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* Vorbemerkung 2/2016 * Diese Arbeit schrieb ich vor 20 Jahren 1996 an der Universität Leipzig als Hausarbeit im Fachbereich Rechtsgeschichte / Rechtsphilosophie mit freier Themenwahl noch mit Schreibmaschine und Tippex und mit Fußnoten aus dem „Duden“ und dem Leipziger Antifamagazin „Klarofix“ zitierend. Ich habe mich entschlossen, in anbetracht der aktuellen politischen Situation, in der wieder Flüchtlingsheime brennen und die politische Gesellschaft weit nach Rechts driftet neurechte Bewegungen und Parteien wie die Alternative für Deutschland (AFD, Pegida oder „die Identitären“ Erfolge feiern, es wieder pogromartige Aufrufe gibt, „zu Mistgabeln zu greifen“ (Tatjana Fensterling), Begriffe wie „Lügenpresse“, “Volksverräter“ an die Sprache des „dritten Reiches“ erinnern, aber auch die absurden Asylrechtsverschärfungen der Politik an die Situation an 1992 denken lassen, mir die Mühe zu machen, diese Arbeit noch mal abzuschreiben mit nur kleinen Editierungen. Vieles würde ich heute nicht mehr so schreiben, der Vergleich zum Linksterrorismus 1977 am Ende ist ziemlich misslungen und politisch zweifelhaft, so auch die Behauptung, die Studentenbewegung sei - wenn auch ungewollt - Wegbereiter des Terrorismus gewesen. Aber vieles andere, so die historische Entwicklung rechtextremer Strukturen und die große Frage, wie es zum Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) kommen konnte (das visionäre Zitat „wir befinden uns in einer „vorterrorstischen Phase“ oder Entwicklungen von Parolen wie „Wir sind ein Volk“ eine Parole der NPD 1985, heute wieder von rechtem Mob zuletzt in Clausnitz verwendet und die Ähnlichkeit der Rhetorik etwa von Björn Höcke mit den biologistischen Rassismen des sog. Heidelberger Manifestes 1981, oder die programmatische Ähnlichkeiten der „Deutschen Alternative“ Michael Kühnens oder der „Nationale Alternative“ in Ostberlin, die man durchaus als Vorläufer der AFD sehen kann, finde ich auch heute noch, nach wie vor lesenswert. Wehret den Anfängen! *

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* Vorbemerkung 2/2016 *

Diese Arbeit schrieb ich vor 20 Jahren 1996 an der Universität Leipzig als Hausarbeit im Fachbereich Rechtsgeschichte / Rechtsphilosophie mit freier Themenwahl noch mit Schreibmaschine und Tippex und mit Fußnoten aus dem „Duden“ und dem Leipziger Antifamagazin „Klarofix“ zitierend.

Ich habe mich entschlossen, in anbetracht der aktuellen politischen Situation, in der wieder Flüchtlingsheime brennen und die politische Gesellschaft weit nach Rechts driftet neurechte Bewegungen und Parteien wie die Alternative für Deutschland (AFD, Pegida oder „die Identitären“ Erfolge feiern, es wieder pogromartige Aufrufe gibt, „zu Mistgabeln zu greifen“ (Tatjana Fensterling), Begriffe wie „Lügenpresse“, “Volksverräter“ an die Sprache des „dritten Reiches“ erinnern, aber auch die absurden Asylrechtsverschärfungen der Politik an die Situation an 1992 denken lassen, mir die Mühe zu machen, diese Arbeit noch mal abzuschreiben mit nur kleinen Editierungen.

Vieles würde ich heute nicht mehr so schreiben, der Vergleich zum Linksterrorismus 1977 am Ende ist ziemlich misslungen und politisch zweifelhaft, so auch die Behauptung, die Studentenbewegung sei - wenn auch ungewollt - Wegbereiter des Terrorismus gewesen.

Aber vieles andere, so die historische Entwicklung rechtextremer Strukturen und die große Frage, wie es zum Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) kommen konnte (das visionäre Zitat „wir befinden uns in einer „vorterrorstischen Phase“ oder Entwicklungen von Parolen wie „Wir sind ein Volk“ eine Parole der NPD 1985, heute wieder von rechtem Mob zuletzt in Clausnitz verwendet und die Ähnlichkeit der Rhetorik etwa von Björn Höcke mit den biologistischen Rassismen des sog. Heidelberger Manifestes 1981, oder die programmatische Ähnlichkeiten der „Deutschen Alternative“ Michael Kühnens oder der „Nationale Alternative“ in Ostberlin, die man durchaus als Vorläufer der AFD sehen kann, finde ich auch heute noch, nach wie vor lesenswert.

Wehret den Anfängen!

*

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Ein Deutscher Herbst 1? Terrorismus von Rechts im wiedervereinigten Deutschland

Entwicklung des Rechtsextremismus, Problemstellungen und der Versuch eines Vergleichs zu 1977

Stud, Jur Jochen Schwarz Matrikel Nr 7356738 Karl - Heine Str. 108, 04229 Leipzig10 Fachsemester Prof. Dr Wolfgang Schild, Institut für Strafrechtsgeschichte und Rechtsphilosophie

HAUSARBEIT

18.07.1996

(Bewertung: 12 Punkte - gut)

1 Begriff unter anderem von Hans Christian Ströbele im Prozess gegen die Brandstifter von Mölln, Ströbele als Nebenklagevertreter in Brandmale, a.a.O. S 112

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Gliederung

I Überblick

1. Vorwort2. Begriffe

a. Terrorismusb. Rechtsradikalismusc. Rechtsextremismusd. Politisch motivierte Gewalt

3. Zahlen und Fakten a, Gesetzesverletzungen mit rechtsterroristischer Motivation b, Rechtsextremistische Gruppierungen 1992 – 1995 c, Anschläge, Pogrome 1990 – 1995 (Auswahl) 4. Vorschriften und Normen a. Strafrecht b. Strafverfahrensrecht und Nebengesetze c. Öffentliches Recht

II. Entwicklung rechtsextremer Gewalt, ein Blick auf die Historie1. 1945 - 1989 in Westdeutschland2. 1945 – 1989 in Ostdeutschland / DDR3. 1990 – 1995 im wiedervereinigten Deutschland

III. Hintergründe, Erscheinungsformen und Entstehung rechtsextremer Gewalt 1. Subkulturelle Kommunikationsformen a, Skinheads b, Sonstige, lose Gruppierungen2. Maßnahmen und „Therapien“

IV Versuch eines Vergleichs zur Situation 1997 (des Linksterrorismus)1. Gemeinsamkeiten2. Unterschiede

Anmerkung: Wenn im Folgenden in den Bezeichnungen der Personengruppe, der Namen bzw. der Organisationen die weibliche Form nicht explizit genannt wird so geschieht dies aus rein technischen und organisatorischen Gründen, Eine Benachteiligung ist nicht beabsichtigt.

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**

„die Presse berichtete über Rekordverkäufe an Baseballschlägern bei keinem einigen verkauften Baseball“ Leipzig, 3.10.1990 2

„manche meinen, lechts und rings kann man nicht verwechsemwerch ein illtum!

Ernst Jandl, Lichtung (1976)

*

I. Überblick

1.Vorwort

Hysterie, Sensitivität, Polemisierung, dies sind zumeist die Reaktionen, die die Thematik des Terrorismus hervorruft:; hier gibt es seltsamerweise eine erstaunliche Übereinkunft zwischen Bevölkerung, Presse und staatlicher Gewalt. Spätestens mit dem als „Deitschen Herbst“ im nachhinein bezeichneten Jahr 1977, als die Rote Armee Fraktion (RAF) versuchte, ihre Gefangenen freizupressen, seit dem Mord an Hans Martin Schleyer und den nachfolgenden Stammheimer Prozessen und der Suche nach dem Sympathisanten der RAF Ende der 70er anfang der 80eer Jahre3 herrscht Nervosität unter den mit dem Problem des Terrorismus konfrontierte Personen.

Dass dies bezüglich des Linksterrorismus auch in den 90er Jahren nicht anders ist belegen eindrucksvoll die Ereignisse in Bad Kleinen 1994 um Birgit Hogefeld und Wolfgang Grams. 4

In der Soziologie werden solche „wild-westartigen“ Auseinandersetzungen euphemistisch als „Interaktion“ deklariert zwischen stattlicher Kontrolle und den Straftätern, deren politisch motivierten Ziele ja die Repräsentanten des Staates selbst sind. 5

Wie aber gestaltete sich die Situation nach der Wende 1989 auf der rechten Seite? Waren denn die Brandanschläge, die Morde in den vergangenen sechs Jahren nicht als rechter Terrorismus zu qualifizieren, wie diesen neben anderen auch Bodo Morshäuser so bezeichnet? 6 Lässt sich gar ein Vergleich zur Lage 1977 ziehen, so wie es Claus Leggewie und Jörg Bergmann in ihrem Aufsatz “Die Täter sind unter uns“7 nach dem Hünxer Anschlag 1992 es tun? Wie regiert die Justiz, wie interagiert die Polizei, wie lassen sich Motive der Täter erklären, welche Organisationsformen bestehen und haben sich entwickelt ?

Bei der Fülle der Informationen kann diese Arbeit nur ein Problemaufriss sein, sie will demnach auch nur einen kleinen Einstieg in den Bereich des Rechtsextremismus in der Bundesrepublik geben, verweisen auf die komplexen Vernetzungen, auf die subkulturellen Erscheinungsformen und Beziehungen untereinander.

2 Leipzig ganz rechts, a.a.o S 243 Vgl. u.a. Aust, a.a.O Der Baader Meinhof Komplex, Heinrich Böll, freies Geleit für Ulrike Meinhof in Vaterland, Muttersprache, a.a.O S. 283 4 die Zeit, Dossier vom Nov, 1994 5 Eisenberg a.a.O S 9216 Morshäuser, a.a.O S 197 Kursbuch „Deutsche Jugend“ a.a. O S. 7f.

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Dazu soll auch der abschließende Vergleich zum Linksterrorismus dienen.

2.Begriffe

a, Terrorismus Das aus dem Lateinischen stammende Wort bezeichnete ursprünglich eine Herrschaft des Schreckens8, entwickelte sich jedoch immer mehr auf den politischen Bereich zu, so dass heutzutage Terrorismus als ein Verursachen von Angst und Schrecken zur Durchsetzung des eigenen willens bzw. von Machansprüchen im persönlichen und staatlichen Bereich zu verstehen ist. 9 Juristisch wird der Begriff nicht definiert, allerdings wird eine katalogartige Aufzählung der Straftatbestände in § 129 a StGB vorgenommen und so der Bereich des Terrorismus umrissen. (Dazu i.F unter 3.) Kennzeichnend für den § 129a StGB ist die Organisationsform der terroristischen Vereinigung.. Der Alleintäter wird demnach nicht darunter erfasst. b, Rechtsradikalismus

Wurde früher das Wort „radikal“ dazu verwandt, eine Gruppe oder Organisation als verfassungsfeindlich zu charakterisieren, so gebrauchte man in der Folgezeit des öfteren den Terminus „extrem“ hierfür, so dass die Grenzen zwischen Radikalismus und Extremismus wohl als fließend 10 zu bezeichnen sind. Auf eine längere Geschichte im deutschsprachigen Raum kann dabei der Begriff „radikal“ zurückblicken, wurde er schon im Vormärz und in der deutschen Arbeiterbewegung für linksgerichtete Personen verwendet.11

Im allgemeinen Sprachgebrauch wird wohl in neuerer Zeit entweder eine synonyme Verwendung der Begriffe vorgenommen, eine Entwicklung hin zum „Extremismus“ als das schärfere, weniger „abgenutzte“ Wort schein sich abzuzeichnen, so auch in der juristischen Terminologie des Bundesverfassungsgericht.12

c, Rechtsextremismus

Als extremistisch gelten Bestrebungen, die darauf angelegt sind, eine oder mehrere Prinzipien der freiheitlich - demokratische Grundordnung dauerhaft abzuschaffen.13 Nach anderer Definition werden alle antidemokratichen Gesinnungen und Bestrebungen darunter erfasst.14 Welche Merkmale nun für einen genuinen Extremismus/Radikalismus von Rechter Seite kennzeichnend sind, so hoffe ich im Folgenden Aufschluss darüber geben zu können.

