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Christian Schulte Mitschrift

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UniWien - theatrale und mediale Inszenierungsformen

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  • 1. Einheit Christian Schulte- 07.05.2015

    Auflsung der Form: Theorien, Bilder, Dinge

    Es geht um die Kunstzusammenhnge des 20. Jh.

    Kontextualisierung und Theoretisierung der sthetik

    Leitbegriffe/ Formen -zu merken:

    Negative sthetik

    Nullpunkt des Dramatischen

    Tendenzen zur Stoffflle und Stoffreduktion

    sthetiken des Bruchs, Ordnungen des Risses

    Verfremdung

    Suspension

    Alles gehrt zusammen, zur Krise der Reprsentation, Krise des Subjekts

    Negative sthetik= Kritik, Skeptik ber Konvention und Selbstverstndlichkeiten, die

    zum 20 Jh. nicht mehr passen. Singularisierung Phnomen im 19 Jh Kollektivierung im

    20. Jh. Objektivierung (in der Wissenschaft usw.-alles einen Namen geben) im 19. Jh.

    Subjektivierung im 20 Jh.

    Mensch -ohne Attribut, hat nichts mehr im Griff, kann nichts mehr kontrollieren

    Tendenz zur Stoffflle und Stoffreduktion= zu viel oder zu wenig

    z.B. Stoffreduktion- absolute Reduktion, Verzicht auf Fabel (z.B. Theaterstcke von

    Becket, Duchamps Pissoir im Museum), Antidramaturgie, ohne Sinn, leer

    Nullpunkt des Dramatischen= z.B. auch Beckets Theaterstcke

    sthetiken des Bruchs z.B Marcel Duchamps Pissoir entfunktionalisiert,

    disfunktional gemacht durch die nderung des Raums- ins Museum gestellt

    Verfremdung- auf alle Beispiele anwendbar- alle anderen Formen sind auch

    Verfremdungstechniken (von Brecht)

    Suspension: Aufkndigung einer linearen Erzhlung (z.B. eines linearen Romans: mit

    Entwicklung, Hhepunkt usw.)- eine Form des 19 Jh. wird obsolet im 20. Jh

    Man muss alles erfragen und nicht immer ordnungspolitische Entscheidungen folgen

    Ablehnung der Perfektion des 19. Jh.

    Schlagworte aus der Krisendiagnostik der Moderne: Zerfall der Werte (H. Broch) Seinsvergessenheit (M. Heidegger) Transzendentale Obdachlosigkeit (G. Lukcs) Erfahrungsarmut (W. Benjamin) Aufstand der Dinge Das Ich ist nicht mehr Herr im eigenen Haus (S. Freud)

  • Die verwaltete Welt (T. Adorno) Noch niemals hat eine Zeit so wenig ber sich bescheid gewusst. (S. Kracauer)

    Alle Begriffe entstehen im Kontext des 1. Weltkriegs

    Erfahrungsarmut- Walter Benjamin : Mensch kann ber die Erfahrungen im Krieg nicht mehr

    reden.

    Die Kunste reflektieren alle diese gesellschaftlichen Phnomene.

    Nietsche: Gott ist Tot Metaphysik, Religion haben jetzt blo keine Geltung mehr. Immanenz.

    Es gibt keine stabilen Kategorien, keine stabilen Werte mehr -> Zerfall der Werte(Broch),

    Seinsvergessenheit(Heidegger), Erfahrungsarmut (W. Benjamin-profaner Begriff)

    Transzedentale Obdachlosigkeit- wurde direkt nach dem 1. Weltkrieg formuliert. Man hat

    das Glauben an Gott verloren in der Moderne, keinen Vertrauen mehr. Keinen festen geistigen

    Anhaltspunkt.

    Aufstand der Dinge Dinge gewinnen pltzlich die berhand ber die Menschen. In einer

    kapitalistischen massenwarenproduzierenden Gesellschaft, stehen die Dinge vor ihren

    Produzenten. Beschleunigung der Produktionsprozesse, in der Fabrik, in der Stadt usw. >Man

    ist nur fr einen Teil der Produktionskette in der Fabrik zustndig >Man versteht nicht mehr das,

    was man produziert = Entfremdung.

