72
Begrüßung des Präsidenten des Staatsrates der Republik Slowenien, Tone Hrovat, und einer Delegation . . . . . . . . . 521 C Begrüßung einer Delegation der deutsch- russischen Freundschaftsgruppe des Födera- tionsrates der Russischen Föderation . . . 528 C Dank an Senator Dr. Willfried Maier (Ham- burg) . . . . . . . . . . . . . . 521 B Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . 521 A Zur Tagesordnung . . . . . . . . . . 521 B Rückblick des Präsidenten . . . . . . . 522 A 1. Wahl des Präsidiums – gemäß Artikel 52 Abs. 1 GG i.V.m. § 5 Abs. 1 GO BR – . . 523 B Beschluss: Der Regierende Bürgermeister des Landes Berlin, Klaus Wowereit, wird zum Präsidenten des Bundesrates gewählt. Der Ministerpräsident des Landes Rhein- land-Pfalz, Kurt Beck, der Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen, Bürgermeister Dr. Henning Scherf, und der Ministerpräsident des Saarlandes, Peter M ü l l e r , wer- den zu Vizepräsidenten gewählt . . 523 C, D 2. Wahl des Vorsitzenden und der stellver- tretenden Vorsitzenden der Europakam- mer – gemäß § 45 c GO BR – . . . . . 523 D Beschluss: Es werden gewählt: Regieren- der Bürgermeister Klaus Wowereit (Berlin) zum Vorsitzenden, Staatsmi- nister Gernot M i t t l e r (Rheinland- Pfalz) zum ersten stellvertretenden Vorsitzenden und Ministerpräsident Peter M ü l l e r (Saarland) zum dritten stellvertretenden Vorsitzenden . . . 524 A Mitteilung: Die Wahl der zweiten stell- vertetenden Vorsitzenden ist für die Sit- zung des Bundesrates am 9. November 2001 vorgesehen . . . . . . . . 524 A 3. Wahl der Vorsitzenden der Ausschüsse – gemäß § 12 Abs. 1 GO BR – (Drucksa- che 732/01) . . . . . . . . . . . 524 A Beschluss: Die Vorsitzenden der Aus- schüsse werden gemäß dem Antrag des Präsidiums in Drucksache 732/01 ge- wählt . . . . . . . . . . . . 524 A 4. Wahl der Schriftführer – gemäß § 10 Abs. 1 GO BR – . . . . . . . . . . . . 524 B Beschluss: Staatsminister Dr. Manfred W e i ß (Bayern) und Ministerin Karin S c h u b e r t (Sachsen-Anhalt) werden wieder gewählt . . . . . . . . . 524 B 5. Gesetz zu dem Abkommen vom 11. Okto- ber 1999 über Handel, Entwicklung und Zusammenarbeit zwischen der Europäi- schen Gemeinschaft und ihren Mitglied- staaten einerseits und der Republik Süd- afrika andererseits (Drucksache 759/01) 545 A Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 84 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . 569*D 6. Gesetz zu den Änderungen von 1995 und 1998 des Basler Übereinkommens vom 22. März 1989 über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung ge- fährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung (Gesetz zu Änderungen des Basler Über- einkommens) (Drucksache 758/01) . . . 545 A Beschluss: Kein Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . 570*A Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 13 20, 53003 Bonn, Telefon: 02 28/3 82 08 40, Telefax: 02 28/3 82 08 44 ISSN 0720-7999 Plenarprotokoll 768 BUNDESRAT Stenografischer Bericht 768. Sitzung Berlin, Freitag, den 19. Oktober 2001 Inhalt:

BUNDESRAT - CILIP · 2015. 2. 23. · II Bundesrat – 768. Sitzung – 19. Oktober 2001 7. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Richterwahlgesetzes– gemäß Arti- kel 76 Abs

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Page 1: BUNDESRAT - CILIP · 2015. 2. 23. · II Bundesrat – 768. Sitzung – 19. Oktober 2001 7. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Richterwahlgesetzes– gemäß Arti- kel 76 Abs

Begrüßung des Präsidenten des Staatsratesder Republik Slowenien, Tone H r o v a t ,und einer Delegation . . . . . . . . . 521 C

Begrüßung einer Delegation der deutsch-russischen Freundschaftsgruppe des Födera-tionsrates der Russischen Föderation . . . 528 C

Dank an Senator Dr. Willfried Maier (Ham-burg) . . . . . . . . . . . . . . 521 B

Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . 521 A

Zur Tagesordnung . . . . . . . . . . 521 B

Rückblick des Präsidenten . . . . . . . 522 A

1. Wahl des Präsidiums – gemäß Artikel 52Abs. 1 GG i.V.m. § 5 Abs. 1 GO BR – . . 523 B

Beschluss: Der Regierende Bürgermeisterdes Landes Berlin, Klaus W o w e r e i t ,wird zum Präsidenten des Bundesratesgewählt.

Der Ministerpräsident des Landes Rhein-land-Pfalz, Kurt B e c k , der Präsidentdes Senats der Freien HansestadtBremen, Bürgermeister Dr. HenningS c h e r f , und der Ministerpräsidentdes Saarlandes, Peter M ü l l e r , wer-den zu Vizepräsidenten gewählt . . 523 C, D

2. Wahl des Vorsitzenden und der stellver-tretenden Vorsitzenden der Europakam-mer – gemäß § 45 c GO BR – . . . . . 523 D

Beschluss: Es werden gewählt: Regieren-der Bürgermeister Klaus W o w e r e i t(Berlin) zum Vorsitzenden, Staatsmi-nister Gernot M i t t l e r (Rheinland-Pfalz) zum ersten stellvertretenden Vorsitzenden und Ministerpräsident

Peter M ü l l e r (Saarland) zum drittenstellvertretenden Vorsitzenden . . . 524 A

Mitteilung: Die Wahl der zweiten stell-vertetenden Vorsitzenden ist für die Sit-zung des Bundesrates am 9. November2001 vorgesehen . . . . . . . . 524 A

3. Wahl der Vorsitzenden der Ausschüsse– gemäß § 12 Abs. 1 GO BR – (Drucksa-che 732/01) . . . . . . . . . . . 524 A

Beschluss: Die Vorsitzenden der Aus-schüsse werden gemäß dem Antrag desPräsidiums in Drucksache 732/01 ge-wählt . . . . . . . . . . . . 524 A

4. Wahl der Schriftführer – gemäß § 10 Abs. 1GO BR – . . . . . . . . . . . . 524 B

Beschluss: Staatsminister Dr. ManfredW e i ß (Bayern) und Ministerin KarinS c h u b e r t (Sachsen-Anhalt) werdenwieder gewählt . . . . . . . . . 524 B

5. Gesetz zu dem Abkommen vom 11. Okto-ber 1999 über Handel, Entwicklung undZusammenarbeit zwischen der Europäi-schen Gemeinschaft und ihren Mitglied-staaten einerseits und der Republik Süd-afrika andererseits (Drucksache 759/01) 545 A

Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 84Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . 569*D

6. Gesetz zu den Änderungen von 1995 und1998 des Basler Übereinkommens vom22. März 1989 über die Kontrolle dergrenzüberschreitenden Verbringung ge-fährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung(Gesetz zu Änderungen des Basler Über-einkommens) (Drucksache 758/01) . . . 545 A

Beschluss: Kein Antrag gemäß Art. 77Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . 570*A

Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, BerlinVertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 13 20, 53003 Bonn,Telefon: 02 28/3 82 08 40, Telefax: 02 28/3 82 08 44ISSN 0720-7999

Plenarprotokoll 768

BUNDESRATStenografischer Bericht

768. Sitzung

Berlin, Freitag, den 19. Oktober 2001

I n h a l t :

Page 2: BUNDESRAT - CILIP · 2015. 2. 23. · II Bundesrat – 768. Sitzung – 19. Oktober 2001 7. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Richterwahlgesetzes– gemäß Arti- kel 76 Abs

Bundesrat – 768. Sitzung – 19. Oktober 2001II

7. Entwurf eines Gesetzes zur Änderungdes Richterwahlgesetzes – gemäß Arti-kel 76 Abs. 1 GG – Antrag des LandesBaden-Württemberg gemäß § 23 Abs. 3i.V.m. § 15 Abs. 1 und § 36 Abs. 2 GO BR –(Drucksache 616/01) . . . . . . . . 545 A

Prof. Dr. Ulrich Goll (Baden-Würt-temberg) . . . . . . . . . . 545 B

Mitteilung: Überweisung an die zustän-digen Ausschüsse . . . . . . . . 546 C

8. Entwurf eines ... Strafrechtsänderungs-gesetzes – Graffiti-Bekämpfungsgesetz(... StrÄndG) – gemäß Artikel 76 Abs. 1GG – Antrag des Landes Baden-Würt-temberg gemäß § 23 Abs. 3 i.V.m. § 15 Abs. 1 und § 36 Abs. 2 GO BR –(Drucksache 765/01) . . . . . . . . 546 D

Prof. Dr. Ulrich Goll (Baden-Würt-temberg) . . . . . . . 546 D, 549 D

Dr. Andreas Birkmann (Thüringen) . 547 D

Dr. Hansjörg Geiger, Staatssekretärim Bundesministerium der Justiz . . . . . . . . 548 C, 549 D

Wolfgang Clement (Nordrhein-West-falen) . . . . . . . . . . . 549 B

Prof. Dr. Kurt Schelter (Brandenburg) 571*C

Mitteilung: Überweisung an die zustän-digen Ausschüsse . . . . . . . . 550 B

9. Entwurf einer Verordnung zur Änderungder Verordnung über den Ausgleich gemeinwirtschaftlicher Leistungen imStraßenpersonenverkehr (PBefAusglV) – Antrag des Landes Brandenburg –(Drucksache 669/01) . . . . . . . . 550 B

Beschluss: Die Vorlage wird in der fest-gelegten Fassung gemäß Art. 80 Abs. 3GG der Bundesregierung zugeleitet . 550 C

10. Entschließung des Bundesrates zur Re-form der Arbeitsförderung – Antrag derLänder Thüringen, Bayern und Baden-Württemberg, Hessen, Saarland, Sachsen –(Drucksache 658/01) . . . . . . . . 550 C

Franz Schuster (Thüringen) . . . 550 C

Reinhold Bocklet (Bayern) . . . . 571*D

Beschluss: Die Entschließung wird nichtgefasst . . . . . . . . . . . . 551 C

11. Entschließung des Bundesrates zur Um-wandlung der Gesetze zur Förderungeines Freiwilligen Sozialen Jahres undeines Freiwilligen Ökologischen Jahresin ein allgemeines Freiwilligengesetz– Antrag des Landes Baden-Württemberggemäß § 23 Abs. 3 i.V.m. § 15 Abs. 1 und § 36 Abs. 2 GO BR – (Drucksache 772/01) 551 C

Dr. Friedhelm Repnik (Baden-Würt-temberg) . . . . . . . . . . 551 D

Mitteilung: Überweisung an die zustän-digen Ausschüsse . . . . . 552 D, 553 A

12. Entwurf eines Gesetzes zur Einführungund Verwendung eines Kennzeichens fürErzeugnisse des ökologischen Landbaus(Öko-Kennzeichengesetz – ÖkoKennzG –)(Drucksache 698/01) . . . . . . . . 553 A

Rudolf Köberle (Baden-Württem-berg) . . . . . . . . . . . 573*A

Erika Görlitz (Bayern) . . . . . . 553 A

Matthias Berninger, Parl. Staatsse-kretär bei der Bundesministerin fürVerbraucherschutz, Ernährung undLandwirtschaft . . . . . . . 553 C

Beschluss: Stellungnahme gemäß Art. 76Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . 554 B

13. Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnungdes Schuldbuchrechts des Bundes undder Rechtsgrundlagen der Bundesschul-denverwaltung (Bundeswertpapierver-waltungsgesetz – BWpVerwG) – gemäßArtikel 76 Abs. 2 Satz 4 GG – (Drucksa-che 700/01) . . . . . . . . . . . 545 A

Beschluss: Stellungnahme gemäß Art. 76Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . 570*A

14. Entwurf eines Gesetzes zur Fortführungdes Solidarpaktes, zur Neuordnung desbundesstaatlichen Finanzausgleichs undzur Abwicklung des Fonds „Deutsche Einheit“ (Solidarpaktfortführungsgesetz –SFG) (Drucksache 734/01) . . . . . . 554 C

Dr. Harald Ringstorff (Mecklenburg-Vorpommern) . . . . . . . . 554 C

Wolfgang Gerhards (Sachsen-An-halt) . . . . . . . . . . . 555 C

Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staats-sekretärin beim Bundesministerder Finanzen . . . . . . . . 556 D

Rudolf Köberle (Baden-Württem-berg) . . . . . . . . . . . 573*D

Beschluss: Stellungnahme gemäß Art. 76Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . 557 C

15. Entscheidung über Fristverlängerunggemäß Artikel 76 Abs. 2 Satz 3 GG

Entwurf eines Gesetzes zur Einführungdes diagnose-orientierten Fallpauscha-lensystems für Krankenhäuser (Fallpau-schalengesetz – FPG) – gemäß Artikel 76Abs. 2 GG – (Drucksache 701/01) . . . 557 C

Beschluss: Zustimmung zu dem Vorschlagdes Ständigen Beirates in Drucksache701/1/01 . . . . . . . . . . . 557 C

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Bundesrat – 768. Sitzung – 19. Oktober 2001 III

16. Entwurf eines Gesetzes zur Neurege-lung des Waffenrechts (WaffRNeuRegG)(Drucksache 596/01) . . . . . . . . 557 C

Franz Schuster (Thüringen) . . . . 574*A

Beschluss: Stellungnahme gemäß Art. 76Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . 558 B

17. Entwurf eines Versorgungsänderungs-gesetzes 2001 – gemäß Artikel 76 Abs. 2Satz 4 GG – (Drucksache 735/01) . . . 558 B

Rudolf Köberle (Baden-Württem-berg) . . . . . . . . . . . 558 B

Jürgen Gnauck (Thüringen) 559 A, 561 A

Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatsse-kretär beim Bundesminister des Innern . . . . . . . . . . 560 A

Jochen Riebel (Hessen) . . . . . 574*C

Beschluss: Stellungnahme gemäß Art. 76Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . 561 D

18. Entwurf eines ... Gesetzes zur Ände-rung der Strafprozessordnung – gemäßArtikel 76 Abs. 2 Satz 4 GG – (Drucksache702/01) . . . . . . . . . . . . . 561 D

Beschluss: Stellungnahme gemäß Art. 76Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . 562 A

19. Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzungder Richtlinie 98/8/EG des EuropäischenParlaments und des Rates vom 16. Fe-bruar 1998 über das Inverkehrbrin-gen von Biozid-Produkten (Biozidgesetz)– gemäß Artikel 76 Abs. 2 Satz 4 GG –(Drucksache 703/01) . . . . . . . . 562 A

Bärbel Höhn (Nordrhein-Westfalen) 575*D

Beschluss: Stellungnahme gemäß Art. 76Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . 562 C

20. Entwurf eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes(Drucksache 704/01) . . . . . . . . 562 C

Beschluss: Stellungnahme gemäß Art. 76Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . 562 D

21. Entwurf eines Gesetzes zur geordnetenBeendigung der Kernenergienutzungzur gewerblichen Erzeugung von Elek-trizität (Drucksache 705/01) . . . . . 562 D

Wolfgang Jüttner (Niedersachsen) . 576*D

Wilhelm Dietzel (Hessen) . . . . 577*D

Claus Möller (Schleswig-Holstein) . 579*C

Jürgen Trittin, Bundesminister fürUmwelt, Naturschutz und Reaktor-sicherheit . . . . . . . . . 580*C

Beschluss: Stellungnahme gemäß Art. 76Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . 563 A

22. Entwurf eines Gesetzes zur Änderungdes Gesetzes vom 20. Mai 1997 zur Revi-sion des Übereinkommens vom 20. März1958 über die Annahme einheitlicher Bedingungen für die Genehmigung derAusrüstungsgegenstände und Teile vonKraftfahrzeugen und über die gegen-seitige Anerkennung der Genehmigung(Drucksache 706/01) . . . . . . . . 545 A

Beschluss: Keine Einwendungen gemäßArt. 76 Abs. 2 GG . . . . . . . . 570*B

23. Entwurf eines Gesetzes über die Aufhe-bung des Gesetzes zur Förderung derRationalisierung im Steinkohlenbergbau(Drucksache 707/01) . . . . . . . . 545 A

Beschluss: Keine Einwendungen gemäßArt. 76 Abs. 2 GG . . . . . . . . 570*B

24. Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkom-men vom 12. Juli 2001 zwischen der Bun-desrepublik Deutschland und der Volks-republik China über Sozialversicherung(Drucksache 699/01) . . . . . . . . 545 A

Beschluss: Keine Einwendungen gemäßArt. 76 Abs. 2 GG . . . . . . . . 570*B

25. Mitteilung der Kommission der Europäi-schen Gemeinschaften an den Rat unddas Europäische Parlament: Vollendungdes Energiebinnenmarktes

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäi-schen Parlaments und des Rates zur Än-derung der Richtlinien 96/92/EG und98/30/EG über gemeinsame Vorschriftenfür den Elektrizitätsbinnenmarkt undden Erdgasbinnenmarkt

Vorschlag einer Verordnung des Europäi-schen Parlaments und des Rates über dieNetzzugangsbedingungen für den grenz-überschreitenden Stromhandel – gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG – (Drucksache 358/01) 563 A

Beschluss: Stellungnahme . . . . . . 563 B

26. Vorschlag für eine Richtlinie des Europäi-schen Parlaments und des Rates zur An-gleichung der Rechts- und Verwaltungs-vorschriften der Mitgliedstaaten überWerbung und Sponsoring zugunsten vonTabakerzeugnissen – gemäß §§ 3 und 5EUZBLG – (Drucksache 555/01) . . . . 563 B

Matthias Berninger, Parl. Staatsse-kretär bei der Bundesministerin fürVerbraucherschutz, Ernährung undLandwirtschaft . . . . . . . 582*B

Beschluss: Stellungnahme . . . . . . 563 C

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Bundesrat – 768. Sitzung – 19. Oktober 2001IV

27. Vorschlag für eine Richtlinie des Euro-päischen Parlaments und des Rates überden strafrechtlichen Schutz der finan-ziellen Interessen der Gemeinschaft – gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG – (Drucksa-che 657/01) . . . . . . . . . . . 545 A

Beschluss: Stellungnahme . . . . . . 570*C

28. Vorschlag für eine Richtlinie des Europäi-schen Parlaments und des Rates zur Än-derung der Richtlinie 83/477/EWG desRates über den Schutz der Arbeitnehmergegen Gefährdung durch Asbest am Ar-beitsplatz – gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG –(Drucksache 659/01) . . . . . . . . 545 A

Beschluss: Stellungnahme . . . . . . 570*C

29. Vorschlag für eine Verordnung des Eu-ropäischen Parlaments und des Ratesüber den Arbeitskostenindex – gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG – (Drucksache 660/01) 545 A

Beschluss: Stellungnahme . . . . . . 570*C

30. Grünbuch der Kommission der Euro-päischen Gemeinschaften: „EuropäischeRahmenbedingungen für die soziale Ver-antwortung der Unternehmen“ – gemäߧ§ 3 und 5 EUZBLG – (Drucksache 674/01) . . . . . . . . . . . . . . 545 A

Beschluss: Stellungnahme . . . . . . 570*C

31. Mitteilung der Kommission der Europäi-schen Gemeinschaften an den Rat, dasEuropäische Parlament und den Wirt-schafts- und Sozialausschuss: Unterstüt-zung nationaler Strategien für zukunfts-sichere Renten durch eine integrierteVorgehensweise – gemäß §§ 3 und 5EUZBLG – (Drucksache 600/01) . . . . 563 C

Reinhold Bocklet (Bayern) . . . . 582*C

Beschluss: Stellungnahme . . . . . . 563 D

32. Vorschlag für eine Verordnung des Rateszur Einführung befristeter Schutzmaß-nahmen für den Schiffbau – gemäß §§ 3und 5 EUZBLG – (Drucksache 676/01) . 545 A

Beschluss: Stellungnahme . . . . . . 570*C

33. Erste Verordnung zur Änderung derTierschutz-Nutztierhaltungsverordnung(Drucksache 429/01) . . . . . . . . 539 B

Bärbel Höhn (Nordrhein-Westfalen) 539 C

Margit Conrad (Rheinland-Pfalz) . . 540 B

Reinhold Bocklet (Bayern) . . . . 541 A

Renate Künast, Bundesministerin fürVerbraucherschutz, Ernährung undLandwirtschaft . . . . . . . 542 A

Willi Stächele (Baden-Württemberg) 544 A

Dr. Harald Ringstorff (Mecklenburg-Vorpommern) . . . . . . . . 568*D

Wolfgang Senff (Niedersachsen) . . 569*A

Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 80Abs. 2 GG nach Maßgabe der ange-nommenen Änderungen – Annahmevon Entschließungen . . . . 544 D, 545 A

34. Einunddreißigste Verordnung zur Ände-rung der Kosmetik-Verordnung (Druck-sache 656/01) . . . . . . . . . . 545 A

Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 80Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . 571*A

35. Verordnung zur Änderung der Sachbe-zugsverordnung (Drucksache 708/01) . . 545 A

Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 80Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . 571*A

36. Verordnung über die Anlage des gebun-denen Vermögens von Versicherungsun-ternehmen (Anlageverordnung – AnlV) (Drucksache 709/01) . . . . . . . . 545 A

Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 80Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . 571*A

37. Verordnung nach § 104 g Abs. 2 des Ver-sicherungsaufsichtsgesetzes über die Be-rechnung der bereinigten Solvabilität von Erstversicherungsunternehmen, diegemäß § 104 a Abs. 1 Nr. 1 oder 2 des Versicherungsaufsichtsgesetzes einer zu-sätzlichen Beaufsichtigung unterliegen(Solvabilitätsbereinigungs-Verordnung –SolBerV) (Drucksache 712/01) . . . . 545 A

Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 80Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . 571*A

38. Verordnung über Ausnahmen zum Ver-bringungs- und Einfuhrverbot von ge-fährlichen Hunden in das Inland (Hunde-verbringungs- und -einfuhrverordnung –HundVerbrEinfVO) (Drucksache 444/01) 545 A

Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 80Abs. 2 GG nach Maßgabe der beschlos-senen Änderungen – Annahme einerEntschließung . . . . . . . . . 570*C

39. Vierunddreißigste Verordnung zur Än-derung straßenverkehrsrechtlicher Vor-schriften – 34. StVRÄndV (Drucksache570/01, zu Drucksache 570/01) . . . . 564 A

Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 80Abs. 2 GG nach Maßgabe der ange-nommenen Änderungen . . . . . . 564 C

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Bundesrat – 768. Sitzung – 19. Oktober 2001 V

40. a) Verordnung über die Erteilung einerVerwarnung, Regelsätze für Geld-bußen und die Anordnung eines Fahr-verbots wegen Ordnungswidrigkei-ten im Straßenverkehr (Bußgeldkata-log-Verordnung – BKatV) (Drucksache571/01)

b) Allgemeine Verwaltungsvorschrift überdie Aufhebung der Allgemeinen Ver-waltungsvorschrift für die Erteilungeiner Verwarnung bei Straßenver-kehrsordnungswidrigkeiten (Verwarn-VwV) (Drucksache 629/01) . . . . . 545 A

Beschluss zu a): Zustimmung gemäß Art. 80 Abs. 2 GG nach Maßgabe derbeschlossenen Änderungen – Annahmeeiner Entschließung . . . . . . . 570*C

Beschluss zu b): Zustimmung gemäß Art. 84 Abs. 2 GG nach Maßgabe derbeschlossenen Änderung . . . . . 570*C

41. Sechzehnte Verordnung zur Änderungder Gebührenordnung für Maßnahmenim Straßenverkehr (Drucksache 681/01) 545 A

Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 80Abs. 2 GG nach Maßgabe der beschlos-senen Änderungen . . . . . . . 570*C

42. Zweite Verordnung zur Änderung derPfandleiherverordnung (Drucksache 680/01) . . . . . . . . . . . . . . 545 A

Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 80Abs. 2 GG nach Maßgabe der beschlos-senen Änderung . . . . . . . . 570*C

43. Abkommen zwischen der Regierung derBundesrepublik Deutschland und der Re-gierung des Königreichs Belgien überdie Zusammenarbeit der Polizeibehör-den und Zollverwaltungen in den Grenz-gebieten (Drucksache 714/01) . . . . 545 A

Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 59Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Art. 84 Abs. 2 GG . 571*A

44. Verfahren vor dem Bundesverfassungs-gericht (Drucksache 757/01) . . . . . 545 A

Beschluss: Von einer Äußerung undeinem Beitritt wird abgesehen . . . 571*B

45. Entwurf eines Gesetzes zur Änderungdes Feuerschutzsteuergesetzes – gemäßArtikel 76 Abs. 1 und 3 Satz 4 GG – An-trag des Landes Schleswig-Holsteingemäß § 36 Abs. 2 GO BR – (Drucksache781/01)

in Verbindung mit

46. Entschließung des Bundesrates zu einerErgänzung der Allgemeinen Verwal-tungsvorschrift zum Staatsangehörig-keitsrecht (StAR-VwV) vom 13. Dezem-ber 2000 – Antrag des Freistaates Bayerngemäß § 36 Abs. 2 GO BR – (Drucksache806/01)

47. Entschließung des Bundesrates zur wirk-sameren Bekämpfung des internationa-len Terrorismus und Extremismus – An-trag der Länder Baden-Württemberg,Bayern, Hessen und Saarland, Sachsen,Thüringen gemäß § 36 Abs. 2 GO BR –(Drucksache 807/01)

48. Entwurf eines Gesetzes zur Änderungvon Vorschriften des Sozialdatenschutzeszur Verstärkung des Schutzes der Bevöl-kerung (Sozialdatenschutzänderungsge-setz) – gemäß Artikel 76 Abs. 1 GG – An-trag des Freistaates Bayern gemäß § 36Abs. 2 GO BR – (Drucksache 826/01)

und

49. Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderungdes Ausländergesetzes – gemäß Artikel 76Abs. 1 GG – Antrag der Länder Bayern,Niedersachsen gemäß § 36 Abs. 2 GO BR –(Drucksache 841/01) . . . . . . . . 524 B

Erwin Teufel (Baden-Württem-berg) . . . . . . . . 526 D, 533 B

Wolfgang Clement (Nordrhein-West-falen) . . . . . . . . . . . 528 D

Heiner Bartling (Niedersachsen) . . 528 D

Dr. Andreas Birkmann (Thüringen) . 530 B

Prof. Dr. Kurt Schelter (Brandenburg) 532 A

Erwin Sellering (Mecklenburg-Vor-pommern) . . . . . . . . . 533 A

Otto Schily, Bundesminister des In-nern . . . . . . . . . . . 533 D

Reinhold Bocklet (Bayern) . . . . 567*A

Walter Zuber (Rheinland-Pfalz) . . 568*A

Claus Möller (Schleswig-Holstein) . 568*A

Mitteilung zu 45 und 47 bis 49: Überwei-sung an die zuständigen Ausschüsse 539 A, B

Mitteilung zu 46: Überweisung an denzuständigen Ausschuss für Innere An-gelegenheiten . . . . . . . . . 539 A

Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . 564 C

Beschlüsse im vereinfachten Verfahren ge-mäß § 35 GO BR . . . . . . 564 A/C, 565 A/C

Feststellung gemäß § 34 GO BR . . . . 565 A/C

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Bundesrat – 768. Sitzung – 19. Oktober 2001VI

V o r s i t z :

Präsident K u r t B e c k , Ministerpräsident desLandes Rheinland-Pfalz

Amtierender Präsident D r. H e n n i n g S c h e r f ,Präsident des Senats, Bürgermeister der FreienHansestadt Bremen – zeitweise –

S c h r i f t f ü h r e r i n :

Karin Schubert (Sachsen-Anhalt)

S c h r i f t f ü h r e r :

Dr. Manfred Weiß (Bayern)

B a d e n - W ü r t t e m b e r g :

Erwin Teufel, Ministerpräsident

Dr. Thomas Schäuble, Innenminister

Prof. Dr. Ulrich Goll, Justizminister

Rudolf Köberle, Minister und Bevollmächtigterdes Landes Baden-Württemberg beim Bund

Willi Stächele, Minister für Ernährung und Länd-lichen Raum

Dr. Friedhelm Repnik, Sozialminister

B a y e r n :

Reinhold Bocklet, Staatsminister für Bundes- undEuropaangelegenheiten in der Staatskanzlei,Bevollmächtigter des Freistaates Bayern beimBund

Dr. Manfred Weiß, Staatsminister der Justiz

Erika Görlitz, Staatssekretärin im Staatsminis-terium für Gesundheit, Ernährung und Ver-braucherschutz

B e r l i n :

Klaus Wowereit, Regierender Bürgermeister

Klaus Böger, Bürgermeister und Senator für Schule, Jugend und Sport

Wolfgang Wieland, Bürgermeister und Senatorfür Justiz

Christiane Krajewski, Senatorin für Finanzen

B r a n d e n b u r g :

Dr. h.c. Manfred Stolpe, Ministerpräsident

Prof. Dr. Kurt Schelter, Minister der Justiz und fürEuropaangelegenheiten

B r e m e n :

Dr. Henning Scherf, Präsident des Senats, Bürger-meister, Senator für kirchliche Angelegenheitenund Senator für Justiz und Verfassung

Reinhard Metz, Staatsrat beim Senator für Finan-zen

H a m b u r g :

Dr. Willfried Maier, Senator, Präses der Stadtent-wicklungsbehörde und Bevollmächtigter derFreien und Hansestadt Hamburg beim Bund

H e s s e n :

Roland Koch, Ministerpräsident

Jochen Riebel, Minister für Bundes- und Euro-paangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei

Dr. Christean Wagner, Minister der Justiz

Wilhelm Dietzel, Minister für Umwelt, Landwirt-schaft und Forsten

Verzeichnis der Anwesenden

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Bundesrat – 768. Sitzung – 19. Oktober 2001 VII

M e c k l e n b u r g - V o r p o m m e r n :

Dr. Harald Ringstorff, Ministerpräsident

Erwin Sellering, Justizminister

N i e d e r s a c h s e n :

Heiner Bartling, Innenminister

Wolfgang Senff, Minister für Bundes- und Euro-paangelegenheiten in der Staatskanzlei

Wolfgang Jüttner, Umweltminister

N o r d r h e i n - W e s t f a l e n :

Wolfgang Clement, Ministerpräsident

Hannelore Kraft, Ministerin für Bundes- und Eu-ropaangelegenheiten im Geschäftsbereich desMinisterpräsidenten und Bevollmächtigte desLandes Nordrhein-Westfalen beim Bund

Bärbel Höhn, Ministerin für Umwelt und Natur-schutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz

Birgit Fischer, Ministerin für Frauen, Jugend, Fa-milie und Gesundheit

R h e i n l a n d - P f a l z :

Gernot Mittler, Minister der Finanzen

Walter Zuber, Minister des Innern und für Sport

Margit Conrad, Ministerin für Umwelt und Forsten

S a a r l a n d :

Peter Müller, Ministerpräsident

Peter Jacoby, Minister für Finanzen und Bundes-angelegenheiten

Monika Beck, Staatssekretärin, Bevollmächtigtedes Saarlandes beim Bund

S a c h s e n :

Stanislaw Tillich, Staatsminister für Bundes- undEuropaangelegenheiten in der SächsischenStaatskanzlei und Bevollmächtigter des Frei-staates Sachsen beim Bund

Georg Brüggen, Staatsminister und Chef derStaatskanzlei

S a c h s e n - A n h a l t :

Karin Schubert, Ministerin der Justiz

Wolfgang Gerhards, Minister der Finanzen

S c h l e s w i g - H o l s t e i n :

Claus Möller, Minister für Finanzen und Energie

T h ü r i n g e n :

Jürgen Gnauck, Minister für Bundes- und Euro-paangelegenheiten in der Staatskanzlei

Franz Schuster, Minister für Wirtschaft, Arbeitund Infrastruktur

Dr. Andreas Birkmann, Justizminister

V o n d e r B u n d e s r e g i e r u n g :

Otto Schily, Bundesminister des Innern

Renate Künast, Bundesministerin für Verbrau-cherschutz, Ernährung und Landwirtschaft

Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt, Natur-schutz und Reaktorsicherheit

Hans Martin Bury, Staatsminister beim Bundes-kanzler

Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun-desminister des Innern

Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärinbeim Bundesminister der Finanzen

Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei derBundesministerin für Verbraucherschutz,Ernährung und Landwirtschaft

Ulrike Mascher, Parl. Staatssekretärin beim Bun-desminister für Arbeit und Sozialordnung

Dr. Hansjörg Geiger, Staatssekretär im Bundes-ministerium der Justiz

Peter Haupt, Staatssekretär im Bundesministe-rium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

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Bundesrat – 768. Sitzung – 19. Oktober 2001 521

(A)

(B)

Beginn: 9.33 Uhr

Präsident Kurt Beck: Guten Morgen, meine sehrgeehrten Damen und Herren, ich eröffne die 768. Sit-zung des Bundesrates.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, habe ichgemäß § 23 Abs. 1 unserer Geschäftsordnung Verän-derungen in der Mitgliedschaft bekannt zu geben:

Die Regierung des Saarlandes hat am 25. Septem-ber 2001 den Chef der Staatskanzlei, Herrn Staatsse-kretär Karl R a u b e r , und die Bevollmächtigte desSaarlandes beim Bund, Frau Staatssekretärin MonikaB e c k , zu weiteren stellvertretenden Mitgliedern desBundesrates bestellt. Den neuen Mitgliedern desHauses wünsche ich mit uns allen eine gute und ver-trauensvolle Zusammenarbeit. Frau Kollegin Beck istdem Hause seit längerem als Bevollmächtigte ihresLandes verbunden.

Ich darf an dieser Stelle auch Frau Staatsrätin Dr. Kerstin K i e ß l e r als neue Bevollmächtigte derFreien Hansestadt Bremen herzlich willkommenheißen.

Lassen Sie mich im Übrigen darauf hinweisen, dassHerr Senator Dr. Willfried M a i e r heute zum letztenMal an einer Plenarsitzung des Bundesrates teilnimmt.Er hat sich als Mitglied dieses Hauses und Bevollmäch-tigter der Freien Hansestadt Hamburg durch seine en-gagierte Arbeit in den Organen des Bundesrates sowieim Vermittlungsausschuss hohe Anerkennung erwor-ben. Wertschätzung hat auch seine stellvertretende Sit-zungsleitung hier im Plenum – wofür ich mich persön-lich herzlich bedanke – gefunden. Ich danke Ihnen,verehrter Herr Kollege Maier, im Namen des Hausesund wünsche Ihnen für die Zukunft alles Gute.

(Beifall)

Ich wende mich nun der Tagesordnung zu. Sie liegtIhnen in vorläufiger Form mit 49 Punkten vor. Die Ta-gesordnungspunkte 45 bis 49 werden verbunden undnach Punkt 4 behandelt. Im Anschluss daran wird Ta-gesordnungspunkt 33 aufgerufen. Im Übrigen bleibt esbei der ausgedruckten Reihenfolge der Tagesordnung.

Gibt es Wortmeldungen zur Tagesordnung? – Diesist nicht der Fall. Dann ist sie so festgestellt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich darfnun Ihre Aufmerksamkeit auf die Ehrentribüne len-ken. Dort hat der Präsident des Staatsrates der Repu-blik Slowenien, Herr Tone H r o v a t , in Begleitungeiner Delegation des Staatsrates Platz genommen.

Exzellenz! Nachdem einige von uns – ich darf michdazuzählen – bereits in den vergangenen Tagen Gele-genheit zu einem Meinungsaustausch mit Ihnen hat-ten, darf ich Sie hier im Plenarsaal des Bundesratessehr herzlich willkommen heißen.

Ihr Besuch setzt die politischen Kontakte zwischendem Slowenischen Staatsrat und dem Bundesrat fort,die mit einem Besuch des früheren Präsidenten desStaatsrates, Herrn Professor K r i s t a n , im Jahre 1993begonnen hatten. Vor kurzem noch ist der Vorsitzendeder Europakammer des Bundesrates, Herr Staatsmini-ster Mittler, in Ihrem Hause empfangen worden.

Gut zehn Jahre nach der Unabhängigkeit IhresLandes kann Slowenien beachtliche Erfolge in politi-scher und wirtschaftlicher Hinsicht vorweisen. Slowe-nien gehört deshalb zu den Beitrittskandidaten für dieErweiterung der Europäischen Union. Hier hat sichdie Beitrittsperspektive weiter konkretisiert. Auch dieAnnäherung an die westlichen Bündnisstrukturenmacht den Weg deutlich, den Ihr Land in einem Jahr-zehnt erfolgreicher Arbeit beschritten hat.

Die Bundesrepublik betrachtet die Entwicklung inSlowenien mit großer Sympathie und strebt eine wei-tere Verstärkung der Zusammenarbeit an. So ist unsIhr Besuch, Herr Präsident, auch ein Zeichen freund-schaftlicher Verbundenheit unserer beiden Ländern.

Sie haben in zahlreichen Gesprächen in Mainz,Potsdam und Berlin einen Eindruck von der Entwick-lung des vereinten Deutschland gewinnen können.Wir werden später noch Gelegenheit zu einem weite-ren, ausführlichen Meinungsaustausch haben, bevorsich Ihr Besuch seinem Ende zuneigt.

Verehrter Herr Präsident, ich wünsche Ihnen nocheinen angenehmen Aufenthalt und später eine guteHeimkehr.

(Beifall)

(C)

(D)

768. Sitzung

Berlin, den 19. Oktober 2001

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Bundesrat – 768. Sitzung – 19. Oktober 2001522

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bevor wir indie Tagesordnung eintreten, ist, der Gepflogenheit fol-gend, ein Rückblick auf das nun ablaufende Jahr mei-ner Präsidentschaft zu geben. Bei einer solchen Gele-genheit wird deutlich, wie rasch ein Jahr vorbeigeht.

Ich möchte zunächst Ihnen allen danken und sagen,dass der Bundesrat in dem ablaufenden Geschäftsjahrrecht fleißig gewesen ist. Wir haben uns mit 797 Ta-gesordnungspunkten befasst. Der Bundesrat hat 149 Gesetzentwürfe der Bundesregierung im erstenDurchgang behandelt. Er hat darüber hinaus 24 Ge-setzentwürfe des Bundesrates der Bundesregierungzugeleitet. Wir haben 15 Vorlagen aus dem Vermitt-lungsausschuss beraten. 108 Verordnungen und 160 EU-Vorlagen sind über Ihren Tisch gegangen.

Dies zeigt zum einen, wie sehr die Bedeutung dereuropäischen Ebene in unserer Arbeit zugenommenhat. Die Zahl der miteinander auf den Weg gebrach-ten Initiativen und der Vermittlungsverfahren machtzum anderen deutlich, wie breit im ablaufenden Ge-schäftsjahr die Übereinstimmung in diesem Hausewar und – ich bin zuversichtlich – auch in der Zukunftsein wird.

Wenn man sich einige inhaltliche Schwerpunkte inErinnerung ruft, so fallen in besonderer Weise die Re-gierungskonferenz von Nizza sowie die Bitten undWünsche ins Auge, die dieses Hohe Haus der Bundes-regierung dazu mit auf den Weg gegeben hat. Es isterfreulich, festhalten zu dürfen, dass durch die ent-sprechenden Entscheidungen der so genannte Nach-Nizza-Prozess eingeleitet worden ist. Diesem habenwir uns ebenso zugewendet wie den Ergebnissen derRegierungskonferenz.

Wir haben versucht, den Nach-Nizza-Prozess aktivzu begleiten. Es hat eine breit angelegte Konferenzunter Beteiligung von Vertretern der Bundesregie-rung und vieler Regierungen von EU-Mitgliedstaatensowie von Beitrittskandidatenländern stattgefunden,auf der wir uns insbesondere mit der Rolle der Länder,der Rolle des Föderalismus in einem zusammenwach-senden Europa befasst haben.

Ich erinnere an die intensive und sehr verantwor-tungsvolle Debatte zum NPD-Verbotsantrag, der hiermehrheitlich beschlossen worden ist und dem Bun-desverfassungsgericht zwischenzeitlich zur Entschei-dung vorliegt.

Das Thema der inneren Sicherheit hat immer einegroße Rolle gespielt. Dass es nach dem 11. Septemberdieses Jahres eine besondere Dimension erhalten hatund unter diesem Gesichtspunkt zu diskutieren undzu entscheiden ist, muss ich nicht erwähnen. Wir wer-den uns auch am heutigen Tag mit einer breiten Pa-lette von Tagesordnungspunkten zu diesem Themen-komplex befassen.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, noch einmalunsere Solidarität und unser Mitgefühl mit den vonden Terroranschlägen betroffenen Menschen in denVereinigten Staaten auszudrücken und unsere Hoff-nung zu bekräftigen, dass man des Terrors auf derWelt Herr wird, dass Vernunft einkehrt und wir denMenschen in der Bundesrepublik Deutschland eine

sichere Zukunft gewährleisten können. Unsere Auf-gabe ist es, das Notwendige und Menschenmöglichedazu zu tun.

Ein wichtiges Stichwort im Zusammenhang mit derArbeit dieses Hohen Hauses ist die Rentenreform.Man neigt dazu, große und schwierige Debatten raschaus dem Gedächtnis zu verlieren, wenn sie erledigtsind. Ich meine, diesbezüglich sind Weichen gestelltworden, die weit über den Tag hinausreichen. Weite-re Beispiele sind die Reform des Betriebsverfassungs-rechts und die Anerkennung gleichgeschlechtlicherPartnerschaften.

Ein Thema wird seine Bedeutung sicherlich behal-ten – es ist für uns Länder herausragend –: die Rege-lung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs und dieFortführung des Solidarpaktes im vereinigtenDeutschland. Der Föderalismus hat bei dieser Gele-genheit seine Handlungs- und Funktionsfähigkeitunter Beweis gestellt. Unser Haus hat belegt, dass Be-kenntnisse zu Solidarität und zum Miteinander imwiedervereinigten Deutschland nicht nur in Festre-den zum Ausdruck kommen, sondern auch dann ma-nifest werden, wenn es um handfeste finanzielle In-teressen geht.

Dass dieser Prozess nicht abgeschlossen ist, sondernbewusst weitergeführt wird – hin zur Modernisierungder bundesstaatlichen Ordnung –, will ich an dieserStelle hervorheben. Er wird uns sicherlich noch man-ches abverlangen. Wir waren uns in diesem HohenHause jedoch immer darüber einig, dass es darauf an-kommt, die Länder auf die Zukunft vorzubereiten undihre Rolle im Verfassungsgefüge der BundesrepublikDeutschland so zu festigen, dass sie dem Geist desGrundgesetzes entspricht.

Ich habe in meiner Antrittsrede erklärt, in der Zeitmeiner Präsidentschaft zwei Themen besonders zubeachten und zu befördern.

Das erste betrifft die Rolle der Länder im europäi-schen Geschehen. Wir haben sie auf der soeben er-wähnten Fachkonferenz, in vielen Begegnungen mitder Kommission, dem Europäischen Parlament unddem Ausschuss der Regionen immer wieder deutlichzu machen versucht. Der Besuch des Präsidenten desAdR, Jos C h a b e r t , im vergangenen Monat bei unsist Ausdruck dieses Bemühens und der Erkenntnis,dass es notwendig ist, sich entsprechend zu positionie-ren. Ich hoffe, dass das, was wir diesbezüglich immerwieder angemahnt haben, seine Wirkung nicht verfehltund tief ins Bewusstsein derjenigen dringt, die am Pro-zess des Zusammenwachsens Europas beteiligt sind.

Das zweite Thema ist die Beteiligung der Bürgerin-nen und Bürger am demokratischen Willensbil-dungs- und Entscheidungsprozess. In diesem HohenHaus, das allein auf Grund seines Äußeren sehr vielegute Möglichkeiten bietet, sind im ablaufenden Ge-schäftsjahr zahlreiche Gruppierungen von Bürgerin-nen und Bürgern, die sich in besonderer Weise enga-gieren, empfangen worden. Wir haben mit ihnen dieDiskussion gesucht und Meinungen ausgetauscht.

Erstmals in Berlin ist ein Tag der offenen Tür durch-geführt worden. Er hat eine Resonanz gefunden, die

(A)

(B)

(C)

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Präsident Kurt Beck

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Bundesrat – 768. Sitzung – 19. Oktober 2001 523

(A)

(B)

wir alle nicht erwartet haben. Dies sollte Anstoß sein – ich darf diese Anregung in aller Kollegialität undFreundschaft an meinen Nachfolger weitergeben –,unser Haus zumindest einmal im Jahr für die Bürge-rinnen und Bürger sowie die Besucherinnen und Be-sucher dieser Stadt zu öffnen.

Die Bemühungen, das Ehrenamt, das bürgerschaft-liche Engagement in den Mittelpunkt des Bewusst-seins unserer Bevölkerung zu rücken und unsere An-erkennung dafür auszusprechen, haben sich in einemerstmals gesetzten Schwerpunktthema zum Tag derDeutschen Einheit am 3. Oktober niedergeschlagen.Ich bin allen Ländern dankbar, die sich daran beteiligtund diese Schwerpunktbildung durch ihre Präsenta-tionen und durch die Entsendung von Bürgerdelega-tionen unterstrichen haben. Das ist wichtig für dieVerankerung des demokratischen Bewusstseins undder Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger mitzu-wirken. Es ist sicherlich auch ein bedeutender Beitragzum Jahr des Ehrenamtes, zum „Internationalen Jahrder Freiwilligen“, das die Vereinten Nationen ausge-rufen haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist anmir, danke schön zu sagen: Ihnen, den Mitgliederndieses Hohen Hauses, dass Sie mir die Arbeit im ab-laufenden Jahr meiner Präsidentschaft relativ leichtgemacht haben, und allen, die darüber hinaus mitge-wirkt haben, in erster Linie Ihnen, Herr DirektorO s c h a t z , sowie ihren Mitarbeiterinnen und Mitar-beitern, den Bevollmächtigten, den Mitarbeiterinnenund Mitarbeitern der Landesvertretungen in Berlin,aber auch der Bundesregierung für die gute, faire undoffene Zusammenarbeit.

Es bleibt mir noch, uns für unsere gemeinsame Ar-beit alles Gute zu wünschen, meinem Nachfolger diebesten Wünsche mit auf den Weg zu geben und, daman nach der Präsidentschaft die Vizepräsidentschaftübernimmt, kollegiale Zusammenarbeit im Präsidiumanzubieten.

In diesem Sinne erhoffe ich mir weiterhin Entschei-dungen, die unserem Volk, unserem Land dienen unduns im Reigen der europäischen Staaten, im Reigender demokratischen und freiheitlichen Staaten nachvorne bringen. Ich verbinde damit den tief empfunde-nen Wunsch, dass wir in Frieden und geschützt vorTerror in die Zukunft gehen können. – Ich dankeIhnen.

(Beifall)

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:

Wahl des Präsidiums

Nach dem beim Bundesrat üblichen Turnus schlageich Ihnen für das am 1. November 2001 beginnendeneue Geschäftsjahr vor, den Regierenden Bürger-meister des Landes Berlin, Herrn Klaus Wowereit,zum Präsidenten des Bundesrates zu wählen.

Über die Wahl des Präsidenten wird nach unsererPraxis durch Aufruf der Länder abgestimmt. Ich bitte,die Länder aufzurufen.

Karin Schubert (Sachsen-Anhalt), Schriftführerin:

Baden-Württemberg Ja

Bayern Ja

Berlin Ja

Brandenburg Ja

Bremen Ja

Hamburg Ja

Hessen Ja

Mecklenburg-Vorpommern Ja

Niedersachsen Ja

Nordrhein-Westfalen Ja

Rheinland-Pfalz Ja

Saarland Ja

Sachsen Ja

Sachsen-Anhalt Ja

Schleswig-Holstein Ja

Thüringen Ja

Präsident Kurt Beck: Demnach kann ich fest-stellen, dass Herr Regierender Bürgermeister KlausW o w e r e i t für das Geschäftsjahr 2001/2002 ein-stimmig zum Präsidenten des Bundesrates gewähltist.

Herr Regierender Bürgermeister, ich frage Sie: Neh-men Sie die Wahl an?

Klaus Wowereit (Berlin): Ja, ich nehme die Wahl an.

Präsident Kurt Beck: Dann spreche ich Ihnen imNamen des Hauses Glückwünsche aus. Alles Gute fürIhre Aufgabe!

(Beifall – Gratulation im Halbrund)

Wir kommen nun zur Wahl der Vizepräsidenten.Nach dem üblichen Turnus schlage ich Ihnen zurWahl vor: zum Ersten Vizepräsidenten den Präsiden-ten des laufenden Geschäftsjahres, zum Zweiten Vi-zepräsidenten den Präsidenten des Senats und Bür-germeister der Freien Hansestadt Bremen, Herrn Dr. Henning S c h e r f , zum Dritten Vizepräsidentenden Ministerpräsidenten des Saarlandes, Herrn PeterM ü l l e r .

Mit Ihrem Einverständnis lasse ich über diese Vorschläge gemeinsam abstimmen. Wer zustimmenmöchte, den bitte ich um das Handzeichen.

Es ist einstimmig so beschlossen.

Ich kann wohl davon ausgehen, dass die genanntenKollegen diese Wahl ebenso wie ich selbst annehmen,und spreche auch ihnen meinen Glückwunsch aus.

Wir kommen nun zu Tagesordnungspunkt 2:

Wahl des Vorsitzenden und der stellvertreten-den Vorsitzenden der Europakammer

(C)

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Präsident Kurt Beck

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Bundesrat – 768. Sitzung – 19. Oktober 2001524

Die Länder, deren Regierungschefs das Präsidiumdes Bundesrates bilden, stellen in gleicher Reihen-folge den Vorsitzenden der Europakammer und seinedrei Stellvertreter.

Die Wahl der zweiten stellvertretenden Vorsitzen-den ist für die Sitzung des Bundesrates am 9. Novem-ber 2001 vorgesehen.

Dementsprechend schlage ich Ihnen vor, Herrn Re-gierenden Bürgermeister Klaus W o w e r e i t (Berlin)zum Vorsitzenden, Herrn Staatsminister GernotM i t t l e r (Rheinland-Pfalz) zum ersten stellvertre-tenden Vorsitzenden und Herrn MinisterpräsidentenPeter M ü l l e r (Saarland) zum dritten stellvertre-tenden Vorsitzenden der Europakammer für das Ge-schäftsjahr 2001/2002 zu wählen.

Wer diesem Vorschlag zustimmen möchte, den bitteich um das Handzeichen. – Gegenprobe! – Stimment-haltungen? – Das ist einstimmig.

Damit sind der Vorsitzende der Europakammersowie der erste und der dritte Stellvertreter einstim-mig gewählt.

Ich rufe nun Tagesordnungspunkt 3 auf:

Wahl der Vorsitzenden der Ausschüsse

Für diese Wahl liegt Ihnen in Drucksache 732/01ein Antrag des Präsidiums vor.

Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, denbitte ich um das Handzeichen.

Das ist einstimmig so beschlossen.