Im übrigen sei auf das Zitat von Ernst Jandl zu Anfang verwiesen

d, Politisch motivierte Gewalt

8 Duden, a.a,O S.6819 Bertelsmann, Lexikon, a.a.O Bd.4, S37710 Otto/Mertens a.a.O S 1711 Backes, a.a.O S 3912 Vgl. Wagner a.a.O S7, Backes a.a.O S3913 Backes, a.a.O S 47414 Wagner. a.a.O S7

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Strafrechtlich umfasst der Begriff alle Delikte, die im StGB als politische Straftaten ausgewiesen sind; nach der psychologischen Definition wird der Blick auf die Motivation der Täter gelegt, der zur Erhaltung oder Veränderung politischer Systeme ihrer Machterhaltung und Struktur mit kriminellen Mitteln 15 Gewalt ausübt.

3. Zahlen und Fakten

a, Gesetzesverletzungen mit rechtsorientierter Motivation16

vor 1989 : jährlich durchschnittlich 209 Gewalttaten1989: 1853 Gesetzesverletzungen / 1483 Gewalttaten1990: 1848 Gesetzesverletzungen / 1483 Gewalttaten1991: 3884 Gesetzesverletzungen / 1483 Gewalttaten1992: 7121 Gesetzesverletzungen / 2683 Gewalttaten1993: 7583 Gesetzesverletzungen / 1820 Gewalttaten1994: 7952 Gesetzesverletzungen / 1233 Gewalttaten1995: 7896 Gesetzesverletzungen / 837 Gewalttaten

b, Rechtsextremistische Gruppierungen 1992 – 1995

1992: ca 42700 Personen 1993: ca 42500 Personen1994: ca 57470 Personen1995: ca 47240 Personen

Für den Zeitaum 1992 / 93:

- 6000 davon militant, (grösstenteils Skinheads)- 67% unter 20 Jahren- 4% der Ermittlungen richten sich gegen Frauen - ca 950 nicht organisierte neonazistische Personen - 80 Rechtsextreme Organisationen

c, Anschläge, Pogrome 1990 – 1995 (Auswahl)

Nationale und internationale Bekanntheit erlangten in de letzten fünf Jahren folgende mit nachgewiesen rechtsextremer Motivation begangene Straftaten:

Eberwalde, November 1990 Mord an Angolaner Amadeu Antonio Dresden, März 1991 Mord an Mosambikaner Jorge João GomondaiHoyerswerda, September 1991, Brandanschlag und Pogram auf AsylbewerberheimHünxe, Oktober 1992 Brandanschlag auf Asylbewerberheim Rostock, August 1992 Brandanschlag auf Asylbewerberheim und mehrtägiges Pogrom Mölln, November 1992 Brandanschlag auf Wohnhaus, 3 ToteSolingen, Mai 1993 Brandanschlag 5 ToteMagdeburg, Mai 1994, Hetzjagd auf AusländerLübeck, April 1995 Brand der Synagoge

15 Schneider. a.a.O S862 f.16 Zahlen nach Bundesamt für Verfassungsschutz, Archiv für Sozialpolitik und Konkret

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Lübeck Januar 1996 Brandanschlag auf Asylbewerberheim 10 Tote (rechtsextreme Motivation noch nicht erwiesen)

4. Vorschriften und Normen, die in Zusammenhang mit rechtsgerichteter Gewalt Anwendung finden:

a, Strafrecht (Normen des StGB)

- § 211, 212 Mord, Totschlag (das Motiv des Ausländerhasses ist ein „niedriger Beweggrund“17

- § 306 ff. Brandstiftungsdelikte - § 125, 125 a Landfriedensbruch, schwerer Landfriedensbruch (z.B. mit Waffen)- § 129 Bildung krimineller Vereinigungen - § 129 a Bildung terroristischer Vereinigungen: Strafbar ist das Gründen, Werben oder Unterstützen einer Vereinigung, deren Ziele sich auf einige der terroristischen Aktivitäten typische Straftatbestände erstreckt. Diese Straftatbestände werden durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz von 1986 erweitert sie umfassen unter

anderem Delikte gegen das Leben, Brandstiftungsdelikte. Als Vereinigung gilt jede auf Dauer angelegte Verbindung von mehr als 2 Personen zu einem gemeinsamen Ziel mit einem Mindestmass an Organisation.18

- §130 Volksverhetzung. Im § 130Absatz 2 wurde auch explizit die so genannte Auschwitzlüge durch das Verbrechensbekämpfungsgesetz von 1994 unter Strafe gestellt 19

- § 131 Aufstachelung zum Rassenhass- § 185 ff. Beleidigung und Verleumdungsdelikte, üble Nachrede, Verunglimpfung der Andenken Verstorbener - § 84 Fortführen einer verfassungswidrigen Partei- § 85 Verstoß gegen das Vereinsverbot- § 86 Verbreitung von Propagandamitteln verfassungsfeindlicher Organisationen - § 87 Verwendung von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen

b, Strafprozessrecht und Nebengesetze

- 163 d StPO Schleppnetzfahndung (polizeiliche Kontrolle und Datenspeicherung)20

- Kronzeugenregelung für §§129a und 31 BtMG (seit 1992)- Kontaktsperregesetz §§ EGGVG für Strafgefangene im Zusammenhang mit §129a

StGB- § 120 a Abs. 2 GVG Zuständigkeit des Generalbundesanwalts für terroristische

Gewalttaten (seit 1986 Terrorismusbekämpfungsgesetz)- §100 StPO Zulässigkeit von Abhörmaßnahmen bei Verdach des § 129a - Gesetz zu § 10 GG Zulässigkeit zur Errichtung polizeilicher Kontrollstellen

c. Öffentliches Recht

- Parteiverbote, Art 21Abs.2 S.2 GG: Die Verfassungswidrigkeit von Parteien wird durch das Bundesverfassungsgericht festgestellt

17 BGH NJW 1994, S.39518 19 Vgl. NJW 1995 S.553-56720 Vgl. Kühl NJW 1987, S 737 – 747 zur Schleppnetzfahndung

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- Vereinsverbote: § 3 Vereinsgesetz: Die nach Art 9 Abs. 2 GG verfassungswidrigen Vereine werden durch den Innenminister für verboten erklärt

- Versammlungsverbote: § 15 Abs.1 Vereinsgesetz: Für Aufzüge und Aufmärsche, sofern verfassungsfeindliche Ziele verfolgt werden (Gefahrenprognose)

- Art 18 GG Verwirkung von Grundrechten: Wird durch das Bundesverfassungsgericht festgestellt, .B im Zusammenhang mit der Verbreitung der Auschwitzlüge

*

II. Entwicklung rechtsextremer Gewalttaten – Ein Blick in die Historie

1. 1945 – 1989 in Westdeutschland

Nach dem Zusammenbruch des „3.Reiches wurden rechtsgerichteten Verbände und Parteien durch die alliierten Kotrollmächte eine besonderen Beobachtung zuteil, so dass es abgesehen von vereinzelten Schändungen jüdischer Friedhöfe erst Anfang der 50er Jahre zu ersten Versuchen kam, nationale Gedanken in organisierter Form wieder zu beleben. Erwähnt sei vielleicht noch das geheinmisvollen, teilwese auch mit rechtsorientierten Gedanken spielenden Treiben der Edelweisspiraten zur Nachkriegszeit, ein Jugendbund, der durch besatzungsfeindliche Aktionen auf sich aufmerksam machte. 21

So wurde die 1949 gegründete, 1952 wieder verbotene Sozialistische Reichspartei (SRP) zu einem ersten Sammelbecken rechtsgerichteter Organisationen nach Ende des Krieges. Aus ihr entsprang die 1962 gegründete und heute noch überaus aktive Wiking Jugend (WJ), die als Jugendgruppe in Wehrsportlagern „ausbildet“- Sie wurde zurecht als eine Art „Durchlauferhitzer für nationalsozialistische Karrieren“ genannt und erst 1994 für verboten erklärt.22

Weitere Jugendbünde waren der konspirativ arbeitende Technische Dienst (TD) sowie der Bund nationaler Stundenten (BNS); diese knüpften zusammen mit dem Dachverband agierender Kameradschaftsring Nationaler Jugendverbände (KNJ) an die völkische „Traditionen“ der Hitlerjugend an, wurden jedoch im Zuge antisemitischer Parolen auf Friedhöfen 1959/60 verboten. Bis auf einige Vertriebenenorganisationen - wie z.B. der Deutschen Sozialen Union Otto Strassers (ein Vorläufer der heutigen DSU) - war es bis mitte der 60er Jahre relativ ruhig um die politische Rechte in der Bundesrepublik. 1964 gründete sich die Nationale Partei Deutschlands (NPD) aus Mitgliedern ähnlich orientierter Gruppierungen (mit bis zu 70 Splittergruppen) neu; ihr gelang es, de latent vorhandenen antiliberalen autoritären Strömungen zu jener Zeit zu aktivieren, so dass ihr Ende der 60er Jahre der Sprung in die Landtage vergönnt war.23 Zwischenzeitlich umfasste die Partei bis zu 25.000 Mitglieder, erreichte bis zu 8% der Stimmen bei Landtagswahlen. Aus ihr entsprang die Organisation der Jungen Nationaldemokraten (JN), die nach dem Niedergang der NPD in den 70ern radikaler und militanter als ihre Mutterpartei auftrat und

21 Vgl. dazu ZEIT Dossier 19-4-1996, S.13f.22 Dudek, S 12723 Assheuer, S.23

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noch heute als aktive Kaderorganisation einzustufen ist. So bereitete sie 1993 den Gedenkmarsch für Rudolf Heß vor.24

Anfang der 70er Jahre veränderte sich das Erscheinungsbild rechtsextremer Aktivitäten wohl im Zuge der sozial-liberalen Koalition, der Studentenbewegung und den Anfängen des Linksterrorismus merklich. Zum einen bildeten sich erste militante außerparlamentarische Kreise, die Anzahl der rechtsterroristischen Gewalttaten steig erheblich an. In dem Zusammenhang seien auch die Ordnerdienste der NPD erwähnt, die 1968/70 mit ihrer Aktion „Widerstand - Brand an die Wand“ für Aufsehen sorgte und sogar als „APO von rechts“ bezeichnet wurde. 25

Noch einen Schritt weiter gingen die paramilitärischen Wehrsportgruppen (WSG) um Karl Heinz Hoffmann sowie die eher als anti-imperialistische agierende Anhänger Walter Kexels und Ottfried Hepps, die vielleicht als erste terroristische Gruppierung von rechter Seite nach 1945 bezeichnet werde könnte.26 Als „Höhepunkt“ dieser Entwicklung waren Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann - so Gundolf Köhler- in den Anschlag auf das Münchner Oktoberfest 1980, bei dem 13 Menschen ums Leben kamen verwickelt.

