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MANAGEMENT | Crowdsourcing 44 | io management | Mai/Juni 2013 > Crowdsourcing: Tipps, damit es gelingt Unternehmen betrachten Crowdsourcing oſt als kostengünstiges Instrument, um auf die Ideen und das Wissen externer Personen zuzugreifen. Die Anwendung birgt Risiken. Wir zeigen die Tipps, mit denen die Hürden gemeistert werden. OLIVER GASSMANN, STEPHAN WINTERHALTER UND CHRISTOPH H. WECHT W ar es vor einigen Jahren noch ein No- vum, Programmierarbeiten auf Online- Plattformen wie «Rent A Coder» zu de- legieren oder Miniaufgaben bei Amazon’s Online- dienst «Mechanical Turk» auszuschreiben, wurden diese Anwendungen, bei denen Teilaufgaben eines Unternehmens an eine Gruppe von Freiwilligen ausgelagert werden, mittlerweile x-fach repliziert und auf andere Tätigkeitsbereiche übertragen. Auf der Online-Plattform «Rent A Rentner» findet man beispielsweise rüstige Rentner, die gestressten Mitt- dreissigern Glühbirnen auswechseln oder die Win- terreifen aufziehen. Im Zuge der Entwicklung neuer Anwendungs- felder versuchen multinationale Grosskonzerne immer häufiger, die kollektive Intelligenz der eige- nen Mitarbeitenden zu nutzen. Dabei steigen die Attraktivität und der Nutzen dieses unterneh- mensinternen Crowdsourcings mit zunehmender Anzahl an Mitarbeitenden. IBM beispielsweise hat sich in seinen sogenannten Jam Sessions, an denen über 300 000 Mitarbeitende aktiv mitgewirkt ha- ben, strategisch neu erfunden. Auch bei Henkel helfen die Mitarbeitenden in einem internen Crowdsourcing-Prozess, die Verkaufsprognosen zu verbessern. Dabei werden die Erfahrung und das Know-how von Angestellten des Supply Chain Ma- nagements, der Verkaufsabteilung sowie zentraler Stabsstellen mittels Soſtware gebündelt und in eine quantitative Vorhersage für jedes Produkt über- setzt. Das Ergebnis ist vielfach genauer als die von Henkel bisher angewandten klassischen Absatzpro- gnosen. BILD: DDPIMAGES/DAPD/DANIEL KOPATSCH DIE AUTOREN Oliver Gassmann, Prof. Dr., ist Professor für Inno- vationsmanagement an der Universität St. Gallen und Direktionsvorsitzender am dortigen Institut für Technologiemanagement. [email protected] Stephan Winterhalter ist Forschungsassistent und Doktorand am Institut für Technologiemanagement an der Universität St. Gallen. [email protected] Christoph H. Wecht, Dr., ist Managing Partner der BGW Management Advisory Group und Leiter des Kompetenzzentrums für Open Innovation am Institut für Technologiemanagement an der Universität St. Gallen. [email protected] BUD-SPENCER-BAD Bud Spencer startete in den 50-er Jahren als Weltklasseschwimmer in Schwäbisch Gmünd. Deshalb wurde anstelle des Stadt-Tunnels – wie dies die Crowd wollte – das Freibad nach ihm benannt.

Crowdsourcing: Tipps, damit es gelingt - alexandria.unisg.ch IO Management.pdf · Crowdsourcing ist auch keine billig eingekaufte Inno - vation für Unternehmen mit Shopping-Mentalität

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MANAGEMENT | Crowdsourcing

44 | io management | Mai/Juni 2013

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Crowdsourcing: Tipps, damit es gelingtUnternehmen betrachten Crowdsourcing oft als kostengünstiges Instrument, um auf die Ideen und das Wissen externer Personen zuzugreifen. Die Anwendung birgt Risiken. Wir zeigen die Tipps, mit denen die Hürden gemeistert werden.OLIVER GASSMANN, STEPHAN WINTERHALTER UND CHRISTOPH H. WECHT

