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an dieser Stelle eine nochmals recht umfangrei- che Diskussion der Messung und wiederholte Spekulationen zu Rückwirkungen innerhalb des Modells. Stattdessen hätten Gedanken zur gesell- schaftlichen und/oder politischen Bedeutung der Befunde die Arbeit besser abgerundet. Etwas unklar bleibt das Zielpublikum – Stu- dierende oder empirisch arbeitende Sozialwissen- schaftlerinnen und Sozialwissenschaftler? So ist die Arbeit nicht nur lehrbuchmäßig aufgebaut, sondern streckenweise auch so geschrieben. Dies fängt mit der Belehrung an, dass die wissen- schaftlich sinnvolle Verwendung von Begriffen streng von der Bedeutungsanalyse der Alltags- sprache zu unterscheiden sei, und geht weiter mit in epischer Breite ausgeführten Erläuterungen zur Herleitung von Hypothesen, zum Sinn multiva- riater Analysen oder zu Interaktionseffekten. We- nig für die Lehre geeignet, sondern nur einem Fachpublikum verständlich dürften dagegen Pas- sagen sein, die mit ausführlichem Formelwerk bestückt sind oder Seitenhiebe auf nicht näher erläuterte soziologische Theorien enthalten. Etwas überzogen erscheint nicht nur der An- spruch, mit dieser Studie über Sachsen und ohne jeden regionalen Vergleich generalisierbare Aussa- gen zu treffen, sondern auch die ausdrücklich be- anspruchte „Einmaligkeit“ des Werkes, welche sich nicht nur auf die Erstellung neuer Hypothe- sen bezieht, sondern auch auf den handlungs- theoretischen Bezug und die multivariate Analy- se. Ein intensiver Blick in die einschlägige Forschungsliteratur wäre hier sicher redlicher, hilfreich für eine realistischere Selbsteinschätzung und der keineswegs ehrenrührigen Kumulation von Forschungserkenntnissen dienlich gewesen. Trotz aller Kritik im Einzelnen handelt es sich insgesamt um ein wissenschaftlich sorgfältig gear- beitetes, nachvollziehbares und lesenswertes Werk mit interessanten Befunden – nicht zur Welt, aber doch zu Sachsen, wo bekanntermaßen (nicht nur) die schönen Mädels wachsen. Bettina Westle SOZIOLOGIE DER ARMUT Christoph Butterwegge, Michael Klundt und Mat- thias Zeng: Kinderarmut in Ost- und West- deutschland. Wiesbaden: VS Verlag für So- zialwissenschaften 2005. 334 Seiten. ISBN 3-531-14463-4. Preis: 24,90. Dieses Buch reiht sich in die Flut wissenschaft- licher Publikationen zu diesem Thema ein und knüpft an vorherige Bände von Butterwegge wie etwa „Kinderarmut in Deutschland. Ursachen, Erscheinungsformen und Gegenmaßnahmen“ (2000), „Kinderarmut und Generationengerech- tigkeit. Familien- und Sozialpolitik im demogra- fischen Wandel“ (2002, zusammen mit Klundt) und vor allem „Armut und Kindheit. Ein regio- naler, nationaler und internationaler Vergleich“ (2003, zusammen mit Karin Holm u.a.) an. Nach vorherigen Bestandsaufnahmen und Über- blicken über Armut unter Kindern und Jugendli- chen steht nunmehr ein Vergleich von Ost- und Westdeutschland im Vordergrund. Hierbei wer- den die bereits im Werk über „Armut und Kind- heit“ dargestellten sozialpolitischen Hintergrün- de, theoretischen Ausführungen über Ursachen und Gründe einer zunehmenden „Infantilisierung von Armut“ im Zuge der (vermeintlichen) Glo- balisierung und des gesellschaftlichen Umbruchs in Ostdeutschland und empirischen Befunde fortgesetzt. Erklärtes Ziel des Buches sind Be- schreibung und Aufdeckung von Ursachen, Er- scheinungsformen und Folgen von Armut aus in- terdisziplinärer Perspektive sowie der Versuch, ge- eignete Strategien zur Bekämpfung von Armut unter Kindern zu entwickeln. Bei diesem ambi- tionierten Vorhaben wird auf die wichtigsten Er- gebnisse des von Butterwegge geleiteten For- schungsprojektes zum Thema „Infantilisierung der Armut? Gesellschaftspolitische Ursachen und psychosoziale Folgen in Ost- und West- deutschland“ zurückgegriffen. Datengrundlage bildet eine Querschnittsuntersuchung von Armut und Armutsfolgen bei ost- und westdeutschen Kindern in der vierten Grundschulstufe. Hierzu wurden 9- bis 11-jährige Kinder in den beiden Städten Köln und Erfurt befragt. Im ersten Kapitel des Buches werden die Ver- einigung beider Teile Deutschlands und die Glo- balisierung nicht nur als Herausforderungen für den Sozialstaat angesehen, sondern als zentrale Voraussetzungen für den Anstieg von Armut un- ter Kindern. Diese stellen wiederum Herausfor- derungen für Beschreibung und Erklärung von Armut unter Kindern im nationalen und interna- tionalen Vergleich dar. Tendenzen der neolibera- 582 Literaturbesprechungen