Tagesordnungspunkt 4:

Wahl der Schriftführer

Ich schlage gemäß § 10 Abs. 1 der Geschäftsord-nung vor, für das Geschäftsjahr 2001/2002 HerrnStaatsminister Dr. Manfred W e i ß (Bayern) und FrauMinisterin Karin S c h u b e r t (Sachsen-Anhalt) alsSchriftführer wieder zu wählen.

Wer dem Vorschlag zustimmen möchte, den bitteich um das Handzeichen.

Beide Schriftführer sind einstimmig wieder ge-wählt. – Qualitativ gute Arbeit setzt sich durch, meineDamen und Herren!

Zur gemeinsamen Beratung rufe ich die Tagesord-nungspunkte 45 bis 49 auf:

45. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Feu-erschutzsteuergesetzes – Antrag des LandesSchleswig-Holstein gemäß § 36 Abs. 2 GO BR –(Drucksache 781/01)

in Verbindung mit

46. Entschließung des Bundesrates zu einer Ergän-zung der Allgemeinen Verwaltungsvorschriftzum Staatsangehörigkeitsrecht (StAR-VwV)vom 13. Dezember 2000 – Antrag des Freistaa-tes Bayern gemäß § 36 Abs. 2 GO BR – (Druck-sache 806/01)

47. Entschließung des Bundesrates zur wirksame-ren Bekämpfung des internationalen Terroris-

mus und Extremismus – Antrag der LänderBaden-Württemberg, Bayern, Hessen gemäß § 36 Abs. 2 GO BR – (Drucksache 807/01)

48. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung von Vor-schriften des Sozialdatenschutzes zur Verstär-kung des Schutzes der Bevölkerung (Sozial-datenschutzänderungsgesetz) – Antrag desFreistaates Bayern gemäß § 36 Abs. 2 GO BR –(Drucksache 826/01)

und

49. Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung desAusländergesetzes – Antrag der LänderBayern, Niedersachsen gemäß § 36 Abs. 2 GOBR – (Drucksache 841/01)

Dem Antrag der Länder Baden-Württemberg,Bayern, Hessen unter Tagesordnungspunkt 47 sind dieLänder Saarland, Sachsen und Thüringen beigetreten.

Es liegt mir eine Reihe von Wortmeldungen vor. AlsErster hat Herr Ministerpräsident Teufel (Baden-Württemberg) das Wort. Ihm folgt Herr KollegeClement (Nordrhein-Westfalen). – Bitte schön, HerrKollege Teufel.

Erwin Teufel (Baden-Württemberg): Herr Präsident!Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer nochvor wenigen Tagen oder Wochen gehofft hatte, dasssich verschiedene Bedrohungsszenarien nicht erfül-len, sieht sich jetzt mit einer anderen, bitteren Realitätkonfrontiert. Die Realität hat die Befürchtungen nochübertroffen.

Die Anschläge mit biologischen Waffen in den USA,die Androhung weiterer terroristischer Anschlägedurch Bin Laden sowie eine überall greifbare Beunru-higung und Nervosität in der Bevölkerung zeigen,dass wir erst am Beginn eines langen Weges imKampf gegen den Terrorismus stehen.

Die neue Dimension terroristischer Herausforde-rung zwingt uns zu einer neuen Sichtweise und zuveränderten Schwerpunkten bei den Aufgaben desStaates. Unser Gemeinwesen wird mehr Einsatz fürdie innere und äußere Sicherheit aufbringen müssen,als uns dies bisher notwendig erschien. Dabei geht esnicht nur um Gesetzesänderungen, aber es geht auchum Gesetzesänderungen. Es geht nicht nur um denEinsatz sächlicher und finanzieller Mittel, sondern vorallem um eine entschlossene politische Rücken-deckung für die Menschen und die Einrichtungen,denen wir unsere äußere und innere Sicherheit an-vertrauen.

Freiheit ist ohne Sicherheit nicht denkbar. Es istdaher eine der ersten Aufgaben des Staates, die Si-cherheit seiner Bürgerinnen und Bürger zu gewähr-leisten, damit sie in Frieden und Freiheit ihr Lebengestalten können. Sicherheit und Freiheit gehören zu-sammen. Wer Sicherheit und Freiheit gegeneinanderausspielt, wird am Ende beides verlieren.

In der Stunde der Bedrohung stehen wir zusammen.Wir werden konsequent und entschlossen alle not-wendigen Maßnahmen ergreifen, um den Terrorismuserfolgreich zu bekämpfen.

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Präsident Kurt Beck

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Bundesrat – 768. Sitzung – 19. Oktober 2001 525

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Die Landesregierung von Baden-Württemberg stehtzu den außenpolitischen und innenpolitischen Be-schlüssen der Bundesregierung und des Bundestageszur Terrorismusbekämpfung. Unsere Initiative richtetsich nicht gegen den Bund, sie ist aber breiter undweiter führend.

Die Landesregierungen von Baden-Württemberg,Bayern und Hessen – weitere Landesregierungen sindbeigetreten – bringen heute einen Entschließungs-antrag zur wirksameren Bekämpfung des internatio-nalen Terrorismus und Extremismus in den Bundesratein. Wir sind davon überzeugt, dass wir damit dierichtigen Weichenstellungen im Kampf gegen denTerrorismus vornehmen.

Wir anerkennen und unterstützen die Maßnahmen,die der Bundesinnenminister bislang auf den Weg ge-bracht hat, aber auch diejenigen, die ihm nach heuti-gen Presseberichten derzeit noch verweigert werden.Wir sehen es mit Sorge, dass weitere sinnvolle Vor-schläge, bei denen wir nicht länger zuwarten dürfen,innerhalb der Regierungskoalition zerredet oder ab-gelehnt werden.

Unsere Bundesratsinitiative beinhaltet daher Maß-nahmen zur wirksameren Strafverfolgung, zur stär-keren Berücksichtigung unserer vitalen Sicherheits-interessen im Ausländer- und Asylrecht, zur Weiter-entwicklung der Europäischen Union zu einem Si-cherheitsraum. Wir wollen eine Verbesserung derIntegration erreichen. Wir brauchen eine Anpassungdes Instrumentariums der Verfassungsschutzbehör-den, Verbesserungen beim Bundesgrenzschutz undbei den Bereitschaftspolizeien der Länder, aber auchMaßnahmen zur besseren Bekämpfung bioterroris-tischer Anschläge. Wir wollen einen besseren Schutzvon wichtigen Versorgungseinrichtungen und Be-triebsbereichen mit besonders hohem Gefahrenpo-tenzial sowie eine Anpassung der Ernährungssicher-stellung an die aktuellen Erfordernisse.

Unsere Initiative basiert auf einer Gesamtschau derterroristischen Bedrohung. Sie ist ein in sich schlüssi-ges Gesamtkonzept.

Konkret zu einzelnen Punkten:

Erstens zur Kronzeugenregelung. Alle Expertensind sich in der Bewertung einig: Wir brauchen mehrErkenntnisse und Informationen über die terroris-tischen Gruppen. Eine geeignete Maßnahme hierzuist die Kronzeugenregelung. Gerade im Bereich vonabgeschotteten Kriminellen erleichtert es die Kron-zeugenregelung, Erkenntnisse zu gewinnen. Es han-delt sich um eine Forderung, auf die wir nochmalseindringlich hinweisen, die aber in der Regierungs-koalition bislang keine Mehrheit gefunden hat.

Zweitens: restriktivere Handhabung bei der Visa-erteilung. Darüber reden wir seit Wochen, ohne dasssich bislang eine Änderung ergeben hat. Bei der Visa-erteilung darf nicht weiter so großzügig verfahrenwerden wie bisher. Wir dürfen es nicht zulassen, dasstrotz Zweifel an der Identität ein Visum erteilt wird.Wir haben ein Recht darauf zu wissen, wer zu unskommt.

Das Auswärtige Amt hat bisher leider keine An-strengungen unternommen, die mehr als liberale Er-

teilung von Visa rückgängig zu machen. Selbst deraktuelle Entwurf des Zuwanderungsgesetzes senktdie Sicherheitsanforderungen an Visa eher ab, alsdass er sie erhöht.

Drittens: aufenthaltsbeendende Maßnahmen. Wirbrauchen die rechtlichen Instrumente, um Ausländer,die eine Gefahr für die Sicherheit der BundesrepublikDeutschland darstellen, schneller abschieben zu kön-nen. Wir müssen solche Personen abschieben können,bevor eine Straftat begangen wird, für die eine langeGefängnisstrafe verhängt wird. Es ist doch nieman-dem in Deutschland vermittelbar, dass sich Gruppie-rungen wie der „Kalifatsstaat“, die unsere freiheit-lich-demokratische Grundordnung beseitigen wollen,ungestört entfalten können. Es ist noch weniger ver-mittelbar, dass sich Personen, die offensichtlich zumUmfeld des Attentäters Atta gehören und bei denenHinweise auf Unterstützungshandlungen vorliegen,nach wie vor frei und unbehelligt in Deutschland be-wegen können.

Ich fordere die Bundesregierung deshalb nach-drücklich auf, gerade auf dem Gebiet der aufenthalts-beendenden Maßnahmen die Forderungen unsererInitiative aufzugreifen und umzusetzen. Insbesonderemuss bei einer zwingenden Ausweisung nach demAusländergesetz die aufschiebende Wirkung von Wi-derspruch und Klage entfallen; Ausländer, die men-schenverachtende Terroranschläge öffentlich be-grüßen, die militant und gewaltbereit sind, müssenausgewiesen werden. Wer Terroranschläge beklatschtund bejubelt, zeigt, dass er Gewalt bejaht und unsereArt zu leben zerstören will. Solche Personen haben ineiner offenen Gesellschaft, die wir auch weiterhinbleiben wollen, nichts verloren.

Abschiebungshindernisse müssen beseitigt wer-den. Auch hier ist die Bundesregierung aufgefordert,ihren bisherigen Standpunkt aufzugeben. Dazugehören für uns die Einführung einer Beugehaft beider Verweigerung der Mitwirkung an der Beschaf-fung von Heimreisedokumenten, die erleichterteMöglichkeit der Durchsuchung und eine Änderungdes Asylverfahrensgesetzes, damit eine Aufenthalts-beendigung nicht durch missbräuchliche Stellung vonAsylfolgeanträgen verhindert werden kann.

In Deutschland ist kein Platz für Terroristen. Des-halb muss die innere Sicherheit ein wesentlicher Ge-sichtspunkt im gesamten Ausländer- und Asylrechtwerden. Das nationale Interesse an Schutz vor Krimi-nalität und Terrorismus muss im Vordergrund stehen.Wer eine Gefahr für die innere Sicherheit in Deutsch-land darstellt und schwerste Straftaten begeht, darfnicht durch deutsches Asylrecht geschützt sein.

Viertens: Integration stärken. Ich stelle klar undeindeutig fest: Die überwältigende Mehrheit der inDeutschland lebenden Muslime verurteilt die terroris-tischen Gewalttaten genauso wie ihre deutschenLandsleute. Alle hier lebenden Menschen müssen esunabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit und ihremreligiösen Bekenntnis als eine selbstverständlichePflicht begreifen, gegenüber unserem Staat und unse-rer Gesellschaft loyal zu sein.

Die Integration der rechtmäßig hier lebenden aus-ländischen Mitbürger ist eine unserer wichtigsten

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Erwin Teufel (Baden-Württemberg)

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Aufgaben. Integration ist allerdings keine Einbahn-straße. Wer sich nicht an Integrationsangeboten betei-ligt, darf nicht mit einer Einbürgerung rechnen.

Fünfter Schwerpunkt: den Verfassungsschutz stär-ken. Eine zentrale Rolle bei der Bekämpfung des Ter-rorismus kommt den Verfassungsschutzbehörden zu.Ich begrüße es ausdrücklich, wenn jetzt auch bei denGrünen die Erkenntnis wächst, dass man den Verfas-sungsschutz nicht auflösen, sondern stärken muss.Der Verfassungsschutz gehört zu unserer wehrhaftenDemokratie. Er ist ihr Frühwarnsystem. Wir dürfenihn nicht blind machen. Er muss dort, wo Gefahrendrohen und Anschläge ausgeheckt werden, auch hin-schauen können. Nur wenn wir weit im Vorfeld vonmöglichen Straftaten genügend Informationen undWissen über terroristische Gruppierungen erhalten,werden wir in der Lage sein, vorbeugend Gefahren-abwehr zu betreiben.

Die Befugnisse der Verfassungsschutzbehörden müs-sen deshalb an dieser neuen Lage und Bedrohung aus-gerichtet werden. Das heißt für uns: Der verdeckte Ein-satz technischer Mittel in Wohnungen muss erleichtertwerden, selbstverständlich unter parlamentarischerund gerichtlicher Kontrolle. Postdienstunternehmenmüssen gegenüber den VerfassungsschutzbehördenAuskunft geben über Postfachinhaber oder Nach-sendeauftraggeber, und Telekommunikationsunter-nehmen müssen Verbindungsdaten an die Verfas-sungsschutzbehörden übermitteln dürfen. Es darfnicht sein, dass Terroristen modernste Technologie nut-zen und unsere Verfassungsschutzbehörden abgekop-pelt werden.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zumSchluss noch zwei Bereiche nennen, die in diesenTagen eine besondere Bedeutung haben: den Einsatzder Polizei im Bereich des Objektschutzes und dieMaßnahmen der Gefahrenabwehr gegenüber biolo-gischen und chemischen Waffen.

Ohne die stehenden Einheiten der Bereitschafts-polizeien der Länder und des Bundesgrenzschutzeswären wir bereits heute nicht mehr in der Lage, wir-kungsvollen Objektschutz durchzuführen. Da wir voneiner länger anhaltenden Bedrohungslage ausgehenmüssen, fordern wir die Bundesregierung nachdrück-lich auf, die Reduzierung der stehenden Einheiten in-nerhalb des Bundesgrenzschutzes zu revidieren unddie Bundesmittel für die Ausstattung der Bereit-schaftspolizeien der Länder von derzeit 20 MillionenDM wieder auf den früher vorhandenen Betrag von58 Millionen DM zu erhöhen.

Welche Auswirkungen biologische und chemischeWaffen auf das Sicherheitsgefühl der Bevölkerunghaben, wird uns bereits an den unsäglichen Taten sogenannter Trittbrettfahrer deutlich. Umso mehr giltdies für eine tatsächliche Bedrohungslage. Wir haltendeshalb die Einrichtung einer Task-Force „Bioterro-rismus“ auf Bundesebene, eines bundesweiten Kri-senkommunikationsnetzes und die Vorhaltung aus-reichender Laborkapazität für dringend erforderlich.

Ebenso müssen wir Maßnahmen zum Schutz vonwichtigen Versorgungseinrichtungen und Betriebs-bereichen ergreifen. Einige Beispiele: Die Einsicht in

hochsensible Daten muss erschwert werden. Luft-sperrgebiete über kerntechnischen Anlagen müssenausreichend dimensioniert werden. Eine bundes-einheitliche Sicherheitsfunkfrequenz muss die Kom-munikation der Sicherheitsbehörden mit dem Luft-fahrzeugführer ermöglichen.

Lassen Sie mich ein offenes Wort zu den Trittbrett-fahrern sagen: Die Vortäuschung von Taten und dieAuslösung falscher Alarme sind kriminelle Delikte,und als solche müssen sie auch bestraft werden. Es istmenschenverachtend, wie hier mit der Angst derMenschen gespielt wird, wie Betriebe, Einrichtungenunseres täglichen Lebens und die Sicherheitsbehör-den behindert, ja teilweise lahmgelegt werden. Tritt-brettfahrer müssen rasch und unnachsichtig zur Ver-antwortung gezogen werden.

Publicity ermuntert Nachahmetäter. Die Taten derTrittbrettfahrer verdienen keine öffentliche Aufmerk-samkeit. Ich bitte deshalb auch die Medien, dies beider Art ihrer Berichterstattung zu bedenken.

Meine Damen und Herren, keine der Maßnahmenwird für sich allein oder in kurzer Zeit Lösungen brin-gen. Die Probleme, mit denen wir uns jetzt auseinan-der setzen, sind über Jahre hinweg entstanden. Wirbrauchen deshalb zur Bekämpfung einen langenAtem, einen klaren politischen Willen und die dafürnotwendigen Mittel. In der Summe und aufbauendauf den bereits eingeleiteten Maßnahmen führt dieAnnahme unserer Bundesratsentschließung zu einerweiteren wesentlichen Verbesserung der Terroris-musbekämpfung und der inneren Sicherheit.

Ich bitte Sie deshalb: Unterstützen Sie unsere Initia-tive! Machen wir sie zu einer gemeinsamen Initiativeder Länder!

Präsident Kurt Beck: Danke schön, Herr KollegeTeufel!

Das Wort hat Herr Ministerpräsident Clement(Nordrhein-Westfalen). – Ihm folgt Herr Minister Bartling (Niedersachsen).

Wolfgang Clement (Nordrhein-Westfalen): HerrPräsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!Seit dem 11. September wissen wir alle, dass die Globalisierung den Terror einschließt, dass die Inter-nationale des Terrors buchstäblich vor nichts zurück-schreckt und dass die Verbrechensskala der Terro-risten gewissermaßen nach oben offen ist. Mit derriesigen Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger unse-res Landes sind wir uns darin einig, dass wir den Ter-ror mit aller Konsequenz bekämpfen müssen, undzwar polizeilich wie militärisch, ökonomisch, politischund geistig, hier bei uns genauso wie außerhalb unse-res Landes.

Dabei gilt aus meiner Sicht unzweideutig: Wer hierzu Lande oder anderswo Hass oder Gewalt gegenFremde oder Fremdes predigt, ist kein Freiheitskämp-fer, sondern ein Fanatiker, der in unserem Land kei-nen Freiraum haben sollte.

Wir in Deutschland schreien nicht Hurra, wenn esum militärische Aktionen geht. Bei uns rührt kaum

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noch jemand die nationalistische Trommel, und es istgut, dass diese Zeiten vorbei sind. Aber Deutschlandist Teil einer internationalen Allianz gegen den Ter-ror. Wir stellen uns der internationalen Verantwor-tung und sind bereit, unseren Teil zu übernehmen: imAußenpolitischen bei der Wiederherstellung und Si-cherung des Friedens überall dort, wo er in Gefahr ist,im Innenpolitischen bei der Verstärkung unserer An-strengungen für ein Höchstmaß an innerer Sicherheit,auf das unsere Bürgerinnen und Bürger Anspruchhaben, im Humanitären bei der Unterstützung undVersorgung von Flüchtlingen sowie bei der Bekämp-fung der Ursachen von Flucht und Vertreibung, abereben auch im Militärischen. Niemand sollte sich überdie Dimension dieses Teils der Verantwortung täu-schen, in der wir Deutsche als freiheitliche Demokra-ten, als Mitglieder der Nato und als Partner der USAstehen.

Im Kampf gegen den internationalen Terrorismusgibt es nichts zu erobern. Es gilt nur etwas zu vertei-digen, nämlich die geistigen und moralischen Funda-mente einer freien, friedlichen und prosperierendenWelt, die Achtung vor dem Leben und der Würde desEinzelnen und der Einzelnen, die Anerkennung vonFreiheit, Gerechtigkeit und Solidarität. Es ist fastschon eine Phrase, aber eine wichtige Bemerkung: Li-berale Demokratie ist keine Schönwetterveranstal-tung. Die zivile Gesellschaft braucht Wehrhaftigkeit,um zivil bleiben zu können. Sie braucht Sicherheitnach innen und nach außen.

Die Bundesregierung und die Länder haben nachdem 11. September, wie ich finde, schnell reagiert.Wir haben gemeinsam eine Reihe von Maßnahmenund Initiativen eingeleitet und ergriffen, um die Si-cherheit und den inneren Frieden in unserem Landangesichts neuer Bedrohungen zu gewährleisten.Dabei sollte uns allen klar sein, dass wir natürlich dieBalance halten müssen einerseits zwischen Libera-lität und Weltoffenheit unseres Staates und anderer-seits der Sicherheit, auf die unsere Bürgerinnen undBürger Anspruch haben.

Wir müssen dabei allerdings auch fähig sein, unsvon einigen Gewohnheiten zu trennen – das hatnichts mit der Aufgabe von Liberalität zu tun –, bei-spielsweise von der Gewohnheit, dass das Passbild imPersonalausweis bereits ausreicht, um die Identität zubelegen. Es ist eine wunderbare Gewohnheit, mitdem alten Führerschein und dem entsprechendenPassbild zu wedeln. Diese Zeit kann vorbei sein,wenn man an neue technologische Möglichkeitendenkt, die wir in Zeiten wie diesen auch einsetzensollten.

Baden-Württemberg, Bayern und Hessen – HerrKollege Teufel hat dies gerade deutlich gemacht –haben einen Entschließungsantrag zur wirksamerenBekämpfung des internationalen Terrorismus undExtremismus vorgelegt. Herr Kollege Teufel, um esoffen zu sagen: Dies geschieht parallel und, wie ichfinde, in unübersehbarer Konkurrenz zu dem, wasHerr Bundesinnenminister Schily in enger Abstim-mung mit den Ländern erarbeitet hat und noch erar-beitet. Es scheint der besondere Ehrgeiz der Antrag-steller zu sein – erlauben Sie mir, das zu sagen; es ist

förmlich mit Händen zu greifen –, vor anderen Län-dern und vor der Bundesregierung bei neuen Geset-zen zur inneren Sicherheit die Ersten zu sein. Wenndas so ist – ich unterstelle das –, dann ist dies aus mei-ner Sicht falscher Ehrgeiz. Das hat ein wenig mit demHase-und-Igel-Spiel zu tun. Es gibt keine neuen Ant-worten auf die Fragen, vor denen wir in diesen Tagenbei der inneren Sicherheit stehen. Man muss sich er-innern: Der Igel hat den Wettlauf gegen den Hasengewonnen, nicht weil er schneller war, sondern weiler klüger war als der Hase.

Deshalb, meine ich, muss es uns gemeinsam um diebesten und wirkungsvollsten Lösungen gehen. Darumgeht es uns in Wahrheit auch. Wir sollten angesichtsder neuen Bedrohungen gerade auf dem Feld der in-neren Sicherheit auf parteiliche Gewohnheiten undRituale verzichten. Das heißt konkret: Wir sind dafür,über alle Vorschläge zu beraten, die auf dem Tischliegen – über diejenigen, die Sie, Herr Kollege Teufel,gerade erläutert haben, ebenso wie über diejenigen,die der Bundesinnenminister vorgelegt hat oder dieaus anderen Ländern beigetragen werden –, und zwarohne schuldhaftes Zögern, ohne Verzögerungen imGesamtzusammenhang, aber natürlich in der gebote-nen Sorgfalt. Wir wissen, dass bei Gesetzen wie die-sen Sorgfalt geboten ist. Wir wollen über Ihre Vorstel-lungen wie über die Vorschläge anderer in denAusschüssen beraten, sobald das zweite Gesetzes-paket der Bundesregierung auf dem Tisch liegt.

(Erwin Teufel [Baden-Württemberg]: Sie haben schon stärker argumentiert!)

– Ich argumentiere gleich noch stärker, Herr Kollege.

Für die fast beispiellose und außerordentlich wich-tige Geschlossenheit, die wir seit dem 11. Septemberbei der Bekämpfung des Terrorismus unter Beweisgestellt haben, stehen Sozialdemokratinnen und Sozi-aldemokraten genauso wie Grüne, CDU und FDP. Ge-schlossenheit ist in einer so außerordentlich schwieri-gen Lage wie der heutigen für die Bürgerinnen undBürger ein wichtiges Signal, dass es uns ernst ist mitder wehrhaften Demokratie und dass die konstrukti-ve und entschlossene Zusammenarbeit in der Sachefür uns absoluten Vorrang vor parteipolitischem Kal-kül und kleinlichen Streitereien hat. Das schafft ausmeiner Sicht Vertrauen in die Handlungsfähigkeitvon Regierungen und in die Vernunft der demokrati-schen Parteien.

Herr Kollege Teufel, ich habe sehr aufmerksam zu-gehört, als Sie Ihre Vorschläge vortrugen. Mir liegteine Aufstellung über die Vorstellungen vor, die zurzeit erörtert werden. Es sind zwischen 40 und 50 Maßnahmen; ich habe nicht nachgezählt. Einigedavon haben Sie erwähnt. Wir stimmen in fast allenMaßnahmen grundsätzlich überein; aber jede bedarfnatürlich einer dezidierten Erörterung. Auch derDruck auf Grund der Situation, mit der wir es zu tunhaben, darf uns nicht davon abhalten, im Einzelnen indie Erörterung von Regelungen einzusteigen, wie ge-sagt, ohne jede Verzögerung.

Ich sage ausdrücklich – Sie haben diese Beispieleerwähnt –: Wir sind für eine differenzierte Kronzeu-genregelung, selbstverständlich auch für die von

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Wolfgang Clement (Nordrhein-Westfalen)

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Ihnen geforderte bessere Kontrolle bei der Visa-erteilung. Die Erfahrung, dass sich Täter bei uns auf-gehalten haben, ehe sie in den USA aktiv gewordensind, zwingt uns dazu, auf diesem Gebiet Konsequen-zen zu ziehen.

Dies bezieht sich beispielsweise auf die Regelan-frage beim Verfassungsschutz vor einer Einbürge-rung. Ich gehöre zu denjenigen, die in aller Klarheitsagen: Wir dürfen nicht blind sein gegenüber Men-schen, die mit verbrecherischen Absichten in unserLand kommen. Wir müssen die vorhandenen Kennt-nisse selbstverständlich nutzen, offensichtlich mehrals bisher.

Es gilt ausdrücklich auch für Asylverfahren. Auchin Bezug auf Asylverfahren müssen wir einen Wegfinden. Wir haben dort noch Sonderprobleme: Wirhaben es manchmal mit Menschen zu tun, die zwarausgewiesen werden könnten, in ihren Herkunftslän-dern jedoch von der Todesstrafe bedroht sind. Wirbrauchen Antworten für den Umgang mit solchen Fäl-len.

Dasselbe gilt selbstverständlich für die Erweiterungdes Aufgabenkatalogs der Verfassungsschutzbe-hörden. Wir in Nordrhein-Westfalen haben bereitsentsprechende Maßnahmen vorgesehen. Problemeund Diskussionsbedarf gibt es bei der von Ihnen an-gesprochenen Frage der Herabsetzung der Schwellefür den verdeckten Einsatz technischer Mittel inWohnungen. Dabei kommen wir in die Nähe einerGrundgesetzänderung und haben die Frage zu beant-worten: Reichen die vorhandenen rechtlichen Mög-lichkeiten unterhalb der Schwelle einer Grundge-setzänderung nicht aus?

Dass wir jedoch eine Auskunftspflicht der Postdienst-unternehmen gegenüber den Verfassungsschutz-behörden brauchen, dass es eine Pflicht der Telekom-munikationsunternehmen zur Übermittlung vonVerbindungsdaten geben sollte, all dies ist zwischenuns unstreitig. Aus meiner Sicht kann ebenfalls nichtstreitig sein, dass wir Regelausweisungstatbeständehaben müssen, die an die Zugehörigkeit zu bestimm-ten Organisationen oder deren Unterstützung an-knüpfen. Das ist Gegenstand eines Antrages, der vonNiedersachsen und Bayern vorgelegt worden ist.

Ich jedenfalls stimme in diesen Punkten zu. Ichwerde in meiner Regierung mit aller Konsequenzdafür eintreten. Dies werde ich auch in den vor unsliegenden Diskussionen tun. Ich wende mich aus-schließlich dagegen, dass wir den Anschein einesWettlaufs untereinander zulassen, der überflüssig ist.Richtig ist es vielmehr, das beizubehalten, was nachdem 11. September auf diesem Feld in der Bundesre-publik Deutschland aus meiner Sicht beispielhaft ge-lungen ist, nämlich gemeinsam zu handeln, nachaußen wie nach innen. Daran sollten wir festhaltenund auf den Feldern, die Sie angesprochen haben,sowie auf den Feldern, die ich genannt habe, zu Ent-scheidungen kommen, und zwar ohne schuldhaftesZögern nach gründlicher, rascher Beratung in denAusschüssen. – Schönen Dank.

Präsident Kurt Beck: Vielen Dank, Herr KollegeClement!

Bevor wir in unseren Beratungen fortfahren, darfich Ihre Aufmerksamkeit noch einmal auf die Ehren-tribüne lenken. Dort hat eine Delegation der deutsch-russischen Freundschaftsgruppe des Föderations-rates der Russischen Föderation unter Leitung vonHerrn A g a l o w Platz genommen. Wir freuen unsüber Ihren Besuch. Ich begrüße Sie im Plenarsaal desBundesrates sehr herzlich.

(Beifall)

Die Freundschaftsgruppen des Bundesrates und desRussischen Föderationsrates haben sich vor zwei Jah-ren konstituiert. Nachdem im Frühjahr dieses Jahresein erstes Treffen beider Gruppen in Moskau stattge-funden hat, freuen wir uns, Sie zum zweiten Zu-sammentreffen hier in Berlin willkommen heißen zudürfen. Auch bei diesem Treffen stehen die Wirt-schaftsbeziehungen beider Länder im Vordergrund.

Ich darf darauf aufmerksam machen, dass der Bun-desrat außer zum Russischen Föderationsrat nur nochzum Französischen Senat eine Freundschaftsgruppeunterhält. Allein daran lässt sich der außerordentlichhohe Stellenwert ablesen, den wir den Beziehungenzu Russland beimessen. Dem entspricht, dass derBundesrat mit Russland einen besonders intensivenBesuchsaustausch pflegt.

Meine Damen und Herren, Sie haben insbesonderedie regionalen Wirtschaftskontakte mit unsererFreundschaftsgruppe unter Vorsitz von Herrn Kolle-gen Dr. Stolpe eingehend erörtert. Ich hoffe, dass dieseGespräche zu einer weiteren Vertiefung der Kontaktebeitragen, und wünsche Ihnen einen angenehmenAufenthalt hier in Berlin und anschließend eine guteHeimreise. Noch einmal herzlich willkommen!

(Beifall)

Das Wort hat Herr Minister Bartling (Niedersach-sen). – Ihm folgt Herr Minister Dr. Birkmann (Thürin-gen).

Heiner Bartling (Niedersachsen): Herr Präsident!Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit denAnschlägen vom 11. September 2001 in den Vereinig-ten Staaten von Amerika, denen über 5 000 unschul-dige Menschen zum Opfer gefallen sind, hat die terro-ristische Bedrohung weltweit eine neue Dimensionerreicht. Vorbereitung und Ausführung der Anschlä-ge sind gekennzeichnet durch Brutalität, Menschen-verachtung und Fanatismus. Leider ist auch unserLand eingebunden in das staatenübergreifende Netzlogistischer Verknüpfungen und operativer Struktu-ren der Terroristen. Drei der Selbstmordattentäterhaben in Deutschland studiert; nach weiteren vermut-lichen Mittätern, die sich ebenfalls zuvor als Studen-ten in Deutschland aufgehalten haben, wird weltweitgefahndet.

Es gibt einen breiten politischen und gesellschaftli-chen Konsens darüber, dass es Aufgabe aller staatli-chen Kräfte sein muss, dieser terroristischen Drohung,die jedes zuvor für möglich gehaltene Maß übersteigt,mit allen rechtsstaatlichen Mitteln entgegenzutreten.Der vorliegende Entschließungsantrag ist aus meinerSicht eine brauchbare Grundlage für Bund und Län-

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der, gemeinsam die zur Bekämpfung des Terrorismusund zum Schutze der Bevölkerung notwendigen Maß-nahmen zu treffen.

Ich will jetzt nicht auf alle Einzelheiten eingehen.Lassen Sie mich nur folgende Komplexe erwähnen:

Die für die öffentliche Sicherheit zuständigenBehörden sind in zunehmendem Maße auf die Nut-zung moderner Informations- und Verwaltungssys-teme angewiesen, die weit überwiegend nur für deneigenen Bereich gestaltet und umfassend nutzbarsind. Für eine wirksame Sicherheitspolitik ist jedochdie Nutzung moderner Informations- und Kommuni-kationstechnologien im Verbund der Sicherheits-behörden unverzichtbar. Dazu gehören der Zugriffder Sicherheitsbehörden auf ausländerrechtliche undandere Daten, aber auch die umfassende Möglichkeitder Überwachung der Telekommunikation. Wir brau-chen daher dringend rechtliche Änderungen, die diejetzigen Übermittlungs- und Nutzungshindernisse be-seitigen.

Dennoch werden wir immer noch – es ist mir wich-tig, das zu betonen, meine Damen und Herren – einenaußerordentlich hohen Standard datenschutzrecht-licher Vorschriften behalten. Niemand muss befürch-ten, dass er Opfer eines informationssüchtigen Staateswird. Ich glaube, die Menschen in unserem Landsehen weniger eine solche Gefahr des Missbrauchsstaatlicher Macht. Sie wünschen vielmehr, dass derStaat die Mittel erhält, die er benötigt, um sie wirk-sam vor dem Verbrechen zu schützen.

Wir wollen – Herr Clement hat es soeben zum Aus-druck gebracht –, dass Deutschland ein weltoffenesund gastfreundliches Land bleibt. Gerade deswegenmüssen wir uns entschieden gegen extremistische,religiös-fanatische und verfassungsfeindliche Bestre-bungen schützen. Ich bin daher sehr damit einver-standen, dass schon bei der Einreise von Personenaus Problemstaaten eine Beteiligung der Sicherheits-und Ausländerbehörden erfolgt, Fingerabdrücke ab-genommen sowie Lichtbilder angefertigt und die Visaunterlagen abrufbar aufbewahrt werden.

Ich habe bereits angeordnet, dass in Niedersachsenvor jeder Zustimmung der Ausländerbehörde zueinem längerfristigen Aufenthalt von Personen ausdiesen Staaten der Verfassungsschutz und der polizei-liche Staatsschutz ihr Plazet geben müssen. Auch vorder Einbürgerung werden diese Dienststellen betei-ligt.

Meine Damen und Herren, trotz all dieser Vorkeh-rungen werden wir es nicht verhindern können, dasssich bei uns gewaltbereite Extremisten aufhalten. Un-sere Gesetze müssen es ermöglichen, sie zu entdeckenund sie auch wieder aus dem Land zu entfernen.

Niedersachsen hat – es ist soeben erwähnt worden –gemeinsam mit Bayern die Ihnen vorliegenden Ände-rungen des Ausländergesetzes vorgeschlagen, umAusländer, die islamistisch-extremistischen Organisa-tionen angehören oder diese unterstützen, schnellausweisen zu können. Mit der gemeinsamen Initiativesoll auch signalisiert werden, dass auf die Herausfor-derungen des internationalen Terrorismus jenseits

parteipolitischer Interessen gemeinsam reagiert wer-den muss. Die Zustimmung aller Länder zu der Geset-zesinitiative würde der Bundesregierung zeigen, dasssie auf ihrem Weg der entschlossenen Bekämpfungdes Terrorismus die Unterstützung der Länder hat.

Ich weiß, dass eine gesetzliche Grundlage für dieAusweisung extremistischer Ausländer nur die halbeMiete ist. Die Ausweisung allein bedeutet noch nicht,dass die Betroffenen auch tatsächlich das Land verlas-sen. Die hinreichend bekannten tatsächlichen undrechtlichen Gründe lassen eine Abschiebung häufignicht zu. Eine entscheidende Verbesserung wäre es,wenn Abschiebungen nicht nur in das jeweilige Her-kunftsland erfolgten, sondern auch in ein anderesLand, das bereit ist, die Menschen aufzunehmen, undin dem sie vor Verfolgung sicher sind. Angesichts derimmer größer werdenden Schwierigkeiten bei derDurchsetzung der Ausreisepflicht wäre es hilfreich,wenn sich das Auswärtige Amt nicht dagegen sträub-te, dass ein entsprechender Vertrag, gegebenenfallsvon der Europäischen Union, mit dem betreffendenLand abgeschlossen wird.

Bedenkt man, dass nach der Rechtsprechung desEuropäischen Gerichtshofes für Menschenrechteselbst Herr Kaplan oder Herr Bin Laden nicht abge-schoben werden dürften, kann man nur hoffen, dassdie Richter dieses Gerichtshofes den 11. Septemberdes Jahres 2001 bei weiteren Urteilen im Gedächtnisbehalten.

Lassen Sie mich noch etwas zum Bundesgrenz-schutz, zur Ausstattung der Bereitschaftspolizeienund zum Einsatz der Bundeswehr sagen. Der Bundes-grenzschutz muss nach meiner Auffassung stärker indie Lage versetzt werden, uneingeschränkt seinenAufgaben als Verbandspolizei des Bundes nach-zukommen. Gerade die aktuelle Sicherheitslagemacht den hohen Stellenwert geschlossener Einhei-ten der Bereitschaftspolizeien deutlich, z. B. beim Ob-jektschutz, bei Großdemonstrationen oder gewalttäti-gen Ausschreitungen.

Der Bedarf der Länder an Ersatzbeschaffungen beiihren Bereitschaftspolizeien beläuft sich auf jährlich39 Millionen DM. Der Bund hat diesen Betrag in denvergangenen Jahren leider nicht zur Verfügung ge-stellt. Dadurch ist ein entsprechender Nachholbedarfentstanden. Um diesen abzubauen und für die folgen-den Jahre den neu anfallenden Bedarf decken zukönnen, sind deutlich höhere Beträge als die genann-ten 39 Millionen DM erforderlich.

Das Grundgesetz sieht den Einsatz der Bundeswehrim Innern nur unter erheblich eingeschränkten Vo-raussetzungen vor, nämlich im Spannungs- und Ver-teidigungsfall sowie bei Naturkatastrophen bzw. imFall des inneren Notstandes. Auch wenn die Polizeienvon Bund und Ländern in der augenblicklichen Situa-tion personell erheblich gefordert sind, ist dies nochkein Anlass, diese bewusste und gewollte hohe Hürdeder Verfassung herabzusetzen und den Einsatz derBundeswehr in der gegenwärtigen Situation auch imInnern zuzulassen. Innere Sicherheit ist Aufgabe derPolizei und muss es auch bleiben. Die Möglichkeiten

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der Amtshilfe durch die Bundeswehr zu nutzen, meineDamen und Herren, halte ich für richtiger, als den Ver-such zu unternehmen, der Bundeswehr durch eineGrundgesetzänderung weitere Aufgaben zuzuweisen.

Die Forderung nach Aufstockung der Mittel für denZivilschutz und nach einer Vereinfachung des Finan-zierungssystems wird von mir vorbehaltlos unter-stützt.

Ich würde es begrüßen, wenn die Länder eine ge-meinsame Haltung zu den administrativen, operati-ven und gesetzlichen Maßnahmen zur Bekämpfungdes Terrorismus finden könnten. Dafür sind der vorlie-gende Entschließungsantrag und die gemeinsame Ini-tiative von Bayern und Niedersachsen eine tragfähigeGrundlage.

Ich will aber auch nicht verschweigen, dass der Ent-schließungsantrag neben vielen guten Anregungen,von denen ich einige erwähnt habe, Vorschläge ent-hält, die ich noch für diskussionswürdig halte oder die ich lieber nicht aufgreifen würde, z. B. die Ein-führung einer Beugehaft bei der Verweigerung derMitwirkung eines Ausländers an der Passbeschaf-fung. Hier würden teure Haftplätze für eine Maßnah-me blockiert, die letztlich ungeeignet sein dürfte, zudem erstrebten Ziel zu kommen.

Trotz der berechtigten Erwartungen unserer Bevöl-kerung in Bezug auf eine rasche Verbesserung der Sicherheit unseres Landes sollten wir uns die Zeitnehmen – hierbei schließe ich mich Herrn Minister-präsident Clement an –, die Dinge sorgfältig zu disku-tieren. Ein solides Konzept der Länder würde sicher-lich auch der Bundesregierung helfen, sich auf derBasis eines Gesetzentwurfs des Herrn Bundesinnen-ministers zu verständigen, wobei ich davon überzeugtbin, dass er die Vorschläge der Länder berücksichtigt.Es liegt in unser aller Interesse, dass es zu einer brei-ten Verständigung zwischen Bund und Ländern inden Fragen der Verbesserung der inneren Sicherheitkommt.

Aus diesem Grunde halte ich eine sofortige Sach-entscheidung nicht für möglich und nicht für erforder-lich. Ich schlage vor, die Vorlagen an die Ausschüssezu verweisen. – Vielen Dank.

Präsident Kurt Beck: Vielen Dank, Herr Minister!

Das Wort hat Herr Minister Dr. Birkmann (Thürin-gen). – Ihm folgt Herr Minister Professor Dr. Schelter(Brandenburg).

Dr. Andreas Birkmann (Thüringen): Herr Präsident!Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Ereig-nisse des 11. September haben uns eindringlich vorAugen geführt: Die westliche Welt und ihre auf demPrinzip der Freiheit des Einzelnen beruhende Werte-ordnung sind in einem Maße vom internationalen Ter-rorismus bedroht, das bis vor kurzem niemand fürmöglich gehalten hätte.

Sollte jemand gehofft haben, es könnte sich um eineinmaliges Ereignis gehandelt haben, so zeigt dieEntwicklung in den letzten Wochen und Tagen, dass

diese Hoffnung trügerisch war. Die Androhung weite-rer Anschläge und die aktuellen Attacken mit Milz-branderregern erhellen, wie ernst die Situation istund dass der Kampf gegen den Terrorismus ein langerund schwieriger Weg sein wird. Dem muss sich diefreie Welt stellen. Auch wir in Deutschland und injedem einzelnen Bundesland müssen den daraus er-wachsenden Herausforderungen begegnen.

Erinnern wir uns: Mindestens einer der Attentätervom 11. September hat unauffällig fast zehn Jahreunter uns gelebt und die Verbrechen hier vorbereitetund geplant, bevor er sie in die Tat umsetzte. Unserefreiheitliche Grundordnung gab ihm die entsprechen-den Spielräume, ohne dass die Sicherheitsbehördendie Möglichkeit zum Handeln hatten. Dies muss unseine Lehre sein. Die Sicherheit unserer Bürgerinnenund Bürger ist schließlich eines der obersten Geboteder Politik, gerade der Justizpolitik.

Die von der Bundesregierung jetzt auf den Weg ge-brachten Maßnahmen zu einer Verbesserung der Ter-rorismusbekämpfung sind zwar zu begrüßen, abernoch nicht ausreichend. Weitere Verbesserungenmüssen dringend folgen. Lassen Sie mich hierzu eini-ge Punkte aus der Sicht der Justiz ansprechen:

Die Wiedereinführung der Kronzeugenregelungwird von den CDU-geführten Ländern, so auch vonThüringen, schon seit langem gefordert. Aber dieBundesregierung – das zeigen auch die Ausführun-gen der Bundesjustizministerin zur Kronzeugenrege-lung vor dem Deutschen Bundestag in der vergange-nen Woche – nimmt die Vorschläge, die auch vomBundesrat hierzu bereits formuliert wurden, nichternst. Ja – das muss an dieser Stelle moniert werden –,die Diskussion über weitere Maßnahmen zur Terroris-musbekämpfung ist seitens der Justiz bisher ohnehinreichende Beteiligung der Länder geführt worden.Deswegen haben gestern auch die Justizminister derunionsgeführten Länder die Bundesjustizministerineindringlich gebeten, alsbald zu einer Sonder-Justiz-ministerkonferenz über Maßnahmen zur Terroris-musbekämpfung einzuladen.

In den Sicherheitspaketen der Bundesregierungvermisse ich Vorschläge für eine erleichterte Ge-winnabschöpfung zur Sicherstellung von Verbre-chensgewinnen. Das rechtliche Abschöpfungsinstru-mentarium muss effizienter gestaltet werden, um demTerrorismus wie auch der organisierten Kriminalitätdie finanziellen Ressourcen zu entziehen und siedamit im Lebensnerv zu treffen.

In diesem Zusammenhang begrüße ich die amDienstag vom Rat angenommene und von der Delega-tion des Europäischen Parlaments inzwischen gebil-ligte 2. EU-Geldwäscherichtlinie. Geldwäsche ist inden letzten Jahren mehr und mehr zur Geschäfts-grundlage sowohl der organisierten Kriminalität alsauch des internationalen Terrorismus geworden. DieErweiterung der Identifizierungs- und Meldepflichtenauf Buchprüfer, Grundstücksmakler, Juweliere, Casi-nos und unter bestimmten Voraussetzungen auch aufRechtsanwälte und Notare sind dringend geboteneMaßnahmen, um in diesem Bereich zu einer wirksa-

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Heiner Bartling (Niedersachsen)

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men Strafverfolgung zu gelangen und terroristischeGeldquellen auszutrocknen. Ich warne allerdingsdavor, bei der Umsetzung der Richtlinie hinter dendarin eröffneten Möglichkeiten zurückzubleiben.

Bislang läuft in der überwiegenden Anzahl vonGeldwäscheverdachtsfällen das Gewinnabschöp-fungsrecht leer, weil der konkrete Nachweis der Vor-tat Schwierigkeiten bereitet. Auch hier sind dringendBeweiserleichterungen geboten. Zu denken ist aneine Umkehr der Beweislast, wie sie das amerikani-sche Recht kennt.

Ansprechen möchte ich auch die Vorschrift des § 12des Gesetzes über Fernmeldeanlagen, die die Aus-künfte über so genannte Verbindungsdaten regelt.Diese tritt mit Ablauf des 31. Dezember dieses Jahresaußer Kraft. Zwar sieht der Gesetzentwurf der Bun-desregierung eine Nachfolgeregelung vor, allerdingswird darin die Schwelle der Anordnungsvorausset-zungen angehoben, was eine Verschlechterung derbestehenden Ermittlungsmöglichkeiten zur Folgehätte. Ich hoffe daher sehr, dass die Empfehlungender Ausschüsse des Bundesrates die notwendigenVerbesserungen herbeiführen.

Zu erwähnen ist an dieser Stelle auch der Neuent-wurf einer Telekommunikationsüberwachungs-Ver-ordnung des Bundeswirtschaftsministers. Diese Ver-ordnung, sollte sie beschlossen werden, würde fürerhebliche Defizite bei der Überwachung der Tele-kommunikation sorgen und damit nachteilige Aus-wirkungen auf die Strafverfolgungspraxis der Länderhaben. Entgegen der höchstrichterlichen Rechtspre-chung wäre es bei Mobiltelefonen nicht mehr mög-lich, eine gerätenummerbezogene Überwachungdurchzuführen.

Meine Damen und Herren, die Versäumnisse derVergangenheit holen die Bundesregierung ein. Nochim Juli dieses Jahres haben Thüringen und Bayerndie Bundesregierung in diesem Haus aufgefordert,die Erkenntnismöglichkeiten der DNA-Analyse wei-ter gehend in der Strafverfolgung einzusetzen. Be-dauerlicherweise war nur ein Entschließungsantragmehrheitsfähig, in dem die Bundesregierung aufge-fordert wird, bis zum Frühjahr des nächsten Jahressolche Möglichkeiten zu prüfen. Leider sind die Er-eignisse über dieses zögerliche Handeln hinwegge-gangen.

Weiter noch: Die Bundesregierung sieht vor, dassdie Untersuchung einer DNA-Spur mit noch unbe-kanntem Täter unter einen Richtervorbehalt gestelltwird. Dies ist unnötiger Formalismus und hinderlichfür eine schnelle Strafverfolgung. Es bedarf keinerrichterlichen Anordnung. Vielmehr ist – gerade beider Aufklärung terroristischer Straftaten – die Anord-nungsbefugnis für DNA-Analysen bei Spurenmaterialunbekannter Herkunft der Staatsanwaltschaft bzw.der Polizei zu übertragen.

Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, was diezögerliche Haltung der Bundesregierung betrifft,noch einen anderen Punkt ansprechen, der im Zusammenhang mit der Bekämpfung des Terrorismusebenfalls von Bedeutung ist, nämlich die damit einhergehenden Demonstrationen. Ich meine die Än-

derung des Versammlungsrechts. Seit Novemberletzten Jahres besteht der Auftrag der Innenminister-konferenz an den Bundesinnenminister, einen Ge-setzentwurf zur Änderung des Versammlungsrechtsvorzulegen, der den Gefahren extremistischer De-monstrationen begegnen soll. Der Gesetzentwurf liegtein knappes Jahr danach immer noch nicht vor. Siehaben stets darauf verwiesen, Herr Bundesinnenminis-ter, dass das von Ihnen in Auftrag gegebene Verfas-sungsgutachten noch ausstehe. Es liegt nunmehr vorund lässt Abänderungen zu. Ich frage Sie: Werden Sienun, und zwar bald, handeln?

Zur Terrorismusbekämpfung sind auch verbesserterechtliche Möglichkeiten der Wohnraumüberwa-chung dringend erforderlich. Die hohen rechtlichenHürden, die bislang einer akustischen Überwachungoft im Wege standen, sind abzubauen. Verfahrensre-gelungen – das weiß jeder Praktiker – können eineRechtsposition zur Makulatur werden lassen, wennsie nur entsprechend aufwändig und kompliziert sind.

Zu den Maßnahmen auf europäischer Ebene möch-te ich kurz Folgendes bemerken:

Ein europäischer Haftbefehl auf dem Gebiet desTerrorismus ist zu begrüßen.

Die Forderung der Europäischen Kommission nacheiner gemeinsamen Definition terroristischer Akteund nach Mindesthöchststrafen ist ebenso uneinge-schränkt unterstützungswürdig wie die Forderungdes Bundesrates nach unverzüglicher Ratifikation desEU-Rechtshilfeübereinkommens, der Fortentwick-lung des Schengener Durchführungsübereinkom-mens, der Verbesserung des behördenübergreifendenDatenaustauschs und der EU-weiten Rasterfahndung.

Wenn der Herr Bundesinnenminister in den neues-ten zusätzlichen Maßnahmen eine beschleunigte Ab-schiebung von Ausländern bei Terrorismusverdachtankündigt, muss aber erst recht eingefordert werden,dass die Bundesministerin der Justiz endlich – worum sie bereits wiederholt von der Justizminister-konferenz gebeten wurde – die Ratifizierung des Zusatzprotokolls zum Überstellungsabkommen durchVorlage eines bundesweit konsensfähigen Aus-führungsgesetz-Entwurfs vorantreibt, damit Auslän-der beschleunigt zur Haftverbüßung in ihr Heimat-land überführt werden können.

Meine Damen und Herren, bei allen Vorschlägenund Initiativen zur Verbesserung der rechtlichen Vo-raussetzungen müssen wir uns darüber im Klarensein, dass diese Maßnahmen nur greifen können,wenn sie mit einer personellen und technischen Ver-stärkung der Strafverfolgungsbehörden, d. h. von Jus-tiz und Polizei, einhergehen. Thüringen wird, wie be-reits angekündigt, im Rahmen eines Sofortprogrammszusätzliche Mittel hierfür bereitstellen.