Weitere Anschläge dieser Art, insbesondere auf Asylbewerberheime wurden durch die Deutschen Aktionsgruppen von Manfred Roeder begangen. Zu jener Zeit zeigte sich eine schon bei der Verschiedenheit der Zielobjekte deutlich werdende Trennung, eine sich abzeichnende Aufspaltung der des rechtsextremen Lagers: so verstanden sich die Terroristen Kexel und Hepp national und anti-imperialistisch, die Ziele und Methode ließen sich durchaus mit denen der RAF (Rote Armee Fraktion) auf linker Seite vergleichen, während selbstbekennender Hitler-Anhänger Roeder revisionistisch, nationalkonservative Züge vertrat und diese im übrigen bis heute noch vertritt Vgl. seine „96 Thesen zum Lutherjahr“ im Juni 1996.27

Dabei lässt sich schon die zweite wesentliche Neuerung der rechtsextremen Szenerie erkennen, die sich gegen Ende der 70er/ Anfang der 80er bildete: Anzeichen einer ideologisch philosophischen Wende, Spaltung in „Neue“ und „alte Rechte“. Gleichzeitig ließen sich jedoch auch Vernetzungstendenzen durch Presse, Verlage und dessen Unterstützungsorganisationen verzeichnen. Ein nationales und internationales Zusammenwirken rechtsgerichteter Vereinigungen begann.

Vordenker der Neuen Rechten war der französische Philosoph Alain de Benoist28 auf dessen Thesen noch in den nachfolgenden Anhang: Die Neue Rechte und der Rechtsintellektualismus und die Ideologie der Rechten en Detail eingegangen wird. Benoists Einfluss (bzw. der der Novelle Droite) auf den deutschen Neonazismus, insbesondere auf die Leitfigur Michael Kühnen war enorm und trug er, bei, dass den gewalttätige rechtsradikale Aktionen in den 80ern ein ideologisches Fundament gegeben wurde.

Dieser Bruch mit dem Antiintellektualismus der Rechten stand auch im engen Zusammenhang mit der Einrichtung von Podien um die Verbreitung der Gesinnung zu sichern. So wurde schon Anfang der 60er Jahre die Gesellschaft für freie Publizistik (GFP); diese will die Beziehung zwischen Verlegern, Journalisten, Publizisten zu den

24 Wagner S 4925 Assheuer S 5726 Wagner, S 4927 Assheuer, S 5728 Vgl. dazu Assheuer S 57

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rechtsorientierten Lagern fördern, sie fordert infolgedessen Freiheit für die Verbreitung Ideen- und Politikvorstellungen.29

Eher sozialdarwinistische, biologisch-rassistische Thesen vertritt die Gesellschaft, Eugenik und Verhaltensforschung. Aufgabe sei die Rehabilitierung der Rassentheorie. 30

Bedeutende Verlage waren die schon seit den 50er Jahren bestehende, jedoch erst im Zuge der Neuen Rechten zu „Ehren“ gekommende Grabert Verlag, der insbesondere revisionistiche Literatur vertreibt – so unter anderen über den von Ernst Nolte angeführten „Historikerstreit“ oder 1978 den „Auschwitz Mythos“ von Wilhelm Stäglich.31 sowie der Nation Europa Verlag, der die gleichnamige Zeitschrift herausgibt, Beziehungen in neuerer Zeit zur Deutschen Liga Für Volk und Heimat (DL) pflegt und als „Pangermanisch“ zu bezeichnen ist indem er das „kulturelle Erbe des Abendlandes“ zu bewahren versucht. Die politische Zeitschrift „Nation Europa“ (Auflage ca. 8000 Exemplare) seit 1990 zusammen mit den Deutschen Monatsheften herausgegeben ist nicht nur wegen der europäischen Ausrichtung und des Verbreitung als eines der bedeutensten Periodika zu bezeichnen, umfasst doch das Spektrum Positionen der Neuen Rechten, der Revisionisten seit Mitte der 80 er aber auch der Republikaner und anderer Rechtsorientierte Strömungen. 32

Criticon und Mut nennen sich zwei weitere durch die Intellektualisierung der Rechten wesentlich gewordene Zeitschriften; beide theoretisch, konservativ, antiwestlich dabei. Besonders Mut gelang es dabei immer wieder, durch Beiträge prominenter dem Rechtsradikalismus unverdächtiger Autoren (Daniel Cohn-Bendit u.a.) ein Anschein pluralistischer Meinungsbildung zu erreichen. Lediglich 1979 setzte die Bundeszentrale Jugendgefährdender Schriften (BJS) nach einem Artikel zur Fernsehserie „Holocaust“ die Zeitschrift kurzzeitig auf den Index. Diese Publikationen stehen dabei an der Spitze etlicher Verlage, Zeitschriften und Gesellschaften, die an der Schwelle zwischen Rechtskonservatismus und Rechtsradikalismus besonders in den 80er Jahren wesentliche Beiträge zur Verbreitung rechten Gedankenguts an die Bevölkerung lieferte.33

Internationale Vernetzungen begannen Mitte er 70er Jahre nach Nordamerika zur dortigen NSDAO/AO (AO steht für Aufbau und für Auslandsorganisation) und zu dessen Chef Gary Lauck, Herausgeber des NS – Kampfrufs. So ist in den USA weder die Partei verboten noch die Vertreibung verfassungsfeidlicher Propagandamittel und -symbole strafbar. Lauck traf sich in den 80ern sowie Anfang der 90er desöfteren in Berlin mit führenden Nationalsozialsten (u.a. Michael Kühnen und Ingo Hasselbach.34

Ein ähnliches Ausnutzen des liberalen Straf- und Versammlungsrechts wurden in neuerer Zeit durch Rechte auch in den BeNeLux Staaten sowie in Dänemark registriert. So gab es einen Aufmarsch rechter Skinheads in Lexemburg und ein offen rechtsextremer Radiosender wurde in Dänemark zugelassen.

Eine weitere wichtige Figur stellte Friedhelm Busse und dessen Partei der Arbeit dar, die sich 1975 in „Volkssoziaistische Bewegung/ Partei der Arbeit (VSBA/PDA) umbenannte. Busse als deren Vorsitzender verstand Gewalt als legitimes Mittel zur zum Widerstand. Sein

29 Wager S 16130 Wagner S 160 31 Wagner S169 32 Backes, S127,128; Assheuer S.6033 Assheuer, S 61 und im Überblick: Wagner S.157 ff.34 Hasselbach, S.77/78

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Grundsatzpapier wies Ähnlichkeiten mit dem 25 Punkte Programm der NSDAP auf.35 Aus den Reihen der VSBA/PDA erfolgten verschiedene Terroranschläge 1980 - 1982 bei denen Methoden und Struktur der RAF verwendet und kopiert wurden: Es gab Sprengstoffanschläge und militante bewaffnete Aktionen, die Mitglieder arbeiten in der Illegalität. Die Partei wurde deshalb 1983 verboten und Busse verurteilt, allerdings nur wegen Kleinstdelikte, so dass er sich 1989 eindrucksvoll als Vorsitzender der Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP) in der Szene zurückmelden konnte.

Das Jahr 1980 kann in vielerlei Hinsicht als bedeutsames Datum in der Entwicklung des Rechtsterrorismus gelten, nicht nur wegen ds Anschlags auf das Münchner Oktoberfest, auch erste Angriffe auf Asylbewerberheime durch die Deutschen Aktionsgruppen Roeders sowie der Terror der VSBA/PDA Mitglieder sprechen hierfür und ließen das Ausland aufhorchen. Jene militante Entwicklung belegen auch folgende Aussagen der beiden führenden Rechtsextremen zu der Zeit. 36

„Wenn man uns zwingt, werden wir mit den entsprechenden Mitteln reagieren“(Busse, 1981)

„Nach 8 Jahren war der legale Weg erschöpft, der Kampf muss jetzt auf einer anderen Ebene mit noch größerer Entschlossenheit fortgeführt werden, denn wir werden niemals tatenlos zusehen, wenn Deutschland zerstört wird, entweder wir werden siegen oder untergehen.(Manfred Roeder 1981)

Zwischen 1968 und 1988 wurden 27 Menschen durch rechtsterroristische Anschläge getötet, es gab 97 Brandstiftungen und 33 Sprengstoffanschläge. 37

Ideologische Unterstützung wurde dabei durch die in Auflösung begriffene NPD geleistet, die bei der Bundestagswahl 1980 ihr Programm radikal änderte und mit der Parole „ Ausländerstopp - Deutschland den Deutschen“ antrat. Auf den sich abzeichnenden ausländerfeindlichen Weg begab sich der damalige stellvertretende NPD Vorsitzende Günter Deckert mit seinem 1981 erschienenen “Handbuch der Überfremdung“. 38

Deckert trat Anfang der 90er Jahre wieder in Erscheinung als er die „Auschwitzlüge“ übersetzte, deshalb wurde er mehrmals wegen Volksverhetzung und anderer Delikte verurteilt. Für Aufsehen sorgte 1994 ein Urteil des Landgerichts Mannheim, das ihm eine „verantwortungsvolle Persönlichkeit“ bescheinigte und der „charakterstarken Person mit klaren Grundsätzen“ ein mildes Urteil zusprach.39 Das Urteil wurde später wieder aufgehoben ob jedoch solche Sätze wie :

“nicht außer acht gelassen wurde auch die Tatsache, dass Deutschland auch 50 Jahre nach Kriegsende weitreichenden Ansprüchen politischer, moralischer und finanzieller Natur aus der Judenverfolgung ausgesetzt ist, während die Masenvernichtung anderer Völker ungesühnt blieben“

im Urteil jemals aufgehoben werden können?

35 Assheuer. S 8636 Assheuer S.2437 Assheuer S 8638 Assheuer, S2439 Vgl dazu Bertram, Anmerkungen zum Urteil der 6.Strafksammer des Landgerichts Mannheims vom 22.6.1994, NJW 94, 2002 f.