Christoph Butterwegge, Michael Klundt und Matthias Zeng: Kinderarmut in Ost- und Westdeutschland

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Page 1: Christoph Butterwegge, Michael Klundt und Matthias Zeng: Kinderarmut in Ost- und Westdeutschland

an dieser Stelle eine nochmals recht umfangrei-che Diskussion der Messung und wiederholteSpekulationen zu Rückwirkungen innerhalb desModells. Stattdessen hätten Gedanken zur gesell-schaftlichen und/oder politischen Bedeutung derBefunde die Arbeit besser abgerundet.

Etwas unklar bleibt das Zielpublikum – Stu-dierende oder empirisch arbeitende Sozialwissen-schaftlerinnen und Sozialwissenschaftler? So istdie Arbeit nicht nur lehrbuchmäßig aufgebaut,sondern streckenweise auch so geschrieben. Diesfängt mit der Belehrung an, dass die wissen-schaftlich sinnvolle Verwendung von Begriffenstreng von der Bedeutungsanalyse der Alltags-sprache zu unterscheiden sei, und geht weiter mitin epischer Breite ausgeführten Erläuterungen zurHerleitung von Hypothesen, zum Sinn multiva-riater Analysen oder zu Interaktionseffekten. We-nig für die Lehre geeignet, sondern nur einemFachpublikum verständlich dürften dagegen Pas-sagen sein, die mit ausführlichem Formelwerkbestückt sind oder Seitenhiebe auf nicht nähererläuterte soziologische Theorien enthalten.

Etwas überzogen erscheint nicht nur der An-spruch, mit dieser Studie über Sachsen und ohnejeden regionalen Vergleich generalisierbare Aussa-gen zu treffen, sondern auch die ausdrücklich be-anspruchte „Einmaligkeit“ des Werkes, welchesich nicht nur auf die Erstellung neuer Hypothe-sen bezieht, sondern auch auf den handlungs-theoretischen Bezug und die multivariate Analy-se. Ein intensiver Blick in die einschlägigeForschungsliteratur wäre hier sicher redlicher,hilfreich für eine realistischere Selbsteinschätzungund der keineswegs ehrenrührigen Kumulationvon Forschungserkenntnissen dienlich gewesen.

Trotz aller Kritik im Einzelnen handelt es sichinsgesamt um ein wissenschaftlich sorgfältig gear-beitetes, nachvollziehbares und lesenswertes Werkmit interessanten Befunden – nicht zur Welt,aber doch zu Sachsen, wo bekanntermaßen(nicht nur) die schönen Mädels wachsen.

Bettina Westle

SOZIOLOGIE DER ARMUT

Christoph Butterwegge, Michael Klundt und Mat-thias Zeng: Kinderarmut in Ost- und West-deutschland. Wiesbaden: VS Verlag für So-zialwissenschaften 2005. 334 Seiten. ISBN3-531-14463-4. Preis: € 24,90.

