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Fokus auf Forschung Seit der Gründung von Novartis im Jahr 1996 treibt das Unternehmen die wissenschaftliche Innovation konsequent voran. Haus der Erinnerung Die Behandlung von Alzheimer harrt einer medizinischen Lösung. Der Pflege von Patien- ten kommt deshalb weiterhin eine grosse Bedeutung zu. Auf den Spuren des Indigos Vor der Erfindung künstli- cher Farbstoffe wurden Textilien mit Naturstoffen gefärbt. Indigo gehörte zu den begehrtesten. Campus UNTERNEHMENSMAGAZIN NOVARTIS

Campus - ub.unibas.ch · Biologie-Laborant, Antonia Wasuna, Doktorandin bei Novartis Partner H3D, Jacqueline Lisa, IT-Bereichsverant- wortliche in Basel, Marco Serra, Chef- ek cthitar

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Fokus auf ForschungSeit der Gründung von Novartis im Jahr 1996 treibt das Unternehmen die wissenschaftliche Innovation konsequent voran.

Haus der ErinnerungDie Behandlung von Alzheimer harrt einer medizinischen Lösung. Der Pflege von Patien-ten kommt deshalb weiterhin eine grosse Bedeutung zu.

Auf den Spuren des IndigosVor der Erfindung künstli-cher Farbstoffe wurden Textilien mit Naturstoffen gefärbt. Indigo gehörte zu den begehrtesten.

CampusUNTERNEHMENSMAGAZIN NOVARTIS

INHALT

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EDITORIAL

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Titelseite:Forscher von Novartis arbeiten an einer CAR-T-Krebstherapie (Chimeric Antigen Receptor T-cells).Foto: Brent Stirton

Arbeitswelt im Wandel

42Gruppe vor GenieTeamwork heute.

45Routinier auf MissionArbeiten nach der Pension.

48Werte im Dialog Die Grundwerte von Novartis.

Geschichte

52Auf den Spuren des IndigosEin Businesstrip im 19. Jahrhundert.

54Geschichte lebt von GeschichtenEin persönlicher Rückblick.

Zugang zu Medizin

58PatientenprogrammeEngagement für eine bessere Gesund-heitsversorgung.

60Hilfe für den Libanon Novartis unterstützt das IKRK.

62Gegen den WindKatastrophenhilfe auf den Philippinen.

67Referenzen

Patienten im Fokus

28 Haus der Erinnerung Schicksal Alzheimer – Begegnungen auf der Demenzstation.

31 Ein bewegtes Leben Mattia Cattelan lebt ein vielseitiges und aktives Leben trotz einer schweren Krank-heit.

Bedeutung der Schweiz

36Offenheit und InnovationMatthias Leuenberger,

Delegierter Novartis Schweiz,

im Gespräch.

39 Novartis inder SchweizDie wichtigsten

Kennzahlen auf

einen Blick.

Persönliches Engagement

20 Leben für die InnovationInnovation ist persön-lich. Darüber sprechen:

Mika Manser, in Ausbildung als Biologie-Laborant, Antonia Wasuna, Doktorandin bei Novartis Partner H3D, Jacqueline Lisa, IT-Bereichsverant-wortliche in Basel,

Marco Serra, Chef- architekt Novartis,

Mateja Salobir, Leiterin Arzneimittelentwicklung Biosimilars, und Rao Movva, pensio-nierter Wissenschaftler aus Basel.

Innovation für eine gesündere Welt

6Fokus auf ForschungNovartis treibt seit ihrer Gründung die wissenschaftli-che Innovation an.

10Voll fokussiertFortschritte in der Augenchirurgie.

12Mit Präzision gegen KrebsDas Potenzial der Geneditierung.

14Eintritt in die digitale ZukunftIT wird die Medizin verändern.

Liebe Leserin, lieber Leser

Mit der ersten Ausgabe unseres Kundenmagazins Campus wollen wir Ihnen einen Einblick in das vielfältige und global vernetzte Tätigkeitsfeld von Novartis geben. Wir möchten Ihnen auch gerne zeigen, was sich in den vergangenen 20 Jahren getan hat, seit sich Ciba und Sandoz dazu ent-schlossen haben, gemeinsam die Zukunft der Medizin mitzugestalten.

Seit der Gründung von Novartis ist das Unternehmen bestrebt, die medizinische Innovation voranzutreiben. Diesen Anspruch, der bereits in unserem Namen anklingt, versuchen wir seither unablässig zu erfüllen und durch neues Wissen und neu angeeignete Fähigkeiten – novae artes – den Menschen weltweit zu einem besseren und längeren Leben zu verhelfen.

Zwei Jahrzehnte nach dem Zusammenschluss der beiden traditionsreichen Basler Unternehmen können wir auf einen langen und erfolgreichen Weg zurückblicken. Novartis gehört nicht nur zu den grössten Gesundheitsunternehmen der Welt. Wir konnten Medizingeschichte mitschreiben und mit neuen Medikamenten dazu beitragen, bisher unbekannte Therapie-möglichkeiten zu entwickeln.

Diese Leistung wird auch öffentlich anerkannt. Als einziges Unternehmen wurden wir in der Schweiz bereits drei Mal mit dem Prix Galien ausgezeichnet. Weltweit erhielt Novartis, zusammen mit ihren Vorgängergesellschaften, diesen prestige-trächtigen, in 17 Ländern vergebenen Preis, der herausragende pharmazeutische Forschungsleistungen auszeichnet, bereits über 30 Mal und reiht sich damit unter die innovativsten Ge-sundheitsunternehmen der Welt ein.1

Innovation beflügelt aber nicht nur unsere weltweiten For-schungs- und Entwicklungsaktivitäten. Innovation ist Teil unseres Selbstverständnisses und durchdringt jeden Aspekt unserer Arbeit und auch das Verhältnis zu unseren Kunden und Partnern weltweit, mit denen wir gemeinsam nach Lösungen suchen, um die Praxis der Medizin zu verändern.

Wir wünschen Ihnen viel Vergnügen bei der ersten Ausgabe unseres Campus Magazins.

20 Jahre Innovation

Monika Jänicke Vorsitzende der Geschäftsleitung, Novartis Pharma Schweiz AG

Rebecca GunternHead BACH (Belgium, Austria, Switzerland) & Country Head Sandoz Switzerland

Jonathan GreenGeneraldirektor Alcon Österreich und Schweiz

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Innovation für eine gesündere Welt

Weltweit arbeiten rund 23 000 Wissenschaftler und Wissenschaft-lerinnen bei Novartis, die sich mit der Erforschung und Entwicklung neuer Medikamente und Therapien beschäftigen. Das Unternehmen investiert jährlich über acht Milliarden Franken mit dem Ziel, die Praxis der Medizin zu verändern und Menschen weltweit zu einem besseren und längeren Leben zu verhelfen.Bild: Der Novartis Campus in Schanghai.

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INNOVATION FÜR EINE GESÜNDERE WELTINNOVATION FÜR EINE GESÜNDERE WELT

Die Fusion von Ciba und Sandoz 1996 stellte nicht nur grössenmässig alle bis-herigen Firmenzusammenschlüsse der Industriegeschichte in den Schatten. Mit der Gründung von Novartis verfolgte das neue Unternehmen auch ein ambitionier-tes Ziel: die Zukunft der pharmazeuti-schen Forschung nachhaltig zu be-schleunigen – ein Anspruch, der bis heute unvermindert gilt.

Durch die Fusion wurde Novartis nicht nur zur weltweiten Nummer 2 im Pharmageschäft. Das Unternehmen war durch den Zusammenschluss auch in der Lage, jährlich Investitionen von mehr als zwei Milliarden Franken in die Forschung und Entwicklung zu tätigen. «Damit», so erklärten Ciba und Sandoz am Tag der Fusionsankündigung, «wird ein bisher nicht erreichtes Innovationspotenzial ge-schaffen, ergänzt durch ein einzigartiges

weltweites Netzwerk für biotechnologi-sche Forschung.»

Fast zeitgleich mit der Fusion konnte das Unternehmen einen innovativen Blut-drucksenker auf den Markt bringen und seinen hohen Innovationsanspruch unter Beweis stellen. Das Arzneimittel entwi-ckelte sich innert kürzester Frist zu ei-nem Blockbuster und erreichte bisweilen einen jährlichen Umsatz von rund sechs Milliarden Franken.

2001 konnte dann mit der Lancierung einer neuartigen Krebstherapie ein per-sonalisierter Ansatz bei der Behandlung von Leukämie verfolgt werden.

Fokus auf ForschungZwar nahm Novartis in den vergangenen 20 Jahren aufgrund veränderter Markt-situationen auch immer wieder Portfolio-anpassungen vor – dabei wurden bei-

Über den neuen Firmennamen staunten viele, als Ciba und Sandoz vor 20 Jahren fusionierten. Doch «Novartis» – zusam-mengesetzt aus dem lateinischen novo (neu) und artis (Geschicklichkeit/Kunst) – war nicht einfach Marketingkalkül. Der Name sollte vielmehr den Anspruch des neuen Unter- nehmens widerspiegeln, innovativ zu sein. Seit 20 Jahren wird Novartis dieser Vision gerecht. von Goran Mijuk

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spielsweise das Saatgut- und das Pflan- zenschutzgeschäft sowie der Nahrungs-mittelbereich veräussert, während das Un-ternehmen die Generikadivision Sandoz aufbaute und mit der Übernahme von Alcon zudem seine Position im Bereich der Augenheilkunde stärkte.

Ungeachtet der zahlreichen Verände-rungen blieb Novartis aber dem Innovati-onsgedanken stets treu und setzte 2002 mit der Gründung der Novartis Institutes for BioMedical Research (NIBR) ein star-kes Zeichen für den wissenschaftlichen Fortschritt. Hunderte Forscher wurden eingestellt – heute beschäftigt das Insti-tut weltweit rund 6000 Wissenschaftler. Um die Forschung auf eine starke wissen-schaftliche und akademische Basis zu stellen, wurde als Hauptsitz des Instituts Cambridge (Massachusetts) gewählt – in enger Nachbarschaft zum Massachu-

Im «Kilolabor» werden grosse Volumen von Forschungssubstan-zen synthetisiert.

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INNOVATION FÜR EINE GESÜNDERE WELTINNOVATION FÜR EINE GESÜNDERE WELT

setts Institute of Technology, zur Harvard Medical School, zum Massachusetts General Hospital und zu vielen anderen Wissenschaftseinrichtungen und Klini-ken von Weltrang.

Zudem wurde mit dem Herzspezialis-ten Mark Fishman, der zuvor unter ande-rem als Chefkardiologe am Massachu-setts General Hospital tätig gewesen war, ein Industrieaussenseiter mit der Leitung des Instituts beauftragt. Dem akademisch genauso wie praktisch ver-sierten Wissenschaftler gelang es in den nachfolgenden Jahren, hohe wissen-schaftliche Exzellenz mit industrieller Effizienz zu paaren: Novartis gehört nicht nur zu den grössten Investoren im Bereich der Forschung und Entwicklung mit jährlichen Ausgaben von über acht Milliarden Franken – fast vier Mal mehr als noch vor 20 Jahren. Das Unterneh-men hat auch über 200 Projekte in der klinischen Entwicklung und in den vergangenen Jahren industrieweit die höchste Zahl an Zulassungen in wichti-gen Märkten in Europa und den USA er-halten.

Mark Fishman, der am 1. März in den Ruhestand trat, sorgte auch dafür, dass angesehene Akademiker in die Industrie wechselten. So wurde Ricardo Dol-metsch für den Bereich Neurologie ge-wonnen, während Don Ganem, der zu den weltweit wichtigsten Immunologen gehört, heute das NIBR-Forschungsteam für Infektionskrankheiten leitet. Mit dem

angesehenen Onkologen Glenn Dranoff, der zuvor am Dana-Farber Cancer Insti-tute und an der Harvard Medical School lehrte, wurde dann auch der neu ge-schaffene Bereich der Immun-Onkologie besetzt. Und auch Fishmans Nachfolger, James E. Bradner, wurde vom führenden Dana-Farber Cancer Institute abgewor-ben und prägt heute mit seinem offenen und kooperationsbereiten Forschungs-ansatz die wissenschaftliche Arbeit von Novartis.

ZusammenarbeitFast zeitgleich mit der NIBR-Gründung startete Novartis auch mit ihrem Cam-pus-Projekt in Basel. Dieses hatte zum Ziel, die Arbeitsweise kooperativer und kreativer zu gestalten. In den neuen Ge-bäuden – seit 2001 wurden mehr als ein Dutzend neue Bauten hochgezogen – wurden Bürolandschaften entworfen, die sowohl Gruppenarbeit als auch konzent-rierte Einzelarbeit ermöglichen; Einzelbü-ros hingegen wurden kaum mehr entwor-fen. Zudem wurde auch viel Zeit darauf verwendet, die Labore offen zu gestalten, damit Forscher ohne Umwege und direkt miteinander arbeiten und diskutieren kön-nen. Dadurch liess sich die Zusammenar-beit stärken und die Forschung beschleu-nigen, die durch die immer stärkere Automatisierung und digitale Vernetzung einen zusätzlichen Schub erfuhr.

So ist es heute nicht ungewöhnlich, dass Forscher in Basel, Schanghai und

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Cambridge, wo in den vergangenen Jah-ren ebenfalls weiträumige Forschungs-anlagen entstanden sind, fast täglich in Kontakt stehen und gemeinsam an kom-plexen Projekten arbeiten, auch mit aus-wärtigen Partnern wie Universitäten und öffentlichen Forschungsanstalten.

VerantwortungsbewusstSeit der Gründung des Unternehmens wurde jedoch nicht nur darauf geachtet, wirtschaftliche und technologische Trends frühzeitig zu erkennen und diese proaktiv voranzutreiben. Auch die gesell-schaftliche Verantwortung wird von jeher grossgeschrieben.

Beide Vorgängergesellschaften hat-ten bereits vor der Fusion eine lange hu-manitäre Tradition gepflegt, die bis in die 1960er-Jahre des vorigen Jahrhunderts zurückreicht. Doch Novartis ging auch in diesem Bereich unkonventionelle und zu-kunftsorientierte Wege, um Patienten und Menschen in Not so gut wie möglich zu helfen.

Mit der Malaria-Initiative wagte Novartis als eines der ersten Unterneh-men den eng gesteckten Rahmen der Philanthropie zu durchbrechen. Anstatt Malaria nur in einem begrenzten Gebiet zu bekämpfen, stellte Novartis 2001 ihr Malaria-Medikament Coartem® zum Selbstkostenpreis zur Verfügung und konnte dadurch mit Partnern wie der Weltgesundheitsorganisation WHO Milli-onen von Patienten weltweit erreichen.

Wissenschaftsbasierte Innovation und die Übernahme gesellschaftlicher Ver-antwortung können sich nur sinnvoll und nachhaltig entwickeln, wenn es Raum für Kreativität und Diversität gibt.

In Indien entwickelte das Unterneh-men mit Arogya Parivar ein soziales Ge-schäftsmodell, das Patienten in länd- lichen Gebieten Zugang zu einer er-schwinglichen Gesundheitsversorgung ermöglicht und das heute auch in Län-dern wie Kenia, Vietnam und Indonesien verfolgt wird. Und mit Novartis Access lancierte das Unternehmen im vergange-nen Jahr eine Initiative, mit der Patienten in Entwicklungsländern einen besseren Zugang zu Medikamenten für die Be-

Tiefgekühlte Blutproben im CAR-T-Prozess (Chimeric Antigen Receptor T-cells), bei dem gen- technisch ver- änderte T-Zellen zur Krebstherapie eingesetzt werden.

handlung chronischer Krankheiten erhal-ten, die gerade in Entwicklungsländern immer mehr Opfer fordern.

Raum für Kreativität Wissenschaftsbasierte Innovation und die Übernahme gesellschaftlicher Ver-antwortung können sich aber nur sinnvoll und nachhaltig entwickeln, wenn es Raum für Kreativität und Diversität gibt. Während der Campus in Basel mit seinen Parks, Plätzen und Cafés Raum für Be-

gegnungen und den Austausch von Ide-en schafft, war Novartis von Anfang an auch bestrebt, die Diversität der Mitar-beitenden zu fördern.

Auch Kunst spielt in diesem Umfeld eine wichtige Rolle. Denn diese soll zu-sammen mit den anderen Elementen ei-ne offene und einladende Umgebung schaffen, die letztlich die Leistungsbe-reitschaft, Kooperation und Kreativität stärkt, die unerlässlich für die Innovation und den Erfolg von Novartis sind.

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Alcon strebt neben eigenen Forschungs- und Entwicklungsaktivitä-ten auch externe Partnerschaften an, um die Innovationskraft zu stärken. Kürzlich vereinbarte das Unternehmen eine Kooperation mit einem kalifornischen Technologie-Start-up. Im Zuge dieser Zusam-menarbeit erhält Alcon die exklusiven Vermarktungsrechte für ein hochinnovatives 3D-Visualisierungs-System, wodurch eine neue Ära bei den Netzhautoperationen eingeläutet wird. von Michael Mildner

Voll fokussiert«Die Netzhaut ist ein funktionaler Bestandteil des Gehirns und ein hoch-empfindlicher Teil des menschlichen Kör-pers», erklärt Paul Hallen von Alcon, der mit 27 Jahren Erfahrung ein Veteran in der Augenchirurgie ist. Hallens grösstes Anliegen ist es, diesen Teil des Auges zu schützen.

Auf der lichtempfindlichen Gewebe-schicht, aus der die Netzhaut besteht, werden sämtliche Bilder unserer visuel-len Welt erzeugt. Operationen an diesem filigranen Gewebe zur Verbesserung des Sehvermögens erfordern denn auch höchste Präzision, und Netzhautchirur-gen sind auf eine einwandfreie Visualisie-rung der anatomischen und pathologi-schen Strukturen angewiesen.

In den letzten Jahrzehnten standen zur Visualisierung allerdings nur optische Mikroskope zur Verfügung. Diese bereits 350 Jahre alte Technologie wird bis heu-te eingesetzt, um krankhafte Verände-rungen wie Netzhautablösungen, Netz-hautlöcher oder diabetische Retinopathie darzustellen.

«Operationen an Netzhaut oder Glas-körper sind nur selten Routineeingriffe. Vor allem die Visualisierung ist oft ein Problem. Aus diesem Grund benötigen wir dringend Innovationen in der digitalen Bildgebung und Diagnostik. Wenn man bei der Entfernung von Glaskörper und Grenzmembran exakter arbeiten kann, sind weniger Nachoperationen notwen-dig», erläutert Paul Hallen.

Sehen heisst glaubenPaul Hallen gehört zur sogenannten Alcon Global Surgical Franchise, die die

Investitionen in eigene Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten und externe Partnerschaften leitet. Er untersuchte gemeinsam mit seinen Kollegen, ob sich mit der 3D-Technologie eines jungen ka-lifornischen Start-ups pathologische und anatomische Strukturen besser visuali-sieren liessen. Dies könnte Chirurgen ih-re Entscheidungen während Eingriffen erleichtern und würde letztlich zu besse-ren Patientenergebnissen führen.