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Eine andere „Persönlichkeit“ des rechtsextremen Lagers war und ist Gerhard Frey, Jurist und Verleger. Er gründete 1971 die Deutsche Volksunion (DVU), die zeitweise als DVU/Liste D mit der NPD fusionierte. Deren politische Ausrichtung wird man erahnen können, wirft man einen Blick auf die parteiorganähnliche Deutsche Nationalzeitung, die aus der Deutschen Soldatenzeitung hervorging. Die Überschrift der Ausgabe Nr 23/1992 über einem Foto, das einen orthodoxen Juden Darstellt, lautet: “Wer hat in Deutschland das Sagen?“. Darin wird unter anderem ein Deutschland in den Grenzen von 1945 gefordert, es publiziert der Revisionist David Irving, der durch das öffentliche Präsentieren der „Auschwitzlüge“ in Ostdeutschland 1990/91 für Aufsehen sorgte.40 Weiterhin herrschen deutlich antieuropäische und antiamerikanische Töne (z.B im Sinne einer „Jüdischen Weltverschwörung“ in der Zeitung vor. Frey´s DVU ist heute eine der größten antidemokratischen Organisationen, sie umfasst ca. 36.000 Mitglieder41 und gilt insbesondere deshalb als sehr gefährlich, da ihre Existenz im Gegensatz zu vielen anderen Parteien oder Vereinen finanziell, juristisch und in journalistischer Hinsicht gesichert ist. So verlegt Frey auch durch seinen Medienkonzern weitere rechtsextreme Devotionalien wir Filme, Bücher, Schallplatten, die insbesondere bei Jugendlichen häufig Verbreitung finden. Schwerpunkte seiner über den freiheitlichen Buch – und Zeitschriftenverlag (FZ Verlag) vertriebene Medien sind Berichte über die NS Zeit.42

In neuerer Zeit wurden Kontakte zur russischen rechtsradikalen Liberaldemokratischen Partei Wladimir Schirinowski´s aufgenommen, der auch in der DNZ publizierte.

Mitte der 80er wurde es etwas ruhiger bezüglich militanter Anschläge, doch unter der Oberfläche bahnte sich eine neue Welle rechtsextremen Denkens an im Zusammenhang mit er Thematisierung der Asyl- und Ausländerpolitik.. Die NPD machte 1980 den Anfang, die 1983 gegründeten Republikaner vereinnahmte die Problematik gänzlich, später gesellte sich die CDU/CSU hinzu. Wenig Themen wurden so für eigene Zwecke instrumentalisiert selten zuvor wurden Diskussionen so emotional geführt wie zu jener Zeit. Der Wahlkampfspot der Republikaner, der Ennio Moriccone´s „Spiel mir das Lied vom Tod“ als „Untermalung“ wählte, zugleich Bilder von ausländischer Mitbürger zeigte, kann als trauriger Höhepunkt dieser Entwicklung gelten. Doch nicht nut parteipolitisch, auch in der Bevölkerung und in verschiedenen Organisationen wurden zunehmend ausländerfeindliche, “rückführende“ Aktionen gefordert und begrüßt. Hierzu Auszüge aus dem so genannten Heidelberger Manifest vom 17.06.1981, das von verschiedenster Seite unterzeichnet wurde.43

„Mit großer Sorge beobachten wir die Unterwanderung des deutschen Volkes durch Zuzug von vielen Millionen von Ausländern und ihren Familien, die Überfremdung unserer Sprache, unserer Kultur und unseres Volkstums (…) Völker sind biologisch und kybernetisch lebende Systeme höherer Ordnung mit von voneinander verschiedenen Systemeigenschaften, die genetisch und durch Tradition weitergegeben werden. Die Integration großer Massen Nichtdeutscher Ausländer ist bei gleichzeitiger Erhaltung unseres Volkes nicht möglich und führt zu den bekannten ethnischen Katastrophen multikultureller Gesellschaften“.

Während sich die Republikaner immer geschickt an en Grenzen zwischen verfassungsfeindlicher und gerade-noch-demokratischer Partei bewegte, ihr so der Sprung in einige Landtage und ins Europaparlament gelang und sie ein gutes Beispiel dafür abgeben, dass Deutschland in den 80ern nach rechts driftete44, bildete sich gleichzeitig fernab der Öffentlichkeit subkulturelle Erscheinungsformen, so um die neonazistischen Michael 40 Wagner, S.15541 Verfassungsschutzbericht 199342 Wagner S.38, 3943 Funke, S.1944 Wagner, S.55, Zu den Republikanern: Leggewie „die Republikaner“ a.a.O

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Kühnen. Bevor nun im Folgenden auf die neuartigen Kreise eingegangen wird, sei ein Zitat Kühnens vorangestellt, das aufzeigt, wie wichtig die Verbindung zwischen den eben dargestellten rechtskonservativen Kräften, der rechtsradikalen Parteien, die legal agierten und deren Grundsätze von großen Teilen der Bevölkerung getragen wurde und militanter, illegal, teilweise konspirativ revolutionär handelnde Gruppierungen war:

„Es ist ein Unterschied, on man eine Vorstellung vertritt als kleine Minderheit oder ob man sich in der psychologischen Situation weiß, in der 10% national wählen“(Michael Kühnen)45

Kühnen war zunächst bei den Jungen Nationaldemokraten, „lernte“ bei Manfred Roeder und Thies Christophersen(Veröffentlichung: „Die Ausschwitzlüge“). Sein Weg führte ihn über kurze Ausflüge zu DKP und deren maoistischen Flügel zur Aktionsfront Nationaler Sozialisten (ANS), die er mit anderen 1977 gründete. Danach verbüßte er eine 4 jährige Freiheitsstrafe, die er dazu nutzte, seine politische Theorie: „ Die zweite Revolution – Glaube und Kampf“ zu verfassen. Nachdem 1983 seine Parte ANS/NA, zu der sich zwischenzeitlich noch andere Organisationen gesellten, vom Innenministerium verboten wurde, entschloss sich Kühnen, eine schon seit 1977 schon bestehende Vereinigung unter seiner Führung zu aktivieren, die Gesinnungsgemeinschaft der neuen Front (GDNF), bekannt als „die Bewegung“. Diese fungierte in der Folgezeit als eine art Sammelorganisation verschiedener neonaziostischer Zirkel, lockerer Zusammenschlüsse, sie stellte eine übergeordnete Partei dar.

Als Ziele dieser Partei nannte Kühnen:46

- Neuzulassung der NSDAP- Militante revolutionäre Aktivitäten- Gewaltherrschaft als Instrument der Inszenierung- Öffentlicher Raum zur Provokation, insbesondere durch Nutzung der Massenmedien- „Endziel“: Nationalistische Revolution, Staatsform 4.Reich, Vereinigung aller

geschlossen siedelnder Deutschen in einem einheitlichen souveränen und sozialistischen Großdeutschland

- Zwischenziele: Kampf gegen Überfremdung, Amerikanisierung, Umweltzerstörung, Reinhaltung der arisch, germanischen Rasse

Organisiert wurde die GDNF in „Bereiche“ und „Gaue“, deren Namen zugleich deren Zielsetzung verrieten: „Gau Ostmark, Flandern, Nordmark etc. “.In den „Bereichen“ wurde die Arbeit konspirativ in „Zellen“ verrichtet, Publikumsorgan war die Zeitschrift „Die neue Front“. So sollte sich eine schwer zu kontrollierende, autonome Struktur entwickeln. Im Osten Deutschlands ist dies nach 1990 teilweise verwirklicht worden hier insbesondere in Jugendclubs47. Internationale Zusammenarbeit gab es zur NSDAP/AO und nach Österreich.

1989 gründete Kühnen den so genannten legalen arm der GDNF, die Deutsche Alternative (DA), die die pluralistische Struktur zugunsten einer bundesweiten Organisation ändern sollte. Wie es mit der Deutschen Alternative weitergegangen wäre, wenn nicht Michael Kühnen überraschend 1991 an AIDS gestorben wäre und seine Homosexualität das rechtskonservative Lager gespalten hätte ist sicherlich müßig zu beantworten. Jedoch zeichnete sich eine äußerst gefährliche überparteiliche Organisation ab, mit einem charismatischen, selbst von linker

45 Kühnen, a.a.O S.8 46 Kühnen, die zweite Revolution S.88 ff.47 Vgl. Wagner S109, Funke S49

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Seite 48als intelligente Person bezeichnete - so beispielsweise Erich Fried, der Kühnen als „vorbildlichen Diskussionspartner, dessen subjektive Ehrlichkeit er schätze“ bezeichnete – an ihrer Spitze.

Im April 1993 bezeichnete deshalb auch der Präsident des Verfassungsschutzes Ernst Uhrlau die GDNF als Sammlung rechtstsextremistischen Terrorpotentials, die sich konspirativ nach militärisch – terroristischen Normen verhielten, Verschwiegenheit absolutes Gebot sei und Waffen nicht mehr Zuhause gelagert würden. 49

So stellte sich in groben Zügen die Situation in Westdeutschland hinsichtlich rechtsorientierter Aktionen und Aktivitäten dar, bevor der Fall der Mauer 1989 und die folgende Wiedervereinigung die Lage veränderte.

*

2. 1945 – 1989 in Ostdeutschland

„Einfache Rechnung: 40 Jahre Gefangenschaft + Werteverlust durch Mauerfall - Arbeitsplatz = Nazi ?“

In der 1949 gegründeten DDR war nach Art. 9 der Verfassung der Nazismus offiziell ausgerottet, in der Schule wurde der Antifaschismus als Gegenstand unterrichtet und zu einem der Hauptaufgaben eines Staatsbürgers erklärt. Fehlende Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus führten letztlich dazu, dass es seit 1956 bis Mitte der 70er Jahre dennoch zu etlichen Schändungen jüdischer Friedhöfe, Synagogen sowie anderer Gedenkstätten kam, Hakenkreuze und „Juden raus“ Parolen waren zu sehen; ein Grund mag hierfür mag wohl darin zu sehen sein, dass in der DDR der Faschismus immer im Hinblick auf den Antikommunismus gesehen wurde, nie im Zusammenhang mit dem Antisemitismus.50

Daneben stellten Grauzonenuntersuchungen Simon Wiesenthals sowie des Pfarrers Rudi Pahnkes 51 fest, dass zum einen ehemalige Parteimitglieder (PGS) noch nach 1968 in hohen Positionen der DDR Führung zu finden waren, zum anderen, dass sich eine erste Bildung nazistischer Gruppierungen an Mitte der 70er Jahre abzuzeichnen begann: „Potential war also nicht vorhanden, Mitte der 80er wurde es virulent“.52 Offizielle Untersuchungen wurden nicht veröffentlicht.

Dies änderte sich dann, als es 1987 zu einem Überfall von Skinheads auf die Ostberliner Zionskirche kam und die Polizei nicht einschritt. Der Kampf zwischen Punks und Skins vor allen Augen veranlasste jedoch die DDR Führung zu einer Kehrtwendung: Plötzlich war der lange totgeschwiegene Rechtsradikalismus auf sozialistischem Boden offensichtlich. Danach folgten Anweisungen an die Volkspolizei, die Skinheadszene zu beobachten, es gab Razzien auf offener Strasse in Ostberlin, Clubs erhielten Anweisungen keine Skinheads hineinzulassen. Doch schon vor dem bedeutenden Oktober 1987 und dem Überfall in der Zionskirche war eine Strukturierung zu erkennen: so bildete sich Mitte der 80er zum ersten Mal in der DDR eine subkulturelle Szene heraus, die Jugendlichen teilten sich in Cliquen heraus, je nach Musikgeschmack oder Freizeitbeschäftigung gab es Hooligans, Waver, Punks, 48, Vgl. Hasselbach S5049 Uhrlau im Interview mit Bernd Wagner, 4/93, zitiert nach Funke S 49/50 50 Seidel - Pielen, S.92 51 Seidel - Pielen S.7352 Assheuer, S.101, Bück S.85

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Gruftis, Skinheads, Hippies, „Blueser“ etc. Die Gruppen waren weitgehend unorganisiert und unpolitisch.

