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Evangelische s Krankenhaus Düsseldorf 15 Jahre Frauenhaus in Alsdorf 12. September 2012 Herzlich willkommen ! Jessika Kuehn-Velten Ärztliche KinderschutzAmbulanz Düsseldorf Kinder im Frauenhaus - (keine) Täter und Opfer von morgen

Kinder im Frauenhaus - (keine) Täter und Opfer von morgen

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Kinder im Frauenhaus - (keine) Täter und Opfer von morgen. 15 Jahre Frauenhaus in Alsdorf 12. September 2012 Herzlich willkommen ! Jessika Kuehn-Velten Ärztliche KinderschutzAmbulanz Düsseldorf. Herzlichen Glückwunsch zu 15 Jahren Arbeit gegen Häusliche Gewalt im Frauenhaus Alsdorf!. - PowerPoint PPT Presentation

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Evangelisches Krankenhaus

Düsseldorf

15 Jahre Frauenhaus in Alsdorf

12. September 2012

Herzlich willkommen !

Jessika Kuehn-VeltenÄrztliche KinderschutzAmbulanz Düsseldorf

Kinder im Frauenhaus -

(keine) Täter und Opfervon morgen

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Herzlichen Glückwunsch zu 15 Jahren Arbeit gegen Häusliche

Gewaltim Frauenhaus Alsdorf!

Herzlichen Glückwunsch zu 15 Jahren Arbeit gegen Häusliche

Gewaltim Frauenhaus Alsdorf!

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1. Die Frage von Opfer und Täter

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Eine These:

Kinder und ihre Mütter im Frauenhaus sind keine Opfer …

Aspekte des Erlebens, der Familiendynamik und des gesellschaftlichen Verstehens

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Kinder in Familienbei Häuslicher Gewalt

Für Kinder bedeutet eigene Misshandlung eine deutliche Gewalterfahrung mit entsprechenden körperlichen und psychischen Auswirkungen.

Ebenso ist die Zeugenschaft von Gewalt in der Familie eine in ähnlicher Weise schädigende Gewalterfahrung, auch wenn sie nicht unmittelbar körperlich betrifft.

Die Gefühle der Kinder sind in jedem Fall Angst, Ohnmacht, Scham, Entwertung und Erniedrigung.

Verleugnung von Realität, Geheimhaltung, mangelnde Verantwortungsübernahme der Verursacher/innen und Isolation verschärfen die Situation für die Kinder.

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Erkenntnisse und Ideen, die beunruhigen können

Bindungsmuster übertragen sich mit 70% Vorhersagewahrscheinlichkeit von Mutter (primärer Bindungsperson) auf Kind

Traumatisierung endet bei Mutter und Kind nicht mit dem Ende der Gewalt

Kinder identifizieren sich mit den Eltern und haben die ‚Wahl‘ zwischen Ohnmacht und Bemächtigung

Wenn es keine Modelle für Gewaltfreiheit gibt, wissen Kinder als Heranwachsende / Erwach-sene nicht, worauf sie zurückgreifen können

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Was verstehen wir -wie bewerten wir es? (1)

Ayse hat dem Gewalt ausübenden Vater die Frauenhaus-Adresse verraten

Wenn Mikes Mutter sich mit den anderen Müttern streitet, greift der Junge ein

Ali schlägt seine Mutter, beschimpft sie, schickt sie weg

Leon sagt oft, dass die Gewalt nicht so schlimm gewesen ist, und er gar keine Angst gehabt hat

Mona geht über Tisch und Bänke

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Was verstehen wir -wie bewerten wir es? (2)

Jacqueline hält heimlich Kontakt zum Vater

Celina wehrt sich nicht, lässt sich terrorisieren, weint ständig, weicht nicht von Mamas Rockzipfel

Joel schlägt die anderen Kinder im Frauenhaus und in der Schule

Said sagt, dass er die Mama verteidigen wird, wenn er groß ist

Paula will nicht im Frauenhaus bleiben, sondern sofort zum Vater ziehen

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Ähnlichkeiten …

… im Verhalten der Kinder zu Verhaltensweisen der Mutter / der schädigenden Person

sind oft gute, hilfreiche Über-lebensstrategien (gewesen)!

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2. Die Qualität von Bindung und Sicherheit

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Was hat Sicherheit zu tun mit Opfern und Tätern?

Kinder und Erwachsene, die sich sicher fühlen, die Vertrauen in die Welt haben, verfügen über Voraussetzungen dafür, sich selbst und andere wertzuschätzen, empathisch und feinfühlig auf sich und andere zu reagieren -

und sich weniger leicht in Gewalt-dynamik zu verfangen.

