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Eine kritische Untersuchung zum Einsatz der Blockchain im Grundbuchwesen
Grundbuch ex machinaChristoph Simmchen
Der Elektronische Rechtsverkehr 42
Nomos
Der Elektronische Rechtsverkehr
Herausgegeben von Prof. Dr. Alexander Roßnagel undProf. Dr. Gerrit Hornung, LL.M. in Zusammenarbeit mit dem TeleTrusT Deutschland e.V.
Band 42
BUT_Simmchen_6701-4.indd 2BUT_Simmchen_6701-4.indd 2 26.03.20 11:0826.03.20 11:08
Christoph Simmchen
Grundbuch ex machina
Eine kritische Untersuchung zum Einsatz der Blockchain im Grundbuchwesen
Nomos
BUT_Simmchen_6701-4.indd 3BUT_Simmchen_6701-4.indd 3 26.03.20 11:0826.03.20 11:08
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Zugl.: Berlin, Univ., Diss., 2019
ISBN 978-3-8487-6701-4 (Print)ISBN 978-3-7489-0758-9 (ePDF)
1. Auflage 2020© Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2020. Gedruckt in Deutschland. Alle Rechte, auch die des Nachdrucks von Auszügen, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, vorbehalten. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.
OnlineversionNomos eLibrary
BUT_Simmchen_6701-4.indd 4BUT_Simmchen_6701-4.indd 4 26.03.20 11:0826.03.20 11:08
Meiner Familie
Vorwort
Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2019 an der Juristi-schen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin als Dissertation ange-nommen. Publikationen und veröffentlichte Rechtsprechung konnten biszum Stand vom 8. August 2018 berücksichtigt werden.
Mein Dank gilt zunächst Herrn Prof. Dr. Lars Klöhn und Herrn Prof.Dr. Christoph Paulus für die zügige Erstellung der Voten. Weiterhin dan-ke ich Herrn Prof. Dr. Alexander Roßnagel für die Aufnahme meiner Ar-beit in die Schriftenreihe „Der elektronische Rechtsverkehr“.
Schließlich möchte ich mich bei meiner Familie bedanken, da ihre Un-terstützung weit über die Anfertigung meiner Dissertation hinausgeht.Meine Schwester – Jacqueline Simmchen – sowie meine Eltern – Ilonaund Michael Simmchen – haben mich in jeder Station meines Werdegangsunterstützt. Sie haben maßgebliche Teilhabe daran, dass ich mich zu derPerson entwickelt habe, die ich heute bin. Ihnen ist diese Arbeit gewid-met.
Christoph SimmchenBerlin, Februar 2020
7
Inhaltsverzeichnis
Einleitung§ 1 19
Anlass der Untersuchung und ProblemaufrissA. 19Festlegung des UntersuchungsgegenstandesB. 24
Rechtliche EbeneI. 24Technische EbeneII. 25Strikter ThemenkonnexIII. 26
MethodenwahlC. 27Gang der UntersuchungD. 27
Grundlagen§ 2 29Leitgedanken der RegisterführungA. 29
NachweisfunktionI. 30VerkehrsschutzfunktionII. 31OrdnungsfunktionIII. 32Vorschau auf das Verhältnis von Grundbuch undBlockchain
IV.34
Historie und Prinzipien des GrundbuchsB. 34Historische Vorläufer des GrundbuchsI. 35Erste Ansätze des GrundbuchwesensII. 38Entwicklungshemmung durch die Rezeption desrömischen Rechts
III.39
Wiederaufleben der PublizitätIV. 40Transkriptions- und Inskriptionssystem1. 40Hypotheken- und Pfandbuch2. 41Vernachlässigung des Vollrechts3. 41
Entwicklung und Inkrafttreten von BGB und GBOV. 42Teilung und Wiedervereinigung DeutschlandsVI. 44Zunehmende DigitalisierungVII. 45
Papiergrundbuch1. 46Maschinell geführtes Grundbuch2. 46
Misstrauen und Funktionssicherunga) 47Systemdivergenz der Länderb) 48
9
Weiterentwicklung des Publizitätsprinzipsc) 49Auswirkungen auf das formellePublizitätsprinzip
aa)50
Auswirkungen auf das materiellePublizitätsprinzip
bb)51
Zusammenfassungd) 53Datenbankgrundbuch3. 53
ZusammenfassungVIII. 54Historie und Funktionsweise der BlockchainC. 54
Meilensteine der elektronischen Informations- undDatenverarbeitung
I.55
Entflechtung des Blockchain-KonglomeratsII. 57Kryptographische Grundlagen1. 57
Hashfunktionena) 58Mathematische Resistenzanforderungenaa) 59Namensgebendes Wesensmerkmal derBlockchain
bb)60
Interne Blockstruktur(1) 61Verkettung der Blöcke(2) 62
Digitale Signaturenb) 63Grundlagen der asymmetrischenVerschlüsselung
aa)63
Schlüsselerzeugung und ‑sicherungbb) 64Nutzeridentifikationcc) 65
Zusammenfassungc) 67Netzwerkstrukturen2. 67
(De)Zentralisierungsgrada) 67Zutritts- und Zugriffskontrolleaa) 70Verschwiegene Zentralinstanz der Bitcoin-Blockchain
bb)72
Konsensmechanismenb) 72Proof of Workaa) 74
Auf der Suche nach der Unbekannten(1) 74Netzwerkgabelungen als Folge desWettbewerbs
(2)75
Incentivierung durch einen ausgeklügeltenMechanismus-Entwurf
(3)77
Faktische Zentralisierung(4) 77Hohe Koordinationskosten als Preis derbeabsichtigten Dezentralisierung
(5)78
Inhaltsverzeichnis
10
Alternative Auswahlmechanismenbb) 79Skalierbarkeitcc) 79
Spannungsverhältnis zwischen Skalierbarkeitund Dezentralität
(1)80
Erste Lösungsansätze – Entschlackung derTransaktionsdaten
(2)82
