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Britta Bannenberg Amoktaten junger Täter - hss.de · PDF fileKein Mobbing, die Täter behaupten Ausgrenzung, diese geht von ihnen selber aus – Täter FÜHLEN sich gemobbt. Täterpersönlichkeit

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Empfohlene Zitierweise

Beim Zitieren empfehlen wir hinter de n Titel des B eitrags das Datum der Einstellung und nach d er URL-Angabe das Datum Ihres le tzten Besuchs dieser Online-Adresse anzugeben. [Vorname Name: Titel. Untertitel (Datum der Einstellung). In: http://www.hss.de/...pdf (Datum Ihres letzten Besuches).]

Britta Bannenberg

Amoktaten junger Täter Publikation Vorlage: Datei des Autors Eingestellt am 26.11.10 unter www.hss.de/download/Berichte/101123-24_PP_Bannenberg.pdf Autor Prof. Dr. Bannenberg Veranstaltung "Krisen im Schulbereich - Intervention und Prävention" Arbeitstagung der Hanns-Seidel-Stiftung am 23./24.11.10 Bildungszentrum Wildbad Kreuth

Amoktaten jungerTäter

Kriminologische ErkenntnisseSeptember 2010

Prof. Dr. Britta BannenbergKriminologie, Jugendstrafrecht, StrafvollzugJustus-Liebig-Universität Gießen

(Sogenannte) AmokläufePhänomene, Täter, Prävention

• Begriff und Gegenstand- label Amok und Medien

• Empirische Studien – qualitativeFallanalysen

• Möglichkeiten und Grenzen vonFallstudien

• Psychologische Autopsie• Amokdefinitionen unbrauchbar• Besser: Mehrfachtötungen nach

Phänomengruppen• Versuch der interdisziplinären Erklärung• Zusammenführung der Fallergebnisse

Ausgangssituation-Begriff

Begriff Amok ist untauglichAmerikanische Definitionen(mindestens 3 Tote oder Versuch)ebenso untauglich wie Beschränkungauf „school shootings“Label Amok durch Medien oder Laienist kein wissenschaftliches Kriterium

„Amok“ – Merkmale

(Versuchte) beabsichtigteMehrfachtötungHäufig auch Suizid, aber nichtzwingendMotiv zunächst schwer erkennbarTäter-Opfer-Beziehung verschiedenOft Vorplanung und Vorbereitung,aber nicht zwingend

„Amok“ - PhänomeneTatort Schule, aber nicht ausschließlich /junge männliche Täter bis etwa 25 Jahre/ Einzel- oder GruppentäterSogenannte FamilienauslöschungenPsychotische Täter (meistens erwachseneMänner, nicht nur Einzeltäter)

HIER: Männliche Jugendliche und jungeMänner

Empirische Erkenntnisse zu „Amok“-Taten männlicher Jugendlicher undjunger Männer

Umfassende empirische interdisziplinäreStudie mit bislang 15 ausgewerteten Fällenjunger TäterMeistens Tatort (ehemalige) SchuleErgänzend erste Erkenntnisse aus derAnalyse von BedrohungsfällenColumbine, (Littleton, 20.4.1999, Doppelsuizid der Täter)

mit 12.000 Seiten Originaldokumenten imNetz – fatale Vorbildwirkung dieser Tat

Fälle junger TäterVorbild Columbine

Blacksburg, Virginia, 16.4.2007, 23J., Suizid (14.000 Seiten in Archiv)Finnland, „Jokela High SchoolMassacre“ – Vorbild ColumbineFast alle deutschen Täter nehmenauf die Tat Bezug; starkeVorbildwirkung bei den oftjahrelangen Planungen

Auffälligkeiten

Bei allen Fällen Auffälligkeiten, diezur genauen Ursachenprüfung undzur Erörterung vonPräventionsmaßnahmen Anlassgeben

Junge Täter

14 – 25 Jahre altEinzelgänger, männlichMeistens schlechte SchülerProblem Schusswaffenzugang imElternhausSuizid und MordEntspricht NICHT dem typischenRisikoprofil eines Gewalttäters

Familien / Eltern

Nach außen eher unauffällig, „normal“, kein brokenhome, kleinbürgerliches Milieu / Mittelschicht mitversteckten ProblemenKeine dissozialen Verhältnisse, keine Gewalt, keineVernachlässigung, kein Alkohol, keine Drogen – aberauch keine enge Bindung, fehlende BeziehungStabile bis gute finanzielle VerhältnisseMütter meistens HausfrauGeschwisterMeistens Waffen im Haushalt