    Das Ich ist nicht mehr Herr im eigenen Haus- wen meinen wir wenn wir ich sagen? man

    kann nicht mehr alles kontrollieren- absoluten Kontrollverlust z.B. Brechts Mann ist Mann: Ein

    Mann geht aus dem Haus um einen Fisch zu kaufen, kommt nicht mehr nach Hause, wo er

    erwartet wird. Kommt nach Tibet, bekommt einen anderen Namen innerhalb von 24 Stunden.

    Parabel der Verfremdungsprozesse in der Moderne.

    Die verwaltete Welt- die ganze Kulturindustrie drckt auch diese Verwaltetheit der

    Wirklichkeit aus- alles wird hnlich gemacht.

    Noch niemals hat eine Zeit so wenig ber sich bescheid gewusst.- Man lebt in einer

    Epoche, die schneller wirkt als die eigene Wahrnehmung. Man kann sich nicht mehr an die

    Dynamik des Lebens anpassen.- wieder Verfremdung > Die Kunst des 20 Jh. arbeitet

    manchmal bewusst mit Verlangsamung

    Literarische Zitate zum Kontext:

    Es gibt keine Ganzheiten in dieser Welt, viel eher gilt, da sie aus Fetzen von Zufallsereignissen besteht, deren Abfolge an die Stelle sinnvoller Kontinuitt tritt. [] Fragmentarische Individuen spielen ihre Rollen in einer fragmentarischen Realitt. Siegfried Kracauer, Theorie des Films, 1960

    knnte z.B. als Prufungsfrage fur 5. Pkt vorkommen mit Einbeziehung einiger Beispiele

    Der Fragment (bzw. die Idee des Fragmentes, des Fragmentarischen) entsteht als

    eigenstndige Form nach der Franzsischen Revolution

  • Paradigmenwechsel in Krisezeiten, reflektieren sich auf die Kunst

    -Man kann nicht mehr ber ein identitres Wesen reden.

    Nhe / Ferne / Beschleunigung: Eisenbahn, Photographie, Daguerrotypie, Telegramme, Film, Bildpostkarte, Telephonie, Automobil, Aviatorik entwickeln sich im 19 Jh. -Omnipotenz des Menschens, Gefhl der Weltbeherrschung. Auswirkungen im 20 Jh.: das Leben ndert sich. Wie kann man pltzlich mit allen diesen Sachen umgehen? Literarische Zitate zum Kontext: AN EINE, DIE VORBERGING [] 11 Ein Blitz Und dann die Nacht! - Flchtige Schnheit, von deren Blick ich pltzlich neu geboren war, soll ich dich in der Ewigkeit erst wiedersehen? [] Charles Baudelaire, Die Blumen des Bsen, 1857 Er verliebt sich in einigen Sekunden in einer schnen Frau, die er in einer Menge sieht und die vorbeigeht. Er wei er wird sie nie wiedersehen- moderne Erfahrung- Aufblitzen von etwas. Sekunden spter ist es schon verloren gegangen. Pltzlichkeitserfahrung. Flchtigkeit. Ephemer. Baudelaire hat eine moderne Idee aber er schafft das Gedicht in einer strengen, klassischen Form, deswegen ist er eine bergangsfigur Diese Beschwrung des Augenblicks erscheint bei vielen anderen Dichter auch. Zum Vergleich: Stphane Mallarm, Ein Wrfelwurf niemals auslschen wird den Zufall, 1897 (auf den Folien) Wrter stehen chaotisch auf der Seite- es geht nicht mehr um den Inhalt, sondern um die Wahrnehmung Nichts konnte ganz gesehen oder von Anfang bis Ende gelesen werden. Was man anfangs sah wie zwei Freunde, die sich anschickten, sich auf der anderen Straenseite zu treffen , sah man nie zu Ende gehen. Nach zwanzig Minuten waren Krer und Geist wie Fetzen zerrissenen Papiers, die aus einem Sack quollen, und tatschlich hnelt der Proze, London im Automobil zu verlassen, so sehr dem kleingehackt Werden der Identitt, das der Bewutlosigkeit vorausgeht [] Virginia Woolf, Orlando. Eine Biographie, 1928.