Circa ab 1986 ließen sich dann um die Person Ingo Hasselbach in Berlin die ersten politischen Organisationen erkennen: aus der Bewegung 30.Januar und der Lichtenberger Front entstand die Nationale Alternative, deren Hautptsitz in der Berliner Weitlingstrasse 122 zu einem konspirativen Treffounkt verschiedener rechtsextremer Kreise wurde.53

Weiterhin erfolgte eine Politisierung der Skinheads aus der ursprünglich aus der Punkbewegung stammenden „Oi-Skins“, die unpolitisch waren, Musik ihr Lebensgefühl vermittelte spalteten sich die „Nazi Skins“ ab. (Dazu später mehr) Deren Feindbilder waren zunächst Homosexuelle, Linke (sogenannte“Zecken“, Hippies, Punks oder Andersdenkende. Später erblickten sie die Ausländer, Asylbewerber und Flüchtlinge als ihre Zielgruppe. (Bis in die 70er Jahre gab es nur sehr wenige Ausländer in der DDR, dann wurden Vertragssarbeiter aus befreundeten sozialistischen Staaten in die Betriebe geholt, Vietnamesen, Mosambiquaner, Kubaner, Algerier u.a.54.

Die Volkspolizei zählte 1988/89 circa 1000 Rechtsextremisten, leitete 40 Ermittlungsverfahren ein wegen rechtsorientierter Gewalttaten. 38 Gruppierungen wurden als rechtsextrem eingestuft, die Zahl der Strafverfahrenstieg von 44 im Jahr 1988 auf 144 in den ersten 11 Monaten des Jahres 1989, es kam zu ersten Übergriffen auf Ausländer.55 Bei den Montagsdemonstrationen in Leipzig konnte man auch nationalistische, neonazistische Parolen entdecken, sie stellten ein Podium dar, ihre Ansichten zu verbreiten in der Öffentlichkeit der Menschenmassen.56

Am 9.November fiel dann die Mauer.

*

3. Rechtsextremismus im wiedervereinigten Deutschland 1990 -1995

„Wir sind ein Volk“ NPD Wahkampfparole 1985

„Deutschland ist und bleibt ein ausländerfreundliches Land“Wolfgang Schäuble, November 1991

Schon bei der Öffnung der Grenze in Berlin und dem Friedenstaumel über die Wiedervereinigung waren Töne zu hören, die über „Deutschland, einig Vaterland“ hinausgingen, besonders die Montagsdemonstrationen wurden gegen Ende zunehmend von neonazistischen Sprechchören begleitet. Wohl auch die Unsicherheit der Volkspolizei und der politischen Verantwortlichen bezüglich ihres Verhaltens gegenüber der immer größer werdenden Schar Fahnen schwingender und randalisierender Deutschnationaler führten zu anarchistisch – chaotischen Zuständen nach der Wende. In der ehemaligen DDR. Es kam zu heftigen Auseinandersetzungen rechter und linker Gruppen in Dresden und Leipzig, teilweise nahmen diese straßenkampfartige, bürgerkriegsähnliche Zustände an, die Polizei zog sich zurück.

53 Hasselbach, S.61, 63f.54 Vgl. Leipzig ganz rechts S.455 Assheuer, S 10956 Leipzig ganz rechts, S6.

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Anfang 1990 wurde Ostdeutschland von Werbematerial westdeutscher Parteien überflutet, so auch der NPD und auch der Republikaner, die zunächst im Osten verboten waren und so zu einem illegal, konspirativen Image gelangten und erst nach dem 3.10.1990 wieder zugelassen wurden. Vor allem die FAP Busses und die DA Kühnens entwickelten sehr schnell Kontakte in den Gebieten der neuen Bundesländer, vor allem nach Sachsen, das anfangs als Zentrum der „Bewegung“ galt.. Später verlagerte sich die Szenerie eher nach Brandenburg und Mecklenburg – Vorpommern, also eher in ländlichere Gebiete.57

Zwar kam die DSU 1990 zusammen mit der CDU/CSU und dem Demokratischen Aufbruch als Teil der so genannten Allianz für Deutschland zu kurzem parlamentarischem Erfolg bei den letzten Volksammerwahlen 1990 jedoch setzte die Bundestagswahl im Herbst 1990 viele Hoffnungen rechtsradikaler Parteien ein Ende. Die große Mehrheit der CDU/CSU standen verschwindend geringe Erfolge der Parteien am rechten Rand des politischen Spektrums gegenüber. Neben einigen Ausschreitungen zum Tag der Deutschen Einheit erregten vor allem größere Aufmärsche im Herbst 1990 für Aufsehen. In Wunsiedel, Bayern versammelten sich Neonazis um den soeben verstorbenen Rudolf Heß zu „ehren“, in Dresden marschierten 500 Skinheads auf, um dem Tod des Neonazis Rainer Sonntag zu gedenken.

Zu dieser Zeit forderte die Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front in ihrem „9 Punkte Programm zur Rückführung von Ausländern“:

„Wir müssen ihnen (den Ausländern, Anm. J.S.)den Aufenthalt so unangenehm wie möglich machen, notfalls mit dem Feuerteufel (Jürgen Rieger, GDNF, April 1991, bei Kassel)58

Im September 1991 wurden diese radikalen militanten Forderungen dann in Hoyerswerda traurige Realität, bei dem vor allem die schaulustigen Mitbürger erschreckten und Erinnerungen an Pogrome 50 Jahre zuvor aufkommen ließen. Beteiligt an dem Anschlag waren unter anderem Mitglieder der Deutschen Alternative Sachsen. Hoyerswerda schien eine Art Fanalwirkung zu besitzen, danach stieg die Anzahl der rechtsextreminstischer Anschläge nahezu exponentiell an, der zuvor geforderte „Feuerteufel“ wurde in Form von Molotovcocktails, Brandsätzen und Leuchtspurmunition Wirklichkeit. Zum ersten Mal nach Kriegsende gab es wieder schweigendes und Beifall klatschende Einverständnis der Anwohner, dazu noch folgendes Zitat eines Skinheads nach dem Anschlag von Hoyerswerda:

„Vor 2 Jahren bin ich in der Arbeit noch angemacht und als Nazi beschimpft worden wegen meiner Glatze. Heute klopfen mir die Leute auf die Schulter, wenn irgendwo ein Asylbewerberheim brennt.(…) Die sind inzwischen radikaler als ich.“59

Im November 1992 wurde die inzwischen mitgliedsstärkste neonazistische Deutsche Alternative verboten, nichts desto trotz versammelten sich 2000 Anhänger unterschiedlicher rechter Gruppierungen im August 1992 in Rudolfstadt, bevor im selben Monat der Name der Stadt Rostock zu trauriger Bekanntheit gelangen sollte.

Rostock unterschied sich im Vergleich zu den Ausschreitungen von Hoyerswerda dadurch dass es der Polizei nun nicht gelang, gegen den randalierenden Mob einzuschreiten und so das Bild entstand, dass er Rechtsstaat vor dem Druck der Neonazis weiche. Zum ersten Mal wurden Vorwürfe an Politik und Exekutive erhoben, ob sie denn nicht mit zweierlei Maß

57 Seidel - Pielen, in Otto / Mertens, S 365, 36658 Funke, S12159 Gottschalk, S.104

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mäßen, gegen Linke mit Sonderkommandos vorgingen, während sie gegen Rechte kapitulierten. Gerade weil die Ausschreitungen über einen längeren Zeitraum gingen, viele erst sich randalisierend dazugesellten, nachdem sie in den Medien darüber informiert wurden, wurde die Frage gestellt, inwieweit das Nichteingreifen der Polizei noch andere Gründe hatte, so Jürgen Gottschlich in der Tageszeitung: 60

„Nach den Vorgängen von Hoyerswerda und jett in Rostock ist der Verdacht nicht mehr von der Hand zu weisen, dass mindestens ein Teil der politischen Elite dieses Landes die Bedrohung für den Staat vielmehr von den Flüchtlingen ausgehen sieht und die Neofaschisten als Ordnungsfaktor stillschweigend akzeptiert“

Er bezeichnete deshalb Rostock als eine „Zäsur in der deutschen Nachkriegsgeschichte“ am Ende des Artikels. Bevor jedoch eine Reaktion der Bürger in Form von Protestkundgebungen, Gegendemonstrationen oder Solidaritätsaktionen für die Flüchtlinge und gegen den „Ordnungsfaktor Neonazi“ folgte, musste noch in der norddeutsche Kleinstadt Mölln drei weitere Ausländer ihr leben lassen: Drei Türkinnen verbrannten in der Mühlenstrasse 9 nach einem Brandanschlag zweier Rechtsextremer.

Doch danach schien die Lähmung der Bevölkerung zu weichen und endlich reagierte auch die Zivilgesellschaft: Spontane Demonstrationen, Lichterketten, Nachtwachen, w+ütende Presseberichte – das Schweigen war gebrochen.

Auch die Justiz antwortete mit einem engagierten Strafprozeß61 gegen die beiden Tatverdächtigen, der Generalbundesanwalt leitete zum ersten Mal ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung ein (§ 129 a StGB) - ein Vorwurf, der aber wieder fallengelassen wurde. Der verurteilte Täter Michael P. war zwar Mitglied der NPD, ansonsten wurde aber kein weiterer organisierter Hintergrund festgestellt.

Im Ausland wurden die Zeichen des Protests mit Erleichterung wahrgenommen, veränderte sich doch verständlicherweise das Bild der Deutschen im Ausland im Hinblick auf die Geschichte wieder in Richtung 1933.

Die Politik versuchte das „Asylproblem“ mit einer Verschärfung der Gesetzeslage in den Griff zu bekommen. Im Juli 1993 wurde schließlich die Veränderung des Grundrechts auf Asyl beschlossen, mit dem neu geschaffenen Art.16 a GG wurde ein Asylbegehren nun von drei Umständen abhängig gemacht: Bei einer Eineise über einen sicheren Herkunftsstaat oder aus einem als sicher geltenden Drittstaat ist das Asylrecht nunmehr ausgeschlossen, zudem gab es beschleunigte Flughafenverfahren in den genannten Fällen, die ein beschleunigtes Abschieben ermöglichen sollten. Das Bundesverfassungsgericht erkannte die Regelungen im Frühjahr 1996 als rechtmäßig an.62 Insbesondere die SPD musste sich in der Folgezeit Vorwürfe gefallen lassen, sie vertrete, nachdem sie den so genannten Asylkompromiss mitgetragen hatte, Positionen die vor nicht allzu langer Zeit die der Republikaner waren. Eine Tendenz, die sich später um den so genannten Hofgeismarer Kreis der SPD noch verstärkte, der unter anderem „die Nation als die höchste Form des gesellschaftlichen Zusammenlebens“ forderte.63

60 Gottschlich, in TAZ vom 26.08.1992, Vgl. auch TAZ Dokumentaiton a.a.O S.1161 Siehe zum Prozess : Brandwunden / Brandmale a.a.O62 BverfGE63 Frankfurter Rundschau, 15/16.5.1992

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Ansonsten zeichnete sich in der rechtsextremen Szenerie des Jahres 1993 verschiedene Vernetzungstendenzen ab, Vereine wie die Nationale Front (NF) oder die bayrische Nationale Offensive (NO) kooperierten über so genannte nationale Infotelefone, es gab Doppelmitgliedschaften und Unterstützungsorganisationen wie die Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige (HNG) oder das Deutsche Jugendbildungswerk (DJBW) des Ewald Bela Althans.