Schule, Lehrer, Mitschüler

Eher schlechte Schüler oder sich deutlichverschlechternde LeistungenUnterdurchschnittliche AbschlüsseSchulverweiseDisziplinschwierigkeiten, Konflikte z.T.Mitschüler: „komischer Einzelgänger“Kein Mobbing, die Täter behauptenAusgrenzung, diese geht von ihnen selber aus– Täter FÜHLEN sich gemobbt

TäterpersönlichkeitRückzüglich, still, relativ unauffälligVerdacht oder Diagnose erheblicherPersönlichkeitsstörungen (narzisstischePersönlichkeitsstörung – depressivePhasen abgelöst von starken Hass- undRachephantasien; Schwelgen in derTatplanung)Nicht auszuschließen sind in manchenFällen sich anbahnende PsychosenDie Täter wissen, dass etwas nicht mitihnen stimmt (Hinweise, etwa Faltblatt ...;Recherchen im Internet)

NarzisstischePersönlichkeitsstörung

Diagnostische Kriterien nach DSM-IV / Kriterien (mindestens fünf Symptomemüssen zur Diagnosestellung vorliegen)

1. Hat ein grandioses Gefühl der eigenen Wichtigkeit (übertreibt die eigenenLeistungen und Talente, erwartet, als überlegen anerkannt zu werden),2. ist stark eingenommen von Phantasien grenzenlosen Erfolgs, Macht, Glanz,Schönheit oder idealer Liebe,3. glaubt von sich, besonders und einzigartig zu sein und nur von solchenanderen besonderen Personen verstanden zu werden oder mit diesenverkehren zu können,4. verlangt nach übermäßiger Bewunderung,5. legt ein besonderes Anspruchsdenken an den Tag, d.h. übertriebeneErwartungen an besonders bevorzugte Behandlung, automatisches Eingehenauf die eigenen Erwartungen,6. in zwischenmenschlichen Beziehungen ausbeuterisch,7. Mangel an Empathie, erkennt Bedürfnisse und Gefühle anderer nicht an,8. ist häufig neidisch oder glaubt, dass andere auf ihn neidisch seien,9. zeigt arrogante, überhebliche Verhaltensweisen oder Haltungen.

H. Kastner, Forensische Abt. der Landesnervenklink Linz:

„Narzisstische Menschen verkehren ihren an sich geringenSelbstwert in grandiose Machtansprüche und erweisen sich dabeials unglaublich rigide. Sie verfügen über eine schlechteSozialkompetenz, weil sie unfähig sind, andere Menschen in ihreremotionalen Differenziertheit wahrzunehmen, und weil sie esablehnen, die Anliegen anderer anzuerkennen. Sie sindunangemessen neidisch auf vermeintlich Erfolgreichere undnutzen Beziehungen ausschließlich zur Befriedigung eigenerBedürfnisse. Auf die sprichwörtliche narzisstische Kränkungreagieren sie, je nach Bedeutsamkeit des Themas, mit radikalerEntwertung und Diffamierung oder mit Aggression, wobei dieBefindlichkeit des Betroffenen dabei durchaus depressive Aspektemit massiven Spannungszuständen und dem Gefühl derHilflosigkeit, Verzweiflung und Ausweglosigkeit beinhaltet.“(Kastner 2009, 97 f.)

Täterpersönlichkeit 2

Tagebücher, Aufzeichnungen, Äußerungengegenüber Mitschülern, Gleichaltrigen ...Ängstliche Kinder, Kommunikations- undKontaktproblemeKonzentrationsschwierigkeitenEinzelgänger – täuscht teilweise, da in derSchule zwingend KontaktÄußerungen zu Suizid, Amok, großemAbgang ... „ich werde es tun und nehmenoch jemanden mit!“

Täterpersönlichkeit 3Unangemessene KränkbarkeitHass, Ablehnung anderer, Rache –scheint nie nachvollziehbar undaufgesetztPubertäre Probleme vermischt mitgrandiosen Ideen eigener GewaltProbleme mit Gleichaltrigen – fehlendeAnerkennungProbleme mit Sexualität – keineadäquaten Erfahrungen, teilweisedeviante Gewaltphantasien

Täterpersönlichkeit 4

Zum Teil lange Tatplanung,Todeslisten, gedanklicheVorwegnahmen der Tathandlungen(die zum Teil auch ausgeführtwerden) – sich steigernde PhasenVirtuelle Gewalt – Phantasien vonHass und Rache – Träume vonRächern und unschlagbaren Helden

Schusswaffen

VerfügbarkeitHohe Affinität zu SchusswaffenBenutzung bei der TatausführungOpferfolgenAndere Waffen / Tatmittel(Sprengmittel, Brandbomben,Messer, Macheten ...)