Die Geschichte des Start-ups reicht bis ins Jahr 2003 zurück. Damals ent-stand das Technologie-Unternehmen im kalifornischen Santa Barbara und entwi-ckelte zunächst digitale Geräte für die Neurochirurgie, bevor später die Kata-raktchirurgie hinzukam.

Hallen verfolgt diese Entwicklung seit 2010 sehr genau. Im Jahr 2014 hatte das Unternehmen aus seiner Sicht einen aus-reichenden Leistungsstand für die Reti-nachirurgie erreicht. Darüber hinaus könnte das Start-up durch weitere Ent-wicklungsschritte auch andere Alcon-Systeme für die Netzhaut- und Glas- körperchirurgie ergänzen und mit poten-ziellen Anwendungen in der Katarakt- und Glaukomchirurgie noch weiteres Marktpotenzial liefern.

2014 begann ein Team in Zusammen-arbeit mit zahlreichen Chirurgen, die Technologie über einen zweijährigen Zeitraum zu testen. Im März 2016 wurde dann eine Partnerschaft mit dem Unter-nehmen aus Kalifornien geschlossen, bei der Alcon die exklusiven Vermarktungs-rechte für die neuartige, im Verlauf von 2016 in den USA und weiteren Ländern verfügbare 3D-Technologie im ophthal-

mologischen Bereich erhielt. Das System erzielt einen ausgezeichneten 3D-Effekt und ist zudem mit allen bestehenden Mikroskop-Installationen kompatibel.

Aufbruch in eine neue Ära Das neue, innovative 3D-Visualisierungs-System umfasst eine 3D-Kamera, spezi-elle Soft- und Hardware zur multifaktori-ellen Farb- und Kontrastoptimierung sowie einen extrem hochauflösenden 3D-OLED-Bildschirm. Diese technologi-sche Kombination ermöglicht eine gesto-chen scharfe Darstellung der Retina und könnte gleichzeitig mit einer weniger starken Lichtexposition des Auges wäh-rend des Eingriffs auskommen. Eine digi-tale Filterung des Lichtspektrums er-leichtert die Darstellung pathologischer Strukturen, und nicht zuletzt ermöglicht das System dem Chirurgen eine natürli-chere Körperhaltung. Damit bietet es ein leistungsfähiges innovatives Gesamtpa-ket für die bessere Visualisierung und Durchführung von hochkomplexen filig-ranen Augenoperationen.

«Dies ist die beste Neuerung der letz-ten zehn Jahre in der Netzhautchirurgie. Bis dato hinkte die Visualisierung den üb-rigen Technologien deutlich hinterher», kommentiert Allen Ho vom Wills Eye Hos-pital in Philadelphia.

Mit dem neuartigen 3D-Visualisierungs-System können Chirurgen in aufrechter Körperhaltung arbeiten. Ein hochauflösender Bildschirm unterstützt sie dabei.

«Operationen an Netzhaut oder Glas- körper sind nur selten Routineeingriffe. Vor allem die Visualisierung ist oft ein Problem.»Paul Hallen

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INNOVATION FÜR EINE GESÜNDERE WELTINNOVATION FÜR EINE GESÜNDERE WELT

Seit Jahrtausenden verändern Menschen das Erbgut von Tieren und Pflanzen, indem sie diese kultivieren und neue, kräftigere Varianten züchten. Diese Versuche waren bisher jedoch stark vom Zufall geprägt. Inzwischen sind dank innovativer Technologien gezielte Eingriffe in die DNA möglich. Dies bietet neue Therapie-ansätze, auch gegen Krebs.von Alyssa Kneller

Mit Präzision gegen Krebs

Der Schweizer Forscher Friedrich Miescher entdeckt im Zellkern Nuclein, das die DNA enthält

James Watson und Francis Crick entdecken die Doppelhelixstruktur der DNA

Entwicklung des genetischen Finger-abdrucks, der die Polizei bei der Suche und Identifikation von Verbrechern unterstützt

Humangenom vollständig sequenziert

Wissenschaftler der University of California zeigen, dass CRISPR mithilfe eines DNA-zerschneidenden Enzyms namens Cas9 extrem genau auf eine beliebige Stelle im Genom gerichtet werden kann

Präsident Barack Obama lanciert die Precision Medicine Initiative (PMI), um die Entwicklung individueller Therapien zu beschleunigen

1869 1953 1984 2003 2013 Januar 2015

Stellen Sie sich vor, Sie wollten ohne Computerhilfe einen einzigen Tippfehler in einem 2,3 Millionen Seiten lan-gen Roman – das ist über 3000 Mal der Umfang von «Moby Dick» – finden und korrigieren. Eine ähnliche Aufgabe haben Wissenschaftler bei Eingriffen ins menschliche Genom, das rund drei Milliarden DNA-«Buchstabenpaare» enthält.

Bislang konnten die Genetiker diese Herausforderung nur beschränkt meistern. Heute lässt sich aber dank der Entde-ckung der sogenannten CRISPR-Technologie eine hohe Prä-zision bei Eingriffen ins Erbgut erreichen.

Bei CRISPR, das unter anderem durch die amerikanische Forscherin Jennifer Doudna von der Universität Berkeley in Kalifornien mitentdeckt und weiterentwickelt wurde, handelt es sich um eine Art «Molekülschere», mit der man die DNA zielge-nau auftrennen kann. Dazu werden winzige «Scheren» an ein Steuermolekül gekoppelt, welches das Genom nach definier-ten Sequenzen absucht und an einer bestimmten Stelle einen gezielten Schnitt vornimmt.1

Ursprünglich wurde das CRISPR-System bei Bakterien ent-deckt. Dabei wurde erkannt, dass bestimmte Bakterien eine Virusinfektion dadurch bekämpfen, dass sie die DNA des Ein-dringlings mit einem RNA-gesteuerten Enzym durchtrennen und so den Virus unschädlich machen.

CRISPR wird von den meisten Forschern als Revolution ge-feiert. Denn anders als frühere genverändernde Verfahren, die nach der Entdeckung der Restriktionsenzyme entwickelt und in den 1970er-Jahren für die ersten rekombinanten DNA-Expe-rimente verwendet wurden, ermöglicht CRISPR das präzise Entfernen defekter Gene und das Einschleusen gesunder Gensequenzen in spezifische DNA-Abschnitte.2

Im Vergleich zu Gen-Technologien wie Meganukleasen, Zinkfingernukleasen oder TALENs ist CRISPR leicht durchzu-führen und kosteneffizient. André Choulika, CEO des in Frank-reich ansässigen Unternehmens Cellectis, äusserte gegenüber dem Branchenmagazin Laborwelt: «CRISPR hat alles verän-dert, weil es jeder ganz einfach anwenden kann.»3

Ein Schub für die ImmuntherapieUm diese vielversprechende Technologie weiterzuentwickeln, arbeitet Novartis seit 2015 beispielsweise mit dem Biotech-Start-up Intellia Therapeutics zusammen. «Wir wollen mensch-liche Zellen ausserhalb des Körpers so modifizieren und sie den Patienten anschliessend wieder einsetzen», erklärt Novartis-Forscher Craig Mickanin. «Auf diese Weise könnten wir verschiedene Erkrankungen behandeln, wie etwa einige Krebsarten oder Blutkrankheiten.»

Das Team um Mickanin untersucht die Einsatzmöglichkeiten von CRISPR gegenwärtig auch im Rahmen eines Kooperations-programms zwischen Novartis und der Universität Pennsylva-nia, bei dem bestimmte Immunzellen – vor allem T-Zellen – modifiziert und auf die Bekämpfung von Krebszellen im eige-nen Körper «programmiert» werden.4

T-Zellen können als Verbündete im Kampf gegen Krebs die-nen, indem sie so angepasst werden, dass sie den Krebs er-kennen und gezielt angreifen können. Diese körpereigenen «Spezialeinheiten» wollen die Forscher stärker nutzbar ma-chen.

Derzeit besteht der experimentelle Behandlungsansatz vor allem darin, Patienten zunächst T-Zellen zu entnehmen und diese dann so abzuändern, dass sie ein synthetisches Protein produzieren, das die Krebszellen «jagen» kann. Anschliessend werden sie wieder in den Körper der Patienten eingesetzt, wo-mit der Kampf gegen den Krebs beginnt.

Bei Kindern mit akuter lymphoblastischer Leukämie scheint diese experimentelle Behandlung gut zu wirken. In einer Studie wurde Ende 2014 bei 36 von 39 Kindern mit behandlungsresis-tenter oder einer wiederkehrenden Form der Krankheit eine vollständige Remission erzielt.5

Ferner zeigt der Ansatz auch bei Erwachsenen mit chroni-scher lymphozytischer Leukämie positive Ergebnisse, auch wenn die Ansprechrate hier etwas geringer ist.6

«Ein Grund für die geringere Ansprechrate bei Patienten mit chronischer lymphozytischer Leukämie könnte sein, dass die Qualität der Zellen bei erwachsenen Patienten nicht gut genug ist», erklärt Phil Gotwals, Executive Director im Bereich Onkologie bei NIBR. «In einigen Fällen sind die Zellen vermut-lich nicht für eine Behandlung geeignet, weil sie schon zu stark durch die Krankheit geschädigt wurden.»

Idealerweise, so die Forscher, müsste das Team T-Zellen bei gesunden Freiwilligen entnehmen und modifizieren und sie anschliessend bei Krebspatienten einsetzen. Dabei würden die Spenderzellen jedoch höchstwahrscheinlich vom Immunsys-tem der Patienten als Eindringlinge erkannt und angegriffen, was die Therapie zunichtemachen würde.

Um dies zu verhindern, wollen Gotwals und seine Kollegen die T-Zellen noch gezielter modifizieren. Sie planen, weiterhin die übliche Methode anzuwenden, wollen aber in einem zwei-ten Modifizierungsschritt die T-Zellen mit CRISPR weiter ver-ändern, damit das Immunsystem des Patienten diese weniger gut wiedererkennt.

Der Weg ist aber noch weit und es bleibt abzuwarten, ob die CRISPR-Technologie bei Therapien eines Tages zugelas-sen wird. «Wir haben noch einige Herausforderungen beim Programm vor uns, und wir sehen die Geneditierung als einen möglichen Lösungsansatz», sagt Gotwals.

Mit neuesten Techno-logien gegen den Krebs: Novartis-Forscher in Cambridge, USA.

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INNOVATION FÜR EINE GESÜNDERE WELT INNOVATION FÜR EINE GESÜNDERE WELT

Die globale Gesundheitsbranche dürfte durch die «mobile Revolution» nachhaltig verändert werden. Angesichts dieses Potenzials hat sich Novartis mit führenden globalen IT-Akteuren wie Qualcomm, Microsoft und Google zusammengetan, um neue Ansätze zu prüfen, die die medizinische Praxis grund-legend verändern könnten. von Goran Mijuk

Eintritt in die digitale Zukunft

Digitale Gesundheitslösungen gewin-nen immer mehr an Gewicht und haben das Potenzial, die Industrie nachhaltig zu verändern.

Dies ist in erster Linie zwei Hauptent-wicklungen zu verdanken: Erstens haben ständig steigende Rechenleistungen und Bandbreiten dazu beigetragen, dass Smartphones rund um den Globus aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken sind. Zweitens haben wichtige regulatorische Änderungen die Voraussetzungen für die Nutzung von Big Data und gesundheits-bezogenen IT-Tools geschaffen.

Dies trifft heute vor allem auf die USA zu. Dort haben mehrere Gesetzesände-rungen – vor allem der als Obamacare bekannte Affordable Care Act – dazu beigetragen, den E-Health-Sektor zu be-flügeln.

Grundlegender UmbruchViele Gesundheitsexperten sind über-zeugt, dass der medizinische Sektor in-folge dieser Änderungen einen radikalen Umbruch erleben wird. Alice Rivlin, Öko-nomin der Brookings Institution, bezeich-

nete Obamacare als «weltweit grössten Disruptor», da sich das Gesetz den infor-mationstechnologischen Wandel zunutze macht, um neue elektronische Markt-plätze zu schaffen, auf denen sich Kon-sumenten, unterstützt durch staatliche Zuschüsse, ihre Krankenversicherung selbst auswählen können.1

Auch McKinsey rechnet mit erheb- lichen Veränderungen und schätzt, dass Big-Data-Strategien im gesamten US-Gesundheitssystem jährlich bis zu 100 Milliarden US-Dollar an Wert gene-rieren könnten.

Neben IT-Firmen und Krankenversi-cherern betreten jetzt auch Pharma- unternehmen diesen Markt, da sie erwar-ten, dass die digitale Entwicklung grosse Auswirkungen auf Bereiche wie die Arzneimittelforschung, Datensammlung und -analyse sowie Patientenversorgung haben und auch bei der Messung von Behandlungsergebnissen eine wichtige Rolle spielen wird.

Kein Wunder also, dass sich der Markt für digitale Gesundheit seit der Einführung von Obamacare auf Wachs-

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tumskurs befindet. 2014 konnten aufstre-bende digitale Gesundheitsunternehmen 4,1 Milliarden US-Dollar an Kapital auf-nehmen. 2015 wurden laut der Venture-Fonds-Gesellschaft Rock Health weitere 4,5 Milliarden US-Dollar in den Sektor investiert.2

Für CEO Joseph Jimenez ist klar, dass Novartis diese Chance nutzen muss. «Jetzt ist die Zeit, das aktuelle Po-tenzial für Innovation zu erschliessen», erklärte er kürzlich. «Andernfalls verpas-sen wir womöglich die Gelegenheit, Lö-sungen für einige der grössten gesund-heitlichen Herausforderungen zu finden, denen wir gegenüberstehen. Indem wir uns die Kraft neuer Technologien zunut-ze machen und unsere Forschung auf zukunftsträchtigen Feldern weiter voran-treiben, können wir für unsere Branche neue Dimensionen eröffnen.»

Um den sich rasant entwickelnden Sektor für sich zu erschliessen und von den Veränderungen zu profitieren, hat Novartis mehrere Projekte initiiert. Unter anderem wurden Partnerschaften mit führenden Unternehmen wie Google und Microsoft geschlossen, um digitale und medizinische Technologien miteinander zu verschmelzen und damit die Entwick-lung von Tools und Therapien zu ermög-lichen, die den Patientennutzen in den Mittelpunkt stellen und eine ergebnisori-entierte Medizin verfolgen.

Zudem tat sich Novartis im letzten Jahr mit Qualcomm zusammen, einem globalen Anbieter für Wireless-Technolo-gien, um Start-up-Unternehmen zu iden-tifizieren, deren Produkte und Dienstleis-tungen «über die Tablette hinausgehen». Die beiden Unternehmen gründeten die Investmentgesellschaft dRx Capital mit einem Vermögen von 100 Millionen US-Dollar, um durch die Förderung von Jung-unternehmen und die Nutzung ihrer Netzwerke in Pharma, Mobile IT und in der Investmentgemeinschaft digitale me-dizinische Produkte und Dienstleistun-gen zu entwickeln.

Microsoft und Novartis arbeiten gemeinsam an der Behandlung von multipler Sklerose.

Aaron Nelson, General Partner bei dRx Capital in Boston, erklärt, dass sich Novartis der Auswirkungen der digitalen Revolution auf den Gesundheitssektor bewusst ist. «Aufgrund der starken Re-gulierung und Marktkomplexität im Ge-sundheitswesen hielten digitale Techno-logien und Verfahren hier erst später Einzug als im Konsumgüter- und Finanz-bereich sowie in anderen Sektoren», so Nelson. «Es zeigt sich jedoch immer deutlicher, dass E-Health das Gesund-heitswesen einschliesslich der Pharma-industrie umkrempeln wird.»

Digitale Medizin auf dem VormarschObwohl der Pharmasektor vor einigen Jahren bereits Interesse an digitalen Gesundheitsanwendungen gezeigt hat-te – so hatte sich Novartis beispielswei-se an Proteus Digital Health beteiligt, einem Start-up, das Mikrochips auf Tab-letten und Kapseln druckt –, hielt sich die Begeisterung bis vor Kurzem eher in Grenzen.

«Zu Beginn des Jahrzehnts war die digitale Medizin nicht gerade angesagt und es war schwierig, eine klare Strate-gie aufzustellen», erklärt Nelson. «Aber dank neuer Gesetze wie Obamacare setzte in der digitalen Medizin plötzlich Wachstum ein – zudem drängte der Tech-Sektor immer stärker in die Patien-tenversorgung und klinische Forschung», fährt er fort. «Novartis konnte dadurch klare Strategien für die Zusammenarbeit mit dem Technologiesektor erarbeiten, um unsere Ziele zur Förderung der menschlichen Gesundheit zu verwirkli-chen.» In der Zwischenzeit hat Novartis auch die Partnerschaften mit Google und Microsoft vertieft.

Im Rahmen der Kooperation mit Google erwarb die Novartis-Augenheil-sparte Alcon Lizenzrechte an der Smart-Lens-Technologie von Google X. Diese bietet beispielsweise Menschen mit Dia-betes die Möglichkeit, über eine Kontakt-

versorger und die allgegenwärtige Prä-senz mobiler Geräte auf Patientenseite haben enorme Möglichkeiten geschaf-fen», so Aaron Nelson.

Europa hat hingegen nach wie vor mit einer Zersplitterung der Daten aus den verschiedenen Ländern mit unterschied-lichen Krankenversicherungssystemen zu kämpfen. Hinzu kommt, dass der euro-päische Start-up-Markt im Vergleich zum US-Markt weniger fortgeschritten ist.

«Die USA zeichnen sich durch einen dynamischen Start-up-Markt aus», sagt Aaron Nelson. Zwar findet ein Grossteil der Entwicklungsaktivitäten in der digita-len Gesundheit heute in den USA statt – viele Ansätze dürften jedoch aufgrund ihres Potenzials für Kosteneinsparungen und bessere Behandlungsergebnisse früher oder später von der restlichen Welt aufgegriffen werden.

Auf der Suche nach nachhaltigen, wegbereitenden Innovationen der digita-len Gesundheit hat dRx Capital bislang in drei Unternehmen investiert: Cala Health, Omada Health und Science 37. Sci-

ence    37 macht sich dabei Neuerungen in der Telemedizin zunutze, um klinische Studien zum Patienten zu bringen, indem herkömmliche Klinikumgebungen virtu- alisiert und umfassende klinische Studi-enleistungen ohne geografische Ein-schränkung angeboten werden.

Entscheidend ist für dRx Capital al-lerdings nicht die Bereitstellung techni-scher Spielereien, von denen es sehr viele gibt, sondern die Anpassung ihrer Nutzung an wertorientierte Geschäfts-modelle. «Unser Ziel ist es, die Konzepti-onierung und Verfügbarkeit digitaler Me-dizinplattformen zu beschleunigen, die den Menschen einen Mehrwert bieten», erläutert Technologieexperte Aaron Nel-son. «Schliesslich geht es weniger um Gadgets und den letzten Schrei in der Technik. Entscheidend sind der Wert, den sie generieren, und das Geschäfts-modell dahinter. Nur durch Skalierbarkeit und Nachhaltigkeit wird sich die medizini-sche Praxis ändern lassen, sei es durch eine Tablette, eine App oder die Kombi-nation aus beiden», so Nelson.

