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Prof. Dr. Ferdinand M. Gerlach, MPH
Brustschmerzen undSchilddrüsenfunktionsstörungen:Über den Sinn und Unsinn medizinischer Diagnostikmedizinischer Diagnostik
Einführung in den Kursus der Allgemeinmedizin
Frankfurt am Main, 23. April 2013
Ferdinand M. GerlachJohann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main
Themenübersicht
� Lernziele, Termine und Themen der Vorlesung
� Lehrbuchempfehlung
� Fragen zur Allgemeinmedizin an Studierende
� Grundlagen sinnvoller Diagnostik� Grundlagen sinnvoller Diagnostikin Allgemeinpraxis und Klinik
Ferdinand M. GerlachJohann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main
Lernziele –Sinn und Unsinn medizinischer Diagnostik
� Prävalenz unterschiedlicher Versorgungsebenen: Wo werden Menschen diagnostiziert / medizinisch versorgt?
� Stellenwert von Anamnese, körperlicher Untersuchung und Labor
� Nomogramm zur Interpretation diagnostischer Tests� Nomogramm zur Interpretation diagnostischer Tests
� Definition und Bedeutung des Bayesschen Theorems
� 1. Beispiel: Bedeutung von Symptomen bzw. Zeichenfür mögliche Schilddrüsenfunktionsstörungen
� 2. Beispiel: Aussagekraft einer standardisierten Angina pectoris-Anamnese in Praxis und Klinik
Prof. Dr. Ferdinand M. Gerlach, MPH
Alle Folien zum Download unter:
www.allgemeinmedizin.uni-frankfurt.de
im Bereich „Lehre“im Bereich „Lehre“
Ferdinand M. GerlachJohann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main
Vorlesung
� Dienstags 10:15 - 11:45 Uhr
� Hörsaal 23.3
� aktuelle Themen unter: www.allgemeinmedizin.uni-frankfurt.dewww.allgemeinmedizin.uni-frankfurt.de
� Inhalte sind prüfungsrelevant (Semesterabschlussklausur)
Ferdinand M. GerlachJohann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main
Ferdinand M. GerlachJohann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main
Zentrale Semesterabschlussklausur
� 10 Fragen aus der Allgemeinmedizin
� Themen aus der Vorlesung
Ferdinand M. GerlachJohann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main
Praktikum –Kleingruppen-Unterricht in Lehrpraxen
� 1. Kohorte: 3. klinisches Semester (ab Oktober 2013)
� 2. Kohorte: 4. klinisches Semester (ab April 2014)
� in der Regel wöchentlich (mittwochs und/oder samstags)
� Gruppeneinteilung ist verbindlich
� Einteilung und Termine unterwww.allgemeinmedizin.uni-frankfurt.dewww.allgemeinmedizin.uni-frankfurt.deund als Aushang im Institut(Haus 10 C, 1. OG im Treppenhaus)
� In begründeten Sonderfällen ist – nur(!) in Abstimmung mit dem Institut –ein Tausch möglich, nicht aber ein Wechsel!
Sekretariat Lehre des Instituts:Frau Taeuber, Frau Brust (Telefon: 83 970)Telefonsprechzeiten: Mo., Di., Mi. 09:30 - 14:00 Uhr; Fr. 09:30 - 12:00 UhrSprechzeiten für Studierende: Di. und Mi. 09:30-14:00 Uhr
Ferdinand M. GerlachJohann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main
Lernziele
Kennenlernen ...� der hausärztlichen Praxis� klassischer allgemeinmedizinischer Vorgehensweisen� typischer Krankheitsbilder in der hausärztlichen Praxis� wichtiger Differentialdiagnosen� notwendiger Diagnostik und Therapie� notwendiger Diagnostik und Therapie� praxiserprobter, evidenzbasierter hausärztlicher Leitlinien
Einübung von ...� Anamnese� Untersuchungstechniken� Dokumentation nach SOAP-Schema� Patientenvorstellung durch Studierende
Ferdinand M. GerlachJohann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main
Voraussetzungen für Bescheinigung einer regelmäßigen und erfolgreichen Teilnahme
1. regelmäßige Teilnahme am Gruppen-UnterrichtIn den Praxen, maximal 10% Fehlzeiten bei 21 Zeitstunden = 2,1 Std.,d.h. 1(!) Fehltermin überschreitet die erlaubten Fehlzeiten. Möglichkeiten zur Nachholung: a) Entweder während der Praktikumszeit mit Lehrarzt regeln (dieser muss Nachholung auf der Anwesenheitsliste dokumentieren) oderb) nach der Praktikumszeit, dann Regelung über Sekretariat (gesondertes b) nach der Praktikumszeit, dann Regelung über Sekretariat (gesondertes Formular)
2. Qualifizierte Mitarbeit
3. Gesamtnote mindestens „4“(Benotung auf Bewertungsbogen durch Lehrarzt)
4. Teilnahme an der Semesterabschlussklausur
Ferdinand M. GerlachJohann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main