 War es vor einigen Jahren noch ein No-vum, Programmierarbeiten auf Online-Plattformen wie «Rent A Coder» zu de-

legieren oder Miniaufgaben bei Amazon’s Online-dienst «Mechanical Turk» auszuschreiben, wurden diese Anwendungen, bei denen Teilaufgaben eines Unternehmens an eine Gruppe von Freiwilligen ausgelagert werden, mittlerweile x-fach repliziert und auf andere Tätigkeitsbereiche übertragen. Auf der Online-Plattform «Rent A Rentner» fi ndet man beispielsweise rüstige Rentner, die gestressten Mitt-dreissigern Glühbirnen auswechseln oder die Win-terreifen aufziehen.

Im Zuge der Entwicklung neuer Anwendungs-felder versuchen multinationale Grosskonzerne immer häufi ger, die kollektive Intelligenz der eige-nen Mitarbeitenden zu nutzen. Dabei steigen die Attraktivität und der Nutzen dieses unterneh-mensinternen Crowdsourcings mit zunehmender Anzahl an Mitarbeitenden. IBM beispielsweise hat sich in seinen sogenannten Jam Sessions, an denen über 300 000 Mitarbeitende aktiv mitgewirkt ha-ben, strategisch neu erfunden. Auch bei Henkel helfen die Mitarbeitenden in einem internen Crowdsourcing-Prozess, die Verkaufsprognosen zu verbessern. Dabei werden die Erfahrung und das Know-how von Angestellten des Supply Chain Ma-nagements, der Verkaufsabteilung sowie zentraler Stabsstellen mittels Soft ware gebündelt und in eine quantitative Vorhersage für jedes Produkt über-setzt. Das Ergebnis ist vielfach genauer als die von Henkel bisher angewandten klassischen Absatzpro-gnosen. B

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DIE AUTOREN

Oliver Gassmann, Prof. Dr., ist Professor für Inno-

vationsmanagement an der Universität St. Gallen und Direktionsvorsitzender am

dortigen Institut für Technologiemanagement.

[email protected]

Stephan Winterhalter ist Forschungsassistent und

Doktorand am Institut für Technologie management an

der Universität St. [email protected]

Christoph H. Wecht, Dr.,ist Managing Partner

der BGW Management Advisory Group und Leiter

des Kompetenzzentrums für Open Innovation am Institut für Technologiemanagement

an der Universität St. [email protected]

BUD-SPENCER-BAD

Bud Spencer startete in den 50-er Jahren als Weltklasseschwimmer in Schwäbisch Gmünd. Deshalb wurde anstelle des Stadt-Tunnels – wie dies die Crowd wollte – das Freibad nach ihm benannt.

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MANAGEMENT | Crowdsourcing

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�> Crowdsourcing hat sich im grossen Mass-stab als wertvolles Tool etabliert. Allerdings gibt es immer wieder Probleme beim undifferenzierten Ein-satz. «Die Lösungen der Crowd hatten nicht die er-hoffte Qualität», ist eine oft dokumentierte Äusse-rung. Nicht selten werden zu grosse Hoffnungen ge-hegt. Crowdsourcing kann nicht die Versäumnisse der eigenen Forschung und Entwicklung (F&E) der vergangenen zehn Jahre in drei Wochen wettmachen. Crowdsourcing ist auch keine billig eingekaufte Inno-vation für Unternehmen mit Shopping-Mentalität. Der zentrale Erfolgsfaktor besteht vielmehr darin, die Projekte «richtig» durchzuführen. Dabei haben sich einige Praktiken bewährt, ähnlich wie es zuvor bei klassischen Themen wie beispielsweise dem Projekt-management der Fall war.

Viele Unternehmen nutzen Crowdsourcing, nebst der Hoffnung auf besonders interessante Ideen und Lösungen, auch dafür, um sich nach aussen kundeno-rientiert und besonders innovativ zu präsentieren. Dabei wird selten die Frage gestellt, ob Crowd-sourcing überhaupt das richtige Instrument ist, um Ideen von extern zu erhalten. Deshalb enden ad hoc durchgeführte Crowdsourcing-Experimente oftmals mit unbefriedigenden Ergebnissen.