Militärische Symbole pp.Ambivalenz Militaria, Waffen- undKriegsliteratur, Tarnkleidung,Ausrüstungsgegenstände, mindestensSpielzeug- und Air-Soft-Waffen(täuschend echt) - VerherrlichungDiskrepanz Auftreten – Realität:Körperliche Untrainiertheit, Ablehnungkörperlicher Auseinandersetzung, Angstvor Nachtmärschen pp.Wunsch nach Macht und Männlichkeit

(Schwarze) KleidungTatzeitBevorzugte Kleidung generellBedeutungHier bereits Hinweis auf Mediennutzung:Vorbilder in Filmen und Videospielen;Vorbild andere „Amok“-Täter(„Trenchcoat-Mafia“)Rächerfiguren, Symbole („The Crow“),etwa schwarzer Mantel„Masking“ fördert Gewalt (Zimbardo)

Bezugnahme auf andereAmoktaten

Bezugnahmen vielfältig, aber häufig; Beschäftigungmit anderen AmokfällenInsbesondere Interesse an Columbine, Eric Harris /Dylan KleboldSteinhäuser/Erfurt und Bad ReichenhallAndeutungen von Amok generell, eher diffuseAnkündigungenInteresse an Massen- und Serienmorden undNationalsozialismus (nicht rechtsextremistischeAusrichtung, sondern Radikalität der Tötung„Unwerter“)Bewunderung der Täter und eigene irrealeGrößenideen

Filme, Videospiele, PlakateAusstattung der ZimmerProvozierende gewaltbejahende Symbolikohne bestimmte RichtungVermischung gewaltbejahender InhalteSchwarz, Filmfiguren (Matrix, ...)Stundenlanges Computerspielen mitgewalthaltigen InhaltenChats und Foren! Besondere Gefahr:Bestätigung der eigenen Gewaltneigungund Tatneigung bei gleichzeitigerAnonymität

Computerspiele: Treffsicherheitund fehlendes Mitleid

Erfurt – Fall: Mit minimalem realenSchießtraining 16 Menschen tödlichgetroffenWinnenden – hohe Treffsicherheit„ich hab mir das Mitleidabtrainiert…“

Soziale Umwelt

Eltern wissen oder ahnen, dass ihr Sohnpsychische Probleme hat, unternehmenaber nichtsLehrer bemerken Probleme nicht(unauffällige Schüler) oder sehen ausHilflosigkeit über die schlechten Leistungender verstummten Schüler hinwegSeit Winnenden viele Anzeigen vonDrohungen / bedrohlichem Verhalten

Cannabis

Cannabiskonsum hat bei einigenTätern eine Rolle gespielt;möglicherweise Verstärkung derGewalt bei der TatausführungAlkohol spielt bei den Taten keineRolle (1 Fall)

Nachahmung

Die bekannten Amoktaten spieleneine Rolle als VorbildDirekte zeitliche Zusammenhänge zuNachahmungstaten ausSuizidforschung bekanntProblem: Unterscheidung Gefahrechter Nachahmung von„Scherzdrohungen“

Verhinderte Fälle /BedrohungsanalysenForschungsbedarf bei der Analyse verhinderter Fälle,Drohungen oder falscher MeldungenWichtig Abschreckung der Trittbrettfahrer(Auswertungen von Akten deuten dies an: Anklagen;4 Wochen Jugendarrest im beschleunigtenVerfahren)Problem: Etwa 25 % der drohenden Schüler sendetmit der Amokdrohung einen Hilferuf, Gefahr unklar,Verhaltensauffälligkeiten, psychische Auffälligkeiten,Einzelgänger, keine Freunde, fühlt sich unwohl;Schulen hilflos (positiv: Fallkonferenzen, Netzwerke)Frage der Medieninformationen nach derartigenEreignissen– am besten wie nach Taten wäre KEINEBERICHTERSTATTUNG