Letzterer geriet in die Schlagzeilen, als er für einen Film von Wilfried Bonengel „Beruf: Neonazi“ vor laufender Kamera die Vergasung der Juden in Auschwitz leugnete und somit die Frage des Ge- und Missbrauchs der Medien neu stellte. Wusste sich schon Michael Kühnen gekonnt in Szene zu setzen - z.B. auch vor Gericht beim so genannten „Bückeburger Prozess 1979“64, so nutzte auch Althans die Medienwirksamkeit des Themas Rechtsradikalismus, wurde er doch im Ausland schon als „Nachfolger“ von Kühnen erklärt. (In diesen Zusammenhang wäre soziologisch auch der Etikettierungsansatz /„Labeling approach“ zu erwähnen, nach dem Straftäter auch erst dazu gemacht werden nachdem sie als solche „gelabelt“ wurden.65 ). Der Film durfte schließlich in der Öffentlichkeit nur noch nach Anmeldung unter Angabe eines Bildungszwecks aufgeführt werden. An eine ähnliche Grenze sozialarbeiterischer Aufklärung stieß die Idee, Dresdner Skinheads mit Bussen nach Jerusalem zu begleiten, um ihnen „jüdische Lebensformen nahezubringen“.

Medienwirksam war weiterhin der Aufmarsch von Neonazis in Fulda im April 1993, bei dem sich vor allem Mitglieder der Nationalen Liste Christian Worchs aus Hamburg präsentierten. Danach wurde über die Grenzen des Versammlungsrechts und über mögliche Verbote im Vorfeld solcher Veranstaltungen debattiert.66

Die Welle der Gewalt schien noch nicht zu Ende zu sein: Am 29.Mai 1993 dann kamen in Solingen bei einem rechtsextremen Brandanschlag fünf weitere türkische Mitbürger zu Tode.67

Das Jahr 1994 war das Jahr der Wahlen. Protestparteien wie der Bund Freier Bürger (BFB) oder die Statt Partei mit rechtskonservativen Tendenzen entstanden, die Republikaner konnten nur noch in Bayern und Baden - Würtemberg Erfolge erzielen und scheinen nach dem Austritt des „Übervaters“ Franz Schönhubers gänzlich bedeutungslos zu werden.In der Justiz reagierte man auf das Gespenst der organisierten Kriminalität mit dem Verbrechensbekämpfungsgesetz, das unter anderen den neu geschaffenen § 130 Abs. II StGB regelte und die Volksverhetzungstatbestände erweiterte.68 und mit der neu geschaffenen Europol internationale Fahndungen Gewährleistungen zu können69.Negative Kritiken gab es hinsichtlich der bis an die Grenze der Rechtsstaatlichkeit verschärften Polizeigesetze der Länder, das Landesverfassungsgerichterklärte Teile des sächsischen Polizeigesetz für verfassungswidrig70 sowie bezüglich des zuvor schon erwähnten Urteil des Landgericht Mannheims gegen den NPD Vorsitzenden Deckert.

Insgesamt schienen sich die Rechtsextremisten sich jedoch eher von der Öffentlichkeit zurückzuziehen, sicherlich im Zuge der Sensibilisierung der Bevölkerung und tauchten eher

64 Leipzig ganz rechts, S6665 Vgl. Information zu politischen Bildung, Ostendorf, Kriminalität und Strafrecht S.12,1366 Rühl, NJW 1995, S 561 ff zu möglichen Maßnahmen 67 Zu Solingen, TAZ Dokumentation, S.25, 2668 Vgl. dazu NJW 1995 S 553 - 55769 Frankfurter Rundschau 15.03.1996 zur Europol: „Mit dem Dreirad gegen den Ferrar der organisierten Kriminalität“70 Klarofix, S.29

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sporadisch in Erscheinung bei „Herrentagsaktionen“, Synagogenschändungen (in Lübeck) auf den sich aus der rechten Szene aussteigenden Ingo Hasselbach nach österreichischem Muster.71

Nachdem 1993 und 1994 weitere neonazistische Gruppen wie die FAP, die Nationale Front und die Wiking Jugend durch den Innenminister verboten wurde, scheint sich ein Rückzug in spontane Einzel- oder Gruppenaktionen, sowie einiger illegaler, konspirativer Orgaisationen abzuzeichnen. (Vgl. noch einmal hierzu die These des Verfassungschutzpräsidenten Ernst Uhrlau „Wir befinden uns in einer „vorterrorstischen Phase von 1996.)Interessant auch die - etwas grobe - Unterscheidung Laus72 der Rechten in „fahnenschwingende Landsknechthorden“ und eher heimlich und anonym agierende Friedhofsschänder. Eine Verlagerung der rechtsradikalen Aktionen, die der zweiten Gruppe zuzuordnen sind, war in den Jahren 1995 und Anfang 1996 zu beobachten.

Bleibt die Frage, wie sehr Deutschland in den letzten fünf Jahren nach rechts gerückt ist, von deren Akeuren „bewegt“ wurde. Vergleicht man die auf weiterhin hohem Niveau bleibenden Zahlen der rechtsextremistischen Anschläge, die scheinbar zur Normalität geworden sind und kaum jemand aufhorchen lassen, wenn keine Todesopfer zu verzeichnen sind - denke noch jemand an die schweren Folgen der Opfer mit Brandverletzungen in Hoyerswerda ? - mit den Zahlen vor 1989, vergleicht man die Zielsetzungen der etablierten Parteien heute mit Positionen damals als rechtsextrem geltender Gruppen vor einigen Jahren, wird man erschreckender weise feststellen, dass viele Programmpunkte übernommen wurden - auch wenn dadurch den rechtsradikalen Parteien den “Wind aus den Segeln“ genommen wurde.

Zu klären bliebe, ob dieser Ruck in der Gesellschaft einer „sozialen Bewegung von rechts“ zuzurechnen ist73, worauf ich in meinem abschließenden Vergleich zum Linksterrorismus noch genauer eingehen möchte. Jedenfalls ließe sich der Schlußsatz Stafan Austs zu den Jahren von Baader und Meinhof „es waren 7 Jahre, die die Republik veränderten“ 74auch auf die vergangenen fünf Jahre übertragen: Es waren Jahre, die die (wiedervereinigte) Nation bewegten und noch immer bewegen.

*

Anhang zum Kapitel:

Die Neue Rechte, der Rechtsintellektualismus und die Ideologie der Rechten

Während sich die „alte“ Rechte noch an Germanenideologie, konservatives Ordnungsdenken in der Tradition Ernst Jüngers sah, knüpfte die Neue Rechte zwar an ähnlichen

71 Vgl. Hasselbach, „Die Abrechnung“, a.a.O72 Lau, S2273 Vgl. Bergmann, S.183 , Willems, S.209 74 Aust, S 592

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Vorstellungswelten wie die Carl Schmitts - Schmitt war Hitlers „Kronjurist“ - an, der einen starken, absoluten Staat forderte; eine Revolution von rechts, wie sie schon in den 20er Jahren gefordert wurde , einen „Sieg des nationalen Geistes über den Mythos des Sozialismus und Liberalismus“75. Dann aber entwickelte sich ein neues Weltbild, das eng mit der französischen Novel Droite und dessen Vordenker Alain de Benoist verbunden war. Leitmotivisch lassen sich verkürzt folgende Thesen zusammenfassen.

- Ethopluralismus statt Ethnozentrismus (gegen Integration und „Metissage / Vermischung der Ethien, Kulturen etc)

- Biologistisch - genetische Betonung einer „Ungleichheit“ der Menschen (s.a.ähnlich der Biologe Eibl - Eibesfeld)

- Sozialdarwinistische „naturbedingte“ Weltsicht, „wissenschaftliche Widerlegung“ der „judäo - christilchen Gleichheitsehre“ (auf Konrad Lorenz sich berufend)

- Betonung von Werten, Eliten und einem Zentraleuropa

Übernommen und verbreitet wurden diese Theorien durch Michael Kühnen, später Ewald Althans, vor allem jedoch durch die Publikationsorgane wie der Zeitschrift Nation – Europa oder der 1986 gegründeten, seit 1993 wöchentlich erscheinenden Jungen Freiheit – besonders auf junges intellektuelles Klientel zielte letztere Zeitung ab. Ähnlichkeiten im Stil mit der links- alternativen Tageszeitung (TAZ) fallen ins Auge. Mit einer Auflage von ca. 3000 Exemplaren und Redakteuren wie eben Benoist, aber auch mit einem modernen Podium für rechtskonservative Gedanken ist die Junge Freiheit heute als eines der bedeutendsten Presseorgane der Neuen Rechten zu bezeichnen.

Die Modernität der Neonationalsozialisten zeigte sich auch in der Nutzung frei zugänglicher internationaler Datennetzwerken wie dem Internet oder den Mailboxes. In diesem Zusammenhang wurden natürlich auch die anderen Massenmedien, öffentliche Gerichtsprozesse und andere Veranstaltungen zur öffentlichen Präsentation gebraucht. Eine nie zuvor zu beobachtende Nähe zu linksterroristischen Aktionsformen zur Bekämpfung der politischen Gegner konnte man auch in der Nationalen Liste Worchs herausgegebenen Schrift „Index“ feststellen. Sie enthielt Namen und Adressen sowie Kurzbeschreibungen von politisch unliebsamen Gegnern.76

Ein weiteres Hauptmerkmal der Neuen Rechten war und ist noch immer der Geschichtsrevisionismus. Neben den schon erwähnten Personen wie David Irving oder Ewald Althans traten insbesondere um die Verlage Ullstein/Propyläen und Grabert Versuche auf, den Holocaust zu leugnen oder ihn zu relativieren. So erregte Ernst Nolte mit seinem 1986 hervorgerufenen Historikerstreit - über Jahre hinweg - die Gemüter in den Feuilletons, als er fragte, ob der Nationalsozialismus Geschichte sei. 77 Ähnliche Beiträge rechtsintellektuellen Zuschnitts versammelte der Welt Herausgeber Rainer Zitelmann in dem Band „Die selbstbewusste Nation“ dessen berühmtester Protagonist Botho Strauß schrieb:

„Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sind gefallene Kultleidenschaften, die ursprünglich einen sakralen, ordnungsstiftenden Sinn hatten.“(Botho Strauß, anschwellender Bocksgesang)

75 Assheuer S.129 - 13876 Lau, S1577 Veröffentlicht zunächst in FAZ v. 6.6.1986

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Des weiteren sah Strauß in den tabu brechenden 68ern die geistigen Urheber, die Väter der heutigen Neonazis. Zum ersten Mal hatte ein bedeutenden deutschen Dramatiker und Schriftsteller rechte Positionen bezogen und so einen heftigen Diskurs ausgelöst (bei dem der Verdacht, der Schriftstelle wollte bewusst provozieren und ein Drama kreieren durch die „anschwellenden“ Reaktionen, nicht so abwegig sein sollte.78

