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CAS GOOGLE-KARTELL Wie kein anderes Unternehmen zeigt Google die Durchdringung aller Lebens- bereiche mit Informations- und Kommu- nikationstechnologien. Nach seinem ei- genen Unternehmensleitbild m6chte Google die Informationen der Welt orga- nisieren und allgemeinen Nutzern zu- ganglich machen. Google strebt an, der Flaschenhals der Informationsgesell- schaft zu werden. Mit anderen Worten: Das Geschaftskonzept von Google fuBt aufdem Streben nach Marktdominanz im Umgang mit allen weltweit verfUgbaren Daten und Informationen. Mit dieser Marktdominanz hat Google Einfluss auf die Veranderungen, die der Ubergang von der Industriegesellschaft zur postindus- triellen Informationsgesellschaft in dem kollektiven Bewusstsein einer Gesell- schaft und ihrer Werte mit sich bringt. Marktdominanz jedoch verleitet zum Markt- (Macht-) Missbrauch. Dennwer den Wissensbestand der Menschheit ver- waltet, entscheidet daruber, was wich- tig ist oder wer in Bedeutungslosigkeit verschwindet. Ferner kontrolliert Google Datenspuren, die jeder Nutzer mit jeder Suchanfrage hinterlasst und ist daher frei in der Entscheidung uber die Aus- und Verwertung dieser Daten. Damit verdient Google Geld und hat bereits jetzt einen astronomischen Unternehmenswert er- zielt, der auf der Marktfuhrerschaft auf dem Markt fur Online-Werbung basiert. Wo Iiegt aber das Missbrauchspotenzial, das sich aus der Marktdominanz von Google ergibt? Und welche Instanz kon- trolliert Google, wenn Google den gesamten Datenbestand der Welt ver- waltet? Schon jetzt ist Google marktbe- herrschend im Sinne des geltenden Kar- tellrechts. So verfugte Google auf dem deutschen Suchmaschinenmarkt im Ok- tober 2007 uber einen Marktanteil von 89,5 Prozent beziehungsweise von deut- lich uber 90 Prozent, wenn man die Marktanteile von AOL, T-Dnline und Free- net dazurechnet, die Google auf ihren Eingangsseiten als Suchmaschine be- nutzen. selbst die zweitpiatzierte Such- maschine von Yahoo kam lediglich auf ei-

CAS GOOGLE-KARTELL - ldm-law.de · Google zuruckgreifen. In diesem Fallw& re Google verpflichtet, seine internen Schnittstellen offenzulegen, was not-wendigerweise zu mehr Transparenz

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CAS GOOGLE-KARTELL

Wie kein anderes Unternehmen zeigtGoogle die Durchdringung aller Lebens-bereiche mit Informations- und Kommu-nikationstechnologien. Nach seinem ei-genen Unternehmensleitbild m6chteGoogle die Informationen der Welt orga-nisieren und allgemeinen Nutzern zu-ganglich machen. Google strebt an, derFlaschenhals der Informationsgesell-schaft zu werden. Mit anderen Worten:Das Geschaftskonzept von Google fuBtaufdem Streben nach Marktdominanz imUmgang mit allen weltweit verfUgbarenDaten und Informationen. Mit dieserMarktdominanz hat Google Einfluss aufdie Veranderungen, die der Ubergang vonder Industriegesellschaft zur postindus-

triellen Informationsgesellschaft in demkollektiven Bewusstsein einer Gesell-schaft und ihrer Werte mit sich bringt.Marktdominanz jedoch verleitet zumMarkt- (Macht-) Missbrauch. Denn werden Wissensbestand der Menschheit ver-waltet, entscheidet daruber, was wich-tig ist oder wer in Bedeutungslosigkeitverschwindet. Ferner kontrolliert GoogleDatenspuren, die jeder Nutzer mit jederSuchanfrage hinterlasst und ist daher freiin der Entscheidung uber die Aus- undVerwertung dieser Daten. Damit verdientGoogle Geld und hat bereits jetzt einenastronomischen Unternehmenswert er-zielt, der auf der Marktfuhrerschaft aufdem Markt fur Online-Werbung basiert.