Abschließend möchte ich betonen, dass die Be-kämpfung des Terrorismus eine Aufgabe ist, die mitrechtsstaatlichen Mitteln zu lösen ist und gelöst wird.Nicht „Sicherheit oder Freiheit“, wie einige Kritikermeinen, sondern „Freiheit in Sicherheit“ ist dasMotto. Sicherheit für unsere Bürger als unabdingbareVoraussetzung für die Bewahrung der Freiheit – das

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Dr. Andreas Birkmann (Thüringen)

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ist das Gebot der Stunde. Dies zu erreichen und hier-für einen Weg aufzuzeigen dient der vorliegende Ent-schließungsantrag, dem Thüringen als Mitantragstel-ler beigetreten ist und um dessen Unterstützung ichbitte.

Präsident Kurt Beck: Vielen Dank, Herr Minister!

Das Wort hat Herr Minister Professor Dr. Schelter(Brandenburg). – Ihm folgt Herr Bundesminister desInnern.

Prof. Dr. Kurt Schelter (Brandenburg): Herr Präsi-dent! Meine sehr verehrten Damen und Herren! DerTerror ist nur so stark, wie wir es durch Unentschlos-senheit zulassen. Deshalb ist entschlossenes Handelnauf allen politischen Ebenen angesagt. Daran fehlt esnicht. Und es ist gut, dass der Bundesrat eine Debatteüber den Terrorismus führt, während sich die Staats-und Regierungschefs der EU in Gent mit dieser Be-drohung auf einem Sondertreffen befassen. Es wärenoch besser, meine Damen und Herren, wenn wirdazu heute auch einen Beschluss fassen könnten.

Mit dem Entschließungsantrag, der uns vorliegt,wird ein Bündel von Maßnahmen zur besserenBekämpfung des internationalen Terrorismus gefor-dert. Brandenburg unterstützt das Anliegen, allerechtsstaatlich möglichen Maßnahmen zu ergreifen,damit wir gegen den Terrorismus in die Offensivekommen.

Wir brauchen dazu einen integralen Ansatz: Allepolitischen Ebenen müssen ihren Beitrag dazu leisten.Alle Politikbereiche müssen einbezogen werden, weitüber die innere Sicherheit und über die Justiz hinaus.Und wichtig ist, sich bewusst zu machen, dass nichtnur der Staat gefordert ist. Unser gesamtes Gemein-wesen, Staat und Gesellschaft, müssen sich diesergroßen Bedrohung bewusst sein und sich dagegenwehren.

Im Land Brandenburg wird deshalb auf Initiativedes Ministerpräsidenten ein Paket von Maßnahmenauf den Weg gebracht, das alle Politikbereicheberücksichtigt und der besonderen Lage gerechtwird, in der sich der Raum Brandenburg-Berlin vordem Hintergrund der Bedrohung durch Terror befin-det.

Wir müssen die offenkundigen Defizite in der tech-nischen Kommunikation der Sicherheitsbehördenund -organisationen beseitigen. Deshalb bitte ich Sie,auch den Plenarantrag des Landes Brandenburg zuMaßnahmen zur Verbesserung der mobilen Kommu-nikation der Behörden und Organisationen mit Si-cherheitsaufgaben zu unterstützen.

In Deutschland sind die Rahmenbedingungen füreine effektive Bekämpfung des Terrorismus durcheine Vielzahl gesetzlicher Maßnahmen bereits in den70er-Jahren weitgehend geschaffen worden.

Dennoch ist es auch aus der Sicht Brandenburgsrichtig, das gesetzliche Instrumentarium insgesamt,auch im justiziellen Bereich, zu überprüfen und zuverbessern. Einige Beispiele:

Terroristen brauchen Geld und logistische Unter-stützung. Wir müssen die Quellen dafür austrocknen.Dabei bewegen wir uns im Grenzbereich zum organi-sierten Verbrechen, z. B. zum Drogenhandel. Deshalbsind Maßnahmen zur Bekämpfung der Geldwäscheauch für den Kampf gegen den Terrorismus so wich-tig. Für Brandenburg habe ich deshalb eine Schwer-punkt-Staatsanwaltschaft zur Bekämpfung der orga-nisierten Kriminalität eingerichtet. Eine ihrerAbteilungen wird sich in Zukunft am Sitz des Landes-kriminalamtes besonders mit der Verfolgung derGeldwäsche befassen.

Für den Justizbereich gilt dasselbe wie für die poli-zeiliche Seite: Alle Maßnahmen werden nur greifen,wenn sie nicht nur national, sondern europaweit, jaglobal ansetzen. Deshalb bitte ich Sie, meine Damenund Herren, auch in den Blick zu nehmen, was derEuropäische Rat schon im Oktober 1999 in Tamperevöllig zu Recht angemahnt hat, nämlich die Geldwä-scherichtlinie vollständig umzusetzen. Ich meine, dassdas Ergebnis des Vermittlungsverfahrens in Brüssel,das gestern erzielt worden ist, ein wichtiger Schritt indie richtige Richtung ist. Aber auch dieses verschärfteRecht zur Bekämpfung der Geldwäsche wird wir-kungslos bleiben, wenn vor allem in einigen „Off-shore-Gebieten“ die Geldwäsche weiterhin fast unge-stört funktioniert. Wir müssen alle „safe havens“schließen.

Auch das vom Europäischen Rat in Tampere auf denWeg gebrachte Projekt EUROJUST kann die gemein-same Terrorismusbekämpfung auf der Ebene der Eu-ropäischen Union wesentlich fördern. Es ist gut, dassder Übergang von „Pro-EUROJUST“ zu EUROJUSTauf den Beginn des Jahres 2002 vorgezogen werdensoll.

Der außerordentliche Rat für Justiz und Inneres am20. September 2001 hat ein wichtiges Maßnahmen-bündel zur Verbesserung der Instrumentarien derTerrorbekämpfung beschlossen, das nachdrücklich zubegrüßen ist und auch für die Justiz wichtige Punkteenthält. Dazu gehört vor allem der europäische Haft-befehl.

Der uns vorliegende Entschließungsantrag greiftviele wichtige und richtige Maßnahmen auf, z. B. dieWiedereinführung einer Kronzeugenregelung für dieBereiche organisiertes Verbrechen und Terrorismus.

Ich habe – das gestehe ich offen – in den vergange-nen Wochen bei der Debatte über den justiziellen Teil– ich betone das – der Antiterrorpakete der Bundesre-gierung den unbedingt notwendigen Dialog zwi-schen dem Bund und den Ländern vermisst. Ich hättees jetzt gern in aller Freundschaft Herrn Geiger ge-sagt: Ich erinnere mich mit Wehmut an die gemeinsa-me Zeit im Bereich innere Sicherheit.

Es fehlt bis heute eine Unterrichtung aus ersterHand über die beabsichtigten und geplanten Maßnah-men auf der Ebene der Vereinten Nationen, auf eu-ropäischer und auch auf nationaler Ebene. Das mussrasch und intensiv nachgeholt werden. Denn auch imBereich der Justiz sind bei der Umsetzung dieser Maß-nahmen in erster Linie die Länder gefordert.

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Dr. Andreas Birkmann (Thüringen)

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Die Anschläge vom 11. September sind vor allemeine große Herausforderung für die innere Sicherheit –für Polizei und Nachrichtendienste. Aber wir müssendie Sache zu Ende denken. Haben Polizei und Nach-richtendienste ihre Arbeit erfolgreich getan, müssendie Täter angeklagt und verurteilt werden. Die Bedro-hung durch den Terrorismus fordert deshalb auch imjustiziellen Bereich angemessene Antworten. AuchStaatsanwaltschaften und Gerichte müssen in ihrenpersonellen und sächlichen Ressourcen darauf vor-bereitet werden. Hier ist noch manches nachzuholen.Die dafür erforderlichen Maßnahmen können derBund und die Länder – und das erwarten unsere Bür-ger zu Recht – nur gemeinsam auf den Weg bringen.Dafür möchten wir werben, auch in Brandenburg. –Vielen Dank.

Präsident Kurt Beck: Ich danke Ihnen, Herr Minis-ter.

Es liegt eine Wortmeldung des Kollegen Sellering(Mecklenburg-Vorpommern) vor. Bevor ich Ihnen,Herr Bundesminister, das Wort erteile, würde ich,wenn Sie einverstanden sind, Herrn Sellering aufru-fen. – Bitte schön, Herr Minister.

Erwin Sellering (Mecklenburg-Vorpommern): HerrPräsident, meine Damen und Herren! Ich möchte nureine kurze Bemerkung zu dem Beitrag des KollegenBirkmann machen. Dabei will ich an die Ausführun-gen von Ministerpräsident Clement zum Hase-und-Igel-Spiel anknüpfen, die ich nachdrücklich unter-stütze; das sollten wir nicht tun. Dies sollte auch fürdie Justizminister gelten.

Ich habe mich sehr gewundert, Herr Kollege Birk-mann, dass Sie die Forderung nach einer Sonder-Jus-tizministerkonferenz – für mich völlig überraschend –erhoben haben. Ich meine, dass durchaus Gelegen-heit besteht, untereinander zu kommunizieren. DieBundesjustizministerin hat schon vor Tagen mit demVorsitzenden der Justizministerkonferenz, HerrnMertin, telefoniert. Mit ihm ist abgesprochen worden,welchen Bedarf wir haben. Es wurde verabredet, dassam Montag zunächst eine Telefonkonferenz stattfin-den soll. Wie gesagt, ich denke, wir sollten insoweitnicht in einen Wettlauf eintreten.

In der Sache stünde es den Justizministern gut an,den rechtsstaatlichen Teil aller Maßnahmen, die wirergreifen wollen, sehr sorgfältig im Auge zu behalten.Deshalb ist es etwas verwunderlich, wenn von einemKollegen hier vorgetragen wird, ein Richtervorbehaltsei unnötiger Formalismus. Das wird von mir nicht ge-tragen.

Präsident Kurt Beck: Vielen Dank!

Herr Ministerpräsident Clement.

Wolfgang Clement (Nordrhein-Westfalen): HerrPräsident! Auch mir liegt daran, eine Bemerkungnachzutragen. Ich habe voller Respekt die „tapferen“Ausführungen verfolgt, in denen es darum ging, die

Gewinnabschöpfung und die Bekämpfung der Geld-wäsche voranzubringen und die dazu notwendigenMaßnahmen auch auf der europäischen Ebene zu er-greifen. Ich kann mir folgende Anmerkungen nichtverkneifen:

Die europäische Ebene – die Kommission und dieMitgliedstaaten – stünde auf diesem Feld besser da,wenn sie rechtzeitig zu Vereinbarungen, beispielswei-se über die gemeinsame Besteuerung von Kapital-erträgen, bereit gewesen wäre. Das ist bisher immerwieder daran gescheitert, dass es Staaten innerhalbder Europäischen Union gibt, die Steuerschlupflöcheröffnen.

Ich würde es begrüßen, wenn wir bei dieser Gele-genheit Folgendes erörterten: Ich finde es bemer-kenswert, dass man in der Bundesrepublik bereit ist,etwas gegen die Geldwäsche zu unternehmen, sichaber scheut – manche sagen das sogar ausdrücklich –,gleichzeitig Maßnahmen zur Verfolgung der Steuer-hinterziehung vorzusehen. Wir sollten uns vor einergewissen Doppelzüngigkeit hüten. Vielleicht gehörtdas zu den Konsequenzen, die wir nach den Ereignis-sen, die wir erleben mussten, ziehen müssen.

Wenn wir über Rechtsstaatlichkeit, über die Einhal-tung von Recht und Gesetz reden – das tun wir in vol-lem Bewusstsein gerade auf den Feldern, über die wirberaten haben –, dann gilt dies natürlich auch für sol-che Tatbestände. Mir liegt daran, dass wir uns das vorAugen führen und möglicherweise sogar zu Maßnah-men kommen. Wir sollten nicht davor zurück-schrecken, gleichzeitig Regelungen vorzusehen, umdie Steuerhinterziehung, die bei uns doch einen ziem-lich hohen Umfang erreicht hat, jedenfalls etwas ein-zudämmen. Es wäre ein erheblicher Fortschritt, wennuns dies gelänge.

Auf der europäischen Ebene sollten wir in ebensol-cher Klarheit wie Sie, Herr Kollege, nicht nur über dieBekämpfung der Geldwäsche, sondern auch darüberreden, dass wir innerhalb der Europäischen Union aufein paar gemeinsame Regeln angewiesen sind. Dazugehört die gemeinsame Besteuerung von Kapitaler-trägen, die in den zurückliegenden Jahren immerwieder gescheitert ist. Der Mut, den wir aufbringen,sollte nicht begrenzt sein. Wir sollten zu solchen Maß-nahmen fähig sein. – Schönen Dank.

Präsident Kurt Beck: Schönen Dank, Herr KollegeClement!

Jetzt hat der Bundesminister des Innern, Herr Schily,das Wort.

Otto Schily, Bundesminister des Innern: Herr Präsi-dent, meine Damen und Herren! In der Bundesrepu-blik Deutschland hat sich das Prinzip bewährt, dassdie innere Sicherheit von Bund und Ländern garan-tiert wird. Das Zusammenwirken gerade des Bundes-ministeriums des Innern und der Länderinnenministerkann als eine Erfolgsbilanz verstanden werden. Ichverstehe auch die heutigen Erörterungen im Bundes-rat so, dass wir daran arbeiten, diese bewährte Zu-sammenarbeit fortzusetzen.

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Prof. Dr. Kurt Schelter (Brandenburg)

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In diesem Sinne betrachte ich die heute vorgelegtenAnträge als Unterstützung meiner Bemühungen, einso genanntes Sicherheitspaket II zu schnüren. Ichsage Ihnen zu, dass ich die Überlegungen, die in die-sen Anträgen enthalten sind, sorgfältig prüfen werde.Dies geschieht natürlich gleichermaßen hinsichtlichder einzelnen Vorschläge, die von meinem Hause er-arbeitet worden sind. Ich glaube, einer solchen kriti-schen und sorgfältigen Prüfung darf sich niemandverweigern. So war vor kurzem beispielsweise derBundesdatenschutzbeauftragte bei mir zu Gast, mitdem ich einen sehr freimütigen Dialog darüber ge-führt habe, was möglich und notwendig ist.

Herr Ministerpräsident Teufel – für andere Diskussi-onsteilnehmer gilt das Gleiche –, ich hätte es aller-dings begrüßt, wenn Sie in die Begründung Ihrer An-träge nicht eine Reihe von Behauptungen eingestreuthätten, die mit der Wahrheit kaum zu vereinbarensind.

Ich will ein Beispiel nennen. Herr MinisterpräsidentTeufel, Sie haben die Behauptung aufgestellt, wir hät-ten den Bundesgrenzschutz reduziert. Das mag nochauf die Erinnerung an die alte Bundesregierungzurückzuführen sein. Jedenfalls für meine Regie-rungszeit gilt, dass der Bundesgrenzschutz auf glei-chem Niveau gehalten wurde. Im Gegensatz zu IhrenAusführungen haben wir den Mitteleinsatz beimBundesgrenzschutz erheblich verstärkt. Ich will da-rauf hinweisen, dass wir beispielsweise die Mittel fürdas Hebungsprogramm, das für die Motivation derMitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bundesgrenz-schutz wichtig ist, gegenüber dem Ansatz der altenBundesregierung in diesem Bereich verdoppelthaben. In den letzten drei Jahren haben wir im Bundesgrenzschutz 3 772 Hebungen vollzogen und11 870 Beförderungen realisiert. Das ist ein Sachver-halt, den man zur Kenntnis nehmen muss.

Nun haben Sie die heutige Beratung zum Anlassgenommen – leider hat dies gestern auch der KollegeBeckstein im Bundestag getan; es ist hier bedauerli-cherweise auch von anderer Seite zur Sprache ge-bracht worden –, dem Bund Vorhaltungen zu machen,dass er eine Reform des Bundesgrenzschutzes zuEnde gebracht hat, die von der alten Bundesregie-rung entworfen worden ist und die durchaus vernünf-tig war. Unter uns ist ein Minister – er war früherStaatssekretär im Bundesinnenministerium –, derdiese Reform kennt und sie, wie ich hoffe, seinerzeitunterstützt hat. Ich glaube, sie war richtig, weil wirdamit eine höhere Effizienz des Bundesgrenzschutzeshergestellt haben. Ich habe sie bei Regierungsantrittsehr kritisch überprüft, mich dann davon überzeugt,dass ihr Ansatz richtig ist, und sie zu Ende geführt.

Das hat auch die Einsatzbereitschaft des Bundes-grenzschutzes nicht geschwächt. Herr Ministerpräsi-dent Teufel, wir haben zwar die Einsatzbereitschaftenbeseitigt, die früher entlang der Zonengrenze bestan-den. Aber dort hat sich die Sachlage bekanntlich ver-ändert. Darauf muss man reagieren. Wir können dannnicht einfach zur Tagesordnung übergehen.

Im Übrigen, Herr Ministerpräsident Teufel, will ichSie doch darauf hinweisen, wie sich das Verhältnis

von Einsatzbereitschaft zum Einzeldienst im Bundund in den Ländern darstellt. Der bereitschaftspoli-zeiliche Anteil im Bundesgrenzschutz liegt bei deut-lich mehr als 20 %. Wenn wir die 16 Bundesländer be-trachten und den Bundesgrenzschutz, wenn Sie sowollen, als 17. Einheit hinzuzählten, dann lägen wir,alles zusammengerechnet, sogar bei einem Anteil vonrund 26 %. Das ist wahrlich beachtlich.

Nun halte ich Ihnen einmal vor, wie dies in den Län-dern aussieht, damit niemand Zweifel daran hat, wieunterschiedlich die Anteile sind. Baden-Württemberghat einen Bereitschaftspolizeianteil von 7,37 %; inBayern liegt er bei 5,66 %. Lieber Kollege Bartling, dasich Niedersachsen veranlasst gesehen hat, diesesThema hier zu erwähnen, muss ich auch Niedersach-sen ansprechen: Der Anteil liegt dort bei 5,42 %. Dasalles ist nicht sehr eindrucksvoll. Deshalb meine ich,dass ich keine Vorhaltungen, sondern Lob verdienthabe. Das nächste Mal, wenn ich in den Bundesratkomme, möchte ich dieses Lob erhalten.

(Heiterkeit)

Die schrecklichen terroristischen Anschläge, dieuns die Dimension der terroristischen Bedrohung inaller Deutlichkeit vor Augen geführt haben, hängenbesonders mit der Luftsicherheit zusammen. Ich darfdarauf hinweisen, dass der Bund seit 1998 für die Ga-rantie der Luftsicherheit Mittel in einer Größenord-nung von 1,2 Milliarden DM eingesetzt hat. Das istwahrlich kein geringer Betrag.

Herr Ministerpräsident Teufel, Sie haben eine For-derung angesprochen – das verstehe ich gut –, mit derich in der Innenministerkonferenz wiederholt kon-frontiert worden bin. Sie zu erfüllen war für michnicht ganz problemlos – das will ich ohne weitereseinräumen –, weil natürlich auch ich einen Beitrag zurHaushaltskonsolidierung leisten muss. Wir müssendie zerrütteten Staatsfinanzen, die wir übernommenhaben, wieder in Ordnung bringen. Das ist keineleichte Aufgabe. Ich habe jedoch schon früher gesagt– insofern kommt Ihre Forderung zu spät –, dass ichim Rahmen des Sicherheitspakets – dafür stehen unsdurchaus Mittel zur Verfügung – auch den Ansatz fürdie Bereitschaftspolizeien der Länder wieder hochzo-nen werde.

Auch insoweit kann ich Ihnen eines nicht ersparen,Herr Ministerpräsident Teufel: Von 1990 bis 1997, alsounter der alten Bundesregierung, sind bereitgestellteHaushaltsmittel in der Größenordnung von insgesamt120 Millionen DM nicht für Beschaffungsmaßnahmender Bereitschaftspolizeien der Länder verwendet worden. Dadurch entstand in diesen Jahren ein Aus-stattungsdefizit in der Größenordnung von 160 Milli-onen DM. Das ist die Situation, die wir vorgefundenhaben. Seit 1998, also seit Beginn unserer Regie-rungszeit, haben wir für Beschaffungsmaßnahmenmehr als 124 Millionen DM aufgewendet. Diese Mit-tel kamen zu 100 % den Bereitschaftspolizeien derLänder zugute.

Es gibt andere Fragen in diesem Bereich, über dieman diskutieren könnte. Aber ich will darauf verzich-

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Bundesminister Otto Schily

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ten, auf sie einzugehen. Das, was ich gesagt habe,sollte ausreichen, um deutlich zu machen, dass wir inder inneren Sicherheit eine sehr gute Bilanz ziehenkönnen. Stattdessen will ich darauf eingehen, wasnun an zusätzlichen Maßnahmen erforderlich ist.

Dabei werden wir vor die Frage gestellt: Was kön-nen wir auf der Bundesebene tun, und was muss aufder Landesebene getan werden? Es wäre schön, wennwir hören könnten, was die einzelnen Länder in ihremBereich zu tun bereit sind. Es sei mir gestattet, obwohlich die Länderzuständigkeiten nicht wahrnehmenkann und will,

(Wolfgang Clement [Nordrhein-Westfalen]: Wa-rum nicht?)

eine Empfehlung zu geben, der Sie vielleicht doch fol-gen, nämlich dass die Länder untereinander abstim-men, was sie tun wollen oder tun können. Ich habewahrgenommen, dass im Freistaat Bayern bestimmteMaßnahmen eingeleitet worden sind. Es ist mir auchnicht entgangen, dass das Land Hessen einige Kritikan diesem Sicherheitspaket geübt hat, weil manmeinte, man sollte sich vielleicht erst einmal unterein-ander darüber verständigen, Herr Bocklet, wie mandamit umgehen soll, damit es nicht zu einem Überbie-tungswettbewerb unter den Ländern kommt. EineAbstimmung unter den Ländern wäre meiner Ansichtnach sehr hilfreich.

Meine Damen und Herren, ich will Ihre Zeit nichtallzu sehr in Anspruch nehmen. Aber ich glaube, esist hilfreich, wenn ich Ihnen stichwortartig vortrage,was ich im Rahmen des so genannten Sicherheitspa-kets II zu tun beabsichtige.

Es ist für mich etwas seltsam – das habe ich gesternbei Herrn Beckstein erleben müssen; ich habe es inetwas abgewandelter Form auch heute in einigen Dis-kussionsbeiträgen gehört –, dass auf der einen Seitebehauptet wird, man wisse nicht, was ich tun wolle,während auf der anderen Seite kritisiert wird, was ichtun will. Das ist ein merkwürdiger Widerspruch. Des-halb meine ich, dass wir uns darüber verständigenmüssen, wohin die Reise gehen soll.

Ich habe der Innenministerkonferenz, mit der ichmich in mehreren Schaltkonferenzen habe bespre-chen können, zugesagt, dass zu gegebener Zeit überdie Vorschläge, die ich machen werde, zu reden ist.Ich wäre schlecht beraten, wenn ich nicht die sach-kundigen Meinungen meiner Innenministerkollegenhinzuzöge, damit wir zu einem guten Ergebnis kom-men.

Ich meine, dass wir Änderungen im Bereich desBundeskriminalamtes brauchen. Wir werden Ände-rungen zum Bundeskriminalamtgesetz vorschlagen,damit das Bundeskriminalamt seine Aufgaben nocheffizienter wahrnehmen kann, als es heute der Fall ist.Dabei gibt es einen Punkt, der durchaus umstrittenist, der von Herrn Beckstein und anderen in Frage ge-stellt wird. Die Ressortabstimmung ist insofern nochnicht abgeschlossen. Ich glaube, dass wir einiges tunmüssen, damit die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiterdes Bundeskriminalamtes ihren Aufgaben in derwirksamsten Form nachgehen können.

Das Gleiche gilt für den Bereich des Bundesgrenz-schutzes. Auch dort sind einige Maßnahmen notwen-dig. Ich will eine davon erwähnen, die möglicherwei-se mit einer Gesetzesänderung verbunden ist undderen Zielsetzung, glaube ich, verständlich ist. Siekennen das Problem der Begleitung in Flugzeugen.Wir werden eine besondere Einheit so genannter SkyMarshals aufbauen. Ich halte das unter den gegen-wärtigen Bedingungen für notwendig.

Wir werden Änderungen im Hinblick auf den Tätig-keitsbereich des Bundesamtes für Verfassungsschutzvornehmen. Dazu ist auch in Ihren Entwürfen einigesenthalten. Das trifft sich möglicherweise. Allerdings istmir eine sehr deutliche Unterscheidung aufgefallen:Finanzströme zur Finanzierung des Terrorismus, dieauch das Bundesamt für Verfassungsschutz interessie-ren könnten, kommen bei Ihnen offenbar nicht vor.Das scheint Sie in Bezug auf die Abwehr des Terroris-mus also nicht besonders zu interessieren. Ich meineaber, dass wir auch an dieser Stelle vorankommenmüssen, ohne die Dinge zu überziehen und zu Rege-lungen zu kommen, die mit unserem freiheitlichenrechtsstaatlichen Verständnis nicht vereinbar sind.

Dazu gehören eine Änderung im Sicherheitsüber-prüfungsgesetz sowie Änderungen im Passgesetz.Wir werden es möglich machen müssen, dass bei Aus-weisdokumenten die modernen Methoden der Identi-fizierung verwendet werden. Ich bin Ihnen sehr dank-bar, Herr Ministerpräsident Clement, dass Sie das ineinem positiven Sinne angesprochen haben.

Zu glauben, dass ein Lichtbild in einem Ausweisdo-kument nicht die Menschenwürde verletze, währendandere Merkmale die Menschenwürde sehr wohl be-einträchtigten, halte ich für falsch. Ich habe das schonmehrfach erklärt; ich will es in diesem Hohen Hausewiederholen. In den Vereinigten Staaten von Amerikawerden seit jeher Resident Alien Cards verwendet.Darauf befindet sich ein Foto, aber auch ein Finger-abdruck. Niemand hat sich dadurch bisher in seinerMenschenwürde beeinträchtigt gefühlt. Es hat auchdem Zuzug von qualifizierten Fachleuten nicht ge-schadet.

Wir brauchen Änderungen im Vereinsgesetz. DieVerbotsgründe müssen erweitert werden. Wir dürfenes nicht dulden, dass sich Verfassungsfeindlichkeit indiesem Bereich organisiert. Ich glaube, dass wir auchdort schärfere Maßnahmen vorsehen müssen.

Wir werden Veränderungen im ausländerrecht-lichen Bereich, im Asylbereich vornehmen. Ich willsie nicht im Einzelnen aufzählen. Ich darf Sie, HerrMinisterpräsident Teufel, nur darauf hinweisen, dassin dem ursprünglichen Entwurf des Zuwanderungs-gesetzes, den ich Ihnen gerne noch einmal zuschicke,Vorschläge enthalten sind, die gerade der Verbesse-rung der Sicherheit dienen. Das, was Sie hier behaup-tet haben, nämlich der Rechtszustand in der Frage derSicherheit werde durch das Zuwanderungsgesetz ver-schlechtert, ist schlicht falsch.

(Erwin Teufel [Baden-Württemberg]: Ich habe von Visaerteilung gesprochen!)

– Nein. Ich glaube, das müssen Sie schon richtig nach-lesen. Wir haben bei der Reform des Staatsange-

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Bundesminister Otto Schily

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hörigkeitsrechts, die Sie auch nicht gerade geförderthaben, den Zugang zur deutschen Staatsbürgerschafterschwert oder jedenfalls so gestaltet, dass er Verfas-sungsfeinden oder Menschen, die es mit unseren Ge-setzen und mit unserer Gesellschaftsordnung nichtgut meinen, nicht gestattet wird.

Wir haben erfreulicherweise Übereinstimmung er-reicht, dass in allen Ländern eine Regelanfrage statt-findet. Einige Länder haben da gesetzlich Nachholbe-darf. Der Freistaat Sachsen muss erst noch seineGesetze ändern. Das wird er wohl auch tun.

Wir haben dabei Fälle von Menschen vor Augen – das will ich doch nicht verschweigen –, die sich hieraufgehalten haben und bei denen sich herausgestellthat, dass sie in terroristische Netzwerke verstricktsind; sie hatten zum Teil sogar Zugang zur deutschenStaatsbürgerschaft. Das alles sind jedoch Fälle unteraltem Recht, unter altem Ausländerrecht, unter altemStaatsangehörigkeitsrecht, Herr MinisterpräsidentTeufel. Deshalb verstehe ich nicht, dass Sie einer der-jenigen sind, die sich am stärksten gegen das Zuwan-derungsgesetz sperren.

Das verstehe ich umso weniger, als Sie hier dasThema „Integration“ angesprochen haben. Ich binIhnen dankbar dafür, dass Sie das getan haben. Wirstimmen darin überein, dass die Integrationsmaßnah-men verstärkt werden müssen. Aber wenn wir Vor-schläge dazu vorlegen, lehnen Sie sie von vornhereinab. Es gibt Leute, die sagen – wie ein Abgeordneterdes Deutschen Bundestages, der früher für Gesund-heitspolitik zuständig war und sich neuerdings in derInnenpolitik tummelt –, wir könnten in unseren Ent-wurf hineinschreiben, was wir wollten, es werdeimmer abgelehnt. So ungefähr hat er sich ausge-drückt.

Wenn wir verantwortliche Politik machen wollen,dann müssen wir auch an dieser Stelle etwas verän-dern, und zwar in zweierlei Hinsicht: Wir müssen dieSicherheitsstrukturen erheblich straffen. Wir müssendafür sorgen, dass sich nicht unter dem Deckmanteleines angeblichen Verfolgungsschicksals oder einesFlüchtlingsschicksals Menschen in Deutschland ein-schleichen und womöglich Aufenthaltstitel bekom-men. Jedenfalls was meine Seite angeht, so bin ichfest dazu entschlossen.

Auf der anderen Seite darf es nicht passieren, HerrMinisterpräsident Teufel, dass wir Deutschland vorder Welt abschotten, indem wir die Visaerteilung sohandhaben, dass niemand mehr zu uns kommt –keine Geschäftsleute, keine Wissenschaftler, keineStudenten, auch keine Besucher. Das wäre töricht.Dann hätten wir schon verloren. Wenn wir Deutsch-land in dieser Weise unter Quarantäne stellten, hätteder Terrorismus gewonnen. Das darf nicht der Sinnder Politik sein. Im Gegenteil, wir müssen dafür sor-gen, dass Deutschland ein weltoffenes und modernesLand bleibt. Dies ist der Inhalt unserer Gesellschafts-ordnung. Dafür setze ich mich ein.

Selbstverständlich müssen wir auch daran arbeiten– dazu sind in meinem Sicherheitspaket zahlreiche

Vorschläge enthalten –, dass die Dateien so gestaltetwerden, dass wir sie nicht nur für ausländerrechtlicheZwecke verwenden können, sondern dass sie in demgebotenen Maße auch den polizeilichen Institutionenzur Verfügung stehen.

Insofern gibt es einen Zusammenhang zwischenidentitätssichernden Maßnahmen und den Dateien.Wenn es so ist – und es ist so –, dass einer der Haupt-täter dieser schrecklichen Attentate in New York undin Washington mit drei verschiedenen Identitäten imAusländerzentralregister verzeichnet war, was nichtbemerkt wurde, dann ist dieser Zustand nicht hin-nehmbar, und es muss dafür gesorgt werden, dass esdamit ein Ende hat. Dafür werde ich mich einsetzen.

Wir werden Visadateien schaffen, sowohl in unse-rem Land – ich komme gleich auf Europa zurück; HerrSchelter hat das, wie ich finde, sehr gut dargestellt –als auch in Europa insgesamt. Selbstverständlichbrauchen wir auch eine Datei über abgelehnte Visa-anträge und Ähnliches. Ich will Ihnen nicht jedes De-tail vortragen.

Ich möchte einen weiteren Punkt erwähnen, der ineinigen Beiträgen angesprochen worden ist. Er gehörtnicht unbedingt zu meinem Zuständigkeitsbereich.Ich muss sehr sorgfältig darauf achten, dass ich meineKompetenz nicht überschreite – Herr StaatssekretärGeiger ist ohnehin anwesend –, aber ich glaube, ichdarf erwähnen, dass im Bundesjustizministerium sehrvernünftige Überlegungen angestellt werden, wieman künftig die Frage des Kronzeugen regeln soll.Die alte Kronzeugenregelung war auch nach meinerÜberzeugung keine ideale Lösung. Es darf beimKronzeugen nicht darum gehen, einen Handel zwi-schen Aussageverhalten und Straferleichterung zu er-möglichen. Die Glaubwürdigkeit eines Zeugen wirdnaturgemäß Zweifeln ausgesetzt, wenn man sagt: Duhast die Aussage nur gemacht, damit du die Strafer-leichterung bekommst. – Das muss Zweifel wecken.

Aber es ist für die Strafverfolgungsbehörden durch-aus hilfreich – das erweist auch die Praxis, etwa wennSie an die Pentiti bei der Bekämpfung der Mafia inItalien oder an bestimmte Vorfälle denken –, wenn einin ein strafbares Verhalten verwickelter Täter die Po-lizei zu einem Sprengstoffversteck oder zu einer kon-spirativen Wohnung führt oder zur Entdeckung desAufenthaltsortes eines Hauptverdächtigen bzw. einesanderen Verdächtigen beiträgt. Diesem Täter dannStrafmilderung anzubieten ist vernünftig, finde ich;das wird auch umgesetzt werden.

Lassen Sie mich noch einige Worte auf die Zusam-menarbeit von Bund und Ländern im Zivil- und Kata-strophenschutz verwenden. Dieses Thema ist nurstichwortartig angesprochen worden. Ich würde esIhnen gerne einmal in aller Ausführlichkeit vortragen,möchte es aber heute nicht unerwähnt lassen. Auchhier bedanke ich mich für die wirklich vertrauensvolleund gute Zusammenarbeit zwischen Bund und Län-dern. Wir haben schon längst vor dem 11. Septemberbegonnen, diesen Bereich umzuorganisieren, unddamit durchaus Erfolge erzielt.

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Die Tatsache, dass wir den Ländern im Verlaufe dernächsten Monate 650 hochmoderne leistungsfähigeFahrzeuge zur Verfügung stellen können – ABC-Er-kunder, Dekontaminationsfahrzeuge und Kranken-fahrzeuge –, beruht natürlich auf der Vorbereitungdieser Maßnahme. Wir haben den Stau bei der Fahr-zeugbeschaffung auflösen können. In Berlin undBrandenburg haben wir gestern sechs Fahrzeugeübergeben. Herr Bocklet, ich kann Ihnen die freudigeMitteilung machen, dass ich morgen dem KollegenBeckstein ebenfalls sechs Fahrzeuge übergebenwerde. Er hat schon angemahnt, dass er nicht zu kurzkommt. Er ist immer schnell dabei; das ist gut. Bayernmüssen zusammenhalten.

(Heiterkeit)

Gleiches wird in den übrigen Ländern in den nächs-ten Monaten geschehen. Die ABC-Erkunder werdenSie alle bis Januar nächsten Jahres erhalten, und bisMitte des nächsten Jahres folgen dann die übrigenFahrzeuge.

Es hat sich ausgezahlt, dass wir ein Konzept für denAusbau der Akademie für Notfallplanung und Zivil-schutz auf den Weg gebracht haben. Es hat sich eben-falls ausgezahlt, dass wir das Bundesamt für Zivil-schutz in das Bundesverwaltungsamt eingegliederthaben, weil dadurch Synergieeffekte erzielt undOverhead-Kosten vermieden werden konnten.

Ausdruck dieser guten Arbeit sind der Aufbau einesdeutschen Notfallvorsorge-Informationssystems unddie Inbetriebnahme der ersten Stufe eines satelliten-gestützten Kommunikationssystems zur Übertragungvon Warnungen. Sie wissen, dass unter der alten Re-gierung das Warnsystem abgebaut, aber nichts andessen Stelle gesetzt wurde. Damit meine ich die alteBundesregierung, natürlich nicht die Landesregierun-gen. Die Länder sind nicht betroffen; sie waren davonvöllig frei. Ich mache hier nur Komplimente an dieLänder, wie es sich im Bundesrat gehört.

Ich möchte etwas zur europäischen Ebene sagen.Ich wiederhole: Ich bin Herrn Professor Schelterdankbar dafür, dass er dieses Thema ebenfalls ange-sprochen hat. Er hat völlig Recht, wenn er sagt – ichmache mir das zu Eigen; das erkläre ich ständig –,dass die Herstellung von Sicherheit, vor allen Dingendie Bekämpfung von organisierter Kriminalität undinternationalem Terrorismus, nur gelingen kann,wenn sie international angelegt ist. Das führt weitüber die europäische Ebene hinaus. Herr ProfessorSchelter hat auf die Sitzung des Rates für Justiz undInneres am 20. September hingewiesen und deren Er-gebnisse begrüßt. Ich will in aller Bescheidenheit da-rauf hinweisen, dass diese Sitzung auf deutsche Ini-tiative zu Stande gekommen ist.

Auch ich finde, dass sich die Ergebnisse sehen las-sen können. Dazu gehören: der europäische Haftbe-fehl, die Koordinierung der laufenden Ermittlungendurch Bildung eines gemeinsamen Ermittlungsteamsunter Einbeziehung von Polizei, Staatsanwaltschaft,Europol und Pro-EUROJUST, die Task-Force bei Europol, in die Terrorismusexperten aus allen Län-dern entsandt werden, die verbesserte Informationunter den Mitgliedstaaten, die umgehende Ratifizie-

rung und Umsetzung der UN-Übereinkommen zurVerhütung und Bekämpfung der Finanzierung desTerrorismus, die Verbesserung und Verstärkung derZusammenarbeit an den Außengrenzen und Überwa-chungsmaßnahmen an den Binnengrenzen, die verstärkte Kontrolle und Zusammenarbeit bei derAusstellung von Identitätsdokumenten und Aufent-haltstiteln sowie die Durchführung von systemati-schen Kontrollen bei Identitätsdokumenten und Ähnliches bei der Visaerteilung. Sie, Herr Minister-präsident Teufel, haben insofern durchaus zu Rechtauf die Probleme bei der Visaerteilung, was die Si-cherheitsaspekte angeht, hingewiesen.

Zum Abschluss möchte ich sagen, dass wir zusätzli-che Maßnahmen vorgeschlagen haben. Ich bin derbelgischen Präsidentschaft dankbar, dass sie diese indie so genannte „Roadmap“ aufnehmen will. Dazugehört die Öffnung der EURODAC-Datenbank, dieleider noch nicht zu Stande gekommen ist; das machtes ziemlich mühsam, diese Maßnahme in Europa zu realisieren. Wenn ich Ihnen sagte, woran es noch hakt, würden Sie sich vielleicht etwas wundern;aber das will ich jetzt nicht tun. Jedenfalls muss dieEURODAC-Datenbank auch für polizeiliche Zweckegeöffnet werden und darf sich nicht auf ausländer-rechtliche Maßnahmen beschränken.

Es ist notwendig, dass die Sicherheitsbehörden dieErkenntnisse aus Visa-Konsultationsverfahren ver-wenden können. Wir brauchen gemeinsame Visada-teien nicht nur im nationalen Maßstab, weil man sonstauf dem Umweg über einen anderen Mitgliedstaatdoch nach Deutschland einreisen kann.

Wir brauchen ein europäisches Zentralregister füralle Drittstaatsangehörigen, die sich im Unionsgebietaufhalten, wenn Sie so wollen, ein europäisches Aus-länderzentralregister, wobei allerdings sichergestelltsein muss – in einigen Ländern gibt es so etwas nochnicht –, dass auch im nationalen Maßstab Ausländer-zentralregister eingerichtet werden. Wir brauchenMelderegister – es gibt nicht in allen Mitgliedstaatender Europäischen Union Melderegister; auch das istein Problem – und schließlich die Einführung neuerMethoden zur Identitätssicherung unter anderem inVisaanträgen und bei Aufenthaltstiteln, die beantragtwerden.

Gestatten Sie mir einen kleinen Hinweis, damitman nicht denkt, das alles sei neu und verwegen: InSpanien – das habe ich mir von meinem spanischenInnenministerkollegen bei dem jüngsten Treffen inQuedlinburg, bei den deutsch-spanischen Konsulta-tionen, berichten lassen – wird bei längerfristigenAufenthaltstiteln grundsätzlich ein Fingerabdruckverlangt. Was in Spanien möglich ist, sollte in anderenStaaten ebenfalls möglich sein.

Ich glaube also, dass wir auf einem guten Wegesind, und ich hoffe, dass wir im Geiste guter Zusam-menarbeit und nach kritischer Überprüfung dessen,was von Einzelnen vorgeschlagen wird, auch zueinem guten Gesetzgebungsvorhaben kommen. Ichfreue mich darauf, demnächst wieder im Bundesrat zusein und meine Vorschläge auf den Tisch legen zu

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Bundesminister Otto Schily

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können. Ich hoffe, dass wir dann auch Übereinstim-mung erzielen können. – Vielen Dank.

Präsident Kurt Beck: Vielen Dank, Herr Bundesmi-nister!

Herr Kollege Teufel hat sich zu Wort gemeldet. Ichbin mir nicht sicher, ob er jetzt das Lob aussprechenwird, das sich der Herr Bundesminister gewünschthat. Aber er sollte getröstet sein; denn nicht getadeltzu werden ist häufig schon Lob genug.

(Heiterkeit)

Erwin Teufel (Baden-Württemberg): Herr Präsident,meine Damen und Herren! Ich möchte wenige Sätzezu dem anmerken, was der Herr Bundesinnenministergesagt hat. Ich halte fest, dass er auf keinen einzigenVorschlag, den wir in unserem Antrag gemachthaben, ablehnend reagiert, sondern eine umfassendePrüfung zugesagt hat. Das könnte Sie, meine Damenund Herren Kollegen, veranlassen, unserem Antragzuzustimmen, zumal auch Herr Kollege Clement imzweiten Teil seiner Ausführungen, in dem er konkretgeworden ist, Zustimmung zu allen wesentlichenPunkten, die wir vorgeschlagen haben, signalisierthat. Es wäre schade, wenn es in dieser zentralenFrage nicht zu einem Einvernehmen käme.

Zum Zweiten: Sie haben darauf hingewiesen, dasses sich bei unserem Antrag ausschließlich um Maß-nahmen handelt, die auf Bundesebene zu treffen sind,und Sie haben gefragt: Was tun denn eigentlich dieLänder? Herr Bundesinnenminister, der Bundesrat istkeine Länderkammer, sondern ein Bundesorgan; des-wegen befassen wir uns hier mit den Maßnahmen, dieauf Bundesebene zu treffen sind. In den Landtagender 16 Länder geht es dann sehr konkret um die Maß-nahmen, die wir auf Landesebene treffen müssen. Wirbeschäftigen uns – schon vor dem 11. September undauch danach – selbstverständlich mit sehr konkretenMaßnahmen auf Landesebene und stimmen sie unter-einander ab; das habe ich ausdrücklich lobend er-wähnt.

Sie haben sodann an die Adresse der früheren Bun-desregierung – ich fühle mich davon nicht betroffen –gesagt, in den 90er-Jahren seien Mittel für den Bun-desgrenzschutz abgebaut worden.

Erstens weise ich darauf hin, dass die Steuerschät-zungen exakt seit Februar 1991 von Halbjahr zuHalbjahr um Milliardenbeträge zurückgegangen sindund dass dies Auswirkungen auf die öffentlichenHaushalte hatte, während in den letzten zwei, dreiJahren wieder wesentliche Steuermehreinnahmenbei Bund, Ländern und Gemeinden zu verzeichnenwaren.

Zum Zweiten mache ich darauf aufmerksam, dassdie Situation des Bundesgrenzschutzes – Sie habendie ehemalige Zonengrenze und die Aufgaben dortangesprochen – in den 90er-Jahren eine andere ge-wesen ist als in früheren Jahrzehnten.

Sie stellten fest, dass in unserem Antrag nichts überdie Finanzströme enthalten sei. Vielleicht ist Ihnenaufgefallen, dass wir keinen einzigen der Punkte wie-der aufgegriffen haben, die in Ihrem Sicherheitspaket Ioder etwa in den Initiativen des Bundesfinanzminis-ters enthalten sind. Wir wollen keine Wiederholun-gen, sondern unser Antrag ist weiter führend undgeht mit 40 oder 50 Punkten über das hinaus, was vonIhnen in dem Sicherheitspaket I und vom Bundesfi-nanzminister längst initiiert wurde und was – übri-gens mit unserer Zustimmung – in den letzten Wo-chen beschlossen worden ist.

Aber man muss darüber hinaus etwas tun. Dashaben Sie mit einem Sicherheitspaket II auch vor. Ichhabe Ihnen heute Morgen signalisiert, wir würdeneinem Sicherheitspaket II zustimmen. Ich glaubeaber, Sie haben damit eher Probleme in Ihrer heuti-gen und mit Ihrer früheren Partei. Wenn Sie schonvon Lob und Tadel reden, dann sollten Sie Lob undTadel an der jeweils richtigen Stelle anbringen – viel-leicht Lob bei denjenigen, die Sie unterstützen, undTadel bei denen, die Ihnen im Augenblick nochSchwierigkeiten machen.

Zur Visaerteilung habe ich das Notwendige gesagt.Es wäre ein Leichtes – es bedarf keines Gesetzes, esbedarf keiner Verordnung, und immerhin sind seitdem 11. September fünf Wochen ins Land gezogen –,wenn der Bundesaußenminister Erlasse – die ich, wasdie Vergangenheit betrifft, jetzt nicht kritisieren will –,die er an die deutschen Auslandsvertretungen ausge-geben hat und in denen er zu Großzügigkeit bei derVisaerteilung aufgefordert hat, änderte oder striche.Die neue Sicherheitslage erfordert eben ein anderesVerhalten.

Sie haben dann gesagt, erfreulicherweise hättensich alle Länder darauf verständigt, bei Einbürgerun-gen eine Regelanfrage einzuführen. „Erfreulicher-weise“ kann sich nicht auf die antragstellenden Län-der beziehen; denn diese führen die Regelanfrageschon seit Jahren durch. Darauf möchte ich hinwei-sen.

Beim Thema „einreisebegrenzende Maßnahmen“haben Sie ein Phantom aufgebaut. Sie haben gesagt,wir sollten uns nicht abschotten und keinem Ge-schäftsmann und keinem Touristen die Einreise inunser Land verweigern. Wer will das denn tun? Wirwollen durch eine restriktivere Praxis bei der Visaer-teilung potenzielle Terroristen, potenzielle Straftäterdavon abhalten, in unser Land zu kommen.

Zu Ihrer Aufforderung, Ihrem Zuwanderungsgesetzzuzustimmen, will ich Ihnen sagen: Sie werden jeder-zeit Zustimmung erhalten, wenn es sich de facto, inder Praxis, bei den konkreten Maßnahmen um einGesetz zur Zuwanderungsbegrenzung handelt, nichtnur um ein Gesetz, das weitere Zuwanderung inunser Land ermöglicht.

So viel in Kürze zu Ihren Ausführungen.

Präsident Kurt Beck: Schönen Dank, Herr KollegeTeufel!

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Bundesminister Otto Schily

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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. – Je eineErklärung zu Protokoll*) geben ab: Herr Staatsminis-ter Bocklet (Bayern), Herr Staatsminister Zuber(Rheinland-Pfalz) und Herr Minister Möller (Schles-wig-Holstein).

Zu Punkt 45 weise ich darauf hin, dass Schleswig-Holstein den Antrag auf sofortige Sachentscheidungzurückgezogen hat.

Zur weiteren Beratung weise ich den Gesetzent-wurf zur Änderung des Feuerschutzsteuergesetzesdem Finanzausschuss – federführend – und dem Aus-schuss für Innere Angelegenheiten – mitberatend –zu.

Wir kommen zu Punkt 46: Entschließung zur Ergän-zung der Verwaltungsvorschrift zum Staatsangehörig-keitsrecht.

Ausschussberatungen haben noch nicht stattgefun-den. Bayern hat jedoch beantragt, bereits heute in derSache zu entscheiden. Wer für sofortige Sachentschei-dung ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Das isteine Minderheit.

Dann weise ich die Vorlage dem Ausschuss für In-nere Angelegenheiten zu.

Wir fahren fort mit Punkt 47: Entschließung zurBekämpfung des internationalen Terrorismus.

Ausschussberatungen haben auch hierzu nochnicht stattgefunden. Baden-Württemberg hat jedochdie sofortige Sachentscheidung beantragt. Wer dafürist, bereits heute in der Sache zu entscheiden, denbitte ich um das Handzeichen. – Das ist eine Minder-heit.

Dann weise ich die Vorlage dem Ausschuss für Innere Angelegenheiten – federführend – sowie demAgrarausschuss, dem Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik, dem Ausschuss für Fragen der Eu-ropäischen Union, dem Finanzausschuss, demRechtsausschuss, dem Umweltausschuss und demWirtschaftsausschuss – mitberatend – zu.

Wir kommen zu Punkt 48: Gesetzentwurf zur Ände-rung des Sozialdatenschutzes.

Ich weise die Vorlage folgenden Ausschüssen zu:dem Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik – feder-führend – sowie dem Gesundheitsausschuss und demAusschuss für Innere Angelegenheiten – mitbera-tend.

Diesen Komplex abschließend, komme ich zu Punkt49: Gesetzentwurf zur Änderung des Ausländergeset-zes.

Zur weiteren Beratung weise ich die Vorlage demAusschuss für Innere Angelegenheiten – feder-führend – und dem Rechtsausschuss – mitberatend – zu.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 33 auf:

Erste Verordnung zur Änderung der Tier-schutz-Nutztierhaltungsverordnung (Druck-sache 429/01)

Hierzu liegt eine Reihe von Wortmeldungen vor. Icherteile Frau Ministerin Höhn (Nordrhein-Westfalen)das Wort. – Ihr folgt Frau Staatsministerin Conrad(Rheinland-Pfalz).

Bärbel Höhn (Nordrhein-Westfalen): Meine Damenund Herren! Unter dem zweiten Tagesordnungspunkteiner Bundesratssitzung wird immer über ein wichti-ges Thema diskutiert. Wir beraten heute unter demzweiten Tagesordnungspunkt über die Legehennenin diesem Land.

Sie haben es in der Hand: Sie fällen heute einewichtige Entscheidung für die Legehennen in diesemLand. Die Frage ist: Wird es ein guter Tag für die Le-gehennen in Deutschland? Wir können es erreichen.

Die Grundlage für die heutige Entscheidung ist vorgut zwei Jahren gelegt worden. Das Land Nordrhein-Westfalen hat beim Bundesverfassungsgericht Klagegegen die geltende Hennenhaltungsverordnung ein-gereicht mit dem Argument, sie verstoße gegen denTierschutz und sei daher rechtswidrig. Das Bundes-verfassungsgericht hat die Klage des Landes Nord-rhein-Westfalen positiv beschieden. Worum geht esin dem Urteil?

Das Bundesverfassungsgericht hat den Legehennenin diesem Land Rechte zugebilligt: das Recht, gleich-zeitig zu fressen, das Recht, gleichzeitig zu schlafen,das Recht, Eier in ein Nest zu legen, das Recht, imSand zu baden, und das Recht hochzuflattern. Wirwollen und müssen die Rechte, die das Bundesverfas-sungsgericht den Legehennen in diesem Land gege-ben hat, umsetzen.

