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53 Mit den CHAMP- (Challenging Mini-Satellite Payload) und GRACE- (Gravity Recovery and Climate Experi- ment) Satellitenmissionen sind enorme Verbesserungen bei der Bestimmung des Erdschwerefeldes, aber auch bei der Sondierung der Atmosphäre sowie der Kartierung des Magnetfeldes erreicht worden. Durch ihre einzigartigen instrumentellen Ausstattungen konnte das Schwerefeld im Vergleich zu dem vor Beginn der CHAMP-Mission besten, rein aus Satellitendaten bestimmten Modell, um einen Faktor 10 bzw. im Falle GRACE bisher um das Hun- dertfache verbessert werden. Mit GRACE ist es zudem erstmals möglich geworden, die Variabilität des Schwere- feldes auf kurzen Zeitskalen zu beobachten. Diese Ände- rungen sind bedingt durch den saisonalen und langzeit- lichen Massenaustausch zwischen den Ozeanen, der Atmosphäre und der festen Erde. Aus diesen zeitlichen Variationen kann man somit wertvolle Erkenntnisse über dynamische Vorgänge im Erdinneren, über die Umlage- rung der Wassermassen in den Ozeanen oder die Verän- derung der Eisbedeckung an den Polen oder in Grönland gewinnen. Somit lässt sich mit der GRACE-Mission erst- mals im Detail beobachten, welche Mengen an Wasser, Eis und Materie im System Erde in Bewegung sind. Auf den folgenden Seiten werden der Stand der beiden Missionen sowie einige herausragende Ergebnisse darge- stellt. Weitere Einzelheiten zu CHAMP und GRACE fin- den sich in den Zweijahresberichten 2000/01 bzw. 2002/03 des GFZ Potsdam. Die CHAMP-Mission Der CHAMP-Satellit ist seit seinem Start am 15. Juli 2000 nunmehr über 5 Jahre auf einer fast polaren Umlaufbahn im All und hat damit seine nominelle Lebensdauer bereits überschritten. Dies wurde durch ein zweimaliges Anhe- ben des Orbits um je etwa 15 km im Jahr 2002 möglich (Abb. 2). Nach den momentanen Vorhersagen für die wei- tere Solaraktivität wird CHAMP, sofern keine weiteren Bahnkorrekturmanöver vorgenommen werden, etwa im Frühjahr 2008 in der Erdatmosphäre verglühen. Die Instrumente zur Schwerefeldbestimmung (GPS- BlackJack-Empfänger in Verbindung mit einer zenit- orientierten Antenne, STAR-Akzelerometer, ASC Sternen- sensoren am Satellitenkörper und am Ausleger, Laser Ret- roreflektor), zur globalen Sondierung der vertikalen CHAMP und GRACE – erfolgreiche Schwerefeld- und Klimamissionen Frank Flechtner, Roland Schmidt, Markus Rothacher, Jens Wickert, Hermann Lühr With the CHAMP (Challenging Mini-satellite Payload) and GRACE (Gravity Recovery and Climate Experiment) satel- lite missions tremendous improvements in gravity field determination, but also in the field of atmospheric sounding and magnetic field mapping, have been achieved. By their outstanding instrumentation the Earth's gravity field model could be improved by a factor of 10 and, in the case of GRACE, by almost a factor of 100 compared to the best pre- CHAMP satellite-only model. GRACE allows for the first time to monitor the time variability of the gravity field on short time scales. These changes are due to seasonal and secular mass exchange between the oceans, the atmosphere and the solid Earth. The variations provide valuable knowledge about the dynamic processes in the Earth interior, the mass redistribution in the oceans or the change in ice coverage at the poles and in Greenland. Therefore, with GRACE, a detailed monitoring of how much water, ice and material is being moved within the Earth's system has become pos- sible for the first time. On the following pages the status of the two missions and some outstanding results will be presented. Additional infor- mation on CHAMP and GRACE can be found in the GFZ reports 2000/01 and 2002/03. Abb. 1: Die Geo-Satelliten CHAMP (links) und GRACE (rechts, Abb. Astrium) Geo-Satellites CHAMP (left) and GRACE (right) Zweijahresbericht 2004/2005 GeoForschungsZentrum Potsdam

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Mit den CHAMP- (Challenging Mini-Satellite Payload)und GRACE- (Gravity Recovery and Climate Experi-ment) Satellitenmissionen sind enorme Verbesserungenbei der Bestimmung des Erdschwerefeldes, aber auch beider Sondierung der Atmosphäre sowie der Kartierung desMagnetfeldes erreicht worden. Durch ihre einzigartigeninstrumentellen Ausstattungen konnte das Schwerefeld imVergleich zu dem vor Beginn der CHAMP-Missionbesten, rein aus Satellitendaten bestimmten Modell, umeinen Faktor 10 bzw. im Falle GRACE bisher um das Hun-dertfache verbessert werden. Mit GRACE ist es zudemerstmals möglich geworden, die Variabilität des Schwere-feldes auf kurzen Zeitskalen zu beobachten. Diese Ände-rungen sind bedingt durch den saisonalen und langzeit-lichen Massenaustausch zwischen den Ozeanen, derAtmosphäre und der festen Erde. Aus diesen zeitlichenVariationen kann man somit wertvolle Erkenntnisse überdynamische Vorgänge im Erdinneren, über die Umlage-rung der Wassermassen in den Ozeanen oder die Verän-derung der Eisbedeckung an den Polen oder in Grönlandgewinnen. Somit lässt sich mit der GRACE-Mission erst-mals im Detail beobachten, welche Mengen an Wasser,Eis und Materie im System Erde in Bewegung sind.

Auf den folgenden Seiten werden der Stand der beidenMissionen sowie einige herausragende Ergebnisse darge-stellt. Weitere Einzelheiten zu CHAMP und GRACE fin-den sich in den Zweijahresberichten 2000/01 bzw. 2002/03des GFZ Potsdam.