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Bindungsverhalten

Kind: Angeborenes Motivationssystem - Balance zwischen Neugier /

Exploration und Suche nach Sicherheit/ Geborgenheit Aktiviert durch Angst/Überforderung, heftige/unbekannte Reize Bindungsverhalten bildet sich als konstantes Muster abhängig

von der Qualität elterlichen Antwortverhaltens Bindungsmuster stellen die „Matrix“ der Muster für Kontakt und

Stressbewältigung dar Eltern:

Angeborenes Verhalten für Schutz, Aufmerksamkeit, Versorgung Elterliche Feinfühligkeit (Wahrnehmung, Deutung, Reaktion

zeitlich und inhaltlich angemessen) Interaktion setzt bei Kind und Eltern Transmitter-Reaktionen im

limbischen System frei (positiv bei gelungener Interaktion, negativ bei nicht gelingender Interaktion /Stress)

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Bindungsmuster (1)

Sichere Bindung: Angst und Trauer bei Trennung, aktives Protest-/

Suchverhalten, Beruhigung und Freude bei Nähe, Bindung / Exploration im Gleichgewicht, Schutz ist sichere Erfahrung, Eltern sind vorhersehbar angemessen

Unsicher-ambivalente Bindung: Unvorhersehbares Elternverhalten, von eigenen

Bedürfnissen gesteuert / verstrickt; Bindungs-verhalten ständig aktiviert; Nähe/Distanz – Regulierung gestört

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Bindungsmuster (2)

Unsicher-vermeidende Bindung: Kaum Reaktion auf Trennung, Vermeidung von

Körperkontakt, hohe innere Anspannung, Bin-dungsverhalten deaktiviert durch wenig positive Antworten, Eltern vorhersehbar unangemessen

Desorganisiert-desorientierte Bindungsanteile: Zusammenbruch von Verhaltens- und Aufmerk-

samkeitsstrategien (Erstarrung, Stereotypien, Trance), Bindungsperson keine sichere Basis, Kontakte zu Eltern beängstigend/traumatisierend, „Verschwinden“ des elterlichen Gegenüber ver-hindert Orientierung zur Regulation von Angst

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Einflussfaktoren auf Bindung undBeziehung - Vergangenheit

Unsicherheit in den Beziehungen Unvorhersagbarkeit: Mutter und Vater haben sich

immer wieder verändert Fehlender Blick für das Kind Erleben der Gefühle von übermäßiger Wut und

Angst, von Verachtung und Hass, Machtlust Ambivalenz Fehlende Erziehungs- und Beziehungskontingenz

und -konstanz Einbindung in Geheimhaltung und Loyalität Gewalterleben Erleben von Schwäche / Ohnmacht der Mutter

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Einflussfaktoren auf Bindung undBeziehung - Gegenwart

Unsicherheit in den Beziehungen Wie sicher fühlt ihr euch eigentlich miteinander …

Fehlender Blick für das Kind Wie sehr bist du mit dir selbst beschäftigt …

Gefühle von Wut und Angst Wie wenig habt ihr diese Gefühle hinter euch gelassen ...

Ambivalenz Fehlende Erziehungs- und Beziehungskontingenz und -

konstanz, Schwäche Was bedeutet es für dich, jetzt konsequent zu sein …

Gewaltgeschichten Konkurrenz zu anderen Müttern und Kindern Kinder, die an Väter erinnern

Wie siehst du aus, wie verhältst du dich, sprichst du …

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3. Die Weitergabe von Gewalt und Traumatisierung

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Was belastet traumatisierte Mütter- und dann auch die Kinder?

Ängstlichkeit / Situationsvermeidung Nachhall-Erinnerungen, Dissoziation Unfähigkeit, die Bedeutung von/für Situationen zu

erfassen, Sinn und Orientierung zu geben Verlust von Vertrauen Ablehnung von Beziehungen Selbst- und Fremdabwertung und Abwertung

eigener Kompetenzen Fehlendes Bewusstsein von Selbstwirksamkeit Blockaden in Gefühlen, Gedanken, Handlungen,

Leistung Traumawiederholung unter eigener Kontrolle

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Was Kinder für ihre Eltern tun

Jacqueline, die heimlich Kontakt zum Vater hält, schont vielleicht die Mutter vor Kontaktwünschen, tröstet den Vater.

Dazu gehören die Mutter, die sich schonen lässt, der Vater, der sich als Opfer fühlt und trösten lässt.

Ali, der die Mutter schlägt, tut etwas gegen Ohnmacht und triggert vielleicht die Mutter, die nicht gut in der Realität ist.

Dazu gehören der Vater, der seine Ohnmacht nicht einge-stehen kann, und die Mutter, die dissoziiert und „weg“ ist.

Leon, der die Gewalt nicht schlimm findet, gibt diesem Geschehen keine Bedeutung, spaltet Gefühle ab, hilft den Eltern beim Abspalten und Verdrängen.