Zusammenfassungc) 83Demonstrativer TransaktionsablaufIII. 83ZusammenfassungIV. 84
Zusammentreffen von Grundbuch und Blockchain§ 3 86Verhältnis von Grundbuch und Blockchain de lege lataA. 87
Blockchain-Eigenschaften im GrundbuchI. 88Automatisierungsansatz des Grundbuchs1. 88
Restriktionen der Privatautonomiea) 88Automatisierte Integration von Liegenschaftskatasterund Grundbuch
b)89
Kryptographische Elemente in der Grundbuchführung2. 90Vorreiterrolle der Rechtspfleger und Notarea) 90Antrags‑, Bewilligungs- und Voreintragungsprinzipals blockchain-spezifischeValidierungsvoraussetzungen
b)
91Einleitung des Eintragungsprozessesaa) 91Voreintragung und Verkettungbb) 91Zusammenfassungcc) 92
Netzwerkstruktur des maschinell geführten Grundbuchs3. 92Mehrseitige Vernetzung des Grundbuchsa) 92Sicherungskopie und distributive Datenspeicherungb) 94Zusammenfassungc) 94
Zusammenfassung4. 95Grundbuch-Eigenschaften in der BlockchainII. 95
Rechtliche Anforderungen an die technischeDatensicherheit
1.95
Kontinuierliche Funktionsfähigkeita) 96Präventivmaßnahmen gegen unberechtigteInhaltsänderungen
aa)96
Verblockung und Verteilung des Datenbestandesim Lichte der grundstücksrechtlichenSicherungskopien
bb)
97
Inhaltsverzeichnis
11
Ablauforganisation der digitalenGrundbuchvorgänge
b)99
Eintragungswirkung beider Register2. 100Registereintragung als Perfektionsakta) 100Temporale Regelungsabsicht der Eintragungenb) 100
Löschung der Eintragung und Permanenz desDatenbestandes
aa)101
Systematische Prävention von temporalenKollisionen
bb)103
Grundstücksrechtliche Verwurzelung desPrioritätsprinzips
(1)103
Codierte Vermeidung vonPrioritätskonflikten und Umsetzung derGrundbuchanforderungen
(2)
105Konsistente Verkettung durch regionaleGrundbuchführung
(a)106
Technisches Anpassungserfordernis zurAbbildbarkeit der dreiGrundbuchabteilungen
(b)
107Blickwinkelverengung auf einenAusschnitt der Verfügungsgeschäfte
(aa)107
Fehlende Berücksichtigung vonVerfügungsbeschränkungen
(bb)108
Zusammenfassung(c) 109ZusammenfassungIII. 110
Notwendigkeit von IntermediärenB. 110Bedeutung der amtlichen GrundbuchführungI. 110
Staatlich vorbehaltene Eintragungszuständigkeit1. 111Kosten-Nutzen-Analyse der bisherigenGrundbuchführung
a)112
Anfallende Transaktionskostenaa) 113Zweispurigkeit der Kostenerhebung(1) 114Internationale Wettbewerbsfähigkeit desGrundbuchs
(2)115
Kostenkompensation als Gegengewicht zurKostenerhebung
bb)116
Verlässlichkeit des Grundbuchs(1) 117
Inhaltsverzeichnis
12
Vergleich mit dem US-amerikanischenRegistersystem
(2)118
Eingeschränkter Verkehrsschutz durchprivate Register undRechtsmängelversicherung
(a)
119Zunehmende Bevorzugung einerengmaschigen Präventivkontrolle beisteigendem Grundstückswert
(b)
120Neutrale und sachkundige Beratungdurch Notare
(c)121
Zusammenfassung(d) 122Transaktionskosten bisheriger Blockchain-Anwendungen als vermeintlicher Bezugswert
b)123
Unpräzises Transparenzverständnisaa) 124Beschränkte Leistungsfähigkeit desValidierungsverfahrens
bb)125
Vernachlässigung der Transformationskostencc) 126Zusammenfassungdd) 127
Beibehaltung der hoheitlichenEintragungszuständigkeit aufgrund genuinerStaatsinteressen
c)
127Zusammenfassungd) 129
Beschränkte Informationspreisgabe des Grundbuchs2. 129Datenschutzrechtlicher Interessenkonflikt desgrundstücksrechtlichen Publizitätsprinzips
a)130
Interessenausgleich durch Einzelfallprüfungaa) 131Unbeschränkter Informationszugang inanderen europäischen Rechtsordnungen
(1)132
Bedachtsame Differenzierungsbeständigkeitder Grundbucheinsicht
(2)132
Legitime Diskretion durchRechtsbehelfsungleichgewicht
(3)135
Veränderungen der Einsichtnahmemodalitäteninfolge der Digitalisierung
bb)136
Netzwerkerweiterung und temporaleVerschiebung der Einsichtskontrolle
(1)136
Allgemeine Anforderungen für dieEinrichtung des automatisiertenAbrufverfahrens
(a)
136
Inhaltsverzeichnis
13
Paradigmenwechsel durch nachträglicheEinsichtskontrolle
(b)138
Amtspflicht der Vertraulichkeit alsDatenschutzgarant desuneingeschränktenAbrufverfahrens
(aa)
139Komplementierende Einführungmultipler Kontrollverfahren
(bb)140
Deklaratorische Zulässigkeitserklärung derisolierten Grundbucheinsicht
(2)141
Zusammenfassung(3) 141Potenzial und Grenzen der blockchain-basiertenTransparenz
b)141
Datenschutz durch Pseudonymisierungaa) 142DSGVO als Förderer derdatenschutzrechtlichen Anerkennung
(1)143
Praktische Erfahrungen aus der Bitcoin-Blockchain
(2)143
Zusammenfassung(3) 145Bisherige Grundbuchführung im Lichte derDSGVO
bb)145
Rechtliche Wertungen als Hindernis derIntermediärlosigkeit
cc)146
Digitaler Etappensieg durch erneuteNetzwerkerweiterung
dd)149
Netzwerkzugang für sämtlicheEinsichtsbegehren
(1)150
Bisherige Blickwinkelverengung aufgeschäftsmäßige Einsichtnahmen