Die CHAMP-Mission

Der CHAMP-Satellit ist seit seinem Start am 15. Juli 2000nunmehr über 5 Jahre auf einer fast polaren Umlaufbahnim All und hat damit seine nominelle Lebensdauer bereitsüberschritten. Dies wurde durch ein zweimaliges Anhe-ben des Orbits um je etwa 15 km im Jahr 2002 möglich(Abb. 2). Nach den momentanen Vorhersagen für die wei-tere Solaraktivität wird CHAMP, sofern keine weiterenBahnkorrekturmanöver vorgenommen werden, etwa imFrühjahr 2008 in der Erdatmosphäre verglühen.

Die Instrumente zur Schwerefeldbestimmung (GPS-BlackJack-Empfänger in Verbindung mit einer zenit-orientierten Antenne, STAR-Akzelerometer, ASC Sternen-sensoren am Satellitenkörper und am Ausleger, Laser Ret-roreflektor), zur globalen Sondierung der vertikalen

CHAMP und GRACE – erfolgreiche Schwerefeld-und KlimamissionenFrank Flechtner, Roland Schmidt, Markus Rothacher, Jens Wickert, Hermann Lühr

With the CHAMP (Challenging Mini-satellite Payload) and GRACE (Gravity Recovery and Climate Experiment) satel-lite missions tremendous improvements in gravity field determination, but also in the field of atmospheric soundingand magnetic field mapping, have been achieved. By their outstanding instrumentation the Earth's gravity field modelcould be improved by a factor of 10 and, in the case of GRACE, by almost a factor of 100 compared to the best pre-CHAMP satellite-only model. GRACE allows for the first time to monitor the time variability of the gravity field onshort time scales. These changes are due to seasonal and secular mass exchange between the oceans, the atmosphereand the solid Earth. The variations provide valuable knowledge about the dynamic processes in the Earth interior, themass redistribution in the oceans or the change in ice coverage at the poles and in Greenland. Therefore, with GRACE,a detailed monitoring of how much water, ice and material is being moved within the Earth's system has become pos-sible for the first time.On the following pages the status of the two missions and some outstanding results will be presented. Additional infor-mation on CHAMP and GRACE can be found in the GFZ reports 2000/01 and 2002/03.

Abb. 1: Die Geo-Satelliten CHAMP (links) und GRACE (rechts, Abb. Astrium)Geo-Satellites CHAMP (left) and GRACE (right)

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Schichtung der Atmosphäre (GPS-BlackJack-Empfängerin Verbindung mit einer rückwärtsschauenden Antenne),zur Bestimmung von Ionendriftgeschwindigkeit, Elektro-nendichte und Temperatur entlang der CHAMP-Bahn(Langmuir-Sonde und Digitales Ionen-Driftmeter DIDM)sowie zur Berechnung hochaufgelöster Magnetfeldmo-delle (Fluxgate und Overhauser Magnetometer) arbeitennach wie vor ohne Probleme und liefern kontinuierlichhochpräzise Messdaten.

Die Messdaten werden vom Bodensegment (siehe weiterunten) empfangen und am GFZ Potsdam zu höherwerti-gen Produkten verarbeitet. Zur Nutzung der Zustands-größen in den Troposphären- und Stratosphärenschichtenwie Temperatur oder Wasserdampfgehaltim Rahmen der Assimilation in Wetter-vorhersagemodellen müssen diese Pro-dukte innerhalb von maximal 3 Stundenbereitgestellt werden. Aus diesem Grun-de wurde vom GeoForschungsZentrum inZusammenarbeit mit dem DLR eine wei-tere Empfangstation in Ny Ålesund aufSpitzbergen aufgebaut und in Betriebgenommen. Somit liegen die GPS-Mess-daten zur Atmosphärensondierung späte-stens nach einem Umlauf von CHAMPum die Erde, d.h. jeweils nach etwa 100 Minuten vor und können in der ver-bleibenden Zeit weiter aufbereitet wer-den. Einige Beispiele hierzu sowie zurMagnetfeldbestimmung mit CHAMP-Beobachtungen finden sich weiter untensowie im Beitrag des Department 1 imvorliegenden Berichtsband. Die sehrguten Ergebnisse im Rahmen der Schwe-refeldbestimmung werden natürlich inder Zwischenzeit durch die Nachfolg-emission GRACE in den Schatten

gestellt. Dessen ungeachtet liefertCHAMP einen wichtigen Anteil bei der Betstimmung des hochauflösendenSchwerefeldes und kann auch dazu die-nen, GRACE-Schwerefelder in Zeitenvon Satellitenbahnwiederholungszyklenzu stützen.

Die GRACE-Mission

GRACE ist eine amerikanisch-deutscheSatellitenmission zur Beobachtung desSchwerefeldes und seiner zeitlichenÄnderungen sowie zur Sondierung derAtmosphäre mit GPS-Radiookkulta-tionsmessungen über einen Zeitraum vonmindestens 5 Jahren. Dabei umkreisenzwei baugleiche Satelliten die Erde aufnahezu polaren Bahnen in niedriger Höheund messen ihren gegenseitigen Abstandund dessen Änderung mit extrem hoherGenauigkeit. Die daraus abgeleitetenSchwerefeldvariationen sind ein Maß für

alle Massenänderungen im System Erde. Somit könnenVeränderungen in den Oberflächen- und Tiefenströmun-gen der Ozeane, Änderungen in der kontinentalen Was-serspeicherung, der Eismassenhaushalt oder großräumi-ge Deformationen und Massenbewegungen an der Erd-oberfläche und im Erdinneren erstmals auf globaler Skalaüber längere Zeiträume beobachtet werden. Damit liefertdie GRACE-Mission wichtige Ergebnisse zur Erdsys-temforschung.