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lung des Geschäftsbereichs Digitale Me-dizin im Bereich Business Development & Licensing. «Während wir das medizini-sche Know-how in die Kooperation ein-bringen, steuert Microsoft die technologi-sche Kompetenz und nutzerorientierte Plattformen bei, die uns helfen werden, die Diagnose und Beurteilung des Ver-laufs der multiplen Sklerose zu verbes-sern. Gemeinsam entwickeln wir ein Produkt, das letztlich zu besseren Thera-pieergebnissen führen dürfte, da wir die Erkrankung und ihre Entwicklung präzi-ser bestimmen und somit die Behand-lungsoptionen entsprechend individuel-len Bedürfnissen verfeinern können.»

USA in der FührungsrolleDer Grossteil der heutigen Forschung, Entwicklung und Investition in der digita-len Medizin konzentriert sich auf die USA. «Vor Einführung der neuen Gesetze wurden Gesundheitsinformationen vor-wiegend auf Papier und fragmentarisch dokumentiert. Die Einführung elektroni-scher Datensysteme durch Gesundheits-

linse kontinuierlich den Zuckerspiegel ihrer Tränenflüssigkeit zu messen. Ein weiteres Ziel ist die Entwicklung einer Linse, die bei Menschen mit Altersweit-sichtigkeit den Sehfehler korrigiert.

Gegenstand des einige Jahre zuvor mit Microsoft geschlossenen Bündnis-ses ist die Entwicklung eines Systems zur besseren Beurteilung von Multiple-Sklerose-Patienten. Dabei setzten die Unternehmen auf die Bewegungssensor- Technologie von Microsoft, um bei der Bewertung des Krankheitsverlaufs kon-sistentere Ergebnisse zu erhalten. Zu-dem arbeiten die Unternehmen an Algo-rithmen, die Patientenbewegungen wie das Schwanken des Oberkörpers regist-rieren, und passen das Sensorsystem von Microsoft an die klinischen Gege-benheiten an.

«Auch wenn wir noch am Anfang ste-hen, ist unsere Partnerschaft mit Mi-crosoft doch ein gutes Beispiel dafür, wie wir digitale Technologien und Medizin zusammenbringen können», sagt Jeremy Sohn, Verantwortlicher für die Entwick-

«Die Einführung elektronischer Datensysteme durch Gesundheitsver- sorger und die allgegenwärtige Präsenz mobiler Geräte auf Patienten- seite haben enorme Möglichkeiten geschaffen.» Aaron Nelson

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Persönliches Engagement

Innovation ist das Schlagwort unserer Zeit. Doch je häufiger es verwendet wird, desto mehr droht es zur leeren Phrase zu werden. Echte Innovation beginnt dort, wo sie Einzug in den Alltag der Menschen hält. Wir haben sechs Mitarbeitende von Novartis und ihrer Partnergesellschaften gefragt, was Innovation für sie bedeutet – ihre Antworten zeigen, dass das Streben nach Neuem tief im Unternehmen verankert ist.Bild: Der Novartis Campus in Basel.

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INHALTEDITORIAL

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Mika Manser

In Ausbildung als Laborant im Bereich Biologie in Basel

Als ich mein Praktikum

in der Onkologie-

Abteilung verbrachte,

beschäftigte ich mich

mehrere Wochen mit

einem Prototyp einer

kleinen Quetschpumpe.

Mein Team war dabei

das erste, das mit die-

sen programmier- und

implantierbaren Pum-

pen gearbeitet hatte, die

es erlauben, Infusionen

bei Mäusen einfacher

durchzuführen. Mein

Auftrag war es, den Pro-

totyp auszutesten und

direkte Rückmeldung

nach Japan zu machen

und somit einen Teil zur

Entwicklung der Pumpe

beizutragen.

Die Innovationen, die ich

im Labor kennenlernen

und weiterentwickeln

darf, inspirieren mich

auch dazu, in meinem

Privatleben neue Wege

zu gehen. Dabei habe

ich für mich selber

entdeckt, dass es mir

leichtfällt, Sachverhalte

zu lernen, wenn ich sie

höre. So habe ich es

mir zur Gewohnheit

gemacht, auch durch Vi-

deolektionen zu lernen.

Innovationen bedeuten

für mich deshalb nicht

nur Neuerungen, son-

dern auch die Bereit-

schaft, für Neues offen

zu sein.

Antonina Wasuna

Doktorandin bei Novartis Partner H3D in Kapstadt

Das Thema Innovation

spielt mittlerweile in

jedem Bereich unseres

täglichen Lebens eine

Rolle. Mit Blick auf die

vielen Definitionen

finde ich, dass es vor

allem darum geht, aus

dem, was man hat, das

Beste zu machen. Als

jemand, der mit zwei

Brüdern und einer

Schwester aufgewach-

sen ist, war ich immer

angetan davon, wie

zufrieden meine Eltern

und Geschwister mit

dem wenigen waren,

das wir hatten.

Weil wir uns den Luxus

neuer Spielsachen

nicht leisten konnten,

bastelten wir uns

selbst Spielzeug. Das

Beeindruckendste, das

wir besassen, war der

geflochtene Weiden-

korb meiner Mutter.

Ausgekleidet mit altem

Stoff und Watte und

bedeckt mit einem

eleganten schwarzen

Tuch, hielt der Korb un-

ser Essen erstaunlich

lange warm, beispiels-

weise auf Reisen

oder für Besucher, die

später als erwartet bei

uns ankamen. Dies war

noch, bevor es Mikro-

wellen und in unserem

Fall Backöfen gab –

Dinge, von denen wir

nur träumen konnten.

Von scheinbar unlös-

baren Herausforde-

rungen lasse ich mich

heute nicht so leicht

einschüchtern.

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Jacqueline Lisa

IT-Bereichsverant-wortliche in Basel

Erfolgreiche Innovati-

onen sind für mich viel

mehr als nur neue Ideen

mit ökonomischem Sinn

und Nutzen. Erst wenn

dadurch Emotionen

geweckt werden, er-

achte ich sie als wirklich

gelungen.

Menschen, die sich

verbunden fühlen, sind

integer und bringen den

Mut auf, Dinge aus ver-

schiedenen Perspekti-

ven zu betrachten. Sie

sind in der Lage, über

sich hinauszuwachsen,

und Qualität ist für sie

unverzichtbar. Jede

dieser Eigenschaften

sehe ich als Katalysator

für unseren individuellen

und unternehmerischen

Erfolg.

Ein neues Medikament,

das hilft, die Leiden von

Menschen zu lindern, ist

etwas Beeindrucken-

des. Eine optimierte

IT-Dienstleistung, die

Betriebsstörungen auf

ein Minimum reduziert,

lässt die Benutzer

zufriedener arbeiten.

Marco Serra

Chefarchitekt Novartis in Basel

Rückblickend ist für

mich Vertrauen der

entscheidende Punkt,

wenn es darum geht,

Innovationen hervorzu-

bringen.

Als ich den Auftrag

zur Gestaltung des

Haupteingangs des

Novartis Campus in

Basel erhielt, sollte mein

Entwurf Innovation ver-

körpern – eine durchaus

anspruchsvolle Ziel-

setzung. Das Vertrauen

der Novartis-Führung in

meine Kompetenz gab

mir jedoch den nötigen

Rückhalt und ich konnte

das Projekt, das zu

meinen innovativsten

Arbeiten gehört, erfolg-

reich umsetzen.

Für mich persönlich

ist deshalb Vertrauen

der wahre Garant für

Innovation, weil das

kreative Potenzial der

Menschen erst dann voll

zum Ausdruck kommt,

wenn man an ihre

Fähigkeiten glaubt und

ihnen Raum gibt, Ideen

zu entfalten. Die Zeiten

der Einzelgänger sind

vorbei. Entscheidend

sind Kooperation und

das Vertrauen der Lei-

tung ins Team und die

einzelnen Mitglieder. FO

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EDITORIAL

Rao Movva

Pensionierter Wissenschaftler aus Basel

Ich erinnere mich noch

gut daran, als ich in den

frühen 1980er-Jahren

das erste Mal von einem

neuen Medikament

zur Unterdrückung von

Immunreaktionen hörte.

Ich wollte unbedingt

mehr über die Kräfte

und Möglichkeiten der

Natur erfahren, die es

möglich machten, dass

ein kleines Molekül

aus Bodenpilzen die

Transplantationsmedi-

zin revolutionierte.

Als ich später zu

Novartis stiess, wurden

mir glücklicherweise

Freiräume für kreatives

Denken gewährt. An

Studien zu Rapamycin,

einem Molekül aus Bo-

denbakterien, das erst-

malig auf der Osterinsel

Rapa Nui isoliert wurde,

waren viele talentierte

Kollegen beteiligt. Ziel

war es, die wichtigsten

Ansatzpunkte im TOR-

Signalweg zu identifizie-

ren, einem zentralen Ak-

teur bei der Regulierung

des Zellwachstums

mit vielversprechen-

dem Potenzial für den

Einsatz in Indikationen

wie Krebs, Alterung,

Restenose und Trans-

plantatabstossung.

Die Natur gibt ihre

Geheimnisse in kleinen

Dosen und auf unerwar-

tete Weise preis. Daher

sind stets innovative

Wege gefragt, um sie zu

entschlüsseln.

Mateja Salobir

Leiterin Arznei-mittelentwicklung Biosimilars, Menges (Slowenien)

Als eine von vielen Frau-

en, die ihren Brustkrebs

besiegt haben, verfolge

ich Innovationen im

Onkologiebereich mit

grossem persönlichem

Interesse.

Als ich bei Lek anfing,

das 2002 von Novartis

übernommen wurde,

arbeitete ich im Gene-

rika-Bereich, bis ich

einige Jahre später zu

den Biosimilars wech-

selte. Ich bin überzeugt,

dass die Generika-

Industrie ein Haupttrei-

ber für Innovation ist.

Durch den Zugang zu

kostengünstigen und

hochwertigen Medika-

menten sorgt diese für

wertvollen Wettbewerb,

da Originalpräparate-

hersteller gezwungen

sind, die «nächste

Welle» von Medika-

menten zu entwickeln.

Dies bedeutet, dass

wir zur Entwicklung

unserer Produkte, die

bei niedrigeren Kosten

hinsichtlich Wirksam-

keit, Qualität und Si-

cherheit identisch oder

vergleichbar mit dem

Referenzprodukt sind,

effiziente Prozesse und

Konzepte benötigen.

Unsere Innovationsfä-

higkeit zeigt sich daran,

wie wir mithilfe neuer

Ansätze sicherstellen,

dass unsere Medika-

mente die höchsten

Qualitätsanforderun-

gen erfüllen und so viele

Patienten wie möglich

erreichen.

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Patienten im Fokus

Teil der Mission von Novartis ist es, so vielen Menschen wie möglich den Zugang zu einer stabilen und qualitativ hochstehenden medizinischen Versorgung zu ermöglichen. Durch diese Anstrengungen konnte das Unternehmen in den Jahren 2014 und 2015 jeweils rund eine Milliarde Menschen in der ganzen Welt erreichen. Bild: Strassenszene in Bergamo, Italien.

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PATIENTEN IM FOKUSPATIENTEN IM FOKUS

Demenz bedeutet nicht einfach das abrupte Auslöschen jeglicher Erinnerung. Der mentale Zerfall geht schleichend voran, was den Umgang mit der Krankheit für Betroffene und Angehörige umso schwieriger macht. Spital- und Pflegezentren wie das Adullam in Basel sind oft der einzige Ausweg, mit der Situation umzugehen. von Goran Mijuk und Michael Mildner

Haus der Erinnerung

viele Warnzeichen nicht selten als Lap-palie auslegen oder schlicht verdrängen.

Jahre können vergehen, bis eine De-menz, deren Ursache bis heute ungeklärt ist und für die es keine Heilung gibt, dia-gnostiziert wird.

«Eine Demenz im Frühstadium zu er-kennen, ist für Laien fast unmöglich», er-klärt Hansjörg Ledermann, Chefarzt des Adullam. «Dies liegt einerseits daran, dass die frühen Krankheitssymptome sich nicht sonderlich von normalen Ver-haltensweisen unterscheiden. Anderer-seits, und das macht eine frühe Diagnose noch schwieriger, können vom eigentli-chen Ausbruch der Krankheit bis zum Auftauchen erster Symptome fast zehn Jahre vergehen.»

Deshalb werden im Adullam bei jeder Spitaleinweisung routinemässig auch verschiedene Demenztests durchge-führt, klassische Gedächtnisprüfungen, aber auch Gehirn-Scans.

«Wenn eine Erkrankung früh regist-riert wird, lässt sich der Krankheitsver-lauf durch Medikamente verzögern, wenn auch nicht heilen. Dabei ist es das Ziel der geriatrischen Medizin, dafür zu sor-gen, dass Patienten eine möglichst lange und gesunde Lebensphase erleben kön-nen», erklärt Ledermann.

Gerade bei Menschen mit einer leich-ten Form der Demenz können Antide-mentiva helfen, den Krankheitsverlauf zu bremsen. Zudem werden Patienten oft Mittel wie Ginkgopräparate verabreicht, welche die Hirnleistung fördern.

Intensive BetreuungDoch langfristig kommt kein Patient ohne pflegerische Unterstützung aus. Mehr als die Hälfte der rund 110 000 de-menzkranken Patienten in der Schweiz leben zu Hause und werden von Famili-enangehörigen oder der Spitex gepflegt, während der Rest in speziellen Wohn-

Annerose Herzog mit ihrem Mann Kurt und der Pflegerin Elke Hildebrand im Adullam-Pflegeheim, Basel.

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gruppen in Alters- und Pflegeheimen be-treut wird.

Vor allem wenn die Krankheit voran-schreitet, können die Betroffenen für sich und andere eine Gefahr darstellen, weil sie aggressiv werden, einfachste Verrichtungen nicht mehr zustande brin-gen oder den Weg nach Hause nicht mehr selbständig finden.

«Ein Merkmal bei Menschen mit fort-geschrittener Demenz sind die häufig auftretenden Weglauftendenzen, was bei etwa einem Viertel der Patienten der Fall ist», erklärt Elke Hildebrand, stellvertre-tende Wohnbereichsleiterin der Garten-abteilung des Adullam. «Wenn dies pas-siert oder wenn die Patienten unbeständig werden, sind Familienangehörige oft nicht mehr in der Lage, die Betroffenen selbst zu pflegen. Dann braucht es eine geschützte Rundumbetreuung, die von der Überwachung über die Medikation bis zur Körperpflege alles umfasst.»

«Was für ein dummer Kerl», meinte Kurt Herzog zu seiner Frau, als der Arzt aus seinem Zimmer im Spital- und Pfle-gezentrum Adullam gegangen war. «Das ist ja alles an den Haaren herbeigezo-gen!»

Für Annerose Herzog aber brach mit diesen Worten eine Welt zusammen. Denn alles, was der Arzt gesagt hatte, traf zu: Ihr Mann war nicht mehr fähig, die Welt um sich herum richtig wahrzuneh-men. Kurt Herzogs barscher Kommentar zur ärztlichen Diagnose war nur der un-widerrufliche Beweis seiner weit fortge-schrittenen Demenz.

Mehr als 30 Jahre hatten die beiden zusammengelebt. Er, ehemaliger juristi-scher Direktor des Kantonsspitals Basel und später Präsident der Stadtbildkom-mission. Sie, eine erfolgreiche Kranken-schwester. Reisen, Kunst, Literatur und viele Freunde bereicherten das intensive und erfüllte Leben der beiden.

Doch als Kurt Herzog Mitte der 1990er-Jahre pensioniert wird, erlischt in ihm nach und nach die Lebensfreude. Der grossgewachsene und begeisterte Sportler lässt sich gehen. «Am Anfang habe ich es gar nicht richtig bemerkt. Er wollte nicht mehr unter die Leute und meinte immer: ‹Ich kann alles, weiss al-les.› Tag um Tag wurde er ein anderer», erzählt Annerose Herzog.

Mit den Jahren wird ihr Mann immer mehr zum Eigenbrötler. Erst als er not-fallmässig ins Spital eingeliefert wird, entdecken die Ärzte, dass er am Korsa-kow-Syndrom leidet, einer seltenen, oft durch Vitaminmangel oder Alkohol aus-gelösten Form der Demenz. Doch er wehrt sich gegen eine Behandlung.

Als die Krankheit aber rasch voran-schreitet, sein Verhalten immer unbere-chenbarer wird – eines Tages wirft er an einer Tankstelle eine brennende Zigaret-te aus dem Auto –, kann er sich der ärzt-

lichen Behandlung nicht mehr länger ent-ziehen. Aufgrund der Krankheitsent- wicklung kommt er 2012, damals knapp 80 Jahre alt, ins Adullam, wo er seither in der geschützten Demenzstation, der so-genannten Gartenabteilung, rund um die Uhr betreut wird.

Kein Einzelschicksal Das Leid über den Verlust der Erinnerung und den allmählichen Zerfall der Persön-lichkeit ist für jeden Betroffenen sowie seine Angehörigen unbeschreiblich gross. Doch das Schicksal von Kurt Her-zog ist keineswegs eine Ausnahme- erscheinung: Jährlich erkranken in der Schweiz über 20 000 Menschen an De-menz, Tendenz steigend.

Oft geht der Krankheitsprozess, der sich in der Regel erst nach dem 60. Le-bensjahr bemerkbar macht, schleichend voran, fast unbemerkt für den Betroffe-nen und seine Familie und Freunde, die

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PATIENTEN IM FOKUS PATIENTEN IM FOKUS

Für Angehörige kann die pflegeinten-sive Krankheit zur Tortur werden. Nicht nur vergessen die Ehepartner oder El-tern Stück um Stück die einst verbinden-den Lebenserinnerungen. Auch ihre Per-sönlichkeit verändert sich. Eine irritierende Entfremdung setzt ein und zerstört vieles von der einstigen Intimität, was für Angehörige oft nur schwer ver-kraftbar ist.

«Das Schwierigste an der Pflegear-beit, vor allem mit schwer demenzkran-ken Personen, sind nie die Betroffenen selbst», erklärt Elke Hildebrand. «Viel-mehr sind es die Angehörigen, die damit kämpfen, sich mit der Situation abzufin-den, und in der Regel jahrelang mit sich selbst ringen, bis sie die Krankheit ak-zeptieren. Auch sie gilt es durch Gesprä-che zu unterstützen.»

Ein neues ZuhauseAuch wenn die Demenzkranken nicht mehr in der Lage sind, Neues zu lernen, und viele einfache Verrichtungen des All-tags nicht mehr selbst erledigen können, sind sie trotz allem immer wieder fähig, sich an weiter zurückliegende Ereignisse in ihrem Leben zu erinnern.