  • -Kontrollverlust -Jeder Augenblick setzt einen Anfang, deswegen kann man keine Narrative mehr konstruieren. Abgehackten Einheiten stehen unverbunden nebeneinander in der Zeit Parataxis- nebeneinander, horizontale Ebene, alles ist gleich fremd, gleich gultig usw. keine Hierarchie mehr: kein oben und unten. Alfred Dblin, Berlin Alexanderplatz, 1929 Mensch zersetzt in der Stadt, in der neuen Gesellschaft. Negativer Bildungsroman. Es gibt kein Ziel, Figur kommt nie an das Ziel an. Mensch ist fremd bestimmt von den ueren Verhaltnisse. auch eine Form von negative Asthetik Bertolt Brecht, Mann ist Mann, 1925 Fordismus: Arbeitsteilung in den Fabriken Taylorismus: Arbeit in Zeitregime, fur jede Arbeit steht nur eine bestimmte Zeit zur Verfgung Filmbeispiel: Modern Times, Charlie Chaplin -Machine ist unerbittlich, mchtiger als die Menschen, anwendbar sowohl fr Fordismus als auch fr Taylorismus. Vervielfachung des Stresses fr die Menschen Der Etui-Mensch (W. Benjamin) alegorische Bezeichnung fr die grobrgerliche Situation in den Salons der Belle Etage aus der spten 19 Jh (die Zeit von Benjamins Kindheit). Der Mensch wird komplett ausgeschnitten von der Auenwelt. Sichere Position. Komfortables brgerliches Interieur (wir knnen uns alles leisten, on top of the world) Dieser berfluss hat ein Habitus, eine Einstellung geprgt, die ber die Jahrhundertwende gar nicht mehr gltig ist und nicht mehr funktionieren kann. Die erstickte Perspektive ist Plsch fr das Auge Man braucht Abstand, freie Raume zu schaffen, um einen freien Blick bekommen zu knnen. Wenn man in Behagen wohnt, nimmt man nichts mehr wahr. Gegenteil: der destruktive Charakter- macht Platz- es interresiert ihn nicht was mit dem Raum gemacht wird. kollektivisiert: jemand wird sich finden, der diesen freien Raum brauchen kann. Unsere Kneipen und Grostadtstraen, unsere Bros und mblierten Zimmer, unsere Bahnhfe und Fabriken, schienen uns hoffnungslos einzuschlieen. Da kam der Film und hat diese Kerkerwelt mit dem Dynamit der Zehntelsekunden gesprengt, sodass wir nun zwischen ihren weitverstreuten Trmmern gelassen abenteuerliche Reisen unternehmen. Walter Benjamin, Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, 1935 -ber das damals neue Medium des Films, das Benjamin sehr traut Pltzlichkeit. Asynchronitt. Benjamin mag die Montage: hat eine haptische Qualitt. Verndert den Habitus der Zuschauer. Kino als Training um mit der genderten Wirklichkeit besser umgehen zu knnen. Film als Dynamit gegen die Kerkerwelt( =begrenzte Welt des Etui-Menschens)