Die von den beteiligten Wissenschaftlern so getauftenZwillingssatelliten „Tom“ und „Jerry“ wurden am 17. März2002 vom nord-russischen Weltraumbahnhof Plesetsk miteiner Rakete vom Typ „ROCKOT“ gestartet. Seither haben

Abb. 2: Aktueller (grün) und vorherberechneter (rot, blau) Verlauf der Bahn-höhe von CHAMP.Experienced (green) and predicted (red, blue) orbit decay of CHAMP.

Abb. 3: Abstand der beiden GRACE-Satelliten [m] während des Austausch-manövers Mitte Dezember 2005 (http://www.csr.utexas.edu/grace/ope-rations).Distance between the two GRACE satellites [m] during the switch manoe-uvre mid December 2005 (http://www.csr.utexas.edu/grace/operations).

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sie bereits mehr als 21000-mal die Erde umkreist. DieAnfangsflughöhe von 500 km ist durch nur geringe Son-nenaktivität bis Ende 2005 auf 473 km abgesunken,wodurch sich auch die Sensitivität zur Schwerefeldbe-stimmung leicht erhöht hat. Um einer Alterung der Anten-ne des K-Band-Mikrowellenentfernungsmessgerätes durchRestmoleküle in der oberen Atmosphäre zu minimieren,wurden im Dezember 2005 die beiden Satelliten wiegeplant nach etwa der Hälfte der Missionsdauer ausge-tauscht. Dieses gewagte Manöver (Abb. 3) verlief ohneZwischenfälle, wobei der kleinste Abstand der Satellitenam 10. Dezember 2005 lediglich 400 m betrug. Seitdemfliegt „Jerry“ vorneweg und durch seine Drehung um 180Grad in Richtung „Tom“ befindet sich nun seine K-BandAntenne im „Windschatten“.

Die wissenschaftlichen Instrumente an Bord der Satelli-ten arbeiten ohne Probleme und liefern bislang bis aufwenige Ausnahmen kontinuierlich Messdaten.

Das zentrale Beobachtungsgerät zur Positionierung derSatelliten und zur Durchführung der Radiookkultations-messungen ist der sich auch bei CHAMP im Einsatz befin-dende GPS-BlackJack-Empfänger. Während die Posi-tionsmessungen seit Beginn der Mission als unbedingtnotwendige Beobachtungen zur Schwerefeldbestimmungdurchgeführt werden, wurden die Radiookkultationsmes-sungen bisher nur experimentell für einige Tage, aber sehrerfolgreich, aktiviert.

Das Instrument, das die extrem genaue Schwerefeldbe-stimmung von GRACE erst ermöglicht, ist das vonNASA/JPL bereitgestellte Zweifrequenz-K-band-Entfer-nungsmesssystem (HAIRS). Mit diesem Gerät kann manden Abstand und die Abstandsänderungen der beidenSatelliten genauer als 10 m bzw. 1 m/s beobachten. Diesebeiden Messgrößen stellen ein Maß für Massenvariatio-nen und damit Schwereänderungen unterhalb der Flug-bahn der beiden Satelliten dar.

Das SuperSTAR-Akzelerometer, eine Weiterentwicklungdes bei CHAMP bereits erfolgreich eingesetzten elektro-statischen, dreiachsigen STAR-Akzelerometers, misstdie kontinuierlich auf den Satelliten wirkende, nicht-gra-vitative Störbeschleunigung von bis zu 10-4 m/s2 mit einerAuflösung von 10-10 m/s2. Damit ist es um eine Größen-ordnung genauer als das STAR-Gerät. Es arbeitet in allendrei Achsen im Rahmen der Spezifikationen und liefertdamit wichtige Messdaten zur Trennung der nicht-gravi-tativen Beschleunigungen von den Gravitationsbeschleu-nigungen.

Beide Satelliten tragen außerdem jeweils zwei Sternen-sensoren. Diese dienen dazu, die Lage der Satelliten ineinem Quasi-Inertialsystem zu bestimmen und über dasbordseitige Lageregelungssystem die Satelliten in einerdefinierten Ausrichtung zueinander und zur Erde zu hal-ten. Diese Information wird einerseits dazu benötigt, umdie K-Band-Beobachtungen optimal, d. h. ohne Leis-tungsverlust, zu ermöglichen, andererseits müssen dieBeobachtungen der Beschleunigungsmesser aus dem

Instrumenten- in das Bahnkoordinatensystem transfor-miert werden.

Schließlich befindet sich auf beiden Satelliten jeweils einvom GFZ Potsdam entwickelter und gebauter, sehr kom-pakter und aus vier Prismen bestehender Laser-Retro-Reflektor (LRR). Dieser ist, wie sein baugleicherCHAMP-LRR, sowohl für Nacht- als auch für Tages-lichtbedingungen geeignet. Das Bodenstationsnetz desInternationalen Laserdienstes (ILRS) liefert zu beidenSatelliten etwa 3 bis 4 Passagen täglich. Da die Einzel-schussgenauigkeit einiger Stationen nur wenige mmbeträgt, stellen die SLR-Beobachtungen eine sehr guteunabhängige Messgröße dar, die regelmäßig zu Valida-tions- und Kalibrationszwecken im Rahmen der GRACE-Bahnbestimmung herangezogen werden.