Wo Iiegt aber das Missbrauchspotenzial,das sich aus der Marktdominanz vonGoogle ergibt? Und welche Instanz kon-trolliert Google, wenn Google dengesamten Datenbestand der Welt ver-waltet? Schon jetzt ist Google marktbe-herrschend im Sinne des geltenden Kar-tellrechts. So verfugte Google auf demdeutschen Suchmaschinenmarkt im Ok-tober 2007 uber einen Marktanteil von89,5 Prozent beziehungsweise von deut-lich uber 90 Prozent, wenn man dieMarktanteile von AOL,T-Dnline und Free-net dazurechnet, die Google auf ihrenEingangsseiten als Suchmaschine be-nutzen. selbst die zweitpiatzierte Such-maschine von Yahookam lediglich auf ei-

nen Marktanteil von 3,3 Prozent. In vie-len auslandischen Markten hat Googleebenfalls eine marktbeherrschende Po-sition. So erreicht Google im Markt furSuchmaschinen in den USA im septem-ber 2007 einen Marktanteil von 57 Pro-zent, Yahoo kam auf 23,7 und Mircosoftauf 10,3 Prozent. Diese Stellung ermag-licht neben der Fusionskontrolle weite-rer Z ukaufe auch die PrUfungmarktmiss-brauchlichen Verhaltens gegenuberanderen Unternehmen und was die Aus-und Verwertung von Daten angeht. Wei-teren Expansionsstrategien von Googlesind so bereits derzeit kartellrechtlicheGrenzen gesetzt. Doch Google expan-diert weiter, um die Marktdominanz aus-zubauen und zu verteidigen, zum Teildurch internes Wachstum, zum Teildurchexterne Zukaufe. Dabei ist eine rasanteExpansion in samtliche Richtungen zubeobachten: Neue Produkte wie "GoogleBook search" oder "Google Mail" sorgenebenso fur Aufsehen wie die Unterneh-mensaufkaufe des Online-Marketingurt-ternehmens "Doubleclick" und des Vi-deoportals "Youtube".

Gerade mit den Unternehmensaufkaufenverfolgt Google eine Expansionsstrate-gie in neue Geschaftsfelder und insbe-sondere in den Inhaltemarkt, um die ge-samte private Datensphare der Nutzerabzudecken und diese damit umfassendan sich zu binden. Spatestens hier istauch Googles Umgang mit den Dateneinzelner kritisch zu hinterfragen. Auf-grund seiner Stellung darf Google ande-re Unternehmen bereits derzeit wederbehindern noch ohne sachlich gerecht-fertigten Grund unterschiedlich behart-deln. Auch ist Google verpflichtet, ande-ren Unternehmen gegen angemessenesEntgelt Z ugang zu den eigenen In-frastruktureinrichtungen zu gewahren,wenn diesen ausreichender Wettbewerbnicht ohne eine Mitbenutzung moglichist. Diese dem Anbieter nach deutschem,europaischem und U5-amerikanischemKartellrecht obliegenden Verpflichtungenkannten in der Zukunft fur Google weit-

reichende Konsequenzen haben. Sokannten etwa Unternehmen, die spezia-lisierte Suchfunktionen im Internet art-bieten wollen, auf die Infrastruktur vonGoogle zuruckgreifen. In diesem Fall w&re Google verpflichtet, seine internenSchnittstellen offenzulegen, was not-wendigerweise zu mehr Transparenzfuhren wurde, was die von Google prak-tizierten Geschaftsprozesse betrifft. Bis-

Jungst wurde die Schaltung einer ent-sprechenden Anzeige dieses Vertriebs-unternehmens von Google mit demHinweis abgelehnt, der Anzeigentext tart-giere den markenrechtlich geschlitztenBegriff "Der Spiegel". Google teilt hierzumit, der Begriff "Der Spiegel" sei aufWunsch des Spiegel-Verlagshauses soeingestellt worden, dass er nicht mehrfur Dritte genutzt werden kanne. Inte-

Wird Google zum Microsoft des neuen Jahrtausends?Denn was 1999 in einer kalifornischen Garc~ge begann, ist heutepraktisch glelchbedeutend mit der Suche im Internet.

lang hat jedoch kein Unternehmen einederartige Anfrage gegenuber Google ge-stellt. Dass Google bereitsjetzt Einflussauf das Marktgeschehen im Web nimmtund hierbei Unternehmen konkret be-nachteiligt, zeigt ein Beispiel aus der Pra-xis: Aufgrund eines von Google aufge-legten "Markenschutzprogramms", dassich in keiner Weise an den rechtlichenKriterien des Markenrechts orientiert,werden direkte Vertriebswege groBer Urt-ternehmen zu Lasten indirekter Vertriebs-partner begunstigt. So platzierte bei-spielsweise ein seit Jahren bestehendesVertriebsunternehmen im Bereich deswerbenden Buch- und Zeitschriftenhart-dels auch fur das Verlagsprodukt "DerSpiegel" Werbeanzeigen bei Google Ad-Words etwa mit dem Text:"Der Spiegel im AboZ eitschrift frei Haus. Viele 5ach- undBargeldpramien. Hier kassieren!www.abbo-direkt.dejder_Spiegel"