1. Verhalten Sie sich gegenüber Patienten und Praxis so, wie Sie behandelt werden möchten!
2. Bitte bringen Sie zum Gruppen-Unterricht in der Praxis mit: Kittel (sauber!!), Stethoskop, Reflexhammer
3. Bitte kommen Sie pünktlich!
Wichtige Hinweise!
3. Bitte kommen Sie pünktlich!
4. Bitte sagen Sie in der Praxis UND im Sekretariat ab, falls Sie einen Termin nicht wahrnehmen können
5. Sie unterliegen der ärztlichen Schweigepflicht!
6. Organisation/Sorgen/Nöte:Frau Taeuber
Ferdinand M. GerlachJohann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main
Unsere Lehrbuchempfehlung
Ferdinand M. GerlachJohann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main
4 Fragen an Studierende:
1. Wer hat(te) eine(n) eigene(n) „Hausarzt/ärztin“?
2. Wer war noch nie bei einem Allgemeinarzt?
3. Wer beabsichtigt, eine Weiterbildung im Fach 3. Wer beabsichtigt, eine Weiterbildung im Fach Allgemeinmedizin zu absolvieren?
4. Wer könnte sich vorstellen, eventuell eine Weiter-bildung im Fach Allgemeinmedizin zu absolvieren?
Ferdinand M. GerlachJohann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main
Ferdinand M. GerlachJohann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main
3. Summerschool Allgemeinmedizin
Für wen?
Wann?
Medizinstudenten im klinischen Studienabschnitt mit Interesse an der Allgemeinmedizin
Was?
Untersuchungskurse, Blickdiagnose, Diskussionen
Gefördert durch:
Wann?
Wo?
Anreise Mittwoch 28. August 2013 Abreise Sonntag 01. September 2013
Greifswald
Information und Anmeldung unter: www.degam.de ab Januar 2013
Ferdinand M. GerlachJohann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main
1000 Menschen
800 haben Symptome
327 erwägen med. Versorgung
Wo werden Menschen medizinisch versorgt?34
4: 2
021-
5 (a
lle A
lter
sgru
pp
en /
Mo
nat
)
217 ���� niedergelassener Arzt113 ���� Hausarzt
65 ���� Komplementär-bzw. Alternativmedizin
21 ���� Klinikambulanz
14 ���� häusliche Versorgung
13 ���� Notfallambulanz
8 ���� Klinik
<1 ���� UniversitätsklinikGre
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001)
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344:
202
1
Ferdinand M. GerlachJohann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main
Ihre Vermutung:Wie lauten die häufigsten Diagnosen (nach ICD 10) in allgemeinmedizinischen Praxen? allgemeinmedizinischen Praxen?
Ferdinand M. GerlachJohann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main
Die 50 häufigstenICD-10-Schlüsselnummern (“Dreisteller”) beiAllgemeinärzten
ADT-Panel des Zentralinstitutsin der KV Nordrhein (1.- 4. Quartal 2004)
Ferdinand M. GerlachJohann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main
Ferdinand M. GerlachJohann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main
Ferdinand M. GerlachJohann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main
� Welchen Beitrag leistet die Anamnese zur Diagnosestellung?
� Wie groß ist der Beitrag von körperlicher Untersuchung und Laboruntersuchungen?
Diagnosen: Bedeutung von Anamnese, körperlicher Untersuchung und Labor (I.)
� Ihre Schätzung?
�Studie: 80 ambulante internistische Fälle in Salt Lake CityPeterson MC, Holbrook JH, Hales D, Smith NL, Staker LV (1992) Contributions of the history, physical examination, and laboratory investigation in making medical diagnoses. West J Med 156:163-165
Ferdinand M. GerlachJohann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main
Vorgehen
(Peterson et al. 1992)
Fälle mit
abschließender
Diagnose
(n = 80)
Fälle mit
abschließender
Diagnose
%
Anamnese 61 76
Diagnosen: Bedeutung von Anamnese, körperlicher Untersuchung und Labor (II.)