Das CHAMP- und GRACE-Bodensegement

Die CHAMP- und GRACE-Bodensegmente bestehenprinzipiell aus folgenden Komponenten:

• dem vom Deutschen Raumfahrt-Kontrollzentrum desDLR in Oberpfaffenhofen betriebenen Mission Ope-ration System (MOS), das für die laufende Überwa-chung der Satellitenfunktionen, den Betrieb derSende- und Empfangsanlagen in Weilheim und Neu-strelitz, für die Übermittlung von Kommandos, Kon-troll- und Instrumentendaten und den Betrieb des Roh-datenzentrums zuständig ist,

• einer vom GFZ betriebenen zusätzlichen polaren Emp-fangsstation in Ny Ålesund auf Spitzbergen, bestehendaus zwei unabhängigen Antennen und Empfängern, dieden gleichzeitigen Empfang der beiden GRACE- oderder CHAMP-GRACE-Messdaten bei fast jedem Umlaufder Satelliten und damit die Auswertung der Okkulta-tionsdaten in quasi Echtzeit sowie die kontinuierlicheÜberwachung der Satelliten ermöglichen (Abb. 4),

• einem von GFZ, JPL und dem Internationalen GNSSService (IGS) bereitgestellten globalen Netz von GPS-Stationen mit schneller Verfügbarkeit hochratiger Datenfür die schnelle Bahnbestimmung der GPS-Sendersa-telliten und für die Auswertung der Radiookkultationen,

• einem vom Internationalen Laser Ranging Service(ILRS) koordinierten Netz von Laserstationen zurGewinnung von Präzisionsentfernungsmessungenzum Laserreflektor für die Bahnbestimmung bzw. zurunabhängigen Bahnkontrolle,

• einem vom GFZ Potsdam allein (CHAMP) und ineinem Gemeinschaftsprojekt (GRACE) zwischen demJet Propulsion Laboratory (JPL), dem Zentrum fürWeltraumforschung der Universität Texas (UTCSR)und dem GFZ entwickelten und betriebenen Wissen-schaftsdatensystem zur Prozessierung der am Daten-zentrum bereitgestellten Rohdaten zu höherwertigenInstrumentendaten, Schwerefeld- und Okkultations-produkten bzw. Magnetfeldinformationen. Diese Pro-dukte stehen dann über das Information System andData Center (ISDC) sowie zusätzlich bei GRACE amPhysical Oceanography Distributed Active ArchiveCenter (PO.DAAC) den Nutzern zur Verfügung.

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56Das Schwerefeld der Erde und dessen zeitlicheVariation

Aus den Entfernungsbeobachtungen der CHAMP- undGRACE-Missionen zu hochfliegenden GPS-Satellitenund insbesondere durch die Abstandsvariationen zwi-schen den beiden GRACE-Zwillingssatelliten wird dasSchwerefeld der Erde mit nie da gewesener Genauigkeitund erstmals auch dessen zeitliche Variation bestimmt.Damit hat ein neues Zeitalter der Schwerefeldbestimmungbegonnen, da man jetzt geophysikalische und klimatolo-gisch angetriebene Massenverlagerungen in der Hydro-sphäre, der Kryosphäre, den Ozeanen und der festen Erdebilanzieren kann. Dadurch trägt die Schwerefeldkompo-nente der beiden Missionen, neben der Sondierung derAtmosphäre und der Bestimmung des Erdmagnetfeldes,wesentlich zur globalen Klimaforschung bei.

Globale Schwerefeldmodelle

Die Standards und Korrekturmodelle für die CHAMP-und GRACE-Schwerefeldprozessierung wurden inner-

halb der wissenschaftlichen Prozessierungssystemeimmer wieder verbessert und erweitert. Zu erwähnensind die

• Nutzung eines verbesserten Modells zur Berück-sichtigung von Kurzzeitmassenvariationen in derAtmosphäre und in den Ozeanen. Hier wird nun stattdes vereinfachenden barotropen Modells, das zusätz-lich Lücken an den Polen aufweist, ein globales baro-klines Modell, das durch die TU Dresden bereitgestelltwird, verwendet;

• verbesserte Bestimmung der Mehrdeutigkeiten derGPS-Beobachtungen. Dies führt insbesondere zugenaueren GPS-Bahnen und -Uhrenparametern, diedamit einen verbesserten Referenzrahmen für die Aus-wertung der CHAMP- und GRACE-Satelliten dar-stellen;

• Auswertung der Instrumentendaten in kürzeren Zeit-intervallen (Tageslösungen);

• Verwendung des am GFZ Potsdam berechnetenEIGEN-CG03C-Kombinationsschwerefeldes als ver-bessertes Näherungsmodell.

Auf dieser Basis wurde fast die komplette GRACE-Mis-sion neu ausgewertet. Die daraus abgeleitete Schwere-feldserie EIGEN-GRACE04S in Form von monatlichenModellen sowie einem daraus gemittelten statischenModell (entwickelt bis Grad und Ordnung 120) zeigt dabeiim kurz- und mittelwelligen Bereich eine etwa 25 – 30 %bessere Anpassung an externe Vergleichsdaten (Schwere-anomalien oder das aus Altimeterdaten bestimmte ozea-nische Geoid) als die vorherige in 2004 gerechnete SerieEIGEN-GRACE03S. Unrealistische Signale auf den Oze-anen (Abb. 5a, b) sind in der neuen Lösung deutlich redu-ziert oder nicht mehr vorhanden. Weiterhin kann man nunalle niederen Grade der Schwerefeldlösungen benutzen,da diese Terme im Gegensatz zu bisherigen Lösungen nunsehr realistische Werte annehmen. Dies wird insbesonde-re bei dem die Erdabplattung beschreibenden C20-Koeffi-zienten sichtbar (Abb. 6), der unabhängig aus Laser-Ent-fernungsmessungen zum hochfliegenden Lageos-Satelli-ten abgeleitet wurde.

Abb. 4: Aufbau der zweiten Antenne der GFZ/DLR-Mul-tisatelliten-Empfangsstation in Ny Ålesund im Herbst2005 (Foto C. Falck, GFZ).Set-up of the second antennae of the GFZ/DLR multi-satel-lite receiving station in Ny Ålesund in autumn 2005.