Dies lässt auch lebhafte Gespräche zu, etwa wenn sich Kurt Herzog, als Elke Hildebrand ihm den Sportteil der Zeitung vorliest, an Roger Federer erinnert und meint, dass dieser mehr tun müsse, um wieder die Nummer 1 des Welttennis zu werden. Solche wachen Momente, in de-nen die Bewohner scheinbar wieder voll-kommen normal denken, sprechen und handeln, können aber auch zu Problemen führen. Denn oft können diese tief zu-rückliegenden Erinnerungsfetzen De-menzkranke dazu bewegen, unruhig hin- und herzulaufen, zu weinen oder sich verängstigt zu verkriechen. «In solchen Situationen ist es wichtig, die Menschen dort abzuholen, wo sie gerade sind, sie aber trotzdem niemals als Kinder zu be-trachten, sondern ihren gegenwärtigen

Nöten mit Respekt und Würde zu begeg-nen», erklärt Elke Hildebrand und fügt an, dass die Bewohner im Adullam stets ge-siezt und mit Herr und Frau angespro-chen werden.

Haus der ErinnerungDas Wachhalten der Erinnerung, auch wenn dies manchmal schmerzhaft ist, ist ein zentraler Aspekt der Pflege.

Oft haben die Bewohner deshalb auch noch Möbel und Bilder aus ihrem früheren Leben in ihren Zimmern. Da-durch wirkt die Gartenabteilung im Adul-lam – mit ihrem Blick auf den grünen In-nenhof der Spitalanlage – ganz und gar nicht wie eine Krankenhausabteilung, sondern vielmehr wie eine WG mit älte-ren Menschen, die sich wie zu Hause mit ihren Erinnerungen umgeben, auch wenn diese nur noch als Bruchstücke in ihrem Geist vorhanden sind.

Damit dieses Gefühl der Häuslichkeit aufrechterhalten bleibt, sei der Alltag im Adullam engmaschig strukturiert und er-laube den Menschen, einen Lebensrhyth-mus zu entwickeln und Rituale zu pflegen, die in ihnen das Gefühl eines neuen Zu-hauses bestärkten, erklärt Elke Hilde-brand. Dazu gehören das Vorlesen aus Zeitungen und Büchern sowie das ge-meinsame Backen oder Salatrüsten, das Basteln, Malen oder Liedersingen genau-so wie Spaziergänge in die nahegelege-nen Parks oder Ausflüge in den Zoo.

Langer AbschiedDoch trotz der intensiven Pflege und des achtsamen Umgangs mit den Patienten bleibt Alzheimer ein ungelöstes medizini-sches Problem.

«Solange es keinen Wirkstoff gibt, mit dem sich die Krankheit nachhaltig thera-pieren lässt, werden wir uns bei der Be-handlung von Alzheimer und anderen Demenzkrankheiten weiterhin stark auf pflegerische Massnahmen abstützen müssen», erklärt Adullam-Chefarzt

Hansjörg Ledermann und fügt an: «Des-halb müssen wir heute die Pflege weiter-hin stärken und alles dafür tun, dass alle Menschen, die direkt und indirekt von der Krankheit betroffen sind, Unterstützung erhalten.»

Annerose Herzog ist sich dessen schmerzhaft bewusst. «Ich weiss, dass es gegenwärtig keine Heilungschancen gibt. Doch ich möchte meinen Kurt nicht verlassen, und ein Teil von mir will weiter-hin mit ihm zusammenleben», sagt sie zum Schluss unseres Gesprächs. «Aber ich weiss auch, dass dies nicht mehr möglich sein wird und dass alles, was ich für ihn tun kann, sich darauf beschränkt, ihn hier täglich zu besuchen.»

«Dass ich heute kein schlechtes Ge-wissen mehr habe, weil ich ihn nicht zu Hause pflegen kann, verdanke ich auch den Gesprächen mit den Menschen aus dem Adullam, denen ich vertrauen kann. Aber ich weiss, dass ich einen Abschied auf Raten erlebe», sagt sie.

Als sie die Gartenabteilung verlässt, begleitet sie Kurt Herzog wie jeden Tag bis zur Tür und bittet sie, mit ihm nach Hause zu gehen. Annerose Herzog weiss inzwischen, wie sie mit diesem Schmerz umgehen kann.

Ein bewegtes LebenVor über zehn Jahren erfuhr Familie Cattelan, dass ihr Sohn Mattia an Muskeldystrophie Duchenne leidet, einer unheilbaren Erbkrankheit, die hauptsächlich Buben betrifft und zu unaufhaltsa-mem Muskelschwund führt. Der Schicksalsschlag erschütterte die Basler Familie zutiefst. Doch die Cattelans fanden sich mit der tödlichen Krankheit von Mattia nicht einfach ab. Sie kämpften und unternahmen alles, damit ihr ältester Sohn ein erfülltes und bewegtes Leben führen kann. von Goran Mijuk

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Adullam

Das Spital- und Pflegezentrum Adullam wurde 1919 als gemeinnützige Stiftung gegründet. Heute betreibt die Einrichtung in Basel und Riehen Spital- und Pflegeabteilungen sowie eine Demenzstation mit insgesamt 410 Betten und 700 Mitarbeitenden. In Riehen wird derzeit ein Neubau errichtet, mit dem das Betreuungsangebot weiter ausgebaut wird. Informationen unter www.adullam.ch

Mattia Cattelan als Waggis.

Mit dem Wohnmobil durch Kanada, Campen in Dänemark, eine Hundeschlit-tenfahrt in Finnland, Skifahren in den österreichischen Alpen, Gleitschirmflie-gen oder Elektrorollstuhlhockey: Es gibt fast nichts, was Mattia mit seinen 18 Jah-ren nicht schon gemacht hätte. Selbst Interviews im Schweizer Fernsehen mit dem Fussballer Alex Frei gehören zu

seinem bewegten Leben, das im Alter von sechs Jahren eine schicksalhafte Wende erfuhr.

Damals erkannte man, dass Mattia an Muskeldystrophie vom Typ Duchenne lei-det, die im Schnitt einen von 3600 Buben trifft. Das genetisch bedingte Leiden ver-läuft so, dass sich in der Kindheit zuerst die Becken- und Oberschenkelmuskula-

tur zurückbildet, bis die Krankheit, die durch eine Synthesestörung des Muskel-strukturproteins Dystrophin verursacht wird, auch auf Herz und Lunge des Pati-enten übergreift und so zum Tod führt.

«Es war kurz vor Weihnachten, als wir die Diagnose erhielten. Wir waren am Bo-den zerstört», erinnert sich Mattias Mut-ter, Anneli Cattelan. «Wir benachrichtig-

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PATIENTEN IM FOKUSPATIENTEN IM FOKUS

Doch als die Waggis-Larve im vorletz-ten Winter langsam Form annahm, bis sie zum Schluss knapp zwei Meter hoch war und rund 50 Kilogramm wog, und als die drei «scheenschte Dääg» immer näher rückten und Mattia schliesslich am Cor-tège mitfahren konnte, waren die Strapa-zen beinahe vergessen.

Bewegender Kampfgeist Dass es Mattia heute verhältnismässig gut geht und er sich seine eigenen Frei-räume schaffen kann, liegt auch am uner-müdlichen Engagement und an der Liebe seiner Eltern.

«Wir sind sicherlich eine sehr starke Familie», erklärt Anneli Cattelan. «Viele Familien können an einem solchen Schicksal leicht zerbrechen. Uns hat es stärker gemacht.»

Auch wenn in der Schweiz die Rah-menbedingungen für Menschen mit Behinderungen im Verhältnis zu vielen anderen Ländern gut sind, ist es aber

letztlich doch immer wieder die Initiative von Einzelnen, die entscheidend dazu beiträgt, das Los von Patienten zu ver-bessern.

Anneli Cattelan und ihre Familie ge-hören zu diesen Menschen. So haben sie beispielsweise nicht nur die Kontakt-gruppe in Basel gegründet, die sich in regelmässigen Abständen trifft und aus-tauscht. Auch ihr Projekt, spezielle Klei-der für Duchenne-Patienten zu ent- werfen und schneidern zu lassen, ist Ausdruck eines persönlichen Engage-ments, das in der Duchenne-Gemeinde grosse Resonanz gefunden hat.

Zudem ist auch das von Anneli Cat-telan verfasste Kompendium über die Muskeldystrophie zu einem unschätzba-ren Ratgeber für Betroffene, aber auch für Ärzte geworden. Auf 50 eng be-schriebenen Seiten hat sie alles zusam-mengetragen, was für Duchenne-Patien-ten von vitaler Bedeutung ist – von den Medikamenten, Therapien, Rehabilitati-onszentren über oft vernachlässigte De-tails wie das Zähneputzen und Behinder-tenfahrdienste bis hin zu der Frage, was mit den Kindern passiert, wenn sie aus dem Schulalter kommen.

«Es braucht vielleicht Leute wie uns, die immer wieder Fragen stellen und mit der gegebenen Situation nicht zufrieden sind, damit Veränderungen möglich wer-den», erklärt Anneli Cattelan.

Träume verwirklichenUnermüdlicher Kampfgeist und eine star-ke Partnerschaft reichen aber nicht aus, um die grossen Herausforderungen die-ser Krankheit zu meistern. Man muss auch träumen und sich Ziele setzen kön-nen. Und davon haben die Cattelans vie-le. Eines davon liegt Mattia besonders am Herzen. F

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«Wir wollen ein Zentrum für Du- chenne-Patienten gründen, das vor allem den Jungen zugutekommt, deren Selbst-ständigkeit zunehmend eingeschränkt wird. Hier gibt es leider auch in der Schweiz nicht genügend geeignete Struk-turen und es ist notwendig, dass etwas gemacht wird», erklärt Anneli Cattelan.

Auch wenn es noch ein steiniger und langer Weg ist, bis ein solches Zentrum entstehen und Mattia seinen Traum als Kioskverkäufer verwirklichen kann, so haben die Cattelans doch eine Vorstel-lung davon, wie sie ans Ziel gelangen können.

«Wir haben immer offen und direkt agiert und wollen das auch in Zukunft tun. Quer zu denken, gehört zu unseren Stärken und ist sicher nötig, um Träume wahr werden zu lassen», sagt Anneli Cat-telan. «Niemand hätte gedacht, dass das, was wir bislang erreicht haben, möglich ist. Aber wir haben es geschafft.»

Mattia ist auch überzeugt, dass dies seiner Mutter gelingt, fährt ganz nah zu ihr hin und schmiegt sich an sie. «Ich ha dich lieb», flüstert er ihr ins Ohr und sieht sich bereits hinter einem Stand von Zei-tungen und Schokolädchen, Kaugummis und Gummibärchen seine Arbeit verrich-ten. Seine Mutter nimmt ihn in den Arm und nickt still. Zunächst aber freut er sich auf die nächste Fasnacht, wenn er wie-der mit seinen Freunden als Duchenne-Waggis unterwegs sein wird.

ten unsere Freunde und baten sie, uns etwas Zeit zu geben, damit wir den Schicksalsschlag verarbeiten können. Doch uns war auch von Anfang an klar, dass wir uns nicht verstecken können und offen und proaktiv mit der Krankheit unseres Sohnes umgehen wollen.»

Nur Wochen nach diesem Entschluss gründete Anneli Cattelan eine Kontakt-gruppe für Duchenne-Patienten und de-ren Eltern in der Region Basel und über-wand in der Folge zahllose Hürden, damit Mattia ein Leben führen kann, das so normal wie möglich ist. «Natürlich ist da immer auch das beklemmende Bewusst-sein des Todes. Aber durch die Krankheit von Mattia leben wir unser Leben be-wusster und unternehmen alles, was möglich ist», erklärt sie.

Diese Fürsorge und Pflege sieht man Mattia an. Mit seinen 18 Jahren ist er sehr agil. Während viele Duchenne-Patienten, die wenig Pflege und Fürsorge erhalten und im schlimmsten Fall, wie dies in vie-len Ländern ausserhalb Europas vorkom-men kann, von der Gesellschaft aus- gegrenzt werden, bereits im frühen Ju-gendalter sterben müssen, besteht die Hoffnung, dass Mattia dank der intensi-ven Betreuung deutlich länger leben und älter als 40 Jahre alt werden kann.

Sein Tatendrang ist jedenfalls un- gebrochen. «Mein Traum ist es, Kiosk- verkäufer im Duchenne-Zentrum zu wer-den, das Mami plant», sagt Mattia und schiebt nach, dass er begeistert beim Hundesport mitmacht und auch gerne schwimmt.

Duchenne-WaggisDoch weit mehr ist Mattia von der Basler Fasnacht begeistert. Noch immer frisch ist die Erinnerung an die vorletzte Basler Fasnacht. Damals nahm Mattia am Um-

zug teil, verkleidet als Waggis – eine tra-ditionelle Figur der Basler Fasnacht, die einen linkischen Elsässer Bauern dar-stellt –, und schaffte es damit sogar auf die Titelseite der Fasnachts-Sonderaus-gabe der Basler Zeitung.

Dabei fing alles so unspektakulär an, erinnert sich Anneli Cattelan.

«Es wäre doch eine super Sache, wenn ich als Riesen-Waggis fahren könn-te», erklärte Mattia eines Morgens wäh-rend des Frühstücks. Auf die Frage der Mutter, wie das gehen solle, meinte er lapidar: «Ja einfach so, dass meine Larve über den ganzen Rollstuhl geht – wäre doch eine tolle Sache, oder?»

Gesagt, getan. Nur Wochen später erklärte sich ein Bekannter der Familie, der hauptberuflich als Plastiker tätig ist, dazu bereit, den Riesen-Waggis nach den Designvorstellungen von Mattia zu konstruieren. Die Larve sollte «gfürchig» sein, eine riesige Nase haben und aus verschmitzten Augen lachen.

In einem Brief suchte Mattia auch die Unterstützung der Stiftung Sternschnup-pe, die behinderten Kindern in der Schweiz hilft, ihre Herzenswünsche zu erfüllen. «Wie es sich für einen richtigen Basler gehört», schrieb Mattia, «ist die Fasnacht für mich das Schönste. Seit Jahren mache ich mit meiner Familie ak-tiv mit. Mit dem Fortschreiten meiner Krankheit wird dies leider immer weniger möglich. Es macht mich sehr traurig. Nun habe ich aber die Idee, selbst ein riesiger Waggis zu sein. Der Traum, doch noch aktiv ein Teil der Fasnacht zu sein, ist mein grösster Wunsch. Wie ich durch die Strassen rolle und keiner weiss, wer oder was sich drunter verbirgt.»

Dank der Unterstützung der Stiftung sowie der Hilfe von Freunden und Be-kannten konnte Mattias Traum rechtzei-tig umgesetzt werden, auch wenn der schweisstreibende Bau der grossen Lar-ve Monate dauerte und viel Know-how und Geduld verlangte.

Jedes Jahr erkranken weltweit rund 20 000 Menschen an Muskeldystrophie vom Typ Duchenne. Aufgrund des Krankheitsverlaufs sind die Behandlungsmethoden äusserst komplex. Auf www.duchenne-schweiz.ch finden Sie wichtige weiterführende Informationen.

Mattia und seine Mutter haben Spass beim Kartenspiel.

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Bedeutung der Schweiz

Die Schweiz ist einer der bedeutendsten Forschungs-, Produktions- und Vertriebsstandorte von Novartis. Die rund 13 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leisten einen wichtigen Beitrag zum Erfolg der pharmazeutischen Industrie, die sich seit der Gründung von Novartis 1996 zu einem stabilen Wirtschaftsmotor der Schweiz entwickelt hat.Bild: Neubau der Grünanlagen und der Uferpromenade, Novartis Campus in Basel.

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BEDEUTUNG DER SCHWEIZBEDEUTUNG DER SCHWEIZ

Offenheit und InnovationMatthias Leuenberger ist seit 2014 Delegierter Novartis Schweiz und steht in dieser Funktion dem Exekutivkomitee der lokalen Länderorganisation vor. Der ausgebildete Rechtsanwalt, der 2004 zu Novartis stiess, verfügt über eine langjährige Erfahrung im Gesundheitswesen und plädiert im Gespräch für eine offene und innovationsorientierte Schweiz. Das Interview führte Markus Jaggi

Herr Leuenberger, wie beurteilen Sie die gegenwärtige Situation im Gesundheitswesen?Das globale Gesundheitswesen befin-det sich seit längerer Zeit in einer Umbruchphase. Der medizinische und technologische Fortschritt sowie der verbesserte Zugang zu medizinischer Versorgung haben dazu geführt, dass die durchschnittliche Lebenserwartung in den vergangenen Jahrzehnten stark gestiegen ist. Sie liegt heute weltweit betrachtet bei über 70 Jahren. Dies ist ein gewaltiger Erfolg, von dem frühere Generationen nicht einmal zu träumen wagten. Doch die längere Lebenserwar-tung geht leider auch mit einer Zunah-me chronischer Krankheiten einher, was die Kosten des Gesundheitswesens in die Höhe treibt.

Was ist die Konsequenz dieses Trends?Auf diese Herausforderungen ist das heutige Gesundheitswesen, das historisch aus der ambulanten Versor-gung von Patienten entstanden ist, noch nicht genügend vorbereitet. Dies gilt sowohl für Industrie- als auch Entwick-

lungsländer. Wirtschaftlich ist dies bereits heute stark spürbar. Während in den Industrieländern die Gesundheits-kosten mit knapp über 10 Prozent des Bruttoinlandprodukts verkraftbar sind, droht die Zunahme chronischer Krank-heiten in den aufstrebenden Märkten die Wirtschaftskraft ganzer Regionen zu schwächen. Produktive Arbeitskräfte gehen verloren, auch weil im Krank-heitsfall Familienmitglieder für die Pflege von Patienten gebraucht werden. Zudem steigen die gesellschaftlichen Erwartungen an die Medizin sowohl was die Sicherheit, aber auch was die Effizienz von Medikamenten betrifft. Dies führt tendenziell zu schärferen Regulierungen und erhöht damit die Komplexität und die Kosten zusätzlich.

Wie lassen sich diese Herausforde-rungen bewältigen?Um einen Ausweg aus dieser Situation zu finden, brauchen wir einerseits neue Lösungen im Umgang mit der Pflege und Betreuung chronisch kranker Menschen, wie das beispielsweise in der Schweiz durch die Spitex vorbildlich umgesetzt wird. Aber – und dies ist die

Aufgabe der forschenden Pharmaindus-trie – wir benötigen ebenso innovative Therapien, um die heute noch sehr hohen Pflegekosten bei Krankheiten wie beispielsweise Alzheimer zu reduzieren. Dies wird nicht von heute auf morgen geschehen. Was wir brauchen, sind Rahmenbedingungen, die diese Innova-tion fördern. Initiativen wie QualiCCare, bei der Pharmaindustrie, Versicherun-gen und andere Mitspieler eng zusam-menarbeiten, um Pflege und Betreuung von Patienten mit chronischen Krank-heiten zu verbessern, haben ebenfalls grosses Potenzial.

