China – der große Gewinner im Ukraine-Konflikt?

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China profitiert politisch und wirtschaftlich im Ukraine-Konflikt von der Schwäche des Nachbarn Russlands und der Weltmacht USA. Dennoch könnten sich Nachteile ergeben, wenn Chinas Nachbarn die Konsequenz stärkerer US-Anbindung aus dem Schicksal der Ukraine ziehen. Europa könnte hier durch stärkeres Engagement Alternativen bieten und selbst profitieren.

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  • Hintergrund: Belarus Nr. 45 / August 2015 | 1

    China der groe Gewinner im Ukraine-Konflikt?

    Armin Reinartz, Julius Freiherr von Freytag-Loringhoven

    Hintergrund:

    China/Russland

    Nr. 45 / 04. August 2015

    Zusammenfassung

    China profitiert politisch und wirtschaftlich im Ukraine-Konflikt von der Schw-

    che des Nachbarn Russlands und der Weltmacht USA. Das Land konnte aufgrund

    der internationalen Isolation Russlands niedrige Preise fr russische Gasexporte

    aushandeln. Auch von einer Mittlerrolle Chinas zwischen der Ukraine und Russ-

    land wurde erstmals in Peking gesprochen. Das wre ein deutliches Zeichen, dass

    China endgltig seine traditionell eher passive Auenpolitik aufgeben wrde und

    aktiver danach strebt, das internationale System nach seinen Vorstellungen zu

    gestalten. Dennoch knnten sich aus dem Konflikt um die Ukraine Nachteile fr

    Peking vor der eigenen Haustr ergeben. Chinas Nachbarn werden die Konse-

    quenz ziehen, dass diplomatische Bemhungen sie nicht vor einem hnlichen

    Schicksal wie dem der Ukraine bewahren knnen. Eine noch strkere Militrpr-

    senz der USA, konventionelle und eventuell sogar nukleare Aufrstung in der

    Region knnten dadurch befeuert werden. Europa knnte hier durch strkeres

    Engagement in seinen regionalen Beziehungen und durch Untersttzung von

    internationalem Recht und Institutionen Alternativen bieten. Dies wrde auch

    eine relevante Beteiligung Europas am zuknftigen internationalen System und

    eine angemessene Verbindung in diese Schlsselregion ermglichen.

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    Viele Analysen nehmen im Ukraine-Konflikt vor allem den Zusammensto zwischen zwei Polen, dem

    Westen und Russland, wahr. Auch die Sanktionsstrategien der USA und der Europischen Union zie-

    len auf eine wirtschaftliche und politische Isolation Russlands, um die Umsetzung des Minsk-II-

    Abkommens zu erzwingen und so einen Friedensprozess in Gang zu bringen. Sptestens seit dem f-

    fentlichkeitswirksamen Auftritt Putins in Peking im vergangenen Jahr, bei dem Vertrge ber Gasliefe-

    rungen abgeschlossen wurden, sollte diese bipolar verengte Wahrnehmung jedoch berholt sein. Chi-

    na, der aufsteigende Gigant, profitiert wirtschaftlich wie politisch von der Krise in der Ukraine. Peking

    hat sich zum ersten Mal deutlich zu Wort gemeldet, als der chinesische Botschafter in Belgien klar im

    Ukraine-Konflikt auf Seite Russlands Stellung bezog. Ende Juli wurde in China sogar eine mgliche

    Rolle des Landes als Mediator im Ukrainekonflikt zum Thema gemacht. Doch welche Vorteile und Risi-

    ken birgt die Krise zwischen Russland und Europa fr das Reich der Mitte?

    Schwcheres Russland heit strkeres China

    Ganz grundstzlich ist die mediale Aufmerksamkeit, die Russland und Prsident Putin derzeit in Euro-

    pa genieen, fr China eher von Vorteil. Die Spiegel-Titelgeschichten von der Gelben Gefahr, primr bezogen auf den wirtschaftlichen Aufstieg Chinas, wirken fast harmlos im Vergleich zu den Bildern

    von Kriegstoten und russischen Soldaten wie Freischrlern in der Ukraine, die alte ngste, dass der Russe kommt, wiedererweckt haben. Im Licht dieser medialen Relativierung und verringerten Auf-

    merksamkeit drfte sich das Klima fr chinesische Investitionen und Chinas wachsenden wirtschaftli-

    chen Einfluss in der Welt verbessern, denen jetzt weniger ffentlicher Gegenwind droht. Auch wenn

    man kein geopolitisches Nullsummenspiel zu Grunde legt, wird die Schwchung Russlands in Teilen

    der Welt eine Strkung Chinas bewirken.