Abb. 5a, b: Geoidänderung in [mm] zwischen Mai und August 2003, berechnet aus EIGEN-GRACE03S (links) undEIGEN-GRACE04S (rechts) und dargestellt als räumliche Mittelwerte (Gauss-Filter mit einer Länge des Filterradiusvon 500 km). Eingekreist sind bisher unrealistische Signale über den Ozeanen.Geoid variations [mm] between May and August 2003 calculated from EIGEN-GRACE03C (left) and EIGEN-GRACE04S (right), shown as spatial mean values calculated with a Gaussian filter with a filter radius length of 500km. So far unrealistic signals over the oceans are encircled.

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Analog wurden die CHAMP-Schwerefelder mit denGRACE-Auswertestandards bis zu Grad und Ordnung 60monatsweise über einen Zeitraum von fünf Jahren neuberechnet und anschließend jeweils drei Monate als glei-tendes Mittel kombiniert. Die Güte dieser neuen Zeitrei-he EIGEN-CHAMP04S zeigt sich in der hohen Korrela-tion vieler Kugelfunktionskoeffizienten mit denen derGRACE-Lösung. Obwohl mit CHAMP insgesamt nureine geringere räumliche und zeitliche Auflösung des zeit-variablen Schwerefeldes als mit GRACE erreicht werdenkann, dienen die CHAMP-Ergebnisse vor allem zur Ver-längerung der Zeitreihen der GRACE-Mission. Ähnlichesgilt für die Prozessierung des Lageos-Satelliten, dessenüber 20 Jahre ausgedehnte Zeitreihe insbesondere Schwe-refeldkoeffizienten beschreibt, die in einem direkten Zu-sammenhang mit der Lage des Massenzentrums und denHauptträgheitsachsen der Erde stehen. Ziel der weiteren

Arbeiten wird es daher auch sein, dieKombination der verschiedenen Satelli-tenmissionen zu untersuchen, um mögli-che Synergieeffekte für die Erstellungmöglichst langer konsistenter Zeitreihenals Grundlage für die geowissenschaft-lichen Anwendungen zu schaffen.

Räumlich hochauflösendes statischesSchwerefeld

Aus den neuen Schwerefeldlösungen EI-GEN-CHAMP04S, EIGEN-GRACE04Sund Lageos-SLR-Beobachtungen (Satel-lite Laser Ranging) sowie reprozessiertenhochaufgelösten terrestrischen Schwere-feldinformationen wurde begonnen, einneues KombinationsschwerefeldmodellEIGEN-CGS04C zu berechnen. Die Ober-flächenschweredaten stammen dabei ausder Satellitenaltimetrie über den Welt-meeren, wo das GFZ Potsdam ein neuesozeanisches Geoid (Näheres dazu imBericht des Dep. 1 in diesem Band) be-

rechnet hat, und gravimetrisch bestimmten Schwereinfor-mationen über Land. Von der Kombination mit dem hoch-fliegenden Lageos-Satelliten wird insbesondere eine Sta-bilisierung der langwelligen Anteile des Schwerefeldeserwartet. Aus diesem hochauflösenden Schwerefeld kannman topographisch-geophysikalische Strukturen wieAnden, Himalaja, nordatlantischer Rücken (positiveAnomalien) oder Tiefseegräben am Rande des Nordwest-pazifiks oder an der Westküste Südamerikas (negativeAnomalien) bis hinab zu etwa 50 km (halbe Wellenlänge)gut erkennen (Abb. 8). Da das Schwerefeld an der Erdo-berfläche ein Summensignal der Dichteverteilung überden gesamten Erdkörper darstellt, sind für eine weitere,tiefer gehende Interpretation der geophysikalischer Struk-turen und Prozesse dreidimensionale seismologischeTomografie-Modelle (siehe Detailbericht des Dep. 1)notwendig.

Abb. 6: C20-Variation abgeleitet aus monatlichen EIGEN-GRACE04S-Schwerefeldern und 14-tägigen Werten aus LAGEOS Satellite Laser Ran-ging-Daten.C20 variations derived from monthly EIGEN-GRACE04S gravity fields andbi-weekly values derived from LAGEOS satellite laser ranging data.

Abb.7a,b:Korrelationsmatrix für EIGEN-CHAMP04S- und EIGEN-GRACE04S-Kugelfunktionskoeffizienten Cnm ,dar-gestellt bis Grad und Ordnung 10 (links) und beispielhaft der Koeffizient C44 (rechts).Correlation matrix for EIGEN-CHAMP04S and EIGEN-GRACE04S spherical harmonic coefficients Cnm, up to degreeand order 10 (left) and exemplified the coefficient C44 (right).

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Zeitvariabilität des Schwerefeldes

Da die Bodenspuren der GRACE-Satellitenbahnen sichprinzipiell nicht wiederholen und die Bahnen und der rela-tive Abstand der Satelliten kontinuierlich mittels K-Bandhochpräzise vermessen werden, ist es erstmals möglich,Schwerefelder höchster Genauigkeit über einen relativkurzen Zeitraum von einem Monat zu bestimmen unddamit die Variabilität des Schwerefeldes zu beobachten.Diese Änderungen sind bedingt durch den saisonalen oderlangzeitlichen Massenaustausch zwischen den Ozeanen,der Atmosphäre und der festen Erde. Aus diesen zeitlichenVariationen kann man somit wertvolle Erkenntnisse überdynamische Vorgänge im Erdinneren, über die Umlage-rung der Wassermassen in den Ozeanen oder die Verän-derung der Eisbedeckung an den Polen oder in Grönlandgewinnen.

