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1 Eberhard-Karls-Universität Tübingen Seminar für Allgemeine Sprachwissenschaft SS 07 PS/HS/VS Geschichte der Transformationsgrammatik, eingeführt anhand der Theorie der Wh-Bewegung Prof. Dr. Wolfgang Sternefeld, Tanja Kiziak Protokollantinnen: Shoira Khadjieva, Georgia Moisiadou Protokoll der Sitzungen vom 04. und 11. 06. 2007 Thema: Conditions on Transformations by Noam Chomsky (1973) In seinem Aufsatz „Conditions on Transformations“ setzt Chomsky einige zusätzliche Bedingungen aus der „Extended Standard Theory“ voraus. Zum einen handelt es sich um „Remarks on Nominalization“ (1970) und zum anderen um „Empirical Issues in the Theory of Transformational Grammar“ (1972). Neu hierbei ist der Gedanke, dass die Derivationsmorphologie nicht auf die Syntax zurückgeführt werden kann, denn laut der schwachen lexikalistischen Hypothese kommen die ganzen Derivate aus dem Lexikon. Dagegen besagt die starke lexikalistische Hypothese, dass die Flexionsmorphologie im Lexikon und nicht in der Syntax erzeugt wird, was von Chomsky bis Mitte der 80er Jahre nicht vertreten wurde. 1970 wird zum ersten Mal die X-bar Theorie formuliert. Die Kopfhaftigkeit wird festgestellt, allerdings bezüglich der Phrasen, nicht aber auf der Satzebene. 1973 wird zum ersten Mal der COMP-Knoten eingeführt. Dabei handelt es sich um einen leeren Knoten. (2) Complementizer Substitution Universal: Nur Sprachen mit COMP am Satzanfang erlauben eine Transformation nach COMP Dieses Prinzip setzt voraus, dass COMP ein universales Element ist, das in verschiedenen Satzpositionen erscheinen kann und es besagt, dass ein Element in die COMP-Position nur dann bewegt werden kann, wenn COMP am Satzanfang steht. Besonders Wh-Wörter können nur nach links bewegt werden, wenn es ein COMP in initialer Position gibt.

Conditions on Transformations by Noam Chomsky (1973) · 2 Chomsky betrachtet zuerst einige Bedingungen für Transformationen aus der „Extended Standard Theory“. Eine mögliche

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Page 1: Conditions on Transformations by Noam Chomsky (1973) · 2 Chomsky betrachtet zuerst einige Bedingungen für Transformationen aus der „Extended Standard Theory“. Eine mögliche

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Eberhard-Karls-Universität Tübingen

Seminar für Allgemeine Sprachwissenschaft

SS 07

PS/HS/VS Geschichte der Transformationsgrammatik, eingeführt anhand der Theorie der Wh-Bewegung

Prof. Dr. Wolfgang Sternefeld, Tanja Kiziak

Protokollantinnen: Shoira Khadjieva, Georgia Moisiadou

Protokoll der Sitzungen vom 04. und 11. 06. 2007

Thema: Conditions on Transformations by Noam Chomsky (1973)

In seinem Aufsatz „Conditions on Transformations“ setzt Chomsky einige zusätzliche

Bedingungen aus der „Extended Standard Theory“ voraus. Zum einen handelt es sich um

„Remarks on Nominalization“ (1970) und zum anderen um „Empirical Issues in the Theory of

Transformational Grammar“ (1972).

Neu hierbei ist der Gedanke, dass die Derivationsmorphologie nicht auf die Syntax zurückgeführt

werden kann, denn laut der schwachen lexikalistischen Hypothese kommen die ganzen

Derivate aus dem Lexikon. Dagegen besagt die starke lexikalistische Hypothese, dass die

Flexionsmorphologie im Lexikon und nicht in der Syntax erzeugt wird, was von Chomsky bis

Mitte der 80er Jahre nicht vertreten wurde.

1970 wird zum ersten Mal die X-bar Theorie formuliert. Die Kopfhaftigkeit wird festgestellt,

allerdings bezüglich der Phrasen, nicht aber auf der Satzebene.

1973 wird zum ersten Mal der COMP-Knoten eingeführt. Dabei handelt es sich um einen leeren

Knoten.