(a)150
Förderung des elektronischenRechtsverkehrs durch erneuteNetzwerkerweiterung
(b)
151Umsetzbarkeit beim aktuellenGesetzesstand
(c)152
Elektronische Darlegung desberechtigten Einsichtsinteresses
(aa)153
Amtliche Datenübermittlung alsmoderne Ausprägung derGrundbucheinsicht
(bb)
155Digitaler Vorsprung der Notariate(cc) 156
Inhaltsverzeichnis
14
Nahtlose Einpassung derBlockchain
(dd)158
Zusammenfassung(ee) 159Aktive Einbeziehung der Eigentümer(2) 159
Leitgedanken der Digitalisierung –Flexibilität, Rationalisierung undAuthentizitätsnachweis
(a)
160Widersinnigkeit der menschlichenBeglaubigung von digitalenRegisterinhalten
(aa)
160Rückkehr zur Stringenz untererneuter Zuhilfenahme einerFiktion
(bb)
163Zusammenfassung(cc) 166
Effektive Involvierung anstelle vonretrospektiver Kontrolle
(b)167
Zusammenfassung(3) 167Zusammenfassungc) 168
Konsequenzen für die Konfiguration einer Grundbuch-Blockchain
3.169
Ersetzbarkeit der vorsorgenden Rechtspflegeorgane durchBlockchain-Automatismen
II.170
Ermittlung und Feststellung dereintragungsrelevanten Umstände
a)172
Beweismittelbeschränkung im deutschenGrundstücksrecht
aa)173
Nachweis für Erklärungen(1) 173Nachweis für andereEintragungsvoraussetzungen
(2)175
Modifikation des Nachweises imelektronischen Rechtsverkehr
(3)175
Beweiskraft öffentlicher Urkunden(4) 177Zusammenfassung(5) 179
Prozessrechtliche Blockchain-Kodifizierung vonVermont
bb)179
Legaldefinition der Blockchain-Technologieund Beschränkung des sachlichenGeltungsbereichs
(1)
182Zulässigkeit von Blockchain-Eintragungenals Beweismittel
(2)183
Inhaltsverzeichnis
15
Authentizitätsnachweis(3) 185Mangelhafte Eignung des extrinsischenAuthentizitätsnachweises
(a)185
Hybrid aus intrinsischem undextrinsischem Authentizitätsnachweis
(b)186
Zeugenaussage über dieordnungsgemäßenRahmenbedingungen alsextrinsische Komponente
(aa)
187Gesetzlich beigemesseneVermutungswirkung alsintrinsische Komponente
(bb)
188Zusammenfassung(4) 191
Rückschlüsse für die beweisrechtlicheEinordnung von Blockchain-Eintragungen nachdeutschem Recht
cc)
192Maßgeblichkeit der konkret eingesetztenBlockchain
(1)192
Kodifizierte Anscheinswirkung eineselektronischen Dokuments
(a)193
Rechtswirkung eines elektronischenZeitstempels
(b)193
Aufwertung durch dieunionsrechtliche Regelung in dereIDAS-Verordnung
(aa)
194Anwendbarkeit auf Blockchain-Eintragungen
(bb)195
Freie Beweiswürdigung(c) 200Zusammenfassung(2) 201
Funktionale Überlegenheit der Notaredd) 201Vereinigung von notarieller Mitwirkung undBlockchain-Validierung
ee)203
Automationsunterstützte Abwicklung vonGrundstückstransaktionen
b)206
Gegenwärtiger Ablauf – manuelle Weiterleitungeintragungsrelevanter Informationen
aa)206
Versprechen der selbstausführendenTransaktionen einer Blockchain –weitestgehende Automatisierung
bb)
208Konzeptionelle Umsetzungserwägungen(1) 209
Inhaltsverzeichnis
16
Verbleibendes Aufgabenfeld der Notare(2) 211Zusammenfassungc) 212
Rechtspfleger als Bastion kognitiverGrundbuchaufgaben
2.213
Aufbauorganisation des Grundbuchamtsa) 214Rationalisierung durch Digitalisierungb) 215Fortbestand der Rechtspflegerc) 217Zusammenfassungd) 219
Zusammenfassung3. 219Einbeziehung der streitigen GerichtsbarkeitIII. 220
Code als Instrument der Verhaltenssteuerung1. 221Erkennen und Richten als genuin menschlicheVorgänge der Urteilsfindung
2.223
Menschliche Verhaltensvielfalt als Herausforderungeiner automatisierten Rechtsanwendung
a)224
Virtualisierung als vermeintlicher Segensbringerfür ein transnationales Recht
aa)225
Kaufmannseigenschaft als Rechtfertigungder lex mercatoria
(1)226
Konturenlosigkeit neuer transnationalerRechtsbestrebungen
(2)226
Grundstücksrechte als Paradebeispielstaatlicher Hoheitskonzentration
(3)228
Erfassung der entscheidungserheblichenInformationen
bb)229
Naturgemäße Unvollkommenheit derrechtlichen Begriffe
cc)230
Gremienentscheidungen als Pseudoinnovationb) 232Simplifizierung mit Augenmaßc) 234Zusammenfassungd) 236
Fingierter Einsatz des privaten Schlüssels in derZwangsvollstreckung
3.236
Konfiguratorische Integration der IntermediäreIV. 238ZusammenfassungV. 239
Rechtsschein und Double-Spending-ProblemC. 239AllgemeinesI. 239
Lösungsansatz des Grundbuchs1. 240Lösungsansatz der Blockchain2. 240
Unvermeidbarkeit aller RechtsscheinkonstellationenII. 241
Inhaltsverzeichnis
17
Annäherung der sachenrechtlichenRechtsscheindichotomie durch technische Zurechenbarkeit
III.242
Dilemma zusätzlicher Sicherungsmaßnahmen1. 244Effektivere Umsetzung des Verfahrensrechts durchBeseitigung der Medienbruchstelle
2.245
Tokenisierung von GrundpfandbriefenIV. 246Vorzüge der Blockchain1. 246
Fälschungssicherheita) 247Effizienzsteigerungb) 249
Kryptographische Referenz anstelle vonöffentlicher Beglaubigung