Wer Open Innovation betreibt, muss sich öffnen. Eine kulturelle Öffnung ist in vielen Unternehmen aber immer noch mit Unbehagen verbunden. Offen-heit wird postuliert, aber selten praktiziert, da die «heilige Kuh» F&E betroffen ist. So werden grosse Summen für umfangreiche Marktstudien ausgege-ben, doch die Integration eines potenziellen Kunden in den frühen Entwicklungsprozess ist für viele Un-ternehmen noch immer nur schwer denkbar. Firmen, welche die Crowd in ihre Innovationsprozesse einzu-binden gedenken, müssen deshalb folgende Punkte in ihre Überlegungen einbeziehen:

Faktor Kultur: Wer wenig Erfahrung hat, Externe in den Innovationsprozess einzubinden und die Kul-tur «not-invented-here-but-very-welcome» nicht ver-innerlicht hat, wird Ergebnisse aus einem Crowd-sourcing-Prozess nur schwer annehmen und umset-zen. Zu gross ist der Widerstand gegen fremde Ideen. Dort empfiehlt es sich, mit weniger progressiven Me-thoden – wie etwa Cross-Industry-Workshops oder Empathic Design – kundenorientierte Lösungen zu entwickeln und so Ressentiments gegen Ideen von aussen abzubauen.

Komplexität und Spezifität: Obwohl Crowd-sourcing von einfachen Produkten im B2C-Geschäft

Hürden Tipps

Frage zu abstrakt, z.B. «System zu minimalen Kosten».

- Problem in machbare Teilprobleme zerlegen.- Keine Grundprobleme der Branche ausschreiben.- Nur Teilaspekt des Gesamtproblems nach aussen geben.

Wettbewerber soll nicht aufmerksam werden.

- Semi-öffentliche Plattformen wählen, z.B. InnoCentive, wo Wettbewerber ausgeschlossen sind.

- Geheimhaltungsvereinbarungen mit ausgewählten Community-Mitgliedern abschliessen.

- Problem in nicht nachvollziehbare Teilaspekte zerlegen, die nur partiell veröffentlicht werden.

- In grossen Firmen: Internes Crowdsourcing in einer sicheren Online-Umgebung durchführen.

Problem ist zu konkret oder zu detailliert.

- Problem auf die adressierte Community zuschnei-den. Falls das nicht möglich ist, Crowdsourcing für eine allgemeinere Frage durchführen mit Option auf Bilateralprojekt mit dem Gewinner (häufig in Werbe- und Designbranche).

Wir wissen nicht, wofür wir Crowdsourcing einsetzen können.

- Falls kein Problem mit der Marke besteht, ein Experiment mit begrenzten Ressourcen starten.

- Externe Spezialisten beiziehen.

Top-down-Vorgabe für Crowdsourcing ohne entspre-chende Zeit und Ressourceneinbin-dung.

- Nachträglich Ressourcen beantragen.- Projekt redimensionieren.

Mangelnder Support innerhalb der Unternehmung.

- Unternehmensinternes Marketing für Crowdsourcing.- Sponsor in der Geschäftsleitung suchen.- Externe Experten aus anderen Industrien oder

renommierten Institutionen zur Geschäftsleitung einladen.

Wir wissen nicht, wo wir die Fragen stellen sollen und wie wir den Prozess begleiten müssen.

- Industriebeispiele lesen und Analogien für die eigene Branche ziehen.

- Externe Spezialisten beiziehen.

Fehlender strategischer und kultureller Fit mit der ausgesuchten Plattform.

- Wahl der Plattform überdenken.- Plattform gezielt aussuchen.- Existiert keine passende Plattform, selber eine

Community aufbauen.