Anamnese 61 76
Körperliche Untersuchung 10 13
Labortest 9 11
In 70 v. 80 Fällen (88%) wurde aufgrund d. Anamnese ab-schließende Diagnose als Differentialdiagnose genannt!
}89
Ferdinand M. GerlachJohann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main
�Studierende bevorzugen diagnostische Tests und breite „search-and-seek“-Methoden
�Experten legen mehr Wert auf Anamnese
Verschiedene Autoren¹,²,³ stellten fest:
Diagnosen: Bedeutung von Anamnese, körperlicher Untersuchung und Labor (III.)
�Experten legen mehr Wert auf Anamnese
�Wertschätzung der Anamnese steigt im Laufe der Weiterbildung
¹ Rich EC, Crowson TW, Harris IB (1987) Arch Intern Med 147:1957-1960
² Palchik NS, Wolf FM, Cassidy JT, Ike RW, Davis WK (1990) Acad Med 65:107-113
³ Kassirer JP (1989) Ann Intern Med 10:893-900
Ferdinand M. GerlachJohann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main
� Wann ist eine Diagnostik sinnvoll? – Beispiele?
� Wann ist eine Diagnostik nicht sinnvoll? – Beispiele?
Sinn und Unsinn medizinischer Diagnostik
Ferdinand M. GerlachJohann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main
� Tests bzw. Diagnostik dienen nicht dazu,Wissen bzw. Datenmengen zu erhöhen,sondern handlungsrelevante Entscheidungenzu ermöglichen.
� Ziel ist es, bessere Entscheidungen treffen zu können.
Sinn und Unsinn medizinischer Diagnostik
� Ziel ist es, bessere Entscheidungen treffen zu können.
� Ein Test macht nur dann Sinn, wenn dieNach-Test-Wahrscheinlichkeit sich gegenüber derVor-Test-Wahrscheinlichkeit ändert.
Ferdinand M. GerlachJohann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main
Nomogramm zur Interpretation diagnostischer Tests(likelihood ratio nomogram)
1. Beispiel:Vor- + Nachtestwahrscheinlichkeit je 50%: Likelihood ratio = 1
nach Fagan TJ (1975) Nomogram for Bayes‘s Theorem.New England Journal of Medicine 293: 257
2. Beispiel:Vortestwahrsch. 10%,Nachtestwahrsch. 5%:Likelihood ratio = 0,5
Ferdinand M. GerlachJohann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main
Symptome bzw. Zeichenfür mögliche Schilddrüsenfunktionsstörungen
Welche kennen Sie?
Ferdinand M. GerlachJohann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main
Symptome bzw. Zeichenfür mögliche Schilddrüsenfunktionsstörungen
Welche Anzahl von Zeichen und Symptomen machtdas Vorliegen einer Schilddrüsenfunktionsstörung wahrscheinlich (über 50%)?
1) ab zwei Zeichen oder Symptomen
2) ab drei Zeichen oder Symptomen2) ab drei Zeichen oder Symptomen
3) ab vier Zeichen oder Symptomen
4) ab fünf Zeichen oder Symptomen
5) bei sechs und mehr Zeichen oder Symptomen
6) Die Frage lässt sich ohne weitere Angabennicht beantworten
Ferdinand M. GerlachJohann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main
500 konsekutive Patienten (stationär + ambulant), bei denen Labor-tests durchgeführt wurden (bekannte SD-Erkrankung ausgeschlossen)
= 27 Symptome bzw. Zeichen:
Symptome bzw. Zeichenfür mögliche Schilddrüsenfunktionsstörungennach White GH, Walmsley RN (1978) Lancet ii: 933-5
� schilddrüsenbezogen (metabolisch)Schilddrüsenvergrößerung, Schilddrüsenknoten, feiner Tremor, Gewichtsverlust, Appetitzunahme, enge Lidspalten, vermehrtes Schwitzen, Wärmeintoleranz, Familienanamnese, Lethargie, Gewichtszunahme, Heiserkeit, trockene Haut, Haarausfall, Kälteempfindlichkeit, verzögerte Reflexe, Obstipation, Kleinwuchs
� kardiovaskulärArrhythmien, Tachykardie (> 90/min), Myokardinfarkt, chronische Herzinsuffizienz, koronare Herzkrankheit, Hypertonie
� selten auch anderePneumonie, Asthma, Diabetes
Ferdinand M. GerlachJohann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main
fünf oder mehr 23 18 78
Anzahl der Symptome/Zeichen Anzahl
Patienten
Anzahl mit
Schilddrüsen-
funktionsstör.