(2) Complementizer Substitution Universal: Nur Sprachen mit COMP am Satzanfang

erlauben eine Transformation nach COMP

Dieses Prinzip setzt voraus, dass COMP ein universales Element ist, das in verschiedenen

Satzpositionen erscheinen kann und es besagt, dass ein Element in die COMP-Position nur dann

bewegt werden kann, wenn COMP am Satzanfang steht. Besonders Wh-Wörter können nur nach

links bewegt werden, wenn es ein COMP in initialer Position gibt.

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Chomsky betrachtet zuerst einige Bedingungen für Transformationen aus der „Extended

Standard Theory“. Eine mögliche Bedingung für Transformationen sei das A-über-A-Prinzip.

(3) If a transformation applies to a structure of the form

[ …[A…]…]

where is a cyclic node1, then it must be so interpreted as to apply to the maximal

phrase of the type A

(Wenn eine Transformation an eine Struktur der Form

[ …[A…]…]

angewendet wird, bei der der zyklische Knoten ist, dann werden die Transformationen

auf die dominierende Instanz von A, also auf das oberste A, angewendet)

Beispiel:

(4) (b) S[[NPThe man [Swho saw – NPMary]] – bought – NPthe – book]

zykl. Knoten zykl. Knoten =A

=A

zykl. Knoten

(5) (b) *The man who saw the book was bought by Mary

Das A-über-A-Prinzip blockiert die Ungrammatikalität, weil aus der komplexen NP [the man who

saw Mary] nicht eine NP herausbewegt werden kann. Richtig müsste der Satz folgendermaßen

lauten: The book was bought by the man who saw Mary.

Das A-über-A-Prinzip stellt aber kein absolutes Verbot dar, weil es zum Beispiel die

Wh-Bewegung nicht verhindert.

Beispiel:

(6) Who would you approve of my seeing

1 Zyklische Knoten sind S und NP

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aus

(7) You would approve of [my seeing who]

Satz (6) ist ungrammatisch, weil aus einer komplexen NP [my seeing who] eine NP extrahiert

worden ist. Diese Bewegung wird aber vom A-über-A-Prinzip blockiert.

Chomsky weist auf eine Bewegungstransformation hin, bei welcher das A-über-A-Prinzip

ebenfalls nicht zutrifft. Es handelt sich um die Bildung des englischen each other (einander):

(21) (c) The candidates each expected that the others would win

(22) (c) *The candidates expected that each other would win

Die Unmöglichkeit der each other-Bildung hat nichts mit dem A-über-A-Prinzip zu tun, denn

each ist nicht eine NP innerhalb der größeren NP the candidates each. Daraufhin formuliert

Chomsky folgende Einschränkung, die er Tensed-S Condition (Einschränkung durch den finiten

Nebensatz) nennt.

(20) No rule can involve X, Y in the structure

…X…[ …Y…]…

where is a tensed sentence

(Keine Regel kann X, Y in der Struktur

…X…[ …Y…]… involvieren,

wo ein finiter Satz ist)

X ist bei der each other-Bildung das each in seiner ursprünglichen Stellung beim Subjekt des

Hauptsatzes, Y die von each einzunehmende Stelle im Nebensatz . Das heißt, wenn ein finiter

Satz ist, dann darf X nicht nach Y bewegt werden.

Ausgehend von der Regel (20) ist der Satz

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(24) (b) The candidates expected to defeat each other

grammatisch, weil der Komplementsatz nicht finit ist.

Man würde erwarten, dass auch in

(25) (b) *The men expected the soldier to shoot each other

die each-Insertion stattfinden könne, da kein finiter Komplementsatz vorliegt. Das Resultat der

Insertion ist aber ungrammatisch. Grund dafür ist nach Chomsky die Tatsache, dass in (25b) ein

spezifiziertes Subjekt, the soldier, vorkommt, welches eine NP ist, die in keiner anaphorischer

Beziehung steht. Hierfür stellt er die Specified Subject Condition auf.

(26) No rule can involve X, Y in the structure

…X…[ …Z… – WYV…]…

where Z is the specified subject of WYV in

(Keine Regel kann X, Y in der Struktur

…X…[ …Z… – WYV…]…

involvieren, wo Z das spezifizierte Subjekt von WYV in ist)

Diese Regel besagt nun, dass in infiniten Sätzen die spezifizierten Subjekte die each other-

Bewegung blockieren.