    Nur durch den Sanktionsdruck der Europer auf Russland konnte China seine Preisvorstellungen fr

    russisches Gas, die deutlich unter denen fr Europer liegen, im vergangenen Mai durchsetzen. China

    macht damit auch einen weiteren Schritt im Rahmen seiner Diversifizierungsstrategie. Je lnger Russ-

    land isoliert bleibt, desto strker wchst die Gefahr einer neuen Abhngigkeit der russischen Lieferan-

    ten von den chinesischen Abnehmern. Auch nach voller Auslastung der erst in Bau befindlichen Pipe-

    lines aus Sibirien nach China wrde die Abhngigkeit einseitig bleiben. Nach Schtzungen von Exper-

    ten wird der Anteil russischen Gases an den gesamten chinesischen Gasimporten nicht mehr als 10%

    ausmachen.

    Auch geopolitisch wirkt sich russische Schwche zu einem gewissen Mae zu Chinas Vorteil aus. Die

    chinesische Angst, von tatschlichen oder potentiellen Feinden umzingelt zu sein, ist nicht ganz un-

    begrndet, wie ein Blick auf die Landkarte und ins Geschichtsbuch zeigt. Die Beziehungen zu Russ-

    land, dem groen Nachbarn im Norden, war nur in der kurzen Periode von Stalins Untersttzung der

    jungen Volksrepublik eine zumindest ffentlich zur Schau gestellte Freundschaft. Wenige Jahre spter

    stand man sich an der langen Grenze wieder bewaffnet gegenber, wie all die Jahrhunderte davor.

    Eine Einbindung Russlands in ein europisches oder gar die USA umfassendes Bndnis wre aus chine-

    sischer Sicht eine extreme Bedrohung der eigenen Sicherheitsinteressen. Dann stnden Truppen eines

    amerikanisch-dominierten und mehr oder weniger festen Bndnisses an den Grenzen im Norden, Os-

    ten und Sdosten Chinas. Diese Situation wrde erschwert durch die immer noch ungeklrten Grenz-

    streitigkeiten mit Indien und einer zunehmend akuter werdenden Bedrohung durch islamistischen

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    Terrorismus in den Regionen an der chinesischen Westgrenze. Auch die vormalige russische Dominanz

    in der SHANGHAI COOPERATION ORGANIZATION (SCO), dem Bndnis aus Russland, China und zentralasiati-

    schen Lndern, ist durch die russische Schwche endgltig beendet. Beim Ringen um Einfluss in Zent-

    ralasien drften die Chinesen nun schon mittelfristig durch mehr Ressourcen und konzilianteres Auf-

    treten die Oberhand gewinnen. Beim Gipfel der SCO im russischen Ufa im Juli 2015 kndigte China

    neue Investitionen von 16 Milliarden USD aus seinem Seidenstraen-Fond in Zentralasien an und un-

    terstrich auch auf diese Weise seine zunehmende Dominanz in der Organisation und den damit ein-

    hergehenden Einflusszuwachs in der Region. Auch die bevorstehende Aufnahme des engen chinesi-

    schen Verbndeten Pakistan in das Bndnis drfte China mehr nutzen als Russland. Die ebenfalls be-

    vorstehende Vollmitgliedschaft von Chinas regionalem Rivalen Indien knnte allerdings die chinesi-

    sche Dominanz in der SCO begrenzen.

    Nullsummen-Mentalitt zwischen Peking und Washington

    Doch die Ukrainekrise bewirkt auch eine Schwchung derjenigen Macht, die aus Pekinger Sicht den

    einzigen wirklichen Gegenspieler darstellt: die USA. Zum einen ermglicht es der Konflikt in der Ukrai-

    ne, die USA noch strker als kriegstreibende Macht darzustellen und so kritische Stimmen ber Ko-

    operation mit den USA in anderen Lndern zu strken. Noch schwerer drfte eine mgliche Spaltung

    des westlichen Bndnisses ber Sanktionen und andere Manahmen als Reaktion auf das russische

    Vorgehen sein. Insbesondere ein Ausscheren Deutschlands wrde gut in die chinesische Strategie pas-

    sen, europische Staaten enger an sich zu binden und gleichzeitig auf grere Distanz zu den USA zu

    bringen.

    Am meisten drfte es Peking freuen, dass dieser neue Konflikt US-Ressourcen in Europa binden wird,

    die nicht bei der groen Pivot to Asia direkt in Chinas Nachbarschaft eingesetzt werden knnen.