Ein wesentlicher Punkt der Hennenhaltungsverord-nung ist der Platz. Einer Henne in Deutschland wirddarin weniger als ein DIN-A4-Blatt Platz zugestan-den. Das Bundesverfassungsgericht sagt: Die Hennenin diesem Land brauchen mehr Platz.

Ursache für das Urteil und die Wende in der Tier-haltung in Deutschland war sicherlich die praktizierteBatteriekäfighaltung, eine Entwicklung, die allein aufden Preis und wenig auf den Tierschutz abstellt.

In den 50er-Jahren bekam ein Industriearbeiter fürseinen Bruttostundenlohn statistisch 5,8 Eier. 1997 er-hielt er dafür 136 Eier. Man kann sich vorstellen, dasssich in der Legehennenhaltung in diesem Land etwasgeändert hat. Dass man 136 Eier nicht essen sollte – zumindest nicht auf einmal –, ist eine andere Frage.Aber angesichts von 5,8 Eiern in den 50er-Jahren und136 Eiern in den 90er-Jahren müssen sich hier dieVerhältnisse geändert haben.

Unter „Agrarfabriken“ stellen sich die meisten ver-mutlich Batteriekäfighaltung vor und haben Exzessein Erinnerung, z. B. den Industriellen Pohlmann, derseine Hennen mit Nikotin besprühte, um in den Batte-riekäfigen hygienische Zustände herzustellen. DieHaltung und die Exzesse waren die Ursache dafür,eine Wende herbeizuführen, die Hennenhaltungsver-ordnung zu ändern und für mehr Tierschutz auch inder Nutztierhaltung zu sorgen.

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Präsident Kurt Beck

*) Anlagen 1 bis 3

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Meine Damen und Herren, mit der von der Bundes-regierung vorgelegten Hennenhaltungsverordnungkönnen wir das erreichen. Ich plädiere dafür, ihr zu-zustimmen und den Hennen mehr Rechte einzuräu-men.

Die Verbraucher in unserem Land stehen auf unse-rer Seite. 90 % wollen eine neue Hennenhaltungsver-ordnung. Sie sind für die Regelungen der Bundesre-gierung. Nun wird eingewandt, dass mit anderenHaltungsformen ein höherer Preis verbunden sei. Ichsage Ihnen: Das hat auch mit der Kennzeichnung zutun. Haben Sie auf den Verpackungen der Eier, die inden Geschäften verkauft werden, jemals einen Hin-weis auf Batteriekäfighaltung gesehen? Eigentlichmüssten auf 90 % der Eierverpackungen Hennen ineinem Batteriekäfig abgebildet sein. Dann wüsstendie Verbraucher, wie die Eier produziert werden. Tat-sache ist: 90 % der Eier werden von Hennen, die inBatteriekäfigen gehalten werden, produziert, aber 90 % der Bevölkerung wollen solche Eier nicht. Dasheißt: Die Kennzeichnung ist entscheidend. Die Ver-braucherinnen und Verbraucher werden die neueQualität anerkennen, indem sie einen höheren Preisfür die Eier zahlen.

Meine Damen und Herren, Sie haben es heute inder Hand. Sie können 90 % der Verbraucherinnenund Verbraucher und den Legehennen in diesemLand einen guten Dienst erweisen, wenn Sie derNutztierhaltungsverordnung der Bundesregierungzustimmen.

Sie finden die Unterstützung nicht nur der Verbrau-cher, sondern auch der bekannten Musikgruppe „DeHöhner“ aus Köln. Diese haben anlässlich der heuti-gen Sitzung die CD „Johanna, das Huhn“ verteilt. IhrMotto will ich Ihnen allen ans Herz legen: „FreieHühner braucht das Land.“ – Vielen Dank fürs Zu-hören.

Präsident Kurt Beck: Vielen Dank, Frau Ministerin!

Das Wort hat Frau Staatsministerin Conrad. – Ihrfolgt Herr Staatsminister Bocklet (Bayern).

Margit Conrad (Rheinland-Pfalz): Herr Präsident!Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nicht nurfreie Hühner braucht das Land, liebe Kollegin Höhn,glückliche Hühner braucht das Land ebenfalls. Ichmeine, wenn wir die Verordnung heute verabschie-den, gibt es freie und glückliche Hühner.

Die Landesregierung von Rheinland-Pfalz begrüßtund unterstützt den Verordnungsentwurf der Bundes-regierung in allen wesentlichen den Tierschutz be-treffenden Aspekten. Insbesondere wollen wir errei-chen, dass mit der herkömmlichen Käfighaltungmöglichst bald – 2006 – Schluss ist. Die Käfighaltungist anstößig für alle, die sich der artgerechten Haltungvon Nutztieren verbunden fühlen. Ich habe den Ein-druck, die bisherigen Beratungen haben gezeigt, dasswir in dieser Frage im Grundsatz nicht weit auseinan-der liegen.

Für die Rheinland-Pfälzische Landesregierung istder Tierschutz unverzichtbar und ein Wert an sich.

Rheinland-Pfalz gehört zu den Bundesländern, dieden Tierschutz als Staatsziel in der Landesverfassungverankert haben.

Auf Initiative unseres Landes hat der Bundesrat be-reits 1997 eine Verbesserung des Tierschutzes bei derHaltung von Legehennen in der Europäischen Uniongefordert. Heute haben wir durch unser Abstim-mungsverhalten die Chance, damit Ernst zu machen,indem wir nicht nur eine mittlerweile vorliegende EU-Richtlinie in nationales Recht umsetzen, sondern überdie EU-Vorgaben hinaus eigene nationale Maßstäbesetzen, die künftig Standards in Europa definierenmüssen. Dies zu erreichen wird ein gemeinsamesStück Arbeit sein, geradezu sein müssen.

Ich verstehe es gut, dass die Hennenhaltungsver-ordnung zurzeit das wichtigste Thema der Tierschüt-zerinnen und Tierschützer in unserem Lande ist. DieVerordnung ist aber mehr. Sie verbindet ein hohesMaß an Gesundheitsschutz für Verbraucher und Ver-braucherinnen mit einem möglichst weit gehendenSchutz für Nutztiere und dem verständlicherweiseökonomischen Interesse der Halter. Bei der Verord-nung geht es um die Integration dieser Fragen. Ichmeine, es wäre nicht angemessen und nicht akzepta-bel gewesen, den Tierschutz in diesem Falle z. B. überden Verbraucherschutz zu stellen.

Die Übergangsfrist von fünf Jahren – das betrifftdie ökonomischen Interessen, die berechtigterweisegeäußert werden – lässt für die Umstellung in den Be-trieben unseres Erachtens ausreichend Zeit. FrauHöhn hat mit Recht auf das Urteil des Bundesverfas-sungsgerichts hingewiesen. Es darf nicht sein, dassman längere Abschreibungsfristen braucht, weil mannoch nach dem Urteil in traditionelle Käfighaltung in-vestiert hat.

Mögliche Wettbewerbsverzerrungen im europäi-schen Maßstab nehme ich dennoch ernst. Ich bitte dieBundesregierung, zusammen mit den Ländern dieVermarktung der in jeder Hinsicht besseren Produktezu fördern und damit auch die Erzeuger zu unterstüt-zen.

Tierschutz – dieses Thema ist von meiner Kolleginebenfalls angesprochen worden – braucht das Bünd-nis mit den Verbrauchern und Verbraucherinnen.Wie Natur- und Artenschutz in der Landwirtschaft hater seinen Preis. Manche wohl auf Abwehrmotiven be-ruhende Szenarien für Eierpreise halte ich für absolutüberzogen. Ich habe gelesen, die Eierpreise stiegenauf 50 bis 60 Pfennig. Das halte ich für unrealistisch.Ich kaufe regelmäßig Eier aus Boden- oder Freiland-haltung auf einem Direktvermarkter-Markt für 35bzw. 40 Pfennig.

Das Bündnis mit den Verbraucherinnen und Ver-brauchern funktioniert nur, wenn wir Transparenzbieten – für die Käufer und Käuferinnen über eineKennzeichnungspflicht, aus der die Haltungsart derHennen eindeutig hervorgeht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Men-schen in unserem Lande wünschen – das spürt man –eine Neuausrichtung in der Agrarwirtschaft. Sie be-ruht im Wesentlichen auf vier Säulen: verbessertem

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Bärbel Höhn (Nordrhein-Westfalen)

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Verbraucherschutz, einem Mehr an Natur- und Arten-schutz in der Landwirtschaft, der Stärkung regionalerMärkte und einem verbesserten Tierschutz. Die Hen-nenhaltungsverordnung ist Teil der Neuausrichtung.

In diesem Sinne wünsche ich mir – nach der Abstim-mung – freie und glückliche Hühner. – Vielen Dank.

Präsident Kurt Beck: Vielen Dank, Frau KolleginConrad!

Das Wort hat Herr Staatsminister Bocklet (Bayern).

Reinhold Bocklet (Bayern): Herr Präsident! Verehr-te Kolleginnen und Kollegen! Bayern setzt sich dafürein, die herkömmliche Käfighaltung ab dem 31. De-zember 2009 zu verbieten. Das ist früher, als die Eu-ropäische Union mit dem Jahr 2012 in ihrer Richtlinievorschreibt, und später, als von der Bundesregierungmit 2006 vorgeschlagen.

Damit setzen wir einerseits ein Zeichen für den Tier-schutz, erkennen andererseits gleichzeitig die berech-tigten Interessen der Landwirtschaft an, die inDeutschland durchaus unterschiedlich, aber gerade inden neuen Bundesländern von besonderer Bedeutungsind. Wir überfordern die Landwirtschaft nicht, ma-chen Investitionen nicht unwirksam und schaffenkeine enteignungsgleichen Tatbestände.

Auch Bayern hält das Aus der Käfighaltung für rich-tig. Wir wissen nicht erst seit dem Urteil des Bundes-verfassungsgerichts, dass die Unterbringung von Le-gehennen in Käfigen ohne Infrastruktur, auf einerDreiviertel-DIN-A4-Seite je Tier, auf keinen Fall mitTierschutz vereinbar ist.

Bayern setzt sich deshalb schon seit Jahren füreinen EU-weiten Ausstieg aus der Käfighaltung ein.Wir haben es auch nicht bei vagen Forderungen be-lassen, sondern im eigenen Land gehandelt: Seit 1997ist in den bayerischen Staatsbetrieben die Käfig-haltung restlos abgeschafft. Ich selbst habe das da-mals als zuständiger Ressortchef auf der Grundlageeines Kabinettbeschlusses verfügt.

Aber wir dürfen den Tierschutz nicht einseitig aufdem Rücken der Bauern umsetzen, egal was im eu-ropäischen Binnenmarkt gilt. Und wir wollen nichteinseitig die deutsche Landwirtschaft dafür büßenlassen, wenn Sie, Frau Künast, in Brüssel einen frühe-ren Termin nicht durchsetzen können. Um es klar-zustellen: Ihren Verordnungsentwurf lehnen wir ab.

Bayern lehnt es auch ab, die so genannten ausge-stalteten Käfige allgemein zuzulassen. Diese Systemehaben noch nicht bewiesen, dass sie tatsächlich einenFortschritt bringen, dass sie es den Tieren ermögli-chen, ihre Grundbedürfnisse so auszuleben, wie esdas Tierschutzgesetz verlangt.

Die heutige Entscheidung für den Ausstieg aus derKäfighaltung betrachten wir nicht als Kampfansagean die Landwirtschaft. Im Gegenteil, wir wollen, dassdie bäuerlichen Betriebe weiterhin Hennen haltenund Eier produzieren können. Wir wollen, dass unsereLandwirte auch in Zukunft einen Markt in Deutsch-land haben. Wer dies will, muss den Ausstieg aus derKäfighaltung in vernünftige Bahnen lenken.

Das Ausstiegsdatum 2009 erlaubt eine endgültigeEntscheidung auf fundierten Grundlagen: Erst dann,wenn die Pilotversuche in Deutschland abgeschlossensind, erst wenn nach Vorlage des Kommissions-berichts eine fachliche Neubewertung aller Haltungs-systeme stattgefunden hat, haben die Landwirte einefundierte Entscheidungsgrundlage, auf welche Hal-tungssysteme sie in der Zukunft setzen können.

Wir wollen eben nicht, dass die Hennenhaltung inDrittländer mit niedrigem Tierschutzniveau abwan-dert. Es ist doch blauäugig, hier die Anforderungen zuverschärfen, um anschließend, weil die eigene Pro-duktion kaputtgegangen ist, Eier aus Ländern ein-führen zu müssen, in denen sehr viel niedrigere Tier-schutzstandards gelten.

Wir in Bayern lassen die bäuerlichen Betriebe, dievor der Umrüstung auf Boden- oder Volierenhaltungstehen, nicht allein. In unserer Verbraucherschutz-initiative stehen 150 Millionen DM allein für die Förderung artgerechterer Tierhaltungssysteme zurVerfügung. Daran können und werden auch die Le-gehennenhalter teilhaben.

Mit der von Ihnen, Frau Künast, vorgelegten Ver-ordnung ist es in keinem Falle getan. Wir brauchenweitere Maßnahmen auf europäischer Ebene, soll derdeutsche Vorstoß für mehr Tierschutz nicht unter-laufen werden. Wir fordern die Bundesregierung des-halb auf, EU-weit darauf hinzuwirken, dass die übri-gen Mitgliedstaaten die Richtlinie in gleicher Weisewie Deutschland umsetzen, also den Vollzug vorzie-hen. Das ist eine lohnende Aufgabe, der Sie sich aufder Brüsseler Ebene widmen können. So werdennicht nur einseitige Wettbewerbsnachteile für diedeutsche Geflügelwirtschaft vermieden, so wird auchder Tierschutz in Europa insgesamt verbessert – unddarum muss es gehen.

Mehr Tierschutz gibt es aber nicht zum Nulltarif.Alle Umfragen belegen, dass die große Mehrheit derBürgerinnen und Bürger dieses Landes die Käfighal-tung von Legehennen ablehnt. Wer dem Rechnungtragen will, muss seinen Teil dazu beitragen, dasstiergerechtere Haltungsformen in Deutschland auchunter wirtschaftlichen Gesichtspunkten eine Chancehaben. Es genügt nicht, Frau Höhn, Bilder von Käfi-gen auf die Eierschachteln zu kleben. Das lässt imErnstfall viele Verbraucher kalt, wenn es ein paarPfennig billiger ist. Entscheidend ist, dass wir diewirtschaftlichen Rahmenbedingungen und die Rah-menbedingungen für den Tierschutz in ganz Europagleich gestalten. Dann kann nicht das passieren, waswir alle befürchten müssen, wenn wir einen nationa-len Alleingang vornehmen.

Ich appelliere an die Verbraucher: Unterstützen Siedurch Ihr bewusstes Kaufverhalten die Landwirte, diebereits jetzt auf Käfige verzichten! Sie beweisendamit, dass Tierschutz in Deutschland kein Lippenbe-kenntnis, sondern eine allseits akzeptierte ethischeVerpflichtung ist.

Präsident Kurt Beck: Danke schön, Herr MinisterBocklet!

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Margit Conrad (Rheinland-Pfalz)

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Das Wort hat Frau Künast, Bundesministerin fürVerbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft.

Renate Künast, Bundesministerin für Verbraucher-schutz, Ernährung und Landwirtschaft: Sehr geehrterHerr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Der Auftrag der Verbraucherinnen und Verbrau-cher war und ist eindeutig: Die Landwirtschaft inDeutschland soll mit Tier- und Umweltschutz Hand inHand gehen.

Die Käfighaltung von Legehennen ist hier seit jeherein besonderes Sinnbild einer industrialisiertenAgrarproduktion. Ihr Ziel heißt: Steigerung der Pro-duktion, Steigerung der Produktivität ohne Rücksichtauf Tiere und Umwelt.

Was hat sich ereignet? In den letzten Jahrzehntenhaben sich Forschung und Zucht systematischbemüht, die Käfighaltung zu „optimieren“. Wie wirwissen, ist das in schrecklicher Weise auf Kosten derHennen erfolgt. Das Ergebnis sind wahre Wunder-tiere, die im Durchschnitt 280 Eier im Jahr legen, inDänemark sogar 370, die aber für andere Haltungs-formen als im Käfig nicht mehr zu gebrauchen sind,weil sie infolge einseitiger Selektion verhaltens-gestört sind. Wenn sie sich unter normalen Hennenbewegen, werden sie zu „Kannibalen“, weil sieaggressiv gezüchtet wurden. DurchrationalisierteKäfiganlagen werden vielen Interessen gerecht, nurnicht denen der Hühner. Aber trotz aller Züchtung isteines noch nicht gelungen, nämlich „käfiggerechteeierlegende Maschinen“ zu züchten.

Die Käfighaltung, wie sie heute praktiziert wird,entspricht nicht den ethischen Vorstellungen vonTierschutz. Sie entspricht auch nicht der Verantwor-tung des Menschen für seine Mitgeschöpfe, die Tiere.Die Regelungen, die die Bundesregierung vorgelegthat, beenden sie. Sie dokumentieren, dass der Tier-schutz in der neuen Agrarpolitik den Stellenwert er-hält, den er verdient.

Meine Damen und Herren, quer durch alle Bundes-länder gilt – wir haben dazu eine Umfrage gemacht –:Neun von zehn Verbraucherinnen und Verbrauchernlehnen die Käfigbatteriehaltung ab. Genauso vielesind bereit, mehr für Eier aus Boden- und Freiland-haltung zu bezahlen. Tausende von Bürgern habensich gerade in den letzten Monaten mit Demonstra-tionen, Aktionen und Briefen für die Abschaffung derKäfige eingesetzt. Mit einem „Weiter so!“ würden wirden gesellschaftlichen Konsens in der Bundesrepu-blik Deutschland bewusst missachten.

Wie hat alles angefangen? Im Jahr 1987 hat dasLand Nordrhein-Westfalen, unterstützt z. B. von Nie-dersachsen und Hessen, Klage gegen die Hennenhal-tungsverordnung von 1987 beim Bundesverfassungs-gericht eingereicht. Das Bundesverfassungsgerichthat mit seinem Urteil vom Juli 1999 die alte Verord-nung für verfassungswidrig erklärt.

Auch der Bundesrat hat immer wieder die Abschaf-fung der Käfighaltung gefordert, letztmals 1998 in sei-nem Beschluss zur europäischen Hennenhaltungs-richtlinie. In diesem Beschluss wurden eine möglichst

kurze Übergangsfrist zur Abschaffung der herkömm-lichen Käfige und sogar die Option gefordert, mitBlick auf die EG-Richtlinie einen nationalen Allein-gang zu unternehmen. Mit der EG-Richtlinie zur Hen-nenhaltung ist im ersten Halbjahr 1999 – während derdeutschen Präsidentschaft – ein wichtiger Schritt nachvorn gelungen: Herkömmliche Käfigbatterien sind ab1. Januar 2012 verboten.

Mit dem heute vorliegenden Verordnungsentwurfwird die Richtlinie der EG nicht nur in nationalesRecht unter Beachtung der Vorgaben des Bundesver-fassungsgerichts und der zu Recht bestehenden Er-wartungen der Menschen umgesetzt. Wir nehmendarüber hinaus eine Vorreiterrolle im Tierschutz inEuropa ein; denn nach unserem Entwurf soll die Kä-figbatteriehaltung in Deutschland nur noch über-gangsweise zulässig sein. Damit geht die Verordnungklar über die Mindestanforderungen der EG-Hennen-haltungsrichtlinie hinaus. Neue Haltungseinrichtun-gen für Hennen müssen so ausgestaltet sein, dass dieTiere artgerecht fressen, trinken, ruhen, staubbadenund sich – so lustig es sich anhört, aber das tun Hüh-ner nun einmal – zur Eiablage ins Nest begeben kön-nen. Die Hennen sollen genug Platz haben, um sichfrei bewegen zu können.

Meine Damen und Herren, das „gemeine Haus-huhn“ – unter Fachleuten: „Gallus gallus“ – gehört zuden Hühnervögeln. Sie erkennen an dem Wortteil„Vogel“, worauf der Schwerpunkt liegt. Entspre-chend sind Hühnervögel auch mit einem spezifischenVerhaltensrepertoire ausgestattet. Dazu gehören ins-besondere das Flügelschlagen, was sie auf dem weni-ger als ein DIN-A4-Blatt kleinen Platz nicht tun kön-nen, das Flattern und das Staubbaden. Wenn dieseihnen natürlich innewohnenden Verhaltensweisenunterdrückt werden müssen, dann leiden sie. Genaudas ist in den herkömmlichen wie in den so genann-ten ausgestalteten Käfigen der Fall.

Wir schaffen mit der Umsetzung der Verordnungauch im Sinne des Bundesverfassungsgerichts einenfairen Ausgleich zwischen ethisch begründetem Tier-schutz und den Interessen der Tierhalter. Für bereitsbestehende Betriebe gibt es ausreichende rechtlicheÜbergangsfristen. Sie sind aus Vertrauensschutzgrün-den erforderlich. Ich habe mich darüber gefreut, dassdie von uns vorgeschlagene Übergangsfrist bis 2006auch vom Rechtsausschuss des Bundesrates für aus-reichend und verfassungsgemäß gehalten wird. Sieentspricht im Übrigen dem Beschluss des Bundesratesvon 1998.

Manche, meine Damen und Herren, haben sich inden letzten Wochen darum bemüht, den Eindruckentstehen zu lassen, die Verordnung wäre das Endeder Hennenhaltung in Deutschland. In einer Studieder Geflügelwirtschaft in Niedersachsen wird fest-gestellt, dass sich der Selbstversorgungsgrad inDeutschland, wenn die Hennenhaltungsverordnungdurchgesetzt wird, wie sie vorgelegt wurde, im Ver-hältnis zur EG-Richtlinie lediglich um 5 % reduziert.Sie sehen also: Der Unterschied zur EG-Richtlinie ist,was die Abschaffung der ausgestalteten Käfige an-geht, zwar groß, aber der Selbstversorgungsgrad re-duziert sich nur um 5 %. Ich halte dies aus wirtschaft-

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Präsident Kurt Beck

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licher Sicht für nicht sehr gravierend und merke an,dass die Studie nicht berücksichtigt, welche flankie-renden Maßnahmen die Bundesregierung umsetzenwill, um den Konsum von Eiern von „glücklichen“Hühnern zu steigern.

Im Übrigen wurde festgestellt: Der Investitionsbe-darf in moderne – die ausgestalteten – Käfige ist ex-trem hoch. Deshalb sagt die Geflügelwirtschaft selber,das lohne sich nicht; dann profitiere sie von den aus-gestalteten Käfigen relativ wenig. Der Kompromiss„ausgestaltete Käfige“ wäre somit nur eine kostspie-lige Zwischenlösung. Wir geben den Hennenhalternjetzt Planungs- und Investitionssicherheit und dieChance, Qualität aus Deutschland neu zu definieren.Lassen Sie uns mit den Eiern der Legehennen „Madein Germany“ neu definieren! Früher hat man darunterimmer technische Erzeugnisse verstanden; warumsollte man in Zukunft bei einem boomenden interna-tionalen Lebensmittelmarkt darunter nicht auch Eieraus Boden- und Freilandhaltung verstehen? Wir un-terstützen die neuen Investitionen, wir werden dieUmstellung auf artgerechte Tierhaltungssysteme, dieAufstockung dieser Art, die Tiere zu halten, finanzie-ren.

Zum Thema „Beschäftigungsabbau“ möchte undmuss ich anmerken, dass die alternativen Haltungs-formen wesentlich arbeitsintensiver sind. Sie erfor-dern einen höheren Betreuungsaufwand als die kom-plett automatisierten Käfige und schaffen insofernauch den einen oder anderen Arbeitsplatz.

Ich weiß, dass Regionen mit hoher Viehdichte durchdie Verordnung stärker betroffen sind als andere. Dasgilt insbesondere für Betriebe, in denen weit mehr als50 000 Tiere in Käfigen gehalten werden. Hier wer-den Betriebserweiterungen, also eine Erhöhung derAnzahl der Tiere, kaum möglich sein. Dafür eröffnenwir aber neue Chancen für kleinere Betriebe, die imÜbrigen, wenn ich bedenke, wie schnell sich bei An-trägen auf Neuanlagen Bürgerbewegungen gründen,am Markt wahrscheinlich mehr Möglichkeiten haben.Auch dies ist ein Beitrag zur Schaffung des einen oderanderen Arbeitsplatzes.

Viele haben versucht, einen Gegensatz zwischenTier- und Umweltschutz zu konstruieren. Ich meine,dies ist ein lösbares Problem. Wir wissen, dass die Kä-fighaltung, bezogen auf den einzelnen Tierplatz, ge-ringere Emissionen verursacht als offene Haltungsfor-men. Deshalb soll es aber kein Zurück zum Käfiggeben, sondern es müssen neue Strategien entwickeltwerden, die Tierschutz und Umweltschutz miteinan-der vereinbaren. Auf Initiative des Bundesministeri-ums für Verbraucherschutz ist diesbezüglich der Dis-kussionsprozess mit externen Expertinnen undExperten bereits in vollem Gange. Ich weiß, dass vieleUmweltminister der Länder dabei gerne mitmachen.

Es gab das Argument, die Ergebnisse der Pilotver-fahren zu den ausgestalteten Käfigen abzuwarten.Dazu ist Folgendes zu sagen: Die Pilotverfahren undihre wissenschaftliche Begleitung sind wichtig, weildie ausgestalteten Käfige in der Praxis bisher nichthinreichend erprobt sind. Wir werden sie weiter fi-nanzieren und die Ergebnisse dazu verwenden, in ei-

nigen Jahren die Weiterentwicklung der europäi-schen Hennenhaltungsrichtlinie zu betreiben. DieVersuche laufen bis zum Jahre 2003. Das Resultat derAuswertung wird dann in Brüssel eingebracht.

Noch nicht abgeschlossene Forschung kann den po-litischen Handlungsbedarf aber nicht aufheben.Genau deshalb legen wir diese Verordnung vor.Gleichwohl werden wir die Forschung intensivieren.Ergänzend zu den laufenden Untersuchungen wird esein ähnliches Programm für die Volieren- und Frei-landhaltung geben.

Ich bin, wie die Kommission, der Auffassung, dassdiese Probleme lösbar sind. Die Defizite im Käfig sindhingegen systemimmanent und somit im Sinne desTierschutzes nicht lösbar.

Wir werden die Verordnung flankierende Maßnah-men – z. B. der Absatzförderung – ergreifen, die auchdie Landwirte, die Produzenten, unterstützen. Ab 1. Januar 2004 muss EU-weit jedes Ei eindeutig mitHaltungsform und Herkunft gekennzeichnet werden.Sie werden also feststellen können, aus welchemLand und aus welcher Haltungsform Ihr Frühstückseistammt. Wir in Deutschland wollen die Kennzeich-nung von Haltungsform und Herkunft auf freiwilligerBasis schon früher einführen. Wir wollen Qualität alspositiven Standortfaktor betonen und mit „Made inGermany“ Werbung machen. Wir werden in Auf-klärungskampagnen die Öffentlichkeit über die tier-schutzrechtlichen Unterschiede bei der Eierprodukti-on informieren, so dass Wertschöpfung auch hierstattfinden kann.

Wir haben für das nächste Jahr mehr Investitions-fördermittel für artgerechte Tierhaltungssystemeeingestellt. Ab 2002 gibt es neben Umstellungsförde-rungen Aufstockungsinvestitionen, wenn Volieren-,Boden- oder Freilandhaltung betrieben wird. Dieswird die Bauern unterstützen. Wir finanzieren überdie Landwirtschaftliche Rentenbank schon Program-me, um Zinsverbilligungen für artgerechte Tierhal-tung zu ermöglichen.

Wir entwickeln ein Prüf- und Zulassungsverfahrenfür serienmäßig hergestellte Stalleinrichtungen. Dererste Schritt soll bei der Hennenhaltung getan wer-den. Eine Studie ist in Auftrag gegeben, um Kriterienfür die Tiergerechtheit von Haltungseinrichtungen fürLegehennen zu entwickeln.

Meine Damen und Herren, in der Verordnung liegteine große Chance. Sicherlich wird die Umstellungauch Schwierigkeiten bereiten. Ich glaube aber, dasswir mit der Verordnung den Weg frei machen für eineentscheidende Etappe hin zu mehr Verantwortungund Respekt im Umgang mit Nutztieren, die unsereMitgeschöpfe sind, und zu einer Landwirtschaft, diewieder mehr Vertrauen und Rückhalt bei den Ver-brauchern findet.

Präsident Kurt Beck: Vielen Dank, Frau Bundesmi-nisterin!

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. – Pardon!Herr Minister Stächele.

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Bundesministerin Renate Künast

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Willi Stächele (Baden-Württemberg): Herr Präsi-dent, meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir ei-nige wenige Anmerkungen zu den Ausführungen derFrau Bundesministerin.

Gott sei Dank haben wir alle uns auf den Ausstiegaus der Legehennenbatteriehaltung verständigt. Die„guten“ Menschen, die es mit dem Tierschutz haltenund die Tausende von Briefen – vielleicht – veranlassthaben, und die „bösen“, die Ewiggestrigen, die nichtsmit Tierschutz anfangen können, die Tierquäler sind,stehen nicht mehr gegeneinander.

Mich wundert es, dass in der Debatte nicht mehr aufdas eingegangen worden ist, was vor wenigen Stundennoch „Sache“ war, nämlich einen vernünftigen, einenverantwortbaren Kompromiss zu erzielen. Sätzen wie„Fröhliche und freie Hühner braucht das Land“ kön-nen wir alle zustimmen; je fröhlicher, je freier, destobesser. Mit dieser Haltungsform sind halt auch Pro-bleme verbunden – Probleme der Hygiene, des„Kannibalismus“, der Bodenbelastung, der Flächenbe-anspruchung. Diese kann ich kaschieren, wenn ichÜberschriften wähle, denen in jeder Versammlung, injeder Veranstaltung alle Beifall geben.

Ich möchte erreichen, dass der Weg, über den mandiskutiert hat und der zu einem erfolgreichen Ab-schluss führen könnte – ich befürchte mittlerweile dasGegenteil –, vor der Abstimmung noch einmal be-dacht wird.

Verehrte Frau Bundesministerin, Sie kündigen Mo-dellversuche und Forschung an, Sie proben hier undtesten da. Genau das müsste uns dazu veranlassen,die Zeitgrenze zu versetzen. Mit der Frist bis zumJahr 2006 schaffen Sie aber Fakten. Sie machen damitzunichte, was wir im gemeinsamen Interesse anstre-ben, nämlich den verantwortbaren Ausstieg aus derLegehennenbatteriehaltung. Wir sind aus zwei gutenGründen für das Jahr 2009: Zum einen geben wirIhnen die Chance, im Interesse unserer Geflügelwirt-schaft und vieler Landwirte für eine europaweite Har-monisierung zu sorgen. Zum anderen – das erscheintmir noch wichtiger – können Modelle, die z. B. in Niedersachsen erprobt werden, evaluiert, bewertetwerden. Auf der Grundlage der neuen Erkenntnissekönnen dann Investitionsentscheidungen getroffenwerden.

Kurzum: 2009 ist keine auf Grund von Telefonatenerzielte Willkürzahl, sondern sie ist bewusst im Inte-resse eines ehrlichen Tierschutzes gewählt worden.Was nützt die Gesinnung? Man kennzeichnet die Eier,und die Gesinnung ist befriedigt, der Bauch auch.Nein, ich halte das Jahr 2009 für einen ausgesprochenguten Kompromiss, den man im Interesse eines ehrli-chen Tierschutzes auch vertreten kann.

Ich hätte gedacht, dass die Geflügelwirtschaft inNiedersachsen diesen Weg mitgehen könnte. Ich bingespannt auf die Abstimmung. Ich hoffe nach wie vor,dass wir die niedersächsischen Landwirte nicht vorihrer eigenen Landesregierung schützen müssen.

Ich kann nur an Sie appellieren: Es gibt Gesinnungs-ethiker, und es gibt Verantwortungsethiker. Für unsPolitiker ist es besser, zu den Verantwortungsethikern

zu gehören. Was wir beschließen, muss von der gesam-ten Runde verantwortet werden können.

Unser Vorschlag lautet 2009. Wir verbinden ihn mitdem Auftrag, Frau Bundesministerin, in Brüssel Rück-grat zu beweisen und zu kämpfen für die Harmonisie-rung, aber gegen die Unehrlichkeit, dass Batterieeieraus dem Ausland eingeführt werden. Außerdem: Wirwollen den Modellversuchen eine faire Chancegeben.

Ich bitte Sie, in diesem Sinne abzustimmen.

Präsident Kurt Beck: Jetzt sehe ich keine Wortmel-dung mehr.

Herr Ministerpräsident Dr. Ringstorff (Mecklen-burg-Vorpommern) und Herr Minister Senff (Nieder-sachsen) haben je eine Erklärung zu Protokoll*) ab-gegeben.

Zur Abstimmung liegen Ihnen die Empfehlungender Ausschüsse in Drucksache 429/1/01 und ein An-trag Hessens in Drucksache 429/2/01 vor.

Wir beginnen mit den Änderungsempfehlungen zurVerordnung, zu denen Einzelabstimmung gewünschtwurde. Ich rufe auf:

Ziffer 5! Handzeichen bitte! – Mehrheit.

Ziffer 7! – Mehrheit.

Ziffer 8! – Minderheit.

Ziffer 11! – Mehrheit.

Ziffer 13! – Minderheit.

Jetzt die Ziffern 1 bis 4, 6, 9, 10, 12, 14 und 15 ge-meinsam! Handzeichen bitte! – Mehrheit.

Wir kommen zur Schlussabstimmung. Wer der Ver-ordnung nach Maßgabe der vorangegangenen Ab-stimmung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um dasHandzeichen. – Das ist die Mehrheit.

Damit hat der Bundesrat der Verordnung zuge-stimmt.

Wir haben nun noch über die vom Agrarausschussund vom Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Re-aktorsicherheit empfohlenen Entschließungen zu be-finden. Ich beginne mit:

Ziffer 18! Handzeichen bitte! – Minderheit.

Jetzt Ziffern 24 und 25 gemeinsam! Handzeichenbitte! – Mehrheit.

Damit entfällt der Antrag Hessens in Drucksache429/2/01.

Wir fahren fort mit den Ausschussempfehlungen, zudenen Einzelabstimmung gewünscht wurde. Ich rufeauf:

Ziffer 30! – Mehrheit.

Ziffer 31! – Mehrheit.

Ziffer 32! – Mehrheit.

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*) Anlagen 4 und 5

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Wir kommen zu Ziffer 33. Bitte Ihr Handzeichen! –Minderheit.

Nun bitte das Handzeichen zu:

Ziffer 34! – Mehrheit.

Ziffer 35! – Mehrheit.

Ziffer 40! – Mehrheit.

Abschließend die Ziffern 17, 19 bis 23, 26 bis 29 und36 bis 39 gemeinsam! Bitte Ihr Handzeichen! – Mehr-heit.

Damit hat der Bundesrat entsprechend Entschlie-ßungen gefasst.

Zur gemeinsamen Abstimmung nach § 29 Abs. 2der Geschäftsordnung rufe ich die in dem UmdruckNr. 9/01*) zusammengefassten Beratungsgegenstän-de auf. Es sind dies die Tagesordnungspunkte:

5, 6, 13, 22 bis 24, 27 bis 30, 32, 34 bis 38 und40 bis 44.

Wer den Empfehlungen der Ausschüsse folgenmöchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das istdie Mehrheit.

Dann ist so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 7 auf:

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung desRichterwahlgesetzes – Antrag des LandesBaden-Württemberg gemäß § 23 Abs. 3 i.V.m. § 15 Abs. 1 und § 36 Abs. 2 GO BR – (Drucksa-che 616/01)

Hierzu liegt eine Wortmeldung von Minister Professor Dr. Goll (Baden-Württemberg) vor.

Prof. Dr. Ulrich Goll (Baden-Württemberg): HerrPräsident, meine Damen und Herren! Das LandBaden-Württemberg schlägt Ihnen heute vor, dieWahl von Richterinnen und Richtern an den oberstenBundesgerichten – am Bundesgerichtshof, am Bun-desverwaltungsgericht, am Bundesarbeitsgericht, amBundessozialgericht und am Bundesfinanzhof – einStück weit neu zu regeln.

Drei Ziele verfolgen wir mit unserer Initiative: ers-tens die Stärkung des Prinzips der Bestenauslese,zweitens die Zurückdrängung zu starker parteipoli-tischer Einflüsse und drittens eine größere Transpa-renz der Wahl – Ziele, meine Damen und Herren, diees wert sind, für den Gesetzesantrag zu werben.

Die Diskussion über die Reform des Richterwahl-rechts, wie wir sie Ihnen vorschlagen, ist nicht neu.Sie hat aber im Gefolge der allseits bekannten und inder Öffentlichkeit zum Teil heftig kritisierten Vorgän-ge um die Wahl der Bundesrichter vom 15. Februardieses Jahres wieder an Aktualität gewonnen.

Was war geschehen? Der Richterwahlausschusswählte damals zwei Richter zu Richtern am Bundes-gerichtshof, obwohl sie vom Präsidialrat des Bundes-

gerichtshofs im Rahmen seiner Stellungnahme vor derWahl mit der schlechtesten von sechs denkbaren No-tenstufen beurteilt worden waren, nämlich als „fach-lich nicht geeignet“. Andere, weit besser benoteteKandidatinnen und Kandidaten blieben dagegen beider Wahl unberücksichtigt.

Einer der nicht berücksichtigten Richter ging aufdem Rechtsweg gegen die Entscheidung des Richter-wahlausschusses vor und bekam Recht. In einem amMontag dieser Woche veröffentlichten Beschluss stell-te das schleswig-holsteinische Oberverwaltungsge-richt fest, dass der Richterwahlausschuss mit seinerEntscheidung gegen die Verfassung verstoßen hat.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen undKollegen, ich meine, nach dieser Entscheidung desOVG Schleswig-Holstein wird niemand mehr denDeckel über der Angelegenheit „Bundesrichterwahl“schließen können. Die erste Entscheidung des Ver-waltungsgerichts Schleswig-Holstein wurde in unge-wöhnlicher Weise von den Abgeordneten S t i e g l e rund Professor S c h o l z , den Obleuten ihrer Partei imRichterwahlausschuss, kritisiert. Sie haben unter an-derem sinngemäß gesagt, erwachsene Richter könn-ten so nicht urteilen. Ich bin fast geneigt, es umzu-drehen und heute zu sagen: Jedes Kind begreift, dassdas Verfahren, das wir praktizieren, nicht in Ordnungist. Wir müssen daher einige Schritte in Richtung aufTransparenz und Sicherung der Bestenauslese tun.

Ich erinnere an frühere Vorstöße einer Reihe vonLändern: 1986 hat man versucht, eine Zweidrittel-mehrheit im Richterwahlausschuss zu etablieren.Dem lag der Gedanke zu Grunde, dass – ich zitiereaus der Entwurfsbegründung – „das Vertrauen desBürgers in eine von sachfremden Einflüssen freieRechtsprechung und damit in die persönliche, poli-tische und sachliche Unabhängigkeit und Unpartei-lichkeit des Richters“ die mit dem Gesetzesantrag beabsichtigte Änderung des Richterwahlgesetzes„geboten erscheinen“ lasse.

Im Wesentlichen von den gleichen Erwägungenlässt sich die Ihnen vorliegende neue Bundesrats-initiative leiten. Mit dem Gesetzesantrag soll insge-samt die hohe Qualität der Rechtsprechung der obers-ten Gerichtshöfe des Bundes auch in Zukunftgesichert werden.

(V o r s i t z : Amtierender Präsident Dr. Henning Scherf)

Um dieses Ziel zu erreichen, beschreitet der Ent-wurf Baden-Württembergs allerdings einen etwas an-deren Weg als der Länderantrag aus dem Jahr 1986.Unter strikter Beachtung der Vorgaben des Grundge-setzes, insbesondere unter Wahrung der Befugnissedes demokratisch legitimierten Richterwahlausschus-ses, sieht der Entwurf Regelungen vor, mit denen demauch für die Richterwahl geltenden Leistungsprinzipdes Grundgesetzes noch wirksamer als in der Vergan-genheit Rechnung getragen werden soll.

Ändern, meine Damen und Herren, sollten wirschon etwas. Ich darf Ihnen eine Charakterisierungdes heutigen Zustands geben, die nicht von mirstammt. Ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten:

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Präsident Kurt Beck

*) Anlage 6

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Es gehört schon allerlei Naivität oder Chuzpedazu, dieses undurchsichtige und wenig demokra-tische Verfahren als die von der Verfassung gebo-tene Rechtslage zu bezeichnen.

Gesagt hat dies jemand, dem man, so meine ich, Man-gel an Sachkenntnis nicht vorwerfen kann, dem manunterstellen darf, dass er mitreden kann, nämlich dersehr bekannte und renommierte Konstanzer Ordina-rius Bernd R ü t h e r s . Sie können in der nächstenZeit einige Vorträge von ihm hören, z. B. in Bielefeld,in Frankfurt und in Berlin. Da wird er Fragen stellen,die auch ich hier stellen möchte:

Wollten die Verfassungsgeber den Richterwahl-ausschuss von den Anforderungsmerkmalen derEignung, Befähigung und fachlichen Leistungfreistellen? Haben dessen Mitglieder und der zu-ständige Bundesminister die Befugnis, sich überdie gesetzlich vorgesehene und fachlich begrün-dete Stellungnahme des Präsidialrates eines obers-ten Bundesgerichts nach freiem Belieben undohne jede Begründung, notfalls auch missbräuch-lich, hinwegzusetzen?

Dies ist ebenfalls ein Zitat aus dem hoch interessan-ten Vortrag, aus dem ich mit Genehmigung des Au-tors schon zitieren durfte. Ich darf Ihnen auch dieseMeinungsäußerung, die Gewicht hat, ans Herz legen.

Meine Damen und Herren, wir müssen alles daran-setzen, dass der fachlichen Eignung trotz der poli-tischen Wahl im Richterwahlausschuss eindeutig derVorrang eingeräumt wird. Baden-Württembergschlägt Ihnen deshalb heute drei bedeutsame Ände-rungen vor:

Erstens sollen im Unterschied zum geltenden Recht,wonach nur ein Vorschlag möglich ist, Bewerber umfreie Richterstellen auf Grund einer öffentlichen Aus-schreibung ermittelt werden. Die öffentliche Aus-schreibung macht deutlich: Das Verfahren steht je-dermann offen, es wird nicht im Vorfeld gesteuert,dass nur bestimmte Kandidatinnen und Kandidatenzum Zug kommen.

Den beliebten Einwand, dann komme eine Flut vonBewerbungen, halte ich für neben der Sache liegend.Wer die Praxis der Landesjustizverwaltungen undihre Bewerbungsverfahren kennt, weiß, dass sichnicht jeder, der meint, berufen zu sein, gleich aufdiese Ämter bewerben wird, sondern dass vernünfti-ge Bewerberfelder zu Stande kommen. Das lehrt dieErfahrung in den Ländern.

Zweitens schlagen wir ein verbindliches Anforde-rungsprofil vor. Wie bei jeder anderen Stellenanzeigesoll zu Papier gebracht werden, was man von denRichterinnen und Richtern erwartet. Für Bundesrich-ter gibt es ein Anforderungsprofil, anhand dessenman wesentlich deutlicher sagen könnte, wer geeig-net ist und wer nicht geeignet ist, interessanterweisenicht.

Als dritte Maßnahme sieht der Entwurf ein An-hörungsrecht des Präsidialrats des jeweiligen Bun-desgerichts vor, bei dem der vom Richterwahlaus-schuss zu wählende Richter oder die Richterineingesetzt werden soll. Von dem Anhörungsrecht soll

der Präsidialrat in den Fällen Gebrauch machen kön-nen, in denen er den Gewählten in seiner Stellun-gnahme als „nicht geeignet“ beurteilt hat. Die Erörte-rung der Angelegenheit mit dem zuständigenBundesminister oder der Bundesministerin vor demweiteren Ernennungsverfahren soll Gelegenheitgeben, die jeweiligen Positionen darzulegen, zu über-denken und gegebenenfalls zu modifizieren. Auchwenn der Bundesminister ebenso wie der Richter-wahlausschuss nach der Konzeption des Entwurfsnicht an die vom Präsidialrat vorgetragene Auffas-sung gebunden sein soll, was im Übrigen von Verfas-sungs wegen nicht möglich ist, macht eine solche Re-gelung doch die gebührende Rücksicht auf dasPrinzip der Bestenauslese deutlich.

Meine Damen und Herren, die vorgeschlagenenRegelungen können wirkungsvoll dazu beitragen, dasWahlverfahren bei Bundesrichtern so zu gestalten,dass am Ende im Interesse der rechtsuchenden Bevöl-kerung und mit Rücksicht auf das Ansehen und dieBedeutung der obersten Gerichtshöfe des Bundes diebesten Richterpersönlichkeiten zum Zuge kommen.Ich darf Sie deshalb um Unterstützung unseres Geset-zesantrages bitten. – Herzlichen Dank für Ihre Auf-merksamkeit.

Amtierender Präsident Dr. Henning Scherf: Ichhabe keine weiteren Wortmeldungen.

Ich weise die Vorlage dem Rechtsausschuss – feder-führend – sowie dem Ausschuss für Arbeit und Sozi-alpolitik – mitberatend – zu.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 8:

Entwurf eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes –Graffiti-Bekämpfungsgesetz (... StrÄndG) – Antrag des Landes Baden-Württemberg ge-mäß § 23 Abs. 3 i.V.m. § 15 Abs. 1 und § 36 Abs. 2 GO BR – (Drucksache 765/01)

Herr Goll, ich erteile Ihnen wieder das Wort.

Prof. Dr. Ulrich Goll (Baden-Württemberg): HerrPräsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!Ich habe noch einmal die Ehre, vor Ihnen zu spre-chen, und zwar zu der Bundesratsinitiative betreffendFarbschmierereien, die ich für Baden-Württembergeinbringe.

Es sind nicht nur die großen Verbrechen, vor denendie Menschen Angst haben. Sie haben auch Angstdavor, dass im Alltag ihre Rechtsgüter nichts mehrzählen, dass sie vor Übergriffen anderer nicht ge-schützt werden.

In den fast allgegenwärtigen Farbschmierereien inStädten und öffentlichen Verkehrsmitteln sehen vieleein Symbol für den Zerfall der Ordnung, einen Vor-läufer weiterer Zerstörungen und letztlich eine Ge-fährdung ihrer persönlichen Sicherheit. Das ist nichtnur nachvollziehbar, sondern es erklärt auch Wahl-ergebnisse wie dasjenige in Hamburg. Viele – nichtnur in Hamburg – haben es schlicht und einfach satt.Sie fühlen sich in Bereichen, in denen die Ordnungaugenscheinlich nicht mehr durchgesetzt wird, un-

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Prof. Dr. Ulrich Goll (Baden-Württemberg)

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wohl. Sie suchen solche Bereiche zu meiden undsehen sich letztlich gezwungen, ein Stück ihrer Frei-heit aufzugeben.

Neben dem Sicherheitsaspekt geht es um einenwirksamen Schutz des Eigentums. Jährlich müssenvon Eigentümern mehrstellige Millionenbeträge fürdie Beseitigung der Schäden aufgewendet werden.Ersatzansprüche stehen ihnen zwar zu, sie tatsächlichdurchzusetzen ist aber kaum mehr als eine Illusion.

Wenn die Eigentümer zum Schutz ihrer SachenMaßnahmen ergreifen, die die Beseitigung der Schä-den erleichtern, spielen sie den Tätern auch noch indie Hände. So hat ein Gericht festgestellt, dass eineSachbeschädigung nicht vorliegt, wenn eine Sachemit einem Schutzanstrich versehen wurde, der einAblösen der Farbe ermöglicht, ohne den Untergrundzu verletzen. Davon, dass das auch Geld kostet, redetniemand. Machen Sie diese Logik des Rechts einmaldem Bürger draußen klar!

Für die Sachbeschädigung braucht es eine so ge-nannte Substanzverletzung. Kann die Schmierereiohne Eingriff in den Haftgrund beseitigt werden – und sei der Aufwand noch so groß –, ist der Tat-bestand des § 303 Strafgesetzbuch nicht erfüllt.

Dieser Missstand lässt sich sehr einfach und schnellbeseitigen, und zwar durch die Einfügung des Merk-mals „Verunstalten“ als weitere Tatalternative derSachbeschädigung in §§ 303 und 304 des Strafgesetz-buchs. Das sieht der Ihnen vorliegende Gesetzent-wurf vor.

Bereits am 19. März 1999 hat der Bundesrat mitbreiter Mehrheit beschlossen, einen Gesetzentwurf ingenau dieser Fassung beim Bundestag einzubringen.Dort wurde er allerdings ein Jahr später mehrheitlichabgelehnt. Meine Damen und Herren, ich halte dieAblehnung dieses Gesetzentwurfs im Rechtsaus-schuss des Deutschen Bundestages schon deshalbnicht für dauerhaft hinnehmbar, weil die dortige Dis-kussion in wesentlichen Punkten am Problem vorbei-gegangen ist. Es wurde über Graffiti teilweise in einerWeise gesprochen, die sich schon fast nach einer Glo-rifizierung des Rechtsbruchs anhört. Im Rahmen einerAnhörung des Rechtsausschusses des DeutschenBundestages führte eine Sachverständige – ich möch-te die Bezeichnung in diesem Fall mit Anführungsstri-chen versehen – aus:

Graffiti ist ... eine Jugendkunst mit hohem ästheti-schen Wert, mit eigener Szene und zugleich Spie-gelbild der Gesellschaft. Tauchen Sie ein in dieseWelt – Sie werden keinen Schaden nehmen, Siefühlen sich gut und bleiben jung!

Erstens glaube ich, dass wir dies auch anders schaf-fen, zweitens geht es um die Beschädigung fremderSachen. Hier liegt das Problem, nicht beim Kunstbe-griff.

Wenn, was den vorgeschlagenen Tatbestand an-geht, in Zweifel gezogen wird, dass die Rechtsanwen-der bei uns mit dem Begriff des Verunstaltens zu-rechtkommen, möchte ich darauf hinweisen, dass bei

ansonsten vergleichbarer Rechtslage die Österreicherdamit seit Jahrzehnten keine Schwierigkeiten haben.Was den dortigen Juristen möglich ist, sollte auch denunseren gelingen. Im Übrigen ist Österreich kein Un-rechtsstaat, der junge Menschen durch die „Krimina-lisierung ihrer Kultur“ in unziemlicher Weise in ihrerEntwicklung und in der Herausbildung einer eigenenPersönlichkeit beschneidet.

Ein weiterer Grund, weshalb ich die Initiative hoff-nungsfroh wieder einbringe, ist, dass sich in den letz-ten Wochen und Monaten – nicht erst seit dem trauri-gen 11. September – Bundespolitiker aller Richtungenzu Fragen der inneren Sicherheit sehr entschieden – soklang es zumindest – geäußert haben. Unser Antragbietet Gelegenheit, die Ernsthaftigkeit solcher Äuße-rungen unter Beweis zu stellen. Auch deswegen hoffeich auf Ihre Zustimmung zu diesem an sich völlig kla-ren Anliegen.