aa)249
Publizitätsaufwertung durch Abschaffung derMedienbruchstelle
bb)250
Obsoleszenz des Aufgebotsverfahrenscc) 251Zusammenfassung2. 252
ZusammenfassungV. 252ErgebnisseD. 252
Schlussbemerkung§ 4 255
Literaturverzeichnis 257
Inhaltsverzeichnis
18
Einleitung
Anlass der Untersuchung und Problemaufriss
Die Erdoberfläche ist eine nicht zu vermehrende Ressource.1 In Anbe-tracht ihrer limitierten Existenz weisen Grundstücke – als abgrenzbarerTeil der Erdoberfläche2 – eine entsprechend hohe Wertstabilität auf.3 So-fern die kontinuierliche Nachfrage zur örtlichen Errichtung eines Lebens-mittelpunkts oder einer wirtschaftlichen Niederlassung ebenfalls berück-sichtigt wird,4 tritt die besondere volkswirtschaftliche Bedeutung vonGrundstücken offen zutage. Numerisch spiegelt sich die wirtschaftlicheRelevanz sowohl in der privaten Vermögensbildung als auch in der kredit-sicherungsrechtlichen Signifikanz wider. Während der Gesamtwert desprivaten Immobilienvermögens 2013 auf 5,4 Billionen Euro beziffert wur-de und somit den größten Teil des Vermögens deutscher Privathaushaltedarstellt,5 wird das Volumen der durch Grundpfandrechte gesichertenDarlehen sogar auf 6 Billionen Euro geschätzt.6 Aufgrund des finanziellenAusmaßes von grundstücksbezogenen Rechtsvorgängen wird die Notwen-digkeit eines zuverlässigen Publizitätsmittels offenkundig. Von der erstma-ligen Registrierungsform der Grundstücke bis zum Grundbuch in seineraktuellen Ausgestaltung bedurfte es einer langwierigen Entwicklungsge-schichte: Die Metamorphose beginnt bei handschriftlich verfassten Bü-
§ 1
A.
1 Ähnlich auch Grziwotz, MittBayNot 1995, 97, 99; Lieder, Die rechtsgeschäftlicheSukzession, S. 379.
2 RGZ 84, 265, 270.3 Lieder, Die rechtsgeschäftliche Sukzession, S. 379.4 Baur/Stürner, Sachenrecht, § 2, Rn. 14. Bereits Jhering, Geist des römischen Rechts,
Teil 2, S. 227 beschrieb das nahezu emotionale Verhältnis vom Eigentümer zumGrundstück pointiert wie folgt: „Der moralische Einfluß, den das Grundeigen-thum auf den Eigenthümer ausüben kann und soll[, entspringt aus dem] Gefühlder Sicherheit, Freiheit, Unabhängigkeit [sowie der] Liebe und Anhänglichkeit zurScholle […].“
5 Deutsche Bundesbank, Monatsbericht, Juni 2013, S. 27 ff. unter Berufung auf diePHF-Studie 2010/2011 (abrufbar unter: https://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Downloads/Veroeffentlichungen/Monatsberichte/2013/2013_06_monatsbericht.pdf?__blob=publicationFile; zuletzt abgerufen am 20.6.2018); vgl. auch Bormann/Hoischen, RNotZ 2016, 345, 345.
6 Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, Rn. 8.
19
chern, verläuft fort über den Einsatz von Schreibmaschinen und befindetsich derzeit in der zunehmenden Implementierung der elektronischen Da-tenverarbeitung. Obwohl das Grundbuch ein zuverlässiges Informations-medium ist, bedarf es zur Aufrechterhaltung der Investitionsbereitschaftund der Sicherung des Wirtschaftsstandorts Deutschland einer periodi-schen Abgleichung mit dem Stand der Technik.7 Insoweit besteht die Auf-forderung – respektive Mahnung – darin, nicht den Anschluss an die tech-nischen Entwicklungen zu verlieren.8
Zur Kategorie des einschlägigen Entwicklungsfortschritts zählt unter an-derem die sogenannte Blockchain.9 Ihre universelle Einsetzbarkeit erzeugtein interdisziplinäres Forschungsinteresse10 und verleitet zu regelmäßigenVergleichen dahingehend, dass ihre Entwicklung ebenso relevant sei wiedie des Internets11. Ferner qualifiziert das Weltwirtschaftsforum die Block-chain als eine der sechs Megatrends und sieht eine hohe Wahrscheinlich-keit, dass 2025 10 % des globalen Bruttoinlandsproduktes über sie gene-riert werden könnten.12 Abgesehen von der euphorischen Zukunftspro-gnose befindet sich jedoch sowohl der akademische Erkenntnisstand alsauch der praktische Einsatz der Blockchain noch in einem Frühstadium.13
7 Vgl. die Ausführungen zum Datenbankgrundbuch: BRegE DaBaGG (BT-Drs.17/12635), S. 1.
8 Böhringer, BWNotZ 1998, 129, 133; Sefrin, MittBayNot 2010, 268, 274.9 Im Folgenden bezieht sich der Begriff „Blockchain“ auf die allgemeinen Abläufe
der neuartigen Vertrauensinfrastruktur. Losgelöst von einzelnen Gestaltungsfor-men wird versucht, auf die verallgemeinerungsfähigen Systemeigenschaften ab-zustellen. Dennoch wird es an vielen Stellen vorkommen, dass implizit ein Bezugzur Bitcoin- und Ethereum-Blockchain besteht. Die Hervorhebung dieser beidenGestaltungsformen ist dem Umstand geschuldet, dass die Bitcoin-Blockchain diehistorisch erste Blockchain ist und die Ethereum-Blockchain mit ihrer universel-len Programmierbarkeit erstmalig eine dezentrale Infrastruktur für selbstausfüh-rende Transaktionen auf einer Blockchain bereitstellte.