Als letzte Veränderung im Erscheinungsbild der Neuen Rechten ist der sich abzeichnende Internationalismus zu erwähnen; innerhalb der Europäischen Union, insbesondere zu Frankreich und Österreich waren etliche Kontakte zu verzeichnen; so zu Le Pens Front National und Haiders Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ). Neben der politischen Nähe insbesondere zu letztgenannter Partei war auch der kulturrevolutionsartigen Einfluß auf die Politik der jüngsten Zeit in Österreich aber auch in Frankreich frappierend, in dem es (in Österreich) mit Briefbombenattentaten rechtsradikaler Attentäter und diffamierenden Parolen der FPÖ Künstler und politische Gegner eingeschüchtert werden sollte. In Frankreich ließen rechtsradikale Bürgermeister der Front National die Bibliotheken von unliebsamer Literatur „säubern“ 79- ein Akt, der besonders in Deutschland schlimme historische Assoziationen weckt. Die feige „Methode“ der Briefbombenattentate scheint mit dem Anschlag auf Aussteiger Hasselbach schon Nachahmer gefunden zu haben. 80

Dies zur geschichtlichen Entwicklung des Rechtsextremismus in der Bundesrepublik Deutschland nach 1945,

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III. Hintergründe, Erscheinungsformen und Entstehung rechtsradikaler Gesinnung

1. Subkulturelle Erscheinungs- und Kommunikationsformen a. Skinheads

„Skinheads, remember your roots / think with your brain, not with your boots/ stay rebel / stay S.H.A.R.P (Ska Band, No Sports)

Ursprünglich stammte die Skinhead - Bewegung aus dem Londoner Stadtteil Eastend als Abspaltung der braven, motorrollenden und Musik der „the Who“ hörenden „Mods“; sie verstand sich der Arbeiterklasse zugehörig und rekrutierte sich anfangs hauptsächlich aus westindischen Schwarzen. Das typische Auftreten war in Gangs, der Haarschnitt entwickelte sich aus praktischen Gründen vom französischen Bürstenhaarschnitt zu immer kürzer werdenden Formen.81

Zu jener Zeit tanzten Schwarze und Weiße gemeinsam zu dem für den Lebensstil der Skinheads so wichtigen Ska Sound, der aus Jamaika kam Ende der 60er Jahre spalteten sich die Rastafaris vom Ska und der Skinhead Bewegung ab und prägten den Reggae -Kultur, mit deren langsamen Musik, deren religiösem Alltag und deren Nähe zu den Hippies die Skinheads nichts anzufangen wussten. Damit endete auch die kurze Allianz der Schwarzen und Weißen hinsichtlich der Skinhead Kultur - die Wurzeln waren dieselben. 82

78 in : Deutsche Literatur, 1993, S263, zur Debatte S.254 bis Schluß 79 Frankfurter Rundschau 12.07.1996 80 Wagner, S.244 Anschlag auf Hasselbach am 10.11.199381 vgl. Neville, the good ,the bad, and the skin, S.47f.82 Neville, S49

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Zu ersten Übergriffen auf ausländische Mitbürger – vor allem der großen Gruppe der Pakistanischen Einwanderer in England - kam es Ende der 60er Jahre, vorgeblich aus Angst der Skinheads vor Statusverlusten, Verlust ihrer traditionellen Lebensformen, Rivalitäten am Arbeitsplatz. Die patriotische Weltsicht der Skinheads bot ein ideales Wählerpotenzial für die 1967 gegründete National Front (NF). In der Folgezeit nahmen die gewalttätigen Ausschreitungen der Skins zum ersten Mal auch gegen Andersdenkende wie Homosexuelle, Hippies, Studenten and andere Gruppen zu, so dass sich viele von dem Skinheads Kult lösten, sich die Harre wieder lang wachsen ließen („Suedehead“). Mit dem Punk, der 1976/77 aufkam, erlebte dann die Skinhead Bewegung eine Hochphase, in der sich Skins und Punks teilweise bekämpften, teilweise sympathisierten sie aber auch miteinander in ihrer antibürgerlichen Einstellungen. So entstand aus dem Streetpunk der 70er Jahre die Oi – Musik, die Anfang der 90er gerade viele Skinheads beeinflusste. Jetzt erfolgte eine Aufspaltung der Skinhead Bewegung in nazistische „Boneheads“ und zumeist unpolitische Oi-Skins, die antirassistischen, 1986 in den USA gegründeten S.H.A.R.P Skins (Skinheads against racial prejudice) und die sozialistischen Redskinds. Besonders die aus den Boneheads hervorgegangenen White Power („Weiße Macht/Kraft“) Skins, die explizit rassistische Einstellungen besaßen (und diese leider auch oft auslebten), sollten durch ihre deutschfaschistische Prägung großen Einfluss auf die neonazistische Bewegung zu der Zeit ausüben.

So forderte die britischen Skinheadband „Skrewdriver“ (“Schraubenzieher“) ein „Ende der zionistischen Weltverschwörung“ und den Sieg der „weißen Herrenrasse“ in einem ihrer Songs. In Deutschland entstand die Skinhead Bewegung erst in den 80ern, im Osten wie im Westen in etwa zur selben Zeit – allerdings mit teilweise völlig unterschiedlichen Ausprägungen und Freiräumen. Noch 1984 äußerste sich Michael Kühnen so:

„Skins und Hools (Hooligans) ideologisch zu indoktrinieren gelingt jedoch in aller Regel nicht“83 Nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzberichtes zu der Zeit waren im Jahr 1990 nur ca.10% aller Skinheads rechter Überzeugung, nach anderer unabhängiger Untersuchung immerhin schon 20%.84 Jedoch erst in den 90er Jahren wurde die Skinhead Bewegung ein Lebensstil, die außerhalb der Jugendkulturellen Szene erst für Aufsehen sorgte, als rechtsradikale Anschläge von ihnen ausgingen.

Aus folgenden Aussagen von Skinheads zu ihrer Identität als Skinhead85:

„Zugehörigkeit zum einfachen Volk“(T. , Skinhead, 18 J.)

Protest gegen die Gesellschaft zu demonstrieren, a way of life“(R. Skinhead, 26.J.)

Für die Freiheit unserer Nation zu kämpfen, notfalls auch zu sterben“(G. Skinhead, 20.J)

soll die Heterogenität der Skinheadszene veranschaulicht werden, die sich dann auch sehr divers nach dem britischen Vorbild entwickelte, so dass einfache Stereotypen vom „bösen Neonazi - Skinhead“ zu kurz greifen. Dass jedoch sich entgegen der Erwartung Michael

83 Verfassungsschutzbericht, 198484 Verfassungsschutzbericht, 199085 Vgl. Seidel -Pielen, Farin S.201

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Kühnens eine gewaltbereite nun auch politisierte Gruppierung rechtradikaler Skinheads herausbildete, die meinst in Kleinbanden organisiert Asylbewerberheime in Brand steckten, ist sicherlich auf die politische Entwicklung der 80er Jahre zurückzuführen. In Ostdeutschland prallen zudem nach der Wende noch zwei Systeme aufeinander.

Dennoch blieb für die Organisation, die Verbreitung der Ideologien, den Zusammenhalt und die Vernetzung innerhalb der Szene die Musik weiterhin ein wenn nicht das wichtigste wichtiges Medium. Tonträger, „Fanzines“ bewirkten meist mehr als Parteiveranstaltungen, vor allem bei Jugendlichen. Dazu zum Verständnis - auch wenn es mir sehr schwerfällt, rechtsradikales Gedankengut wiederzugeben und zu reproduzieren - einige Auszüge explizit rechtsextremer Texte in Skinhead - Zines und auf Neonazi Tonträger:

„Wir sind Deutschlands rechte Polizei / wir machen Deutschlands Strassen türkenfrei“(Störkraft, Doitsche Polizei)86

„Ein Besatzer- und ausländerfreies Deutschland in germanisch - preußischen Traditionen in den Grenzen von 1938, ein Europa ohne Neger, Rote und Hakennasen, und vor allem, dass sich der Nationalsozialismus wieder durchsetzt“87 (Josef Saller im Interview mit Frontal, 1991)

Solche Fanzines trugen zusammen mit Musik, Kleidung und dem martialischen Aussehen zur identitätsstiftenden grupendynamischen Jugend- und Subkultur der Skinheads bei, sie übernahmen den Transport des Gedankengutes88. Interessant auch die Symbolik und die Sprache der Zines und der Texte und Namen von bekannten Nazirockbands wie „Störkraft“, „Radikahl“, „Endsieg“, „Kroizritter“ und vieler anderer. So herrschten mystische germanische Zeichen vor, Namen von NS -„Größen“ werden im Zuge der zunehmenden Indizierung und Kontrolle neonazistischer Musik verschlüsselt codiert – so stellt beispielsweise die Zahl „88“ sowohl die SS also auch den verbotenen „Hitlergruß“ wenn man die Anfangsbuchstaben des Alphabets von vorne oder von hinten liest.Antisemitische Darstellungen finden sich in Aufklebern mit der Aufschrift „Nasen raus“ oder der Abkürzung J. für Jude. 89

Diese Andeutungen erschwerten die staatliche Überwachung und Strafverfolgung und passen auch ganz gut zum immer autonomer werdende, nach dem Tod Michael Kühnens „führerlose“ Milieu der Rechten. Der Symbolismus, der ansonsten mit Reichskriegsflagge, Hakenkreuz und ähnlichen Devotionalien deutlicher auftritt, ersetzte gleichsam eine Sprachlosigkeit einer “Bewegung“ die Konflikte lernte, mit den Fäusten oder mit den Baseballschlägern zu „lösen“ und stellte auch einen Protest gegen die diskurserfahrenen politischen intellektuellen Gegner dar90, so dass innerhalb der Subkultur Aggression hohe positive Bedeutung gewann.(man denke auch an den „interaktiven““ Pogo -Tanzstil der Punks und Skinheads) und Gewalt als ein Teil des Lebensstils, ein Teil der Ausdrucksform verstanden wurde.

Ein wohl ganz eigenes Thema wäre es, über den Sprachverlust und -verfall in der Debatte in Politik und Gesellschaft zu schreiben angefangen von Peter Gauweilers „widernatürliche Randgruppen sollte man ausdünnen“ bezüglich (bezüglich AIDS-kranker Homosexueller) über das Wort „Scheinasylanten“, der Furch vor „Überfremdung“, „Asylantenschwemme bis zu Helmut Kohls Worte von der schrecklichen Heimsuchung nach Solingen“. Verweisen 86 Vgl. Annas, Neue Soundtracks für den Volxempfänger, a.a.O S75 ff..87 Annas, S.52, Josef Saller, Interview mit Frontal 1/91, S388 Annas, S.46ff.89 Erb, S6890 Erb, Bergmann, S.24

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möchte ich auf Victor Klemperers fantastisches Buch „LTI“ über die Entwicklung der Sprache im „Dritten Reich“ als ewige Mahnung91.

Weitere soziologische Erklärungsansätze für die Gewaltbereitschaft finden sich in einem „Gewalttransfer“ von West nach Ost bei gleichzeitigen „Ideologietransfer“ von Ost- nach West seit Mitte der 80er und einer Kulmination nach der Grenzöffnung.92

Morshäuer93 sieht schon in den 80er Jahren „Zeichen und Spiele mit nationalsozialistischen Zeichen und Symbolen“ so unter anderem in der New Wave Musik, und der Neuen Deutschen Welle („Tanz den Mussolini“ - oft ironisiert und uneindeutig), die im „ernsten Jahrzehnt“ der 90er virulent und wieder gefährlich wurden. Die Inhalte kehrten wieder. Ein weiterer Ansatz ist die Langeweise in der frustrierten Erlebnisgesellschaft, in der sich die Gewalt nur ihre Parole suche in einer Zeit, die von Zugehörigkeits-Kult geprägt sei.94 Anders sieht dies die Theorie, die besagt, Jugendliche würden nur das „exukutieren“ was andere dächten.95

Jedenfalls lässt sich zusammenfassend schwierig eine homogene, klare Form eins rechten Lebensstiles ausmachen. Skinheads sind nur eine der zersplitterten Jugendgruppen der Postmoderne, die sich häufig nur über ihre „Gegner“ zu definieren weiß, um sich abzugrenzen und zu profilieren.