Nachdem der Bundesrat den Gesetzentwurf imMärz 1999 mit einer erfreulich breiten Mehrheit beimBundestag eingebracht hat, nachdem die maßgebli-chen Fragen schon damals in den Ausschüssen aus-führlich diskutiert wurden, nachdem sich die Proble-me nicht wesentlich verändert haben und nachdemich mir kaum eine klarere Sache vorstellen kann alsdiese, bedarf es nach unserer Ansicht keiner weiterenBeratung in den Ausschüssen. Der Bundesrat kann,wenn er will, bereits heute in der Sache entscheiden.

Ich bitte Sie um Ihre Zustimmung zur sofortigenSachentscheidung und zur Einbringung des Gesetz-entwurfs beim Deutschen Bundestag. – Vielen Dank.

Amtierender Präsident Dr. Henning Scherf: Nächs-ter Redner ist Herr Dr. Birkmann (Thüringen).

Dr. Andreas Birkmann (Thüringen): Herr Präsident,meine Damen und Herren! Herr Kollege ProfessorGoll, im Unterschied zum vorigen Tagesordnungs-punkt – Novellierung des Richterwahlgesetzes –, beidem ich Ihnen in wesentlichen Punkten nicht zustim-men konnte, kann ich Ihnen bei diesem Tagesord-nungspunkt Zustimmung signalisieren.

Farbschmierereien an Häuserwänden, an Bussenund Bahnen sind mehr als ein Ärgernis. Das Eigentumanderer wird nicht mehr respektiert, wenn zur Sprüh-dose gegriffen wird, um anderen etwas aufzuzwin-gen, was der Täter selbst als schön empfinden mag,von den davon betroffenen Eigentümern jedoch alsBeschädigung ihrer Sache und von den Bürgerinnenund Bürgern als hässlich und als Verschmutzung an-gesehen wird. Öffentliche und private Baulichkeitensind davon in gleicher Weise betroffen.

Über solchen Vandalismus an öffentlichen Gebäu-den seiner Stadt hat kürzlich in einem Schreiben anmich der Bürgermeister einer Thüringer Kleinstadtgeklagt. Sage und schreibe 40 Anzeigen sind ineinem Monat wegen Farbschmierereien in der Innen-stadt – wohlgemerkt einer Kleinstadt! – erstattet wor-den. Ich denke, ich muss nicht näher ausführen, dassdie Reaktion der Geschädigten hierauf Empörung ist.

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Prof. Dr. Ulrich Goll (Baden-Württemberg)

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Hier kommt aber auch eine Erschütterung desRechtsbewusstseins zum Ausdruck.

Die Kosten, um die Schmierereien an Bussen undBahnen zu beseitigen, die insbesondere von öffentli-chen Verkehrsunternehmen aufgewandt werdenmüssen, gehen Jahr für Jahr in die Millionen. DieZeche dafür müssen die Fahrgäste zahlen; denn imErgebnis werden diese Kosten in den Fahrpreis ein-gerechnet.

Zivilrechtliche Schadensersatzansprüche helfenden Geschädigten nicht weiter. Vielmehr ist das Straf-recht aufgerufen, einen Beitrag zur Beseitigung sol-cher Missstände zu leisten.

Die Bürgerinnen und Bürger fühlen sich durch dasSchmierereiunwesen stärker betroffen, als es vielenPolitikern bewusst ist. Deutlich wurde dies zuletzt beider Wahl zur Hamburger Bürgerschaft. Auch bei denWahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus wird diesesThema eine nicht unerhebliche Rolle spielen. So liegtmir ein Schreiben der Bürgerinitiative zur Rettungdes Berliner Stadtbildes vom 14. Oktober 2001 an denThüringer Ministerpräsidenten vor, in dem der Scha-den, der durch Graffiti-Vandalismus jährlich entsteht,auf ca. 1 Milliarde DM, davon allein in Berlin 100 Mil-lionen DM, geschätzt wird. Solche Äußerungen müs-sen ernst genommen werden. Ich bin mir sicher, dassviele von uns heute Morgen auf dem Weg zu diesemHohen Haus an Hauswänden vorbeigefahren odervorbeigelaufen sind, die verschmiert sind.

Die bisherige – strafrechtliche – Rechtslage ist nichtausreichend, um das Graffiti-Unwesen zuverlässig alsdas zu charakterisieren, was es ist, nämlich als Sach-beschädigung im Sinne der §§ 303 und 304 Strafge-setzbuch. Lassen sich, so die Rechtsprechung, dieFarbschmierereien ohne Rückstände wieder beseiti-gen – Kollege Goll hat das bereits anschaulich dar-gelegt –, so liegt trotz des damit verbundenen Auf-wandes keine Sachbeschädigung im Sinne desStrafgesetzbuches vor. Eine Verurteilung, so dieRechtsprechung weiter, setzt aber dementsprechendeFeststellungen voraus, die erforderlichenfalls durchSachverständigengutachten zu untermauern sind.

Als Rechtspolitiker dürfen wir unsere Gerichte unddamit auch unsere Bürgerinnen und Bürger in dieserFrage nicht allein lassen. Eine klare und eindeutigeRegelung muss her!

Das Problem lässt sich auf verschiedene Weise in-nerhalb der Tatbestände der §§ 303 und 304 Strafge-setzbuch lösen, etwa durch die bloße Einfügung desTatbestandsmerkmals „Verunstalten“, wie dies imGesetzesantrag von Baden-Württemberg vorgeschla-gen wird. Thüringen wird diesen Gesetzesvorschlag – ich betone dies – mittragen.

Auf eines möchte ich gleichwohl hinweisen: Der Be-griff des „Verunstaltens“ birgt die Gefahr, in seinerrelativen Unklarheit und Unbestimmtheit wiederumauslegungsbedürftig zu sein. Damit aber könnte dieDiskussion von vorne beginnen. Persönliche Wertun-gen und subjektive Ansichten des Rechtsanwenderskönnten dazu führen, die Schmierereien als Kunstoder gar als Verschönerung zu werten. Unsicherheit

in der Rechtsanwendung und eine uneinheitlicheRechtsprechung wären erneut die Folge. Gerade diessollte aber mit einer entsprechenden Gesetzesände-rung verhindert werden.

Es könnte sich deshalb anbieten, in den Tatbestandder Sachbeschädigung nicht den Begriff „Verunstal-ten“ aufzunehmen, sondern eine Neuformulierung, inder sehr deutlich zum Ausdruck kommt, was wir wol-len: Nicht erst die Beschädigung oder Zerstörungfremder Sachen reicht zur Strafbarkeit aus, sondernbereits die nicht unerhebliche Veränderung der Er-scheinung einer Sache, wenn dies der Eigentümeroder sonst Berechtigte nicht will. Damit bliebe uns diewohl unvermeidliche Diskussion, ob diese Schmiere-reien Kunst sind oder nicht, von vornherein erspart.Thüringen wird diesen gedanklichen Ansatz im wei-teren Gesetzgebungsverfahren zur Diskussion stellen.

Amtierender Präsident Dr. Henning Scherf: Nächs-ter Redner ist der Staatssekretär im Bundesjustizminis-terium, Herr Geiger.

Dr. Hansjörg Geiger, Staatssekretär im Bundesminis-terium der Justiz: Sehr geehrter Herr Präsident!Meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzes-antrag entspricht im Wesentlichen dem zum selbenThema im März 1999 beim Bundestag eingebrachtenund dort diskutierten Entwurf. Er greift ein Problemauf, das viele von uns beschäftigt. Viele Mitbürger är-gern sich über die Farbschmierereien, über das Graf-fiti-Unwesen.

Auch ich meine, dass hier Handlungsbedarf be-steht. Aber ist der Ansatz im Strafrecht der richtigeWeg, die richtige Antwort? Ich meine nein.

Erstens. In dem Antrag wird dargelegt, den jungenLeuten sei normenklar deutlich zu machen, was straf-bar ist. Darum geht es doch nicht. Die überwiegendeZahl der meist jugendlichen Täter weiß sehr wohl,dass sie Unrecht tun. Davon geht ja gerade der Kitzelaus. Das heißt, wenn wir den Straftatbestand verän-dern, indem wir das Wort „Verunstalten“ in die §§ 303 und 304 einfügen, ändert sich diesbezüglichnichts.

Zweiter Punkt. Es wird argumentiert, der Begriffmüsse normenklar, das Strafrecht müsse einfachersein. Der Begriff „Verunstalten“ soll hinzugefügt wer-den. Die Anhörung, die der Bundestag im Sommer1999 zu dem sehr ähnlich lautenden Antrag durchge-führt hat, hat ergeben, dass die ästhetische Kompo-nente bei der Bewertung der Strafbarkeit nicht außerBetracht gelassen werden kann. Mein Vorredner HerrMinister Birkmann hat es bereits angesprochen:Wenn wir schon eine Präzisierung, mehr Klarheit er-reichen wollen, wäre es nicht sehr sinnvoll, eine For-mulierung zu wählen, die erneut Anlass zu Diskussio-nen geben wird. Unter diesem Gesichtspunkt ist diesalso abzulehnen, wie es der Bundestag nach Sachver-ständigenanhörung – es war nicht nur die Sachver-ständige anwesend, die Sie zitiert haben, Herr Minis-ter Goll – zu Recht getan hat.

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Dr. Andreas Birkmann (Thüringen)

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Es besteht Handlungsbedarf – aber nicht im Straf-recht. In erster Linie ist auf Prävention zu setzen. Ichnenne drei Punkte.

Erster Punkt: Es ist sehr wohl ein Problem, dasshohe Schäden entstehen können. Herr Minister Birk-mann, wenn den Jugendlichen in der Schule und imElternhaus vor Augen geführt wird, welche Scha-densersatzansprüche auf sie zukommen, hat diesmöglicherweise eine viel höhere Abschreckungswir-kung. Das ist vielen vorher nicht klar.

Zweiter Punkt: Bei Verurteilungen – viele Täterwerden nicht ertappt; das ist ein besonderes Phäno-men in diesem Bereich – könnte der Täter-Opfer-Aus-gleich eine weitere abschreckende Wirkung haben,wenn nämlich publiziert wird, dass jugendlicheStraftäter – oder wer auch immer – eigenhändig dieSchmierereien beseitigen müssen.

Dritter Punkt – auch wenn es altmodisch klingt –: Esist auch eine Frage der Erziehung. Wir haben gehört,Graffiti sind Teil einer Jugendkultur. Es ist schick,„tags“ anzubringen. Im Elternhaus wie in der Schuleist deutlich zu machen, dass das eben keine schickeEntwicklung ist. Wir sehen hier einen Unterschied.

In Amerika und in manchen anderen Ländern ist eszum großen Teil gelungen, das „Tag“-Unwesen zubeseitigen. Dort hat man nicht das Strafrecht ver-schärft. Auch unser Weg sollte Prävention heißen. –Vielen Dank.

Amtierender Präsident Dr. Henning Scherf: Nächs-ter Redner ist Herr Kollege Clement.

Wolfgang Clement (Nordrhein-Westfalen): HerrPräsident, meine Damen und Herren! Ich habe michzu Wort gemeldet, um keinen Irrtum aufkommen zulassen. Wenn das Land Nordrhein-Westfalen dafüreintritt, dass der Antrag an die Ausschüsse überwie-sen wird, heißt das nicht, dass wir das Anliegen, dasvon Herrn Kollegen Goll und von Herrn KollegenBirkmann vorgetragen worden ist, ablehnen. Die Dis-kussion hat jedoch gezeigt, dass wir noch Erörte-rungsbedarf haben.

Meine juristische Vergangenheit liegt ziemlich weitzurück. Sie wird mir immer lebendig, wenn ich Dis-kussionen wie diese erlebe, die auch ein bisschen unsere Unfähigkeit zeigen, etwas auf den Punkt zubringen. Ich stimme Ihnen, Herr Staatssekretär, aus-drücklich nicht zu, sondern möchte sehr deutlichsagen, dass ich die strafrechtliche Ahndung dieserSchmierereien für absolut geboten halte. Es lohntwirklich, einmal offenen Auges durch unsere Städtezu gehen und wahrzunehmen, was an öffentlichenund privaten Gebäuden angerichtet wird. Das hat mitJugendkultur nichts zu tun, sondern sehr viel mit Re-spekt davor, was sich andere, ganz normale Men-schen mit ganz normalen Einkünften, mit größterMühe geschaffen haben.

Was einen einzig noch trösten könnte – aber dasverstehen Sie bitte als Zynismus –: Ich habe kürzlichbei einem Besuch in Rom sehen müssen, wie histo-risch einmalige Gebäude verunstaltet wurden. Mir

graut vor der Vorstellung, dass es uns ähnlich ergeht,wenn es uns nicht gelingt, diesem Unwesen Einhaltzu gebieten.

Unsere Aufgabe ist es auch, ein bisschen Orientie-rung zu geben. Orientierung geben heißt zu zeigen:Das wollen wir hier nicht, und das lassen wir bei unsnicht zu. Wenn unsere bisherigen Mittel nicht ausrei-chen, müssen wir sie erweitern.

Wir in Nordrhein-Westfalen haben das bisher an-ders bewertet. Wir stützen uns auf ein Urteil desOberlandesgerichts Düsseldorf, das in Fällen vonGraffiti-Schmierereien Sachbeschädigung angenom-men hat. Aber das reicht offensichtlich nicht aus. DieExperten brauchen dort noch eine Runde der Erörte-rung.

Mein Anliegen ist es – das möchte ich in aller Deut-lichkeit sagen –, dass wir hier zu klaren Entscheidun-gen kommen. Herr Staatssekretär, die Menschen aufdas Zivilrecht und vor allen Dingen auf Schadenser-satzklagen zu verweisen, ist nicht sehr überzeugend.Man wird keinen Bürger mit dem Argument überzeu-gen, dass er eine Rechtsschutzversicherung ab-schließen muss, um sein Eigentum schützen zu kön-nen; sonst wird sich doch niemand in ein solchesVerfahren stürzen.

Unter allen Aspekten meine ich, hier lohnt eineweitere ernsthafte Erörterung. Die Diskussion darü-ber, ob solche Schmierereien Kunst sind, gibt es seitJahr und Tag. Wer sich die heutigen Ergebnisse an-schaut, kann nicht mehr von Kunst sprechen, sie sindSachbeschädigung. Wir müssen doch noch ausspre-chen können, was es ist. Wenn es Sachbeschädigungist, haben wir dafür zu sorgen, dass sie rechtlich ge-ahndet werden kann. – Schönen Dank.

Amtierender Präsident Dr. Henning Scherf: HerrGoll hat sich noch einmal gemeldet. Bitte sehr.

Prof. Dr. Ulrich Goll (Baden-Württemberg): HerrPräsident, meine Damen und Herren! Ich habe mitungläubigem Staunen gehört, es sei kein Problem desStrafrechts. Lieber Herr Staatssekretär Geiger, sindSie dafür, dass es ein Straftatbestand ist, wenn je-mand fremdes Eigentum mit Farbe verziert, was inder Regel von den betroffenen Eigentümern als Be-schmieren empfunden wird? Es geht nicht darum, obdas schön ist oder nicht. Ich frage noch einmal: Solldas Anmalen fremder Häuser gegen den Willen derEigentümer ein Straftatbestand sein oder nicht?

Amtierender Präsident Dr. Henning Scherf: HerrGeiger, bitte.

Dr. Hansjörg Geiger, Staatssekretär im Bundesminis-terium der Justiz: Sehr geehrter Herr Präsident! Siehaben mich bewusst missverstanden, Herr MinisterGoll. Ich habe gefragt: Können wir durch eine Verän-derung des Strafrechts das Problem lösen? Selbstver-ständlich sind Sachbeschädigungen strafbar. In vielen

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Staatssekretär Dr. Hansjörg Geiger

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Fällen handelt es sich um Sachbeschädigung. Dannwerden die Täter in aller Regel bestraft. Das ist klar.

Ich habe erklärt, dass ich im Strafrecht nicht denHauptweg zur Lösung des Problems sehe. Wir habendie §§ 303 und 304; sie müssen hier angewandt wer-den. Aber wenn wir unsere Bürger wirklich schützenwollen, dann dürfen wir nicht allein am Strafrechtetwas verändern. Das ist nicht die Lösung.

Ich habe gesagt, dass ich die Ausführungen vonHerrn Birkmann interessant finde, dass wir durch dieEinfügung des Wortes „Verunstalten“ eine weitereDiskussion, aber keine Klarheit bekommen.

Wir müssen wirklich etwas tun. Dabei ist Präven-tion entscheidend. Ministerpräsident Clement hatdargelegt, dass der Zustand bei uns unerträglich ist,dass wir der Entwicklung leider noch nicht Einhaltbieten konnten. Aber lassen Sie uns gemeinsam nachLösungen suchen und nicht meinen, wir hätten sieschon. – Danke schön.

Amtierender Präsident Dr. Henning Scherf: HerrMinister Schelter (Brandenburg) hat seine Erklärungzu Protokoll*) gegeben. Damit haben wir keine weite-ren Wortmeldungen.

Baden-Württemberg hat beantragt, bereits heute inder Sache zu entscheiden. Wer für die sofortigeSachentscheidung ist, den bitte ich um das Handzei-chen. – Das ist eine Minderheit.

Dann weise ich den Gesetzentwurf dem Rechtsaus-schuss – federführend –, dem Ausschuss für Frauenund Jugend, dem Ausschuss für Innere Angelegenhei-ten und dem Verkehrsausschuss – mitberatend – zu.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 9:

Entwurf einer Verordnung zur Änderung derVerordnung über den Ausgleich gemeinwirt-schaftlicher Leistungen im Straßenpersonen-verkehr (PBefAusglV) – Antrag des LandesBrandenburg – (Drucksache 669/01)

Keine Wortmeldungen.

Zur Abstimmung liegen Ihnen die Ausschussemp-fehlungen in Drucksache 669/1/01 und zwei AnträgeBayerns in den Drucksachen 669/2 und 3/01 vor.

Wir beginnen mit dem Landesantrag in Druck-sache 669/2/01, bei dessen Annahme die Ziffern 1, 2und 4 der Ausschussempfehlungen entfallen. Werstimmt für diesen Antrag? Handzeichen bitte! – Das isteine Minderheit.

Wir fahren fort mit Ziffer 1 der Ausschussempfeh-lungen. Wer stimmt zu? Handzeichen bitte! – Das istdie Mehrheit.

Wir kommen zum Landesantrag in Druck-sache 669/3/01, bei dessen Annahme die Ziffern 3und 4 der Ausschussempfehlungen erledigt sind. Werist für diesen Landesantrag? Handzeichen bitte! – Dasist eine Minderheit.

Zurück zu den Ausschussempfehlungen:

Wer stimmt für Ziffer 2, bei deren Annahme die Zif-fer 4 entfällt? Handzeichen bitte! – Mehrheit.

Damit entfällt Ziffer 4.

Ich rufe Ziffer 3 auf. Handzeichen bitte! – Das ist dieMehrheit.

Stimmen wir nun darüber ab, ob der Verordnungs-entwurf in der soeben festgelegten Fassung der Bun-desregierung zugeleitet werden soll! Handzeichenbitte! – Das ist die Mehrheit.

Somit hat der Bundesrat beschlossen, die Vorlageentsprechend zuzuleiten.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 10:

Entschließung des Bundesrates zur Reform derArbeitsförderung – Antrag der FreistaatenThüringen, Bayern – (Drucksache 658/01)

Die Länder Baden-Württemberg, Hessen, Saarlandund Sachsen sind dem Entschließungsantrag beige-treten.

Es hat sich Herr Minister Schuster (Thüringen) ge-meldet. Bitte, Sie haben das Wort.

Franz Schuster (Thüringen): Herr Präsident! Sehrgeehrte Damen und Herren! Seit August nimmt dieZahl der Arbeitslosen im Vergleich zum Vorjahr wie-der zu, aber positive Impulse auf Bundesebene füreine deutliche und nachhaltige Reduzierung der Ar-beitslosigkeit sind nicht erkennbar.

Die arbeitsmarktpolitischen Ziele der Bundesregie-rung rücken in immer weitere Ferne. Niemand rech-net damit, dass sich die wirtschaftliche Lage in Kürzeändert. Auch das Job-AQTIV-Gesetz ist insbesondereunter Berücksichtigung der aktuellen Entwicklungkeine ausreichende Antwort auf den Abbau der Ar-beitslosigkeit. Der Staat ist gefordert, weitergehendewirksame Rahmenbedingungen für mehr Beschäf-tigung zu schaffen. Notwendig sind das Vorziehender Steuerreform und Erleichterungen im Arbeits-recht, die die Kosten der Unternehmen reduzierenund zusätzliche Arbeitsplätze induzieren.

Einen wesentlichen Beitrag zum Abbau der Arbeits-losigkeit hat auch die dringend notwendige Reformdes SGB III zu leisten, indem das Arbeitsförderungs-recht von Grund auf überarbeitet und stärker auf denersten Arbeitsmarkt ausgerichtet wird. Der Gesetz-entwurf der Koalitionsfraktionen enthält zum Teildurchaus positive Ansätze und Maßnahmen. Er greiftaber insgesamt zu kurz. Es fehlen Ansätze für eine tiefgreifende strukturelle Reform.

Thüringen hat deshalb gemeinsam mit Bayerneinen Entschließungsantrag zur Reform der Arbeits-förderung in den Bundesrat eingebracht, der den zu-sätzlichen strukturellen Reformbedarf aufzeigt.

Gefordert werden grundlegende Neuerungen imHinblick auf den ersten Arbeitsmarkt, z. B. Kombi-Einkommensmodelle im Niedriglohnbereich. Esgeht darum, Arbeitslosengeld- und Arbeitslosenhilfe-empfängern die Entscheidung zu erleichtern, auch

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Staatssekretär Dr. Hansjörg Geiger

*) Anlage 7

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eine geringer bezahlte Tätigkeit aufzunehmen. DieEinkommensmodelle sollen nicht zu einer Auswei-tung des Niedriglohnbereichs führen. Die Bundesre-gierung kann es sich aber bei der gegenwärtigenLage auf dem Arbeitsmarkt nicht leisten, auf solchePotenziale zu verzichten.

In den neuen Ländern tragen die vielfältigen Zu-schüsse für die Unternehmen zur Integration Arbeits-loser bei. Dies kann auch durch die Unterstützungdes Einkommens bisher Arbeitsloser bei der Annah-me geringer bezahlter Stellen geschehen.

Zweitens. Notwendig ist eine Angleichung von Ar-beitslosen- und Sozialhilfe. Beide Leistungssystemesind steuerfinanziert und setzen Bedürftigkeit voraus.Anspruchsvoraussetzungen und Leistungen solltendeshalb angeglichen werden. Dies muss schrittweiseerfolgen. Ergebnis dieses Prozesses kann letztlich nurdie inhaltliche und organisatorische Zusammen-führung der Arbeitslosenhilfe mit der Sozialhilfe zu einem einheitlichen Instrument sein. Nur so kanndas Hin und Her der Betroffenen zwischen der So-zial- und der Arbeitsverwaltung vermieden werden.Wichtig ist jedoch, dass eine finanzielle Zusatzbela-stung der Kommunen als Sozialhilfeträger vermiedenwird.

Drittens wird eine angemessene Teilung der Finan-zierung von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmenzwischen dem Bund und der Bundesanstalt für Arbeitgefordert. Es ist wichtig, ein finanzierbares Leistungs-system zu haben, das die Beitragszahler nicht über-fordert. Die Durchschnittsquote der Lohnnebenkos-ten in Deutschland liegt heute bei über 40 %. DieBeiträge zur Arbeitslosenversicherung gehören dazu.Bemühungen zur Senkung der Lohnnebenkosten sindim Reformvorhaben nicht erkennbar.

Ich weise darauf hin, dass die Finanzierbarkeit desJob-AQTIV-Gesetzes bislang nicht geklärt ist. Die be-absichtigten Maßnahmen sind mit zusätzlichen Aus-gaben verbunden. Wir haben ab Januar nächstenJahres mit einer dreifachen Zusatzbelastung desHaushalts der Bundesanstalt für Arbeit zu rechnen;denn zu den derzeitigen konjunkturbedingten Mehr-belastungen kommen Mehrausgaben für das Job-AQTIV-Gesetz und die Kompensation der starkgekürzten Bundeszuschüsse.

Zusätzliches Geld für das Job-AQTIV-Gesetz gehtins Leere, wenn nichts zur Bekämpfung der Ursachenund zur Verbesserung der wirtschaftlichen Lage un-ternommen wird. Ich erinnere daran, dass noch imFrühjahr auch von der Bundesregierung über eineSenkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherungnachgedacht wurde. Dieses Ziel darf nicht einfachaufgegeben werden. Die Verbesserung der wirt-schaftlichen Rahmenbedingungen ist nun einmal Vo-raussetzung für eine konjunkturelle Belebung.

Der Entschließungsantrag berücksichtigt, dass eini-ge Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik mitt-lerweile sozialpolitischen Charakter haben. Es mussdarüber diskutiert werden, ob ihre Finanzierung nichtzumindest teilweise dem Bund obliegt. Die Bundesan-stalt für Arbeit und die Beitragszahler müssen jeden-falls von zusätzlichen Ausgaben entlastet werden.

Nur so kann die Finanzierung der Arbeitsförderung inden neuen Ländern auf Dauer gewährleistet werden.

Ich bitte Sie um Zustimmung zu unserer Ent-schließung. Sie eröffnet die Möglichkeit, dass derBundesrat ein qualifiziertes Votum zum Thema „Re-form der Arbeitsförderung“ abgibt. – Vielen Dank fürIhre Aufmerksamkeit!

Amtierender Präsident Dr. Henning Scherf: HerrStaatsminister Bocklet (Bayern) hat eine Erklärungzu Protokoll*) gegeben.

Zur Abstimmung liegen Ihnen die Empfehlungender Ausschüsse in Drucksache 658/1/01 vor. Der Wirt-schaftsausschuss empfiehlt dem Bundesrat, die Ent-schließung zu fassen. Die übrigen beteiligten Aus-schüsse empfehlen dem Bundesrat, die Entschließungnicht zu fassen.

Gemäß unserer Geschäftsordnung ist die Abstim-mungsfrage positiv zu stellen. Wer also entspre-chend Ziffer 1 der Ausschussempfehlungen die Entschließung fassen möchte, den bitte ich um dasHandzeichen. – Das ist eine Minderheit.

Damit hat der Bundesrat beschlossen, die Ent-schließung n i c h t zu fassen.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 11:

Entschließung des Bundesrates zur Umwand-lung der Gesetze zur Förderung eines Freiwil-ligen Sozialen Jahres und eines FreiwilligenÖkologischen Jahres in ein allgemeines Frei-willigengesetz – Antrag des Landes Baden-Württemberg gemäß § 23 Abs. 3 i.V.m. § 15Abs. 1 und § 36 Abs. 2 GO BR – (Drucksache772/01)

Herr Dr. Repnik (Baden-Württemberg) hat sich dazugemeldet.

Dr. Friedhelm Repnik (Baden-Württemberg): HerrPräsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!Angesichts der anstehenden sozialen und demografi-schen Herausforderungen ist unsere Gesellschaftohne den aktiven Einsatz ihrer Bürgerinnen und Bür-ger für das Gemeinwohl nicht zukunftsfähig. Damitmüssen wir von der Vorstellung Abschied nehmen,der Staat könne alles allein richten. Das Engagementund die Einmischung eines jeden Einzelnen sindheute wie auch in Zukunft gefragt. Wir müssen hohesInteresse daran haben, dass junge Menschen an Ei-genverantwortung, Bürgerengagement und sozialeKompetenz herangeführt werden. Wir müssen sie mo-tivieren, unsere Gesellschaft aktiv mitzugestalten.Dazu müssen aber auch Mitwirkungsmöglichkeitengeboten und geeignete Rahmenbedingungen ge-schaffen werden.

Das Freiwillige Soziale Jahr und das FreiwilligeÖkologische Jahr haben sich in Baden-Württembergund in anderen Ländern parallel zum Zivildienst be-

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Franz Schuster (Thüringen)

*) Anlage 8

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währt. Im vergangenen Jahr haben allein in Baden-Württemberg 2 270 junge Menschen am FreiwilligenSozialen Jahr teilgenommen. Diese hohe Zahl zeigtdeutlich, dass auch bei der heutigen Jugend sozialesEngagement selbstverständlich ist.

Das Freiwillige Soziale Jahr und das FreiwilligeÖkologische Jahr geben jungen Menschen die Chan-ce, die Lebenswirklichkeit hautnah zu erleben. Siemachen wichtige Erfahrungen, die prägenden Ein-fluss auf die Persönlichkeitsentwicklung haben.Außerdem ermöglicht es soziales Handeln in der Praxis, es stärkt die soziale Kompetenz und vermitteltSchlüsselqualifikationen, z. B. Teamgeist. Dadurchwerden auch die beruflichen Zukunftsperspektivenverbessert.

Dennoch bleiben das Freiwillige Soziale Jahr unddas Freiwillige Ökologische Jahr in ihrer derzeitigenAusgestaltung inhaltlich und strukturell begrenzt; siebedürfen zusätzlicher Impulse.

Die von der Baden-Württembergischen Landes-regierung eingebrachte Initiative zielt darauf ab, dierechtlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, mög-lichst viele junge Menschen für das Freiwillige So-ziale Jahr und das Freiwillige Ökologische Jahr zugewinnen. Durch den Ausbau der Gesetze zur Förde-rung des Freiwilligen Sozialen Jahres und des Frei-willigen Ökologischen Jahres sollen Rechtsgrund-lagen für einen allgemeinen Freiwilligendienstjunger Menschen in Deutschland geschaffen werden.Dafür sind eine möglichst weit gehende Flexibilisie-rung, Entbürokratisierung und ein breites Spektrumder Einsatzbereiche erforderlich.

Der Bundesrat hat bereits im vergangenen Jahr aufunsere Initiative hin beschlossen, einen Gesetzent-wurf in den Deutschen Bundestag einzubringen, vorallem mit dem Ziel, das Mindestalter für die Teilnah-me herabzusetzen. Diese Forderung wird in unsererEntschließung bekräftigt. Mit Genugtuung habe ichzur Kenntnis genommen, dass die Bundesregierungbereit ist, diesen Punkt in dem geplanten Entwurfeines FSJ-Förderungsänderungsgesetzes umzuset-zen. Damit wird endlich den Haupt- und Realschülernnach Ableistung der Vollzeitschule die Teilnahme amFreiwilligen Sozialen Jahr und am Freiwilligen Öko-logischen Jahr ermöglicht.

Ich möchte beispielhaft einige weitere wichtigePunkte unserer Initiative herausgreifen.

Wenn man mehr junge Menschen erreichen will, somüssen flexible Einsatzzeiten ermöglicht werden.Deshalb soll der bisher starre und ohne Unterbre-chung vorgesehene bis zu zwölfmonatige Dienstkünftig auch in Zeitblöcken oder in Teilzeit abgeleis-tet werden können. Durch die Flexibilisierung kannman sich studien- oder berufsbegleitend engagierenoder auch die Zeit bis zum Beginn des Studiums oderder Ausbildung überbrücken.

Durch die Erweiterung der Einsatzmöglichkeitenauf allen Feldern der gemeinnützigen Arbeit sollenüber den bisherigen Bereich des Freiwilligen SozialenJahres und des Freiwilligen Ökologischen Jahres hi-naus niedrigschwellige Angebote geschaffen werden.

Für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an einemFreiwilligendienst soll der persönliche Nutzen weitererhöht werden. Sich für die Allgemeinheit zu enga-gieren bringt Lebenserfahrung und soziale Kompe-tenz. Aber auch das fachliche Wissen wird in vielenBereichen erweitert. Das rechtfertigt meiner Ansichtnach eine breitere Anerkennung, z. B. in Form einesBonussystems für den Berufszugang.

Wer sich für einen Freiwilligendienst sozial en-gagiert, soll keine sozialversicherungsrechtlichen, steuerlichen und kindergeldrechtlichen Nachteileerleiden. Bezüglich der Kosten sollten auch privatver-sicherungsrechtliche Lösungen geprüft werden.

Die Bedeutung des Freiwilligendienstes soll durchdie Ernennung eines Bundesbeauftragten für denFreiwilligendienst, der jährlich im Parlament Berichterstattet, unterstrichen werden.

Ich möchte einen weiteren wichtigen Punkt anspre-chen. Die Bundesregierung hat den Zivildienst ausEinsparungsgründen, aber auch wegen der Wehr-dienstverkürzung sehr ausgehöhlt. Das hat dem so-zialen Engagement der jungen Menschen einen her-ben Rückschlag versetzt. Deshalb plädiere ich dafür,dass die Teilnahme an einem Freiwilligendienst aufdie gleiche Stufe wie der Zivildienst gestellt wird undals Wehrersatzdienst angerechnet werden kann. Aufwelche Weise die Anerkennung im Rahmen des Zivil-dienstgesetzes erfolgt, ist eigentlich zweitrangig.Wichtig ist eine Regelung, durch die die Teilnahmeam Freiwilligen Sozialen Jahr und am FreiwilligenÖkologischen Jahr auch dann dem Zivildienst gleich-gestellt wird, wenn der Teilnehmer bereits vor dem18. Lebensjahr seinen Dienst geleistet hat und somitnoch nicht als Kriegsdienstverweigerer anerkanntwerden konnte.

Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir, ange-sichts der verheerenden Auswirkungen der Verkür-zung der Zivildienstdauer auf die vielen Träger im sozialen Bereich zusätzlich die Einführung eines all-gemein verpflichtenden Gesellschaftsjahres anzure-gen. Nach meinen Vorstellungen sollte ein allgemeinverpflichtendes Gesellschaftsjahr neben dem Wehr-dienst eine breite Palette von Einsatzmöglichkeitenim sozialen, ökologischen und gesellschaftlichen Bereich eröffnen. Jungen Menschen sollte die Mög-lichkeit gegeben werden, sich eine für sie geeigneteAufgabe auszusuchen, die sie eine Zeit lang ver-pflichtend ausüben.

Wir stehen am Anfang der Diskussion. Mir ist klar,dass ich nur einen Anstoß geben kann. Zur Debattesteht heute die bessere und attraktivere Ausgestal-tung der Freiwilligendienste. Dafür werbe ich. Ichhoffe, dass der Bundesrat dieses Anliegen in den Aus-schüssen weiterhin positiv begleitet. – Ich bedankemich.

Amtierender Präsident Dr. Henning Scherf: Mir lie-gen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Dann weise ich die Vorlage dem Ausschuss fürFrauen und Jugend – federführend – sowie dem Aus-

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Dr. Friedhelm Repnik (Baden-Württemberg)

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schuss für Arbeit und Sozialpolitik und dem Aus-schuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-heit – mitberatend – zu.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 12:

Entwurf eines Gesetzes zur Einführung undVerwendung eines Kennzeichens für Erzeug-nisse des ökologischen Landbaus (Öko-Kenn-zeichengesetz – ÖkoKennzG –) (Drucksache698/01)

Mir liegt zunächst eine Wortmeldung von HerrnMinister Stächele (Baden-Württemberg) vor.

(Zuruf)

– Minister Köberle (Baden-Württemberg) gibt für Mi-nister Stächele eine Erklärung zu Protokoll*).

Frau Staatssekretärin Görlitz aus Bayern hat das Wort.

Erika Görlitz (Bayern): Herr Präsident! Meine sehrgeehrten Damen und Herren! Die Gelegenheit zueinem kurzen Wort vor diesem Hohen Haus ist mirwillkommen. Weniger willkommen ist mir der Anlass:Der Bundesrat stimmt heute über das Öko-Kennzei-chengesetz ab.

Bayern wird dem Ökosiegel von Frau Bundesminis-terin K ü n a s t nicht zustimmen, weil sie damitEtikettenschwindel betreibt. Sie will uns etwas alsneues Siegel verkaufen, dessen Grundlagen es be-reits seit zehn Jahren gibt – seit 1991 ist die EU-Öko-Verordnung in Kraft.

Diese spiegelt den Minimalkonsens innerhalb derEuropäischen Gemeinschaft in Sachen Ökolandbauwider. Das bloße Festhalten an diesem sehr niedrigenStandard bringt den Verbrauchern in Deutschlandkeinen zusätzlichen Nutzen. Im Gegenteil: Es schadetmehr, als es nützt.

In der Praxis wird es unsere Ökostandards verrin-gern. Das Ökodumping dieses Billigsiegels ist eineGefahr für unsere Biobauern und ihr hohes Produkt-niveau, das ihnen die deutschen Ökolandbauverbän-de seit eh und je vorschreiben. Dazu hat bisher inDeutschland die Totalumstellung des Betriebes aufökologischen Landbau gehört. Nun sollen Teilflächengenügen. Damit wird das Prinzip der ökologischenKreislaufwirtschaft ad absurdum geführt.

So mag jemand verfahren, der im Handstreich denAnteil der Bioprodukte auf 20 % steigern will. Wirwerden bei diesem durchsichtigen Trick nicht mitma-chen. Wer heute das Vertrauen der Verbraucher in eingesetzliches Ökosiegel gewinnen will, muss Anforde-rungen stellen, welche die der EU-Öko-Verordnungdeutlich übertreffen.

Ganz sicher gehören zu solchen strengeren Krite-rien die Umstellung des Gesamtbetriebes auf denÖkolandbau, die Versorgung der Tiere mit überwie-gend selbst erzeugtem Futter sowie der Ausschluss

von tier- und fischmehlhaltigen Tierfuttermitteln füralle Tierarten. Dem wird das Künast-Siegel in keinerWeise gerecht.

Bayern wird bei seiner Förderung der Ökobetriebeweiterhin an den bekannten hohen Standards festhal-ten. Auch wir sind der Meinung, dass wir Gütesiegelbrauchen, allerdings auf einem höheren Niveau, alsdies die Bundesministerin möchte. Das von FrauKünast vorgeschlagene Ökozeichen lehnen wir daherab. – Ich bedanke mich.

Amtierender Präsident Dr. Henning Scherf: AlsNächster hat Herr Parlamentarischer Staatssekre-tär Berninger (Bundesministerium für Verbraucher-schutz, Ernährung und Landwirtschaft) das Wort.

Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei derBundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährungund Landwirtschaft: Herr Präsident, meine Damenund Herren! Die Diskussion über ein einheitlichesÖkosiegel ist schon älter als die EU-Öko-Verordnung.Es gab in den vergangenen Jahren sehr viele Initia-tiven; eine Reihe davon war erfolglos.

Das hat die Verbraucher sehr frustriert. Zwar mussüberall dort, wo „Bio“ oder „Öko“ draufsteht, auchBio oder Öko drin sein. Aber die Verunsicherung derVerbraucher ist nach wie vor recht groß; denn es gibteine Vielzahl von Zeichen.

Es war daher Ziel der Bundesregierung, gemeinsammit den Wirtschaftsbeteiligten eine Lösung zu finden.Das ist uns mit dem Biozeichen gelungen. Ich kanndie Vorhaltungen des Landes Bayern an dieser Stellenicht teilen und will das kurz begründen.

Die Entwicklung am Biomarkt wird nicht allein vondiesem Zeichen abhängen, sondern von einem Mixvieler Maßnahmen zur Förderung des ökologischenLandbaus. Wir meinen, ein einheitliches Zeichen er-möglicht es künftig, dass diese Produkte in den Lädenerkannt und dann von den Verbrauchern nachgefragtwerden.

Natürlich muss eine Reihe weiterer Maßnahmenfolgen, z. B. die Bereitschaft des Lebensmittelein-zelhandels, solche Produkte auch in die Regale zustellen. Denn dass der Anteil der ökologischen Pro-duktion in Deutschland so niedrig ist, hängt auchdamit zusammen, dass sich bestimmte Wirtschaftsbe-reiche, z. B. der Lebensmitteleinzelhandel, in den ver-gangenen Jahren zurückgehalten haben.

Nun kauft der Lebensmitteleinzelhandel europa-weit ein. Es wäre niemandem klarzumachen gewe-sen, warum ein Bioprodukt aus Frankreich nach derEU-Öko-Verordnung als solches vermarktet werdenkann, in Deutschland jedoch kein Siegel erhält. Des-halb haben wir uns dafür entschieden, ein europaweiteinheitliches Siegel zu schaffen.

Die Frau Staatssekretärin hat auf die höheren deut-schen Standards hingewiesen. Die Bundesregierungist mit allen Beteiligten übereingekommen, auf eu-ropäischer Ebene Veränderungen herbeizuführen.Das wird sehr rasch durch ein Memorandum und eine

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Amtierender Präsident Dr. Henning Scherf

*) Anlage 9

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Diskussion in Brüssel geschehen. Unser Ziel bestehtdarin, hohe Ökostandards nicht nur in Deutschland,sondern auf der gesamten europäischen Ebene zuhaben. Da haben Sie sensible Punkte genannt, etwadie Frage, woher das Futter kommt.

Dass die bayerischen Betriebe unter dem Biosiegelnicht leiden, sondern davon profitieren, kann manschon erkennen. Ein einfaches Beispiel: Heute wirdsehr viel Biomilch produziert, aber als konventionelleMilch vermarktet, weil es sich bislang nicht gelohnthat, diese Milch getrennt einzusammeln. Davon, dassdie Supermarktketten nun bereit sind, solche Milch mitdem Biozeichen in ihren Regalen anzubieten, profitie-ren gerade die kleinen bäuerlichen Betriebe in Bayern– ich habe mir eine Reihe von ihnen angesehen –;denn sie erhalten, ohne etwas ändern zu müssen, 10 Pfennig pro Liter Milch mehr. Das sind am Ende desJahres 10 000 DM mehr. Daran können Sie erkennen,dass unsere Strategie, den Absatz insgesamt zu för-dern, nicht zu Lasten der deutschen Ökolandwirtegeht, sondern im Gegenteil dazu führt, dass sie ihreProdukte vermarkten können und dass Perspektivenfür Landwirte entstehen, die umstellen wollen.

Ich kann ja verstehen, dass die Bayerische Staatsre-gierung unserem Siegel ein kleinstaatliches Siegelentgegensetzen möchte. Ich empfehle aber einenRundgang auf der ANUGA, der größten Nahrungs-mittelmesse der Welt, die ich diese Woche besuchthabe. Dort ist zu besichtigen, wie die Lebensmittel-wirtschaft und auch andere Beteiligte reagieren: Siekönnen dieses Zeichen dort finden.

Ich bin mir sicher, es wird am Ende hohe Akzeptanzbei den Verbrauchern finden und unseren Zielen, fürmehr Verbraucherschutz und eine bessere Umwelt-wirkung landwirtschaftlicher Produktion zu sorgen,Rechnung tragen.

Amtierender Präsident Dr. Henning Scherf: WeitereWortmeldungen liegen mir nicht vor.

Zur Abstimmung liegen Ihnen die Empfehlungender Ausschüsse in Drucksache 698/1/01 sowie ein ge-meinsamer Antrag Bayerns und Baden-Württembergsin Drucksache 698/2/01 vor.

Wir beginnen mit dem 2-Länder-Antrag, bei dessenAnnahme die Ausschussempfehlungen entfallen.Bitte Handzeichen für den Antrag in Drucksache698/2/01! – Minderheit.

Wir fahren mit den Ausschussempfehlungen inDrucksache 698/1/01 fort. Ich rufe auf:

Ziffern 1, 5 und 6 gemeinsam! – Mehrheit.

Aus den Ausschussempfehlungen rufe ich zur Ein-zelabstimmung auf:

Ziffer 2! – Mehrheit.

Ziffer 3! – Mehrheit.

Ziffer 4! – Mehrheit.

Ziffer 7! – Mehrheit.

Damit hat der Bundesrat zu dem Gesetzentwurf ent-sprechend Stellung genommen.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 14:

Entwurf eines Gesetzes zur Fortführung desSolidarpaktes, zur Neuordnung des bundes-staatlichen Finanzausgleichs und zur Abwick-lung des Fonds „Deutsche Einheit“ (Solidar-paktfortführungsgesetz – SFG) (Drucksache734/01)

Herr Kollege Ringstorff aus Mecklenburg-Vorpom-mern hat sich zu Wort gemeldet.

Dr. Harald Ringstorff (Mecklenburg-Vorpommern):Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Vor der Sommerpause ist es uns gelungen, einegute Lösung zur Neuordnung der Bund-Länder-Fi-nanzbeziehungen auszuhandeln, eine Lösung, deralle Länder und der Bund zustimmen konnten. Daswar und ist eine große Leistung. Es ist auch ein klarerBeweis für die Handlungs- und Einigungsfähigkeitvon Bund und Ländern sowie ein sichtbares Zeichendafür, dass die gemeinsame Finanzverantwortung vonOst und West fortgeschrieben wird.

Heute gilt es, mit dem Solidarpaktfortführungs-gesetz das, was wir damals gemeinsam an Eckpunk-ten zum Finanzausgleich und zum Solidarpakt IIfestgelegt haben, gesetzlich umzusetzen. Es gilt, dieerzielten Übereinkünfte auch tatsächlich ins Ziel zu bringen. Wir wollen, dass das Solidarpaktfortfüh-rungsgesetz rechtzeitig zum 1. Januar 2002 in Krafttreten kann.

Soll dieser Zeitplan eingehalten werden, so kann esjetzt nicht darum gehen, zwischen Bund und Ländernnoch bestehende Meinungsunterschiede über die An-wendung des Deckungsquotenverfahrens und zurFrage getrennter Regelkreise beim Familienleis-tungsausgleich gleich mit zu lösen. Das soll in einemnächsten Schritt geschehen. So haben wir es in denEntschließungen des Bundestages und des Bundesra-tes verabredet. Und was man verabredet, sollte auchgelten.

Diesen Verabredungen zwischen Bund und Län-dern wird in dem vorliegenden Gesetzentwurf nichtRechnung getragen. So wird zur vertikalen Umsatz-steuerverteilung einseitig an der Position des Bundeszur Methodik der Deckungsquotenberechnung fest-gehalten und der grundgesetzlich verankerte zweiteRegelkreis beim Familienleistungsausgleich negiert.Diese Problematik ist sehr komplex und beinhaltetwegen ihres Streitwertes von ca. 20 Milliarden DMein hohes Konfliktpotenzial zwischen Bund und Län-dern. Allein für Mecklenburg-Vorpommern ergibtsich daraus ein Einnahmerisiko von 440 MillionenDM. Das sind Dimensionen, meine Damen und Her-ren, die angesichts der angespannten Haushaltssitua-tion der Länder nicht zu bewältigen sind.

Ebenso wenig wird das verabredete Verfahren zurinnerstaatlichen Umsetzung der Fiskalkriterien desEG-Vertrages berücksichtigt. Hier hatten sich Bundund Länder darauf verständigt, ihren strikten Konsoli-dierungskurs fortzusetzen. Nun sind aber in dem vorliegenden Gesetzentwurf Formulierungen zur Ein-haltung der Haushaltsdisziplin im Rahmen der Eu-

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Parl. Staatssekretär Matthias Berninger

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ropäischen Wirtschafts- und Währungsunion zu fin-den, die weit über das Erforderliche hinausgehen unddie verfassungsrechtlich garantierte Haushaltsauto-nomie der Länder einschränken.

Damit können sich die Länder naturgemäß nichteinverstanden erklären, würde uns doch auf dieseWeise notwendiger Handlungsspielraum genommen.Das heißt nicht, dass die Länder die Notwendigkeitder Haushaltskonsolidierung bestreiten. Die Haus-haltskonsolidierung ist ein gemeinsames politischesZiel, das Bund, Länder und Gemeinden jeweils in au-tonomer Verantwortung seit Jahren erfolgreich verfol-gen. Dies werden wir auch in Zukunft fortsetzen. DerVorschlag der Länder zur Ergänzung des Haushalts-grundsätzegesetzes bringt dies klar zum Ausdruck,vermeidet aber eine unzulässige Einschränkung derHaushaltsautonomie der Länder und Gemeinden.Also: Haushaltskonsolidierung ja, Eingriff in die ei-genverantwortliche Haushaltsführung der Ländernein!

Meine Damen und Herren, wenn die genannten Re-gelungen so bleiben, wie vom Bund vorgelegt, ist imVerlauf der parlamentarischen Beratungen mit einemVermittlungsverfahren zum Solidarpaktfortführungs-gesetz zu rechnen. Damit besteht die Gefahr, dass dasSolidarpaktfortführungsgesetz nicht rechtzeitig zum1. Januar 2002 in Kraft treten kann, und die zum Ab-schluss der Verhandlungen zum bundesstaatlichenFinanzausgleich zum Solidarpakt II bekundete Einig-keit von Bund und Ländern sowie die damit verbun-dene Glaubwürdigkeit der Handelnden würden inFrage gestellt. Daran kann uns nicht gelegen sein.

Darüber hinaus würde ein verzögertes Inkrafttre-ten des Solidarpaktfortführungsgesetzes insbesonde-re für die ostdeutschen Länder neue, nicht kalkulier-bare Schwierigkeiten mit sich bringen. Ich beziehemich auf die im Gesetzentwurf geregelte Umwid-mung der Mittel des Investitionsförderungsgesetzesin die Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisun-gen für teilungsbedingte Sonderlasten ab 1. Januar2002, die in den Entwürfen der Haushalte für 2002 be-reits Berücksichtigung gefunden hat. Dafür müssenjetzt die rechtlichen Voraussetzungen geschaffenwerden.

Ich bitte daher die Bundesregierung und den Bun-destag nachdrücklich, Bezug nehmend auf die ein-stimmig ergangenen Empfehlungen des Finanzaus-schusses, die Lösung der genannten Konfliktpunktenicht an den vorliegenden Gesetzentwurf zu koppeln.

Meine Damen und Herren, was wir jetzt brauchen,ist ein faires und zügiges Gesetzgebungsverfahren,das in einem ersten Schritt die Umsetzung der unstrit-tigen Punkte des bundesstaatlichen Finanzausgleichsund das Inkrafttreten dieser Regelungen zum 1. Janu-ar 2002 sicherstellt. Wenn das gelänge, könnten wir – wie verabredet – in einem zweiten Schritt bis zumEnde der laufenden Legislaturperiode die übrigenwichtigen Fragestellungen klären. Das sollte unserZiel sein.

Amtierender Präsident Dr. Henning Scherf: NächsteWortmeldung: Herr Minister Gerhards (Sachsen-An-halt).

Wolfgang Gerhards (Sachsen-Anhalt): Herr Präsi-dent, meine Damen und Herren! Mit dem Entwurf derBundesregierung für ein Solidarpaktfortführungsge-setz wird nach der Verabschiedung des Maßstäbege-setzes nun die zweite Stufe im parlamentarischenVerfahren genommen, über das Jahr 2004 hinaus fürdie ostdeutschen Länder Planungssicherheit für dieFortführung des Aufbaus Ost zu schaffen. Der Ge-setzentwurf geht dabei von den gleichlautenden Ent-schließungen von Bundestag und Bundesrat zumMaßstäbegesetz aus, die die Verabredungen der Re-gierungschefs von Bund und Ländern insbesonderezum Solidarpakt II und zum bundesstaatlichen Finanz-ausgleich wiedergeben.