  • Abstrakte Malerei ist nicht so sehr eine anti-realistische Bewegung als viel mehr eine realistische Enthllung der herrschenden Abstraktheit. Die Konfigurationen von Linien, in denen sie schwelgt, spiegelt getreulich den Charakter heutiger Denkprozesse wieder. Es ist, als ziele die moderne Malerei darauf ab, die Routen zu veranschaulichen, die unsere Gedanken und Gefhle durchmessen. Siegfried Kracauer, Theorie des Films, 1960 -schafft andere Synapsen im Gehirn, eine freie Wahrnehmung. Die neuen Lebensverhltnisse selbst sind abstrakt, deswegen kann eine figurative Malerei die abstrakte Realitat nicht mehr darstellen. Eine neue, angepasste, sthetische Form muss daran partizipieren. Bildbeispiele: Kandinski, Gelb-Rot-Blau man muss nicht mehr nach den Sinn fragen. Der Seh-akt, der Wahrnehmungsprozess selber wird thematisiert und ins Zentrum gebracht. Thematisierung der Farbe, des Materials, der Modalitt des Betrachtens. Keine Ordnung mehr. Analytischer Kubismus: Picasso, Ambroise Vollard: Zerstckelung, Eigestndigkeit der Figur wird durch verschiedene Blicke und Perspektive gesehen und zerteilt. Futurismus: Giacomo Balla: Ball wird in Bewegung dargestellt, so dass man den Ball als solches gar nicht mehr erkennen kann. Auch Abstraktion. Verwischung. Die Denkfigur des Lumpensammlers Methode dieser Arbeit: literarische Montage. Ich habe nichts zu sagen. Nur zu zeigen. Ich werde nichts Wertvolles entwenden und mir keine geistvollen Formulierungen aneignen. Aber die Lumpen, den Abfall: die will ich nicht inventarisieren sondern sie auf die einzig mgliche Weise zu ihrem Rechte kommen lassen: sie verwenden. W. Benjamin Der Lumpensammler sammelt die Dinge, die weggeworfen wurden, die keinen Wert mehr haben. Aus der Mll wird das Bild einer Gesellschaft produziert: Ihr Mll (und dessen Wiederverwendung) sagt viel mehr ber eine Gesellschaft als ihre offizielle Symbolik. Materialitt. Nicht inventarisieren (gegen den Historismus des 19 Jh. wissenschaftliche Strmung: Man kann selbst die Vergangenheit kolonisieren). Es gibt keine Hierarchie mehr. Bildbeispiel: Dadaismus-Kurt Schwitters: hat Materialkollagen gemacht mgliches Beispiel zum Lumpensammler, Ready-Mades (Duchamp) wre auch ein gutes Beispiel dafr -Hannah Hch -Marcel Duchamp- Pissoir (objet-trouv, Ready-Mades) -Man Ray, Iron with Nails: Sachen unbrauchbar machen, um sie von ihrer gezwungenen zweckhaften Logik zu entziehen. (Ready Mades) Salvador Dali, Meret Oppenheim usw... Eine Welt, die nur aus Brauchbarkeit besteht ist nicht lebenswert. Alles: Krisenintervention mit knstlerischen Mitteln Was bekannt ist, ist nur weil es bekannt ist, nicht erkannt. Hegel

  • - Leerstcken und Verfremdungstechniken (z.B.von Brecht) um Wirklichkeit zu begreifen. Keine Abbildung- damit knnen Verhltnisse nicht vermittelt werden. Arbeit von Brecht (ein Marxist) und Berliner Dadaisten war immer explizit politisch. John Heartfield, Adolf der bermensch, 1932: Es geht um das Kapital hinter den Nazis. Einige haben Hitler finanziell untersttzt, weil sie gedacht haben, dass er harmlos ist. Zitat von Hegel wird hier gut dargestellt. Ein zeitgeschichtlicher Abschnitt ber das System des Nazional-Sozialismus, wird in einem Bild, Montage, begreifbar gemacht. Bertolt Brecht, Kriegsfibel, 1955: Brecht bring eine andere Perspektive zu einer Fotografie mit zwei Obernazis-gibt ihr eine Tiefenschrfe mit der Zusammenfgung eines Textes. Er hat auch Epigramme geschafft. Marxistisches Denken. Bildbeispiel: Dadamaino (Edorada Emilia Maino), Lochbilder, 1950er In den Zwischenrume, in der Leere, durch die negative sthetik usw. entsteht etwas in unserer Wahrnehmung. Knstler aus dem 20 Jh.: Probehandeln, Erproben neuer Mglichkeiten. Auswegssuche in der Krisesituation.