Phonologie: phonologische Merkmale (SPE)

Noam Chomsky & Morris Halle: Sound Pattern of English (1968)

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Allgemeines� Merkmale sind distinktiv (bedeutungsdifferenzierend).

� Merkmale können

� - binär (alle Merkmale sollen zweiwertig + oder - sein),

� - privativ (einwertig, bestimmte Merkmale können nur in ihrempositiven Wert erscheinen - es gibt keineSegmente, diegleichzeitig aspiriert und glottalisiert sind),

� - gradient (wie bei der Vokalhöhe)

� sein.

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Allgemeines� Merkmale müssen in der Phonetik begründet sein:

- Akustische Merkmale: Intensität oder Häufigkeit der spektralen Komponenten

- Artikulatorische Merkmale: Bewegung und Position vonartikulierenden Organen

� Merkmale müssen grosse phonetische Unterschiede zwischen Sprachen charakterisieren können.

� Merkmale müssen die natürlichen Klassen erfassen können.

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Merkmalsystem nach Chomsky & Halle: ZielIm traditionellen Klassifikationssystem (IPA) werden zur Charakterisierung der Artikulation von Konsonanten und Vokalen verschiedene Merkmale verwendet.

� Vokalartikulationen werden mithilfe der Merkmale “vorne–hinten” und “noch–niedrig” beschrieben;

� Konsonantenartikulationen werden mithilfe eines mehrwertigen Parameters charakterisiert, der sich auf dieLokalisierung einer Enge im Lautgang bezieht.

Sowohl Jakobson, Fant & Halle (1951) Preliminaries to speech analysis als auch Chomsky & Halle (1968) Sound Pattern of English versuchen eine einheitliche Charakterisierung sowohl der Vokale als auch der Konsonanten zu erreichen.

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Merkmalsystem nach Chomsky & Halle: ZielProblem mit Jakobson et al.: zu strenge Gleichbehandlung von Vokalen und Konsonanten führt zu Schwierigkeiten bei der Handhabung der Merkmale.

� Dies betrifft insbesondere die Merkmale compact/diffuse sowiegrave/acute.

� Aus diesem Grund: Redefinition der Merkmale mit feinererAufteilung (Jacobson et al. - 12 Merkmale; Chomsky & Halle -24).

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Merkmalsystem nach Chomsky & Halle: ZielChomsky & Halle haben einen auf phonetischen Merkmalen basierenden Beschreibungsrahmen für alle Sprachen entwickelt, der zu einem Standard geworden ist. In dieser Arbeit diskutieren sie

the individual features that together represent the phonetic capabilities of man. Each feature is a physical scale defined by two points, which are designated by antonymous adjectives: high-nonhigh, voiced-nonvoiced(voiceless), tense-nontense (lax).(Chomsky & Halle 1968: 299)

- individuelle Merkmale auflisten, die die phonetischen Fähigkeiten des Menschen ausmachen;

- binäre Merkmale;

- Definition der Merkmale rein artikulatorisch.

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Merkmalsystem nach Chomsky & Halle: Grobeinteilung

� Übergeordnete Merkmale (major class features)

� Merkmale, die das Ansatzrohr betreffen (cavity features)

� Art der Artikulation (manner of articualtion features)

� Merkmale, die das Anregungssignal betreffen (source features)

� Prosodische Merkmale (prosodic features)

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Ausgangspunkt: Die neutrale StellungNach Chomsky & Halle sind alle Artikulationsbewegungen als Abweichungen von einer Normalposition der Sprechwerkzeuge beschreibbar.

Diese wird als neutrale Stellung bezeichnet:Als neutrale Stellung bezeichnen wir die Position, welche die Sprechwerkzeuge einnehmen, unmittelbar bevor eine Person zu sprechen beginnt.