Das Potential der neuen EIGEN-GRACE04S-Schwerefeldlösungen zurBeobachtung von Massenvariationen zeigtsich beispielsweise im Vergleich mit deraus dem WaterGap Hydrological Model(WGHM) abgeleiteten Variation des kon-tinentalen Wasserhaushalts. Da bei derProzessierung bekannte kurzzeitige Vari-ationen (bedingt durch Ozean- und Erd-gezeiten sowie Massenverlagerungen inder Atmosphäre und den Ozeanen) bereitskorrigiert wurden, sollte die Differenzzweier derart bestimmter monatlicherSchwerefelder mit der Differenz deshydrologischen Signals in guter Näherungübereinstimmen. Abbildung 9 a, b zeigtdie Differenzen zwischen zwei monat-lichen GRACE-Schwerefeldern und denentsprechenden Differenzen des WGHM-Modells. Man sieht das hohe Maß anräumlicher Übereinstimmung insbeson-dere in den Gebieten mit einem großenhydrologischen Signal (Amazonas, Kon-go, Ob, etc.). Wertet man die ganzen vor-handenen Schwerefeld- und WGHM-Zei-treihen aus, indem man Beckenmittelwer-

te für alle großen Wasserreservoirs berechnet, zeigt sich,dass für die meisten Wasserreservoirs im Jahreszyklus diePhasen gut übereinstimmen, GRACE dagegen fast immergrößere Amplituden wiedergibt (Abb. 10a, b). Dies könn-te in nicht ausreichend modellierten Anteilen (Grundwas-ser, Schneebedeckung, etc.) im WGHM liegen.

Ein weiteres Potential der GRACE-Mission ist, den Oze-anbodendruck zu bestimmen, der ein Maß für die Tief-seeströmungen ist. Erste Analysen mit EIGEN-GRACE03S(Kanzow et al., 2005) und EIGEN-GRACE04S haben hierschon eine hohe Korrelation, allerdings bisher nur auf groß-räumigen Skalen, festgestellt (Abb. 11). Da das Ozeanbo-dendrucksignal im Gegensatz zur kontinentalen Hydrolo-gie eine nur sehr kleine Amplitude hat, wird dessen Bestim-mung eine der Herausforderungen bei den künftigenSchwerefeldberechnungen und Auswertungen sein.

Abb. 8: Geographische Verteilung der Schwereanomalien (bezogen auf dieellipsoidische Normalschwere in Einheiten mgal = 10 –5 m/s2 ~10 –6 g) desKombinationsschwerefeldes EIGEN-CG03C (rechts) und des vorläufigenKombinationsmodells EIGEN-CG04C (links). Man erkennt im Schwerefeld-modell bereits die reduzierte Streifigkeit (fehlerhafte Abbildung der Satelli-tenbahnen) sowie die erhöhte Auflösung.Geographic distribution of gravity anomalies (referring to ellipsoidal meangravity in mgal = 10 –5 m/s2 ~10 –6 g) of the EIGEN-CG03C (right) and thepreliminary EIGEN-CG04C (left) combination gravity field. Both the redu-ced striping (deficient depiction of satellite orbits) and the increased reso-lution are visible in the gravity field model.

Abb. 9a, b: Differenzen zwischen den monatlichen (August 2003 minus Mai 2003) GRACE-Schwerefeldern (links) undden entsprechenden Differenzen des WGHM-Modells (rechts) in Form von Geoidhöhen in [mm]. Räumliche Mittelungwie in Abb. 5a, b.Differences between the monthly (August 2003 minus May 2003) GRACE gravity fields (left) and the correspondingdifferences of the WGHM model (right) in terms of geoid heights [mm]. Spatial mean as in Fig.5.

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Globale und präzise GPS-Atmosphärensondie-rung

Seit Februar 2001 werden an Bord des CHAMP-Satelli-ten GPS-Radiookkultationsmessungen aufgezeichnet.Mit dieser innovativen Fernerkundungsmethode könnenpräzise Informationen über die Vertikalstruktur der Erd-atmosphäre (Luftdruck, Temperatur und Wasserdampf) imglobalen Maßstab abgeleitet werden.

Bis Ende 2005 sind nahezu 400.000 Messungen durchge-führt worden. Dieser in seiner Länge und Qualität welt-weit einzigartiger Datensatz hat wesentlich zur Weiter-

entwicklung der noch relativ jungen GPS-Fernerkundungsmethode beigetragen.Weiterhin wurde durch eine Vielzahlinternationaler Forschungsgruppen mitden vom GFZ Potsdam bereitgestelltenDaten Studien zur Verbesserung globalerWettervorhersagen, zur Untersuchungklimatologischer Veränderungen der Erd-atmosphäre und zur Untersuchung unter-schiedlichster atmosphärischer Phäno-mene durchgeführt. Als Beispiel zeigtAbb. 12 die globale Verteilung von Tro-popausenparametern, deren Veränderungin direktem Zusammenhang mit klimati-schen Veränderungen (Erwärmung, Ab-kühlung) steht. Das GFZ Potsdam konn-te auch die Bereitstellung der CHAMP-Daten mit sehr kurzer Zeitverzögerung(zwei Stunden) zwischen Messung undVerfügbarkeit der atmosphärischen Para-meter demonstrieren, eine wesentlicheVoraussetzung für die Verbesserung derWettervorhersage.

Beide GRACE-Satelliten verfügen, ana-log zu CHAMP, über die Voraussetzun-gen zur Aufzeichnung von GPS-Radiook-

kultationsdaten. Erste Messungen wurden Mitte 2004 aufGRACE-B durchgeführt (Abb. 13) und wiesen eine mitCHAMP vergleichbare Qualität auf. Zusammen mitCHAMP wurden mehr als 300 Vertikalprofile täglichgemessen. Verbesserte Charakteristika der Satellitenuhran Bord von GRACE im Vergleich zu CHAMP führteweiterhin dazu, dass erstmals eine vereinfachende Metho-de (differenzenlose GPS-Prozessierung) zur Auswertungder GPS-Daten angewendet werden konnte. Durch denVerzicht auf zusätzliche Daten führt dieses Verfahren zueiner deutlichen Reduzierung der Anforderungen an Infra-struktur und Auswertung von GRACE und auch zukünf-tiger Satellitenmissionen mit GPS-Radiookkultation.