    Auch der Fokus der amerikanischen Auenpolitik kann sich so nicht voll auf die wichtigen Schls-

    selthemen der Zukunft in Asien richten. Und die isolationistischen Stimmen im republikanischen sowie

    im demokratischen Lager, die fragen, ob die Europer und der Rest der Welt seine Probleme nicht

    mittlerweile alleine regeln knnen, drften ebenfalls gestrkt aus der Krise hervorgehen. Das sind Fak-

    toren, die chinesischen Auenpolitikern die Arbeit erleichtern.

    Das dramatische Scheitern von internationalen Konfliktlsungsmechanismen aus dem letzten Jahr-

    hundert spielt den Krften in die Hnde, deren Aufstieg und Vorstellungen in der alten Weltordnung

    nach eigener Ansicht nicht ausreichend bercksichtigt sind. China hat bereits systematisch begonnen,

    eigene Plne zu einer neuen internationalen Wirtschafts- und Finanzordnung langsam, aber kontinu-

    ierlich voranzubringen. Daran ist aber auch der amerikanische Kongress nicht unschuldig, der die von

    China berechtigterweise geforderte Reform der Stimmengewichte bei Weltbank und Whrungsfonds

    blockiert hatte. Die Probleme des Westens, in der Ukrainekrise eine Wende zu bewirken, drfte neben

    den humanitren und politischen Desastern im Nahen und Mittleren Osten auch den Weg fr eine

    Neuordnung in der internationalen politischen Architektur weiter ebnen. Das ist eine Chance, die chi-

    nesische Fhrer wie Xi Jinping sicher nicht ungenutzt verstreichen lassen werden, damit das Reich der

    Mitte wieder, so der Narrativ, seinen rechtmigen Platz in der Welt einnehmen kann.

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    Nationalismus kennt keine Freunde

    Der Furor eines neu erstarkten russischen imperialen Nationalismus, der sich parallel mit der aggressi-

    ven Fernsehkampagne derzeit primr gegen den Westen richtet, knnte sich mittelfristig auch fr

    China bedrohlich darstellen. Der russische Nationalismus, der ein russisches Sendungsbewusstsein

    beinhaltet und eine aggressive Auenpolitik begrndet, drfte schlecht mit der neuen, auch ffentlich

    immer deutlicheren Hierarchie im russisch-chinesischen Verhltnis vereinbar sein. Der Kreml wird also

    zunehmend versuchen mssen, den neuen imperialen Anspruch der eigenen Bevlkerung mit der rea-

    len Position gegenber seinem groen Nachbarn im Sden in Einklang zu bringen. Nicht jeder Vertrag,

    der China genehm ist, wird zum Abschluss kommen knnen, ohne die russische Regierung zu Hause in

    Verlegenheit zu bringen.

    Dieser Punkt knnte noch an Schrfe gewinnen, wenn bei anhaltender wirtschaftlicher Rezession in

    Russland und Verstrkung der sozialen und ethnischen Spannungen gegenber asiatischen Arbeits-

    migranten auch bergriffe auf chinesische Staatsbrger in Russland vorkommen. Denn auch in Peking

    steht die Regierung durch selbst geschrten Nationalismus unter Druck, offensiv auf solche Vorflle

    zu reagieren. Die Angst vor einem unkontrollierten chinesischen Bevlkerungszustrom in den dnn

    besiedelten Fernen Osten Russlands bleibt trotz aller Freundschaftsbekundungen gro in Moskau. Be-

    reits jetzt uerst unangenehm ist den geopolitischen Strategen des Kremls die Ausweitung des chi-

    nesischen Einflusses durch die Politik der Neuen Seidenstrae in die Staaten Zentralasiens, die als

    ehemalige Teile der Sowjetunion als Einflusssphre Russlands wahrgenommen werden. Schon heute

    ist China der wichtigste Handelspartner der meisten Lnder der Region. Russland musste groe Res-

    sourcen aufbringen, um Lnder wie Kirgisistan mit hohen Krediten und kleinen Erinnerungen an die

    Abhngigkeit durch die vielen kirgisischen Gastarbeiter in Russland in die Eurasische Union zu brin-

    gen.

    Ein wirtschaftlich und auenpolitisch geschwchtes Russland bietet da, wie beschrieben, einige Vor-

    teile fr China, aber ebenso birgt es Risiken. Sollte Russland wirtschaftlich noch weiter schwcheln

    und sich international noch strker isolieren, so wrde es von einem starken Helfer beim Aufbau eines

    Gegengewichts zur amerikanischen Dominanz wohl bald zu einer Belastung fr Peking werden. In

    Zhongnanhai, der Parteizentrale in Peking, hat man bereits Erfahrung mit derlei Fllen und ist sicher

    nicht an einem sich nordkoreanisierenden Russland interessiert. Es ist auch nicht klar, ob China dau-erhaft eine derart aggressive Politik untersttzen will, wie der Kreml sie derzeit betreibt.