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Die neutrale StellungDiese neutrale Stellung kann folgendermaßen beschrieben werden:� Während beim normalen Atmen das Velum leicht gesenkt ist, so daß

die Luft auch durch die Nase entweichen kann, ist es bei der neutralen Stellung angehoben.

� Der Zungenrücken, der beim ruhigen Atmen in entspanntem Zustand flach im Mund liegt, ist in der neutralen Stellung bis etwa zur Höhe des Vokals /e/ angehoben, während das Zungenblatt etwa in der Ruheposition verbleibt.

� Da Sprache gewöhnlich nur beim Ausatmen hervorgebracht wird, ist der Luftdruck in den Lungen unmittelbar vor dem Sprechen höhrer als der atmosphärische Druck.

� Vor dem Beginn des Sprechens wird die Glottis soweit verengt, daßein normaler ungehinderter Luftstrom zur Schwingung der Stimmfalten führt (Bernoulli-Effekt).

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Übergeordnete Merkmale (major class features)

� Sonorant / nicht sonorant [obstruent](sonorant / non-sonorant [obstruent])

� ±Vokalisch(±vocalic)

� ±Konsonantisch(±consonantal)

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Übergeordnete Merkmale: Sonorant / nicht sonorant[obstruent]

+ Konfiguration des Ansatzrohres erlaubt spontanePhonation

– Konfiguration des Ansatzrohres erlaubt keine spontane Phonation

spontane Phonation: Die Vibration der Stimmlippenwird von dem Unterschied im Luftdruck sowie von derStimmlippen selber kontrolliert

+ Vokale, Gleitlaute, Nasale, Liquide– Verschlusslaute, Frikative, Affrikaten

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Übergeordnete Merkmale: ±Vokalisch

+ Engste Stelle in der Mundhöhle nicht enger alsbei [i] oder [u] UNDStimmlippen in Phonationsstellung

– mindestens eine der vorgenannten Bedingungen nicht erfüllt

+ stimmhafte Vokale, Liquide– alles andere, auch stimmlose Vokale und Liquide

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Übergeordnete Merkmale: ±Konsonantisch

+ Wesentliche Verengung oder Verschluss (radicalconstriction) im mittsagitalen Bereich des Ansatzrohres

– mindestens eine der vorgenannten Bedingungen nicht erfüllt

+ Verengung mindestens wie bei Frikativen.Spontane Phonation nicht notwendigerweise verhindert (sonorante Konsonanten)

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Übergeordnete Merkmale

Stimmhafte Vokale

vocalicconsonantalsonorant

+ – +

Stimmlose Vokale + – –Gleitlaute + – –Liquide + + +Sonstige nichtnasale Konsonanten – + –

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Merkmale des Ansatzrohres (cavity features)

Primäre Engstelle• Koronal (± coronal)• Vorne (± anterior)

Zungenrücken• Hoch (± high)• Tief (± low)• Hinten (± back)

Weitere Merkmale• Gerundet (± round)• Verteilt (± distributed)

Sekundäre Öffnungen• Nasal (± nasal)• Lateral (± lateral)

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Merkmale des Ansatzrohres

Zunächst wird mithilfe der Merkmale “ koronal-nicht-koronal” und “ vorne-nicht-vorne” eine vierfache Unterteilung vorgenommen.

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Merkmale des AnsatzrohresPrimäre Engstelle: ±Koronal

+ Zungenspitze/Zungenblatt ist gegenüber der neutralen Stellung angehoben

+ Dentale, Alveolare, Palato-Alveolare+ Liquide, wenn mit Zungenblatt gebildet+ retroflexe Vokale wie [�]

– Labiale– dorsale Konsonanten– nichtretroflexe Vokale

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Merkmale des AnsatzrohresPrimäre Engstelle: ±Vorne

+ Ein Hindernis (Engstelle, Verschluss) existiert vor palato-alveolarer Position

– Es existiert kein solches Hindernis

+ Labiale, Dentale, Alveolare

– Palato-Alveolare, Retroflexe, Palatale, Velare etc.[Hindernis existiert, liegt aber weiter hinten]