Die Specified Subject Condition wird nicht nur bei = S, sondern auch bei = NP angewendet:

(29) (b) *The men saw John’s pictures of each other

Der Genitiv fällt hier terminologisch in den Begriff des Subjektes, so dass John die each-

Bewegung blockiert.

(31) (b) *Who did you see John’s pictures of

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Hier wird die Wh-Bewegung durch das intervenierende Subjekt John blockiert.

Die folgenden Sätze

(45) (a) We expect them to visit me; I expect them to visit us (me)

(45) (d) We believe I may still win; I believe we (I) may still win

müssten normalerweise nach dem Unlike Person Constraint ungrammatisch sein, da in einer

Struktur NP-V-NP die zwei NPs nicht dieselbe Referenz haben dürfen. Diese Bedingung wird

hier aber durch die Specified Subject Condition und die Tensed-S Condition blockiert.

Im weiteren Verlauf betrachtet Chomsky folgenden Satz

(49) What did you tell me that Bill saw,

der mittels Wh-Ersetzung, Wh-Bewegung, Auxiliarinversion und that-Einsetzung aus Satz

(50) COMP you told me [SCOMP Bill saw something]

abgeleitet wird. Die Extraktion von wh-something aus dem eingebetteten Satz und der Transport

hinauf und nach links sollten eigentlich durch die erwähnten Einschränkungen (Tensed-S

Condition und Specified Subject Condition) verunmöglicht werden, da Bill saw something ein

finites Tempus und ein spezifiziertes Subjekt enthält. Bevor Chomsky sich dem Problem der

Wh-Bewegung zuwendet, beschäftigt er sich mit dem Begriff „transformational cycle“. Um

diesen Begriff näher zu bestimmen, stellt er folgende allgemeine Bedingung auf, die er Strict

Cycle Condition (Zyklusprinzip) nennt:

(51) No rule can apply to a domain dominated by a cyclic node A in such a way as to

affect solely a proper subdomain of A dominated by a node B which is also a

cyclic node

Dieses besagt, dass syntaktische Regeln von unten nach oben operieren, d. h., sie setzen bei der

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zutiefst eingebetteten zyklischen Domäne (NP oder S) an und operieren dann über der

nächsthöher liegenden zyklischen Domäne bis hin zur vollständigen Struktur. Sobald eine Stufe

einer zyklischen Domäne erreicht worden ist, kann nicht mehr zu dieser zurückgekehrt werden,

um von dort aus weitere Transformationen zu begehen.

Aus dieser Bedingung folgt, dass die Wh-Bewegung dem Zyklusprinzip entspricht, denn sie

kommt in indirekten Fragesätzen und Relativsätzen vor.

Anhand Satz (50) wird das Zyklusprinzip gemäß Chomsky hier näher erläutert. Die Wh-

Bewegung wird in einem ersten Schritt in der innersten zyklischen Domäne angewendet und man

erhält

(52) COMP you told me [S [COMPwhat] Bill saw]

In der nächsten zyklischen Domäne wird what in die COMP-Position des Matrixsatzes bewegt.

Die Specified Subject Condition ist jetzt kein Hindernis mehr, jedoch die Tensed-S Condition.

Chomsky stellt nun aber fest, dass ein Element aus einem finiten Satz daraus „flüchten“ kann,

wenn es in die COMP-Position einer früheren zyklischen Domäne bewegt worden ist und nun in

die COMP-Position der jetzigen zyklischen Domäne wandert. Außerdem wandert auf keinen Fall

ein Element aus der COMP-Position in etwas anderes außer in eine COMP-Position. Mit der

entsprechenden Neuformulierung (Complementizer Substitution Universal oder COMP-to-

COMP)

(55) No rule can involve X, Y in the structure

…X…[ …Z… – WYV…]…

where a) Z is the specified subject of WYV

or b) Y is in COMP and X is not in COMP

or c) Y is not in COMP and is a tensed S

(Keine Regel kann X, Y in der Struktur

…X…[ …Z… – WYV…]…

involvieren, wo a) Z das spezifizierte Subjekt von WYZ ist,

oder b) Y in COMP und X nicht in COMP ist,

oder c) Y nicht in COMP ist und ein finiter Satz ist)

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der bisherigen Bedingungen kann die Wh-Bewegung auf (52) angewendet werden und man erhält

(53) What you told me [SCOMP Bill saw]

und daraus durch Auxiliarinversion und that-Insertion den oben schon erwähnten Satz (49).