% mit
Schilddrüsen-
funktionsstör.
Symptome bzw. Zeichenfür mögliche Schilddrüsenfunktionsstörungennach White GH, Walmsley RN (1978) Lancet ii: 933-5
drei oder vier 35 1 2,9
null, eins oder zwei 442 2 0,45
Gesamt 500 21 4,2
(88,4%)
Ferdinand M. GerlachJohann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main
Signs & symptoms of thyreoid disease(likelihood ratio nomogram, n = 500)
4,2%
Allgemeinbevölk./Allgemeinpraxen
1,0%
5+ symptoms = >40%
endgültige Diagnoseals Goldstandard:
5+ symptoms = >80%82
11
Darstellung durch Bandolier(1997) Band 46-5 nach White GH, Walmsley RN (1978). Can the initial clinical assessment of thyroid function be improved? Lancet ii: 933-5
5+ symptoms = >40%3+ symptoms = 33%
0,1 or 2 symptoms = <1%
0,1
Ferdinand M. GerlachJohann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main
Von welchen Faktorenist die Aussagekraft (Nachtestwahrscheinlichkeit)einer Diagnostik bzw. eines Testseiner Diagnostik bzw. eines Testsabhängig?
Ferdinand M. GerlachJohann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main
prW (+) =se • p
se• p + (1 - sp) (1 -p)
Das “Bayes-Theorem”– Berechnung der Nachtestwahrscheinlichkeit –
se• p + (1 - sp) (1 -p)
prW(+) = positiv prädiktiver Wert (Nachtestwahrscheinlichkeit)
se = Sensitivität
sp = Spezifität
p = Prävalenz
Ferdinand M. GerlachJohann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main
Stellen Sie sich vor, Sie wären Allgemeinarzt/ärztin und in Ihrer Praxis ...
� In Ihre Sprechstunde kommt eine neue 56jährige Patientin, Frau Müller
� Patientin berichtet über Brustschmerzen (Angina pectoris)- Beschwerden treten bei körperlicher Belastung auf- Beschwerden treten bei körperlicher Belastung auf
- muss wegen Angina pectoris-Beschwerden Belastung abbrechen
- früher habe schon einmal Infarktverdacht bestanden
- Nitro-Spray führt in der Regel zu einer schnellen Besserung
Ferdinand M. GerlachJohann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main
Aussagekraft einer Angina pectoris-Anamnese (5 Fragen)
� Würden Sie bei dieser Patientin eine koronare Herz-krankheit (KHK) vermuten?
� Was schätzen Sie: Wie wahrscheinlich ist in diesem konkreten Fall eine behandlungsbedürftige KHK?
� Würden Sie dieser Patientin – bei unklarem Befund und zweifelhaftem Stellenwert des Belastungs-EKGs – deshalb zweifelhaftem Stellenwert des Belastungs-EKGs – deshalb zu einer Koronarangiographie raten?
� Was würden Sie tun, wenn Sie selbst oder Ihre Mutter die gleichen Angina pectoris-Beschwerden hätten?
� Würden Sie einen allgemein anerkannten, evidenz-basierten Angina pectoris-Score, der speziell zur KHK-Diagnostik entwickelt wurde, für Ihre Entscheidungsfindung nutzen?
