte, die zusätzlich zu den unabdingbaren Qualifikationen des Polizeiberufes (hierzu gehören umfassende Kenntnisse und Fähigkeiten auf den Gebieten Polizei- und Verwaltungsrecht, Einsatztaktik, Kriminalistik, Risikomanagement, Vollzugs- und Zwangsrecht, Selbstverteidigung und Anwendung körperlicher Gewalt mit und ohne Waffen) u.a. über das notwenige spezielle Fachwissen im Steuer-, Abgaben-, Sozial- und Wirtschaftsrecht, sowie in der kaufmännischen Praxis verfügen. Dies unterscheidet sie als Finanzpolizisten von den Polizeikolleginnen und -kollegen der übrigen Bundes- und Länderpolizeien, die dafür in anderen Bereichen besonders geschult sein müssen. Die Aufgaben der Vollzugsdienste in der Bundeszollverwaltung können keinesfalls durch Fachkräfte auf dem Gebiet des Steuerrechts, denen lediglich im Rahmen begleitender Unterweisungen Teilbereiche der vorgenannten polizeilichen Themengebiete vermittelt werden, wahrgenommen werden. In der durch die rechtliche Wirklichkeit geprägten Vorstellung des Bürgers zu den Tätigkeiten des polizeilichen Hoheitsträgers findet aus gutem Grund der Finanzbeamte, der nicht nur die Steuererklärung annimmt, sondern auch Fahrzeuge anhält, Straßen sperrt, Ermittlungsverfahren führt, Telefongespräche überwacht, Wohnungen und Firmen durchsucht, Personen festnimmt und fesselt und dabei Schusswaffen trägt, keinen Raum. Die mit solchen Eingriffen verbundenen Maßnahmen müssen u.E. schon aus rechtstaatlichen Erwägungen strikt von der übrigen Finanzverwaltungstätigkeit getrennt werden. Die Bundeszollverwaltung steht vor vielfältigen Problemen bei ihrer Aufgabenwahrnehmung Bereits in den Kapiteln der Ziffern 1 – 9 haben wir eine Vielzahl offensichtlicher Probleme erwähnt. Sicher erwarten Sie nicht ernsthaft, eine den Rahmen der gegenwärtig in der von Ihnen eingesetzten Strukturkommission durchgeführten Schwachstellenanalyse sprengende Aufzählung der einzelnen Punkte. Im Wesentlichen basieren die Schwachstellen u.E. auf

- zersplitterte Aufbau- und Ablaufstrukturen

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- Mängel in der Führung- und Steuerung der operativen Einheiten im Vollzug - rechtliche Unsicherheiten (z.B. im Zwangsrecht, Eilzuständigkeiten,

Eigensicherungsprobleme im Bereich der FKS, MKGen und im Zollgrenzdienst, Fehlen eines gemeinsamen Aufgaben- und Befugnisgesetzes für alle Vollzugsbereiche, mangelhafte Regelungen zum Daten- und Informationsaustausch zwischen Vollzugs- und Verwaltungsbereichen auch im Verhältnis zu den übrigen Polizeien und Finanzbehörden)

- unzureichende bzw. fehlende Konzepte für die Personalgewinnung und Personalentwicklung, sowie mangelnde Differenzierung bei der Ausbildung im Hinblick auf die Verwendung im Vollzugs- oder Verwaltungsdienst

Die Lage der Bundesfinanzen kann durch gegenwartsbezogenen und zukunftsorientiert gestalteten Kräfteeinsatz verbessert werden Es liegt auf der Hand, dass durch einen deutlich optimierten Einsatz von Personal und Sachmitteln sowie schlanken Verwaltungsstrukturen die Arbeit und damit deren Ergebnis in allen Bereichen verbessert werden können. Das bedeutet konkret, dass neben anderen bereits genannten Effekten,

1. die Einnahme und Verwaltung von Steuern effizienter und preiswerter gestaltet wird, 2. durch besondere Stärkung der Abwehr von Gefahren für den Staatshaushalt die

Einnahmen des Bundes erheblich gesteigert werden und 3. die Kosten für Ausbildung und Personalgewinnung durch zielgerichtete Konzepte

sinken. Abschließend bitten Sie uns im Schreiben Ihrer Staatssekretärin, bei der Beantwortung Ihrer Fragen die gesamte Bundeszollverwaltung und das Zusammenwirken der verschiedenen Sparten zu betrachten. Die Vorstellungen der Gewerkschaft der Polizei zur Zukunft der Bundeszollverwaltung umfassen, wie wir es stets deutlich machen, selbstverständlich alle Aufgabenbereiche. Optimierungen im Bereich des Vollzuges machen letztlich nur dann Sinn und erzielen nur Erfolge, wenn gleichzeitig auch die Verwaltung der Steuern strategisch verbessert wird. Dabei gilt es insbesondere auch die Zusammenarbeit von Verwaltung und Vollzug zu stärken. Diese kann und darf nur auf Grundlage rechtlich sicherer und in der Praxis anwendbarer gesetzlicher Regelungen erfolgen. Die Verwendung gemeinsamer Briefköpfe allein stellt indes keine effiziente Zusammenarbeit dar. Wir hoffen, Ihnen mit diesem Schreiben im ausreichenden Maße Informationen zur Vorbereitung eines themenorientierten Gespräches zur Verfügung gestellt zu haben. Es freut uns, dass Sie über das übliche, von jedem neuen Bundesminister zu erwartende erste Kontaktgespräch mit den in seinem Bereich tätigen Gewerkschaften und

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Berufsvertretungen hinaus von Beginn an einen fachlichen Dialog und die Zusammenarbeit in der Sache suchen. Wir sehen deshalb einer kurzfristigen Terminvereinbarung für das erste persönliche Gespräch mit Ihnen entgegen, bei dem wir Ihnen gerne die oben genannten Kritikpunkte sowie die damit verbundenen gewerkschaftlichen Forderungen und Verbesserungsvorschläge näher erläutern können. Mit freundlichen Grüßen Josef Scheuring