– Vokale [kein Hindernis]

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Merkmale des AnsatzrohresPrimäre Engstelle: ±Vorne

[+anterior]: {���������������������������� ���������}[−anterior]: {�������������������������� �������} ∪ Vokale

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Merkmale des AnsatzrohresZungenrücken: ±Hoch, ±Tief, ±Hinten

±Hoch+ Zungenrücken liegt oberhalb der neutralen Position– Zungenrücken liegt nicht oberhalb der neutralen Position

±Tief+ Zungenrücken liegt unterhalb der neutralen Position– Zungenrücken liegt nicht unterhalb der neutralen Position

±Hinten+ Zungenrücken gegenüber neutraler Position zurückgezogen– Zungenrücken gegenüber neutraler Position nicht zurückgezogen

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Merkmale des AnsatzrohresZungenrücken: ±Hoch, ±Tief, ±Hinten

±Hoch[+hoch]: {�����������������������}

±Hinten� [+hinten]: {�������}

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Merkmale des AnsatzrohresZungenrücken: ±Hoch, ±Tief, ±Hinten

Verteilung von ±hoch, ±tief, ±hinten bei dorsaler Artikulation

ARTIKULATIONSORT

[- coronal, - anterior]

++

palatal ++ –– ––velar ++ –– ++uvular –– ++pharyngal –– –– ––

high low back

––

Die Kombination [+high, +Die Kombination [+high, +lowlow] ist artikulatorisch unm] ist artikulatorisch unmööglich.glich.

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Merkmale des AnsatzrohresZungenrücken: ±Hoch, ±Tief, ±Hinten

Verteilung von ±hoch, ±tief, ±hinten bei nicht-dorsaler Artikulation

Dorsale Enge ist nur mDorsale Enge ist nur mööglich, wenn [+high] bzw. [+back] zutrifft.glich, wenn [+high] bzw. [+back] zutrifft.

Sekundärar tikulation ++

Palatalisierung ++ –– ––Velarisierung ++ –– ++Uvularisierung –– ++Pharyngalisierung –– –– ––

high low back

––

ohne –– ––

[+coronal] bzw. [+anterior]

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Beziehungen zu den Merkmalen von Jakobson et al. (1952)

Vorteil Chomsky & Halle: Zungenstellung kann nunmehr bei Vorteil Chomsky & Halle: Zungenstellung kann nunmehr bei Vokalen und Konsonanten gleich angegeben werdenVokalen und Konsonanten gleich angegeben werden

++

Konsonanten

Jakobson et al.

±diffuse±compact±grave

±diffuse±grave

±high±low±back

±anterior±coronal

Chomsky & Halle

Vokale

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Merkmale des AnsatzrohresWeitere Merkmale: Gerundet / Ungerundet

+ mit Lippenrundung – ohne Lippenrundung

+ bei Vokalen: bekanntermaßen ein sehr gebräuchliches Merkmal

+ bei Konsonanten: Sekundärartikulation (Labialisierung)

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Merkmale des AnsatzrohresWeitere Merkmale: ±Verteilt

+ Produziert mit einem Hindernis, das sich über eine längere Strecke ausdehnt

– produziert ohne derartiges Hindernis

� Nur relevant für Konsonanten im vorderen Bereich, also [+ anterior] und/oder [+ coronal]

+ laminale Artikulation+ nicht retroflex

– apikale Artikulation– retroflex

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Merkmale des AnsatzrohresWeitere Merkmale: ±Verteilt

� Notwendigkeit des Merkmals zur weiteren Unterscheidung im vorderen Bereich, also für [+ anterior] und/oder [+ coronal]

� ohne dieses Merkmal nur drei Kombinationen möglich

[- coronal, + anterior] → labial

[+ coronal, + anterior] → dental/alveolar

[+ coronal, -anterior] → palato-alveolar

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Merkmale des AnsatzrohresSekundäre Öffnungen: ±Nasal, ±Lateral