Vorbereitungsphase

Tabelle 1

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(Doritos, Mammut, Tchibo oder Threadless) mittler-weile den Weg in komplexere Umgebungen im B2B-Bereich (Cisco, Siemens oder Versatel) gefunden hat, gibt es immer wieder Fälle, in denen es schwierig ist, die Fragestellung in eine crowdgerechte Form zu transferieren und die geeignete Crowd zu finden. In hochspezifischen B2B-Marktkonstellationen der che-mischen Industrie ist es in frühen Phasen der Wert-schöpfungskette schwierig, Crowdsourcing effizient zu nutzen. Dies ist besonders dann der Fall, wenn keine innovationswillige und offene Community existiert. Andere Open-Innovation-Formate – wie In-novationsnetzwerke oder Cross-Industry-Innovati-onsevents – erzielen in diesem Fall mehr Erfolg.

Faktor Branding: Crowdsourcing wird oft als State-of-the-art-Methode an der Schnittstelle zwi-schen Marketing und Innovationsmanagement be-trachtet. Jedoch gibt es auch markenstrategische Gründe, auf Crowdsourcing zu verzichten. Während sich Crowdsourcing hervorragend eignet, um Brands wie Siemens, Coca-Cola, Swarovski oder Fiat positiv zu beeinflussen und zu stärken, gilt dies für exklusive Marken nicht. Bei Rolex oder Bugatti ermöglichen gerade die intern vorhandenen Kompetenzen die überlegene Produktqualität, die den Markenwert massgeblich ausmacht.

Crowdsourcing als Methode muss zum Unterneh-men passen. Nach der Reflexion folgender Fragen sind Unternehmen in der Lage zu beurteilen, ob Crowdsourcing als Methode des Innovationsmanage-ments für sie geeignet ist:

Lässt die Unternehmenskultur Crowdsourcing zu? Lässt sich die Komplexität des Geschäfts geeignet

reduzieren, damit umsetzbare Ergebnisse erzielt werden?

Ist eine Community vorhanden, die zur Problemlö-sung beitragen kann und will?

Lässt die Markenstrategie Crowdsourcing zu? Ist Crowdsourcing im Einklang mit der Unterneh-

mens- und Innovationsstrategie? Soll die Publicity erhöht und eine starke Aussenwir-

kung erzielt werden? Soll eine eigene Community aufgebaut und gepflegt

werden? Stellt sich das Unternehmen einer breiten Öffent-

lichkeit und geht es mit möglicher Kritik richtig um?

Für die typischen Herausforderungen und die Tipps, wie den Hürden des Crowdsourcing in der Praxis

Hürden Tipps

Wir können unsere Frage nicht crowdsourcingtaug-lich formulieren.

- Frage in einzelne Elemente zerlegen.- Frage auf ähnliche Problemstellungen transferieren.- Pre-Test mit Community Mitgliedern machen.- Anderes Open-Innovation-Instrument anwenden.- Externe Spezialisten beiziehen.

Unser Problem ist zu komplex.

- Frage zerlegen.- Anderes Open-Innovation-Instrument anwenden.

Wir haben zu wenig Zeit für die Vorbe - reitung von Crowd - sourcing- Events.

- Etablierte Crowdsourcing-Plattform nutzen.- Teilaufgaben der Übersetzung und Einordnung an

Spezialisten outsourcen.

Wir wissen nicht, wo sich unsere Crowd aufhält.

- Bei Spezialisten im Unternehmen nachfragen.- Eigene Recherche im Internet machen.- Eigene Community aktiv entwickeln

(teuer und risikoreich).- Externe Spezialisten einbinden.

Wie ermutigen wir die Crowd, ihre Ideen mit uns zu teilen?

- Klare Rahmenbedingungen schaffen.- Sich in der Online-Umgebung als vertrauenswür-

dige Unternehmung präsentieren, die sorgfältig mit den eingereichten Ideen umgeht (z.B. durch das Plattformdesign).

- Commitment zeigen (Experten in der Jury, prominente Unterstützung durch Geschäftsleitung).

- Barrieren für Teilnehmer gering halten: Crowdsourcing muss für die Crowd einfach sein (z.B. Single Sign-on, Verlinkung und Login mit anderen Netzwerken).