An welchen Lösungen arbeitet Novartis?Neben dem Ausbau unserer For-schungsaktivitäten in Bereichen wie der Onkologie und der Neurologie, deren Bedeutung aufgrund des demografi-schen Wandels zunimmt, investieren wir auch intensiv in neue Technologien. Methoden wie CRISPR oder CART, die einen gezielten Eingriff in das menschli-che Genom erlauben, können uns neue Ansätze eröffnen. Diese können uns vielleicht auch einen gangbaren Weg zur

Als Delegierter Novartis Schweiz verantwortet Matthias Leuenberger die politischen Beziehungen in der Schweiz und repräsentiert Novartis in den Wirtschaftsverbänden Interpharma, Science-industries sowie in der Han- delskammer beider Basel. Vor seiner Tätigkeit bei Novartis arbeitete Matthias Leuenberger neun Jahre bei Boston Consulting Group in Zürich und Tokio. Matthias Leuenberger schloss 1993 sein Studium der Jurisprudenz ab und promovierte 1995 an der Universität Bern. Er ist verheiratet und hat drei Kinder.

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«Novartis wäre ohne die Schweiz nicht denkbar. Wir haben in der Schweiz einige der besten Hochschulen der Welt und damit auch Zugang zu den talentiertesten Wissenschaftlern im Land. Zudem ist die Schweiz ein attraktiver Lebens- und Investitionsstandort.»Matthias Leuenberger

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BEDEUTUNG DER SCHWEIZ BEDEUTUNG DER SCHWEIZ

regenerativen Medizin ebnen. Zusätzlich zu unserer eigenen Forschungsarbeit gehen wir auch Partnerschaften mit führenden Hochschulen und Unterneh-men ein. Im Bereich der digitalen Medizin zum Beispiel wollen wir neue Wege finden, wie wir Patienten besser begleiten und die Effizienz der Pharma-kotherapie verbessern können – sei es in klinischen Studien oder im Alltag.

Wie schätzen Sie das Potenzial der digitalen Medizin oder der neuen Gen-Werkzeuge wie CRISPR oder CART ein? Brauchen Sie selbst eine Gesundheits-App?Ich habe während eines ganzen Jahres ein Fitnessband getragen und dabei festgestellt, dass ich mich dank diesem Schrittzähler tatsächlich viel mehr bewegt habe. Bei Novartis sind wir offen für Neues und gehören in einzelnen Bereichen zu den Pionieren, wie im Fall von CRISPR, oder arbeiten mit führen-den High-Tech-Unternehmen wie Microsoft oder Google zusammen. Wir lassen uns aber nicht von überzogenen Hoffnungen leiten, sondern arbeiten streng nach wissenschaftlichen Kriteri-en. Novartis versteht sich als innovati-onsorientiertes Gesundheitsunterneh-men: Wir orientieren uns am Machbaren, sind aber jederzeit bereit, kalkulierte Risiken einzugehen und Entwicklungen anzustossen, die hohe Investitionen verlangen. Dies können wir allerdings nur tun, wenn wir ein Forschungsumfeld vorfinden, das solche hohen Investitio-nen auch rechtfertigt.

Ist dieses Umfeld in der Schweiz gegeben?Novartis wäre ohne die Schweiz nicht denkbar. Wir haben in der Schweiz einige der besten Hochschulen der Welt und damit auch Zugang zu den talen-tiertesten Wissenschaftlern im Land. Zudem ist die Schweiz ein attraktiver Lebens- und Investitionsstandort, der es uns in der Vergangenheit erlaubt hat, die

besten internationalen Forschertalente ins Land zu holen. Schliesslich – und dies wird nur selten richtig gewürdigt – gehören die forschenden Ärzte an den Schweizer Spitälern weltweit zu den führenden Klinikern, die dank ihrer Erfahrung sehr wichtige Impulse bei der Medikamentenentwicklung geben.

Ist Novartis denn nicht stark in den USA und neu auch in China in der Forschung tätig?Natürlich sind wir als globales Unter-nehmen weltweit aktiv und verfügen in Cambridge und in Schanghai über zwei grosse Forschungszentren ausserhalb der Schweiz. Doch unser Hauptsitz in Basel ist weiterhin auch unser grösster Forschungsstandort. Mehr als ein Drittel unserer jährlichen globalen Forschungsausgaben von über acht Milliarden Franken werden in der Schweiz getätigt. Angesichts dieses hohen finanziellen Engagements ist es für uns, aber auch für die Pharmaindus-trie als Ganzes sowie für die Hochschu-len hierzulande entscheidend, dass die Masseneinwanderungsinitiative so umgesetzt wird, dass wir den überaus wichtigen Zugang zu Talenten aus dem Ausland nicht gefährden. Dabei geht es nicht nur um Forscher, sondern auch um hochspezialisierte Fachkräfte aus vielen anderen Bereichen. Davon betroffen ist übrigens nicht nur die Pharmaindustrie. Auch die IT-Branche oder das Spitalwesen sind auf auslän-dische Fachkräfte angewiesen. Die Schweiz ist schlicht zu klein, um in allen Bereichen genügend Fach- und Spitzenkräfte ausbilden zu können. Wenn man bedenkt, dass die Schweiz jährlich etwa gleich viele Studenten ausbildet wie allein die Stadt New York oder dass in China jährlich mehr Studenten an Universitäten ausgebildet werden, als der Big Apple Einwohner zählt, dann liegt es auf der Hand, dass sich die Schweiz unbedingt weiterhin vernetzen und offen bleiben muss.

Was würde passieren, wenn es zu keiner Lösung käme und die Schweiz im schlimmsten Fall den Zugang zum europäischen Binnenmarkt verlieren würde?Ich gehe schon davon aus, dass die Schweiz am Ende eine Lösung mit der EU findet, auch wenn die Zeit davon-läuft. Einerseits wissen alle, dass die EU unser wichtigster Handelspartner ist. Andererseits ist vielen Menschen bewusst, dass ein Grundelement des Schweizer Erfolgsmodells eben seine Offenheit ist. Dass sich angesichts der weltweiten politischen Spannungen und wirtschaftlichen Verwerfungen vieler-orts Unmut breitmacht, kann ich nach-vollziehen. Doch wir dürfen nicht aus kurzfristigen Befindlichkeiten heraus überreagieren, sondern müssen prag-matisch bleiben und einer nüchternen Analyse folgen. Die Schweiz hat diese Fähigkeit, deshalb gehören wir heute ja auch zu den kompetitivsten und innova-tivsten Ländern der Welt! Es ist auch nicht zu befürchten, dass der Zugang zu den EU-Märkten völlig verloren ginge, die wieder auftauchenden Handels-hemmnisse würden aber unsere Wettbewerbsfähigkeit schmälern.

Was sollte getan werden, damit die Schweiz weiterhin innovativ und wirtschaftlich erfolgreich bleibt?Über den Schutz des geistigen Eigen-tums, die Förderung der Bildung und Forschung sowie die richtigen Innovati-onsanreize hinaus müssen wir – wie bereits erwähnt – weiterhin offen für die internationale Zusammenarbeit bleiben. Diese Faktoren haben die Schweiz stark gemacht und ihr ermöglicht, trotz der geringen Grösse des Landes und den kaum vorhandenen natürlichen Res-sourcen eine starke Wirtschaft mit führenden Industrien und Wissenszent-ren aufzubauen. Auf diesem Weg sollten wir weitergehen, nicht zuletzt auch, um die grossen Herausforderungen im Gesundheitswesen zu bewältigen.

Novartis in der Schweiz

Umsatz2 Prozent von weltweit CHF 47,5 Mrd.

Investitionen in Sachanlagen18 Prozent von rund CHF 2,4 Mrd.

Mit einem Anteil von über 14,3 Prozent an den Gesamtexporten der Schweiz (2015) ist Novartis ein bedeutender Wirtschaftsfaktor und einer der grössten Schweizer Exporteure.

Mitarbeitende11 Prozent oder 13 000 von insgesamt 119 000 Vollzeitstellen

Forschung & Entwicklung42 Prozent oder CHF 3,6 Mrd. von global CHF 8,6 Mrd.

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1 Hauptsitz des Unternehmens

2 Produktion

3 Produktion

4 Alcon Grieshaber

5 ESBATech

7 Alcon Pharmaceuticals

8 Alcon Management

9 Pharmanalytica S.A.6 • Pharma Schweiz • Sandoz Schweiz • Alcon Schweiz

Anteil der Schweiz an den globalen Aktivitäten von Novartis 2015

Exporte

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Schweizerhalle

BaselStein

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Schlieren

Schaffhausen

Rotkreuz

Locarno

Freiburg

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Arbeitswelt im Wandel

Innovationen sind nur in einem Umfeld möglich, das kreatives Arbeiten erlaubt und den Menschen die Freiheit gibt, sich voll zu entwickeln. Novartis ist bestrebt, neue Wege zu gehen. Dies betrifft die Gestaltung moderner Arbeitsplätze, aber auch die Zusammensetzung und Führung von hochqualifizierten Teams.Bild: Open-Space-Forschungslabor bei Novartis.

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ARBEITSWELT IM WANDELARBEITSWELT IM WANDEL

Gruppe vor GenieDie Epoche, in der Genies die Welt im Alleingang veränderten, gehört der Vergangenheit an. In unserer hoch spezialisierten und vernetzten Welt kann der Einzelne in der Regel nur im Austausch mit anderen den wissenschaftlichen Fortschritt mitgestalten. Doch damit dies möglich wird, müssen Wissenschaftlerteams rich-tig organisiert sein. Ein Augenschein auf dem Campus in Basel zeigt, wie Novartis seit Jahren daran arbeitet, Teams flexibler, dyna-mischer und hierarchisch flacher zu gestalten, um den Kreativitäts-prozess anzukurbeln und den wissenschaftlichen Fortschritt zu beschleunigen. von Goran Mijuk

Ruffner, der als Senior Investigator im Bereich der regenerativen Medizin bei den Novartis Institutes for BioMedical Research ein Team von rund 15 For-schern leitet, empfindet den Austausch mit Kollegen als inspirierend. «Früher musste man sich telefonisch oder per E-Mail verabreden, um ein Gespräch zu führen. Heute sind die Kollegen sozusa-gen um die Ecke und man kann sich auch mit Forschern aus anderen Sparten tref-fen. Das hilft, mit der Arbeit voranzukom-men.»

Kurze WegeKurze Wege, Kommunikation und Kolla-boration sind die Eckpfeiler des For-schungs- und Arbeitskonzepts von Novartis. Denn hinter der Idee des Basler Campus steckt nicht nur die Absicht, die lokal verstreuten Forschungsaktivitäten zentral zu bündeln. Der Campus ist auch Ausdruck eines innovativen Arbeitskon-

zepts, das sich vor allem durch Zusam-menarbeit auszeichnet und selbst den kleinsten Details der Umgebung einen hohen Stellenwert beimisst. Ziel ist, die Forschung zu beschleunigen und zu ver-tiefen.

So zumindest hat es sich der italieni-sche Architekt und Stadthistoriker Vitto-rio Magnago Lampugnani gedacht, als er im Jahr 2001 den Masterplan für den Campus entwarf. Ausgehend vom Modell einer vorindustriellen Stadt, schuf er ein architektonisches Konzept, welches «das dynamische und sich stetig wan-delnde Unternehmen als Ganzes» im Au-ge behält. Dazu gehören nicht nur beein-druckende Gebäude von namhaften Architekten wie David Chipperfield oder Frank O. Gehry, sondern auch Parkanla-gen, Cafés, Restaurants und Gärten, die den mehr als 7000 Forschern und Mitar-beitenden Raum für Kreativität geben sollen.

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Ordnung vor ChaosAuch wenn Ruffner weder die Leistung des Einzelnen noch die Erkenntnissprün-ge genialer Forscher in Abrede stellen will, so ist für ihn doch klar, dass sich die Welt der Forschung verändert hat.

«Es geht heute viel mehr um Teamar-beit, denn es braucht viele verschiedene Facetten und Talente, um ein Projekt vo-ranzubringen. Und dabei braucht es alle. Die sehr Kreativen, aber auch die Leute, die im Stillen ausgezeichnet und exakt arbeiten können.»

Dieser Wertewandel hat auch andere Bereiche des Lebens erfasst. Zwar gel-ten im populären Verständnis Forscher oder Künstler wie Leonardo da Vinci, Ein-stein oder Picasso als Jahrhundertge-nies, die noch alles in Eigenregie führten. Doch der aus der Romantik stammende Geniebegriff wird auch in Kunstkreisen hinterfragt. Künstler wie der Brite Dami-en Hirst oder der Amerikaner Jeff Koons

Heinz Ruffner denkt ohne Wehmut an seine Anfangszeit bei Novartis zurück. Damals arbeitete der heute 50-jährige Forscher im Betonblock 88, einem der älteren Gebäude auf dem Campus in Ba-sel. Sein Büro in der elften Etage war weit von den Laborplätzen entfernt. Um andere Forscher zu treffen und über sei-ne Arbeit zu reden, musste er jedes Mal drei Stockwerke überwinden. Die Kom-munikation mit Kollegen war schwer. Ei-ne «einsame» Zeit, wie er im Rückblick erklärt.

Doch die Tage, in denen die Forscher voneinander isoliert vor sich hinarbeite-ten, sind längst vorbei. Seit seinem Um-zug in das 2010 von David Chipperfield errichtete Labor- und Bürogebäude an der Fabrikstrasse 22 hat sich Ruffners Arbeitsalltag radikal verändert. «Es ist immer jemand da, mit dem man über die Arbeit sprechen kann. Man ist nicht al-lein.»

Teamarbeit wird auch im Laborbereich immer wichtiger.

arbeiten dabei seit Jahren in einem Ver-bund mit anderen Künstlern und Hand-werkern, die ihre oft überdimensionierten und technisch schwierig umzusetzenden Werke überhaupt erst ermöglichen.

Diese veränderte Sicht auf die Grund-sätze der Gestaltungskraft setzt sich all-mählich durch.

Vor allem Unternehmen, die auf Team-arbeit setzen, wissen, dass Kreativität nicht von einem einzelnen Genie abhängt. Ed Catmull, Gründer der erfolgreichen Pixar Studios, die mit Filmen wie «Findet

Nemo» oder «Wall-E» ein Millionenpubli-kum erreicht haben, setzt auf Teams, die auf Augenhöhe miteinander kommunizie-ren. So strich Catmull in einem Artikel für den Harvard Business Manager heraus, dass eine Kultur der Gemeinschaft für alle förderlich ist. «Besonders wichtig (…) ist die Art der gegenseitigen Unterstüt-zung auf allen Ebenen. Jeder engagiert sich in hohem Masse dafür, dass seine Kollegen bestmögliche Arbeit leisten. Den Leitspruch ‹Alle für einen, einer für alle› hat jeder verinnerlicht.»1

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ARBEITSWELT IM WANDEL ARBEITSWELT IM WANDEL

Doch trotz der wachsenden Einsicht über die Wichtigkeit von Teamarbeit gilt immer noch das alte Sprichwort, wonach zu viele Köche den Brei verderben. Des-halb muss darauf geachtet werden, dass die Aufgaben zwischen Teammitgliedern sauber aufgeteilt und die jeweiligen Stär-ken des Einzelnen in den kreativen Pro-zess eingebunden werden.

Um Chaossituationen vorzubeugen und Ordnung in den Kreativprozess zu bringen, besucht Ruffner auch regelmäs- sig Coaching-Seminare. Obschon er vie-les durch Learning by Doing erarbeitet hat, «helfen die Kurse in erster Linie, sich selbst besser einzuschätzen und dabei herauszufinden, welche Führungstaktik in welcher Situation in Anspruch genom-men werden kann. Das Wichtigste ne-ben der Einhaltung einer klaren Organi-sationsstruktur und Arbeitsweise ist aber, die Motivation der Leute hoch hal-ten zu können, denn nur das garantiert, dass alle in den Prozess eingebunden sind.»

Widerstände gegen das Neue – Motivation durch VerantwortungMotivation ist denn auch das A und O. Denn obschon die Vision des Campus klar ausformuliert ist und viele Forscher das Projekt begrüssen, steckt der Teufel bekanntlich im Detail.

Mitarbeitende zu engerer Koopera- tion zu stimulieren, ist kein leichtes Unter-fangen, erklärt Gabrielle Keuerleber, die 2004 das arbeitsplatzbezogene Change Management auf dem Campus in Basel übernommen und mitgeholfen hat, die Räumlichkeiten so zu gestalten, dass Ko-operation möglich und gefördert wird.

«Anfangs waren die Widerstände gross, denn viele Mitarbeiter sträubten sich gegen die Veränderung», erklärt die Ökonomin, die sich auf Organisationsma-nagement spezialisiert hat. «In der Regel dauert es relativ lange, bis sich die Men-schen auf einen solchen Wechsel wirk-lich einlassen und ihn begrüssen. Für

viele ist beispielsweise das Arbeiten in offenen Räumen ungewohnt.»

Wichtig für Keuerleber, die den Erfah-rungsaustausch der Projektmanager auf den Novartis-Campus-Centern in Basel, East Hanover, Cambridge und Schanghai koordiniert, ist, dass die Mitarbeitenden alles vorfinden, was sie zur kreativen Ar-beit brauchen. Dazu gehören Gelegen-heiten für informelle Treffen, private Rückzugsmöglichkeiten sowie technisch hoch ausgerüstete Konferenzräume, in denen speditiv in Gruppen gearbeitet werden kann. Aber auch auf Details wie die Bereitstellung von Steckdosen oder Post-its muss geachtet werden. «Wir müssen die Flexibilität haben, den sich rasch wandelnden Umständen gerecht zu werden, und den ‹amöbenhaften› Ver-änderungen in der projektorientierten Forschung und Entwicklung entgegen-kommen.»

Doch um zu dieser Erkenntnis zu ge-langen, sei ein Lernprozess nötig gewe-sen, so Keuerleber. Zu Beginn des Pro-jekts richtete man sogenannte Multiple Spaces ein, bei denen darauf geachtet wurde, dass die Mitarbeitenden neben ihrem Arbeitsplatz auch freien Zugang zu Konferenzräumen, Stockwerkcafés und Erholungsbereichen hatten. «Seit dieser Zeit haben wir aber dazugelernt. Denn oft gab es Probleme mit der Akustik, bei-spielsweise weil eine Cafeteria zu nah an den Arbeitsbereichen war oder weil Kon-ferenzräume ungünstig im Raum positio-niert waren. Seit dieser Zeit verfolgen wir ein Konzept, das auf der Idee der Multip-le Zones basiert, bei denen die Arbeits-bereiche klar definiert und doch nicht abgetrennt voneinander sind. Dies soll die Kooperation weiter fördern.»

Reden ist Gold Um das volle Ausmass der vielfältigen Veränderungen zu erfassen, braucht es Zeit. Aber reden regt die Kooperation an, so der eindeutige Tenor der For-schenden.