10 Vgl. etwa Schlatt/Schweizer/Urbach/Fridgen, Blockchain: Grundlagen, Anwendun-gen und Potenziale, Vorwort. Für eine rechtsgebietsübergreifende Einführungvgl. Simmchen, MMR 2017, 162 ff.
11 Statt aller Wright/De Filippi, Decentralized Blockchain Technology and the Riseof Lex Cryptographia (SSRN-ID: 2580664), S. 5; Swan, Blockchain, VII; Glaser,HICSS 2017, 1543. Vgl. ferner Hoffmann-Riehm, AöR 142 (2017), 1, 16, Fn. 63:„Universaltechnologie des 21. Jahrhunderts“.
12 Survey Report, September 2015, S. 5 und 7. Abrufbar unter: http://www3.weforum.org/docs/WEF_GAC15_Technological_Tipping_Points_report_2015.pdf(zuletzt abgerufen am 20.6.2018).
13 Hierzu und mit dem kritischen Hinweis auf die überwiegend exemplarische Dar-stellung s. Schlatt/Schweizer/Urbach/Fridgen, Blockchain: Grundlagen, Anwendun-gen und Potenziale, S. 5.
§ 1 Einleitung
20
Infolgedessen müssen die Erwartungshaltungen für die jeweiligen Einsatz-gebiete eingehender auf ihre Umsetzbarkeit untersucht werden.
Viele der propädeutischen Darstellungen der Blockchain nennen dasGrundbuch als eines ihrer potenziellen Anwendungsfälle.14 Besonders her-vorzuheben ist die Resolution des Europäischen Parlaments zu virtuellenWährungen, in der wörtlich aufgeführt wird: „Das Europäische Parlamenterkennt insbesondere an, dass DLT zu Verbesserungen im Bereich des Grund-buchwesens führen kann.“15 Sofern sich die Aussage einer blockchain-basier-ten Grundbuchführung nicht mit der Form einer bloßen Behauptung be-gnügt, ist der bisherige Begründungsaufwand bestenfalls oberflächlich. In-soweit ist auch weitestgehend ungeklärt, auf welcher Motivation die Trans-formationsvorschläge beruhen und wie sie technisch umgesetzt werdensollten.16
Legt man die historische Motivation der Blockchain zugrunde, beruhtendie Befürwortungen einer Systemumstellung auf dem Bedürfnis nacheiner verbesserten Sicherheitsstruktur und dem Misstrauen gegenüber denbeteiligten Intermediären.17 Eine primär misstrauensgeprägte Deutungs-
14 Etwa Walport, Distributed Ledger Technology, S. 6; Fairfield, So. Cal. L. Rev,Vol. 88 (2015), 805, 807 ff.; Goodenough, Blockchain Technology, S. 31; Blocher,AnwBl 2016, 612, 617; Kaulartz/Heckmann, CR 2016, 618, 620; Lee, Whitepaperon Distributed Ledger Technology, S. 12 ff.; Schlatt/Schweizer/Urbach/Fridgen,Grundlagen, Anwendungen und Potenziale, S. 17; Thomas/Huang, The Con-veyancer and Property Lawyer 2017, 14 ff.; Schrey/Thalhofer, NJW 2017, 1431,1431; Martini, DÖV 2017, 443, 454; Martini/Weinzierl, NVwZ 2017, 1251, 1252;Hoeren, NJW 2017, 1587, 1592; Berger, DVBl 2017, 1271, 1272; Werbach, Trust,But Verify (SSRN-ID 2944409), S. 18; Heckelmann, NJW 2018, 504, 509. KritischWilsch, FGPrax 2017, 246, 248; ders., DNotZ 2017, 761 ff.
15 Entschließung des Europäischen Parlaments vom 26. Mai 2016 zu virtuellenWährungen (2016/2007(INI)). Regelmäßig werden Distributed Ledger Technolo-gy (DLT) und Blockchain synonym verwendet. Dabei wird jedoch verkannt, dassdie Blockchain eine spezifische Unterform der Distributed Ledger Technologyist; so auch Davidson/De Fillipi/Potts, Disrupting governance – The New Institu-tional Economics of Distributed Ledger Technology (SSRN-ID: 2811995), S. 2,insbesondere Fn. 2. Es ist fraglich, ob dem Europäischen Parlament diese Diffe-renzierung bewusst war, da die genannte Entschließung beide Begriffe beinhaltetund einige Ausführungen zur DLT eine besondere Nähe zu Verwendungsgebie-ten der Blockchain aufweisen.
16 Anders nur Thomas/Huang, The Conveyancer and Property Lawyer 2017, 14, 16:„[…] a blockchain titling system may be promoted as having three major bene-fits. These are (1) trustless transactions; (2) durability; and (3) transparency andimmutability“.