Ferdinand M. GerlachJohann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main
Beispiel: Angina pectoris-Scorezur Diagnostik der KHK
� von Sox et al. (Stanford University) entwickelt, im American Journal of Medicine publiziert
� 211 eigene Patienten mit Angina pectoris: standardisiert(!) nach Angina pectoris-Symptomatikstandardisiert(!) nach Angina pectoris-Symptomatikgefragt > Koronarangiographie > logistische Regression
Ferdinand M. GerlachJohann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main
Angina pectoris-Scorenach Sox HC et al. (1990) The American Journal of Medicine 89:7-14
Attribut exakter
Koeffizient
(n = 211)
gerundeter
Koeffizient
(Score: 0 – 25)
Alter über 60 + 2,85 +3
Belastungsangina + 4,26 +4
Infarktverdacht in d. Anamnese + 3,9 +4
13Infarktverdacht in d. Anamnese + 3,9 +4
Belastungsabbruch wegen AP + 2,76 +3
Nitratpositiv + 1,93 +2
Raucher (> 20 pack-years) + 3,93 +4
männliches Geschlecht + 5,37 +5
maximale Punktzahl 25
Ferdinand M. GerlachJohann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main
Aussagekraft einer standardisierten Anamnesenach Versorgungsbereichen
0-4 5-9 10-14 15-19 20-25
0,8
1,0
Ana
mne
se:
in u
nte
rsch
ied
lich
en V
erso
rgu
ng
sber
eich
en
*0,70
0,2 0,4 0,6 0,8 1,00
0,2
0,4
0,6
KHK-Prävalenz nach Anamnese: in der Eichstichprobe
KH
K-P
räva
lenz
nac
hA
nam
nese
:in
un
ters
chie
dlic
hen
Ver
sorg
un
gsb
erei
chen
* = p <0,05 zw. Eichstichprobe u. Ambulanzennach Sox HC et al. (1990) Am J Med 89:7-14
**
= allgemeinmedizinische Ambulanz, n = 289(Kaiser-Permanente Medical Center)
*
*
= kardiologische Ambulanz, n = 404(Palo Alto Veterans Administration Medical Center)
*
*
= kardiologische Universitätsklinik, n = 170(Stanford University + Palo Alto VA Medical Center)
0,21
0,10
Ferdinand M. GerlachJohann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main
Wie lassen sich diese Unterschiede
Frage
diese Unterschiede erklären?
Ferdinand M. GerlachJohann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main
Prävalenz der KHK vor Anamnese(pretest probability nach Sox HC et al. (1990) Am J Med 89:7-14)
� kardiologische Universitätsklinik = ca. 75%(n = 170, Stanford University + Palo Alto VA Medical Center)
Antwort
(n = 170, Stanford University + Palo Alto VA Medical Center)
� kardiologische Ambulanz = 33%(n = 404, Palo Alto Veterans Administration Medical Center)
� allgemeinmedizinische Ambulanz = 8%(n = 289, Kaiser-Permanente Medical Center)
Ferdinand M. GerlachJohann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main
Zusatzfrage
Warum sind klassische Zeichen wie„Bewegungsunabhängigkeit“ oder „Ausstrahlung in den linken Arm“ in diesem Angina pectoris-Scorein diesem Angina pectoris-Scorenicht aufgeführt, d.h. keine
unabhängigen Prädiktorenzur Abgrenzung einer KHK?
Ferdinand M. GerlachJohann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main
Weil der Score an Patienten entwickelt wurde,die gezielt zur Durchführung einer Koronarangiographie in eine kardiologische Universitätsklinik eingewiesen wurden.
Antwort
Bei dieser vorgefilterten, homogenen Patientengruppe sind diese Symptome so häufig, dass sie hier zur Abgrenzung einer KHK nicht geeignet sind.
Ferdinand M. GerlachJohann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main
Ätiologie des akuten BrustschmerzesErhardt et al. (2002) Task force on the management of chest pain.European Heart Journal 23:1153-1176
Ätiologie Allgemein-praxis(in %)
Notfall-zentrale(in %)
Rettungs-dienst(in %)
Notfall-aufnahme in Klinik (in %)
kardial 20 60 69 45
muskulo- 43 6 5 14muskulo-skelettal
43 6 5 14
pulmonal 4 4 4 5
gastro-intestinal
5 6 3 6
psych-iatrisch
11 5 5 8
andere Ursachen
16 19 18 26
Ferdinand M. GerlachJohann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main
Untersuchung in 74 deutschen Hausarztpraxen(Bösner et al. 2010 CMAJ 182: 1295-1300)
14 Variablen bei 773 Patienten mit Brustschmerzen,5 Determinanten konnten KHK besonders gut vorhersagen:
� Alter (Frauen ab 64, Männer ab 55 Jahre)
Eigene Regeln in der Grundversorgung
� Alter (Frauen ab 64, Männer ab 55 Jahre)� Bekannte Gefäßerkrankung� Anstrengungsabhängige Schmerzen� Durch Palpation nicht auslösbare Schmerzen� Überzeugung der Patienten: Schmerzen vom Herzen
� Beste Prädiktion: ab 3 erfüllten Determinanten
Validierung an 672 Hausarzt-Patienten in der Schweiz, Sensitivität: 87%, Spezifität 81%
Ferdinand M. GerlachJohann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main
Noch offene Frage: was tun mit Frau Müller?