Dieses Buch reiht sich in die Flut wissenschaft-licher Publikationen zu diesem Thema ein undknüpft an vorherige Bände von Butterwegge wieetwa „Kinderarmut in Deutschland. Ursachen,Erscheinungsformen und Gegenmaßnahmen“(2000), „Kinderarmut und Generationengerech-tigkeit. Familien- und Sozialpolitik im demogra-fischen Wandel“ (2002, zusammen mit Klundt)und vor allem „Armut und Kindheit. Ein regio-naler, nationaler und internationaler Vergleich“(2003, zusammen mit Karin Holm u.a.) an.Nach vorherigen Bestandsaufnahmen und Über-blicken über Armut unter Kindern und Jugendli-chen steht nunmehr ein Vergleich von Ost- undWestdeutschland im Vordergrund. Hierbei wer-den die bereits im Werk über „Armut und Kind-heit“ dargestellten sozialpolitischen Hintergrün-de, theoretischen Ausführungen über Ursachenund Gründe einer zunehmenden „Infantilisierungvon Armut“ im Zuge der (vermeintlichen) Glo-balisierung und des gesellschaftlichen Umbruchsin Ostdeutschland und empirischen Befundefortgesetzt. Erklärtes Ziel des Buches sind Be-schreibung und Aufdeckung von Ursachen, Er-scheinungsformen und Folgen von Armut aus in-terdisziplinärer Perspektive sowie der Versuch, ge-eignete Strategien zur Bekämpfung von Armutunter Kindern zu entwickeln. Bei diesem ambi-tionierten Vorhaben wird auf die wichtigsten Er-gebnisse des von Butterwegge geleiteten For-schungsprojektes zum Thema „Infantilisierungder Armut? – Gesellschaftspolitische Ursachenund psychosoziale Folgen in Ost- und West-deutschland“ zurückgegriffen. Datengrundlagebildet eine Querschnittsuntersuchung von Armutund Armutsfolgen bei ost- und westdeutschenKindern in der vierten Grundschulstufe. Hierzuwurden 9- bis 11-jährige Kinder in den beidenStädten Köln und Erfurt befragt.

Im ersten Kapitel des Buches werden die Ver-einigung beider Teile Deutschlands und die Glo-balisierung nicht nur als Herausforderungen fürden Sozialstaat angesehen, sondern als zentraleVoraussetzungen für den Anstieg von Armut un-ter Kindern. Diese stellen wiederum Herausfor-derungen für Beschreibung und Erklärung vonArmut unter Kindern im nationalen und interna-tionalen Vergleich dar. Tendenzen der neolibera-

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len Modernisierung von Sozial- und Wohlfahrts-staat, globaler Wettbewerb auf den Güter- undArbeitsmärkten („Globalisierungsarmut“), gestie-gene Arbeitslosigkeit und vermehrte Langzeitar-beitslosigkeit im ostdeutschen Transformations-prozess („Umbruchsarmut“), institutionelle Re-striktionen bei der Vereinbarkeit von Familieund Beruf zu Lasten der Mütter sowie verschärfteEinkommensbelastungen von Familien (infolgevon Arbeitslosigkeit der Eltern) bei einem gleich-zeitigen Ausbau des Niedriglohnsektors und Ab-bau des Sozialstaates („Doppelstruktur der Ar-mut“) sind die wichtigsten Stichpunkte, um Ent-stehung und Dauerhaftigkeit von Armut unterKindern einsichtig zu machen. Familien und ihreKinder sind den Autoren zufolge „Verlierer glo-baler Modernisierungsprozesse“, weil sie vor demHintergrund krisenhafter Arbeitsmarktentwick-lungen in zunehmendem Maße Opfer gesunke-ner Beschäftigungs- und Einkommenschancenwerden: „(Kinder-)Armut ist nicht nur praktischin der ganzen Welt verbreitet, sondern wurzeltauch in den Bewegungsgesetzen einer globalisier-ten Ökonomie. Sie lässt sich letztlich auf eineungerechte Weltwirtschaftsordnung zurückfüh-ren, wo der Neoliberalismus die Arbeits- bzw.Lebensbedingungen der Menschen und die So-zialstruktur der Gesellschaften tiefgreifend verän-dert“ (70). All diese Entwicklungen werden denAutoren zufolge vor allem in Ostdeutschland dieArmut unter Kindern mit all ihren Folgen fürderen persönliche Entwicklung verschärfen.

Im zweiten Kapitel erfolgt eine summarischeDarstellung der Armutskonzepte sowie des For-schungsstandes zum Thema des Buches. Mit demLebenslagenansatz wird von den Autoren einKonzept der „dualen Armutsforschung“ präfe-riert, das neben objektiven Aspekten von Armut(Einkommen, Erwerbssituation der Eltern, Fami-lienstruktur, Wohnsituation etc.) auch subjektiveDimensionen dieser Lebenslage (Zufriedenheit,subjektives Wohlbefinden und Gesundheit) sowiedie Ursachen von Armut mit dem Anspruch ei-ner empirisch fundierten Gesellschaftskritik erfas-sen und beleuchten soll. Abschließend werdenVerbreitung und Struktur von Armut unter Kin-dern sowie psychosoziale Armutsfolgen (gesund-heitliche Beeinträchtigungen, eingeschränkte Bil-dungschancen, Probleme sozialer Integration etc.)anhand vorliegender Forschungsergebnisse darge-stellt.