Abb. 10a, b: Zeitserie der Beckenmittelwerte für Amazonas (links) und Ganges (rechts) (in Einheiten äquivalenter Was-sersäule in mm).Time series of mean basin values for Amazon (left) and Ganges (right) (in units of equivalent water column in [mm]).

Abb. 11: Zeitserie des aus EIGEN-GRACE04S abgeleiteten Ozeanboden-drucks (in mbar), gemittelt für den Nordatlantik und geglättet mit einem1000 km- sowie 2500 km-Gauss-Filter, sowie das entsprechende Signal ausdem ECCO-Ozeanmodel.Time series of ocean bottom pressure derived from EIGEN-GRACE04S data[mbar], averaged for the North Atlantic and smoothed with a 1000 km anda 2500 km Gaussian filter, and the corresponding signal derived from theECCO ocean model.

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Auf CHAMP-Daten basierende hochaufgelösteMagnetfeldmodelle

Ein weiteres Missionsziel von CHAMP ist die hochauf-lösende Vermessung des geomagnetischen Feldes. Nacheiner kontinuierlichen Messphase von über fünf Jahrenkann diese Aufgabe mit zunehmender Präzision erfülltwerden. Maßgeblich hierfür ist eine konstruktive Überla-gerung von mehreren günstigen Umständen.

Zum einen haben wir eine kontinuierlich länger werden-de Datenreihe. Diese erlaubt es, die Feldverteilung immergenauer zu bestimmen. Es nimmt aber nicht nur die Daten-menge zu, sondern auch ihre Qualität. Dies ist zum ei-

nen bedingt durch die abnehmende Bahnhöhe. CHAMPnähert sich immer mehr dem Messobjekt Erde und regis-triert damit mehr Details. Zum anderen befinden wir unszurzeit in der abklingenden Phase des solaren Aktivitäts-zyklus’. Damit nehmen auch die Störungen der Magnet-feldmessungen durch Ströme in der Ionosphäre und Mag-netosphäre ab. Diese positive Entwicklung hat dazugeführt, dass CHAMP jetzt Magnetfeldmessungen mitbisher nicht erreichter Auflösung ausführt.

Basierend auf den ausgezeichneten Daten konnten einigebedeutende Ergebnisse erzielt werden. Vor allem seien hierdie hochauflösenden Modelle des Erdfeldes erwähnt. Spe-zielle Anstrengungen wurden in die kontinuierlicheWeiterentwickelung der Modellreihe „POtsdam Magne-tic Model of the Earth“ (POMME) investiert. Die aktuel-le Version des Modells, POMME 2, ist mit einem ver-gleichsweise großen Gewicht (50 %) in das von der IAGAherausgegebene „International Geomagnetic ReferenceField“ (IGRF-2005) eingeflossen (Maus et al., 2005).

Wesentliche Verbesserungen in der Beschreibung desmagnetischen Hauptfeldes waren möglich, nachdem einneuer Ansatz für die Charakterisierung der äußeren Mag-netfelder eingeführt wurde. Die wesentliche Änderunggegenüber früheren Ansätzen besteht darin, dass die para-sitären, äußeren Felder nicht mehr im erdfesten Systembetrachtet werden, sondern in einem Koordinatensystem,das der Geometrie der magnetosphärischen Ströme ange-passt ist. In diesem durch die Wechselwirkung von Son-nenwind und Erdmagnetfeld festgelegten Rahmen lassensich die Effekte der Ströme mit wenigen Koeffizienten vielgenauer beschreiben (Maus und Lühr, 2005).

Unter Berücksichtigung aller bekannten magnetischenStöreinflüsse, ionosphärischen Effekte, magnetosphäri-schen Ströme, Induktion im Erdinneren, magnetischenSignaturen der Ozeanströmung, wurde das Modell

Abb. 12: Mittlere globale Tropopausentemperatur (links) und -höhe (rechts), abgeleitet aus ca. 250.000 CHAMP-Okkul-tationsmessungen zwischen Mai 2001 und Dezember 2005. Zeitliche Veränderungen dieser Tropopausenparameter sindIndikatoren für Klimaänderungen. Eine globale Erwärmung hat u.a. eine im Mittel größere Tropopausenhöhe (Aus-dehnung der Troposphäre) zur Folge. Mean global tropopause temperatures (left) and height (right), derived from approximately 250,000 CHAMP occulta-tion measurements between May 2001 and December 2005. Temporal variations of these tropopause parameters areindicators for climate change. Global warming leads, among others, to an (on an average) increased tropopause height(expansion of tropopause).

Abb. 13: Geografische Verteilung der ersten GPS-Okkul-tationsmessungen von GRACE-B (120; rote Punkte) ergänztdurch die Orte der CHAMP-Messungen (218, schwarzeKreuze) zwischen dem 28. (06:00 UTC) und 29. Juli (07:00UTC) 2004. Geographic distribution of the first GPS occultation mea-surements performed by GRACE-B (120; red dots), sup-plemented by the locations of the CHAMP measurements(218; black crosses) between July 28 (06:00 UTC) and 29 (07:00 UTC) 2004.