Ich danke der Bundesregierung ausdrücklich dafür,dass sie den vorgesehenen Zeitplan eingehalten undsofort nach der Sommerpause den zweiten Teil diesesGesetzgebungspakets vorgelegt hat. Die inzwischenerfolgte Einbringung wortgleicher Fraktionsentwürfeim Bundestag ist sicherlich auch hilfreich, um die not-wendige Neuregelung bis zum Jahresende zu verab-schieden.

Ein wesentlicher Bestandteil des Solidarpakts II istdie fortgesetzte Gewährung von Sonderbedarfs-Bun-desergänzungszuweisungen – wir haben das den„Korb I“ genannt –, die der Gesetzentwurf für jedesostdeutsche Land in den Jahren 2005 bis 2019 fest-legt.

Auch die Überführung der Mittel nach dem Investi-tionsförderungsgesetz Aufbau Ost in Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen bereits ab dem Jahre2002 wird durch den Gesetzentwurf präzise umge-setzt. Damit wird in den ostdeutschen Ländern künf-tig das detaillierte und für alle Beteiligten – Bund,Länder und Kommunen – mit hohem Verwaltungsauf-wand verbundene Abrechnungsverfahren im Zusam-menhang mit den Investitionshilfen entfallen können.Um diese Zielsetzung der politischen Verabredungender Regierungschefs vom Juni möglichst noch frühererreichen zu können, hat mein Land auch einen An-trag eingebracht, nach dem bereits ab dem Berichts-jahr 2001 ein vereinfachtes Abrechnungsverfahrenangewendet werden soll.

Mit dem Solidarpaktfortführungsgesetz nicht zu ko-difizieren sind die Vereinbarungen zum Korb II, alsozu den überproportionalen Leistungen des Bundes fürdie ostdeutschen Länder bei den weiteren Mischfi-nanzierungen, bei der Behandlung der EU-Struktur-fonds sowie bei der aufbaupolitischen Zielsetzung derInvestitionszulage mit einem Volumen von derzeitüber 5 Milliarden Euro jährlich. Wir gehen hierbeidavon aus, dass dies durch den Bund genauso zielge-richtet umgesetzt wird, wie der Gesetzentwurf denKorb I behandelt.

Auch bei der horizontalen Umsatzsteuerverteilungund im Länderfinanzausgleich wird der unter denLändern gefundene Kompromiss durch den Gesetz-entwurf ordentlich wiedergegeben. Die Stufen vonbundesstaatlicher Steuerverteilung und Finanzaus-gleich gegenüber dem jetzigen System werden ver-einfacht, transparenter gemacht und im Hinblick aufVorgaben des Bundesverfassungsgerichts angepasst.

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Dr. Harald Ringstorff (Mecklenburg-Vorpommern)

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Frau Kollegin Hendricks, ich habe jetzt das getan,was Herr Kollege S c h i l y heute Morgen eingefor-dert hat: Ich habe die Bundesregierung wirklich aus-führlich gelobt. Aber dieses Lob findet ein Ende – derMinisterpräsident des Landes Mecklenburg-Vorpom-mern hat dies bereits angedeutet – bei der von derBundesregierung beabsichtigten Regelung zur verti-kalen Umsatzsteuerverteilung, dem Bereich desDeckungsquotenverfahrens und des Familienleis-tungsausgleichs.

Entgegen den Verabredungen der Regierungschefsvon Bund und Ländern ist in Artikel 5, dem neuen Fi-nanzausgleichsgesetz, unter § 1 vollständig die Positi-on des Bundesfinanzministeriums formuliert worden.Bund und Ländern war schon vor ihren Gesprächenim Juni beiderseitig klar, dass in der vertikalen Um-satzsteuerverteilung sowohl bei der Methodik desDeckungsquotenverfahrens als auch bei der Fragezweier getrennter Regelkreise Dissens besteht. Die-ser Dissens besteht bereits seit einigen Jahrzehnten.

Am Ende dreier Tage und Nächte stand deshalbzwischen Bund und Ländern das Verständnis, dassgegenwärtig die unproblematischen Punkte abgear-beitet werden sollen, während die bestehenden Mei-nungsunterschiede zu einem späteren Zeitpunkt inder laufenden Wahlperiode des Bundestages einergesetzlichen Regelung zuzuführen sind. Dies geschahauch vor dem Hintergrund, dass wesentliche Rege-lungen für die ostdeutschen Länder beim Investiti-onsförderungsgesetz Aufbau Ost und bei den Sonder-bedarfs-Bundesergänzungszuweisungen, aber auchfür die westdeutschen Länder und Berlin beim Fonds„Deutsche Einheit“ bereits zum 1. Januar 2002 inKraft treten sollen und deshalb keine Verzögerungdulden. Erst dieses Verständnis ermöglichte den Kom-promiss und den Erfolg.

Ich erinnere auch an die deutlichen Ausführungenund Grundgesetzzitate des Kollegen ProfessorFaltlhauser zu den zwei Regelkreisen anlässlich desersten Durchgangs zum Maßstäbegesetz in diesemHause.

Meine Bitte an den Bund lautet, das, was von unsallen im Sommer als Sternstunde des Föderalismusgefeiert wurde, nicht mit einem Problem zu befrach-ten, das in diesem Gesetz unter den bestehenden zeit-lichen Vorgaben nicht zu lösen ist. Die Länder habendeshalb einen Vorschlag zu § 1 formuliert, der vomStatus quo ausgeht und die Interessen beider Seitenwahrt. Für die Stimmungslage in den ostdeutschenLändern wäre fast nichts ungünstiger als der Ein-druck, dass sie für die Position des Bundes in Haftunggenommen werden könnten. Wir sollten uns deshalbgegenwärtig auf das beschränken, was zwischenBund und Ländern im Juni einvernehmlich verabre-det worden ist.

Ein weiterer kritischer Punkt – auch darauf hat HerrMinisterpräsident Ringstorff hingewiesen – ist dieFrage einer gesetzlichen Regelung zur Einhaltung derHaushaltsdisziplin im Rahmen der EuropäischenWirtschafts- und Währungsunion. Hier stehen Bundund Länder – bei grundsätzlicher Anerkennung desEuropäischen Stabilitätspaktes – seit Jahren im Dis-

sens über die Gestaltung eines innerstaatlichen Verfahrens im Einzelnen. Auch wenn sich eineAnnäherung abzeichnet, bleibt doch hier und heutedie entscheidende Frage, ob eine Regelung im Soli-darpaktfortführungsgesetz unabdingbare Vorausset-zung für die grundlegende Zielsetzung des Gesetzes,nämlich die Fortführung des Aufbaus Ost und dieNeuordnung des bundesstaatlichen Finanzaus-gleichs, ist. Sollten wir im weiteren Verfahren nicht zueiner beiderseits tragfähigen Lösung kommen, wärees als zweitbeste Lösung sicherlich sinnvoller, an die-ser Stelle auf eine Regelung zu verzichten, ohne sieallerdings aus den Augen zu verlieren. Es läge dannim Sinne der Absprachen vom Juni, wenn die in dasHaushaltsgrundsätzegesetz aufzunehmenden Verfah-rensregelungen zur Einhaltung der Haushaltsdiszi-plin im Rahmen der Europäischen Wirtschafts- undWährungsunion zeitlich nicht mit den bis zum Jahres-ende notwendigerweise umzusetzenden Inhalten un-abdingbar verknüpft würden.

Es entspräche dem Geist der Verhandlungen vomJuni, die beiden genannten offenen Punkte ohne for-mal streitiges Verfahren – etwa im Vermittlungsaus-schuss – im Konsens zu regeln. Mich stimmt optimis-tisch, dass der Bundesfinanzminister inzwischen zueinem Gespräch speziell über diese beiden Punkteeingeladen hat. Das macht mich zuversichtlich, dassbei allen Beteiligten der feste Wille vorhanden ist, dieoffenen Fragen im guten Einvernehmen so zu beant-worten, dass im Bundestag und im Bundesrat noch indiesem Jahr deutliche Mehrheiten erreicht werden. –Schönen Dank.

Amtierender Präsident Dr. Henning Scherf: NächsteWortmeldung: Frau Parlamentarische Staatssekre-tärin Dr. Hendricks (Bundesfinanzministerium).

Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister der Finanzen: Herr Präsident, meineDamen und Herren! In der Tat – wir haben es gemein-sam als Sternstunde des Föderalismus betrachtet, alses uns im Sommer dieses Jahres gelungen ist, Pla-nungssicherheit insbesondere für die neuen Bundes-länder für die Dauer von zwei Jahrzehnten herzustel-len. Es war uns klar, dass wir in der Umsetzung desMaßstäbegesetzes mit dem vorliegenden Entwurfeines Solidarpaktfortführungsgesetzes noch nicht alleFragen abschließend behandelt haben.

Richtig ist – Herr Ministerpräsident Ringstorff hat esgesagt –: Es handelt sich um schwierige Rechtsgegen-stände. Gleichwohl sind diese schwierigen Rechtsge-genstände nicht nur hinreichend, sondern vollständigdurchdrungen, und zwar sowohl seitens der Länderals auch des Bundes. Es geht jetzt um die politischeEinigung. Es gibt eine unterschiedliche Interessenla-ge. Wir brauchen uns gegenseitig nichts vorzuma-chen: Die Länder haben eine andere Interessenlageals der Bund.

Jetzt kommt es darauf an, die Interessenlagen aufeinen Kompromiss zuzuführen. Aus der Sicht desBundes kann ich nicht verstehen, warum das in denersten Monaten des nächsten Jahres eher möglich

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Wolfgang Gerhards (Sachsen-Anhalt)

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sein soll als in den letzten Monaten dieses Jahres.Wenn der Einigungswille im letzten Quartal des Jah-res 2001 nicht vorhanden ist, dann ist er auch im ers-ten oder zweiten Quartal des Jahres 2002 nicht vor-handen, und alles, was danach geschähe, fieleohnehin der Diskontinuität der Gesetzgebung desDeutschen Bundestages anheim.

In diesem Wissen sollten wir wie erwachsene Men-schen miteinander umgehen. Es geht im Wesentli-chen um zwei Punkte; sie sind von meinen Vorred-nern identifiziert worden. Der eine Punkt ist dereigene Regelkreis für den Familienleistungsaus-gleich im Rahmen der Deckungsquotenberechnung,der andere Punkt – das bitte ich in Richtung auf dieLänder sagen zu dürfen – betrifft die europarechtli-che Umsetzung des Stabilitätspaktes in den Ländern.

Das heißt nicht, dass wir etwa in die Haushaltsho-heit der Länder eingreifen wollen. Das gibt der Ent-wurf, den die Bundesregierung vorgelegt hat, nunwirklich nicht her. Vielmehr wollen sich – ich fasse esetwas untechnisch zusammen – die Länder verpflich-ten, jeweils für sich zu erklären, zu welchem Zeit-punkt sie erstmals einen ausgeglichenen Haushaltvorlegen wollen. Darüber wollen sie im Finanzpla-nungsrat berichten. Sanktionen gibt es nicht. Wo alsowird in die Haushaltshoheit der Länder eingegriffen,wenn diese selber bestimmen können, wann sie einenausgeglichenen Haushalt vorlegen? Sie berichtendarüber im Finanzplanungsrat, in dem ohnehin überdie Entwicklung der Haushalte diskutiert wird. Sielegen gleichsam einen Fortschrittsbericht vor. Da esverfassungsrechtlich keine Sanktionen gibt, sindauch keine angedacht.

Wir sollten die Kirche im Dorf lassen. Es ist keinEingriff in die Haushaltshoheit der Länder geplant,sondern es geht um eine Selbstbindung. Diese Mini-malanforderung müssen wir vor dem Hintergrunddes europäischen Rechts stellen. Dahinter kann derBund allerdings nicht wesentlich zurückgehen.

Gleichwohl: Kompromiss bedeutet immer ein Auf-einander-Zugehen von beiden Seiten. Die Bundesre-gierung ist dazu bereit. Wir erwarten aber von denLändern, dass die Einigung mit uns und dem Deut-schen Bundestag noch in diesem Jahr zu Standekommt. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, warumdas im nächsten Jahr einfacher oder eher möglichsein soll. Allein der politische Wille mag in diesemJahr vielleicht noch nicht hinreichend vorhandensein. – Danke schön.

Amtierender Präsident Dr. Henning Scherf: HerrMinister Köberle (Baden-Württemberg) hat eine Er-klärung zu Protokoll*) gegeben. – Weitere Wortmel-dungen liegen nicht vor.

Wir kommen zur Abstimmung. Hierzu liegen Ihnendie Ausschussempfehlungen in den Drucksachen734/1/01 und zu 734/1/01 vor.

Aus der Ausschussdrucksache 734/1/01 rufe ichzunächst die Ziffer 3 auf. Wer ist hierfür? – Mehrheit.

Nun das Handzeichen für alle übrigen Ziffern! –Das ist einstimmig.

Der Bundesrat hat entsprechend Stellung genom-men.

Tagesordnungspunkt 15:

Entscheidung über Fristverlängerung gemäßArtikel 76 Abs. 2 Satz 3 GG

Entwurf eines Gesetzes zur Einführung desdiagnose-orientierten Fallpauschalensystemsfür Krankenhäuser (Fallpauschalengesetz –FPG) (Drucksache 701/01)

Der Ständige Beirat schlägt vor, zu diesem Gesetz-entwurf der Bundesregierung eine Verlängerung derFrist zur Stellungnahme gemäß Artikel 76 Abs. 2 Satz3 des Grundgesetzes zu verlangen. Zur Begründungverweise ich auf die Ihnen vorliegende Drucksache701/1/01.

Wer dem Vorschlag des Ständigen Beirates folgenmöchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Es ist sobeschlossen.

Tagesordnungspunkt 16:

Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung desWaffenrechts (WaffRNeuRegG) (Drucksache596/01)

Wortmeldungen liegen nicht vor. – Eine Erklärungzu Protokoll*) gibt Herr Minister Schuster (Thürin-gen).

Die Ausschussempfehlungen ersehen Sie ausDrucksache 596/2/01. Zusätzlich liegen ein AntragThüringens in Drucksache 596/3/01 und acht Anträgeder bayerischen Landesregierung in den Drucksa-chen 596/4 bis 11/01 vor.

Zur Einzelabstimmung rufe ich auf:

Ziffer 6! – Mehrheit.

Jetzt bitte das Handzeichen zu dem bayerischenAntrag in Drucksache 596/4/01! – Minderheit.

Der bayerische Antrag in Drucksache 596/5/01! –Minderheit.

Aus den Ausschussempfehlungen:

Ziffer 19! – Minderheit.

Zum bayerischen Antrag in Drucksache 596/6/01! –Minderheit.

Zurück zu den Ausschussempfehlungen:

Ziffer 23! – Mehrheit.

Ziffer 24! – Mehrheit.

Zu den im Sachzusammenhang stehenden Ziffern27, 47 und 121 sowie den mit der letztgenannten Zif-fer in Konkurrenz stehenden Landesanträgen inDrucksachen 596/3 und 11/01! Ich rufe auf:

Ziffer 27! – Mehrheit.

Ziffer 47! – Mehrheit.

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Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks

*) Anlage 10 *) Anlage 11

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Nun zum Antrag in Drucksache 596/11/01, bei des-sen Annahme der Antrag Thüringens und die Ziffer121 entfallen. Wer stimmt dem Antrag zu? – Minder-heit.

Bitte das Handzeichen zum Antrag Thüringens, derZiffer 121 entfallen lässt! – Minderheit.

Das Handzeichen zu Ziffer 121 der Ausschussemp-fehlungen! – Mehrheit.

Ziffer 31! – Minderheit.

Ziffer 32! – Mehrheit.

Ziffer 33! – Minderheit.

Ziffer 34! – Mehrheit.

Ziffer 36! – Mehrheit.

Nun zum Antrag in Drucksache 596/7/01! Werstimmt zu? – Minderheit.

Wir kommen zum bayerischen Antrag in Drucksa-che 596/8/01, bei dessen Annahme Ziffer 41 erledigtist. Wer ist für den bayerischen Antrag? – Minderheit.

Bitte das Handzeichen zu Ziffer 41! – Mehrheit.

Zum bayerischen Antrag in Drucksache 596/9/01!Wer ist dafür? – Minderheit.

Aus den Ausschussempfehlungen:

Ziffer 48! – Mehrheit.

Ziffer 52! – 35 Stimmen; Mehrheit.

Ziffer 53 entfällt.

Zum bayerischen Antrag in Drucksache 596/10/01! –Minderheit.

Weiter mit den Ausschussempfehlungen:

Ziffer 57! – Mehrheit.

Ziffer 60! – Mehrheit.

Ziffer 66! – Minderheit.

Bitte das Handzeichen zu Ziffer 67! – Mehrheit.

Ziffer 76! – Mehrheit.

Ziffer 119! – Mehrheit.

Nun bitte das Handzeichen zu allen noch nicht erle-digten Ziffern! – Mehrheit.

Der Bundesrat hat entsprechend Stellung genom-men.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 17:

Entwurf eines Versorgungsänderungsgesetzes2001 (Drucksache 735/01)

Herr Minister Köberle (Baden-Württemberg), bitte.

Rudolf Köberle (Baden-Württemberg): VerehrterHerr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen!Der Entwurf eines Versorgungsänderungsgesetzes2001 zielt im Kern darauf ab, die Rentenreform wir-kungsgleich auf die Beamtenversorgung zu übertra-gen. Dabei versucht die Bundesregierung den Ein-

druck zu vermitteln, es sei aus Gründen der sozialenGerechtigkeit notwendig, diesen weit reichendenSchritt zu tun.

Der Gesetzentwurf ist aber alles andere als sozialgerecht und ausgewogen. Für den Fall der Umset-zung werden die Beamten in gravierender Weise zurKasse gebeten, ohne dass die rechtlichen und tatsäch-lichen Rahmenbedingungen berücksichtigt würden.Die Pläne der Bundesregierung laufen deshalb aufweitere massive, sachlich nicht zu rechtfertigendeEinschnitte zu Lasten der Beamtenschaft hinaus.

Der Gesetzentwurf führt zum einen zu einem völli-gen Systembruch. Es ist unbestritten, dass es sich beimRentenrecht und der Beamtenversorgung um zwei un-terschiedliche Versorgungssysteme handelt, die nichtsystemwidrig gleich behandelt werden dürfen.

Die Beamtenversorgung ist eine Vollversorgungund damit mehr als eine gesetzliche Rente. Die Beam-ten erhalten beispielsweise seit jeher niedrigere Brut-tobezüge mit der Begründung, sie müssten schließlichkeine Beiträge für ihre Versorgung aufbringen, weilder Staat die Versorgung gewährleiste. Wenn derBund also die Rentenreform schematisch – in derSprache des Gesetzes: „systemgerecht“ – auf die Be-amtenversorgung überträgt, vergleicht er Dinge, dienicht miteinander verglichen werden können.

Wegen des grundsätzlich unterschiedlichen Cha-rakters der Versorgungssysteme verbietet sich mithinjegliche Übertragung von rentenrechtlichen Maßnah-men in das Beamtenrecht.

Geht man gleichwohl diesen Weg, sind Konfliktemit der Verfassung – den hergebrachten Grundsätzendes Berufsbeamtentums – unausweichlich.

Das Beamtenrecht ist geprägt durch den Grundsatzder uneingeschränkten Alimentationsverpflichtungdes Dienstherrn und dem daraus resultierenden geschützten Vertrauen des Beamten auf eine an-gemessene Versorgung. Es ist deshalb nicht mit Arti-kel 33 Abs. 5 Grundgesetz vereinbar, Beamte ergän-zend zum Ausgleich von Alimentationsdefiziten aufden Aufbau einer eigenen Altersversorgung zu ver-weisen.

Hinzu kommt, dass Sparmaßnahmen des Gesetzge-bers gerecht und sozial ausgewogen sein müssen, alsonicht im Übermaß zu Lasten einer bestimmten Perso-nengruppe vorgenommen werden dürfen. Auch in die-sem Bereich sind die Pläne der Bundesregierung nichtnachvollziehbar. Sie lassen völlig außer Acht, dass dieBeamten und Versorgungsempfänger erhebliche Vor-leistungen in der Vergangenheit erbracht haben.

Es ist unbestritten, dass die Beamten im Besol-dungs- und Versorgungsbereich massive Einschnittehinnehmen mussten. Allein durch die erst drei Jahrezurückliegende Dienstrechts- und Versorgungsre-form wurden Kürzungen in Milliardenhöhe verur-sacht. Hierzu gehören Änderungen in der Besol-dungsstruktur, Bezügeanpassungen unterhalb derTarifabschlüsse, Einfrieren der jährlichen Sonderzu-wendungen und vor allem die Bildung der Versor-gungsrücklage, die zu einem deutlichen Absinkendes Einkommensniveaus geführt hat.

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Amtierender Präsident Dr. Henning Scherf

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Der Gesetzentwurf der Bundesregierung ignoriert,dass der Bund in der Vergangenheit mit dem Dienst-rechtsreformgesetz und dem Versorgungsreformge-setz einschneidende Maßnahmen ergriffen hat, umden Pensionslasten wirksam zu begegnen. Anstattabzuwarten und anhand der Zahlen des 2. Versor-gungsberichts genau zu analysieren, ob und, wenn ja,welche weiteren Reformschritte geboten sind, wirdohne Rücksicht auf Verluste die Brechstange einge-setzt. Kurz vor dem Wahljahr 2002 wird versucht, inaller Eile ein Gesetzgebungsvorhaben durchzupeit-schen, das an den Grundlagen des Berufsbeamten-tums rüttelt.

Der Gesetzentwurf lässt klar darauf schließen, wiedie Bundesregierung zum Berufsbeamtentum steht,und es ist zu vermuten, dass weitere Schritte zur suk-zessiven Demontage des Beamtentums folgen.

Mit Baden-Württemberg wird es keine Abschaffungdes Berufsbeamtentums geben. Baden-Württembergkann dem Gesetzentwurf, soweit er die Übertragungder Rentenreform auf die Beamtenversorgung betrifft,aus den genannten Gründen nicht zustimmen. Ichbitte Sie um Unterstützung unseres Antrags.

Amtierender Präsident Dr. Henning Scherf: NächsteWortmeldung: Kollege Gnauck (Thüringen).

Jürgen Gnauck (Thüringen): Herr Präsident! Meinesehr verehrten Damen und Herren! Die Deutschenwerden weniger, aber dafür älter. Den Bürgerinnenund Bürgern unseres Landes ist, so denke ich, inzwi-schen bewusst geworden, dass die Entwicklung derAltersstruktur zu erheblichen, teilweise schmerzli-chen Veränderungen führen wird, und zwar bei allenAltersversorgungssystemen.

Zustimmung werden jedoch nur solche Verände-rungen finden, die notwendige Belastungen gleich-mäßig verteilen. Keine Gruppe darf benachteiligtoder bevorzugt werden.

Mit dem vorliegenden Gesetz werden aber Beamteunverhältnismäßig belastet. Der Gesetzentwurf igno-riert Vorleistungen, die die Beamten und Versor-gungsempfänger in der Vergangenheit erbrachthaben, und er enttäuscht das Vertrauen der Pensionä-re in die erworbenen Ansprüche auf Altersversorgung,ohne ihnen die Möglichkeit zu geben, die Kürzungendurch private Vorsorgemaßnahmen aufzufangen, was– das hat mein Vorredner schon betont – auch unterdem Gesichtspunkt des Alimentationsgrundsatzes inArtikel 33 Abs. 5 des Grundgesetzes verfassungsrecht-lich bedenklich ist.

Zu den Änderungsanträgen des Innen- und des Fi-nanzausschusses wurde schon Stellung genommen.Ich möchte mich auf Ziffer 13 der Empfehlungsdruck-sache konzentrieren. Es handelt sich dabei um eineThüringer Initiative, um eine Regelung, die verhin-dern soll, dass es in der Beamtenversorgungs-Über-gangsverordnung zu zeitweiligen Ungleichbehand-lungen kommt.

Unter den historischen Umständen des Vereini-gungsprozesses konnten eine Reihe von Landräten

oder Bürgermeistern die Voraussetzungen des § 66des Beamtenversorgungsgesetzes für eine verbesser-te Versorgung der Wahlbeamten nicht erfüllen. Fürdie kommunalen Wahlbeamten der „ersten Stunde“war es nun wirklich nicht vordringlich, sich um diegesetzlichen Feinheiten und Fristenregelungen desBeamtenversorgungsrechts und die Sicherung ihrerAltersbezüge zu kümmern.

Hinzu kommt, dass die entsprechenden bundes-rechtlichen Regelungen zum Zeitpunkt der erstenfreien Kommunalwahlen – ich erinnere daran: Mai1990, also vor der Wiedervereinigung – noch nichtgalten und die notwendigen landesrechtlichen Be-stimmungen vor der Wiedergründung der jungenLänder nicht existieren konnten. Jetzt, nach zwei auf-reibenden Legislaturperioden und nachdem sie eineimmense Aufbauleistung erbracht haben, gehen vielekommunale Wahlbeamte in den jungen Länderndurch das eher zufällige Zusammentreffen verschie-dener Vorschriften quasi leer aus, wenn wir nicht ge-gensteuern.

Nach umfangreichen Vorarbeiten hat der Bundesratdankenswerterweise im Juni dieses Jahres einen Ver-ordnungsentwurf zur Ergänzung der Beamtenversor-gungs-Übergangsverordnung beschlossen und derBundesregierung zugeleitet. Für mich unverständ-lich, Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierungdiesen Entwurf jedoch nur in verkürzter Form in denvorliegenden Gesetzentwurf übernommen. Durchden Wegfall eines einzigen, aber maßgeblichen Sat-zes werden die Landräte und Bürgermeister, die nachzwei Legislaturperioden ausgeschieden oder bei derletzten Kommunalwahl in Thüringen nicht wiederge-wählt worden sind, um die verbesserte Altersversor-gung des § 66 Beamtenversorgungsgesetz gebracht –und das, Herr Staatssekretär, obwohl es den Bundkeine Mark, nicht einmal einen halben Euro kostet.

Dies ist gegenüber den Menschen, die sich um denAufbau Thüringens und der übrigen jungen Länder inerheblichem Maße verdient gemacht haben, nichtfair. Mit einem solchen Verhalten wird die Lebensleis-tung dieser Beamten und die Leistung, die sie fürunser Gemeinwesen erbracht haben, nicht gebührendgewürdigt.

Die Bundesregierung, Herr Staatssekretär, hat dieBitte, die versorgungsrechtliche Benachteiligung derkommunalen Wahlbeamten in den jungen Ländernabzustellen, lange ignoriert. Immer wieder hat siedarauf hingewiesen, dass sie ohne abgestimmte Hal-tung aller jungen Länder nicht tätig werden könne.

Nachdem die ostdeutschen Ministerpräsidenten dasgemeinsame Anliegen formuliert hatten, entstandeine gemeinsame Bundesratsinitiative Mecklenburg-Vorpommerns, Sachsen-Anhalts, Sachsens undThüringens. Der Bundesrat hat sie am 27. Juni diesesJahres beschlossen. Aber auch das reicht der Bundes-regierung anscheinend nicht; denn sie hat die Ent-schließung des Bundesrates in entscheidenden Punk-ten nicht berücksichtigt. Sei es auf fachlicher oder aufpolitischer Ebene – die Frage, warum die Streichungerfolgte, wurde vom Bund stereotyp mit dem lapida-ren Hinweis beantwortet, der Bundesrat könne jaeinen neuen Antrag einbringen.

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Rudolf Köberle (Baden-Württemberg)

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Bundesrat – 768. Sitzung – 19. Oktober 2001560

Herr Staatssekretär, wie sollen wir dieses Verhaltenbewerten? Ich finde, so kann man mit den Ländernnicht umspringen. Deswegen unternehmen wir heuteeinen neuen Anlauf, um dieses leidige Thema endlichabzuschließen.

Es mag um eine verhältnismäßig kleine Gruppe vonBetroffenen gehen; aber es sind Menschen, die esnicht verdient haben, dass wir sie im Regen stehenlassen. Es sind Menschen, die Entscheidendes zumAufbau der jungen Länder beigetragen haben. Ichwürde mich sehr freuen, Herr Staatssekretär, wennnun auch die Bundesregierung reagierte. – VielenDank.

Amtierender Präsident Dr. Henning Scherf: NächsteWortmeldung: Parlamentarischer Staatssekretär Kör-per (Bundesinnenministerium).

Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun-desminister des Innern: Herr Präsident, meine Damenund Herren! Der 2. Versorgungsbericht wurde schonangesprochen. Er müsste übrigens dem Bundesrat – zumindest der Geschäftsstelle – vorliegen. Er eignetsich sehr gut, sich einmal darüber zu informieren,welche Versorgungsleistungen und -lasten wir zu er-warten haben.

Herr Kollege Köberle, die Bundesregierung hat sichbei dem vorliegenden Gesetzentwurf sehr wohl andem Versorgungsbericht orientiert. Ich will es Ihnenbelegen: Die Versorgungsleistungen werden bis zumJahr 2040 von rund 43 Milliarden auf 164 MilliardenDM ansteigen.

Ich sage als Vertreter der Bundesregierung nur inKlammern: Die Frage der Versorgung und der Versor-gungsleistungen ist für den Bund ein viel geringeresProblem als für die Länder oder die kommunalen Ge-bietskörperschaften.

Wenn man sich mit diesem Thema auseinandersetzt, muss man die Problemlage richtig beschreiben.Es geht bei dem vorliegenden Gesetzentwurf nichtdarum, Systeme miteinander zu verquicken, sondern,wie bei der Rente, darum, heute Vorsorge zu treffen,damit das Versorgungssystem auch noch für diejeni-gen Bestand hat, die Jahrzehnte später davon profitie-ren wollen und profitieren sollen. Das ist der entschei-dende Punkt.

Herr Köberle, Sie sollten den Versorgungsberichteinmal sorgfältig studieren. Wir können auch ein Pri-vatissimum halten. Sie werden dann erkennen, dassHandlungsbedarf besteht. Ich bin mir auch sicher,dass diejenigen, die heute die Reform kritisieren, unsspäter kritisieren würden, wenn wir nichts täten.Schauen Sie sich den Bericht bitte genau an!

Wir haben die wirkungsgleiche Übertragung derRentenreform auf die Beamtenversorgung mit dergleichen Begrifflichkeit angegangen. Unser Gesetz-entwurf macht deutlich, dass keine Pension gekürztwird – das ist wichtig für die öffentliche Diskussion –;vielmehr soll es bis zum Jahre 2011 zu einem gerin-geren Anstieg kommen, nämlich in der Größenord-nung von 8-mal 0,5 %. Wir haben auch eine Revisi-

onsklausel eingefügt. Wir wissen, dass die Beamtin-nen und Beamten von 1999 bis 2002 bereits Vorleis-tungen von insgesamt 0,6 % erbracht haben; dieswird berücksichtigt. Ich denke, das ist gerecht undkorrekt. Im Übrigen bleibt die so genannte Mindest-versorgung unberührt.

Der Einbeziehung von Ruhestandsbeamten in dengeplanten geringeren Anstieg der Versorgungsbezü-ge steht der Grundsatz des Vertrauensschutzes schondeswegen nicht entgegen, weil er sich nicht auf denzukünftigen Anstieg der Bezüge bezieht. Angesichtsder Tatsache, dass selbst die Mindestversorgung derBeamtinnen und Beamten noch über dem Betrag derDurchschnittsrente liegt, halte ich es für angemessenund auch für einen Akt der Gerechtigkeit, die Pen-sionäre in gleichem Umfang zu belasten, wie dies beiden Rentnerinnen und Rentnern geschieht.

Als Vorsorge für die absehbaren künftigen Belas-tungen durch die erhöhten Versorgungskosten wirddie Hälfte der Ersparnisse aus der ersten Übertra-gungsstufe den Versorgungsrücklagen von Bund undLändern zugeführt. Um Doppelbelastungen zu ver-meiden, werden die Leistungen zur Versorgungsrück-lage in Höhe von 0,2 % der Besoldungs- und Versor-gungsanpassungen für die Zeit von 2003 bis 2010ausgesetzt. Ab 2011 wird der Aufbau der Versor-gungsrücklage wieder aufgenommen und bis ins Jahr2017 fortgesetzt.

Von der Revisionsklausel habe ich schon gespro-chen. Es ist wichtig hinzuzufügen, dass die Beam-tinnen und Beamten zukünftig die Möglichkeit haben,freiwillig privat vorzusorgen. Das ist ein klares undeindeutiges Angebot. Die Beamtinnen und Beamtenkönnen wie die Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-mer von der steuerlichen Förderung profitieren.

Rentengleiche Maßnahmen erfassen auch den Be-reich der Hinterbliebenenversorgung. Die Höhe desbisherigen Witwengeldes bleibt für bestehende Ehengrundsätzlich erhalten. Für die lebensjüngeren Ehe-leute und für Paare, deren Eheschließung ab dem 1. Januar 2002 erfolgt, wird das Witwen- und Witwer-geld auf 55 % abgesenkt. Das Witwengeld für diesenPersonenkreis erhöht sich, wenn Kinder aus der Ehehervorgegangen sind. Genau wie bei der Renten-reform gibt es zwei Entgeltpunkte für das erste undjeweils einen Entgeltpunkt für jedes weitere Kind.

Über die Kinderkomponente beim Witwengeld hi-naus sieht der Gesetzentwurf weitere kinderbezo-gene Verbesserungen vor. Mit einem gesonderten Zu-schlag werden die Belastungen durch die Erziehungvon Kindern auch über die bereits jetzt finanziellhonorierten ersten drei Lebensjahre hinaus bis zum 10. Lebensjahr, bei pflegebedürftigen Kindern biszum 18. Lebensjahr berücksichtigt.

Meine Damen und Herren, das Versorgungsände-rungsgesetz wird auch einen Beitrag zur Konsolidie-rung der Haushalte von Bund und – in stärkeremMaße – Ländern sowie Gemeinden leisten. Bereits inder ersten Übertragungsstufe wird eine Senkung derVersorgungskosten bei Bund, Ländern und Gemein-den von ca. 12 Milliarden DM erwartet. Allerdingsmuss man die zu erwartenden Steuerminderein-

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Jürgen Gnauck (Thüringen)

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Bundesrat – 768. Sitzung – 19. Oktober 2001 561

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nahmen durch die steuerliche Förderung der privatenVorsorge in einer Größenordnung von 9,3 Milli-arden DM dagegenrechnen.

Ich möchte noch auf den Antrag des LandesThüringen in der Sache eingehen. Wir halten es fürsehr problematisch, wenn im Wege der FiktionDienstzeiten vor dem 3. Oktober 1990 als ruhegehalt-fähig anerkannt werden sollen. Dies würde den Rege-lungen des Einigungsvertrages widersprechen, dereine Berücksichtigung dieser Zeiten in der gesetz-lichen Rentenversicherung vorsieht. Eine Änderungin dem gewünschten Sinne würde darüber hinaus dieBeamtinnen und Beamten benachteiligen, die in ver-gleichbarer Situation in den neuen Ländern Dienstgeleistet haben und von der Berücksichtigung jetztnicht profitieren könnten, weil sie keine Wahlbeam-tinnen oder Wahlbeamten auf Zeit waren.

Ich denke, dies sind gewichtige Argumente in derSache, die ich Ihnen, Herr Gnauck, noch entgegen-halten wollte. Das hat nichts mit dem Verhalten ge-genüber den Ländern zu tun. Ich denke, die Argu-mente sind nicht von der Hand zu weisen. – In diesemSinne herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

Amtierender Präsident Dr. Henning Scherf: HerrGnauck möchte antworten.

Jürgen Gnauck (Thüringen): Herr Präsident, ichhabe dank bayerischer Mitwirkung gelernt, dass derFöderalismus im Bundesrat nicht am Freitagmittagum 13 Uhr zu Ende ist. Deswegen will ich auf einigeDinge eingehen, die Sie, Herr Staatssekretär Körper,angesprochen haben.

Um es in aller Deutlichkeit zu sagen: Mich stört ander Vorgehensweise der Bundesregierung massiv,dass man versucht hat, dieses Problem abzubügeln.Der Weg ist von Ihrer Parlamentarischen Staatsse-kretärin gewiesen worden: Es ist darum gebeten wor-den, im Hinblick auf dieses Sonderproblem Ostzunächst zu einer gemeinsamen Auffassung in denneuen Ländern und danach im Bundesrat zu kom-men. Jetzt haben wir die Voraussetzungen erfüllt – esmag sein, dass die Bundesregierung nicht damit ge-rechnet hat, dass das gelingt –, wir haben den gewie-senen Weg eingeschlagen, und Sie erklären heute daserste Mal, nachdem der Bundesinnenminister es nichtnötig hatte, mein Schreiben zu beantworten, es be-stünden rechtliche Bedenken.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie hiermit Interessen der Beamten in den neuen Ländern um-gegangen wird, ist völlig unhaltbar. Ich erinneredaran, dass zur DDR-Zeit gewählt worden ist. GlaubenSie denn, Herr Staatssekretär, ein Beamter hätte sichdamals Gedanken darüber gemacht, dass er rechtlichein „kommunaler Wahlbeamter“ ist, nachdem nochnicht einmal die Länder, geschweige denn landes-rechtliche Bestimmungen zum Bundesbeamtengesetzexistierten? Und jetzt kommen Sie mit einem solchenhanebüchenen Vergleich! Ich erwarte, dass die Zusa-gen, die im Vorfeld gegeben worden sind, eingehaltenwerden. Ich erwarte auch, dass das umgesetzt wird,was der Bundesrat schon einmal beschlossen hat. Esist schlicht unsauber vom Verfahren her.

Amtierender Präsident Dr. Henning Scherf: HerrStaatsminister Riebel (Hessen) hat eine Erklärung zuProtokoll*) gegeben.

Damit kommen wir zur Abstimmung. Die Ausschuss-empfehlungen ersehen Sie aus Drucksache 735/1/01.Daneben liegen Landesanträge in den Drucksachen735/2 bis 5/01 vor.

Wir beginnen mit dem baden-württembergischenAntrag in Drucksache 735/5/01, bei dessen Annahmealle übrigen Landesanträge sowie Ziffer 16 der Aus-schussempfehlungen entfallen. Wer stimmt dembaden-württembergischen Antrag zu? – Minderheit.

Dann bitte das Handzeichen zum Antrag Bayernsund Hessens in Drucksache 735/4/01! – Minderheit.

Das Handzeichen für den Antrag von Schleswig-Holstein in Drucksache 735/3/01! – Minderheit.

Wir kommen zu dem Antrag Schleswig-Holsteins inDrucksache 735/2/01. Wer stimmt zu? – Minderheit.

Wir stimmen über Ziffer 16 der Ausschussempfeh-lungen ab. Hierzu ist getrennte Abstimmung ge-wünscht worden.

Bitte das Handzeichen zu den Absätzen 1 und 2! –Minderheit.

Bitte das Handzeichen zu den übrigen Absätzen! –Minderheit.

Wir fahren fort mit den Ausschussempfehlungen:

Ziffer 1! – 34 Stimmen zählen wir; Minderheit.

Dann bitte Ziffer 3, bei deren Annahme Ziffer 4 ent-fällt! – Mehrheit.

Ziffer 4 ist erledigt.

Jetzt Ziffer 6! Bitte Handzeichen! – Mehrheit.

Ziffer 7! Bitte Handzeichen! – 36 Stimmen; Mehr-heit.

Bitte das Handzeichen zu allen noch nicht erledig-ten Ziffern! – Mehrheit.

Damit hat der Bundesrat die soeben festgelegteStellungnahme beschlossen.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 18:

Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung derStrafprozessordnung (Drucksache 702/01)

Wortmeldungen liegen nicht vor.

Zur Abstimmung liegen Ihnen die Ausschussemp-fehlungen in Drucksache 702/1/01 sowie zwei Anträ-ge von Rheinland-Pfalz in den Drucksachen 702/2und 3/01 vor.

Wir beginnen mit den Ausschussempfehlungen.Daraus rufe ich zur Einzelabstimmung auf:

Ziffer 1! Bitte Handzeichen! – Minderheit.

Bitte das Handzeichen für:

Ziffer 5! – Mehrheit.

(C)

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Parl. Staatssekretär Fritz Rudolf Körper

*) Anlage 12

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Bundesrat – 768. Sitzung – 19. Oktober 2001562

Damit entfällt der Landesantrag in Drucksache702/2/01.

Zurück zu den Ausschussempfehlungen! Bitte dasHandzeichen für:

Ziffer 7! – Mehrheit.

Ziffer 9! – Mehrheit.

Damit entfällt der Landesantrag in Drucksache702/3/01.

Jetzt bitte das Handzeichen für alle übrigen Ziffernder Ausschussempfehlungen! – Mehrheit.

Damit hat der Bundesrat zu dem Gesetzentwurf ent-sprechend Stellung genommen.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 19:

Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung derRichtlinie 98/8/EG des Europäischen Parla-ments und des Rates vom 16. Februar 1998über das Inverkehrbringen von Biozid-Produk-ten (Biozidgesetz) (Drucksache 703/01)

Eine Erklärung zu Protokoll*) gibt Frau MinisterinHöhn (Nordrhein-Westfalen). Sonst liegen keineWortmeldungen vor.

Zur Abstimmung liegen die Ausschussempfehlun-gen in Drucksache 703/1/01 vor.

Wer ist für Ziffer 1? Handzeichen bitte! – Mehrheit.

(Wolfgang Wieland [Berlin]: Ich bitte um erneute Auszählung!)

– Bitte noch einmal das Handzeichen zu Ziffer 1! – Siehaben Recht. Es sind 32 Stimmen; Minderheit.

Ziffer 2! Bitte Handzeichen! – Mehrheit.

Ziffer 3! Bitte Handzeichen! – 31 Stimmen; Minder-heit.

Ziffer 4! Bitte Handzeichen! – Mehrheit.

Ziffer 6! Bitte Handzeichen! – Mehrheit.

Ziffer 7! Bitte Handzeichen! – Minderheit.

Ziffer 8! Bitte Handzeichen! – Mehrheit.

Ziffer 10! Bitte Handzeichen! – Minderheit.

Ziffer 11! Bitte Handzeichen! – Minderheit.

Ziffer 13! Bitte Handzeichen! – 35 Stimmen; Mehr-heit.

Nun ziehen wir Ziffer 19 vor. Wer stimmt zu? –Mehrheit.

Zurück zu Ziffer 14! Wer stimmt zu? – Minderheit.

Ziffer 22! Bitte Handzeichen! – Minderheit.

Ziffer 23! Bitte Handzeichen! – Mehrheit.

Ziffer 24! Bitte Handzeichen! – Mehrheit.

Ziffer 25! Bitte Handzeichen! – Mehrheit.

Ziffer 26! Bitte Handzeichen! – Minderheit.

Ziffer 27! Bitte Handzeichen! – Minderheit.

Ziffer 28! Bitte Handzeichen! – Mehrheit.

Nun bitte das Handzeichen für alle noch nicht erle-digten Ziffern! – Angenommen.

Der Bundesrat hat entsprechend Stellung genom-men.

Tagesordnungspunkt 20:

Entwurf eines Siebten Gesetzes zur Änderungdes Wasserhaushaltsgesetzes (Drucksache704/01)

Keine Wortmeldungen.

Zur Abstimmung liegen Ihnen die Ausschussemp-fehlungen in Drucksache 704/1/01 vor.

Wir beginnen mit Ziffer 2. – Mehrheit.

Ziffer 8! – Mehrheit.

Ziffer 12! Wer stimmt zu? – Mehrheit.

Damit entfällt Ziffer 13.

Ziffer 15! Bitte Handzeichen! – Mehrheit.

Damit entfällt Ziffer 16.

Ziffer 18! Bitte Handzeichen! – Minderheit.

Ziffer 21! Bitte Handzeichen! – 36 Stimmen; Mehr-heit.

Ziffer 26! Bitte Handzeichen! – Minderheit.

Ziffer 31! Bitte Handzeichen! – Mehrheit.

Damit entfällt Ziffer 32.

Wir kommen zu allen noch nicht erledigten Ziffern.Wer stimmt zu? – Mehrheit.

Damit hat der Bundesrat entsprechend Stellung ge-nommen.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 21:

Entwurf eines Gesetzes zur geordneten Been-digung der Kernenergienutzung zur gewerbli-chen Erzeugung von Elektrizität (Drucksache705/01)

Je eine Erklärung zu Protokoll*) geben: MinisterJüttner (Niedersachsen), Staatsminister Dietzel (Hes-sen), Minister Möller (Schleswig-Holstein) und Bun-desminister Trittin (Bundesministerium für Umwelt,Naturschutz und Reaktorsicherheit). Danke sehr!

Zur Abstimmung liegen Ihnen die Empfehlungender Ausschüsse in Drucksache 705/1/01 sowie ein An-trag Schleswig-Holsteins in Drucksache 705/2/01 vor.

Ich beginne mit Ziffer 1 der Ausschussempfehlun-gen, die darauf abzielt, den Gesetzentwurf abzuleh-nen. Wer ist für Ziffer 1? – Minderheit.

Damit kommen wir zum schleswig-holsteinischenAntrag in Drucksache 705/2/01. Wer ist für denschleswig-holsteinischen Antrag? – Minderheit.

(A)

(B)

(C)

(D)

Amtierender Präsident Dr. Henning Scherf

*) Anlage 13 *) Anlagen 14 bis 17

Page 51: BUNDESRAT - CILIP · 2015. 2. 23. · II Bundesrat – 768. Sitzung – 19. Oktober 2001 7. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Richterwahlgesetzes– gemäß Arti- kel 76 Abs

Bundesrat – 768. Sitzung – 19. Oktober 2001 563

(A)

(B)

Zurück zu den Ausschussempfehlungen! BitteHandzeichen für:

Ziffer 2! – Minderheit.

Ziffer 3! – Mehrheit.

Ziffer 4! – Mehrheit.

Ziffer 5! – Mehrheit.

Ziffer 6! – Mehrheit.

Ziffer 7! – Mehrheit.

Damit hat der Bundesrat zu dem Gesetzentwurf ent-sprechend Stellung genommen.

Tagesordnungspunkt 25:

Mitteilung der Kommission der EuropäischenGemeinschaften an den Rat und das Europäi-sche Parlament: Vollendung des Energiebin-nenmarktes

Vorschlag für eine Richtlinie des EuropäischenParlaments und des Rates zur Änderung derRichtlinien 96/92/EG und 98/30/EG über ge-meinsame Vorschriften für den Elektrizitäts-binnenmarkt und den Erdgasbinnenmarkt

Vorschlag einer Verordnung des EuropäischenParlaments und des Rates über die Netz-zugangsbedingungen für den grenzüberschrei-tenden Stromhandel (Drucksache 358/01)

Keine Wortmeldungen.

Die Empfehlungen der Ausschüsse ersehen Sie ausDrucksache 358/1/01. Zur Einzelabstimmung rufe ichauf:

Ziffer 7! Bitte Handzeichen! – Mehrheit.

Damit entfällt Ziffer 10.

Ziffer 8! – Mehrheit.

Damit entfällt Ziffer 11.

Ziffer 9! – Mehrheit.

Jetzt bitte das Handzeichen für alle noch nicht erle-digten Ausschussempfehlungen! – Mehrheit.

Der Bundesrat hat entsprechend Stellung genom-men.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 26:

Vorschlag für eine Richtlinie des EuropäischenParlaments und des Rates zur Angleichung derRechts- und Verwaltungsvorschriften der Mit-gliedstaaten über Werbung und Sponsoringzugunsten von Tabakerzeugnissen (Drucksa-che 555/01)

Eine Erklärung zu Protokoll*) gibt Herr Parlamen-tarischer Staatssekretär Berninger (Bundesministeri-um für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirt-schaft).

Die Empfehlungen der Ausschüsse liegen Ihnen inDrucksache 555/1/01 vor.

Zur gemeinsamen Abstimmung rufe ich Ziffern 1und 2 auf. Bitte das Handzeichen! – Mehrheit.

Damit entfällt Ziffer 29.

Ziffer 3! – Mehrheit.

Ziffer 4! –Mehrheit.

Ziffer 10! – Mehrheit.

Ziffer 11! – Mehrheit.

Ziffer 13! –Mehrheit.

Ziffer 14! –Mehrheit.

Ziffer 22! –Mehrheit.

Ziffer 24! – Mehrheit.

Ziffer 28! – Minderheit.

Jetzt bitte das Handzeichen für alle noch nicht erle-digten Ausschussempfehlungen! – Mehrheit.

Der Bundesrat hat entsprechend Stellung genom-men.

Wir kommen zu Punkt 31:

Mitteilung der Kommission der EuropäischenGemeinschaften an den Rat, das EuropäischeParlament und den Wirtschafts- und Sozialaus-schuss: Unterstützung nationaler Strategienfür zukunftssichere Renten durch eine inte-grierte Vorgehensweise (Drucksache 600/01)

Es gibt eine Wortmeldung von Herrn Bocklet.

(Reinhold Bocklet [Bayern]: Zu Protokoll!)

– Sie sind ein Schatz! Herr Staatsminister Bocklet(Bayern) gibt seine Erklärung zu Protokoll*). – Keineweiteren Wortmeldungen.

Die Empfehlungen der Ausschüsse ersehen Sie ausDrucksache 600/1/01. Zur Einzelabstimmung rufe ichauf:

Ziffer 6! – Mehrheit.

Ziffer 8! – Mehrheit.

Ziffer 10! – Mehrheit.

Ziffer 11! – Mehrheit.

Ziffer 12! – Mehrheit.

Ziffer 13! – Minderheit.

Ziffer 14! – Mehrheit.

Ziffer 15! – Mehrheit.

Ziffer 19! – Mehrheit.

Ziffer 20! – Mehrheit.

Jetzt bitte das Handzeichen für alle noch nicht erle-digten Ausschussempfehlungen! – Mehrheit.

Der Bundesrat hat entsprechend Stellung genom-men.

(C)

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Amtierender Präsident Dr. Henning Scherf

*) Anlage 18 *) Anlage 19

Page 52: BUNDESRAT - CILIP · 2015. 2. 23. · II Bundesrat – 768. Sitzung – 19. Oktober 2001 7. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Richterwahlgesetzes– gemäß Arti- kel 76 Abs

Bundesrat – 768. Sitzung – 19. Oktober 2001564

Tagesordnungspunkt 39:

Vierunddreißigste Verordnung zur Ände-rung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften– 34. StVRÄndV – (Drucksache 570/01, zuDrucksache 570/01)

Keine Wortmeldungen.

Zur Abstimmung liegen Ihnen die Ausschussemp-fehlungen in Drucksache 570/1/01 und drei Landes-anträge in den Drucksachen 570/2 bis 4/01 vor.

Wir beginnen mit dem Landesantrag Bayerns inDrucksache 570/4/01. Wer dafür ist, den bitte ich umdas Handzeichen. – Minderheit.

Als Nächstes stimmen wir über den LandesantragHessens in Drucksache 570/2/01 ab, bei dessen An-nahme der Antrag in Drucksache 570/3/01 erledigtist. Wer ist für den Antrag in Drucksache 570/2/01? –Minderheit.

Wir fahren fort mit dem Landesantrag in Drucksa-che 570/3/01. Wer stimmt zu? – 36 Stimmen; Mehr-heit.