Im dritten Kapitel werden Stichprobe und Er-hebungsinstrumente für die Grundschulkinder inKöln und Erfurt diskutiert, wobei weder erklärtwird, warum die Untersuchung nicht repräsenta-tiv sein soll noch ersichtlich wird (151), wie an-hand des Vergleichs von 309 9- bis 11-jährigen

Grundschulkinder zweier Städte Aussagen überKinderarmut in Ost- und Westdeutschland ge-macht werden sollen. Auch die Konstruktion vondrei Lebenslagen („untere“, „mittlere“ und „obe-re“ Schicht), die recht unübersichtlich dargestelltwird, ist sowohl theoretisch als auch methodischmit vielen Fragezeichen zu versehen. Neben demkleinen Stichprobenumfang dürfte die von denAutoren vorgenommene Abgrenzung von Ver-gleichsgruppen die Plausibilität der vorgelegtenAnalysen einschränken.

Im vierten Kapitel erfolgt eine langatmigeund rasch langweilig werdende Darstellung de-skriptiver Befunde. Die Autoren beschränkensich auf bivariate Verteilungen von Lebenslagen-dimensionen über die „Schichten“, wobei bei ge-ringen Zellbesetzungen die pseudogenauen Pro-zentangaben mehr als fragwürdig sind. Auch wer-den Stärke bivariater Zusammenhänge und Diffe-renzen miteinander verglichener Gruppen, spricheinfachste statistische Kennziffern, nicht berich-tet. Die Unterschiede zwischen Köln und Erfurtsind in den meisten gemessenen Bereichen offen-sichtlich nicht so gravierend, wie in den vorher-gehenden beiden Kapiteln für die beiden TeileDeutschlands der Anschein geweckt wird. Fürbeide Städte wird festgestellt, dass sozial benach-teiligte Kinder bei Bildung und Gesundheit star-ken Belastungen und Risiken ausgesetzt sind, diesich wiederum auf Zufriedenheit und Wohlbefin-den der Kinder auswirken. Insgesamt beschränktsich die Darstellung empirischer Befunde aufeine recht simpel gehaltene Sozialberichterstat-tung, die in keiner Weise an die theoretischenAusführungen des Buches anknüpft. Auch bleibtdie Studie hinter den Ansprüchen der Autorenzurück, die Kinder in prekären Lebenslagen alsAkteure anzusehen, wenn nur ihre Befindlichkei-ten dokumentiert werden. Sicherlich ist es mitQuerschnittsdaten nicht möglich, die theoretischabgeleiteten Ursachen und Gründe von Armutunter Kindern empirisch zu überprüfen; aberdann fragt man sich als Leser schon, wofür dieschmale Datengrundlage und die eklektizistischeAneinanderreihung von Einzelbefunden letztend-lich stehen.

Die Schlussfolgerungen für die Bekämpfungder Kinderarmut in Deutschland (5. Kapitel),dass Armut unter Kindern nur zu bekämpfen sei,wenn die Folgen der Globalisierung und neolibe-ralen Modernisierung beseitigt oder abgemildertwerden (278), scheinen durchaus plausibel zusein, korrespondieren aber nicht mit den von denAutoren vorgelegten Untersuchungsergebnissen.Dieses Manko gilt auch für die vorgeschlagenenMaßnahmen und Strategien der Armutspräven-tion und Bekämpfung von Armut. So gesehen,

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Page 3: Christoph Butterwegge, Michael Klundt und Matthias Zeng: Kinderarmut in Ost- und Westdeutschland

besteht das Buch aus zwei nebeneinander stehen-den Teilen: Auf der einen Seite aus einer beschei-denen empirischen Untersuchung auf einerschmalen Datengrundlage und aus einer politischcouragierten Darstellung wichtiger Ursachen vonArmut unter Kindern und ihren Eltern, die miteinem eher verzweifelt wirkenden als empirischabgesichert erscheinenden Maßnahmenkatalogzur Bekämpfung von Armut abgeschlossen wird,wobei die ab und zu auftauchende Vermischungvon sozialwissenschaftlicher Erkenntnis mit poli-tischer Werthaltung aus wissenschaftstheoreti-scher Sicht mehr als störend wirkt.

Rolf Becker

VERSCHIEDENES

Peter Schüll: Motive Ehrenamtlicher. Eine sozio-logische Studie zum freiwilligen Engagementin ausgewählten Ehrenamtsbereichen. Berlin:Wissenschaftlicher Verlag 2004. 357 Seiten.ISBN 3-86573-022-1. Preis: € 40,–.