- Attraktivität für die Crowd erhöhen: Crowd-sourcing muss «cool» sein, Spass machen (Gamification, Neugier wecken, einfache, schnelle Übersicht über die Plattform sicherstellen).

- Vermarktung von Crowdsourcing-Erfolgen als Anreiz.

Was ist die adäquate Belohnung für die Crowd?

- Fixbetrag (bei Plattformen wie Atizo, 99designs).- Umsatz- und Risikobeteiligung am späteren Produkt.- Reputation für den Ideengeber in der Community

und evtl. beim Endkunden (Erfinder auf Produkt vermerkt).

- Grundsätzlich sind verschiedene Belohnungssys-teme denkbar, diese müssen aber zur Crowd passen.

- Oftmals sind Mischformen zielführend.

Unsere Patent- abteilung lässt uns zu wenig Freiraum für die Formulierung der Frage.

- Klären, was öffentlich gemacht werden darf (Umsetzung z.B. durch Zerstückelung der Fragestellung).

- Gross-Firmen: Möglichkeit eines unterneh-mensinternen Crowdsourcings prüfen.

Die fürs Unterneh-men wichtigen Fragen werden nicht gestellt, da wir Angst vor Wissensabfluss haben.

- Klären, wie viel Information freigegeben werden darf.

- Klären, was öffentlich gemacht werden darf.- Meist ist dies eher ein psychologisches Problem

im Unternehmen, das auch so behandelt werden muss.

Wir wissen nicht, was auf uns zukommt.

- Szenarien planen mit Alternativen für mögliche Ausgänge, wie

- zu viele Ideen- zu wenige Ideen- 100 Millionen-Franken-Umsatz-Idee ist dabei

(Preisgeld).

Initiierungsphase

Tabelle 2

MANAGEMENT | Crowdsourcing

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�Hürden Tipps

Die Crowd weiss nicht, was wir von ihr wollen.

- Moderierend eingreifen (sofern möglich), mehr Informationen bereitstellen.

- Prozess mit eigenen Ideen in Gang setzen.

Keine Resonanz auf die Frage.

- Marketing und Öffentlichkeitsarbeit erhöhen.- Moderierend eingreifen (sofern möglich),

mehr Informationen bereitstellen.- Prozess mit eigenen Ideen in Gang setzen.- Community-Leader früh zu überzeugen versuchen.- Commitment der Firma untermauern

(z.B. mit einem CEO-Statement).- Glaubwürdigkeit der Firma erhöhen (mit

Experten oder Persönlichkeiten in der Jury).

Antworten liegen im falschen Gebiet oder generieren wenig Nutzen. Das Ergebnis stimmt nicht mit unseren Erwartungen überein.

- Moderierend eingreifen (sofern möglich), mehr Informationen bereitstellen.

- Stossrichtung mit eigenen Ideen korrigieren.- In dieser Phase ist nur noch Erwartungsmanage-

ment möglich.- Nicht die Regeln ändern.- Nicht in dieser Phase die Plattform wechseln.

Wir gewannen nicht die richtigen Innova toren für unser Projekt.

- In den entsprechenden Fach-Communities aktiv werden und auf die Crowdsourcing-Initiative hinweisen. Oft ist diese nicht bekannt.

Viele User sind auf der Crowdsourcing-Platt-form, aber es werden zu wenige Ideen produziert.

- Bei kurzen Crowdsourcing-Events gibt es kaum Handlungsspielraum.

- Bei längeren Events oder permanenten Crowdsourcing-Plattformen sollte man das Design anpassen.

- Einfachheit sicherstellen (Aufwand für Innovatoren minimieren, Unsicherheiten abbauen).

- Attraktivität erhöhen, Anreize schaffen und Belohnungssystem anpassen.

- Für das nächste Projekt überdenken: Sind wir auf der richtigen Plattform? Eignet sich unsere Frage für Crowdsourcing? Haben wir die Frage richtig gestellt?

Die Crowd gerät ausser Kontrolle.

- Schlichtendes Eingreifen der Moderatoren; Ziele und Prozess transparent machen.

