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Christopli Willibald Gluck
Biographische Wurzeln in der Oberpfalz und in Böhmen
Der Komponist Christoph Willibald Gluck (171 417X7), einer der bedeutendsten Opernkomponisten und-rcforrnatoren des 18. Jahrhunderts, wurde am 4. Juli1714 als Sohn von Johannes Alexander und Maria Walhurga Gluck in das Taufbuch der Pfarrei Weidenwangunweit von Berching eingetragen. Als sein Geburtstag~ilt aufgrund eines eigenhändig unterschriebenen Lebenszeugnisses aus dem Jahre 1785 der 2. Juli 1714.
Die Glucksche Familiengeschichte im oberpfälzischböhmischen Grenzgebiet läßt sich bis in das 17. Jahrhundert zurückverfolgen. Hans Adam Gluck (ca. 16491722), der Großvater Christoph Willibalds, heiratete1672 in Erbendorf in der Oberpfalz Anna Maria Köttnath (ca. 1651-1687), die Tochter des NagelschmiedsPhilipp Köttnath aus Erbendorf. Der Vater Hans Adamsist dabei als "Sirnon Gluckh" von Rockenzahn vermerkt, als Urgroßvater Christoph Willlibalds der bisher älteste der nachgewiesenen Gluck-Ahnen. Bei derOrtsangabe handelt es sich wahrscheinlich um die westböhmische Stadt Rokycany unweit von Pilsen.
Hans Adam Gluck war Förster beim Grafen Hartung in Dietersdorf bei Windischeschenbach in derOberpfalz. Um 1675 zogen die Großeltern ChristophWillibalds in das benachbarte Neustadt an der Waldnaab, wo der Großvater als Hofjäger in den Dienst desFürsten Lobkowitz trat. Hans Adam Gluck blieb dortbis zu seinem Tod Anfang Januar 1722 ansässig. InNeustadt wurde am 28. Oktober 1683 Johannes Alexander Gluck (1683-1743), der Vater Christoph Willibaids geboren. Alle Söhne Hans Adams traten in dieberuflichen Fußstapfen ihres Vaters und wurden Jäger:die zwei jüngeren Brüder von Johannes Alexander traten in Lobkowitzschen Dienst am Hof in Raudnitz inBöhmen (heute: Roudnice), ein älterer Bruder wurdeJäger im Dienst der Stadt Preßburg (heute: Bratislava).
Johannes Alexander Gluck verbrachte seine Kindheit und Jugend in Neustadt an der Waldnaab. Nacheiner mündlich überlieferten Familientradition soll eretwa zwanzigjährig als "Büchsenspanner und Leibjäger" des Prinzen Eugen von Savoyen (1663-1736) tätiggewesen sein. Etwa im Jahre 1712 trat Johannes Alexander Gluck dann die Jägerstelle in Erasbach bei Berching an. Er wohnte zu Beginn seiner dortigen Tätigkeit im Nachbarort Weidenwang in Miete. Im Sommer1713 wurde ihm von seinem obersten Dienstherrn Kurfürst Johann Wilhe1m von der Pfalz (1658-1716) Bauholz für ein eigenes Haus zur Verfügung gestellt. Wanndieses Haus gebaut, fertiggestellt und bezogen wurde,ist nicht bekannt. Daher ist bis heute umstritten, ob seinberühmter Sohn Christoph Willibald im Mietshaus inWeidenwang oder im eigenen Gluckschen Haus in Erasbach geboren wurde. Ebenso unklar ist, wann undwo Johannes Alexander Gluck seine Ehefrau MariaWalburga (ca. 1682-1740), Christopli Willibalds Mutter, heiratete. Da ihr Mädchenname bisher trotz umfangreicher Recherchen unbekannt geblieben ist, liegtdie mütterliche Ahnenlinie Christoph Willibald Glucksweitgehend im Dunkeln.