Empirische Untersuchungen belegen, dass rundein Drittel der erwachsenen Bevölkerung inDeutschland ehrenamtlich tätig ist. Auch wenndie Art des Engagements sehr vielfältig ist, sollteunstrittig sein, dass ehrenamtliche Arbeit insge-samt einen wesentlichen Beitrag zum sozialenAusgleich und zur demokratischen Kultur einerGesellschaft beisteuern kann. Ende der 1990erJahre wurde diese Bedeutung verstärkt erkannt,was sich nicht nur in einer Zunahme wissen-schaftlicher Untersuchungen, sondern auch imwachsenden politischen Interesse am Phänomen„Ehrenamt“ niederschlug. Auch wenn mittlerwei-le eine aus vielen Disziplinen hervorgebrachte,kaum überschaubare nationale und internationaleForschungsliteratur zum Thema „Ehrenamt“ exis-tiert, liefert die umfangreiche Studie von PeterSchüll zumindest in weiten Teilen einen interes-santen, lesenswerten Beitrag zum Forschungsthe-ma.

Primärziel des Autors ist es, durch seine Ana-lyse mehr über die Engagementmotive von eh-renamtlich Aktiven zu erfahren. Es ist anzuneh-men, dass eine zu diesem Zweck von Schülldurchgeführte kleine Befragung dieses Personen-kreises dabei eigentlich den Kern des Buches bil-den sollte. Nach der Lektüre muss man jedochfeststellen, dass sich die Relevanz des Buches fürdie aktuelle Ehrenamtsdebatte vielmehr aus derder empirischen Erhebung vorausgehenden inten-siven und kenntnisreichen, dabei gleichzeitig gut

lesbaren theoretischen Auseinandersetzung mitdem Thema ergibt. So legt bereits das einleitendeerste Kapitel die vielschichtige Interessenlage imöffentlichen Ehrenamtsdiskurs der vergangenenJahre offen und systematisiert dabei in anschauli-cher Weise die Hintergründe und impliziten An-nahmen unterschiedlicher Argumentationssträn-ge. Kapitel 2 knüpft nahtlos an, indem eine in-tensive Auseinandersetzung mit der schwierigenbegrifflichen Abgrenzung ehrenamtlicher Arbeiterfolgt. Peter Schüll entwickelt, gestützt auf eineReihe von Vorarbeiten anderer Autoren, ein hin-reichend komplexes, gleichzeitig jedoch nochhandhabbares, mehrdimensionales Analysesche-ma, das sowohl die theoretische Auseinanderset-zung mit als auch die empirische Erfassung vonehrenamtlichen Aktivitäten verbessern kann. Die-ses Schema berücksichtigt dabei nicht nur forma-le Unterscheidungskriterien wie etwa die Vergü-tung oder die Organisationsanbindung zur Ab-grenzung ehrenamtlicher Arbeit beispielsweisevon Netzwerkhilfe oder Erwerbsarbeit. Es fragtdarüber hinaus auch nach wesentlichen inhaltli-chen Unterschieden innerhalb der formal ähnli-chen Gruppe ehrenamtlicher Tätigkeiten (z.B.politische Ehrenämter, soziale Ehrenämter oderaber ehrenamtliche Arbeit in Sportvereinen).Gleichzeitig liefert der Autor auch eine argumen-tativ durchdachte Absage an den Modebegriff des„Bürgerschaftlichen Engagements“ und plädiertüberzeugend dafür, entweder den traditionellenBegriff „Ehrenamt“ beizubehalten oder aber deninsbesondere unter dem Aspekt der internationa-len Vergleichbarkeit geeigneten Begriff der „Frei-willigenarbeit“ zu verwenden.

Kapitel 3 kehrt anschließend wieder zur be-reits in der Einleitung thematisierten Frage nachden praktisch-politischen Hintergründen undwissenschaftlich-theoretischen Grundannahmenunterschiedlicher Stränge der aktuellen Ehren-amtsdebatte zurück, die im aktuellen Diskurs bis-weilen zu wenig hinterfragt werden. So differen-ziert Schüll die „Debatte um die ,Neue Ehren-amtlichkeit‘“ von liberal-individualistischen undkommunitaristischen Perspektiven. Er macht sodeutlich, wie das den einzelnen Argumentations-weisen implizit zugrunde liegende, jedoch seltenexplizit formulierte Menschenbild die theoreti-sche Herangehensweise, den Fokus empirischerAnalysen und die Zielrichtung sozialpolitischerKonzepte entscheidend beeinflusst.

Kapitel 4 bildet das Verbindungsglied zwi-schen den grundlegenden theoretischen Erörte-rungen der ersten drei Kapitel und der Darstel-lung und Interpretation der Befragungsergebnisseder Kapitel fünf bis acht. In der Auseinanderset-zung mit psychologischen und soziologischen

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