Kommen wir nun zu den Ausschussempfehlungen:

Wer stimmt Ziffer 7 zu? Handzeichen bitte! – Mehr-heit.

Nun das Handzeichen für alle übrigen Ziffern! Werstimmt zu? – Mehrheit.

Der Bundesrat hat der Verordnung nach Maßgabeder vorangegangenen Abstimmung zugestimmt.

Wir sind am Ende der Tagesordnung. Ich dankeIhnen sehr für Ihre Geduld. Besonders danke ichdenen, die ihre Beiträge zu Protokoll gegeben haben.

Die nächste Sitzung des Bundesrates berufe ich einauf Freitag, den 9. November 2001, 9.30 Uhr.

Die Sitzung ist geschlossen.

(Schluss: 14.16 Uhr)

(A)

(B)

(C)

(D)

Amtierender Präsident Dr. Henning Scherf

Beschlüsse im vereinfachten Verfahren (§ 35 GO BR)

Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an denRat, das Europäische Parlament und den Wirtschafts- und Sozialaus-schuss über Steuerpolitik in der Europäischen Union – Prioritäten für dienächsten Jahre

(Drucksache 449/01)

Ausschusszuweisung: EU – Fz – Vk – Wi

Beschluss: Kenntnisnahme

Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften über be-stimmte Modalitäten der Debatte über die Zukunft der EuropäischenUnion

(Drucksache 357/01)

Ausschusszuweisung: EU

Beschluss: Die Vorlage wird für erledigt erklärt

Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Gewährleistung einer effekti-ven Besteuerung von Zinserträgen innerhalb der Gemeinschaft

(Drucksache 675/01)

Ausschusszuweisung: EU – Fz – Wi

Beschluss: Kenntnisnahme

Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Richtlinie70/524/EWG des Rates über Zusatzstoffe in der Tierernährung hinsicht-lich des Widerrufs der Zulassung bestimmter Zusatzstoffe

(Drucksache 677/01)

Ausschusszuweisung: EU – A – G

Beschluss: Kenntnisnahme

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Bundesrat – 768. Sitzung – 19. Oktober 2001 565

(A)

(B)

(C)

(D)

Bericht der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an das Eu-ropäische Parlament und den Rat über die zur Verhütung und Bekämp-fung von Zoonosen in Kraft zu setzenden Maßnahmen

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und desRates zur Überwachung von Zoonosen und Zoonoseerregern und zurÄnderung der Entscheidung 90/424/EWG des Rates sowie zur Aufhe-bung der Richtlinie 92/117/EWG des Rates

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und desRates zur Bekämpfung von Salmonellen und anderen durch Lebensmit-tel übertragbare Zoonoseerregern und zur Änderung der Richtlinien64/432/EWG, 72/462/EWG und 90/539/EWG des Rates

(Drucksache 678/01)

Ausschusszuweisung: EU – A – G

Beschluss: Kenntnisnahme

Feststellung gemäß § 34 GO BR

Einspruch gegen den Bericht über die 767. Sitzung istnicht eingelegt worden. Damit gilt der Bericht gemäß § 34 GO BR als genehmigt.

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Bundesrat – 768. Sitzung – 19. Oktober 2001 567*

(A)

(B)

Anlage 1

Erklärung

von Staatsminister Reinhold Bocklet(Bayern)

zu Punkt 48 der Tagesordnung

Die jüngsten Terroranschläge in den USA stellen denRechtsstaat heute vor völlig neue Herausforderungen.Die bisherigen Erkenntnisse aus den internationalenErmittlungen nach den Anschlägen islamistischerSelbstmordattentäter bringen auf erschreckende Weiseeine weltweite Vernetzung des islamistisch motiviertenTerrorismus zu Tage, die eine Bedrohung in einer bislang nicht bekannten Dimension darstellt.

Deutschland ist davon leider nicht ausgenommen.Zur Bewältigung dieser neuen Herausforderung ist eserforderlich, alle Kräfte des Staates zum Schutz derinneren und äußeren Sicherheit so effektiv wie mög-lich einzusetzen. Dies gilt insbesondere für die Arbeitvon Polizei, Staatsanwaltschaft und Verfassungs-schutzbehörden.

Es ist alles daranzusetzen, Terroristen, die sich un-erkannt in der Bundesrepublik aufhalten und konspi-rativ Anschläge vorbereiten, aufzuspüren, um weitereschwerste Straftaten, die weltweit ausgeübt werdenkönnen, zu verhindern.

Hierbei zeigt sich, dass das bestehende rechtlicheInstrumentarium teilweise unzureichend ist. Im Hin-blick auf die Vorgehensweise der Terroristen, ihreHintermänner und ihre Unterstützer sind insbesonde-re alle Möglichkeiten zur Informationsbeschaffungund zum Informationsaustausch auszubauen. Es istunverantwortlich, wenn die Sicherheitsorgane vor-handene Informationsquellen nicht oder nur unter er-schwerten, die Effizienz ihrer Arbeit beeinträchtigen-den Voraussetzungen nutzen dürfen. Der Staat darfsich nicht künstlich dumm stellen.

Den Sicherheitsorganen muss eine deutlich erwei-terte Zugriffsmöglichkeit auf vorhandene Informatio-nen eingeräumt werden, um einen recht genauenÜberblick über Extremisten und ihr Gewaltpotenzialzu gewinnen, um Personenzusammenhänge, Organi-sationsstrukturen und Finanzwege aufzuhellen. Diesehr strikten Regelungen des Sozialdatenschutzesstehen dem teilweise entgegen. Sie müssen deshalbangepasst werden.

Konkrete Probleme haben sich z. B. bei den von denStaatsschutzbehörden jetzt angeordneten Rasterfahn-dungen ergeben. Zu diesem Zweck sollten Name undGeburtsdatum der Sozialhilfeempfänger an die Si-cherheitsbehörden übermittelt werden. Sozialhilfe-empfänger entsprechen nicht dem Täterprofil undkönnten deshalb bei der Rasterfahndung ausgegrenztwerden. Hierbei kam es zu rechtlichen Schwierigkei-ten. Die Zulässigkeit dieses Datenabgleichs war nichteindeutig geregelt.

Ich meine, dass die bei den Sozialleistungsträgerngespeicherten Daten im Bedarfsfall den Sicherheits-behörden z. B. für die rechtlich zulässige Rasterfahn-dung zur Verfügung gestellt werden müssen, und

zwar schnell. Bei allem Verständnis für Datenschutzund allgemeines Persönlichkeitsrecht kann es nicht sobleiben, dass die in der Vergangenheit immer mehrverfeinerten Regelungen des Sozialdatenschutzes dieArbeit der Sicherheitsorgane erheblich behindern.

Bayern hat deshalb eine Bundesratsinitiative einge-bracht, mit der die Sicherheitsbedürfnisse der Bevöl-kerung und die Belange des Sozialdatenschutzes inein ausgewogenes Verhältnis gebracht werden sollen.Ziel des Gesetzesantrags ist es, die Übermittlung von Sozialdaten zum Zwecke der Rasterfahndung, derVerhütung und Verfolgung von Straftaten und zumZwecke der Gefahrenabwehr im Bereich der äußerenund inneren Sicherheit auf eine klare gesetzlicheGrundlage zu stellen.

Das bedeutet im Einzelnen:

Erstens soll die Zulässigkeit der Datenübermittlungerst dann ausgeschlossen sein, wenn schutzwürdigeInteressen des Betroffenen offensichtlich überwiegen.

Zweitens. Bislang hat neben der um Auskunft ersu-chenden Stelle auch die übermittelnde Stelle zu prü-fen, ob die Übermittlung dem für sie geltenden Rechtentspricht. Künftig soll allein die ersuchende Stelledie Verantwortung für die Rechtmäßigkeit der Über-mittlung tragen. Die übermittelnde Stelle hätte inso-weit nur zu prüfen, ob z. B. eine Rasterfahndungangeordnet wurde. Die Überprüfung der Rechtmäßig-keit der Rasterfahndung fiele in die alleinige Verant-wortung der Sicherheitsbehörde.

Drittens. Die Datenübermittlung für den Schutz derinneren und äußeren Sicherheit ist nach § 72 SGB Xauf Einzelfälle beschränkt. Diese Beschränkung sollnun aufgehoben werden.

Viertens. Nach geltendem Recht können Datenzwar an das Bundeskriminalamt und an die Lan-desämter für Verfassungsschutz, nicht aber an dieLandeskriminalämter übermittelt werden. Auch dasmuss geändert werden, da die Landeskriminalämterbeispielsweise im Bereich des Schutzes der innerenSicherheit ähnliche Aufgaben erfüllen wie das Bun-deskriminalamt.

Die Regelungen des Sozialdatenschutzes dienendem Schutz des Einzelnen vor Offenlegung seiner So-zialdaten gegenüber Dritten. Hieran sind grundsätz-lich auch die Polizeibehörden, Staatsanwaltschaftenund Verfassungsschutzbehörden gebunden. Daransoll grundsätzlich auch durch unsere Bundesrats-initiative nichts geändert werden.

Dieser Schutz kann und darf aber nicht so weitgehen, dass dadurch die Arbeit der Sicherheitsorganeund damit der Schutz von Leben und Gesundheit allerunvertretbar behindert werden.

Datenschutz darf kein Täterschutz sein. Es wäre eingefährlicher Fehler, die Sicherheitsbehörden künst-lich blind zu halten. Ich bin mir sicher, dass die über-wältigende Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger un-seres Landes dies nicht anders sieht und auch nichtanders will.

Die Terroranschläge haben gezeigt, wie verletzbarunsere freiheitliche Gesellschaft ist. Gerade weil wirunsere Freiheit nicht wegbomben lassen wollen, müs-

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sen wir uns mit aller Entschlossenheit wehren undalle erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um der Ge-fahr weiterer Anschläge entgegenzuwirken.

Anlage 2

Erklärung

von Staatsminister Walter Zuber(Rheinland-Pfalz)

zu Punkt 45 der Tagesordnung

Rheinland-Pfalz stimmt dem von Schleswig-Hol-stein vorgelegten Gesetzentwurf nicht zu. Gleichwohlist das Land Rheinland-Pfalz der Auffassung, dassFeuerwehr und Katastrophenschutz für unsere Ge-meinschaft von besonderer Bedeutung sind. Die Bun-desregierung wird gebeten zu prüfen, aus welchenGründen das Aufkommen aus der Feuerschutzsteuer– im Gegensatz zur Versicherungsteuer – seit mehre-ren Jahren rückläufig ist und wie dies behoben wer-den kann, damit die Finanzausstattung im Feuer-wehrbereich verbessert werden kann.

Anlage 3

Erklärung

von Minister Claus Möller(Schleswig-Holstein)

zu Punkt 45 der Tagesordnung

Die Terroranschläge haben weit reichende Folgen.Sie treffen den persönlichen und den politischen Be-reich. Wir leben seit dem 11. September in einer Welt,die in einer Anti-Terror-Koalition dichter zusammen-rückt, in einem Staat, der mit vereinten Kräften ver-sucht, dem Terror zu begegnen und neue Anschlägezu verhindern.

Die Bundesregierung will die innere und äußere Si-cherheit der Bundesrepublik Deutschland stärken. Sieplant, hierfür vor allem der Bundeswehr, dem Bundes-grenzschutz, dem Bundeskriminalamt, der Flughafen-sicherung und dem Katastrophenschutz zusätzlicheMittel zur Verfügung zu stellen.

Auch wir in den Ländern versuchen das Unsere zuleisten, um solche Verbrechen zu verhindern, wissenaber: Einen hundertprozentigen Schutz gibt es nicht.Daher müssen wir die Kräfte verstärken, die im Not-fall den betroffenen Menschen helfen. Dazu gehörtauch das Brandschutzwesen. Dessen Aufgabe ist dieHilfe bei Not- und Unglücksfällen sowie die Mitwir-kung am Katastrophenschutz.

Das Brandschutzwesen wird zu einem erheblichenAnteil aus dem Feuerschutzsteueraufkommen finan-ziert, das in den letzten Jahren deutlich rückläufig ist.Seit 1995 ist es um mehr als 25 % zurückgegangen.

Das hat zu einem erheblichen Investitionsstau beiden Feuerwehren geführt, den der Deutsche Städte-und Gemeindebund auf einen dreistelligen Millio-

nenbetrag schätzt. Die zusätzlichen Mittel müsstendaher auch in vollem Umfang dort verwendet werden.

In Anbetracht der begrenzten Finanzmittel der Län-der können zusätzliche Mittel zur Stärkung des Feu-erwehrwesens und damit zur Stärkung der innerenSicherheit aus allgemeinen Deckungsmitteln kaumzur Verfügung gestellt werden.

Die Bundesregierung will zur Finanzierung ihresMaßnahmenpaketes die Versicherung- und Tabak-steuer maßvoll erhöhen. Insofern ist es folgerichtig,dass die Länder die erforderlichen zusätzlichen Mittelzur Stärkung unserer Feuerwehren unter anderemdurch eine maßvolle Anhebung der Feuerschutzsteu-er entsprechend der vorgesehenen Erhöhung der Ver-sicherungsteuer aufbringen.

Eine Anhebung des Feuerschutzsteuersatzes von 8 v. H. um einen Prozentpunkt auf 9 v. H. brächteMehreinnahmen von ca. 68,75 Millionen DM; das ent-spricht ca. 35,15 Millionen Euro.

Die Entwicklung der Versicherungsteuer zeigt sehranschaulich, dass der Bund seine Einnahmemöglich-keiten sukzessive erhöht hat, wenn es ihm gebotenschien; die Einnahmemöglichkeiten der Länder wur-den jedoch nicht angepasst.

So hat die vorherige Bundesregierung den Versiche-rungsteuersatz in den letzten Jahren in mehrerenSchritten von 7 auf heute 15 % angehoben und damitmehr als verdoppelt. Auch die Sondersteuersätze blie-ben nicht verschont. Um die finanziellen Belastungenaus dem Golfkrieg aufzufangen, wurde allein 1991 dieVersicherungsteuer um 3 Prozentpunkte angehoben.

Dagegen wurde seit 1979 der Feuerschutzsteuer-satz, der wie die Versicherungsteuer auf die zu zah-lende Nettoversicherungsprämie erhoben wird, nureinmal geändert.

Der Steuersatz von 12 % für öffentlich-rechtlicheVersicherer und von 5 % für alle übrigen Versichererwurde auf Grund des Wegfalls des Versicherungsmo-nopols und der Öffnung des Marktes 1994 auf einheit-lich 8 v. H. geändert.

Als Folge ist das Aufkommen des Bundes aus derVersicherungsteuer in den letzten Jahren relativ stabilgeblieben. Die Länder dagegen mussten bei den Ein-nahmen aus der Feuerschutzsteuer erhebliche Ein-brüche hinnehmen.

Wir alle wollen den gestiegenen Sicherheitsbedürf-nissen entgegenkommen. Lassen Sie uns dazu eineSteuer nutzen, deren Anhebung folgerichtig undmaßvoll ist!

Anlage 4

Erklärung

von Ministerpräsident Dr. Harald Ringstorff(Mecklenburg-Vorpommern)

zu Punkt 33 der Tagesordnung

Das Land Mecklenburg-Vorpommern begrüßtgrundsätzlich die Regelungen der Tierschutz-Nutz-

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tierhaltungsverordnung hinsichtlich der zugelassenenHaltungssysteme. Mecklenburg-Vorpommern stellt al-lerdings fest, dass über keine der derzeit praktiziertenHaltungsformen gesicherte wissenschaftliche Er-kenntnisse hinsichtlich ihrer tierschutzrechtlichen,tiergesundheitlichen und lebensmittelhygienischenBewertung insgesamt vorliegen. Insofern erscheint esnicht gerechtfertigt, die Kleingruppenhaltung in aus-gestalteten Käfigen als einzige Haltungsform voneiner Zulassung auszuschließen und damit über dieeuropäische Rechtsnorm hinauszugehen.

Mecklenburg-Vorpommern erachtet die Zulassungdieser Haltungsform bereits jetzt für vertretbar. Einewissenschaftliche Begleitung ist gleichwohl erforder-lich. Dies muss jedoch auch für die Bodenhaltung, dieVolierenhaltung sowie andere Haltungsformen hin-sichtlich deren Haltungsbedingungen, des Hygiene-status, der ökologischen und ökonomischen Parame-ter erfolgen.

Vor diesem Hintergrund enthält sich Mecklenburg-Vorpommern zu Ziffer 18 der Ausschussempfehlun-gen in der Drucksache 429/1/01.

Anlage 5

Erklärung

von Minister Wolfgang Senff(Niedersachsen)

zu Punkt 33 der Tagesordnung

Ein von Niedersachsen seit langem verfolgtes Zielist es, die Haltungsbedingungen für die landwirt-schaftlichen Nutztiere, insbesondere für das Geflügel,nachhaltig zu verbessern. Dieses Ziel kann nur er-reicht werden, wenn gemeinsam mit Tierhaltern, Ver-brauchern, Tierschützern, Herstellern von Haltungs-einrichtungen und dem Handel tragfähige Konzepteentwickelt werden. Nur ein gut durchdachtes und ab-gestimmtes Konzept kann gewährleisten, dass dieTierhaltung weiterhin im Geltungsbereich der Ver-ordnung und nicht in anderen EU-Mitgliedstaatenund Drittländern stattfindet. Auch kann man beimTierschutz nicht zwischen dem Frühstücksei und demzu verarbeitenden Ei unterscheiden.

Wenn ausweislich der ZMP-Bilanzen die Anzahl derLegehennenplätze in Deutschland von 1994 bis 1999um noch nicht einmal 300 000 – unter 1 % – zurückge-gangen, aber gleichzeitig die Legeleistung gestiegenist und 2000 bereits wiederum ein Anstieg zu verzeich-nen war, ist die Aussage, eine Abwanderung „genOsten“ sei seit langem zu beobachten, schwer nachzu-vollziehen. Keinesfalls darf daraus geschlossen wer-den, eine Abwanderung der Legehennenhalter findeohnehin statt, so dass der Erhalt der Wettbewerbs-fähigkeit für eine Neuregelung der Legehennenhal-tung unerheblich sei.

Die heute zur Entscheidung anstehende Neurege-lung der Hennenhaltung ist zweifellos ein Schritt in die richtige Richtung, der allerdings noch vieler

„Begleitmaßnahmen“ bedarf, um dem eingangs ge-nannten Ziel näher zu kommen, sein Erreichen jedochnoch nicht sicherstellt.

Einige Schwachstellen der Verordnung konntendurch die Maßgaben des Bundesrates beseitigt wer-den. Allerdings hätte die dringend erforderliche Um-orientierung in Richtung auf durchgreifende Verbes-serungen des Tierschutzes bedingt, sich nichtvornehmlich auf ein Festlegen von Abmessungen zubeschränken, sondern das Ausüben-Können derGrundbedürfnisse in dem jeweiligen Haltungssystemin den Vordergrund zu stellen. In einem Prüfverfahrenhätte in Bezug auf Haltungseinrichtungen unabhän-gig von ihrer Bezeichnung – Boden- oder Volierenhal-tung oder ausgestalteter Käfig – dann nachgewiesenwerden müssen, ob sie den Anforderungen tatsäch-lich genügen. Bedauerlicherweise war dieser Vor-schlag noch nicht mehrheitsfähig, obwohl diejenigenLänder, in denen fast 28 der insgesamt 40 Milli-onen Legehennen gehalten werden, ihm zustimmten.

Zur Klarstellung sei nochmals darauf hingewiesen,dass die Vorschläge Niedersachsens schon immer denAusstieg aus der Käfighaltung zum Ziel hatten undkünftig nur noch solche Haltungssysteme zum Einsatzkommen sollten, für die in einem Prüfverfahren derNachweis erbracht worden ist, dass den Tieren keinevermeidbaren Schäden zugefügt werden, ein Aus-üben der Grundbedürfnisse tatsächlich möglich istund eine ordnungsgemäße Tierbetreuung und Ge-sundheitsvorsorge sichergestellt werden kann.

Niedersachsen kann der Verordnung nur nachMaßgabe der Entschließungsanträge zustimmen undbittet die Bundesregierung, den darin enthaltenenForderungen nachzukommen. Wir werden gerne be-reit sein, die entsprechenden Erhebungen durchzu-führen, um bei Bedarf die Rahmenbedingungen undgegebenenfalls die Verordnung so zu ändern, dassVerbesserungen für möglichst alle derzeit in Deutsch-land gehaltenen Legehennen auch tatsächlich er-reicht werden.

Anlage 6

Umdruck Nr. 9/01

Zu den folgenden Punkten der Tagesordnung der768. Sitzung des Bundesrates empfehlen die Aus-schüsse dem Bundesrat:

I.

Dem Gesetz zuzustimmen:

Punkt 5Gesetz zu dem Abkommen vom 11. Oktober 1999über Handel, Entwicklung und Zusammenarbeitzwischen der Europäischen Gemeinschaft und

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ihren Mitgliedstaaten einerseits und der RepublikSüdafrika andererseits (Drucksache 759/01)

II.

Zu dem Gesetz einen Antrag auf Anrufung des Ver-mittlungsausschusses nicht zu stellen:

Punkt 6Gesetz zu den Änderungen von 1995 und 1998 desBasler Übereinkommens vom 22. März 1989 überdie Kontrolle der grenzüberschreitenden Ver-bringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsor-gung (Gesetz zu Änderungen des Basler Überein-kommens) (Drucksache 758/01)

III.

Zu dem Gesetzentwurf die in der zitierten Empfeh-lungsdrucksache wiedergegebene Stellungnahmeabzugeben:

Punkt 13Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung desSchuldbuchrechts des Bundes und der Rechtsgrund-lagen der Bundesschuldenverwaltung (Bundes-wertpapierverwaltungsgesetz – BWpVerwG)(Drucksache 700/01, Drucksache 700/1/01)

IV.

Gegen die Gesetzentwürfe keine Einwendungenzu erheben:

Punkt 22Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Geset-zes vom 20. Mai 1997 zur Revision des Überein-kommens vom 20. März 1958 über die Annahmeeinheitlicher Bedingungen für die Genehmigungder Ausrüstungsgegenstände und Teile von Kraft-fahrzeugen und über die gegenseitige Anerken-nung der Genehmigung (Drucksache 706/01)

Punkt 23Entwurf eines Gesetzes über die Aufhebung desGesetzes zur Förderung der Rationalisierung imSteinkohlenbergbau (Drucksache 707/01)

Punkt 24Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom12. Juli 2001 zwischen der BundesrepublikDeutschland und der Volksrepublik China überSozialversicherung (Drucksache 699/01)

V.

Zu den Vorlagen die Stellungnahme abzugebenoder ihnen nach Maßgabe der Empfehlungen zuzu-stimmen, die in der jeweils zitierten Empfehlungs-drucksache wiedergegeben sind:

Punkt 27Vorschlag für eine Richtlinie des EuropäischenParlaments und des Rates über den strafrechtli-chen Schutz der finanziellen Interessen der Ge-meinschaft (Drucksache 657/01, Drucksache657/1/01)

Punkt 28Vorschlag für eine Richtlinie des EuropäischenParlaments und des Rates zur Änderung der Richt-linie 83/477/EWG des Rates über den Schutz derArbeitnehmer gegen Gefährdung durch Asbestam Arbeitsplatz (Drucksache 659/01, Drucksache659/1/01)

Punkt 29Vorschlag für eine Verordnung des EuropäischenParlaments und des Rates über den Arbeitskosten-index (Drucksache 660/01, Drucksache 660/1/01)

Punkt 30Grünbuch der Kommission der Europäischen Ge-meinschaften: „Europäische Rahmenbedingun-gen für die soziale Verantwortung der Unterneh-men“ (Drucksache 674/01, Drucksache 674/1/01)

Punkt 32Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Einführung befristeter Schutzmaßnahmen für denSchiffbau (Drucksache 676/01, Drucksache676/1/01)

Punkt 38Verordnung über Ausnahmen zum Verbringungs-und Einfuhrverbot von gefährlichen Hunden in dasInland (Hundeverbringungs- und -einfuhrverord-nung – HundVerbrEinfVO) (Drucksache 444/01,Drucksache 444/1/01)

Punkt 40a) Verordnung über die Erteilung einer Verwar-

nung, Regelsätze für Geldbußen und die Anordnung eines Fahrverbots wegen Ord-nungswidrigkeiten im Straßenverkehr (Buß-geldkatalog-Verordnung – BKatV) (Drucksa-che 571/01, Drucksache 571/1/01)

b) Allgemeine Verwaltungsvorschrift über dieAufhebung der Allgemeinen Verwaltungsvor-schrift für die Erteilung einer Verwarnung beiStraßenverkehrsordnungswidrigkeiten (Ver-warnVwV) (Drucksache 629/01, Drucksache629/1/01)

Bundesrat – 768. Sitzung – 19. Oktober 2001570*

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Punkt 41Sechzehnte Verordnung zur Änderung der Ge-bührenordnung für Maßnahmen im Straßenver-kehr (Drucksache 681/01, Drucksache 681/1/01)

Punkt 42Zweite Verordnung zur Änderung der Pfandlei-herverordnung (Drucksache 680/01, Drucksache680/1/01)

VI.

Den Vorlagen ohne Änderung zuzustimmen:

Punkt 34Einunddreißigste Verordnung zur Änderung derKosmetik-Verordnung (Drucksache 656/01)

Punkt 35Verordnung zur Änderung der Sachbezugsver-ordnung (Drucksache 708/01)

Punkt 36Verordnung über die Anlage des gebundenenVermögens von Versicherungsunternehmen (An-lageverordnung – AnlV) (Drucksache 709/01)

Punkt 37Verordnung nach § 104 g Abs. 2 des Versiche-rungsaufsichtsgesetzes über die Berechnung derbereinigten Solvabilität von Erstversicherungsun-ternehmen, die gemäß § 104 a Abs. 1 Nr. 1 oder 2des Versicherungsaufsichtsgesetzes einer zusätzli-chen Beaufsichtigung unterliegen (Solvabilitäts-bereinigungs-Verordnung – SolBerV) (Drucksa-che 712/01)

Punkt 43Abkommen zwischen der Regierung der Bundes-republik Deutschland und der Regierung des Kö-nigreichs Belgien über die Zusammenarbeit derPolizeibehörden und Zollverwaltungen in denGrenzgebieten (Drucksache 714/01)

VII.

Zu den Verfahren, die in der zitierten Drucksachebezeichnet sind, von einer Äußerung und einem Bei-tritt abzusehen:

Punkt 44Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht(Drucksache 757/01)

Anlage 7

Erklärung

von Minister Prof. Dr. Kurt Schelter(Brandenburg)

zu Punkt 8 der Tagesordnung

Das Thema „Graffitibekämpfung“ steht nicht zumersten Mal auf der Tagesordnung. Eine zufrieden stel-lende Lösung der Problematik ist bis heute nicht ge-lungen. Die Bevölkerung, vor allem aber die Geschä-digten, haben dafür kein Verständnis.

Ich bin mit dem antragstellenden Land der Auffas-sung, dass die vorhandene Strafbarkeitslücke raschgeschlossen werden muss. Der Gesetzesantrag desLandes Baden-Württemberg greift eine Initiative auf,die durch Beschluss des Bundesrates bereits im Jahr1999 in den Bundestag eingebracht worden ist. Da-nach soll der Tatbestand der Sachbeschädigung durchdas Tatbestandsmerkmal des „Verunstaltens“ ergänztwerden. Der Bundestag hat diesen Vorschlag abge-lehnt. Die dafür angeführten Gründe überzeugennicht.

Im Bundesrat anhängig – aber derzeit nicht weiter-verfolgt – ist auch ein Gesetzesantrag des Landes Ber-lin, der das Problem der Graffitibekämpfung auf an-dere Weise zu lösen versucht. Der entscheidendeUnterschied scheint mir darin zu liegen, dass dortnicht mehr die Sache und deren Substanz selbst, son-dern der freie Gestaltungswille des Berechtigten dasSchutzobjekt darstellt.

Ich finde beide Lösungswege gangbar. WelchenAnsatz wir für die Lösung des Problems wählen, soll-ten wir bei den anstehenden Beratungen in den Aus-schüssen auch danach entscheiden, ob damit die Zu-stimmung des Bundestages erreicht werden kann.

Die Bürger erwarten zu Recht, dass wir endlich han-deln. An dogmatischen Diskursen sind sie nicht inte-ressiert. Wir dürfen sie nicht enttäuschen.

Anlage 8

Erklärung

von Staatsminister Reinhold Bocklet(Bayern)

zu Punkt 10 der Tagesordnung

3,743 Millionen Arbeitslose im September – dassind 58 232 mehr als im September 2000! Diese alar-mierend hohe Zahl ist weit entfernt von den Verspre-chungen der Bundesregierung und kann nicht alleineauf die derzeitige Konjunkturschwäche geschobenwerden. Sie ist auch Folge einer unzureichenden undmangelhaften Beschäftigungspolitik.

Im September hat die Europäische Kommission ihrBeschäftigungspaket für das Jahr 2002 verabschiedet.In ihrer Defizitanalyse zur Umsetzung der Beschäfti-

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gungspolitik wird der Bundesrepublik ein besondersschlechtes Zeugnis ausgestellt. Die sehr hohe Lang-zeitarbeitslosigkeit – so heißt es in der Empfehlung –gehe zu langsam zurück, und die Abgabenbelastungin Deutschland sei eine der höchsten in der EU.

Renommierte Wissenschaftler jeglicher Couleur, zu-letzt die Benchmarking-Gruppe des Bündnisses fürArbeit, haben festgestellt, dass in kaum einem ande-ren Land so viel Geld für Arbeitslosenhilfe, Qualifizie-rung und Beschäftigungsprogramme ausgegebenwird wie in Deutschland, und das mit so wenig Erfolg.

Die Arbeitslosenzahlen vor allem der letzten Mona-te sollten die Bundesregierung nachdenklich stim-men. Die Kritik der Kommission sollte beherzigt, Gut-achten wie das der Benchmarking-Gruppe, das derBundeskanzler selbst in Auftrag gegeben hat, solltennicht schlichtweg totgeschwiegen werden.

Eine Verbesserung der hausgemachten Miserekann nur eine vorausschauende Beschäftigungspoli-tik bringen. Dabei ist Beschäftigungspolitik mehr alsnur Arbeitsmarktpolitik. Im Bereich der Steuer- undWirtschaftspolitik muss hier ebenso angesetzt wer-den, wie es dringend einer umfassenden, tief greifen-den und mutigen Reform des SGB III bedarf.

Betrachtet man den Entwurf eines Job-AQTIV-Ge-setzes, so kann schon jetzt festgestellt werden, dassdiese so genannte Reform nicht den Erfolg bringenkann und bringen wird, den der Arbeitsmarkt in un-serem Land so dringend nötig hat. Wichtige Bereiche,die sich geradezu aufdrängen, werden nicht ange-gangen, in vielen Bereichen ist der Entwurf schlicht-weg indiskutabel.

Ein elementarer Bereich, zu dem unverständlicher-weise keinerlei Lösungsvorschläge im Gesetzentwurfenthalten sind, ist der so genannte Niedriglohnbe-reich. Wir können es uns nicht leisten, bestehende Ar-beitsplatzpotenziale nicht auszunutzen. Auch Arbeits-plätze im Niedriglohnbereich müssen besetzt werden.

„Arbeit statt Leistungsbezug“, dafür sind verstärkteAnreize zur Arbeitsaufnahme notwendig. Wir fordernim Entschließungsantrag deshalb die Einführungeines Kombi-Einkommensmodells für Arbeitslose:

Für Bezieher von Arbeitslosengeld soll die Aufnah-me von Tätigkeiten erleichtert werden, bei denen dasNettoeinkommen unterhalb des Arbeitslosengeldesliegt. Um ihre Bereitschaft hierzu zu stärken, soll ausMitteln der Bundesanstalt für Arbeit der Nettolohnaus dem neuen Arbeitsverhältnis bis zur Höhe des Ar-beitslosengeldes aufgestockt werden.

Zusätzlich soll als weiterer Anreiz ein Zuschlag von5 bis 10 % gewährt werden. Wer arbeitet, muss mehrin der Tasche haben als derjenige, der nicht arbeitet.Darüber hinaus muss selbstverständlich für den Fallerneuter Arbeitslosigkeit gewährleistet werden, dassder Kombi-Einkommensempfänger mindestens Lohn-ersatzleistungen in der Höhe erhält, die er zum Zeit-punkt seiner erneuten Arbeitslosigkeit ohne Aufnah-me der geringer bezahlten Tätigkeit bekommenhätte. Wer Kombi-Einkommen erhält, soll schließlichnicht in eine Abwärtsspirale geraten, sondern besserdastehen als bloße Hilfeempfänger.

Auch Arbeitslosenhilfeempfänger sollen bei Ar-beitsaufnahme einen Zuschuss der Bundesanstalt er-halten können, der ein Nettoeinkommen ermöglicht,das deutlich über der bezogenen Arbeitslosenhilfeliegt. Wir wollen, dass Arbeit finanziert wird, abernicht, dass Arbeitslosigkeit verwaltet wird. Denn dasist die teuerste und nutzloseste Variante, öffentlicheGelder auszugeben.

Ein Bereich, der angegangen wurde, bei dem dieBundesregierung aber zu kurz sprang, ist die Arbeit-nehmerüberlassung. Die Höchstverleihdauer bei derArbeitnehmerüberlassung wird zwar erweitert; warumaber sollen ab dem 13. Monat der Überlassung die Ar-beitsbedingungen des Entleihers gelten? Das ent-spricht nicht den Bedürfnissen des Marktes, sonderndem unstillbaren Regulierungsbedürfnis der Bundesre-gierung. Die Schaffung wertvoller neuer Arbeitsplätzeauf diesem Sektor wird behindert, nicht gefördert.

Warum wird das Synchronisationsverbot nicht auf-gegeben? Auch weiterhin muss also der Vertrag mitder Verleihfirma eine längere Laufzeit haben als derÜberlassungsvertrag an den Entleiher. Ist es nichtmöglich, einen zweiten Zeitarbeitsplatz für den Leih-arbeitnehmer zu finden, so muss auch ein eventuellvorhandener erster Arbeitsplatz ungenutzt verfallen.Das ist weit überzogener Arbeitsschutz zu Lasten derArbeitslosen.

Die EU-Kommission schlägt vor, die Beschäfti-gungsfähigkeit älterer Arbeitnehmer deutlich zu ver-bessern. Warum setzt die Bundesregierung nicht allesdaran, das Beschäftigungspotenzial älterer Arbeit-nehmer über 55 voll auszuschöpfen? Ich rede von Beschäftigungspotenzial, nicht von Beschäftigungs-therapie: Es genügt nicht, Strukturanpassungsmaß-nahmen für Ältere auszubauen. Wir können es unsnicht leisten, auf die Erfahrung und das Wissen derÄlteren zu verzichten. Wir müssen es nur auf den ak-tuellen Stand bringen. Deshalb fordern wir ihre ver-stärkte Berücksichtigung bei Maßnahmen der berufli-chen Bildung, nämlich entsprechend ihrem Anteil anallen Arbeitslosen.

Strikt abzulehnen ist die Einführung so genannterBeschäftigung schaffender Infrastrukturmaßnahmen.Damit diese Maßnahme von den Trägern, also vorallem den Kommunen, angenommen wird, werdenhohe Zuschüsse der Bundesanstalt erforderlich sein.Konsequenz wird ein unverhältnismäßig hoher Mittel-einsatz sein, lediglich um weitere ABM-Plätze zuschaffen. In Verruf geratene ABM sollen unter einergut klingenden neuen Bezeichnung verkauft werden.

Anstatt einer solchen Ausweitung des zweiten Ar-beitsmarktes muss die konsequente Vermittlung inden ersten Arbeitsmarkt gestärkt und ausgebaut wer-den. Nur dies garantiert den Weg zurück in eine dau-erhafte Beschäftigung und die Senkung der Kostender Arbeitslosigkeit.

Es ist unverantwortlich, der Bundesanstalt und damitden Beitragszahlern weitere Kosten aufzubürden. Hierfindet eine verkappte Finanzierung von öffentlichenRegelaufgaben durch die Bundesanstalt statt. Es gehtum ein Sonderproblem der neuen Länder; dies hat derBund aus Steuermitteln zu finanzieren.

Bundesrat – 768. Sitzung – 19. Oktober 2001572*

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Bundesrat – 768. Sitzung – 19. Oktober 2001 573*

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Die Bundesregierung würde gut daran tun, die Kri-tik der Kommission, unabhängiger Experten und derLänder sehr ernst zu nehmen. Nur so kann erreichtwerden, dass die schlechte Lage auf dem Arbeits-markt im Interesse aller – der Arbeitslosen, der Bei-tragszahler und auch der Steuerzahler – langfristigund nachhaltig verbessert wird.

Anlage 9

Erklärung

von Minister Rudolf Köberle(Baden-Württemberg)

zu Punkt 12 der Tagesordnung

Für Herrn Minister Willi Stächele gebe ich folgendeErklärung zu Protokoll:

Baden-Württemberg lehnt das Gesetz zur Ein-führung und Verwendung eines Kennzeichens für Er-zeugnisse des ökologischen Landbaus – Öko-Kenn-zeichengesetz – in dieser Form ab. So nützt es wederdem ökologischen Landbau noch dem Verbraucher.

Die Wiege des ökologischen Landbaus in Deutsch-land stand in Baden-Württemberg. Von unserem Landsind wesentliche Entwicklungen ausgegangen. Ichsehe mich deshalb in einer besonderen Verantwor-tung, das erreichte hohe Niveau nicht aufs Spiel zusetzen. Dies gilt umso mehr, als wir in Baden-Würt-temberg bei der Weiterentwicklung des ökologischenLandbaus eine Spitzenstellung einnehmen. Wirhaben den höchsten Anteil an landwirtschaftlichenBetrieben mit ökologischem Landbau.

Frau Bundesministerin, wenn Sie jetzt ein gesetzli-ches Öko-Siegel auf dem niedrigen Niveau der EU-Öko-Verordnung einführen wollen, gefährden Sienicht nur die marktwirtschaftliche Position der einge-führten Öko-Betriebe, sondern letztlich das hohe Ni-veau der Produkte und Angebotskonzepte.

Für die Verbraucherinnen und Verbraucher ist dasgeplante Bio-Zeichen weder ein Öko-Gütesiegel nochein klares Herkunftszeichen oder ein besonderesKontrollzeichen. Das Zeichen hilft den Verbrauche-rinnen und Verbrauchern nicht, sondern führt ledig-lich zu Irritation und zur Erhöhung der Zeichenflut.

Solange nur die minimalen Qualitätsanforderungenan Ökoprodukte nach der EU-Öko-Verordnung vo-rausgesetzt werden, ist das Bundeszeichen kein Öko-Gütesiegel.

Das Öko-Bundeszeichen ist kein Kontrollzeichen,weil es keine zusätzliche Absicherung – insbesondereim Endangebot von Ökoprodukten in den Regalenund Theken – vorsieht. Bekanntlich kommt es in die-sem Bereich immer wieder zu „Verwechslungen“.

Das Öko-Bundeszeichen ist auch kein Herkunfts-zeichen, weil keinerlei Angaben zur geografischenHerkunft der Produkte enthalten sind. Das ist ein ent-scheidendes Manko, weil ein Vorteil des ökologischen

Landbaus in seiner umweltschonenden Erzeugungliegt, was aber nicht viel nützt, wenn der Anbau imAusland stattfindet.

Unter diesen Bedingungen ist es nicht verwunder-lich, dass eine ausreichende Zahl von Zeichennutzernweder feststeht noch in Aussicht steht. Damit halte ichden dafür vorgesehenen Aufwand in keiner Weise fürvertretbar.

Die Erwartungen, Frau Bundesministerin, die Siegeweckt haben, erfüllen Sie auch nicht annähernd.Mit diesem Zeichen erreichen Sie keine „Flaggschiff-funktion“ im Geleitzug der Ökoproduktvermarktung.Was erreichen Sie tatsächlich? Sie erreichen

– die Nivellierung des Qualitätsniveaus nach unten,

– die Begünstigung des Marktzugangs für Öko-Pro-dukte aus dem Ausland,

– völlige Unverbindlichkeit in Bezug auf die Her-kunft der Produkte und daraus folgend

– eine allenfalls mäßige Akzeptanz.

Mit der Vorlage des Entwurfs einer Verordnung zurGestaltung und Verwendung des Öko-Bundeszei-chens kommt für mich ein weiterer Ablehnungsgrundhinzu, weil dabei keine sinnvollen Nutzungsbedin-gungen und regionalen Kombinationsmöglichkeitenvorgesehen werden. Damit ist für die Länder keineausreichende Möglichkeit für die Kennzeichnung vonregionalen Ökoprodukten in Verbindung mit demÖko-Bundeszeichen sichergestellt. Schließlich geht esuns in erster Linie um die Stärkung der Erzeuger undVermarkter von Ökolebensmitteln aus den jeweiligenRegionen und eben nicht nur um eine Ausweitungdes Angebots von Ökoprodukten ohne Berücksichti-gung ihrer Herkunft.

Anlage 10

Erklärung

von Minister Rudolf Köberle(Baden-Württemberg)

zu Punkt 14 der Tagesordnung

Für die Länder Baden-Württemberg und Hessengebe ich folgende Erklärung zu Protokoll:

In der Gesetzesbegründung zur Einbeziehung derGemeindefinanzkraft wird lediglich auf einen pau-schalen Abschlag verwiesen, der dem durch Indikato-ren nicht berücksichtigten Finanzbedarf der Kommu-nen Rechnung tragen soll. Diese Begründung greiftzu kurz.

Außer Acht gelassen wird, dass das Bundesverfas-sungsgericht in seiner Entscheidung vom 11. Novem-ber 1999 dem Gesetzgeber aufgegeben hat, im Rah-men von Artikel 107 Abs. 2 Satz 1, 2. HalbsatzGrundgesetz zu berücksichtigen, dass das Grundge-setz die finanzielle Eigenverantwortung der Kommu-

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nen nunmehr ausdrücklich anerkennt – Artikel 28Abs. 2 Satz 3 Grundgesetz – und den Gemeindeneinen eigenen Anteil an dem Aufkommen der Ein-kommensteuer – Artikel 106 Abs. 5 Grundgesetz – undder Umsatzsteuer – Artikel 106 Abs. 5 a Grundgesetz –garantiert. Die gestärkte finanzwirtschaftliche Unab-hängigkeit und Verselbstständigung der Kommunenmodifiziert – so das Bundesverfassungsgericht – diebisherige Zweistufigkeit der Finanzverfassung.

Die gestärkte kommunale Finanzposition ist durcheinen Autonomieabschlag auf die gemeindliche Fi-nanzkraft zu berücksichtigen. Die herausgehobeneStellung der Gemeinden auf der Einnahmeseite derFinanzverfassung und die damit verbundene Ver-selbstständigung der Gemeinden verbieten die Voll-anrechnung der gemeindlichen Finanzkraft auf dieFinanzkraft der Länder.

Anlage 11

Erklärung

von Minister Franz Schuster(Thüringen)

zu Punkt 16 der Tagesordnung

Die Bundesregierung hat den Entwurf eines Geset-zes zur Neuregelung des Waffenrechts vorgelegt. Dasneue Waffenrecht soll primär der öffentlichen Sicher-heit dienen und den missbräuchlichen Umgang mitWaffen stärker einschränken.

Nicht alle Maßnahmen, die das umfangreiche Ge-setzeswerk vorsieht, sind erforderlich, um dieses Zielzu erreichen.

Die öffentliche Sicherheit ist ein äußerst wichtigesSchutzgut. Nichtsdestoweniger kann sie mit anderenwichtigen Interessen kollidieren, und es muss einsachgerechter Ausgleich, hier mit dem Grundrechtauf Eigentum und Erbe, gefunden werden.

Der Vorschlag der Bundesregierung sieht unter anderem vor, dass die zurzeit geltende Bestimmungüber das Erbrecht an Waffen auf fünf Jahre befristetwerden soll, wenn nicht in dieser Zeit ein System entwickelt wird, durch das Waffen für den Laien unbrauchbar gemacht werden können, die Blockier-einrichtung jedoch vom Fachmann ohne Beschädi-gung der Waffe wieder entfernt werden kann.

Diese geplante Einschränkung des Erbenprivilegsist unverhältnismäßig. Auch Waffen unterliegen demErbrecht und stellen Vermögenswerte dar.

Der Besitz von Waffen kann nicht isoliert ohne dieübrigen Bestimmungen des Gesetzentwurfs gesehenwerden. Der Gesetzentwurf enthält detaillierte undgrundsätzlich begrüßenswerte Bestimmungen zurAufbewahrung von Waffen. Durch diese Bestimmun-gen werden der Zugriff Dritter auf die Waffen und dashiermit einhergehende Gefährdungspotenzial ge-senkt. Wird der Erbe zusätzlich verpflichtet, ererbteMunition abzugeben, so könnte die Missbrauchsge-

fahr weiter gesenkt werden. Der öffentlichen Sicher-heit wäre Genüge getan.

Die von der Bundesregierung vorgesehene Ände-rung hingegen erscheint unverhältnismäßig. Der Erbemüsste sich in kürzester Zeit nach dem Erbfall einenÜberblick über den Markt verschaffen, um die Waffenan einen Berechtigten abgeben zu können. Durch diewaffenrechtlichen Erlaubnisse würde dem Erwerberklar, dass es sich hier faktisch um einen Notverkaufhandelt, was die Position des Erben schwächt unddamit den zu realisierenden Preis drückt. Die Befris-tung des Erbenprivilegs hätte eine nicht beabsich-tigte das Eigentum betreffende Wirkung, die nicht erforderlich ist, um die öffentliche Sicherheit zu ge-währleisten.

Hinzu kämen Auswirkungen insbesondere auf Hersteller hochwertiger Waffen und das Büchsen-macherhandwerk. Hier stehen Thüringer Betriebe inder Region Suhl in einer langen Tradition. Auch diewirtschaftlichen Auswirkungen sollten bei der Neure-gelung des Waffenrechts insbesondere mit Blick aufdiese Traditionsbetriebe im laufenden Gesetzge-bungsverfahren zur Abwägung kommen.

Anlage 12

Erklärung

von Staatsminister Jochen Riebel(Hessen)

zu Punkt 17 der Tagesordnung

In den kommenden Jahren ist mit einem starkenAnstieg der Versorgungsausgaben für die Beamtin-nen und Beamten bei Bund, Ländern und den kom-munalen Gebietskörperschaften zu rechnen.

Der im Oktober 1996 vorgelegte Versorgungsbe-richt der früheren Bundesregierung wie auch der vonder Bundesregierung nunmehr vorgelegte Entwurfdes 2. Versorgungsberichts belegen dies deutlich. DieZahl der Versorgungsempfänger bei Bund, Ländernund Gemeinden wird nach der Prognose des 2. Ver-sorgungsberichtes von 900 000 im Jahr 2000 auf 1,4 Millionen um das Jahr 2030 steigen und danachwieder sinken.

Der Zuwachs betrifft in erster Linie die Länder. Dortwird sich die Zahl der Versorgungsempfänger bis2030 fast verdoppeln: von 525 000 im Jahr 2000 auf1 019 000 im Jahr 2030.

Entsprechend werden die Versorgungsausgabenstark ansteigen. Ich erwähne nur die für die Länderprognostizierten Zahlen: von 28,3 Milliarden DM imJahr 2000 auf 114,8 Milliarden DM im Jahr 2030 undweiter auf 132,5 Milliarden DM im Jahr 2040.

Diese Zahlen belegen deutlich, dass Handlungsbe-darf besteht. Bereits seit der Rentenreform 1992 besteht breiter Konsens darüber, dass die Alterssiche-rungssysteme im Gleichklang weiterentwickelt wer-den sollen – Belastungsveränderungen in der Renten-

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versicherung ist auch in den anderen ganz oder teil-weise aus Steuermitteln finanzierten Alterssiche-rungssystemen unter Beachtung der jeweiligen Be-sonderheiten sinngemäß Rechnung zu tragen –, dieEigenständigkeit der verschiedenen historisch ge-wachsenen Alterssicherungssysteme dabei jedoch er-halten bleiben muss (vgl. Beschluss des DeutschenBundestages vom 7. März 1989, BT-Drs. 11/4125).

Diesen gemeinsam beschlossenen Grundsätzenüber die Fortentwicklung der Rentenversicherungund der Beamtenversorgung wird der vorliegendeGesetzentwurf jedenfalls in seinen Schwerpunktennicht gerecht. Die Bundesregierung weist zwar in derBegründung darauf hin, dass es nach Abschluss derGesetzgebung zur Reform der gesetzlichen Renten-versicherung und zur Förderung eines kapitalgedeck-ten Altersvorsorgevermögens nunmehr gilt, „dieMaßnahmen der Rentenreform auf systemgerechteArt wirkungsgleich auf die Beamtenversorgung zuübertragen“. Die als Kernstück der Versorgungsre-form vorgesehene Absenkung des Versorgungsni-veaus in zwei Stufen genügt diesen Anforderungenallerdings nicht.

Die schrittweise Absenkung des Versorgungsni-veaus bis zum Jahr 2017 um insgesamt ca. 6,3 % istnicht „wirkungsgleich“ ausgestaltet, weil sie im Ver-gleich zu den Rentnern aus zwei Gründen zu einerüberproportional hohen finanziellen Belastung unddamit zu einem Sonderopfer der Versorgungsempfän-ger führen würde:

Erstens. Die Altersversorgung der Beamten kombi-niert als Vollversorgungssystem die allgemeine Re-gelsicherung mit einer Zusatzsicherung, wie sie im öf-fentlichen Dienst in Form von Zusatzrenten und in derWirtschaft von Betriebsrenten anzutreffen ist. Ihr Si-cherungsziel geht daher deutlich über das der gesetz-lichen Rentenversicherung als allgemeine Regelsi-cherung hinaus. Das bedeutet, dass die in derRentenreform enthaltene Absenkung des Rentenni-veaus grundsätzlich nur auf den der Grundrente ent-sprechenden Teil der Beamtenversorgung übertragenund demzufolge auch die gesamte Pension nicht invergleichbarer Höhe abgesenkt werden darf. Die vor-gesehene inhaltsgleiche Übernahme des Umfangs derAbsenkung der Renten wäre also nicht „wirkungs-gleich“, sondern hätte eine Überkompensation zurFolge.

Zweitens. Die Beamten und Versorgungsempfängerhaben in den letzten Jahren eine Reihe von Vor-leistungen erbracht, die im Hinblick auf eine „wir-kungsgleiche“ Belastung bei der Höhe der Absenkungdes Versorgungsniveaus ebenfalls berücksichtigt wer-den müssen. Die wichtigsten sind in der Begründungdes Antrags der Länder Bayern und Hessen aufgeführt.

Auch die Antragsteller sind in Anbetracht der zu er-wartenden Versorgungsausgaben bereit, kritisch zuprüfen, welche weiteren Möglichkeiten es gibt, dieseKosten zu reduzieren. Wenn wir zu der Meinung ge-langen, dass die Beamtenversorgung im Hinblick aufdie Ausgabenentwicklung und die Haushaltslagegrundsätzlich weiter eingeschränkt werden soll, müs-sen wir den Beamten und Versorgungsempfängerndies auch offen und ehrlich sagen.