Routinier auf MissionDetlef Lenkeit war in den letzten zwei Jahren als PrimeForce-Mitarbeiter in den USA, der Türkei und China im Einsatz. Dank seiner reichen Berufserfahrung konnte der 2007 pensionierte Leiter für Verfahrenstech-nik und Validierung für feste Arzneimittel am Standort Stein wertvolle Dienste im Zuge des Produktionstransfers für das Malaria-Medikament Coartem® leisten. von Hannes Wulf

Gefragter Pensionär: Detlef Lenkeit.

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Rocco Falchetto, Direktor in der Ana-lytical Sciences & Imaging Gruppe in Ba-sel und Cambridge bei NIBR, sucht denn auch vor allem die Diskussion mit den Mitarbeitenden seiner rund 100-köpfigen Gruppe, die Spezialisten und Generalis-ten aus dem Bereich der analytischen Wissenschaften vereint, und er ermutigt sie, sich mit Forschern aus anderen Be-reichen zu vernetzen.

«Kreativität ist enorm wichtig und man muss sie fördern, denn der Arbeitsalltag ist sehr oft streng geregelt», erklärt Fal-chetto, der auf Gruppenmeetings setzt und immer wieder versucht, die Kreativi-tät neu anzuregen, indem er auch mal eine Sitzung oder eine Gesprächsrunde an unterschiedlichen Orten auf dem Campus durchführt.

«Bei den Meetings ist es auch immer wieder wichtig, mit Naivität und Offenheit an eine Fragestellung heranzugehen, um so die bestmögliche Lösung für ein Pro-blem zu finden.»

Ruffner stimmt seinem Kollegen zu. «Vor allem eine offene Kommunikation ist wichtig. Denn Transparenz gibt Sicher-heit. Aber es ist auch wichtig, klare Ziele vor Augen zu haben, um den Fortschritt eines Projektes messbar zu machen», gibt er zu bedenken.

«Zwar haben wir eine grosse Freiheit, aber wir müssen auch Rechenschaft da-rüber ablegen, was wir machen. Für den kreativen Prozess ist die Nähe der For-scher von grossem Vorteil, denn diese erlaubt es uns, Hand in Hand zu arbeiten und neue, kreative Lösungen zu finden.»

Falchetto und Ruffner und viele ihrer Kollegen wie auch Kreativitätsexperten sind sich einig, dass die Eigenverantwor-tung des Einzelnen gefördert werden muss. Denn starre Strukturen und ein au-toritärer Führungsstil würgen die Kreativi-tät ab. Schlimmer noch, eine schlechte Stimmung kann zu Abgängen führen und den Arbeits- und Forschungsfluss ins Sto-cken bringen. Dies gilt es durch Freiräu-me, Nähe und Gespräche zu verhindern.

Die PrimeForce gibt erfahrenen Mit- arbeitern von Novartis die Möglichkeit, auch nach ihrer Pensionierung bei Be-darf mit einem genau definierten Auftrag für das Unternehmen weiter tätig zu sein. So stellen sie ihr Wissen, ihre Erfahrun-gen und Beziehungen zur Verfügung, um wichtige Projekte weiterzuführen.

Einer dieser Pensionäre im «Unru-hestand» ist Detlef Lenkeit. Bis zu sei-

ner Pensionierung war er Leiter Verfah-renstechnik und Validierung für feste Arzneimittel am Standort Stein in der Schweiz. «Ich betreute alle sogenann-ten Launch-Produkte, die nach der Zu-lassung in Stein produziert wurden, al-les, was aus der Entwicklung kam, bis zur Produktionsreife, und natürlich auch die bereits eingeführten Handelspro-dukte», erklärt er.

Der Übergang von seiner Pensionie-rung zur Beratertätigkeit als Mitglied der PrimeForce sei dabei fliessend gewesen, erläutert Lenkeit. «Schon ei-nen Tag nach meiner Pensionierung am 30. April 2007 arbeitete ich für die PrimeForce.»

Seither war Lenkeit bei verschiede-nen Projekten in Russland, Brasilien und anderen Ländern engagiert.

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ARBEITSWELT IM WANDELARBEITSWELT IM WANDEL

Detlef Lenkeit bei einem Lehrgang in der Türkei.

Kurz nach diesen Einsätzen kam die Anfrage, ob er bereit wäre, bei einem ex-ternen Zulieferer in China eine techni-sche Prüfung im Hinblick auf eine mögli-che Produktion des Malaria-Medikaments Coartem an diesem Standort durchzu-führen. Lenkeit sagte zu. Kaum war er zurück aus China, kam als künftiger Pro-duktionsstandort noch das Novartis-Werk in Kurtköy in der Türkei hinzu.

Gewaltige MengenCoartem ist ein zentraler Teil der Novartis Malaria Initiative, in deren Rahmen sich Novartis seit über einem Jahrzehnt dar-um bemüht, den Behandlungszugang und die Gesundheitsversorgung in den von Malaria betroffenen Gebieten in Afri-ka und Asien zu verbessern. Bei Coartem handelt es sich um ein Kombinationsprä-parat, das in fester Dosierung verab-reicht wird und zwei hochwertige Wirk-stoffe enthält: Artemether beseitigt die Symptome, Lumefantrin tötet die krank-heitserregenden Parasiten ab.

Das Medikament wird als Tablette in drei verschiedenen Darreichungsformen

produziert: in der Standardform mit 20   Milligramm Artemether und 120 Milli-gramm Lumefantrin, einer gleichdosier-ten, aber schnell auflösenden Form für Kinder sowie hochdosiert.

Seit 2001 hat Novartis über 800 Milli-onen Behandlungseinheiten von Coar-tem zum Selbstkostenpreis an Patienten in von Malaria befallene Länder geliefert, davon mehr als 300 Millionen der er-wähnten schnell auflösenden Tabletten für Kinder.

Das sind gewaltige Mengen. Zudem ist auch die Nachfrage nach dem Medi-kament seit mehreren Jahren stark am Steigen.

Um die Lieferfähigkeit dieses Medika-ments zu gewährleisten, wurde ins Auge gefasst, Coartem künftig hauptsächlich im Novartis-Werk Kurtköy in der Türkei sowie bei einem externen Lieferanten in China zu produzieren. Dabei wurde fol-gende Herstellungsstrategie definiert: In Kurtköy sollten alle drei Darreichungsfor-men produziert werden, während der Zu-lieferer in China die Standardtherapie herstellen sollte.

und gereinigt werden mussten.» Der Grund für das Verkleben lag vor allem an der inhomogenen Beimischung von Zu-satzstoffen, unter anderem wegen des Kirscharomas, welches die Konsistenz der Mixtur negativ verändert.

Nicht gut Kirschen essen«Die Wirkstoffe für das Medikament», holt Lenkeit aus, «sind bitter, so dass die schnell auflösenden Tabletten für die Kinder ohne zusätzliches Aroma nur schwer einzunehmen sind.»

Deshalb habe man ein Kirscharoma beigefügt, weil dies das einzige Aroma sei, das diese Bitterkeit überdecke. «Da-bei», fügt Lenkeit mit einem Schmunzeln an, «gibt es in den Gegenden, wo das Malaria-Medikament benötigt wird, gar keine Kirschbäume.»

Das Aroma ist so intensiv, dass die ganze Werklinie in Suffern zeitweise nach Kirschen roch. «Dieser Geruch geht in die feinsten Metallporen der Maschi-nen und Werkzeuge hinein und kann nicht weggereinigt werden, was zur Fol-ge hat, dass nur die schnell auflösenden Tabletten auf diesen Anlagen gefertigt werden dürfen!», so Lenkeit.

Zwar hatten die Kollegen in den USA bereits herausgefunden, dass mit einer Art Teflonbeschichtung der Tablettier-werkzeuge das Verkleben bei der Pro-duktion der herkömmlich dosierten und hochdosierten Tabletten verhindert wer-den kann. Doch bei den schnell auflösen-den Tabletten half dies nichts.

Lenkeit machte sich mit tatkräftiger Unterstützung von lokalen Experten in

Suffern auf die Suche nach Lösungen und konnte schliesslich einige Prozess-verbesserungen identifizieren. «Der ent-scheidende Trick lag letztlich in der Ab-änderung eines Prozessschritts beim Sieben der Granulate», erklärt Lenkeit.

«Die Wirkstoffgranulate werden neu jeweils bei allen drei Darreichungsformen zusammen mit den Hilfsstoffen gesiebt. Dadurch ergibt sich schon vor der ei-gentlichen Mischung eine Homogenität zwischen Wirkstoffgranulaten und Hilfs-stoffen. So erreicht man dann im ab-schliessenden Mischvorgang eine noch verlässlichere, homogenere Durchmi-schung im Endprodukt», erklärt Lenkeit.

Vom Bosporus  …Mit diesen Erkenntnissen flog Lenkeit nach Istanbul. In der Türkei trug er seine Gedanken und Erkenntnisse den verant-wortlichen Leuten vor. «Die prüften meine Vorschläge und testeten sie im Labor in einem verkleinerten Massstab in verschie-denen Varianten. Das war natürlich zu mei-nem Vorteil, denn so wurden meine Ge-danken bei konkreten Tests abgestützt.»

Als er ein paar Wochen später wieder in die Türkei flog, um die letzten Schritte zu diskutieren, war klar: «Sie wollten mei-ne Ideen umsetzen.»

…  nach ChinaDanach besuchte Lenkeit das Werk des externen Lieferanten, das rund drei Auto-stunden vom Zentrum Schanghais ent-fernt liegt.

«Dort mussten wir den ganzen Pro-zess von Grund auf neu aufbauen», so

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US-Trip«Ab dem Moment, da ich zusagte, sam-melte ich auch viele Flugmeilen und war teilweise bald wieder bei einer 100-Pro-zent-Beschäftigung», lacht der Pensio-när. «Denn natürlich musste ich mich erst mit den Produktionsdetails von Coartem vertraut machen und die Prozesse vor Ort analysieren.»

Er flog nach New York, um sich die Produktion im Werk Suffern anzuschau-en und mehr über die einzelnen Prozess-schritte zu erfahren.

Im Novartis Werk in Suffern stellte er dann fest: «Die normale Form der Tablet-ten konnten die Kollegen dort mithilfe von einigen technischen Kniffen ganz gut, aber nicht immer ohne Überraschun-gen produzieren.»

Bei den schnell auflösenden Tablet-ten gab es jedoch Schwierigkeiten. «Die Maschinen in Suffern könnten eigentlich 600 000 Tabletten pro Stunde produzie-ren. Aber manchmal fiel die Produktion bei den schnell auflösenden Tabletten auf 100 000 pro Stunde, da einzelne Ma-schinenteile immer wieder verklebten

Lenkeit. «Wir hatten dort auch mit klima-tischen Herausforderungen zu kämpfen. Im Sommer hatten wir fast 100 Prozent Luftfeuchtigkeit und 40 Grad Celsius. Im Winter sank das Thermometer bis auf mi-nus 10 Grad.»

Die Arbeit wurde so umfangreich, dass er auf die Hilfe von drei Mitarbei-tern, die er alle aus seinem Berufsleben kannte, angewiesen war. Doch auch hier schaffte er sein Ziel und es zeigte sich, dass der zusätzliche Verfahrensschritt, den er in den USA entwickelt hatte, so-wohl in der Türkei als auch in China funk-tionierte.

Die optimierten Produktionsprozesse wurden für die drei Coartem-Darrei-chungsformen in der internen Prozess-validierung bestätigt und zur behördli-chen Registrierung eingereicht.

«Die Kollegen in der Türkei erhielten für den neuen Produktionsprozess be-reits in diversen Ländern die behördli-chen Zulassungen», erklärt Lenkeit.

Für Detlef Lenkeit heisst das: «Missi-on erfolgreich beendet.» Mit bald 72 Jah-ren denkt er nun aber doch langsam, nicht nur auf dem Papier, sondern auch im echten Leben in den Ruhestand zu gleiten, um es ruhiger angehen zu lassen. Er sagt aber auch: «Die Arbeit als Prime-Force-Mitarbeiter ist nicht nur eine inter-essante Herausforderung. PrimeForce erhält auch jung.»

Am 30. Juni 2016 hat Lenkeit seinen Unruhestand beendet und ist nun im ech-ten Ruhestand.

Coartem-Pulver im Produktions-kessel.

«Die Arbeit als PrimeForce-Mitarbeiter ist nicht nur eine interessante Herausforderung. PrimeForce erhält auch jung.» Detlef Lenkeit

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ARBEITSWELT IM WANDELARBEITSWELT IM WANDEL

Werte im DialogMit der 2015 eingeleiteten Fokussierung auf die sechs Kernwerte Innovation, Qualität, Zusammenarbeit, Leistung, Mut und Integrität bildete Novartis die Grundlage zur Stärkung der Unternehmens-kultur. Dabei ist jeder Mitarbeitende gefordert, sich täglich mit diesen Werten auseinanderzusetzen, um einen langfristigen Kulturwandel zu vollziehen. von Peter Herzog

tende seine Werte über Bord wirft und quasi blind die von Novartis vorgegebe-nen übernimmt. Wichtig für uns bleibt die Auseinandersetzung mit den Werten.»

Langfristiger WandelDurch den Einbezug der sechs Werte in die persönliche Leistungsbeurteilung wird auch dafür gesorgt, dass sich der Kulturwandel bei Novartis beschleunigt. «Im früheren Modell waren unsere Ge-schäftseinheiten relativ unabhängig, und als Konsequenz daraus waren Werte und Ziele auf die individuelle Leistung fokus-siert», erklärt Steve Courington, der in seiner Rolle als Head Talent Manage-ment für das Performance Management verantwortlich ist. «Durch die strukturel-len Anpassungen, die mit dem Ziel getä-tigt wurden, Innovation und funktionale Exzellenz zu steigern, müssen wir mehr Nachdruck auf Zusammenarbeit, Mut und Innovation legen, während wir wei-terhin auch Werte wie Qualität und Inte-grität pflegen.»

Viele Mitarbeitende begrüssen die-sen Wertewandel. In einer kürzlich durchgeführten Studie befürworteten fast 80 Prozent der mehr als 2500 Be-fragten die veränderten Kernwerte. Ebenso viele Mitarbeitende erklärten, dass sie die Werte und Verhaltensweisen bewusst anwenden und diese in ihre täg-lichen Entscheidungsprozesse einflies-sen lassen.

Trotz dieses erfreulichen Ergebnisses will Novartis aber nicht stehenbleiben. So soll die Leistungsanalyse künftig fle-xibler und dynamischer gestaltet werden, so dass sich die Mitarbeitenden und Vor-gesetzten nicht nur zweimal pro Jahr über Ziele und Erwartungen austau-schen, sondern mehrmals übers Jahr ver-teilt. Dazu soll auch der Einsatz von digi-talen Geräten helfen, so Lisa Danels, die im Bereich Talent Management tätig ist. «Wichtig aber bleibt, dass wir auch in Zu-kunft unsere Kernwerte pflegen, die im-mer mehr zu einem Wettbewerbsvorteil werden und uns befähigen, neue Talente anzuziehen, die unsere Werte teilen.»

Zweimal im Jahr führen die rund 120 000 Mitarbeitenden von Novartis eine Leistungsbeurteilung durch, den so-genannten Performance-Management-Prozess – kurz PMP.

Zwar ist es nicht immer einfach, sich selbst oder andere fair zu beurteilen oder als Vorgesetzter konstruktives Feedback zu geben.

Doch die wiederkehrende Leistungs-analyse ist wichtig: nicht nur, weil sie Auswirkungen auf die Entlohnung jedes Einzelnen hat, sondern auch, weil sie Gelegenheit bietet, über die persönliche Umsetzung der sechs Kernwerte Inno-vation, Qualität, Zusammenarbeit, Per-formance, Mut und Integrität zu disku-tieren.

Gesellschaftliche ErwartungAls sich Novartis 2015 entschied, ihre Kernwerte neu zu formulieren, verfolgte das Unternehmen damit auch das Ziel, dem veränderten gesellschaftlichen Um-feld Rechnung zu tragen.

«Ethische Entscheidungen haben wirtschaftliche Konsequenzen, genauso wie geschäftliche Entscheidungen ethi-sche Folgen haben», erklärt Michael Fürst, der bei Novartis unter anderem mit der Entwicklung der Unternehmensethik betraut ist. «Aus diesem Grund ist die Umsetzung unserer Kernwerte genauso

stark gewichtet wie die Erreichung ge-schäftlicher Ziele.»

Nur durch eine solche Gleichstellung ethischer mit ökonomischen Zielen, so Fürst, könne langfristig ein Umdenken stattfinden, das zu einer verantwortungs-bewussten wirtschaftlichen Praxis führt. «Letztlich belohnt eine Organisation das, was ihr wichtig ist. Wenn wir eine verant-wortungsvolle Geschäftstätigkeit anstre-ben, müssen wir diese belohnen», so Fürst.

In einem Umfeld hoher gesellschaftli-cher Erwartungen an das Verhalten von Wirtschaftsakteuren kommt dabei vor allem der Integrität der Mitarbeitenden eine grosse Bedeutung zu. Aus diesem Grund hat Novartis nicht nur die Position des Chief Ethics, Compliance & Policy Officers geschaffen, sondern auch ein konzernweites Programm eingeführt, das dazu beitragen soll, die Kernwerte fest im Unternehmen zu verankern.

«Um unsere Position zu behaupten, müssen wir uns weiterhin auf die Integ-rität konzentrieren», sagte CEO Joseph Jimenez bei der Lancierung des Pro-gramms. «Wir müssen den steigenden Erwartungen der Menschen und Institu-tionen, die auf unsere Arbeit und unsere Produkte angewiesen sind, entsprechen und diese Erwartungen sogar übertref-fen.»

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Kollektiver EntscheidungsprozessBei der Wahl der sechs Kernwerte wur-den auch die Mitarbeitenden von Novartis einbezogen. «Die Mitsprache der Mitarbeitenden stellte sicher, dass sich das Unternehmen in Zukunft auf je-ne Werte abstützt, die bereits heute von vielen als wichtig empfunden werden», erklärt Markus Fendrich, Global Head Leadership Development, der den Wand-lungsprozess von Anfang an geleitet hat.

Fendrich und sein Team führten dabei nicht nur eine ganze Reihe intensiver Ge-spräche, sie entwickelten auch eine inter-aktive Software, um Ideen und Vorschlä-ge der Mitarbeitenden aus allen Teilen der Welt zu sammeln und zu analysieren.

Das Ergebnis des komplexen Fin-dungsprozesses war überraschend: «Jeder von uns hat zwar sein eigenes, privates Wertesystem», sagt Fendrich. «Wir haben bei unseren Umfragen und Gesprächen indes festgestellt, dass sehr viele Wertvorstellungen unserer Mitarbei-tenden nicht nur untereinander vergleich-bar sind, sondern auch mit den Werten und Verhaltensweisen von Novartis iden-tisch sind. Dies ist eine wichtige Basis für eine positive Identifizierung mit der eigenen Arbeit, und es beeinflusst die eigene Zufriedenheit stark.»