- Proaktives Kommunikationsmanagement, um einen «Shitstorm» (Entrüstungssturm im Netz) zu vermeiden, respektive so schnell wie möglich zu beenden.

- Sehr schnell reagieren- Keine Einträge vertuschen oder löschen; im Netz

taucht früher oder später alles wieder auf.- «Friedensangebote» machen, um grösseren

Schaden abzuwenden und die Crowd für zukünftige Crowdsourcing-Projekte zu behalten.

- Professionelles Community Management aufbauen (auch als Prophylaxe sinnvoll).

Der Crowdsourcing-Event ist so erfolgreich, dass die IT-Systeme unter der Belastung zusammen-brechen.

- IT-Spezialisten für die Durchführungsphase (24 Stundenbetrieb) frühzeitig einplanen und abbestellen.

- Bei betriebseigenen Plattformen ist oft ist ein Ausbau der Serverkapazitäten notwendig; dies muss in der Vorbereitungsphase geschehen.

Tabelle 3

> beizukommen ist, dient der klassische Crowd-sourcing-Prozess, mit den fünf Phasen Vorbereitung, Initiierung des Prozesses, Durchführung, Auswertung und Verwertung (vgl. Tabellen 1-5).

Gib einen Namen | Trotz steigender Verbreitung ist Crowdsourcing als Methode der externen Ideengene-rierung ein neues Instrument, über das es sowohl aus Sicht der Wissenschaft wie auch der Praxis noch viel zu lernen gibt. Das wohl meistzitierte Crowdsourcing-Fiasko ereilte 2009 Kraft Foods in Australien. Kraft erweiterte die Produktpalette um das von Australiern geliebte Vegemite (ein salziger Brotaufstrich ähnlich dem englischen Marmite). Begleitet von einer PR-Kampagne verkaufte Kraft landesweit den neuen Auf-strich mit leeren Etiketten. Die Aufschrift «Name Me!» forderte die Kunden dazu auf, dem Produkt einen Na-men zu geben. Mit Crowdsourcing wurden über 48 000 potenzielle Namen gesammelt. Eine Jury von Marketing- und Kommunikationsexperten entschied sich für den Vorschlag «iSnack 2.0», um speziell die «Generation iPod» anzusprechen. Der Gewinnername wurde äusserst medienwirksam verkündet.

Die Öffentlichkeit war mit dem Namen nicht ein-verstanden. Neben dutzenden Gruppengründungen auf Facebook und tausenden Twitter-Meldungen wurde eine Website mit Namen aufgeschaltet, die bes-ser als iSnack 2.0 bewertet wurden. Auch Nachrich-tensendungen berichteten ausführlich. Da sich die Wogen nicht glätten liessen, entschied sich Kraft nach vier Tagen, den Namen zurückzunehmen und den Wettbewerb neu auszuschreiben. Im zweiten Anlauf wurde der finale Name nicht vom Unternehmen aus-gesucht, sondern nach einer Vorsortierung durch das Unternehmen von der Crowd bestimmt. Wenig spä-ter stand das Produkt unter dem Namen «Cheesybi-te» im Regal. Hauptgrund für das Crowdsourcing-Fiasko war der schlechte und intransparente Prozess der Entscheidungsfindung. Hätte die Jury wie im zweiten Anlauf der Crowd die Endauswahl überlas-sen, hätte der erste Name verhindert werden können. Fragwürdig war zudem die Zusammensetzung der Jury, die nie veröffentlicht wurde.

Vom Tunnel zum Freibad | Die süddeutsche Stadt Schwäbisch Gmünd suchte mit Crowdsourcing einen Namen für den neuen Strassentunnel unter der Stadt. Unter den Namensvorschlägen kristallisierte sich ein Favorit heraus, der bis zum Ende der Befragung über 45 000 Stimmen erhielt: Bud-Spencer-Tunnel. Dieser

Durchführungsphase

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�Hürden Tipps

Wir wurden von Antworten überhäuft und wissen nicht, wie wir damit fertig werden.

- Zusätzliche Leute abstellen, die Ideen sichten, bewerten und weiterverarbeiten.