GOOGLE IN ZAHLEN

• Durchsuchte Webseiten:mehr a's 8 Milliarden

• Silder: mehr a's eine Milliarde

• Usenet-Mitteilungen:etwa eine Milliarde

• Sprachen, fOr die Google eine Nutzer-oberflache bietet: mehr als 100

• Sprachen, in denen GoogleErgebnisse bietet: 35

• Internationale Domains:mehr a's 100

• Mitarbeiter: mehr als 3.000 weltweit

ressant ist in diesem Z usammenhang,dass eine Markenrechtsverletzung durchden genannten Anzeigentext bereits ausRechtsgrunden ausscheidet. Dies siehtselbst Google so und lielS in einer Stel-lungnahme verlauten: "Naturlich bedau-ern wir solche weitreichenden MaBnah-men, zumal eine Markenrechtsverletzungdurch Vertriebspartner auch aus unsererSicht nicht gegeben ist."

Dennoch lasst Google derartige Anzei-gen derzeit nicht zu und begunstigt da-mit das Spiegel-Verlagshaus, das natur-lich ein Interesse daran hat, sich durcheigene Werbeanzeigen bei Google Ad-Words einen vertrieblichen Vorteil zu ver-schaffen. Dadurch wird indirekten Ver-triebspartnern ein Absatzweg parziellabgeschnitten. Mit diesem Vorgehenmissbraucht Google seine marktbeherr-schende Stellung, indem es die Wett-bewerbsmaglichkeiten anderer Unter-nehmen unzulassig behindert. DiesesBeispiel zeigt auch, dass das maBgebli-che Kartellrecht Google dazu zwingenkann, seine besondere Marktstellungnicht zu Lasten Dritter auszunutzen.

Aber auch im Umgang mit der Speiche-rung von Daten greift Google bereits jetztin die Privatsphare des einzelnen Nutlersein. Ob hierbei wirklich ein Fall von Da-tenmissbrauch nachgewiesen werden

Die Bezeichnung Google basiert aufeinem Wortspiel (man-che Quellen sprechen auch von einem Rechtschreibfehler)bei der amerikanischen Aussprache des Wortes googol. Mil-ton Sirotta (Neffe des U&amerikanischen MathematikersEdward Kasner) hatte den Ausdruck im Jahr 1938 erfun-den, um der Zahl mit einer Eins und hundert Nullen (10100)einen Namen zu geben. Die Google-Grunder wiederum such-ten eine treffende Bezeichnung fUr die Fulle an Informatio-nen, die ihre Suchmaschine im Web finden soltte.

Google ist als Suchmaschine so popular geworden, dassder Rechtschreib-Duden das Verb googeln 2004 in die 23.Auflage aufgenommen hat. Dabei steht das Wort nicht nurfur die Suche mit Google, sondern allgemein als Synonymfur Websuche mit beliebigen anderen Suchmaschinen. SeitAugust 2006 will Google rechtlich klarstellen, dass die Ver·wendung der Verben .to google" oder deutsch .googeln"nur noch in Verbindung mit der Suchmaschine korrekt ist.Die aktuelle 24. Auflage des Dudens erlautert das Verbgoogeln nun explizit als .mit Google im Internet suchen".

kann, ist nicht entscheidend. Denn dasfur deutsche Nutzer anwendbare Bun-desdatenschutzgesetz (BDSG) verbietetbereits ohne die ausdruckliche Einwilli-gung des betroffenen Nutzers die Spei-cherung so genannter "personenbezo-gener Daten der besonderen Art", umgerade jedem Datenmissbrauch vorzu-beugen. Solche Daten sind h6chstper-s6nliche personenbezogene Daten wieAngaben uber die rassische und ethni-sche Herkunft, politische Meinungen,religi6se oder philosophische Oberzeu-gungen, Gewerkschaftszugeh6rigkeit,Gesundheit oder sexualleben.

Dass Google sich am Rande der Le-galitat bewegt, verdeutlicht folgendesBeispiel: Bekannterma8en speichertGoogle mit jeder Anfrage eines NutzersUbereinen Zeitraum yon 18 Monaten hin-weg sowohl den eingegebenen Suchbe-griff als auch die dazu geh6rige IP-Adres-se. Die IP-Adresse ist nichts anderes wieeine Telefonnummer fUreinen Telefonan-schluss. Denn sie erm6glicht den Ruck-schluss darauf, yon welchem Interne-tanschluss die Suchanfrage eingegebenwurde. Suchanfragen k6nnen fur inter-essierte Dritte, insbesondere 6ffentlicheStellen, einen bedeutsamen Inhalt dar-stellen, wenn es beispielsweise um dieTerrorbekampfung oder die Aufklarungsonstiger Verbrechen geht. Die Speiche-