Einige Gesichtspunkte:
� Der Angina pectoris-Score aus der Universitätskardiologie in Stanford gilt für Frau Müller nicht ohne weiteres.
� Die 56jährige Patientin Frau Müller hätte - wenn die Daten aus Stanford auch in Frankfurt gelten würden - nur eine etwa 10%ige KHK-Wahrscheinlichkeit.etwa 10%ige KHK-Wahrscheinlichkeit.
� Weitere Symptome und Zeichen „wie Bewegungs(un)ab-hängigkeit, Auslösbarkeit durch lokalen Druck, Ausstrahlung in den linken Arm könnten hier zur Differenzierung beitragen.
� Eine sorgfältige Anamnese und Untersuchung sind zwingend. Bei weiterem KHK-Verdacht: ggf. Überweisungund weitere Diagnostik durch (niedergelassenen) Kardiologen.
Ferdinand M. GerlachJohann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main
Folgerungen (I.) nach Sox HC et al. (1990) Am J Med 89:7-14
� Wenn ein/e Arzt/Ärztin bei einem Patienten eine typische Symptomatik feststellt,dann weisen die klinischen Befunde mit einer quantifizierbaren Wahrscheinlichkeit auf das Vorliegen einer definitiven Erkrankung hin,einer definitiven Erkrankung hin,die von der Prävalenz dieser Erkrankung unter allen Patienten dieses Arztes abhängt, welche die gleiche Symptomatik haben.
� in allgemeinärztlichen Praxen andere Verhältnisse
Ferdinand M. GerlachJohann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main
� Die Nachtestwahrscheinlichkeit lässt sich mit Hilfe des Bayes-Theorems erklären und errechnen.Dafür muss neben der Sensitivität und Spezifität eines Tests zwingend auch die Vortestwahrscheinlichkeit (Prävalenz)bekannt sein.
Folgerungen (II.) nach Sox HC et al. (1990) Am J Med 89:7-14
bekannt sein.
�praxisepidemiologische Studien erforderlich�Gefahr des Spectrum Bias: Sensitivität eines Test wird
überschätzt, wenn dieser im Hochprävalenzbereich(z.B. Universitätsklinik) entwickelt, aber im Niedrigprävalenzbereich (z.B. Klinik der Regelversorgung, Hausarztpraxis) eingesetzt wird
Ferdinand M. GerlachJohann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main
� Allgemeinärzte/ärztinnen müssen bei der Übernahme von Empfehlungen vorsichtig sein,wenn die Empfehlungen auf Studien beruhen, die an Patienten in spezialisierten Versorgungseinrichtungen
Folgerungen (III.) nach Sox HC et al. (1990) Am J Med 89:7-14
Patienten in spezialisierten Versorgungseinrichtungendurchgeführt wurden.
�Keine einheitliche Diagnostik in Klinik und Praxis�Forschung unter Alltagsbedingungen
Ferdinand M. GerlachJohann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main
Lernzielkontrolle –Darüber sollten Sie jetzt mehr wissen
� Prävalenz unterschiedlicher Versorgungsebenen: Wo Menschen diagnostiziert und medizinisch versorgt werden
� Stellenwert von Anamnese, körperlicher Untersuchung und Labor
� Sinn und Unsinn medizinischer Diagnostik
� Nomogramm zur Interpretation diagnostischer Tests
� Definition und Bedeutung des Bayesschen Theorems
� Bedeutung von Symptomen bzw. Zeichenfür mögliche Schilddrüsenfunktionsstörungen
� Aussagekraft einer standardisierten Angina pectoris-Anamnese in Praxis und Klinik
Ferdinand M. GerlachJohann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main
Inspirierenden Unterrichtin der Vorlesung und unseren Lehrpraxensowieviel Erfolg bei der Abschlussklausur!viel Erfolg bei der Abschlussklausur!
Prof. Dr. Ferdinand M. Gerlach, MPH
Alle Folien zum Download unter:
www.allgemeinmedizin.uni-frankfurt.de
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