Diese neu formulierte Bedingung besagt, dass ein Element aus einem finiten Satz oder über ein

spezifiziertes Subjekt nur dann extrahiert werden kann, wenn es eine Regel gibt, die dieses

Element in die COMP-Position bewegt.

(55b) bedeutet, dass ein Element, das nach COMP bewegt worden ist, nur nach COMP

weiterbewegt werden kann und (55c) bedeutet, dass es verboten ist, ein Element aus einem Satz

herauszubewegen, wenn dieses nicht in einem COMP-Knoten steht.

Wh-Bewegung über das spezifizierte Subjekt ist in

(56) COMP you saw [NPJohn’s pictures of who]

nicht erlaubt, um den ungrammatischen Satz *Who did you see John’s pictures of zu erhalten.

Der Unterschied zwischen den Sätzen (50) und (56) besteht darin, dass Satz (56) keinen COMP

Knoten in der NP [John’s pictures of who] enthält und deshalb das Wh-Wort nicht aus der NP

flüchten kann.

Wh-Bewegung kann nur einmalig an eine Konstituente der Form S angewendet werden. Deshalb

kann man

(57) *What did he wonder where John put

nicht aus

(58) COMP he wondered [SCOMP John put what where]

(2) + WH (1)

+ WH (3)

ableiten. Um (57) aus (58) abzuleiten, muss man zuerst where in die COMP-Position des

eingebetteten Satzes bewegen. In diesem Fall kann aber what nicht die COMP-Position betreten,

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da diese ja schon mit where gefüllt ist und what kann somit auch nicht die nächste zyklische

Domäne erreichen. Dies ist eine Verletzung des Zyklus-Prinzips. Die Tensed-S Condition ist

ebenfalls verletzt, weil ein Element aus einem finiten Satz herausbewegt worden ist.

In einem Satz können mehrere Fragewörter vorkommen. Diese können in ihrer Stellung frei

gewechselt werden.

(65) John knows what books to give to whom

(66) John knows to whom to give what books

Im folgenden Satz

(70) *John knows what who saw

steht das Subjekt in der Ableitung höher als eine Konstituente des Prädikates (Y wird von Z c-

kommandiert). Die entsprechende Einschränkung wird von Chomsky Superiority Condition

(Superioritätsbedingung) genannt.

(73) No rule can involve X, Y in the structure

…X…[�…Z… – WYZ…]…

where the rule applies ambiguously to Z and Y and Z is superior to Y

(Keine Regel kann X, Y in der Struktur

…X…[�…Z… – WYZ…]…

involvieren, wo die Regel ambig auf Z und Y angewendet wird und Z höher ist als

Y)

Diese Regel setzt voraus, dass eine Kategorie A höher ist als B, wenn jede Hauptkategorie, die A

dominiert, auch B dominiert aber nicht umgekehrt. Die Kategorie X in der Regel (73) ist höher als

Y und wenn Z das spezifizierte Subjekt ist, dann ist es höher als Y.

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Chomsky betrachtet nun Sätze wie

(77) (a) COMP he believes [SCOMP John saw who]

(b) COMP he wonders [SCOMP John saw who]

(78) (a) COMP he believes [NPthe claim [SCOMP John saw who]]

Aus (77a) kann durch iterative Wh-Bewegung der Satz Who does he believe that John saw

abgeleitet werden und aus (77b) He wonders who John saw. Aus (78a) kann man aber who nicht

in die COMP-Position des Matrixsatzes bewegen.