    Das ukrainische Schicksal mahnendes Beispiel fr Chinas Nachbarn?

    Die Propaganda vom Kriegstreiber USA mag bei manchen Regierungen mit anti-amerikanischer Tra-

    dition ziehen. Andere Lnder, vor allem solche, die in ihrer Geschichte Erfahrungen mit der Nachbar-

    schaft einer Gromacht gehabt haben, ziehen andere Schlsse. Als jahrhundertelanger Hegemon in

    Ostasien, dessen Einflusssphre bis weit nach Sdostasien hinein reichte, hat China einige Staaten als

    Nachbarn, bei denen der Ukrainekonflikt durchaus Existenzngste auslst.

    Eine Bilanz aus der Ukrainekrise drfte fr diese bereits jetzt schon klar sein. Die Sicherheitsgarantien

    im Austausch fr die Aufgabe von Atomwaffen, wie sie die Ukraine 1994 im Budapester Memorandum

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    bekommen hatte, sind das Papier nicht wert, auf dem sie stehen. Damit drfte die Aufgabe des nord-

    koreanischen Atomprogramms noch unrealistischer werden. Ergnzend spielt das Vorgehen Russlands

    in der Ukraine auch denen in die Hnde, die glauben, dass die eigene territoriale Integritt und natio-

    nale Souvernitt nur durch den Besitz von Atomwaffen gesichert werden knnen. Die daraus resul-

    tierenden Implikationen in der Region sind nicht im Interesse Chinas. Sie erhhen mittel- bis langfris-

    tig die Aussicht auf eine atomare Aufrstung in Asien. Dort sind bislang nur Pakistan, Indien, Russ-

    land, China und die USA als offizielle Atommchte prsent. Japan und Sdkorea besen grundstz-

    lich auch die Kapazitten zum schnellen Bau der Bombe. Sdkorea steht in direktem Konflikt mit den

    Brdern Chinas in Nordkorea. Die Spannungen zwischen Japan und China sind trotz enger Wirt-schaftsbeziehungen nach wie vor hoch, wie die Streitigkeiten um die Verharmlosung von japanischen

    Kriegsverbrechen im zweiten Weltkrieg und um die Diaoyu/Senkaku-Inseln zeigen.

    Chinas Nachbarn im Sdosten, die Philippinen und Vietnam, haben keine realistische Aussicht auf den

    schnellen Aufbau eines eigenen Atomwaffenprogramms. Alternativ suchen beide schon jetzt die enge-

    re Anbindung an die USA, die sich im Licht der Ukrainekrise derzeit noch verstrkt. Analog dazu drfte

    auch in Taipeh die enge Anbindung an die USA wieder Zuspruch erhalten. Gleiches gilt auch fr Sd-

    korea und Japan. Allerdings wirkt die Ukrainekrise nur verstrkend auf den Schulterschluss mit den

    USA gegen die chinesische Militrmacht in Ost- und Sdostasien. Dieser Trend ist bereits durch andere

    Faktoren, nicht zuletzt Chinas aggressives Auftreten im Sdchinesischen Meer, seit lngerem zu be-

    obachten.

    Unterm Strich ist China Profiteur

    Ohne groen Aufwand verbessert sich Chinas Position in vielen Fragen, sofern die Krise nur weiter

    schwelt und nicht ber die Grenzen der Ukraine hinaus eskaliert oder in Russland zum Zusammen-

    bruch fhrt. China profitiert vor allem durch die Schwchung des russischen Nachbarn und den USA.

    Grter Verlierer in der geopolitischen Gemengelage gegenber China bleibt Russland, dessen Einfluss

    in Zentralasien und der SCO weiter zurckgedrngt wird und das von seiner Abhngigkeit als Ressour-

    cenlieferant aus einer relativ ausgewogenen gegenseitigen Abhngigkeit in eine deutlich einseitigere

    Abhngigkeit mit China steuert. China profitiert auch durch die vorerst nachhaltige Eliminierung

    Russlands als traditionelle Bedrohung an Chinas Nordgrenze und potentieller Verbndeter des Wes-

    tens in einem mglichen globalen System, in dem China isoliert htte werden knnen.