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Kindliche Reaktionen

Kinder zeigen Belastungsreaktionen als Ausdruck der Beeinträchtigung emotionaler Sicherheit

Kinder agieren Gefühle (auch) an anderen Orten als in der Familie: Wut, Aggression, Traurigkeit, Rückzug

Kinder übernehmen Angstmuster, Aggressionsmuster, Verachtungs- und Entwertungsmuster

Kinder zeigen kontrollierendes Verhalten Kinder agieren Loyalitätskonflikte Kinder zeigen sich anfällig in Affektregulation und

Selbstwertgefühl

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Trauma-Weitergabe:Dynamik im System

Anbindung und Loslassen in traumatischen und traumatisierenden Beziehungen Mir hat es auch nicht geschadet Ich will es anders machen ALS Ich bin loyal, ich schweige Ich schäme mich und fühle mich schuldig Es ist nicht geschehen und geschieht nie wieder Ich vergesse und verzeihe (nicht)

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Opferdynamik

Wenn ich Traumatisierung erfahren habe … … suche ich mir vielleicht wieder eine

traumatisierende Lebenssituation, weil ich sie gewohnt bin oder verdient habe

… spalte ich vielleicht das Erleben ab und kann so mein Kind nicht schützen

… bleibe ich vielleicht gefangen in der Sprachlosigkeit und frage nicht

… gebe ich vielleicht Signale, die als Aufforderung verstanden werden

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Schädiger/innen-Dynamik

Wenn ich Traumatisierung erfahren habe … … möchte ich vielleicht nie selbst so werden

und bin doch gefangen im alten, im selbst erlebten Verhaltensmuster

… spalte ich vielleicht das Schädigungsgefühl ab und agiere es so wieder

… vermeide ich vielleicht Schwäche und Hilflosigkeit über vermeintliche Stärke und Identifikation mit der Aggression

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4. Auswege

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Was heißt das für den Umgang mit den Kindern?

Kinder haben und zeigen …

… einen Kindeswillen … Bedürfnisse, die sie selbst formulieren … Entwicklungsnotwendigkeiten … das Recht auf ihr „Kindeswohl“

die wir sehen, anerkennen, ernst nehmen und beantworten müssen.

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Bedürfnisse und Entwicklungsnotwendigkeiten

Wir geben Zeit und Ruhe Wir nehmen die Kinder wirklich wahr Wir sorgen für Schutz und Sicherheit / Haltung Wir leben Normalität, haben Regeln und Rituale Wir achten Wurzeln und Herkunft Wir sind in Beziehung mit Zuverlässigkeit / Vertrauen Wir ermöglichen (Selbst-)Wirksamkeit Wir unterbrechen Angst und Destruktion Wir machen Verantwortung deutlich Wir achten auf Ressourcen, Sinn und Lebensfreude

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Was heißt das für den Umgang mit den Müttern?

Mütter brauchen nach dem Erleben Häuslicher Gewalt Unterstützung als Frau im Alltag: Stabilität, Schutz, Hilfe, Beruhigung, emotionale Zuwendung, Ressourcensicht und -stärkung

Mütter brauchen Anerkenntnis der Gewalt: Verste-hen und Reflektion von Gewaltdynamik, Arbeit an und mit Grenzen, Wege zur Traumabewältigung

Mütter brauchen Entlastung und Unterstützung als Mutter: Wahrnehmung der Eigenständigkeit ihrer Kinder, Empathie für die Kinder, Einverständnmis mit Sicherheits- und Hilfewegen für die Kinder

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Themen für die Mütter-Arbeit

Welche Veränderung wünsche ich mir für mich - und für mein(e) Kind(er)?

Wie gehe ich selbst mit der Gewalterfahrung um, welche Folgen spüre ich?

Wie wirkt sich mein Umgang mit dem Gewalterleben auf mein(e) Kind(er) aus?

Für wen habe ich mich getrennt - für mich oder für mein(e) Kind(er)?

Was unternehme ich, damit es uns trotz des Themas besser geht?

Wie erleben wir, dass das Thema Gewalt im Frauenhaus noch einmal näher kommt?

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Traumaweitergabe -was hilft und schützt

Wissen um Gewaltdynamik und Weitergabe Sprache und persönliche wie öffentliche Worte Einordnen, Bewerten, Verantworten Innere oder äußere Konfrontation Anerkenntnis des Schadens Wertschätzung und Selbstwertschätzung Wirksamkeitserfahrungen Selbstfürsorge und Selbstachtsamkeit Eigene Wege finden in Erziehung und Beziehung Positives Hilfebild .., und das gilt für Mütter, Kinder und Väter,

für „Opfer“ und „Täter“ gleichermaßen …

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Ein Fazit:

Die Weitergabe von Opferanteilen und Täteranteilen geschieht -

aber ist nicht zwangsläufig. Wir können in der Arbeit mit Kindern und Eltern

viel tun, um gemeinsam gegen eine mögliche Weitergabe

zu wirken!

Es gibt immer Wege und Auswege: aus Bindungsunsicherheit zu Sicherheit, aus Traumatisierung in Integration, in ein Leben ohne Häusliche Gewalt.

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Noch einmal: Herzliche Gratulationund gute Wünsche für die Arbeit an einem Morgen jenseits der Gewalt!

Noch einmal: Herzliche Gratulationund gute Wünsche für die Arbeit an einem Morgen jenseits der Gewalt!