Um an die Anfangsstelle wie in (77) zu gelangen, müsste who den zyklischen NP-Knoten [the

claim] überspringen, der zudem keine COMP-Stelle enthält. Die Bewegung ginge nicht mehr von

zyklischem Knoten zu angrenzendem oder direkt übergeordnetem Knoten oder von COMP zu

COMP, sondern würde einen zyklischen Knoten überspringen. Dies scheint nicht erlaubt zu sein,

denn Transformationen finden zwischen einem subjazenten (in demselben zyklischen Knoten

oder im benachbarten zyklischen Knoten) und adjazenten (benachbart) oder direkt

übergeordneten zyklischen Knoten statt. Chomsky argumentiert wie folgt: Wenn X in einem

Phrasenmarker2 höher ist als Y, dann ist Y dem X unterstellt (subjacent), wenn es höchstens eine

zyklische Kategorie C Y gibt, so dass C die Kategorie Y, aber nicht X enthält. Wenn deshalb Y

dem X subjazent ist, sind X und Y entweder in allen gleichen zyklischen Kategorien oder in

aneinander liegenden (adjacent) Zyklen enthalten. Zwischen der zyklischen Kategorie, die Y

enthält und derjenigen, die X enthält, darf keine weitere zyklische Kategorie stehen. Chomskys

Subjacency Condition (Subjazenzregel) lautet:

(80) No rule can involve X, Y, X superior to Y, if Y is not subjacent to X

(Keine Regel kann X, Y mit X höher als Y involvieren, wenn Y dem X nicht

unterstellt ist)

Diese Regel wird jedoch nur bei Regeln für Extraktionen angewendet, d. h. für Regeln, die ein

Element aus der Position Y in die von ihm höhere Position X bewegen.

2 Phrase-Marker [engl. >Bezeichner von zusammengehörigen Wortgruppen<. – Auch: Formationsmarker, P-

Marker]. Darstellungsform der Phrasenstruktur eines Satzes in Form eines Strukturbaumes oder durch Indizierte

Klammerung

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Obwohl es nun möglich ist, Wh-Phrasen aus Strukturen wie a picture of___, stories about___,

requests for___ usw. zu extrahieren

(86) (b) Who did you hear stories about___,

ist es jedoch nicht möglich, eine Wh-Phrase aus einer solchen Struktur zu extrahieren, wenn eine

dieser Strukturen in einer anderen eingebettet ist.

(87) (a) *Who did you hear stories about a picture of___

Der Grund hierfür liegt nach Chomsky darin, dass eine NP keinen COMP-Knoten enthält. Auf

der anderen Seite empfindet Ross Sätze wie

(89) What books does the government prescribe the height of the lettering on___

als grammatisch. Chomsky stimmt ihm hierbei nicht zu. Er ist der Ansicht, dass Sätze wie (87a)

und (89) bezüglich der Regelanwendung gleichartig sind und somit in ihrer Akzeptanz auf

derselben Stufe stehen. Auch Sätze wie

(90) What did John believe that Bill asked Mary to give her sister to read

dieser Knoten ist frei für Bewegung

beruhen auf denselben Annahmen und entstehen durch wiederholte Anwendung einer Wh-

Bewegung von Zyklusknoten zu Zyklusknoten (die Bedingung, dass aus S nicht herausbewegt

werden darf, gilt nur für finite Sätze; hier hat man es mit einem infiniten Satz zu tun).

Es gibt zusätzliche Beschränkungen für Elemente in Subjektposition, die bisher nicht

berücksichtigt worden sind:

(91) (a) COMP John heard [NPstories about who]

(b) Who did John hear stories about

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(92) (a) COMP [NPstories about who] terrified John

(b) *Who did stories about terrify John

(94) (a) COMP you expect [SCOMP [NPstories about who] to terrify John]

(b) *Who do you expect stories about to terrify John

Das Fragewort who in (91b) stammt aus einer Präpositionalphrase, die ihrerseits zum Objekt von

hear gehört. Das who des ungrammatischen Satzes (92b) stammt hingegen aus dem Subjekt. In

der Kette

…X…[�…Z… – WYZ…]…

darf also � keine Subjektphrase sein, die Y enthält. Die Einschränkung lautet nach Chomsky

Subject Condition:

(99) No rule can involve X, Y in the structure

...X...[�...Y...]...