    Die Schwchung der USA durch erzwungene Aufmerksamkeit und Ressourcenbindung in Europa ver-

    mindert die potentielle Strke amerikanischen Einflusses vor Chinas Haustr. Auch die Schwchung

    der westlichen Allianz durch eine grere Distanz zwischen Europa und den USA entspricht dem chi-

    nesischen Ziel einer mittelfristig multipolaren Weltordnung. In dieser findet Chinas Aufstieg bessere

    Bedingungen als in dem derzeitigen System. Es gibt erste Anzeichen, dass China die Ukrainekrise

    nutzt, um Vernderungen im internationalen System, wie etwa in der UNO, verstrkt voranzutreiben.

    Ein gewisses Risiko und Nachteile fr China ergeben sich dennoch aus der Ukrainekrise, insbesondere

    bei einer weiteren Eskalation. Peking hat deshalb ein Interesse, seinen Einfluss auf Russland zu nut-

    zen, um es nicht dazu kommen zu lassen.

  • Hintergrund: Belarus Nr. 45 / August 2015 | 6

    Die Lehren, die Chinas Nachbarn vermutlich aus der Ukrainekrise ziehen, werden China beunruhigen.

    Diesen knnte das Land mit einer Umsteuerung zu einer kooperativeren Nachbarschaftspolitik, insbe-

    sondere gezieltem Zurckhalten im Sdchinesischen Meer, entgegenwirken. Beides stnde einer wer-

    denden Gromacht, die einen friedlichen Aufstieg anstrebt, gut zu Gesicht. So wrde der in China oft

    genutzte Satz von der Rckkehr Chinas an seinen rechtmigen Platz in der Welt auch weniger Be-sorgnis auslsen. In der Ukrainekrise kann China aber ohne groen Aufwand dem jahrhundertealten

    traditionellen Ansatz chinesischer Auenpolitik folgen und den Streit unter den Barbaren hinter den

    Grenzen zum eigenen Vorteil nutzen. Hier gilt das chinesische Sprichwort Auf dem Felsen sitzen und

    den Tigern beim Streiten zusehen ( ; zuo shan, kan hu dou).

    Europas Chancen

    ber den Tag und die direkte Nachbarschaft hinaus gedacht hinaus ergeben sich aus dieser Situation

    durchaus Chancen fr die Europer. Die asiatischen Nachbarn Chinas, die in der Ukraine eine Warnung

    fr ihre eigene Zukunft sehen, mssen derzeit zwischen der Pazifik-Prsenz der USA und ihres ber-

    mchtigen Nachbarn China balancieren. Ein deutlich verstrktes europisches Engagement in der Re-

    gion knnte diesen Lndern, wenn auch nicht direkt militrisch, so doch wirtschaftlich und auenpoli-

    tisch, zustzliche Optionen erffnen.

    Die asiatischen Mrkte werden in Zukunft eine noch grere Rolle spielen als sie es ohnehin schon

    tun. Allein deshalb sollte Europe prsenter sein. Grundlegender ist aber noch, dass die Europer sich

    eine Weltordnung wnschen, die auf internationales Recht und multilaterale Institutionen baut. Ob

    die Welt in Zukunft so aussehen wird, hngt entscheidend von der Lsung der Konflikte im Sdchine-

    sischen Meer und eine Einbettung Chinas in diese Ordnung ab. Eine europische Hinwendung nach

    Asien mit deutlichem Einsatz fr die Nutzung internationalen Rechts und multilaterale diplomatische Mechanismen knnte sich auf lange Sicht als entscheidend erweisen.

    Armin Reinartz ist Analyst im Regionalbro Sdost- und Ostasien der FNF.

    Julius Freiherr von Freytag-Loringhoven ist Projektleiter der FNF in Moskau.

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    Weiterfhrende Links

    Russisches Gas als Auenpolitisches Instrument (DGAP & FNF) (deutsch)

    Gerhardt: Ukraine weiter untersttzen (FNF) (deutsch)

    Russland: Isolation statt Dialog (FNF) (deutsch)

    Die Global Times, das Sprachrohr der chinesischen KP zu Chinas mglicher Rolle als Mediator in der Ukraine (englisch)

    Vietnam als Ukraine des Pazifiks (BBC) (englisch)

    Chinas Silk Road Einfluss auf dem SCO-Gipfle in Tufa (englisch)

    Einschtzung des SCO-Gipfels aus Sicht des MERICS (deutsch)

    Eine Allianz zwischen Russland und China im Licht des Ukraine-Konflikts? European Council on For-

    eign Relations (englisch)

    Chinesische Untersttzung fr Putin, Reuters (englisch)

    Fr eine europische Hinwendung nach Asien, Global & Liberal, S.31 (deutsch)

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