Der weitere Lebensweg Christoph Willibalds läßtsich entsprechend der beruflichen Laufbahn seines Vaters rekonstruieren. Johannes Alexander Gluck veränderte in den folgenden Jahren dreimal seine Stellung undavancierte dabei vom Jäger zum Forstmeister. BereitsEnde August 1717, Christoph Willibald war gerade dreiJahre alt, quittierte Johannes Alexander freiwillig seinen Dienst in Erasbach und verkaufte das neu erbauteHaus. Die Familie übersiedelte nach Reichstadt inNordböhmen (heute: Zikupy bei Ceskä Lipa), wo eram 1. Oktober 1717 als Oberförster in den Dienst derGroßherzogin Anna Maria Franziska von Toskana (vor
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1685-1741) trat. Hier verlebte die Familie Gluck mitinzwischen vier Kindern ein halbes Jahrzehnt. Bereitsim April 1722 suchte sich der Vater, stets auf Verbesserung seiner beruflichen Stellung bedacht, eine neue Stelleals Forstmeister beim Grafen Philipp Joseph Kinsky,der 1719 das Erbe der Herrschaft Böhmisch-Kamnitzangetreten hatte. Obwohl das gräfliche Schloß inKamnitz (heute: Ceska Kamenice) steht, wohnte dieFamilie Gluck im Forsthaus des etwa zehn Kilometernördlich gelegenen Oberkreibitz (heute: Chribsk ä beiNovy Bor). Spätestens in Oberkreibitz dürfte neben derFortsetzung der elementaren Schulbildung auch dererste musikalische Unterricht für Christoph Willibaldstattgefunden haben. In späteren Lebensjahren erinnertsich Ch. W. Gluck eines nicht namentlich genanntenLehrers, der sein besonderes musikalisches Talent offenbar erkannte und förderte und ihn auch noch außerhalb der Schulzeit betreute. Zwischen Juni 1727 undFebruar 1728, Christoph Willibald war nun dreizehnJahre alt, nahm Vater Johannes Alexander eine neueAnstellung bei Fürst Philipp Hyazinth Lobkowitz(1680-1734) auf Schloß Eisenberg (heute: Jezeri beiChornutov) an. Er übersiedelte mit seiner Familie indas am Fuße des Schloßberges, auf einem Ausläufer desErzgebirges gelegene Forsthaus. Schloß Eisenberg wurde von der fürstlichen Familie insbesondere im Herbstzur Jagdsaison für ausgedehnte Festlichkeiten genutzt.Im ovalen Festsaal des Schlosses erklang zu diesen Gelegenheiten sicher auch ausgiebig Musik, dargebotenvon Mitgliedern der Lobkowitzschen Kapelle. Hierdürfte der junge Christoph Willibald wohl prägendemusikalische Eindrücke erhalten haben.
Weder für die schulische noch für die musikalischeAusbildung Christoph Willibald Glucks gibt es - außer dem angeführten zeitlichen Raster der beruflichbedingten Ortswechsel seines Vaters - gesicherte Quellen, alle bisher darüber veröffentlichten biographischenAussagen sind hypothetischer Natur.
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Der nächste gesicherte Fixpunkt in Ch. W. GlucksBiographie ist der Immatrikulationsnachweis aus demJahr 1731, der ihn als Student der Logik an der Karlsuniversitär in Prag ausweist. Jedoch sind weder GlucksWohnung während seines Prager Studienaufenthaltes,noch ein etwaiger Magisterabschluß bekannt. Auch sindaus dieser ersten Prager Zeit bislang keine Kompositionen Glucks nachweisbar, musikalische Autographesind erst für die Zeit nach 1744 belegt.
Die Frage, wann Gluck Prag und damit seine oberpfälzisch-böhmische Heimat verließ, um nach Wien zugehen, ist nicht genau geklärt. Philipp Hyazinth vonLobkowitz, der ehemalige Dienstherr von Ch. W.Glucks Vater, starb am 21.12.1734 in Wien. Ob der jungeChristoph Willibald vor dem Tod Philipp Hyazinthsin Wien eintraf oder erst später als Kammermusiker zuMusikaufführungen im Palais Lobkowitz-Althan in dieHauptstadt kam, ist ungewiß. Es darf jedoch angenommen werden, dass Gluck bis Ende 1736 den im Lobkowitzsehen Palais in Wien verkehrenden Mailänder Aristokraten Antonio Maria Melzi (1672-1748)kennenlernte, der ihn vermutlich für seine Kapelle nachMailand engagierte. Gesichert erscheint seine Abreisenach Mailand zu Beginn des Jahres 1737. Seinen erstenkompositorischen Erfolg auf der Opernbühne konnteCh. W Gluck am 26.12.1741 im Teatro Regio Ducal inMailand mit der Premiere der Oper "Artaserse" feiern.
Auch in späteren Jahren besuchte Ch. W. Gluck aufseinen ausgedehnten Reisen durch Europa mehrfachseine oberpfälzisch-böhmische Heimat, sicherlich auchbedingt durch seine guten Verbindungen zum böhmischen Adelsgeschlecht der Lobkowitz. So wird für dieZeit zwischen Ende 1750 und 1752 auch ein festerWohnsitz Glucks in Prag angenommen. Nach diesemletzten nachweisbaren Aufenthalt in Prag wurde Gluckab 1753 in Wien seßhaft, wo auch der Ausgangspunktfür seine späteren italienischen und französischen Reformopern zu finden ist.