± Nasal+ Velum gesenkt; Luft kann (auch) durch Nase entweichen+ Nasale, nasalierte Vokale, einige andere nasalierte

Konsonanten (selten)

± Lateral+ Zungenmitte (längs gesehen) gesenkt; so dass Luft seitlich

entweichen kann+ Nur relevant für [+cons, +coronal]

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Art der Artikulation (manner of articualtionfeatures)

� Geöffnet / Verschluss (± continuant)

� Augenblickliche / Verzögerte Lösung(instantaneous / delayed release)

� Gespannt / Entspannt (± tense)(tense / lax)

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Art der Artikulation: geöffnet / Verschluss+ Engste Stelle im Ansatzrohr erlaubt Vorbeiströmen der

Luft– Luftstrom durch Mund ist blockiert

– Plosive, Affrikaten– Sonderfälle, wie Schnalzlaute (clicks), Ejektive (ejectives)– Nasale (!!!)

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Art der Artikulation: augenblickliche / verzögerte Lösung

• Nur relevant für Laute, die mit Verschluss gebildet werden• Da Doppelartikulationen möglich sind, müssen Primär-

und Sekundärverschluss auseinander-gehalten werden

+ Plosive (primär)+ Affrikaten

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Art der Artikulation: gespannt / entspannt+ Artikulationsgeste ist bewußt, akkurat und maximal

unterscheidbar; erfordert erheblichen Muskel-aufwand, teilweise auch erhöhten subglottalen Druck

– schnell und ungenau produziert

• bei Vokalen gleiche Definition wie bei Jakobson et al.Beispiel: [ i] → [+ tense] vs. [ �] → [ - tense]

• bei Obstruenten: Entspricht der Unterscheidung fortis / lenis. Perrkell (1965) zeigt mit Röntgenbildern, dass die Wände des Vokaltrakts bei stimmlosen Konsonanten stärker gespannt sind als bei stimmhaften

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Art der Anregung (source features)

� Stimmhaft / Nicht stimmhaft (± voiced)

� Scharf / Nicht scharf (mild)(± strident)

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Art der Anregung: Stimmhaft / Nicht stimmhaft;Scharf / Nicht scharf

�Stimmhaft / Nicht stimmhaft (± voiced)

+ Phonation ist an der Bildung des Lautes beteiligt.

�Nur für Verschlusslaute relevant; im übrigen durch das Merkmal [± sonorant] abgedeckt.

�Schar f / Nicht schar f (mild) (± str ident)

+ größerer Geräuschanteil (relativ definiert);

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Art der Anregung: Verrschluss und Stimmeinsatz

Stimmeinsatz vor Verschlusslösung [+ voiced][- tense]

Stimmeinsatz gleichzeitig mit Verschlusslösung; [+ tense] wennglottale Verengung

Stimmeinsatz kurz nach Verschlusslösung

Stimmeinsatz erheblich nachVerschlusslösung

[+ voiced][ tense]

[- voiced][- tense]

[- voiced][+ tense]

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Natürliche KlassenJede natürliche Klasse kann durch weniger Information charakterisiert werden, als ein Segment dieser Klasse. Werden Klassen durch Merkmale beschrieben, bedeutet dies, dass zur eindeutigen Charakterisierung einer natürlichen Klasse weniger Merkmale erforderlich sind als für irgendein Segment dieser Klasse.Die Klasse der Nasalkonsonanten [�������� ist durch die Merkmale [+konsonantisch, +nasal] definiert. Zur Aussonderung von [���müßte noch das Merkmal [+anterior] hinzukommen.Phonologische Prozesse involvieren normalerweise natürliche Klassen.Eine Funktion von distinktiven Merkmalen ist es natürliche Klassen zu charakterisieren.