Fendrich betont aber: «Wir wollen nicht etwa, dass jeder Novartis-Mitarbei-

Eine Science-Pub- Veranstaltung auf dem Novartis-Campus in Basel.

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Geschichte Die Geschichte von Novartis beginnt im Jahr 1996. Doch die Wurzeln der Vorgängergesellschaften Ciba und Sandoz reichen viel weiter zurück. Werte wie Innovation und Qualität, die heute ein fester Bestandteil der Unternehmenskultur von Novartis sind, wurden bereits vor über 200 Jahren durch die Arbeit unserer Vorgänger geprägt und gelebt.Bild: Ciba-Farbstofflabor in Indien, 1938.

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GESCHICHTEGESCHICHTE

Auf den Spuren des IndigosJohann Rudolf Geigy-Merian, eine der prägendsten Persönlichkeiten der Vorgängergesellschaften von Novartis, unternahm als junger Kaufmann Mitte des 19. Jahrhunderts eine siebenmonatige Reise nach Indien, um mehr über die Gewinnung und Verarbeitung des Farbstoffs Indigo zu erfahren. Von dieser Reise sind heute im Firmenarchiv von Novartis noch rund 20 Briefe an seinen Vater Karl Geigy erhalten, die einen einzigartigen Einblick in die frühe Geschichte des Unternehmens geben. von Michael Mildner

Die Pflanze Indigofera tinctora enthält noch kein Indigo, sondern Indican. Diese farblose, wasserlösli-che Verbindung wird durch Vergärung zu gelbem Indoxyl abgebaut.

Die österreichische Färberwerkstatt Koo arbeitet heute noch nach alter Tradition; die Indigo-Färberei wird in dritter Familiengeneration nach mündlichen Überlieferungen ausgeführt.

Durch Oxidation des Indoxyls an der Luft entsteht schliesslich der blaue Farbstoff Indigo, der als wertvolles Handelsgut in Pulverform aus Indien verschifft wurde.

Das fertig gefärbte Garn zeigt den typischen, tiefblauen Indigo-Ton. Das aus Pflanzen hergestell-te, natürliche Indigo ist heute weitestgehend durch synthetische Farbstoffe ersetzt worden.

Johann Rudolf Geigy-Merian (1830–1917), ein direkter Nachkomme der Familie Geigy-Gemuseus, die 1758 die Firma J.R. Geigy gründete, kam in seinem Leben weit herum. Schon in jungen Jahren reis-te er im Auftrag seines Vaters und Fir-meninhabers Karl Geigy nach Indien, um sich vor Ort über die Herstellung und den Handel von Indigo, dem damals begehr-testen Farbstoff, kundig zu machen.

In seinen Aufzeichnungen hält er fest, wie er am 18. November 1853 im Alter von 23 Jahren, nach einmonatiger Reise über das Mittelmeer und durch die arabi-sche Wüste, erschöpft, aber gesund in Kalkutta ankommt. Die damalige Haupt-stadt von Britisch-Indien war mit rund 500 000 Einwohnern eine international bedeutende Handelsmetropole, die den Basler sofort in ihren Bann zog.

In einem Brief an den Vater vom 30. November beschreibt der junge Kaufmann seinen Aufenthalt in der leb-haften Stadt: «Täglich steht man um 5 Uhr auf, macht einen Spazierritt von et-wa zwei Stunden, zieht sich dann an und nach einem déjeuner fährt man in die Stadt. Um zwei Uhr nachmittags nimmt man wieder etwas weniges zu sich und

arbeitet dann fort bis sechs Uhr abends. An den Tagen, wo die mail [sic!] abgeht, arbeitet man viel länger, zuweilen die ganze Nacht hindurch. Der Handel über-haupt ist hier so ganz anders als der in Europa, dass man fortwährend Neues sieht und hört …»

PflanzenfarbstoffIndigo war zur Mitte des 19. Jahrhunderts eine gesuchte und wertvolle Handelswa-re. Als Rohstoff für die Farbenherstellung dient die tropische Pflanze Indigofera, deren Name aus dem Griechischen stammt und «das Indische» bedeutet. Das krautartige Gewächs enthält die Substanz Indican, die sich zunächst durch Gärung und dann an der Luft vom gelben Indoxyl zum tiefblauen Indigo ver-wandelt.

Zu der Zeit, als sich J.R. Geigy-Meri-an in Indien aufhielt, wurde Indigofera auf grossen Plantagen angebaut. Einige die-ser Pflanzungen konnte er in Benares besuchen. Am 4. Januar 1854 schreibt er seinem Vater: «Meine Reise ins Innere war ziemlich ermüdend, jedoch bin ich damit recht zufrieden, indem ich viele grosse Factoreien gesehen habe und so-

gar noch einige Manipulationen, sodass ich von A bis Z gesehen habe, wie man den Indigo fabriziert.»

Weiterentwicklung des UnternehmensNachdem er den Anbau, die Verarbeitung und den Handel mit Indigo – und weiteren wertvollen Produkten – genau studiert und auch die Aufträge des Vaters alle ausgeführt hatte, bereitete sich J.R. Geigy-Merian auf seine Rückkehr nach Basel vor.

Am 18. Februar reist er von Kalkutta ab und gelangt via Suez und Konstanti-nopel zunächst nach Marseille. Nach ei-nem längeren Zwischenstopp bei einem befreundeten Handelshaus in Frankreich kommt der junge Mann dann Ende Mai 1854 nach Basel in die Firma seines Va-ters zurück. Dort bringt er die Erfahrun-gen seiner Wanderjahre ein und entwi-ckelt das Unternehmen, das zuvor hauptsächlich Handel trieb, zu einem in-dustriellen Produktionsbetrieb weiter.

So baut er 1859 – zu diesem Zeit-punkt leitet J.R. Geigy-Merian bereits die Firma – die erste Extraktfabrik mit Dampfkessel und Produktionsanlagen im

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Kleinbasel, in denen Pflanzen zerkleinert und gemahlen wurden, um so die färben-den Substanzen zu gewinnen, unter an-derem auch Indigo.

Eine neue ÄraDoch schon wenige Jahre später kauft er von Johann Jakob Müller-Pack eine

Fabrik für synthetische Farbstoff- produktion. Dies war ein kluger Ent-scheid. Denn nach 1870, als der deut-sche Chemiker Adolf von Baeyer Indigo erstmals vollsynthetisch herstellen konnte, verlor der Naturfarbstoff Indigo seine Bedeutung, genauso wie her-kömmliche Extraktfabriken.

Neben seiner weitsichtigen wirt-schaftlichen Tätigkeit, die den Grund-stein für den späteren Erfolg des Unter-nehmens legte, war J.R. Geigy-Merian auch in zahlreichen öffentlichen Ämtern tätig und konnte sich unter anderem als einflussreicher und allseits geachteter Schweizer Politiker profilieren.

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GESCHICHTE GESCHICHTE

Geschichte lebt von Geschichten

Wie wurde noch 1950 auf dem St.-Johann-Areal gearbeitet und wie stark hat sich die Arbeitswelt seit dieser Zeit verändert? Das Redaktionsteam traf vier ehemalige Mitarbeitende von Ciba, J. R. Geigy, Sandoz und Novartis, um mit ihnen über ihre Erlebnisse aus den vergan-genen sechs Jahrzehnten zu reden. Ein Zeitzeugenbericht. von Goran Mijuk

Walter Mebert,Apparatebauer, Seemann und Bademeister, heuerte1967 bei Sandoz an, wo er am Ausbau der Energieversorgungbeteiligt war.

Peter Schadarbeitete ab 1957 bei Ciba als Textillaborant, u.a. im physikalischen Prüflabor, wo er die Blütezeit der Textilsparte miterlebte.

Manfred Stahelkam 1963 als Lehrling zu J.R. Geigy nach Basel und hatte danach vielfältige Positioneninne, etwa im Produktmanage-ment.

Fritz Kährtrat 1947 bei Sandoz als Schlos-ser ein und arbeite-te dort bis zu seiner Pensionierung 1982. Mit 94 Jahren ist er der Älteste des Quartetts.

Es war einer jener wolkenverhangenen Junitage, die trotz einer leichten Brise und der zaghaft durchschimmernden Son-ne nur Regen versprachen, als die vier ehemaligen Novartis-Mitarbeitenden Fritz Kähr, Peter Schad, Walter Mebert und Manfred Stahel im Novartis-Firmenarchiv auf dem Campus eintrafen, um ihre eigene, von persönlichen Erinnerungen und Anekdoten geprägte Firmengeschichte zu erzählen.

Die gutgelaunte Truppe, die sich teilweise seit Jahrzehnten kennt, liess den grauen Alltag draussen und wanderte in Ge-danken in eine Zeit zurück, die angesichts der tiefgreifenden Veränderungen der vergangenen Jahrzehnte schon beinahe märchenhaft entrückt erscheint und den verregneten Sommer für einige Augenblicke ganz vergessen liess.

Eine scheinbar unkomplizierte ZeitAls der heute 94-jährige Fritz Kähr, der Älteste des Quartetts, im Jahr 1947 als Schlosser bei Sandoz eintrat, war das Basler

St.-Johann-Quartier von der Schwerindustrie geprägt. Riesige Heizkessel, reihenweise rauchende Kaminschlote und Gaskes-sel so gross wie Hochhäuser dominierten das Sandoz-Areal.

Kähr, der in Delsberg aufgewachsen ist, erinnert sich an seine erste Arbeitswoche, als ob es gestern gewesen wäre: «Ich fing am 30. April 1947 an. Das war an einem Mittwoch. Und der Donnerstag war der 1. Mai, das war schon ein Feiertag. Am Freitag arbeiteten wir, und am Samstag war wieder frei  … Das war eine schöne Woche», erklärt Kähr, der später im Kes-selhaus und bei der Sandoz-Energieversorgung im Werk St.   Johann arbeitete.

Dort lernte er auch Walter Mebert kennen, der sich, rund 20 Jahre jünger als Kähr, auch gerne an seine Anfangszeit bei Sandoz erinnert. «Als ich nach meiner Ausbildung zum Appa-ratebauer eine längere Auslandsreise machte und wieder nach Europa zurückkam, war ich zunächst Bademeister im Rhein-badhüsli, wo es mir gut gefiel. Doch immer wieder wurde ich

von meinem Chef darauf angesprochen, dass die Sandoz stän-dig Leute suche. So entschied ich mich eines Abends, ins St.   Johann zu gehen, und meldete mich beim Personalchef, der mich auch prompt einstellen wollte, denn Handwerker waren gesucht», erklärte der lebhafte Basler.

Nachdem er seinen Bademeisterjob gekündigt hatte, fing er drei Monate später bei Sandoz an, nicht weit von dem Ort, wo sein ehemaliger Schulfreund Peter Schad bereits seit eini-gen Jahren im Werk Klybeck bei der Ciba arbeitete.

«Ich war bis zu meiner Pensionierung bei der Ciba als Che-mielaborant tätig. Ich machte dort die Lehre und wurde auch dort pensioniert», sagt Schad. Noch heute trifft er sich regel-mässig mit sechs anderen ehemaligen Ciba-Mitarbeitenden, die wie er am 23. April 1957 ihre Stelle beim Unternehmen an-traten. «Wir haben eigentlich eine gute Zeit gehabt, wenn man es mit dem heutigen Stress vergleicht. Und ich denke mit posi-tiven Gefühlen zurück. Ich war bei der Werkfeuerwehr und mit Begeisterung beim Firmensport dabei», erzählt er.

Damals fühlten viele Mitarbeitende eine starke Verbunden-heit mit dem Unternehmen. «Mit den Kollegen zusammen zu sein, war wie in einer grossen Familie zu sein», erklärt Schad.

Beschleunigter WandelAls Manfred Stahel 1963 bei J. R. Geigy als Lehrling eintrat, war noch viel von diesem Zeitgeist zu spüren. Doch die Arbeitswelt änderte sich zusehends. Neue Technologien kamen auf, die viele Arbeitsprozesse rationalisierten.

Andere Fertigkeiten waren gefragt. Das Geschäft wurde zum Business, und die strategische Ausrichtung wurde zunehmend globaler. Auch die Belegschaft, die noch bis in die 1970er-Jahre hinein mehrheitlich schweizerisch war, wurde internationaler. «Am Anfang waren wir nur aus der Region», erinnert sich Stahel. «Es gab nur Schweizer und keine Ausländer in der Abteilung. Der

erste ausländische Chef, den ich erhielt, kam nach der Fusion mit Ciba.» In den nächsten Jahren verschwanden auch Dampf, Rauch und Russ aus dem Werk St. Johann. Handwerker wichen Forschern, und anstelle von Meistern traten Manager auf.

Auch wenn sich die Zeiten verändert hatten, der Stolz, für das Unternehmen zu arbeiten, blieb weiterhin gross. «Wenn man verfolgen konnte, wie Patienten von Therapien profitieren, die Zufriedenheit der Ärzte sah und man beobachtete, wie un-sere Medikamente wirken, war das jedes Mal ein Highlight», erklärt Stahel.

Je ne regrette rienDer Bau des Campus, in dessen Projektrahmen bis heute 17 neue Gebäude fertiggestellt worden sind, widerspiegelt die schnelle Entwicklung des Unternehmens. Die neuen For-schungs- und Bürogebäude versinnbildlichen dabei nicht nur das Ende der chemischen Vergangenheit, sie sind auch Aus-druck der Innovationsstrategie von Novartis und sprechen vom unternehmerischen Willen und Mut, durch gezielte Forschung und Entwicklung den medizinischen Fortschritt voranzutreiben.

«Mit dem Campus entstand praktisch eine kleine Stadt, und ich denke, dass insgesamt vieles offener wurde», sagt Stahel. «Früher war alles viel hierarchischer, abgeschottet, mit Vorzim-merdamen. Heute wirkt alles einfacher und offener.»

Aus diesem Grund würde Stahel auch heute wieder eine Karriere bei Novartis starten, obschon er anstatt einer Labo-rantenlehre eher ein Studium anstreben würde. Für Schad ist der Fall ebenfalls klar, und auch Mebert, der seinen Entscheid, bei Sandoz zu arbeiten, nie bereute, würde denselben Weg ge-hen. «Der Wechsel (zu Sandoz) war ein weiser Entschluss», erklärt Mebert, der sich wie alle vier immer wieder mit seinen ehemaligen Kollegen und Vorgesetzten trifft, um über die gu-ten alten Zeiten und die Zukunft zu reden.

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Zugang zu Medizin

Weltweit haben rund 400 Millionen Menschen keinen Zugang zu medizinischer Grundversorgung und mehr als zwei Milliarden verfügen nicht über ausreichende Mittel, um sich wichtige Medikamente kaufen zu können. Zur Unterstützung dieser Menschen hat Novartis zahlreiche Patienten- und Medikamentenprogramme ins Leben gerufen und arbeitet auch mit internationalen Partnern zusammen.Bild: Mitarbeitende des Kenya Medical Research Institute besuchen abgelegene Dörfer.

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ZUGANG ZU MEDIZINZUGANG ZU MEDIZIN

Schwerpunkt des 2007 lancierten Projekts Arogya Parivar ist die Gesundheitsversorgung armer Menschen in unterversorgten ländlichen Gebieten Indiens. Hierbei werden Medikamente bereitgestellt und die gesundheitliche Aufklärung gefördert. Ähnliche Projekte werden in Kenia, Vietnam und Indonesien eingeführt.

Patientenprogramme

Das Programm Novartis Oncology Access soll einen nachhaltigen Zugang zu Krebs- medikamenten in Ländern mit beschränkten Kranken-kassenleistungen sicherstellen. Novartis teilt dabei die Kosten für Krebsmedikamente mit den staatlichen Gesund- heitssystemen, Wohlfahrts-organisationen und anderen Kostenträgern. Darüber hinaus unterstützt Novartis auch Patienten ohne Krankenversicherung.

Novartis Oncology Access

Novartis FoundationArogya Parivar Novartis Access

Jedes Jahr sterben in Entwicklungsländern schätzungsweise 28 Millio-nen Menschen an nicht übertragbaren Krankheiten. Zur Bewältigung dieser Belastung stellt Novartis im Rahmen der 2015 lancierten Initiative Novartis Access in Schwellen- und Entwicklungsländern ein Portfolio von 15 qua- litativ hochstehenden und kostengünstigen Medikamenten bereit.

Novartis Institute for Tropical Diseases

Forschung ist ein zentraler Aspekt, wenn es darum geht, Patienten Zugang zu Medikamenten zu verschaffen. Seit der Gründung im Jahr 2002 widmet sich das Novartis Institute for Tropical Diseases der Erforschung und Ent-wicklung neuartiger Therapien und Präventionsmethoden für schwerwiegende Tropen-krankheiten wie Dengue-Fieber und Malaria.

Neben zahlreichen weiteren Projekten betreut die Novartis-Stiftung ein Projekt zur Eliminierung von Malaria in Namibia, um Nachweise für die Umsetzbarkeit einer neuen Strategie zu sammeln, die darauf abzielt, die Malaria-Übertragung durch Beseitigung des Parasiten-Reservoirs zu verhindern. Die Stiftung betreibt zudem in Indonesien, Indien, Myanmar, Tansania und Nepal ein Projekt zur Lepra-Bekämpfung.

Orbis Flying Eye Hospital

1979 ging Alcon eine strategische Partnerschaft mit Orbis ein, einer internationalen gemeinnützigen Organisation, die vermeidbare Blindheit in einigen der am schlechtesten versorgten Gebiete der Welt bekämpft. Das Orbis Flying Eye Hospital ist die weltweit einzige fliegende Augenklinik, die Fachkräfte im Bereich Augenheilkunde schult und bereits in über 90 Ländern im Einsatz war.

Millionen von Menschen haben keinen Zugang zu Medikamenten – um ihnen zu helfen, verfolgt Novartis zahlreiche Unterstützungs- und Spen-denprogramme und hat zudem soziale Projekte ins Leben gerufen.Wir stellen Ihnen sechs Programme kurz vor:

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Gesamtzahl der erreichten Patienten

Zahl der durch Zugangsprogramme erreichten Patienten

Zahl der durch Schulungen, Gesundheitsausbildung und Dienst-leistungen erreichten Menschen

Die 20 wichtigsten Krankheiten der globalen Krankheitsbelastung, die durch die Produkte und die Pipeline berücksichtigt werden.

Zahl der zum Selbstkostenpreis abgegebenen Coartem® und Coar-tem® Dispersible Einheiten seit Einführung der Malaria-Initiative 2001.

Zugang zu Gesundheits-versorgung

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ZUGANG ZU MEDIZIN ZUGANG ZU MEDIZIN

Angesichts der grossen Herausforderungen der Flücht-lingskrise im Nahen Osten ist Novartis eine Partnerschaft mit dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) einge- gangen, um dessen Hilfspro-gramm im Libanon zu unterstüt-zen. Im Gespräch äussern sich Harald Nusser, globaler Leiter Novartis Access, und Rodolfo Rossi, Gesundheitskoor-dinator des IKRK im Libanon, über die Kooperation, die zum Ziel hat, Menschen mit chroni-schen Krankheiten zu helfen. von Thalie Bareilles

Eine syrische Frau, die vor zwei Jahren aus ihrer Heimat geflohen ist.