where a) � is a subject phrase properly containing MMC(Y)3

and b) Y is subjacent to X

(Keine Regel kann X, Y in der Struktur

…X…[�…Y..]…

involvieren, wo a) � eine Subjektphrase ist, die eigentlich die minimale

Hauptkategorie von Y, MMC(Y), enthält und

b) Y subjazent zu X ist)

Die Subjekteinschränkung gilt für die Wh-Transformation, hingegen nicht für die each other-

Bewegung:

(100) (a) We expect [S [NPpictures of each other] to be on sale]

In diesem Fall kann die each-Bewegung angewendet werden, weil die Subjazenzbedingung von

3 Die Abkürzung MMC steht für minimal major category

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(99b) verhindert, dass die Bewegung von der Subject Condition (99a) blockiert wird. D. h., dass

die Position Y, wonach each bewegt wird, nicht subjazent zu X ist, aus dem each transformiert

worden ist. Vielmehr gibt es zwei zyklische Kategorien (nämlich NP und S), die in der

zugrundeliegenden Struktur MMC(Y) (= the other), nicht aber X (= each) enthalten. Aber die

Definition der Subjazenz impliziert, dass in den Fällen, die durch (99) ausgeschlossen werden,

die Subjektphrase die einzige zyklische Kategorie ist, die MMC(Y) und nicht X enthält.

Zum Schluss betrachtet Chomsky noch einige Interpretationsregeln. In den folgenden Sätzen

(241) (a) *What did you tell him who saw

(b) + WH you told him [+ WH someone saw something]

(242) (a) What did you tell him (that) Bill saw

(b) + WH you told him [- WH Bill saw something]

(c) + WH you told him [+ WH Bill saw something]

(243) (a) You told him what Bill saw

(b) - WH you told him [+ WH Bill saw something]

(c) - WH you told him [- WH Bill saw]

kann (241a) nicht aus (241b) abgeleitet werden, (242a) kann aber aus (242b), doch nicht aus

(242c) und (243a) kann aus (243b), nicht aber aus (243c) abgeleitet werden. (242c) und (243c)

werden von den „principles of interpretation“ (s. u.) ausgeschlossen. Ein + WH COMP wird nur

interpretiert, wenn es eine Wh-Phrase enthält. Ein - WH COMP wird als Satzeinleiter oder

Topikalisierung4 interpretiert. Eine Wh-Phrase wird in einem - Wh COMP immer als ein

Relativsatz interpretiert. In einem + WH COMP gibt es mehrere Fälle, die von der Wahl der Wh-

Phrase abhängen. [whether + WH] wird als „is it the case that“ (wie in der NP wondered whether

it would rain) interpretiert. Die NPs who und what werden wie folgt interpretiert:

(248) The phrase [� [wh, NP] + WH]…PRO5...]is interpreted with PRO a variable

4 Topikalisierung ähnelt Chomsky zufolge der Wh-Bewegung; der Unterschied liegt darin, dass eine Interpretation

nur in einem Wurzelsatz (im Sinne Emonds) möglich ist. 5 wh-Bewegung hinterlässt eine Spur, die als Variable wiedergegeben wird (PRO)

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bound by the node [wh, NP] and ... the semantic interpretation determined

by the derivation of �

Nun bleiben noch die Fälle übrig, in denen die Wh-Phrase nicht in einem COMP ist. Diese Fälle

können mit folgendem Prinzip interpretiert werden:

(249) Assign a wh-phrase not in COMP to some higher structure [COMP... + WH]

and interpret as in (248) where the interpretation is uniform in this COMP node

Prinzip (249) übergeht die Einschränkung, zwei Wh-Phrasen in ein und dieselbe COMP Position

zu bewegen. Das bedeutet, dass es Interpretationen erlaubt, die so vonstatten gehen, als hätte

diese doppelte Bewegung stattgefunden.

Beispiel:

(255) Who remembers where we bought which book

Prinzip (249) erlaubt die beiden Interpretationen in (256) und zwar nur diese

(256) (a) For which x, x remembers for which z, for which y, we bought y at z

(b) For which x, for which y, x remembers for which z we bought y at z

Im Fall (256b) hebt Prinzip (249) die Einschränkung auf, eine Wh-Phrase aus einer Phrase, an die

Wh-Bewegung schon stattgefunden hat, in eine höher liegende Phrase des Phrasenmarkers zu

bewegen.