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Chirurg 2013 · 84:1075 DOI 10.1007/s00104-013-2651-4 Online publiziert: 14. November 2013 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013 O. Strobel · M.W. Büchler Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie, Universität Heidelberg Chirurgie bei verschwundenen  kolorektalen Lebermetastasen Hintergrund und Fragestellung Aufgrund Verbesserungen der systemi- schen Therapie und aufgrund einer Aus- weitung der Indikationen zur Leberresek- tion sehen wir als Chirurgen immer häu- figer Patienten, bei denen kolorektale Le- bermetastasen unter einer Chemothe- rapie in der Bildgebung verschwunden sind. Verschwundene Lebermetastasen (VLM) sind zwar als Korrelat für ein gu- tes Ansprechen auf die Chemothera- pie ein günstiges prognostisches Zei- chen, stellen jedoch oft ein Dilemma bei interdisziplinären onkologischen Thera- pieentscheidungen dar, weil die Datenlage bezüglich des Vorgehens bei VLM unzu- reichend ist. Methoden Bischof und Kollegen haben die vorhan- denen Studien zu VLM kolorektaler Kar- zinome in einer Review-Arbeit zusam- mengefasst. Berücksichtigt wurden zwi- schen 01/2000 und 12/2012 veröffentlichte Studien, in denen VLM kolorektaler Kar- zinome nach präoperativer Chemothera- pie beschrieben wurden. Ergebnisse Die Datenlage zu VLM ist aus mehreren Gründen komplex. Von VLM wird bei einem kompletten Ansprechen der Me- tastasen in der (präoperativen) Schnitt- bildgebung gesprochen. Der Nachweis der Lebermetastasen hängt aber einerseits von der Sensitivität und Spezifität der einge- setzten Bildgebung ab und andererseits von der Größe der jeweiligen Läsion und der Dauer der Chemotherapie. Unter Che- motherapie kommt es neben dem Anspre- chen der Metastasen auch zu parenchyma- tösen Veränderungen der Leber (Steasto- se, Steatohepatitis), die zu einer erschwer- ten Abgrenzbarkeit der Metastasen führen können. Eine Metaanalyse zum Nachweis kolorektaler Lebermetastasen nach Che- motherapie ergab für die Magnetreso- nanztomographie (MRT) mit 85,7% die höchste Sensitivität, gefolgt von 69,9% für die Computertomographie (CT), 54,5% für die Positronenemissionstomographie (PET) und 51,7% für die PET-CT [1]. In Abhängigkeit von der präoperativ einge- setzten Bildgebung, der Lokalisation der Metastasen, der Steatose sowie der Sorg- falt und Erfahrung der Operateure kön- nen 25–45% der laut Bildgebung VLM in- traoperativ makroskopisch nachgewiesen werden. Ein komplettes pathologisches Ansprechen wird je nach Studie bei 15– 70% der VLM berichtet. VLM sind des- halb keinesfalls mit einer kompletten kli- nischen und pathologischen Response der jeweiligen Läsion gleichzusetzen. Die we- nigen Studien zum Outcome nach Resek- tion von VLM legen nahe, dass das Risiko für Rezidivmetastasen steigt, wenn VLM in situ belassen werden. Es konnte jedoch kein Einfluss der Resektion von VLM auf das Gesamtüberleben der Patienten ge- zeigt werden. Diskussion Anhand der aktuellen Datenlage bleibt weiterhin unklar, ob es sinnvoll ist, bei verschwundenen kolorektalen Leberme- tastasen eine Resektion durchzuführen. Diese Frage ist insbesondere für Patien- ten relevant, bei denen primär irresekt- able Lebermetastasen nach Chemothe- rapie durch Verschwinden einzelner Lä- sionen in einen laut Bildgebung resek- tablen Zustand überführt wurden. Auf- grund der Diskrepanz zwischen radiolo- gischem, klinischem und pathologischem Ansprechen und dem resultierenden Re- zidivrisiko sollte es Ziel einer Leberresek- tion bei Metastasen sein, alle ursprünglich betroffenen Areale (also auch VLM) zu entfernen. Sollte dies nicht mit akzeptab- lem Risiko möglich sein, ist es gerechtfer- tigt, alle noch nachweisbaren Metastasen zu entfernen und die Lokalisationen von VLM in der Nachsorge gezielt zu überwa- chen und bei einem Rezidiv falls möglich sekundär anzugehen. Korrespondenzadresse PD Dr. O. Strobel Klinik für Allgemein-, Viszeral-   und Transplantationschirurgie,   Universität Heidelberg, Im Neuenheimer Feld 110, 69120 Heidelberg [email protected] Interessenkonflikt.  O. Strobel und M.W. Büchler ge- ben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Literatur 1.  Kessel CS van, Buckens CF, Bosch MA van den et al  (2012) Preoperative imaging of colorectal liver me- tastases after neoadjuvant chemotherapy: a meta- analysis. Ann Surg Oncol 19:2805–2813 Originalpublikation Bischof DA, Clary BM, Maithel SK et al (2013)  Surgical management of disappearing colo- rectal liver metastases. Br J Surg 100:1414– 1420 1075 Der Chirurg 12 · 2013| Journal Club

Chirurgie bei verschwundenen kolorektalen Lebermetastasen; Surgical management of disappearing colorectal liver metastases;