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Hilfe für den Libanon Was waren die Beweggründe,

die Kooperation zwischen Novartis und dem IKRK gerade im Libanon zu starten?Rodolfo Rossi: Dafür gab es mehrere Gründe. Im Libanon herrscht gegenwär-tig die extremste Flüchtlingssituation, die es weltweit je gegeben hat. Rund ein Drittel aller im Libanon lebenden Menschen sind Flüchtlinge. Zusätzlich wird die Situation im Land dadurch verschärft, dass fast ein Drittel der gesamten Bevölkerung an chronischen Krankheiten wie Übergewicht oder Bluthochdruck leidet. Um dieses Problem anzugehen, brauchten wir einen neuen Ansatz. Daraus ist die Partnerschaft mit Novartis entstanden.

Wie sieht diese Zusammenarbeit konkret aus?Rodolfo Rossi: Die Kooperation wurde auf die speziellen Bedingungen der IKRK-Programme abgestimmt, in deren Rahmen wir im Libanon ein Pflegesys-tem für Patienten mit chronischen Krankheiten schaffen wollen. Durch die Partnerschaft mit Novartis im Rahmen unseres GPHI2-Programms, mit dem wir auch mit anderen Partnern zusammen-arbeiten, erhalten wir Medikamente zu Vorzugspreisen und können so möglichst viele Patienten erreichen.

Was steuert Novartis bei?Harald Nusser: Novartis Access ver-sorgt das IKRK für einen US-Dollar pro monatliche Anwendung und Patient mit Medikamenten gegen Herz-Kreislauf-Krankheiten, vor allem Bluthochdruck und Diabetes. Diese beiden chronischen Leiden sind für über die Hälfte aller Todesfälle im Libanon verantwortlich.

Zudem bringt Novartis ausser Medika-menten auch ihr Fachwissen in den Bereichen Diagnostik und Pflege ein.

Welchen Mehrwert können Unterneh-men für humanitäre Organisationen wie das IKRK aus Ihrer Sicht leisten?Rodolfo Rossi: Zu den grossen Vorteilen des Unternehmenssektors gehört seine Innovationskraft. Dies bietet Chancen für Akteure im humanitären Sektor wie das IKRK. Bei unserem GPHI2-Pro-gramm können sich die Partner gegen-seitig austauschen, die humanitären Organisationen können ihre Bedarfs-lage erläutern und die Unternehmen Lösungsansätze aufzeigen.Harald Nusser: Ich finde, solche Koope-rationen tragen ebenfalls dazu bei, das gegenseitige Verständnis zu för- dern. Sie geben beiden Seiten die Gelegenheit, Synergien zu identifizieren und gemeinsame Ziele für eine stärkere sektorenübergreifende Zusammenar-beit zu definieren. Wichtig ist jedoch, dass beide Partner ihre Rollen und Zuständigkeiten von vornherein eindeu-tig abstecken, damit die Erwartungen klar sind.

Die Global Partnership for Humanitarian Impact and Innovation, kurz GPHI2, des IKRK hat sich zur Aufgabe gemacht, innovative Lösungen für humanitäre Herausforderungen zu entwickeln. Weitere Informationen finden Sie unter www.icrc.org

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ZUGANG ZU MEDIZINZUGANG ZU MEDIZIN

Gegen den WindAm 8. November 2013 raste einer der stärksten je gemessenen Taifune durch das Zentrum der Philippinen. Über 6000 Menschen wurden getötet und vier Millionen wurden obdachlos. Mehr als drei Jahre später haben dank der langfristig ausgerichteten Hilfe des Schweizerischen Roten Kreuzes, mit dem Novartis seit 2013 eine Partnerschaft pflegt, mehr als eine halbe Million Menschen wieder ein sicheres Zuhause. von Goran Mijuk und Michael Mildner

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Nach dem Taifun «Haiyan» verteilte das Philippinische Rote Kreuz im Dezember 2013 Nahrungsmittel und sonstige Hilfsgüter an die betroffene Bevölkerung.

Thomas Büeler vom Schweizerischen Roten Kreuz machte sich seit Tagen auf einen möglichen Nothilfe-Einsatz auf den Philippinen gefasst.

Seit knapp einer Woche veröffentlich-te das Taifun-Warnzentrum in Pearl Har-bour (JTWC) regelmässig Berichte über die wachsende Unwettergefahr, die von einem massiven Tiefdruckgebiet über dem Pazifik ausging. Auch die Medien in-formierten die Öffentlichkeit rund um die Uhr. Denn was zunächst wie ein gewöhn-licher Tropensturm ausgesehen hatte, war innert weniger Stunden zu einem ge-waltigen Taifun herangewachsen.

Kurz vor dem Wochenende spitzte sich die Lage zu. Noch bevor das Zentrum des Unwetters am Morgen des 8. Novem-ber 2013 die Philippinen erreichte, wurde der Tropensturm «Haiyan» von den Be-hörden zu einem Supertaifun heraufge-stuft. Es war einer der bislang stärksten je

gemessenen tropischen Wirbelstürme mit Windgeschwindigkeiten von teilweise bis zu 380 Kilometern pro Stunde.

Der in Bern stationierte Logistiker Thomas Büeler setzte sich noch am Samstag mit seinen Kollegen zusammen, kontaktierte das Philippinische Rote Kreuz und traf in Absprache mit anderen internationalen Rotkreuz- und Rothalb-mond-Gesellschaften Vorkehrungen, um so rasch als möglich ins Krisengebiet auf-zubrechen und dort Erste Hilfe zu leisten.

«Starke Wirbelstürme sind nicht un-gewöhnlich für die Region», erklärt Tho-mas Büeler, als wir den 40-jährigen Kata-strophenhilfeexperten in seinem Büro am Hauptsitz des Schweizerischen Roten Kreuzes in Bern treffen. «Die Philippinen sind besonders exponiert. Deshalb be-obachten wir die Situation jeweils genau und bereiten uns so früh wie möglich vor, um unsere Kollegen des Philippinischen

Roten Kreuzes, mit denen wir seit Jahren einen engen Kontakt pflegen, bei Bedarf vor Ort zu unterstützen.»

Während Thomas Büeler seinen Ein-satz plante, wütete auf den Philippinen der Taifun, dessen Heftigkeit viele Men-schen überraschte.

Das Ausmass der Zerstörung war ge-waltig. Mehr als 16 Millionen Menschen waren vom Sturm betroffen, der auch ei-ne riesige, bis zu fünf Meter hohe Flut-welle auslöste und küstennahe Regionen dem Erdboden gleichmachte. Mehr als 6000 Menschen starben während des Unwetters, das den Inselstaat mit seinen rund 100 Millionen Einwohnern an die Grenzen seiner Belastbarkeit brachte und eine weltweite Hilfsaktion auslöste.

Unterschätzte NaturgewaltDie lokale Bevölkerung wurde zwar von den Behörden gewarnt – seit dem ver-

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Flaviano Novero (links), seine Kinder und ein freiwilliger Mitarbeiter des Philippinischen Roten Kreuzes vor dem neu gebauten, katastrophensicheren Haus der Familie Novero.

heerenden Tsunami von 2004 gibt es landesweit ein Frühwarnsystem, das mit dem Taifun-Warnzentrum in Pearl Har-bour in Verbindung steht. Doch viele Menschen reagierten zu spät.

Ein Grund für die langsame Reaktion vieler Menschen liegt darin, dass heftige Stürme keine Seltenheit sind. Pro Jahr bil-den sich mehrere Dutzend Wirbelstürme über dem Pazifik, und viele davon treffen den Inselstaat. «Ich gehörte zum Nothilfe-komitee des Dorfes und war unterwegs, um die Menschen zu warnen und sie auf-zufordern, in eine Notunterkunft zu ge-hen», erklärt Flaviano Novero, ein 42-jäh-riger Fischer, der mit seiner Familie auf der im Westen gelegenen Insel Palawan lebt. «Es gab zwar Warnungen, aber nie-mand ahnte, wie schlimm es sein würde. Nur jene, die in der Nähe einer Notunter-kunft lebten, machten sich auf den Weg.»

Während Flaviano Novero als Teil des lokalen Nothilfekomitees die Menschen vor dem Sturm warnte, schaffte es seine achtköpfige Familie, die in einem abgele-genen Dorf lebt, nicht mehr, rechtzeitig eine Notunterkunft zu erreichen. Doch die Grossfamilie fand im letzten Moment bei einer Nachbarsfamilie Schutz und konnte so dem fast sicheren Tod ent-kommen. «Meine Frau und die Kinder konnten zum Glück bei einer Familie mit einem stabilen, gemauerten Wohnhaus unterkommen», erinnert sich Novero. Sein eigenes Haus wurde durch den Sturm vollständig zerstört. Und wie ihm erging es auch vielen anderen: Der Taifun und die nachfolgende Flut walzten über eine Million Häuser teilweise oder ganz nieder, mehr als vier Millionen Menschen wurden über Nacht zu Obdachlosen.

Erste HilfeNur kurze Zeit nachdem sich der Sturm gelegt hatte, landete Thomas Büeler in Cebu City, der Hauptstadt der rund 300 Kilometer langen Insel Cebu, die eben-falls im Zentrum des philippinischen Ar-chipels liegt.

«Cebu City war glücklicherweise fast unbeschädigt, da die Stadt nicht direkt in der Bahn des Taifuns lag», erklärt Büeler. «Dies war ein grosser Vorteil. So konnte ich sofort auf lokale Unternehmen zu-rückgreifen, als es darum ging, die Nothil-fe vor Ort zu organisieren.»

Die Nothilfe gestaltete sich dennoch schwierig. Um zu der vom Sturm stark betroffenen Insel Bantayan zu gelangen, wo das Schweizerische Rote Kreuz in Absprache mit den philippinischen Kol-legen zunächst Nothilfe leisten wollte, musste Büeler eine über sechsstündige Autofahrt durch teilweise unwegsames Gelände auf der Insel Cebu bewältigen, bevor er mit dem Schiff auf Bantayan übersetzen konnte.

Als Büeler auf Bantayan ankam, küm-merten sich bereits das Militär und frei-willige Helfer um die Sturmopfer. Neben medizinischer Nothilfe sorgten die meist ehrenamtlich tätigen Helfer auch dafür, dass die Menschen mit Nahrung und Wasser versorgt wurden.

Auch wenn das Schweizerische Rote Kreuz über jahrelange Erfahrung bei der Bewältigung schwerer Naturkatastro-phen verfügt und mit dem Philippini-schen Roten Kreuz eng zusammenarbei-tet, wäre die rasche Nothilfe ohne die Unterstützung freiwilliger Helfer nicht zu bewerkstelligen gewesen, so Büeler. «Um es ohne Umschweife zu sagen,

kann man behaupten, dass wir ohne die Hilfe von Freiwilligen nicht erfolgreich arbeiten könnten», erklärt Büeler. «Die ehrenamtlich tätigen Helfer unterstützen uns nicht nur bei der eigentlichen Arbeit. Sie sind oft auch Wegbereiter für rasche und unkomplizierte Lösungen, weil sie über nützliches Wissen und Kontakte verfügen.»

So konnte sich Büeler nach der Be-standesaufnahme der Sturmschäden so-fort daranmachen, Baumaterial und Werkzeug zu organisieren, damit die Menschen wieder ein Zuhause erhielten.

Einsatz von Novartis Während Büeler kurz darauf auch in Pa-lawan Nothilfe leistete und das Schwei-zerische Rote Kreuz bereits Massnah-men in die Wege leitete, um den Men- schen langfristig zu helfen, löste Novartis auf den Philippinen, wo das Unterneh-men bereits seit mehreren Jahrzehnten tätig ist, ebenfalls eine konzertierte Hilfs-aktion aus.

Der damalige Länderchef Thomas Weigold und Christine Fajardo, Leiterin von Market Access & Corporate Affairs bei Novartis auf den Philippinen, arbeite-ten gemeinsam mit Leo Wyss, Head Sponsoring & Donations, gleich nach dem Sturm an einem Katastrophenplan, dank dem bereits 48 Stunden nach dem Taifun Hilfsgüter im Wert von mehr als 22 000 Dollar an rund 2000 Familien ver-teilt werden konnten.

Novartis lancierte auch sofort ein Me-dikamentenprogramm, durch das unter anderem rund 10 000 Impfstoffeinheiten gegen Tetanus und Diphtherie über den philippinischen Pharmazie- und Gesund-

«Die Partnerschaft zwischen dem Schweizerischen Roten Kreuz und Novartis ist von der gemeinsamen Überzeugung getragen, Menschen in Notsituationen helfen zu wollen.» Leo Wyss

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ReferenzenSeite 2:«Editorial: 20 Jahre Innovation»1 Prix Galien, http://www.prixgalien.com/en/05/01/winners-sorted-by-company.htm.

Seiten 12–13:«Mit Präzision gegen Krebs»1 Jinek M. et al. Science, 2012, S. 816–821. 2 European Biotechnology, Vol. 14, 2015, S. 14–20. 3 Laborwelt, 17. Jahrgang, Nr. 3, 2016. 4 Pule M., Finney H., Lawson A., Cytotherapy. 2003;v5(3): S. 211–26. 5 Grupp, Stephan. A. et al. Blood, 124, 380, (2014). 6 Porter, David L. et al. American Society of Hematology Meeting and Exposition: Abstract 1982.

Seiten 14–17:«Eintritt in die digitale Zukunft»1 Alice M. Rivlin, «Obamacare: The business world’s biggest disruptor», www.brookings.org2 Rock Health, «Digital Health Funding, 2015 Year in Review», https://rockhealth.org.

Seiten 42–44:«Gruppe vor Genie»1 Ed Catmull, Harvard Business Manager, 17. September 2009.

Annette Vondeling und Thomas Büeler vom Schweizerischen Roten Kreuz am Hauptsitz in Bern.

heitsverband an die Sturmopfer abgege-ben werden konnten. Kurz darauf rief CEO Joseph Jimenez auch ein internes Spendenprogramm aus. Novartis-Mitar-beitende aus der ganzen Welt spendeten innerhalb von weniger als zwei Wochen knapp 400 000 Dollar – ein Betrag, der durch Novartis auf fast 800 000 Dollar verdoppelt und dem Roten Kreuz für die Wiederaufbauarbeiten auf den Philippi-nen zur Verfügung gestellt wurde.

Nachhaltige UnterstützungBereits einige Wochen nachdem Thomas Büeler seinen Nothilfeeinsatz abge-schlossen hatte, begann das Schweizeri-sche Rote Kreuz mit den Wiederauf- bauarbeiten.

Nachdem die Organisation in Banta-yan und Palawan Nothilfe geleistet hatte, die insgesamt rund 30 000 Menschen zugutekam, wurde in Absprache mit an-deren Rotkreuzgesellschaften ein Plan ausgearbeitet, um auch der Bevölkerung auf den Inseln Panay und Leyte und auf der Inselgruppe Calamian ein sicheres Zuhause und den Zugang zu sauberem Wasser zu bieten. «Wir haben uns ent-schieden, vor allem dort Hilfe zu leisten, wo die Not am grössten war und die Menschen ohnehin ein schwieriges Le-

ben führen», erklärt Annette Vondeling, die den Wiederaufbau koordinierte.

Flaviano Novero, dessen Haus auf der Insel Palawan zerstört wurde und dessen achtköpfige Familie lange Zeit in einer Notunterkunft lebte, kam so wieder zu einem neuen Heim. «Als Fischer verdiene ich nur wenig. Wir gehörten deshalb zu den ersten Familien in unserem Dorf, die mithilfe des Roten Kreuzes ein neues, stabiles Haus bauen konnten. Für diese Hilfe bin ich sehr dankbar.»

Mit Unterstützung des Schweizeri-schen Roten Kreuzes konnten bislang rund 1700 stabile Häuser und die dazuge-hörigen sanitären Anlagen gebaut sowie bestehende Unterkünfte von rund 2100 Familien verstärkt werden. Insgesamt er-reichte die Internationale Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung im Rahmen die-ser Einsätze rund 625 000 Menschen.

Stabile Partnerschaft Die Arbeit geht aber weiter, nicht zuletzt weil Tausende von Menschen noch im-mer in schwierigen Verhältnissen leben.

«Die Philippinen werden jedes Jahr von rund 20 heftigen Stürmen getroffen», erklärt Markus Mader, Direktor des Schweizerischen Roten Kreuzes. «Des-halb ist es wichtig, dass wir neben einer

raschen Nothilfe auch dafür sorgen, die-se Regionen nachhaltig zu unterstützen. Wir können dies jedoch nur erreichen, wenn wir genügend Spenden, die Unter-stützung von Freiwilligen, aber auch von Partnerorganisationen erhalten.» Das Schweizerische Rote Kreuz ruft deshalb nicht bloss zu Spenden auf, sondern pflegt auch enge Partnerschaften mit Unternehmen wie Allianz, Credit Suisse oder Coop, die jeweils ihre spezifischen Stärken in die Partnerschaft einbringen.

Novartis, die seit 2013 mit dem Schweizerischen Roten Kreuz eng zu-sammenarbeitet, konzentriert sich dabei auf den Gesundheitsbereich.

«Die Partnerschaft zwischen dem Schweizerischen Roten Kreuz und Novartis ist von der gemeinsamen Über-zeugung getragen, Menschen in Notsitu-ationen helfen zu wollen», erklärt Leo Wyss. «Die grosse Erfahrung, das welt-weite Netzwerk und die hohen ethischen Werte des Schweizerischen Roten Kreu-zes garantieren, dass bei Krisen und Ka-tastrophen vorbehaltlos, professionell und unbürokratisch gehandelt wird. Wir sind stolz darauf, das Schweizerische Rote Kreuz bei dieser wichtigen Arbeit unterstützen zu dürfen, und wollen dies auch in Zukunft tun.»

ImpressumAusgabe: 01/2016

Herausgeber: Novartis International AG, Redaktion Campus, Fabrikstrasse 6, CH-4002 Basel

Redaktion und Projektleitung: Goran Mijuk, Novartis International AG

Verlag: Reinhardt Verlag, Basel

Gestaltung und Produktion: Reinhardt Verlag, Basel

Druck: Vogt-Schild Druck AG, Derendingen

Für alle wissenschaftlichen Informationen im Zusammenhang mit erwähnten Medikamenten verweist Novartis auf www.swissmedicinfo.ch.

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck und Vervielfältigung einschliesslich Spei-cherung und Nutzung auf optischen und elektronischen Datenträgern nur mit Zustimmung der Redaktion. Kopien der Publikation können angefordert werden.

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Novartis Communications SwitzerlandFabrikstrasse 6 WSJ-157.2.03.8 CH–4002 BaselTelefon +41 61 696 57 54