Analyse verhinderter Fällemit ernsthaften Drohungen

Gefährliche Täter: In der Regelpsychiatrische Einweisung(unterschiedliche Dauer undunterschiedlicher Verlauf), aber auchPersönlichkeitsstörungen bei vollerSchuldfähigkeitTeilweise mehrere Strafverfahren mitBegutachtungenBisher scheint Umgang mit diesen Täternzufällig

Polizeiliches Vorgehen

Frühe Abklärung bei Drohungen erscheintrichtigWichtiger Anhaltspunkt: Waffen imElternhaus / bei VerwandtenProblem: Ressourcen, Verweigerungvieler Schulen, Gefahrensignale ernst zunehmen und abzuklären,Zusammenarbeit mit Polizei istverbesserungswürdig

Präventionsansätze:SCHULE

Schulen – gutes Miteinander,positives Schulklima, Bindungen zuSchülern, konstruktiveKonfliktlösungenFrüherkennung vonFehlentwicklungen der Persönlichkeitdurch „echte“ Vertrauenslehrer,geschulte Psychologen undVernetzungen mit der Kinder- undJugendpsychiatrie vor Ort

SCHULE: Mitschüler,Gleichaltrige

Sie bekommen am ehesten merkwürdigeÄußerungen, Verhaltensweisen undAnkündigungen mitDiese Hinweise wurden früher nicht ernstgenommenÄnderung seit Winnenden: StarkerAnstieg – jedenfalls – der mitgeteiltenDrohungen und AndeutungenOffen: Höhere Aufmerksamkeit auch fürsonstige Verhaltensauffälligkeiten undsozialen Rückzug?

SCHULESchulen – Mitschüler müssen beunruhigendeWahrnehmungen Erwachsenen mitteilenVerhältnis Lehrer – SchülerEltern und SchuleIdeal wäre die flächendeckende Umsetzung deswirksamen Anti-Gewalt-Programms nach Dan Olweus,das auf allen Kontinenten evaluiert wurde und sichals wirksam erweist, ein positives Schulklima zuschaffen; wirksame Reduktion von Aggression undGewalt – nur in einem solchen zugewandten Klimawird die Sensibilität für die „stillen“ Schüler wachsen

BedrohungsmanagementLehrer und Eltern sollten alle Hinweise aufmögliche Amokankündigungen sehr ernstnehmen und abklärenFortbildung für LehrerAnsprechpartner in Schulen für dieAbklärung von DrohungenAusbildung – PädagogikstudiumWichtig auch: Umgang mit demdrohenden Schüler

Behandlung der ThematikAmok im Unterricht

Nach einer Tat sollte in der Schule überdas Geschehen gesprochen werdenVon einer tiefen Behandlung der Thematik– etwa mit dem Material von Morton Rhue:„Ich knall euch ab!“, Ravensburger Verlag,kann nur dringend abgeraten werden,wenn die Schüler zu jung sind und dieLehrer nicht ausreichend mit der Materievertraut sind

Präventionsansätze elektronischeMedien, Computerspiele

Sogenannte „Medienkompetenz“Welche Inhalte werden von Schülerngenutzt? Kompetenter UmgangJunge Schüler schauen und spielenfür ihr Alter nicht angemesseneMedien – fehlende Sozialkontrolle,fehlende Auseinandersetzung überdie Inhalte, zu viel Zeit

Präventionsansätze ELTERNNiedrigschwellige Angebote für Eltern,psychologische Hilfe zu suchen (undkompetente Hilfe zu finden)Problem Versorgung mit Kinder- undJugendpsychiatern / PsychotherapeutenNiedrigschwellige Angebote für potentielleTäter / Jugendliche mit psychischenProblemenBesseres Verhältnis zu Lehrern –gemeinsam erziehen, Grenzen setzen

PräventionsansätzeWAFFENKONTROLLE

Waffen und das zeitintensive Spielen vongewalthaltigen Computerspielen sindRisikofaktorenHohe Waffenaffinität der Jungen ist einRisikofaktorKontrolle von Waffenbesitzern bei derkleinsten Auffälligkeit und wenn ihreSöhne ! mit Waffenmissbrauch auffallenZugang zu indizierten / altersindiziertenFilmen, Computerspielen