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b, Sonstige lose, nicht organisierte Gruppierungen

Auf die Vernetzungen der sonstigen, sich als rechts verstehenden organisierten oder losen Gruppierungen habe ich schon mehrfach hingewiesen. Erwähnt sei jedoch noch die Bedeutung der ostdeutschen Jugendclubs als autonome Treffpunkte (linker wie rechter Subkulturen), der Bildung der Anti - Antifa um 1992 mit dem Ziel des gezielten Vorgehens gegen politische Gegner nach „linkem“ Vorbild 96 sowie der Erscheinungsform des Alltagsterrors auf der Strasse, der nicht registrierten Ressentiments und Diskriminierungen und des modernen Typs des „Wochenendfaschisten“, der die Woche über seiner alltäglichen Arbeit nachgeht.97 Ansonsten verweise ich noch einmal auf Uhrlaus Zitat bezüglich der Bildung autonomer anonymer subversiver Strukturen zu jener Zeit.

*

2. (Gegen)Massnahmen und Therapien

In juristischer Hinsicht verweise ich auf meine Zusammenstellung der Gesetztesanwendungen bezüglich des Rechtsterrorismus / Rechtsextremismus unter I.4 a-c und überlasse ansonsten den Sozialwissenschaften das weite Feld.

91 Klemperer, LTI92 Erb/Bergmann, S.993 Morshäuser, Neulich, als das Hakenkreuz keinS27e Bedeutung hatte, a,a.O S.82 - 8494 Lau, S.15ff, Heitmeyer in Drews „Gewalt sucht sich Parolen“ a.a.O S197,198. 95 Zur Subkultur der Gewalt: Lammek, a.a.O S.184, Erb/Bermann S.99ff.96 Wagner, S.227 97 Bergmann/Leggewie

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Erwähnen möchte ich jedoch die interessanten Projekte, die als zivilgesellschaftliche Reaktionauf die Anschläge seit einigen Jahren entstanden sind und unabhängig agieren, so unter anderem der in Köln gegründete Wohfahrtsausschuss98, die Nachtwachen 1993, die Lichterketten und ähnliche Aktionen zum Schutz ausländischen Bürger.

Auch Aufklärung und Diskurs - auch wenn in vielleicht missverständlicher oder zum Missbrauch geeignete Art und Weise - siehe die Beispiele zuvor - sind allemal besser als schweigend zuzustimmen.

*

IV. Versuch eines Vergleichs zur Situation 1977

Diese Arbeit hat versucht zu beleuchten, inwieweit die letzten Jahre von Rechtem Terror gesprochen werden kann. Zu fragen wäre, ob die Erscheinungsformen denen der Linken Seite, wie sie ihren „Höhepunkt“ im Herbst 1977 fanden mit der Entführung Hans Martin Schleyers und der Lufthansamaschine, wirklich vergleichbar sind.

a, Gemeinsamkeiten, Ähnlichkeiten - Methoden und vergleichbares Handeln

Die extreme Rechte wie die radikale Linke verstehen sich politisch anti-bürgerlich und als eine Protestbewegung, ihre Feindbilder sind der „spießbürgerliche“ Durchschnittsbürger, von dem sie sich auch durch eine subkulturelle, subversive Aktionen abgrenzen wollte. Alternative Lebensformen wurden auf linker wie rechter Seite erprobt, sicherlich von linker Seite früher und weitgehender, doch waren Hausbesetzungen, illegale konspirative Treffen zumindest bei den Neuen Rechten längst kein Tabu mehr - so z.B in der Lichtenberger Wohnung von Ingo Hasselbach .99

Die Illegalität wurde auf rechter wie linker Seite als legitimes Mittel verstanden, so stieg danach das Ansehen in der Gruppe als „Märtyrer politischer Justiz“: „Im übrigen stieg mit der Zahl der eingeleiteten Ermittlungsverfahren und tatsächlichen Verhaftungen das Ansehen in der Gruppe; je mehr jemand von der Justiz sanktioniert wurde, desto zuverlässiger und einsatzfähiger galt er. Sie selbst begriffen sich als Opfer einer politischen Justiz und manchmal far als Märtyrer für die „nationale Bewegung“.100

Ähnlich waren auch die verschiedenen Organisationsstrukturen über Zeitschriften (Konkret auf der Linken, Junge Freiheit auf der Rechten) Hilfsorganisationen für politische Gefangene und weitere; weiterhin lassen sich meiner Einschätzung nach auch am Ende die Sympathisanten der linksradikalen Terroristenszene der späten 70er Jahre („klammheimliche Freude“ nach einem Anschlag mit Todesopfer) durchaus mit den beifallklatschenden Mob von Rostock vergleichen, auch wenn hierzu sicherlich noch viel zu analysieren wäre. Gemeinsamkeiten gibt es auch bei der Nutzung der medialen Öffentlichkeit und der Prozesse vor Gericht als Plattform für die Verbreitung ihrer Ideologie.

Zuletzt ließen sich auch noch Parallelen ziehen zwischen Gebrauch von ideologiestiftenden Texten, Fanzines, Literatur und Musik. Meinhof´s „Natürlich darf geschossen werden“101,

98 Annas, S165, Interview mit Beteiligten des Wohlfahrtsausschusses99 Hasselbach, S.61,62100 Kühnen in Kilinkowsky, Interview mit ANS Mitglied Frühauf101 Meinhof, Die Würde des Menschen ist unantastbar, a.a.O. S.138

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Ton Steine Scherbens: „Macht kaputt was euch kaputt macht“, wurden auch von vielen Linken zu jener Zeit als Parole zum Gewaltaufruf verstanden. Selbst Bertold Brechts „Maßnahme“ diente der RAF als eine Art Leittext hinsichtlich der Gewaltfrage. 102

Auch wenn die Vergleicht oft schief sind und die Intentionen und Ziele der Rechten und Linken Szene sicher völlig verschiedenen sind - die gewählten Strukturen waren oft ähnlich oder sogar identisch.

b, Unterschiede

Der wichtigste Unterschied erblickt man in der Organisation formen der rechten und linken Szene (zumindest bis heute im Jahr 1996), wonach bis heute nahezu kein einziges § 129a Verfahren wegen Bildung oder Unterstützung einer terroristischen Vereinigung eingeleitet wurde. Es entstanden keine sich bekennenden Terrorgruppen wie die Rote Zora, Revolutionäre Zellen, Bewegung 2.Juni oder die RAF, sondern lose, spontane organisierte Aktionen. Lediglich die GDNF war als „Dachorganisation“ wir zuvor beschrieben in der „Nähe“ einer terroristischen Gruppierung. Vielleicht auch aus der Erfahrung mit den harten Sanktionen des Staates gegen den linken Terrorismus der 70er arbeiteten die Rechten eher autonom und zellenartig nach dem Motto „Alle machen mit, keiner ist verantwortlich“

Dennoch verwundert die relative Milde der Justiz im Vergleich zu der „Sondergesetzgebung“im Zuge der Baader - Meinhof Prozesse. Insbesondere nach der freundlich formulierten „Zurückhaltung“ der Polizei in Rostock wurde gefragt, ob der Staat auf dem „rechten Auge“ blind sei 103 oder sich nur dann rühre, wenn es gegen die Repräsentanten des Staates gehe.

Dies führt mich zum nächsten gravierenden Unterschied: Die Opfer des rechten Terrors waren und sind die Schwachen und die Randgruppen der Gesellschaft, die Linke versuchte, gegen herrschende staatliche Machstrukturen und gezielt führende Repräsentanten vorzugehen. Waren auch die politischen Ziele beispielsweise der RAF genau umrissen gegen den Vietnamkrieg, antiimperialistisch etc. - erscheint die „Ideologie“ der Rechten oft schwammig unklarer und zielloser.104 Auch in den Methoden differenzierte die linken Terroristen in „Gewalt gegen Sachen“ und „Gewalt gegen Personen“ während die Rechte hauptsächlich Personen als Zielobjekte und Brandanschläge als vorwiegend terroristisches Mittel wählte, wohingegen die Linke Entführungen und Bombenattentate nutzte. Während die Linke sich fast immer zu ihren Aktionen bekannte, blieben die Täter auf der rechtren Seite oft anonym.

Der politische Kampf endete auf rechter Seite meist in der Gefangenschaft, während die linken Terroristen die Prozesse (vor allem im Stammheimer Prozess) zu brisanten politischen Auseinandersetzungen nutzten mit Hungerstreiks und der Anklage der Isolationshaft /wobei sich zuletzt auch hier Ähnlichkeiten ergaben wie geschildert). Den philosophischen „Überbau“ der Linken versuchten die Neuen Rechten eine Art nationalen Intellektualismus entgegenzusetzen, sie erreichten aber nie das Ausmaß der Unterstützung, die die linke Intellektuelle zu Zeiten der Studentenbewegung, in den 70ern oder auch noch zeitweise in der Illegalität entgegengebracht wurde.105

102 Vgl. Aust, S.461103 Vgl. Wassermann NJW 1994, S.833 f.104 Bundesanwaltschaft vertreten durch K.Pflieger im Strafverfahren von Mölln in Brandwunden S.91105 Vgl. Böll, „freies Geleit für Ulrike Meinhof“, a.a.O, S283 u.v.a.

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Schluss:

Im Ergebnis wäre vielleicht ein Vergleich der rechtsradikalen Aktionen als „Genese einer sozialen Bewegung von Rechts“ zur Studentenbewegung interessanter und treffender. Wertneutral: Versuchten nicht beide politische Ziele in rebellierender Weise durchzusetzen? Versuchten nicht beide „Bewegungen“ Lebensstile zu transportieren?

Wenn es sich denn bewahrheiten war Ernst Uhrlau meinte, als er sagte, Deutschland befände sich in einer vorterroristischen Phase (siehe zuvor), dann ließe sich noch ein weiterer Vergleich zur Linken sehen: Die Studentenbewegung war zweifelsohne ein Wegbereiter des Linksterrorismus, auch wenn sie dies sicherlich nie beabsichtigte.

Hoffen wir also, dass der Rechtsradikalismus als trauriges Kapitel der deutschen Nachkriegsgeschichte keine Fortsetzung in organisierter Form findet. Hoffen wir, dass die „Bewegung“ ihren Zenit überschritten hat.

Hoffen wir, dass Zeilen wie folgende: 106

„Die Erfurter Polizei hat in der Nacht zu Dienstag 8 Jugendliche festgenommen, die Naziparolen in der Innenstadt gegrölt und einen 18 – jährigen zusammengeschlagen hatte. Die 14 - 19 jährigen verprügelten Polizeiangaben zufolge in einem Innenhof grundlos einen Anwohner und brüllten unter anderem „Sieg heil“. Der 18 jährige sei vorübergehend in ein Krankenhaus eingeliefert worden.

nie zur Normalität werden!

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106 Frankfurter Rundschau 10.07.1996