17 Nakamoto, Bitcoin: A Peer-to-Peer Electronic Cash System, S. 1.
A. Anlass der Untersuchung und Problemaufriss
21
weise ist hierzulande eher abwegig,18 da nach nahezu einhelliger Meinungdie Rechtssicherheit des deutschen Grundbuchwesens als „unübertrof-fen“19 erachtet wird.20
Im Lichte der automatisierten Transaktionsabwicklungen könnte eineoptimierte Registerführung jedoch dadurch erreicht werden, dass Automa-tismen die Grundbuchführung übernehmen und mit dem Wegfall der In-termediäre eine Effizienzsteigerung und erhöhte Rechtssicherheit verbun-den wäre. Gemessen am Kriterium der Effizienz besteht in Deutschlanddurchaus Nachholbedarf, denn im jährlich erscheinenden Doing BusinessReport der Weltbank schneidet das deutsche Grundbuchwesen in der Kate-gorie der Eintragungsdauer regelmäßig nur durchschnittlich ab.21 Bei derPrüfung, ob eine potenzielle Blockchain-Implementierung eine Effizienz-steigerung in der Grundbuchführung ermöglicht, muss jedoch berücksich-tigt werden, dass diese nicht auf Kosten der Rechtssicherheit erfolgen dürf-te.22 Schon das Reichsgericht sah die primäre Aufgabe des Grundbuchs da-rin, „auf sicherer Grundlage bestimmte und sichere Rechtsverhältnisse fürGrundstücke zu schaffen und zu erhalten“.23 Die Gewichtung der Interessenwird auch heute noch so veranschlagt, denn obwohl effizientere Verfah-rensabläufe befürwortet werden, ist eine Umsetzung nur „unter Beibehal-tung des hohen Qualitätsstandards des deutschen Grundbuchverfahrens und derRechtssicherheit im Grundstücksverkehr“24 realisierbar. Daraus ergibt sich dieSchlussfolgerung, dass Automatismen nur dann mit der Grundbuchfüh-
18 Rund um dem Globus erwägen einige Nationen die Implementierung einesblockchain-basierten Grundbuchsystems zur Eindämmung von Korruption; vgl.etwa mit beispielhafter Nennung von Georgien und Honduras: Thomas/Huang,The Conveyancer and Property Lawyer 2017, 14, 14 f.
19 Böhringer, BWNotZ 1987, 25; Kohler, in MüKo-BGB, Vorbemerkung zu §§ 873 ff.,Rn. 13.
20 Jüngst monographisch bestätigt von Resch, Sicherungsinstrumente beim Grund-stückserwerb, passim.
21 Die Eintragungsdauer des deutschen Grundbuchwesens wird durch einen Eigen-tumserwerb in Berlin repräsentiert; abrufbar unter: http://www.doingbusiness.org/data/exploreeconomies/germany/registering-property (zuletzt abgerufen am20.6.2018). Die Aussagekraft der verwendeten numerischen Rechtsvergleichunginfrage stellend: Kern, JZ 2009, 498 ff. Noch weitergehend qualifiziert Baumann,RNotZ 2007, 297, 301 die Ergebnisse des Doing Business Reports – aufgrund vonmethodischen Schwächen – als wissenschaftlich unbrauchbar.
22 Ausführlich zum Spannungsverhältnis von Rechtssicherheit und Effizienzsteige-rung Biederer, Die rechtlichen Voraussetzungen elektronischer Grundstückstrans-aktionen in rechtsvergleichender Sicht, S. 105 ff. und zusammenfassend S. 236 f.
23 RGZ 145, 343, 354.24 BRegE ERVGBG (BT-Drs. 16/12319), S. 1.
§ 1 Einleitung
22
rung betraut werden dürfen, wenn sie die Aufgaben mindestens so zuver-lässig wahrnehmen wie die bisher involvierten Organe der Rechtspflege.
Anstelle einer potenziellen Kosten- und Zeitersparnis würde eine block-chain-basierte Grundbuchführung auch dann überzeugen, wenn sie einverbessertes Sicherheitskonzept zur Folge hätte. Der Anknüpfungspunktfür eine dahingehende Optimierung ist die Vermeidung von menschli-chen Fehlerquellen. Einen Nährboden findet diese Mutmaßung in der we-sentlichen Errungenschaft der Blockchain: der Lösung des sogenanntenDouble-Spending-Problems ohne Zwischenschaltung eines Intermediärs.25 Inden juristischen Sprachgebrauch übersetzt, könnte dies bedeuten, dass in-folge einer Systemumstellung der Erwerb vom Nichtberechtigten ausge-schlossen wäre. Im Einzelnen würde die Rechtssicherheit dadurch gestei-gert werden, dass auf technischer Ebene bereits die Entstehung einesRechtsscheinträgers durch die Führung eines automatisierten und transpa-renten Registers unterbunden wäre. Wenn ein derartiges Verfahren zu rea-lisieren ist, hieße dies nicht weniger als die ausnahmslose Verwirklichungdes Rechtsgrundsatzes, dass niemand mehr Rechte übertragen kann, als erselbst hat26. Mangels erfolgversprechender Lösungsansätze war eine strikteAnwendung des Rechtsgrundsatzes bisher nicht möglich. Mit den zur Ver-fügung stehenden Mitteln versucht der Gesetzgeber, dem Problem in Be-zug auf hoheitlich geführte Register durch gewisse Verfahrensgarantien zubegegnen und somit eine ordnungsgemäße Wiedergabe der Rechtsverhält-nisse zu gewährleisten.27 Sollte sich trotz aller Bemühungen ein Fehler insGrundbuch einschleichen, führen die Erwerbstatbestände kraft öffentli-chen Glaubens gem. §§ 892 f. BGB dazu, dass die Interessen des wahren Be-rechtigten in den Hintergrund rücken. Mit Blick auf die momentane Kom-promisslösung ist zu prüfen, ob die Blockchain zur Stärkung bestehenderRechtsverhältnisse beitragen kann.
Zusammenfassend ist der Untersuchungsanlass in den uneingeschränk-ten Behauptungen zu sehen, dass sich die Blockchain für die Grundbuch-führung eignet. Im Unterschied zu den undifferenzierten Äußerungen istes das Ziel der Untersuchung, die Potenziale und Grenzen der Technikherauszuarbeiten. Als die dabei anzulegenden Bewertungskriterien wur-den die Möglichkeit zur Effizienzsteigerung und die Erhöhung der Rechts-
25 Nakamoto, Bitcoin: A Peer-to-Peer Electronic Cash System, S. 1. Vgl. auchKaulartz, InTeR 2016, 201, 202.
26 Einen historischen Anklang findet der Rechtsgrundsatz schon bei Ulpian, Dig.50.17.54: „Nemo plus iuris ad alium transferre potest, quam ipse haberet“.