rung von Suchanfrage (Suchinhalt) unddazu geh6riger IP-Adresse ist ungefahrvergleichbar mit dem Fall, dass ein Tele-fonanbieter nicht nur die Verkehrsdateneiner Verbindung (Anfang und Ende derVerbindung, Gesprachsdauer) aufzeich-net, sondern auch Inhafte des Gesprachsmitschneidet. Google selbst rechtfertigtsich damit, dass dieses VorgehenschlieS-lich den Nutzen des Service erh6henkann, da dem Nutzer aufgrund eines yonGoogle erstelften Benutzerprofils jeweilspassende Sucheintrage geliefert werdenk6nnen. Weil diese Informationenjedochauch Begehrlichkeiten Dritter weckenk6nnen, sieht das Bundesdatenschutz-gesetz nicht umsonst vor, dass dieErhebung,Verarbeitung oder Nutzung die-ser h6chstpers6nlichen Daten nur beiVorliegender ausdnJcklichen Einwilligungdes Nutzers erfolgen darf. Damit ver-st68t Google gegen den deutschenDatenschutz, da auch Suchanfragenh6chstpersOnlicher Art ohne die vorheri-ge Einholung der ausdrucklichen Einwil-ligung des Nutzers gespeichert werden.Nun konnte Google einwenden, dass derNutzer mit der Eingabevon Suchanfragen

Rechtsanwalt Frank.JoachIm Mayer von derauf !TK· und Vertriebs-recht spezialisiertenKanzlei Lehner Dane-kamp Mayer & Tank istein engagierterKampfer unter anderemfur Missbrauchsver-fahren gegen dieTelekom vor derBundesnetzagentur.

noch keine Angaben zu seiner rassischenund ethnischen Herkunft, seinen politi-schen Meinungen, religi6sen oder philo-sophischen Oberzeugungen, Gewerk-schaftszugeh6rigkeiten, zu Gesundheitoder sexualleben macht. Dies istjedochzu kurz gedacht, da die Obergangef1ie8end sind. Denn aus den Suchanfra-gen, insbesondere wenn diese uber einenlangeren Zeitraum erfolgen, lassen sichRuckschlusse auf Vorlieben, Einstellun-gen oder Oberzeugungendes Nutzersge-winnen. Und so ist derzeit auch nichtauszuschlie8en, dass bereits jetzt aus-

landische staatliche Stellen unter Beru-fung auf andere nationale Rechtsord-nungen mit Google kooperieren. So istbekannt, dass Google mit der chinesi-schen Regierung im Zusamrnenhang mitder Durchsetzung zensierender MaBnah-men zusammenarbeitet. Vorstellbar istauch, dass amerikanische Sicherheits-behorden mit Google kooperieren undhierbei auf derartige personenbezogeneDaten zugreifen und diese verwerten.Google steht zwar auf dem Standpunkt,dass das deutsche Datenschutzrecht aufGoogle als amerikanisches Unternehmennicht anwendbar ist.

Das Gegenteil ist jedoch der Fall, daGoogle in Deutschland eine Niederlas-sung in der Rechtsform einer GmbH un-terhalt und seine Dienstleistungen auchvon Deutschland aus unter einer deut-schen Webseite betreibt. Die gegenteili-ge Auffassung von Google sollte auch ge-rade Anlass zu Misstrauen in Bezug aufGoogles Umgang mit den erhobenenh6chstpersOnlichen Daten geben. DassGoogle bereits jetzt Rasterprofile erstel-len kann, die auch fUr Strafverfolgungs-behorden beziehungsweise staatlicheOberwachungsbeh6rden von Interessesein k6nnen, verliert auch nicht dadurchan Brisanz, indem Google selbst dieGefahren herunterspielt und auf die ei-genen strengen Datenschutz-Richtlinienverweist. MaBgeblich sind nicht selbst-gesetzte Richtlinien, sondern die furjedermann geltenden nationalen Rechts-ordnungen. Google bewegt sich somitnicht in einem rechtsfreien Raum. In vie-lerlei Hinsicht wird Google daher in Zu-kunft gefordert sein, sich selbst in sei-nem Aufstieg zu bremsen und hierbei diejeweils maBgeblichen Rechtsordnungenzu beachten. Denn das bereits vorhan-dene Missbrauchspotenzial reicht aus,um Google zu misstrauen. Demnach sindsowohl Unternehmen als auch einzelnegefragt, wenn es darum geht, Rechtegegenuber Google durchzusetzen undGoogle dadurch SChrankenzu setzen.•> Kennziffer: ECM1.53.13