Das Gebot der Ehrlichkeit erfordert es aber auch,deutlich darauf hinzuweisen, dass mit der vorgesehe-nen Absenkung des Versorgungsniveaus die Rentenre-form gerade nicht „wirkungsgleich“ übertragen wird.

In dieser Auffassung fühlen wir uns durch eine Stel-lungnahme des Bundesministeriums für Arbeit undSozialordnung vom 1. Oktober 2001 bestätigt. Dortheißt es zur Wirkungsgleichheit der zweiten Stufe derÜbertragung: „Dies bedeutet, dass die ab 2011 in derRentenversicherung wirksame Maßnahme vom Volu-men her wirkungsgleich übertragen wird. Unterschie-de ergeben sich jedoch hinsichtlich des Zeitpunktesder Wirksamkeit. Beamtenpensionäre müssen bereitsim Jahr 2017 eine Belastung hinnehmen, die die Rent-ner erst im Jahr 2030 erreichen werden.“ Daher mussdie Absenkung des Versorgungsniveaus entspre-chend begrenzt werden. Konkret werden – auch imInteresse einer konsensfähigen Regelung – folgendeMaßnahmen als versorgungspolitisch noch vertretbarvorgeschlagen:

In der ersten Stufe der Reform wird das Versorgungs-niveau ab 2003 in acht Schritten von jeweils jährlich 0,5 vom Hundert bis 2010 um insgesamt 4 % abge-senkt; der Regierungsentwurf sieht 4,33 % vor. Dieschrittweise Absenkung wird, wie auch im Gesetzent-wurf vorgesehen, über einen Anpassungsfaktor umge-setzt. Der erreichbare Höchstsatz des Ruhegehalts wirdvon 75 nur auf 72,0 statt auf 71,75 % abgesenkt.

Die zweite Stufe der Reform wird durch den ab 2011wieder einsetzenden Aufbau der Versorgungsrück-lage bis zum Jahr 2013 umgesetzt, statt bis zum Jahr2017 im Regierungsentwurf. Mit der im Gesetzent-wurf vorgesehenen Revisionsklausel – § 14 Abs. 5BBesG – ist sichergestellt, dass auf Grund der allge-meinen Entwicklung der Alterssicherungssystemesowie der Entwicklung der Versorgungsrücklagen beiBund und Ländern zeitnah weitere Schritte geprüftund gegebenenfalls erforderliche Änderungen be-schlossen werden können.

Mit dem Änderungsantrag schlagen wir eine Ni-veauabflachung der vollen Versorgungsbezüge, alsoder Regel- und der Zusatzsicherung, um 5,2 % vor.Der Gesetzentwurf sieht – gegenüber einer Absen-kung der Grundrente um gut 6 % – 6,3 % vor. UnterBerücksichtigung der Gesamtbelastung der Betroffe-nen liegt diese Niveauabflachung zwar an der oberenGrenze des Zumutbaren, sie ist aber im Hinblick aufdie gebotene soziale Symmetrie sowie wegen der Be-sonderheiten der beiden Alterssicherungssystemeletztlich noch vertretbar.

Anlage 13

Erklärung

von Ministerin Bärbel Höhn(Nordrhein-Westfalen)

zu Punkt 19 der Tagesordnung

Sie kennen dies sicherlich aus der Werbung: Miteinem kurzen Druck auf die Sprühflasche verschwin-

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det lästiges „Ungeziefer“ wie Mücken oder Fliegen.Die Küche glänzt, weil sie soeben desinfiziert wurde.Das Kleinkind spielt auf dem keimfreien Fußboden;das Muttergewissen ist beruhigt. Und sollte ein Restvon Unsicherheit da sein, so beruhigt die Werbung:„natürliches Insektizid“, „geruchlos und sicher“, „mitnatürlichem Wirkstoff“ usw. Dieser Eindruck wird da-durch verstärkt, dass einigen der Produkte Duftstoffezugesetzt wurden. Offensichtlich soll der Eindruckeiner „natürlichen“ Wirkung nicht durch den Geruchnach Chemikalien zerstört werden.

Während auf der einen Seite also mit Natürlichkeitgeworben wird, nimmt auf der anderen Seite der Ge-brauch bestimmter – nicht unbedingt natürlicher –Mittel zu. Nicht nur Küchen und Badezimmer werdendesinfiziert. Auch bestimmte Bedarfsgegenstände,z. B. Schneidebretter, werden in zunehmendem Maßeantimikrobiell ausgerüstet.

Ärzte und Ärztinnen warnen inzwischen, dass derverstärkte Gebrauch von Desinfektionsmitteln zueiner Schädigung des Immunsystems von Kindernführen kann. Auch einzelne Inhaltsstoffe der oft unbe-denklich eingesetzten Mittel sind in die Diskussiongeraten. Als ein Beispiel nenne ich die Pyrethroide. Esgibt aber mit Sicherheit Stoffe, die ähnlich kritisch be-urteilt werden müssen.

Insgesamt gehören zu den Biozid-Produkten, diedurch den vorliegenden Gesetzentwurf neu geregeltwerden sollen, viele gefährliche Stoffe. Diese Produk-te sollen gerade Schädlinge vertreiben oder töten;eine toxische Wirkung ist also häufig beabsichtigt.

Vor diesem Hintergrund ist es ausgesprochen er-freulich, dass die EU den Bereich der Biozide durcheine Richtlinie umfassend – und, wie ich finde, sehrfortschrittlich – geregelt hat. Insofern ist auch der Ge-setzentwurf der Bundesregierung, der diese Richtliniein deutsches Recht umsetzt, ausdrücklich zu be-grüßen. Durch die Umsetzung der Richtlinie sind er-hebliche Fortschritte bei der Regulierung von Biozidenzu erwarten. In Zukunft dürfen Biozid-Produkte nurdann noch verkauft werden, wenn sie vorher ein Zu-lassungsverfahren durchlaufen haben. Lediglich füreher ungefährliche Produkte ist ein Registrierungsver-fahren vorgesehen. Die einzelnen Wirkstoffe werdenim Vorfeld nicht nur auf ihre Wirksamkeit, sondernauch auf ihre schädliche Wirkung hin untersucht.

Die Richtlinie sieht außerdem die Umsetzung desSubstitutionsprinzips vor: Bevor ein bestimmter Stoffin eine Liste erlaubter Wirkstoffe aufgenommen wird,muss geprüft werden, ob nicht bereits ein Stoff mitähnlicher Wirkung, aber geringerem Gefährdungspo-tenzial für Mensch und Umwelt in der Liste vorhan-den ist. In diesem Fall kann die Aufnahme des neuenStoffes in die Liste verweigert werden. Dies gilt auchbei der Verlängerung einer Zulassung. Ich habe dieHoffnung, dass dadurch gefährliche Biozide zumin-dest langfristig vom Markt verschwinden.

Aber: So sehr ich den Gesetzentwurf auch begrüße,als Verbraucherschutzministerin sehe ich doch Nach-besserungsbedarf. So ist es das erklärte Ziel der Richt-linie, den Einsatz von Bioziden auf ein Minimum zubegrenzen. Dazu sollten unbedingt weitere Schritteunternommen werden.

Deshalb fordert die Landesregierung Nordrhein-Westfalen, ein Biozid-Produkte-Register aufzustellen.Die Zulassungsstelle, bei der ohnehin alle Informatio-nen zusammenlaufen, könnte dies ohne großen Auf-wand bewerkstelligen. Verbraucher und Verbrau-cherinnen sind dann in der Lage, sich über dieverschiedenen Biozid-Produkte umfassend zu infor-mieren. Ihre Kaufentscheidung hängt nicht nur vonPreis und geschickter Werbung ab. Sie haben stattdes-sen die Möglichkeit, das Mittel auszusuchen, das fürihr Schädlingsproblem am besten passt und gleichzei-tig Umwelt und Gesundheit möglichst wenig belastet.

Aber ich meine, eine solche vergleichende Über-sicht reicht noch nicht aus. In vielen Fällen sind näm-lich gar keine Biozide nötig. Warum soll man z. B.Ameisen mit gefährlichen Stoffen bekämpfen, wennBackpulver die gleiche Wirkung hat? Oder warummuss es ein Insektenspray sein, wenn man eine Fliegegenauso gut mit einer Fliegenklatsche oder auch nurdurch Lüften loswird? Einige dieser ungefährlichenAlternativen sind altbekannte Hausmittel, anderesind weniger bekannt. Wir fordern, das vorhandeneWissen über Alternativen zum Biozid-Einsatz zu bün-deln und den Verbrauchern und Verbraucherinnenzur Verfügung zu stellen. Diese Liste kann laufendvervollständigt werden. Auch dies sollte eine Aufgabeder Zulassungsstelle sein.

Gleichzeitig sollen alle diejenigen, die für Biozid-Produkte werben, verpflichtet werden, auf diese In-formationsmöglichkeit hinzuweisen. So wie es bei derWerbung für Medikamente heißt: „... und fragen SieIhren Arzt oder Apotheker“, sollte es dann bei Bio-ziden z. B. heißen: „... zu Alternativen fragen Sie dieZulassungsstelle“.

Diese zusätzlichen Regelungen können sicherlichdazu beitragen, den Einsatz von Bioziden zurückzu-drängen.

Insgesamt erhoffe ich mir durch die Verabschie-dung des Gesetzes – mit den von uns geforderten Ver-besserungen – erhebliche Fortschritte im Sinne desUmwelt- und Verbraucherschutzes. Ich hoffe auf einerasche Umsetzung.

Anlage 14

Erklärung

von Minister Wolfgang Jüttner(Niedersachsen)

zu Punkt 21 der Tagesordnung

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Novel-lierung des Atomgesetzes stellt eine historische Wei-chenstellung dar. „Beendigung der Kernenergienut-zung“ war der Wählerauftrag. Dieser wird jetzt durchkonkrete Schritte umgesetzt.

Ausgangspunkt der Novelle ist der Schutz des Le-bens und der Umwelt vor den Risiken der Kernener-gienutzung. Die Niedersächsische Landesregierung

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teilt die Auffassung der Bundesregierung, dass dasbislang hingenommene Restrisiko bei einem mögli-chen Unfall nur noch für einen begrenzten Zeitraumakzeptiert werden darf. Nicht zu unterschätzen sindauch die weiteren Risiken, die bei der Entsorgungoder auch bei dem Missbrauch von Kernbrennstoffenentstehen können. Eine Auseinandersetzung mit Artund Umfang dieser Risiken ist angesichts der jüngs-ten Ereignisse aktueller denn je.

Die geordnete Beendigung der Kernenergienut-zung schafft Raum für eine Energiewende mit bedeu-tenden energiewirtschaftlichen, ökologischen undtechnologischen Möglichkeiten. Dazu haben Bundes-tag und Bundesregierung mit dem Erneuerbare-Ener-gien-Gesetz, dem 100 000 Dächer-Programm und derEnergie-Einspar-Verordnung eine Entwicklung inGang gesetzt, die wohl weltweit beispiellos ist.

Niedersachsen leistet dazu seinen Beitrag: Bei derNutzung der Windenergie mit einer installierten Leis-tung von aktuell 2 147 Megawatt halten wir die Spit-zenposition in Deutschland. Weitere Zuwächse sinddurch die Entwicklung von Offshore-Windparks aufdem Meer programmiert. Mit einer Solaroffensivehaben wir in Niedersachsen einen zweiten Schwer-punkt zur Förderung der erneuerbaren Energien ge-setzt. Auch die neue Biomasse-Verordnung des Bun-des wird von uns konstruktiv aufgegriffen.

Der vorliegende Gesetzentwurf gewährleistet einenangemessenen Interessenausgleich. Durch seine Ab-sage an Maximalforderungen, die Kernkraftwerkekurzfristig abzuschalten und aus der Wiederaufarbei-tung sofort auszusteigen, vermeidet er wirtschaftlicheFriktionen und den Rückzug auf juristische Positionenmit der Folge langwieriger Auseinandersetzungenvor den Gerichten. Mit der Novelle ist es gelungen, zueiner Lösung im Konsens und zu einem pragmati-schen Kompromiss zu kommen.

Die Niedersächsische Landesregierung unterstütztdie AtG-Novelle. Diese zeigt auch schon erste Wir-kungen. So werden die Gesellschafter des Kernkraft-werks Stade die Anlage in der zweiten Jahreshälfte2003 – und damit vor dem Auslaufen der vereinbartenReststrommenge – endgültig abschalten. Der Atom-konsens eröffnet hier also den Weg, ein älteres Kern-kraftwerk früher als geplant vom Netz zu nehmen.Daher und angesichts der neuen Sicherheitslage soll-ten Bundesregierung und Energieunternehmen ihreGespräche wieder aufnehmen. Ziel sollte sein, die je-weiligen Strommengen von den älteren auf neuereund risikoärmere Anlagen zu übertragen. Bei dernüchternen Auseinandersetzung mit den Auswirkun-gen der terroristischen Anschläge in den USA ist derBund mit seinen Einrichtungen – insbesondere derReaktorsicherheitskommission – in zentraler Verant-wortung. Für die Länder kann und darf es hierbeikeine Alleingänge geben.

Die AtG-Novelle trifft auch verschiedene Regelun-gen im Entsorgungsbereich. Hier trägt Niedersachseneine Reihe von Sonderlasten. Dies gilt zunächst fürdas Transportbehälterlager in Gorleben, das als einzi-ges Zwischenlager in der Bundesrepublik über eineAufbewahrungsgenehmigung für HAW-Glaskokillenverfügt. Der Sicherungsaufwand für Transporte aus

der Wiederaufarbeitung stellt das Land damit vor be-sondere personelle und finanzielle Probleme.

Der Name Gorleben steht zugleich für den einzigenStandort in der Bundesrepublik, wo umfangreiche Er-kundungsarbeiten für ein mögliches Endlager durch-geführt worden sind. Die von der früheren Bundesre-gierung geschaffene Rechtsgrundlage für eineVeränderungssperre an diesem Standort – als „LexBernstorff“ vom Land abgelehnt – soll nach dem In-halt der Konsensvereinbarung erhalten bleiben unddemnächst auch zur Anwendung gelangen. Nieder-sachsen bedauert es ausdrücklich, dass die Erkun-dung lediglich unterbrochen wurde und keine end-gültige Aufgabe dieses aus der Sicht des Landes fürein Endlager ungeeigneten Salzstocks erfolgt ist.

In Gorleben steht ferner die Pilot-Konditionierungs-anlage, deren Inbetriebnahme kürzlich vom Land ge-nehmigt wurde. Wenn dabei auch eine Beschränkungauf Reparaturzwecke erfolgt ist, kommt der Anlagegleichwohl eine bundesweite Funktion und Bedeu-tung zu.

In Niedersachsen ist mit der Schachtanlage Konradein weiterer Standort als Endlager für mittel- undschwachradioaktive Abfälle Gegenstand eines lau-fenden Planfeststellungsverfahrens. Angesichts bun-desaufsichtlicher Vorfestlegungen rechne ich mit ei-nem Planfeststellungsbeschluss in wenigen Monaten.Wenn eine Verwirklichung dieses Vorhabens auchnicht vor einer rechtskräftigen gerichtlichen Entschei-dung erwogen wird, steht nach Auffassung des Lan-des immer noch eine überzeugende Antwort auf dieFrage aus, ob nicht ein Endlager für alle Arten radio-aktiver Abfälle in der Bundesrepublik ausreicht.Dafür kommt Konrad allerdings nicht in Betracht.

Die Niedersächsische Landesregierung ist bereit,einen angemessenen Anteil an den Entsorgungslas-ten zu tragen. Wir müssen in Deutschland zu gemein-samen sicheren Lösungen kommen. Hierzu gehöreninsbesondere die Unterstützung des Konzepts der de-zentralen Zwischenlagerung abgebrannter Brenn-elemente durch die Bundesländer und die jeweiligenStandortgemeinden sowie die zügige bundesweiteund wirklich unvoreingenommene Suche nach einemgeeigneten, allen Sicherheitskriterien genügendenEndlagerstandort. Das Ergebnis dieser Suche mussdann in gemeinsamer Verantwortung umgesetzt wer-den. Denn schließlich erfordern die jüngsten Ter-rorangriffe in den USA und der Umgang mit seinenAuswirkungen die nationale Verantwortung vonBund und Ländern, auch und besonders bezogen aufunsere kerntechnischen Einrichtungen.

Anlage 15

Erklärung

von Staatsminister Wilhelm Dietzel(Hessen)

zu Punkt 21 der Tagesordnung

Lassen Sie mich zunächst auf das von der Bundesre-gierung gewählte Gesetzgebungsverfahren eingehen!

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Die Bundesregierung hat sowohl den Text als auchdie Begründung dieses Gesetzentwurfs außerhalb desparlamentarischen Raumes in langwierigen Geheim-verhandlungen über alle Einzelheiten ausgehandelt.Sie hat den Entwurf vor kurzem mit der öffentlichgeäußerten Erwartung in das Gesetzgebungsverfah-ren eingebracht, dass er ohne Änderungen angenom-men wird.

Das entspricht nicht demokratischen Gepflogenhei-ten. Die Bundesländer waren an den geheimen Ver-handlungen zwischen der Bundesregierung und denEnergieversorgungsunternehmen in keiner Weise be-teiligt worden, obwohl der geplante Atomausstieg aufBundesländer wie Hessen, Bayern oder Baden-Würt-temberg mit über 50 % Kernenergieanteil an derStromversorgung massive energie- und wirtschafts-politische Auswirkungen haben wird. Die Ergebnissedieser Verhandlungen liegen nun als Gesetzentwurfvor.

Bisher hat es seitens der Bundesregierung nicht ein-mal den Versuch gegeben, legitime Länderinteressenzu berücksichtigen. Stattdessen hat die Bundesregie-rung bei der laufenden Umsetzung der mit den Ener-gieversorgern vereinbarten Detailregelungen zu ein-zelnen Anlagen derart massiv in verfassungsmäßigeZuständigkeiten und Rechte der Länder eingegriffen,dass z. B. das Land Hessen das Bundesverfassungsge-richt anrufen musste, um seine verfassungsmäßigenRechte dem Bund gegenüber zu wahren.

Ein solches Vorgehen des Bundes in einem Gesetz-gebungsverfahren ist neu. Es zeichnet sich durch einebisher einmalige Missachtung der legitimen Interes-sen und Rechte der Bundesländer und einen nicht ak-zeptablen parlamentarischen Stil seitens der Bundes-regierung aus.

Zum Gesetzentwurf selbst:

Ich halte den beabsichtigten Ausstieg aus der fried-lichen Kernenergienutzung für einen schwer wiegen-den politischen Fehler. Ein Ausstieg ist volkswirt-schaftlich schädlich, sicherheitstechnisch nichtbegründet und gefährdet die Erreichung der Klima-schutzziele der Bundesrepublik.

Mit dem Ausstieg aus der Kernenergie wird eineTechnik mit großem Potenzial zur CO2-freien Strom-erzeugung aufgegeben. Die Erreichbarkeit der Klima-schutzziele ohne Kernenergienutzung wird im Ge-setzentwurf ohne weitere Begründung unterstellt, daein Nachweis offensichtlich nicht führbar ist.

Dem vorgesehenen Ausstieg aus der Kernenergie-nutzung in Deutschland liegt keinerlei tragfähigesenergiepolitisches Gesamtkonzept der Bundesregie-rung im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung zuGrunde. Dies wird zu einer Ersatzstrombeschaffungim Rahmen großer Verbundsysteme führen, mit derFolge, dass auch für den deutschen Markt Strom ausKernkraftwerken aus Nicht-EU-Staaten eingeführtwird – Staaten mit Kernkraftwerken, bei denen dieEinhaltung unserer Sicherheitsstandards nicht ge-währleistet ist.

Die Kernenergie ist neben der heimischen Kohlediejenige Energieform, bei der eine hohe Versor-gungssicherung gewährleistet ist. Der geplante Ausstieg aus der Kernenergienutzung stellt ein ele-mentares Risiko für die Sicherung der Versorgung mitStrom dar. Dieses Risiko wird auch nicht durch diebloße Hoffnung auf erhebliche Energieeinsparpoten-ziale und den Ausbau regenerativer Energien gemin-dert.

Ein Verbot der Errichtung neuer Kernkraftwerke istüberflüssig. Ob und wann sich die Frage der Errich-tung neuer Kernkraftwerke für die Elektrizitätswirt-schaft stellt, sollte dem Markt überlassen bleiben. Einstaatliches Verbot der zukünftigen Kernenergie-nutzung, das weder sicherheitstechnisch noch um-weltpolitisch erforderlich ist, behindert die für dieEntwicklung unserer Wirtschaft lebensnotwendigeVersorgung mit preiswerter Energie.

Die Stromerzeugung in Deutschland beruht zueinem Drittel auf den laufenden Kernkraftwerken.Dieser Strom ist im Vergleich zu anderen Energieträ-gern sehr preiswert. Er kann nach den vereinbartenRestlaufzeiten der Kernkraftwerke nicht durch Ein-sparungen und Strom aus erneuerbaren Energien ersetzt werden; das ist eine Utopie. Dieser Strom wird aus fossilen Kraftwerken kommen oder durchStromimporte unter anderem aus ausländischen Kernkraftwerken abgedeckt werden müssen. Dieswird zu einer Anhebung des Strompreisniveaus undzu einem Export von Produktion und Arbeitsplätzenin der Stromversorgung und in der Kraftwerksindus-trie führen. Höhere Strompreise wiederum beein-trächtigen die Wettbewerbsfähigkeit stromintensiverIndustriezweige. Insgesamt wird der StandortDeutschland in der internationalen Konkurrenz ge-schwächt.

So werden dringend notwendige Arbeitsplätze inunserem Land vernichtet. Wir streben das Gegenteilan, nämlich Arbeitsplätze in unserer heimischen Ener-giewirtschaft zu sichern!

Der Gesetzentwurf stellt selbst fest, dass die deut-schen Kernkraftwerke einen international hohen Si-cherheitsstandard haben. Seit Beginn der Nutzungder Kernenergie seien erhebliche Fortschritte ge-macht worden. Zur Begründung für die Beendigungder Kernenergienutzung wird auf eine Neubewertungihrer Risiken – offenbar durch die Bundesregierung –verwiesen. Maßstäbe und Kriterien dieser Neubewer-tung werden jedoch nicht genannt und sind auchsonst nicht ersichtlich.

Die Bundesregierung weicht damit von der Bewer-tung des Risikos der Kernenergienutzung in anderenLändern, wie USA, Frankreich oder Japan, welche diegleiche Verantwortung für den Schutz ihres Volkeshaben, ohne weitere Begründung grundsätzlich ab.Hierzu ist klar festzustellen, dass keinerlei Anhalts-punkte vorliegen, die Zweifel an der Betriebssicher-heit der deutschen Kernkraftwerke begründen könn-ten. Der Betrieb der deutschen Kernkraftwerke istauch nach Meinung international renommierter Ex-perten in vollem Umfang verantwortbar.

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Ein langjähriges Moratorium für die Erkundung desSalzstocks Gorleben macht dieses Konzept jedochohne sachlichen Grund hinfällig. Faktisch wird er-zwungen, dass die abgebrannten Brennelemente inden nächsten 40 Jahren von den nach dem Gesetzent-wurf bei den Kernkraftwerken einzurichtenden Zwi-schenlagern aufgenommen werden. Die Bundesregie-rung geht damit zugleich das Risiko ein, dass infolgeder bewussten und gewollten Verschleppung derEndlagerfrage auch dann noch kein Endlager vorhan-den ist, wenn die Genehmigung der Zwischenlagernach 40 Jahren ausläuft.

Zusammenfassend stelle ich zu dem vorliegendenGesetzentwurf fest:

Erstens. Der Ausstieg aus der Nutzung der Kern-energie ist derzeit nicht geboten. Er ist wirtschafts-und umweltpolitisch das völlig falsche Signal.

Zweitens. Die Bundesregierung hat keinerlei Sicher-heitsbedenken, den Energieversorgern weiterhin dieErzeugung von Reststrommengen zu garantieren. Siebestätigt damit den international anerkannten hohenSicherheitsstandard deutscher Kernkraftwerke.

Der vorliegende Gesetzentwurf trägt in keinerWeise zur Beschleunigung der Verfahren für die Er-richtung des Endlagers Gorleben bei. Im Gegenteil:Die bestehenden Regelungen zur Beschleunigungdes Verfahrens für das Endlager Gorleben sollen wie-der aufgehoben werden. Für Gorleben besteht damitein zwischen der Bundesregierung und der Elektrizi-tätswirtschaft abgesprochenes Erkundungsmoratori-um. Hierzu stelle ich fest: Die Bundesregierung istnicht ermächtigt, einseitig ein solches Moratorium zuverhängen – schon gar nicht ohne Beteiligung undgegen den erklärten Willen der betroffenen Bundes-länder.

Mit dem Erkundungsmoratorium für Gorleben wirddie internationale Rolle Deutschlands bei der Lösungder Endlagerfrage in unverantwortlicher Weise auf-gegeben. Deutschland war mit der Erkundung einesEndlagers im Salzstock Gorleben für die Aufnahmeinsbesondere hochradioaktiver Abfälle sehr weit.Eine Inbetriebnahme bis zum Jahre 2015 schien realis-tisch. Die nahezu leer stehenden Zwischenlager inAhaus und Gorleben hätten in den kommenden 15 Jahren alle hochradioaktiven wärmeentwickeln-den Abfälle aus der Wiederaufarbeitung sowie diebeim Betrieb der Kernkraftwerke anfallenden abge-brannten Brennelemente aufnehmen können.

Drittens. Das von der Bundesregierung mit denEnergieversorgern ausgehandelte Moratorium in derEndlagerfrage ist unnötig, unbegründet und wider-spricht den Sicherheitsinteressen unserer Bürgersowie vitalen Interessen der deutschen Bundesländer,die radioaktive Abfälle für den Bund zwischenlagernmüssen. Der Bund kündigt damit einseitig und ohneNot den bisherigen Konsens in der Entsorgungsfrageauf; er verzögert unnötig die Endlagerung auf unbe-stimmte Zeit.

Alles in allem: Der Ausstieg aus der Kernenergieohne Alternativen isoliert die Bundesrepublik Deutsch-

land im Energiesektor, einem zentralen Bereich fürdie Infrastruktur und die wirtschaftliche Entwicklungeiner großen Industrienation. Deshalb lehnen wir denGesetzentwurf ab.

Anlage 16

Erklärung

von Minister Claus Möller(Schleswig-Holstein)

zu Punkt 21 der Tagesordnung

Der vorliegende Entwurf der Bundesregierung zurÄnderung des Atomgesetzes ist nach Auffassung derSchleswig-Holsteinischen Landesregierung ein Mei-lenstein auf dem Weg zum dringend notwendigenAusstieg aus der Atomenergie.

Ich hätte mir als für die Reaktorsicherheit verant-wortlicher Landesminister eine raschere Beendigungder Kernenergienutzung und insbesondere kürzereRestlaufzeiten gewünscht. Doch ist die Vereinbarungzwischen Bundesregierung und Energieversorgungs-unternehmen vom Juni des vergangenen Jahres einnotwendiger Kompromiss, der den unterschiedlichenInteressenlagen und energiepolitischen Standpunk-ten Rechnung trägt. Die eingebrachte AtG-Novellesorgt für die gesetzliche Verankerung der genanntenVereinbarung und schafft für alle Seiten die notwen-dige Rechtssicherheit.

Ich fordere hier und heute insbesondere die in denLändern für CDU, CSU und FDP Verantwortung Tragenden auf, den nach langjährigem Ringen gefun-denen Atomkonsens und die entsprechende rechtli-che Umsetzung nun auch mitzutragen. Sie sollten akzeptieren, dass die Vereinbarung nicht nur von der Energiewirtschaft unterstützt wird, sondern dassder vorgezeichnete Kernenergieausstieg in ganzDeutschland breite Zustimmung gefunden hat. Darü-ber hinaus hat er weltweit Beachtung gefunden undist ein deutlicher Schritt hin zu einer sicheren undnachhaltigen Energieversorgung.

Ich glaube, mit aller Zurückhaltung für Schleswig-Holstein in Anspruch nehmen zu können, dass aus demnördlichsten Bundesland schon vor vielen Jahren derjetzt vorgegebene Weg zum Umstieg auf eine ressour-censchonende sozialverträgliche Energiepolitik einge-fordert worden ist. Insofern erfüllt mich die vorliegendeBundesrats-Drucksache mit einem gewissen Stolz, istsie doch ein Ergebnis auch unserer Bemühungen.

Wir können am heutigen Tage nicht über dasThema „Atomkraft“ diskutieren, ohne auf aktuelleEntwicklungen einzugehen. Die Terroranschläge vom11. September haben weltweit zu einer neuen Sensi-bilität in Sicherheitsfragen geführt. Dies betrifft auchdie Sicherheit von Atomanlagen bei bisher nicht fürmöglich gehaltenen Flugzeugabstürzen. Es war kon-sequent, dass Bundesumweltminister Trittin nur weni-ge Tage nach dem 11. September die Reaktorsicher-heitskommission um eine Bewertung gebeten hat,

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damit rasch entschieden werden kann, wie die Reak-toraufsicht zu reagieren hat.

Einzelne Landesregierungen, darunter die Schles-wig-Holsteinische, haben unmittelbar Kontakt zu Be-treibergesellschaften und den Sicherheitsexperten beiden Gutachterorganisationen aufgenommen und ei-gene Prüfungen eingeleitet. Es gilt, jede einzelneAtomanlage auf den Prüfstand zu stellen. VorschnelleBewertungen nach dem Motto: „Die deutschen Kern-kraftwerke sind absturzsicher“ sind genauso fragwür-dig wie die These, es sei – unabhängig von Kraftwerks-typ und Baujahr – überhaupt kein Schutz gegeben.

Der vom Bundesverfassungsgericht zu Richtschnurgemachte „Maßstab praktischer Vernunft“ hat dazugeführt, dass zumindest die neueren Atomanlagengegen eine ganze Reihe von möglichen Einwirkun-gen ausgelegt worden sind. Die Vorstellungskraft hataber nicht ausgereicht, Anschläge wie jene vom 11. September einzukalkulieren. Wie aus der geradeveröffentlichten Stellungnahme der Reaktorsicher-heitskommission hervorgeht, reichen die vorliegen-den Untersuchungen nicht aus, um die Folgen solcherAttacken auf Reaktoren sicher abzuschätzen. Die RSKschließt „im Einzelfall auch massive Freisetzungen ra-dioaktiver Stoffe“ nicht aus. Wirksamster Schutz seinach Ansicht der RSK die Minimierung der Eintritts-wahrscheinlichkeit von Terroranschlägen. Ich meine,der wirksamste Schutz ist der zügige geordnete Aus-stieg aus der Kernenergie. Diesen wollen wir heutemit der AtG-Novelle beschließen.

Da der Schutzzustand der deutschen Kernkraftwerkegegenüber terroristischen Angriffen gegenwärtig nichtgeklärt ist, sollten die Länder gemeinsam die Bundes-regierung, die für die Reaktoraufsicht in Deutschlandoberste Verantwortung trägt, zu einer umfassendenund kurzfristigen Risikoanalyse auffordern. Hierzu hatSchleswig-Holstein heute einen Entschließungsantragvorgelegt. Wir müssen der Öffentlichkeit deutlich machen, dass die Politik ihre allerwichtigste Aufgabe,Schaden von der Bevölkerung abzuwenden, ernstnimmt. Bund wie Länder haben für das Kraftwerks-personal und für die Bürgerinnen und Bürger die größt-mögliche Sicherheit zu gewährleisten.

Wir begegnen zugleich der Angst, die vielfach vor-handen ist. Angst ist kein guter Berater und greift vor allem dort um sich, wo Unsicherheit herrscht. Wirsollten besonnen handeln und zu mutigen Entschei-dungen bereit sein. Ich appelliere gleichzeitig an dieEnergiewirtschaft.

Wenn es sich bestätigen sollte, dass einzelne ältereReaktoren den aktuellen Anforderungen nicht ausrei-chend entsprechen, dann kann von einem Instrumen-tarium Gebrauch gemacht werden, das der Atomkon-sens vorgezeichnet hat und das in der AtG-Novelleverankert ist: So können einzelne Anlagen vorzeitigvom Netz genommen und deren Strommengenkontin-gente auf modernere Kraftwerke übertragen werden.Prüfen wir, inwieweit dies notwendig sein könnte! DieBevölkerung wartet darauf, sie sollte nicht zu langewarten.

In diesem Sinne bitte ich um Ihre Zustimmung zudem genannten Entschließungsantrag des LandesSchleswig-Holstein.

Anlage 17

Erklärung

von Bundesminister Jürgen Trittin(BMU)

zu Punkt 21 der Tagesordnung

Sie alle haben die Diskussionen und Medienberich-te des vergangenen Monats verfolgt. Seit dem 11. September wird nie wieder jemand den Absturzeines Flugzeugs auf ein Atomkraftwerk als ein zu ver-nachlässigendes Restrisiko bezeichnen können.

Wir dürfen das Thema „Sicherheit“ nicht auf „slee-pers“, auf Geldwäscher, auf mögliche Akteure desTerrors und ihre Netzwerke reduzieren. Genausowichtig ist, dass wir unsere Verwundbarkeit reduzie-ren. Das betrifft nicht nur den Flugverkehr. Es gehtnicht nur um abgeschlossene Cockpits und um Si-cherheitskontrollen an Flughäfen. Wir schaffen Si-cherheit vor allem durch den Ausstieg aus der Atom-kraft und durch die Überprüfung der Anlagenangesichts der neuen Situation.

Derzeit stellen wir den Stand der aktuellen Siche-rungs- und Sicherheitsvorkehrungen gegen Terroran-schläge dieser Dimension fest.

Darüber hinaus geht es im Falle einer verschärftenkonkreten Gefahrenlage um Maßnahmen, die mehrSicherheit bieten. Das kann auch heißen, dass wir vonden Betreibern verlangen, die alten Anlagen nach-zurüsten – oder aber abzuschalten und die verblei-benden Strommengen auf jüngere Kraftwerke zuübertragen. Das AtG ist ein hervorragendes Instru-ment, einen solchen Prozess der Risikominimierungohne Verzögerungen zu realisieren. Deshalb müssenwir die Novelle umgehend in Kraft setzen und dannauf der Basis von Empfehlungen der RSK Vereinba-rungen treffen und umsetzen.

Wenn die Innenbehörden einen terroristischen An-schlag für möglich halten, werden die Landesumwelt-minister und der BMU zu entscheiden haben, ob ein-zelne oder sogar alle deutschen Atomkraftwerkeabgeschaltet werden müssen. Ich schließe in diesemZusammenhang ausdrücklich nichts aus.

Die Möglichkeit von Terroranschlägen, von Sabota-ge, aber auch von technischem oder menschlichemVersagen schafft unkalkulierbare Risiken, solangeAtomkraftwerke laufen. Beispiele der vergangenenMonate waren Krümmel und Philippsburg.

Ich habe mir schon oft die Frage gestellt, ob ein Mit-arbeiter eines AKW die Gefahr, mit der er acht Stun-den täglich umgeht, verdrängen muss, weil er dieVerantwortung, die Gefahr eines GAU möglicherwei-se gar nicht ertragen kann, wenn er sie ständig vorAugen hat, ob das ein Überlebensmechanismus ist,den man einkalkulieren müsste. Tolerieren kann unddarf man ihn als Aufsichtsbehörde nicht, auch nichtals Betreiber.

Die Fälle, über die wir derzeit reden, sind aber nochsehr viel brisanter. Festzustellen ist ein teilweise ekla-tanter Mangel an Gefahrenbewusstsein, an Sicher-

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heitskultur. Wenn es richtig ist, dass die Sicherheit derAnlage von einer funktionierenden Schnellabschal-tung abhängt, wenn es dazu funktionierender Kühl-systeme bedarf – wie konnte dann ein verantwort-liches Sicherheitsmanagement in Kenntnis desUmstandes, dass drei der vier Flutbehälter nicht aus-legungsgerecht bereitstanden, entscheiden, eine sol-che Anlage weiter zu betreiben? Ein solcher Mangelan Gefahrensinn macht die Abschaltung zwingend.Ich bin froh, dass der Betreiber selbst schließlich auchzu dieser Einschätzung gekommen ist.

Philippsburg führt uns jedoch zu zwei allgemeinenFragen: Sind wir allzu menschlich, um eine Technolo-gie mit einem derartigen Zerstörungspotenzial sicherzu managen? Wollen wir eine Technologie, die unszwingt, jedem zu misstrauen, in jedem einen potenzi-ellen Terroristen zu sehen, der auch nur in die Näheeines AKW kommt? Der Gedanke, jede LTU automa-tisch abzuschießen, die sich im 40-km-Radius einemAKW nähert, ist absurd und menschenverachtend.Anders aber würde man den Kurs des Flugzeugs nichtverändern können.

Eine so gefährliche Technologie widerspricht jederVernunft. Aber mit dieser Einsicht ist es nicht getan.Denn der Einstieg in die Atomenergie war ein Sün-denfall, der die Rückkehr in den Garten Eden auf alleZeiten versperrt. Wir müssen die Kernkraftwerke ab-bauen. Wir werden noch Jahrzehnte Atomtransportehaben. Wir müssen Endlager für den noch Tausendevon Jahren hoch gefährlichen Atommüll bauen undbewachen. Noch Generationen nach uns werdenlebensgefährliche Sicherheitsrisiken und hohe Kostenhaben.

Der Einstieg in die Atomenergie hat damit auch dasGrundprinzip der Demokratie verletzt. Denn sie folgtdem Gedanken, dass die Menschen, die in einem be-stimmten Gebiet leben, gemeinsam über eine Maß-nahme entscheiden, die ihren Lebenszeitraum und ihrGebiet betrifft. Die Mehrheit der Bevölkerung istnicht bereit, das Risiko durch Atomkraftwerke hin-zunehmen. Das Bundesverfassungsgericht hat dieVerantwortung für die Entscheidung über den geord-neten Ausstieg dem Gesetzgeber zugewiesen.

Wir handeln entsprechend dieser Verantwortung,indem wir den Zweck des Atomgesetzes in sein Ge-genteil verkehren. Das alte Atomgesetz diente der Si-cherstellung des unbefristeten Betriebs. Das neuedient der geordneten Beendigung der Atomenergie.Ich gehe davon aus, dass die Entscheidung über denGesetzentwurf im Bundestag bis zum Jahresende ab-geschlossen wird. Das Gesetz bedarf nicht der Zu-stimmung des Bundesrates. Ich bin mir sicher, dassdiese Rechtsauffassung auch in Karlsruhe Bestandhat, sollte es zu einem Verfahren beim Bundesverfas-sungsgericht kommen.

Unser übergeordnetes politisches Ziel ist es, die Energieversorgung auf sichere Füße zu stellen. Des-halb flankieren wir den Atomausstieg mit erheblichenAnstrengungen in den Bereichen Energieeinsparungund Energieeffizienz und mit dem forcierten Einstiegin erneuerbare Energien. Um es einmal ins Bild zubringen: Bei einem Windfeld kann es nicht zur Kern-

schmelze kommen – und ein Wind- oder Solarfeld istauch kein Angriffsziel für Terroristen.

Die Energiewende schafft außerdem neue Arbeit.Auf dem Sektor erneuerbare Energien sind heuteschon mehr Menschen beschäftigt als in der Atom-wirtschaft. Allein 30 000 Jobs entstanden im vergan-genen Jahrzehnt in der Windbranche. Klimaschutzund Energiewende zusammen werden bis 2020 netto200 000 neue, zusätzliche Jobs entstehen lassen.

Das neue Atomgesetz verbietet es, auch nur einneues Atomkraftwerk zu errichten. Wir verkürzen diebisher unbefristeten Betriebserlaubnisse auf 32 Jahrenach Inbetriebnahme. Im Jahr 2010 wird etwa dieHälfte der AKW abgeschaltet sein. Die durchschnittli-che Restlaufzeit beträgt knapp zwölf Jahre. 2020 istvoraussichtlich für alle Schluss. Kein Land der Weltmit einem derart ausgeweiteten Atomprogrammsteigt so schnell aus wie wir.

Atomstrom ist ein Auslaufmodell. Dem haben auchdie Betreiber zugestimmt. Wir haben klare Perspekti-ven für alle Beteiligten geschaffen: Für die Atomener-giegegner ist klar, wie lange die Atomkraftwerke inder Bundesrepublik noch laufen können. Bei Ab-schluss der Vereinbarung waren es im Durchschnittnoch 13 Jahre pro Anlage, jetzt schon sind es nur nochknapp 12. Auch die Energieversorger haben klareRahmenbedingungen.

Das ist für die Betreiber wichtiger als eine Pro-Kern-energie-Politik, die dann doch durch politische Wechselund durch gesellschaftlichen Unfrieden unberechenbarbliebe. Ich frage mich, wessen Eigentumsrechte Bay-ern, Baden-Württemberg und Hessen vor dem Verfas-sungsgericht verteidigen wollen. Gegen die Eigentü-mer, die den Konsens am 11. Juni 2001 unterzeichnethaben?

Zweifellos wäre es schön gewesen, das AtG ge-meinsam mit allen Verbänden in gleicher Intensitätvorzubereiten. Nur: Machen wir uns doch nichts vor!Wären wir so verfahren, hätten wir heute kein Aus-stiegsgesetz. Wir wären nicht so weit gekommen, wiees der Regierung am 11. Juni 2001 in ihrer Vereinba-rung mit den Betreibern gelungen ist. Was ist uns nunwichtiger: der Weg oder das Ziel? Mir ist, vor allembei der Kernenergie, das Ziel wichtiger. Denn seit wirAKW haben, leben wir mit der Situation, dass esimmer wieder neue, bisher nicht vorausgesehene Ri-siken gibt. Der 11. September ist nicht das ersteDatum, das uns das Fürchten lehrt. Der 26. April 1986steckt uns allen nach wie vor in den Knochen. Des-halb: Lieber auf diesem Weg ans Ziel kommen als garnicht ankommen!

Während des relativ langen Zeitraums zwischen Pa-raphierung im Juni 2000 und Unterzeichnung derVereinbarung im Juni 2001 ist es uns gelungen, einenweiteren großen Energieversorger, nämlich die Ham-burgischen Electricitäts-Werke, mit ins Boot zu neh-men und zentrale, in der Vereinbarung noch relativoffen formulierte Fragen gemeinsam zu klären, dar-unter die Erhöhung der Deckungsvorsorge und denEntsorgungsvorsorge- bzw. Verwertungsnachweis.

Unsere Entschlossenheit und unsere Erfolge bei derEnergiewende sind für andere Länder eine Heraus-

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forderung. Wir wollen und werden zeigen, dass einegroße Industrienation auch ohne Atomstrom prospe-rieren kann.

Gerade weil wir selbst so unbeirrt diesen Weggehen, konnten wir es bei der Weltklimakonferenz inBonn durchsetzen, dass die Atomkraft von den „fle-xiblen Mechanismen“ bei der Gutschrift von Treib-hausgasemissionen ausgenommen wird. Damit wächstdie Chance, dass Atomkraft auch in Entwicklungs-und Schwellenländern zum Auslaufmodell wird.

In der Europäischen Union gibt es bereits eineMehrheit gegen die Atomenergienutzung: Fünf Mitgliedstaaten – Griechenland, Irland, Dänemark,Portugal, Luxemburg – sind nie eingestiegen. Zwei – Österreich und Italien – sind bereits ausgestiegen.Neben uns haben vier Länder – Schweden, Belgien,die Niederlande und Spanien – Ausstiegs- oder Mora-toriumsbeschlüsse gefasst. Nur die Regierungen vonGroßbritannien, Finnland und Frankreich halten rela-tiv unbeirrt an der Atomenergienutzung fest.

Präsident Bush plant leider neue AKW. Er will auchdie Laufzeiten der AKW von 40 auf 60 Jahre verlän-gern. Es fällt mir in Zeiten der Hochtechnologie aller-dings schwer, mir ein 60 Jahre altes Atomkraftwerkvorzustellen. So etwas gehört ins Museum und nichtans Netz! Auch die Entwicklung neuer, angeblich si-cherer Reaktorlinien ist aus meiner Sicht ein Irrweg.

Atomenergie birgt zu viele Risiken. Sie ist der Zivil-gesellschaft heute noch weniger auf Dauer zumutbarals vor vier Wochen. Man muss kein Wahrsager sein,um vorauszusagen, dass auch die amerikanische Be-völkerung in naher Zukunft zu der Einsicht kommenwird, die Johannes Rau einmal auf den Punkt brachte:„Es gibt auch Arbeitsplätze, die kann man nicht er-halten, weil die, die Kapital investiert haben, damitAltlasten produziert haben.“

Die Terroranschläge sollten für uns Anlass sein, die Energiewende noch engagierter als bisher zu betrei-ben. Denn wenn wir unsere Verwundbarkeit reduzie-ren, macht uns das sicherer, als es Hundertschaftenvon Polizisten und Grenzschützern je könnten.

Anlage 18

Erklärung

von Parl. Staatssekretär Matthias Berninger(BMVEL)

zu Punkt 26 der Tagesordnung

Die Bundesregierung teilt nicht die Auffassung,dass die Stellungnahme des Bundesrates zu demRichtlinienvorschlag gemäß § 5 Abs. 2 EUZBLG maß-geblich zu berücksichtigen ist.

Bei dem Richtlinienvorschlag liegt das Recht zurGesetzgebung beim Bund. Die Bundeskompetenz er-gibt sich aus Artikel 73 Nr. 7, Artikel 74 Abs. 1 Nrn. 11und 20 sowie aus Artikel 75 Abs. 1 Nr. 2 Grundgesetz.

Somit sind im Schwerpunkt nicht die Gesetzgebungs-befugnisse der Länder betroffen. Die Voraussetzun-gen für eine maßgebliche Berücksichtigung liegennicht vor.

Anlage 19

Erklärung

von Staatsminister Reinhold Bocklet(Bayern)

zu Punkt 31 der Tagesordnung

Die Methode der offenen Koordinierung ist auf demVormarsch und dehnt sich auf weitere Politikbereicheaus. Nunmehr hat sie auch die Alterssicherungssyste-me der Mitgliedstaaten erreicht. Die Mitteilung derKommission vom 3. Juli 2001 zur Durchführung deroffenen Koordinierung im Rentenbereich macht deut-lich, welcher Weg hier eingeschlagen werden soll.Angestrebt wird ein offensichtlich an dem Vorbild dereuropäischen Beschäftigungspolitik orientierter Koor-dinierungsprozess. Hierfür sollen europäische Ren-tenziele festgelegt, in nationale Politiken umgesetztund sodann anhand europäischer Indikatoren regel-mäßig überwacht werden.

Arbeitslosigkeit und demografischer Wandel, aberauch eine sich ändernde Arbeitswelt sowie neue Fa-milienstrukturen setzen Leistungsfähigkeit und Fi-nanzierbarkeit der sozialen Sicherungssysteme unterDruck. Die Modernisierung der Systeme des sozialenSchutzes stellt daher eine Herausforderung für alleMitgliedstaaten der Europäischen Union dar. Vor diesem Hintergrund ist ein Informations- und Er-fahrungsaustausch zwischen den Mitgliedstaatensinnvoll und hilfreich, um voneinander lernen zu kön-nen.

Leider müssen wir feststellen, dass sich der Koordi-nierungsprozess nicht auf das gegenseitige Vonein-ander-Lernen beschränken wird, sondern dass nachdem Vorbild der europäischen Beschäftigungspolitikein Koordinierungsprozess mit Zielvorgaben einge-leitet wird, für den eine entsprechende Kompetenz imBereich des sozialen Schutzes auf EG-Ebene nichtvorhanden ist. Wir lehnen daher den von der Kommis-sion vorgesehenen Koordinierungsprozess mit Zielenund deren Überwachung anhand von Indikatoren be-reits auf Grund der fehlenden Gemeinschaftskompe-tenz ab. Darüber hinaus stehen wir der absehbarenEntwicklung vor allem unter folgenden Aspektenäußerst kritisch gegenüber:

Eine Koordinierung mit Zielvorgaben bringt die Ge-fahr einer schleichenden Harmonisierung mit sich,die den unterschiedlichen Ausgangslagen, Notwen-digkeiten und Möglichkeiten in den Mitgliedstaatennicht gerecht wird.

Die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Ge-staltung und Finanzierung ihrer Sozialschutzsystemedarf nicht durch einen Koordinierungsprozess mitZielvorgaben, Indikatoren etc. ausgehöhlt werden.

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Die Eigenverantwortlichkeit der Mitgliedstaaten fürihre Sozialschutzsysteme steht nur noch auf dem Pa-pier, wenn Mitgliedstaaten bestimmte Reformen vor-gegeben werden und die Fortschritte mittels Indikato-ren überwacht werden.

Es besteht die Gefahr von Kompetenzüberschrei-tungen durch einen breit angelegten Ansatz, der auchin andere Politikbereiche, z. B. die Lebenssituation äl-terer Menschen im Allgemeinen, ausgreift.

Die faktische Einschränkung der nationalen Hand-lungsspielräume durch Zielvorgaben schränkt denpolitischen Wettbewerb ein, der am besten geeignetist, innovative Lösungsansätze hervorzubringen.

Im Übrigen werden gemeinschaftsweite Zielvorga-ben der Vielfalt in der Gestaltung der Sozialschutzsys-teme nicht gerecht.

Die offene Koordinierung im Rentenbereich ist nurein Beispiel dafür, dass die Bundesregierung der stän-digen Ausdehnung der offenen Koordinierung durchdie Europäischen Räte nicht entschlossen entgegen-tritt, obwohl der Bundesrat in zahlreichen Beschlüs-sen eine kritische Haltung zur offenen Koordinierungeingenommen hat. Jüngst – Mitteilung vom 11. Juli2001 – hat die Kommission die Anwendung der offe-

nen Koordinierung auch im Bereich der Zuwande-rungspolitik angekündigt.

Man kann darüber streiten, wie die Auswirkungender offenen Koordinierung im Einzelnen aussehen wer-den. Kein Zweifel kann jedoch daran bestehen, dassdamit alle Bemühungen um eine klare Abgrenzung derEU-Kompetenzen konterkariert werden. Es ist das gemeinsame Ziel aller Länder, im Rahmen des Post-Nizza-Prozesses präzise Zuständigkeitsregelungen zu formulieren, die der EU nach dem Subsidiaritäts-prinzip nur die Aufgaben zuweisen, die notwendiger-weise auf europäischer Ebene wahrgenommen werdenmüssen. Die Länder waren die treibende Kraft, die be-wirkt hat, dass nunmehr die Kompetenzabgrenzungauf der Tagesordnung ist. Dieses Projekt wird gefähr-det, wenn Zuständigkeitsgrenzen durch immer aus-greifendere Koordinierungen außerhalb der Verträgeverwischt werden.

Schließlich steht diese Entwicklung in diametralemGegensatz zum Ziel der Demokratisierung bzw. Parla-mentarisierung Europas. Die offene Koordinierungfindet außerhalb der vertraglich fixierten Rechtsset-zungs- und Entscheidungsmechanismen statt. Damitwerden nicht zuletzt die Mitwirkungsrechte der Par-lamente ausgehebelt.

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