27 Thomale/Schüßler, ZfPW 2015, 454, 456.
A. Anlass der Untersuchung und Problemaufriss
23
sicherheit ausgewählt. Unter Gewichtung der Kriterien eignet sich dieBlockchain für die Grundbuchführung in einer der drei folgenden Kon-stellationen. Aufgrund der Systemumstellung wäre die Grundbuchfüh-rung1. rechtssicherer,2. effizienter und ebenso rechtssicher,3. rechtssicherer und effizienter.
Festlegung des Untersuchungsgegenstandes
Thematisch bedarf es sowohl in rechtlicher als auch in technischer Sichteiner Beschränkung sowie Konkretisierung des Untersuchungsgegenstan-des.
Rechtliche Ebene
Den Grundstein eines übereinstimmenden Verständnisses der untersu-chungsrelevanten Thematik bildet eine terminologische Einordnung fol-gender Begriffe: Grundstück, Grundbuch und Grundstücksrecht. Obwohlin zahlreichen Normen der Begriff des Grundstücks enthalten ist,28 exis-tiert keine Legaldefinition. Entsprechend den unterschiedlichen Rege-lungszwecken der gesetzlichen Einkleidung muss der Grundstücksbegriffin seinem systematischen Kontext verstanden werden, so dass die Bedeu-tungen voneinander abweichen können und infolgedessen kein einheitli-ches Grundstück im Rechtssinne existiert.29 Eine Rubrizierung der ein-schlägigen Normen ergibt im Wesentlichen eine begriffliche Zweiteilung,die sich aus einem formalen Verständnis (Grundbuchgrundstück) und einemwertenden Verständnis (Wirtschaftsgrundstück) zusammensetzt.30 Im Rah-men der folgenden Ausführungen wird das formale Verständnis zugrundegelegt. Demzufolge ist ein Grundstück ein räumlich abgegrenzter Teil derErdoberfläche, der durch die Katasterdaten gem. § 2 II GBO repräsentiertwird und für den ein individuelles Grundbuchblatt gem. § 3 I GBO ange-
B.
I.
28 Synonyme Begriffe wie Immobilie, Liegenschaft oder unbewegliche Sache findenkeinen Anklang im gesetzlichen Sprachgebrauch; so Gursky, in Staudinger(2012), Vorb. zu §§ 873–902, Rn. 11.
29 Gursky, in Staudinger (2012), Vorb. zu §§ 873–902, Rn. 17.30 Ausführlich Gursky, in Staudinger (2012), Vorb. zu §§ 873–902, Rn. 13 ff.
§ 1 Einleitung
24
legt ist.31 Anknüpfend an das formale Begriffsverständnis wird für die be-griffliche Einordnung des Grundbuchs auf § 3 I 2 GBO rekurriert. Dem-nach ist das Grundbuchblatt i. S. v. § 3 I 1 GBO für das jeweilige Grund-stück als das Grundbuch i. S. d. BGB anzusehen. Anderweitige Grundbü-cher bleiben für die nachfolgende Untersuchung unberücksichtigt. Hierzuzählen vor allem die Grundbücher der grundstücksgleichen Rechte gem.§ 7 I 1 WEG und § 14 I 1 ErbbauRG.32 Ferner erfolgt keine Auseinander-setzung mit den sogenannten unsichtbaren Belastungen oder den soge-nannten Nebengrundbüchern.33 Als Konsequenz der vorausgegangenenEinordnung resultiert schließlich eine greifbare Erfassung des Rechtsge-biets, in dem die vorliegende Untersuchung anzusiedeln ist: Angesichtsder facettenreichen Gesetze des Grundstücksrechts34 setzt sich die hiesigeUntersuchung primär mit den Vorschriften der GBO und der GBV als for-mellem sowie den Vorschriften des BGB als materiellem Grundstücksrechtauseinander.
Technische Ebene
Auch im Bereich der Blockchain ist der Untersuchungsgegenstand in zwei-erlei Hinsicht festzulegen. In Bezug auf die Systemarchitektur ist zu klä-ren, welche Formen der Blockchain zu berücksichtigen sind. Indem einigeJurisdiktionen – wie Honduras und Georgien – prüfen, ob die Blockchainin ihrer dezentralsten Form für die Grundbuchführung eingesetzt werdenkann,35 soll auch hier die gesamte Bandbreite der Gestaltungsmöglichkei-ten beleuchtet werden.
II.
31 Vgl. RGZ 84, 265, 270.32 Eine Aufzählung weiterer Grundbücher bietet Herrler, in Palandt, Überbl. v.
§ 873 BGB, Rn. 6.33 Hierzu etwa Michalski, MittBayNot 1988, 204 ff.; Böhringer, BWNotZ 1992, 3 ff.;
Sefrin, MittBayNot 2010, 268, 273; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, Rn. 3195 ff.34 Abweichende Begriffsbestimmungen des Rechtsgebietes sind etwa bei Böttcher, in
Meikel-GBO, Einleitung A, Rn. 1 ff. und Gursky, in Staudinger (2012), Vorb. zu§§ 873–902, Rn. 8 zu finden.
35 Auf die Bitcoin-Blockchain baut sowohl das Vorhaben in Honduras als auch dasin Georgien auf; vgl. Thomas/Huang, The Conveyancer and Property Lawyer2017, 14, 20.