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Page 1: Chirurgie bei verschwundenen kolorektalen Lebermetastasen; Surgical management of disappearing colorectal liver metastases;

Chirurg 2013 · 84:1075DOI 10.1007/s00104-013-2651-4Online publiziert: 14. November 2013© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

O. Strobel · M.W. BüchlerKlinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie, Universität Heidelberg

Chirurgie bei verschwundenen kolorektalen Lebermetastasen

Hintergrund und Fragestellung

Aufgrund Verbesserungen der systemi-schen Therapie und aufgrund einer Aus-weitung der Indikationen zur Leberresek-tion sehen wir als Chirurgen immer häu-figer Patienten, bei denen kolorektale Le-bermetastasen unter einer Chemothe-rapie in der Bildgebung verschwunden sind. Verschwundene Lebermetastasen (VLM) sind zwar als Korrelat für ein gu-tes Ansprechen auf die Chemothera-pie ein günstiges prognostisches Zei-chen, stellen jedoch oft ein Dilemma bei interdisziplinären onkologischen Thera-pieentscheidungen dar, weil die Datenlage bezüglich des Vorgehens bei VLM unzu-reichend ist.

Methoden

Bischof und Kollegen haben die vorhan-denen Studien zu VLM kolorektaler Kar-zinome in einer Review-Arbeit zusam-mengefasst. Berücksichtigt wurden zwi-schen 01/2000 und 12/2012 veröffentlichte Studien, in denen VLM kolorektaler Kar-zinome nach präoperativer Chemothera-pie beschrieben wurden.

Ergebnisse

Die Datenlage zu VLM ist aus mehreren Gründen komplex. Von VLM wird bei einem kompletten Ansprechen der Me-tastasen in der (präoperativen) Schnitt-

bildgebung gesprochen. Der Nachweis der Lebermetastasen hängt aber einerseits von der Sensitivität und Spezifität der einge-setzten Bildgebung ab und andererseits von der Größe der jeweiligen Läsion und der Dauer der Chemotherapie. Unter Che-motherapie kommt es neben dem Anspre-chen der Metastasen auch zu parenchyma-tösen Veränderungen der Leber (Steasto-se, S teatohepatitis), die zu einer erschwer-ten Abgrenzbarkeit der Metas tasen führen können. Eine Metaanalyse zum Nachweis kolorektaler Lebermetastasen nach Che-motherapie ergab für die Magnetreso-nanztomographie (MRT) mit 85,7% die höchste Sensitivität, gefolgt von 69,9% für die Computertomographie (CT), 54,5% für die Positronenemissionstomographie (PET) und 51,7% für die PET-CT [1]. In Abhängigkeit von der präoperativ einge-setzten Bildgebung, der Lokalisation der Metastasen, der Steatose sowie der Sorg-falt und Erfahrung der Operateure kön-nen 25–45% der laut Bildgebung VLM in-traoperativ makroskopisch nachgewiesen werden. Ein komplettes pathologisches Ansprechen wird je nach Studie bei 15–70% der VLM berichtet. VLM sind des-halb keinesfalls mit einer kompletten kli-nischen und pathologischen Response der jeweiligen Läsion gleichzusetzen. Die we-nigen Studien zum Outcome nach Resek-tion von VLM legen nahe, dass das Risiko für Rezidivmetastasen steigt, wenn VLM in situ belassen werden. Es konnte jedoch kein Einfluss der Resektion von VLM auf das Gesamtüberleben der Patienten ge-zeigt werden.

Diskussion

Anhand der aktuellen Datenlage bleibt weiterhin unklar, ob es sinnvoll ist, bei

verschwundenen kolorektalen Leberme-tastasen eine Resektion durchzuführen. Diese Frage ist insbesondere für Patien-ten relevant, bei denen primär irresekt-able Lebermetastasen nach Chemothe-rapie durch Verschwinden einzelner Lä-sionen in einen laut Bildgebung resek-tablen Zustand überführt wurden. Auf-grund der Diskrepanz zwischen radiolo-gischem, klinischem und pathologischem Ansprechen und dem resultierenden Re-zidivrisiko sollte es Ziel einer Leberresek-tion bei Metastasen sein, alle ursprünglich betroffenen Areale (also auch VLM) zu entfernen. Sollte dies nicht mit akzeptab-lem Risiko möglich sein, ist es gerechtfer-tigt, alle noch nachweisbaren Metastasen zu entfernen und die Lokalisationen von VLM in der Nachsorge gezielt zu überwa-chen und bei einem Rezidiv falls möglich sekundär anzugehen.

Korrespondenzadresse

PD Dr. O. StrobelKlinik für Allgemein-, Viszeral-  und Transplantationschirurgie,  Universität Heidelberg,Im Neuenheimer Feld 110, 69120 [email protected]

Interessenkonflikt.  O. Strobel und M.W. Büchler ge-ben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Literatur

1.  Kessel CS van, Buckens CF, Bosch MA van den et al (2012) Preoperative imaging of colorectal liver me-tastases after neoadjuvant chemotherapy: a meta-analysis. Ann Surg Oncol 19:2805–2813

Originalpublikation

Bischof DA, Clary BM, Maithel SK et al (2013) Surgical management of disappearing colo-rectal liver metastases. Br J Surg 100:1414–1420

1075Der Chirurg 12 · 2013  | 

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