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POMME 2.5 entwickelt. Dieses bietet eine Auflösung biszu Kugelfunktionsgraden 90, was einer räumlichen Auf-lösung von etwa 220 km (halbe Wellenlänge) entspricht(Maus et al., 2006). Bei der augenblicklichen Flughöhevon CHAMP (~350 km) ist eine Steigerung kaum mög-lich. Eine Kartierung der magnetischen Signaturen basie-rend auf POMME 2.5 zeigt eine Reihe von deutlichenStrukturen, die sich geologisch/tektonisch interpretierenlassen. Im rechten Teil der Abb. 14 erkennt man ganz deut-lich, wie magnetische Signaturen die bedeutenden geolo-gischen Provinzen markieren. Auch der Ozean-Kontinent-Kontrast wird hier deutlich (wenige Strukturen in den tie-fen Ozeanbecken). Im rechten Teil sind es mehr die tek-tonisch aktiven Gebiete in der Umgebung von Indonesien,die von magnetischen Signaturen markiert werden.Besonders deutlich ist das Feldstärkedefizit entlang desJava-Grabens.

Die Darstellung weiterer Forschungsergebnisse, die aufCHAMP-Magnetfeldmessungen beruhen und sich imWesentlichen auf die äußeren Felder und das magnetischeWetter beziehen, sind im Beitrag des Dep. 2 in diesemBericht zu finden. Basierend auf den bisherigen Erfah-rungen mit CHAMP und der erwarteten Entwicklung der

solaren Aktivität können wir davon ausgehen, dass dieinteressantesten Messungen für das Magnetfeld noch voruns liegen.

Ausblick

Die bisher berechneten GRACE-Schwerefelder habenbereits eine bemerkenswert hohe Qualität und werden vonder geowissenschaftlichen Nutzergemeinschaft bereitsintensiv verwendet. Dies zeigt sich insbesondere auch ander großen Anzahl von Publikationen und Fachvorträgenauf internationalen Konferenzen. Trotzdem gibt es nochweiteres Verbesserungspotential, um insbesondere die vordem Start vorhergesagte Genauigkeit zu erreichen. Daherwerden weitere Untersuchungen folgen, die teilweiseinnerhalb der zweiten Phase des vom BMBF gefördertenGeotechnologien-Programms „Erfassung des SystemsErde aus dem Weltraum“ bearbeitet werden. Diese wer-den sich mit der optimalen Parametrisierung der Instru-mentendaten, der Verbesserung der Modellierung kurz-periodischer Massenvariationen in Atmosphäre und Oze-anen oder der Berücksichtigung bisher nicht-modellierterEffekte wie der post-glazialen Hebung oder täglicherhydrologischer Signale beschäftigen.

Abb. 14: Zwei Ausschnitte aus der Karte der Krustenmagnetisierung von CHAMP. Bei der erzielten Auflösung werdenüber die magnetischen Signaturen großräumige geologische Strukturen sichtbar. Im amerikanischen Sektor ist z. B. dasEisenerzlager von Kentucky (KT) besonders herausragend. Auch der Unterschied zwischen dem magnetisierten Konti-nentalschild und dem strukturlosen Ozeanboden wird deutlich. In der rechten Bildhälfte ist zu erkennen, wie magneti-sche Anomalien tektonische Grenzen nachzeichnen. Dies wird besonders deutlich entlang des Java-Grabens. NegativeAbweichungen, Feldabschwächungen, (blaue Flächen) deuten auf erhöhte Temperaturen im Untergrund, rote dagegenauf eine dicke kühle Kruste (Quelle: Maus et al., 2006, Geophys. J. Int.).Two detail maps of the crustal magnetisation, as derived from CHAMP. At this resolution the magnetic signatures canbe related to large-scale geological feature. In the American sector the Kentucky iron ore deposit (KT) is particularlyoutstanding. Furthermore, here the contrast becomes quite clear between the magnetized continental shield and thefeatureless ocean bottom. In the right frame, showing the Indonesian region, we can see how magnetic anomalies markthe active tectonic zones (green lines). This is particularly evident along the Java trench. Negative deviations (blue pat-ches) representing a weakening of the field, suggest an enhanced temperature of the crust. Red patches indicate a thickand cool crust (from Maus et al., 2005, Geophys. J. Int.).

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Der bisher günstige Treibstoffverbrauch, die geringeDüsenaktivität sowie der Verlauf der Sonnenaktivitätmachen einen Weiterbetrieb der GRACE-Mission bis min-destens 2010 sehr wahrscheinlich. Die dabei abnehmen-de Bahnhöhe und damit steigende Sensitivität dieser Tan-dem-Mission sowie der ab Frühjahr 2006 geplante per-manente Betrieb der Radiookkultationsmessungen aufbeiden Satelliten werden weiter zum Erfolg der Missionbeitragen.

Hingegen wird die CHAMP-Mission, wenn die Bahn nichtnoch einmal angehoben wird, leider im Frühjahr 2008 mitdem Wiedereintritt in die Erdatmosphäre beendet sein. Bisdahin sollten aber noch weitere, für die Schwerefeldbe-stimmung wichtige Messdaten in niedriger Flughöhegewonnen werden. Durch die Abnahme der solaren Akti-vität kann man auch davon ausgehen, dass CHAMP nochviele interessanteste Messungen zur Bestimmung undÜberwachung des Magnetfeldes liefern wird.

Die herausragenden Ergebnisse insbesondere der GRACE-Mission waren Anlass für ein Schwerpunktprogramm„Massenvariationen und Massentransporte im SystemErde“, das von der Deutschen Forschungsgemeinschaftbereits bewilligt wurde und das ab Juli 2007 über sechsJahre läuft. Hier sollen Wechselbeziehungen und Aus-tauschmechanismen zwischen Atmosphäre, Ozeanen, Eis-kappen, kontinentalen Wasserspeichern und fester Erde ineinem integrierten, interdisziplinären Lösungsansatz ausden Schwerefeld- (CHAMP, GRACE, GOCE) und Alti-metriemissionen (Envisat, Jason) gewonnen werden.

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