B. Festlegung des Untersuchungsgegenstandes
25
Eine Eingrenzung ist allerdings dahingehend vorzunehmen, dass dievermeintlich als Kryptowährungen36 und Smart Contracts37 bezeichnetenBlockchain-Anwendungen weitestgehend unberücksichtigt bleiben. Sofernund soweit sie jedoch für die Grundbuchführung relevant sind, werden al-lerdings auch hierzu einschlägige Ausführungen vorgenommen. Dennochkönnen jedenfalls die elementaren – bereits in der jeweiligen Terminolo-gie angelegten – Problemkreise nicht thematisiert werden.
Strikter Themenkonnex
Abschließend ist hervorzuheben, dass der Fokus der Untersuchung auf derSchnittstelle von Grundbuchführung und Blockchain liegt. Abgesehen von dengrundlegenden Ausführungen der beiden Untersuchungsobjekte erfolgenkeine weiteren Ausführungen, die sich nur mit einem der beiden Themen-kreise befassen. Die rechtlichen Erwägungen weisen einen kontinuierli-chen Blockchain-Bezug auf. Unberücksichtigt bleiben rein rechtliche Fra-gestellungen ohne Technikbezug. In diese Kategorie fallen insbesondereÜberlegungen, ob eine optimierte Grundbuchführung durch eine Aufga-benumverteilung innerhalb der Rechtspflegeorgane zu erreichen wäre. Pla-kativ zu nennen sind etwa das Erfordernis einer notariellen Beurkundungbei gleichzeitig anwaltlicher Beratung aller Partien oder die Sinnhaftigkeitvon weiteren Aufgabenübertragungen von den Grundbuchämtern auf dieNotare.
Spiegelbildlich zu den ausgesparten rechtlichen Themenbereichen un-terbleiben auch exkursartige Ausführungen über eine kombinierte Imple-mentierung der Blockchain mit weiteren aufstrebenden Technologien. Füreinen vollumfänglich automatisierten Entscheidungsprozess bei auftreten-den Rechtsfragen wäre etwa eine Kombination mit Spielarten der künstli-
III.
36 Eine rechtsgebietsübergreifende Darstellung bieten Boehm/Pesch, MMR 2014,75 ff. Zivilrechtliche Abhandlungen befassen sich primär mit schuldrechtlichenFragestellungen und der Einordnung als Geld im Rechtssinne: Engelhardt/Klein,MMR 2014, 355 ff.; Kuhlmann, CR 2014, 691 ff.; Spindler/Bille, WM 2014, 1357 ff.;Beck/König, AcP 215 (2015), 655 ff.; Beck/König, JZ 2015, 130 ff.; Beck NJW 2015,580, 582 ff.; Kaulartz, CR 2016, 474, 477 f.; Grundmann, in MüKo-BGB, § 245,Rn. 10 ff.; Omlor, JZ 2017, 754 ff. Zur steuerrechtlichen Betrachtung s. Eckert, DB2013, 2108 ff. Vollstreckungsrechtliche Aspekte werden thematisiert bei Kütük/Sorge, MMR 2014, 643 ff.
37 Einführend Kaulartz/Heckmann, CR 2016, 618 ff.; Kaulartz, InTeR 2016, 201 ff.;Simmchen MMR 2017, 162, 164; Schrey/Thalhofer, NJW 2017, 1431, 1435 f.
§ 1 Einleitung
26
chen Intelligenz notwendig, da es sich bei der Blockchain lediglich umeine „starre Datenbank“ handelt.
Methodenwahl
Der anzuwendende Methodenkanon ist im genuinen Bereich der Rechts-informatik zu verorten. Eine fundierte Untersuchung der progressiven An-näherung von Recht und Informatik ist dennoch nur möglich, sofern diegegenwärtige Rechtslage in Kenntnis ihrer Entwicklungsgeschichte hinrei-chend gewürdigt wird. Das methodische Fundament bildet daher dieRechtsdogmatik, die durch komprimierte Aufarbeitungen der Rechtsge-schichte zu untermauern ist. Sofern die untersuchungsrelevante Imple-mentierung der technologischen Komponente nicht in das bestehendeNormengefüge integriert werden kann, erfolgen entsprechende Hinweiseoder Vorschläge für notwendige Veränderungen de lege ferenda.
Ergänzend zu den temporalen Aspekten der Normenanalyse werden angeeigneten Stellen pointierte Erwägungen der Grundlagendisziplinen ein-gestreut. Namentlich werden Argumentationsansätze aus der Rechtsver-gleichung und Rechtsphilosophie respektive Rechtstheorie den Blickwin-kel der Untersuchung erweitern.
Gang der Untersuchung
Parallel zum Aufbau des Abschnitts § 1, A. werden die weiteren Ausfüh-rungen zunächst das Grundbuch und anschließend die Blockchain in demGrundlagenkapitel § 2 erläutern. Der inhaltliche Schwerpunkt liegt in derjeweiligen Funktionsweise unter besonderer Berücksichtigung der histori-schen Entwicklungen. Das daran anschließende Kapitel (§ 3) widmet sichdem Fragenkreis einer blockchain-basierten Grundbuchführung. In § 3, A.werden die zuvor singulär erörterten Themenstränge gekreuzt, um da-durch die bestehende Schnittmenge beider Untersuchungsobjekte heraus-zuarbeiten. Sodann wird in § 3, B. – unter Zugrundelegung eines weitenBegriffsverständnisses – überprüft, ob derzeit involvierte Intermediäre vonder Blockchain verdrängt werden könnten. Im Fall eines negativen Befun-des – der die Notwendigkeit eines Intermediärs attestiert – wird erwogen,wie die jeweilige Integration auszugestalten wäre. Darauf folgend befasstsich § 3, C. mit dem zweiten wesentlichen Aspekt des Untersuchungsge-genstandes: dem Verhältnis von Blockchain und Rechtsschein. Schließlich
C.
D.
D. Gang der Untersuchung
27
endet die Arbeit in § 4 mit einer Zusammenfassung der herausgearbeitetenErgebnisse und einer kurzen Schlussbemerkung in § 5.
§ 1 Einleitung
28