- Der Crowd die Ideenbewertung überlassen; dies liefert Marktinformationen und sichert die Unterstützung der Ideen durch die Masse. Wichtig: dies muss zu Projektbeginn vorgesehen sein.

Die Crowd hat die Ideen bewertet, die bestbewertete Idee entspricht aber nicht unseren Vorstellun-gen.

- Trennung der Crowdbewertung zur Ermittlung des Gewinners (Wettbewerb) und der unternehmeri-schen, internen Weiterverwendung. Wichtig: dies muss schon zu Projektbeginn vorgesehen sein.

- Regeln und Wettbewerbsbedingungen so formulieren, dass die Ergebnisse besser den Unternehmensvorstellungen entsprechen.

- Der Crowd entgegenkommen (Kompromiss suchen) und das Beste aus der Idee machen.

- Achtung: Klar ex ante definieren, wie mit solchen Fällen umgegangen werden soll; hier entstanden schon grössere Flops.

Schlechte Ausbeute: Praktisch alle Ideen sind unbrauchbar.

- Die guten Ideen zu identifizieren ist die Kunst.- Für das nächste Projekt überdenken: Sind wir auf

der richtigen Plattform? Eignet sich unsere Frage für Crowdsourcing? Haben wir die Frage richtig gestellt?

(Zu) viele gute Ideen, wem sollen wir die Prämie auszahlen.

- Prämie teilen oder besser vervielfachen, wenn kein eindeutiger Sieger feststeht. Achtung: bereits im Vorfeld festlegen und kommunizieren.

Keine Idee entspricht unseren Erwartun-gen. Wem bezahlen wir die Prämie aus?

- Prämien auf die besten Leute in der Crowd verteilen. Der Crowd wurde eine Prämie versprochen, deshalb muss diese ausgezahlt werden. Meist ist die Prämie ohnehin nur ein kleiner Anteil des gesamten Projektbudgets.

Wettbewerber interveniert und schädigt Reputation.

- Oft gehörter Vorwurf, jedoch bei uns noch nie aufgetreten. Die Lage transparent machen und den störenden Player öffentlich identifizieren.

Teilnehmer des Crowdsourcing manipulieren den Wettbewerb, um ihn zu gewinnen.

- Schwierige Situation, die öfters vorkommt.- Crowdsourcing technisch so aufsetzen, dass eine

Manipulation durch die Crowd nicht möglich ist.- Grundsätzlich sind verschiedene Strategien

denkbar (vom Weitermachen wie wenn nichts wäre, über eine «Bereinigung» bis hin zum vorzeitigen Abbruch ist alles machbar).

- Vorsicht bei unternehmensseitigen Eingriffen in den laufenden Wettbewerb: Bei «Bereinigung» werden schnell Manipulationsvorwürfe laut, die es sofort zu entkräften gilt.

- Proaktive Kommunikation und schnelle, transparente Entscheidungen und Prozesse sind in dieser Phase entscheidend.

Die Idee verletzt ein Patent.

- Patentabklärungen vornehmen; Problematik offen kommunizieren; im Vorfeld in den Regeln festlegen, wie damit umgegangen wird.

Wie können wir den Erfolg von Crowdsourcing messen?

- Der Erfolg sind erfolgreiche Produkte; erst zu späterem Zeitpunkt sichtbar.

- Der Erfolg des eigentlichen Crowdsourcing-Events kann gemessen werden (z.B. Anzahl User auf der Plattform, Anzahl Ideen, Qualität der Ideen, Marketingeffekte, Reputation).

Tabelle 4

>

Name entsprach nicht den Vorstellungen des Gemein-derates. So wurde aus dem Crowdsourcing-Event, mit dem der Gewinnername hätte ermittelt werden sollen, eine simple Meinungsabfrage ohne Verbindlichkeit für die Politik. Der Sturm der Entrüstung blieb eine kurze Böe, womöglich auch deshalb, weil der Gemeinderat sich dazu bereit erklärte, anstatt des Tunnels das Gmünder Freibad in «Bud-Spencer-Bad» umzutaufen. Dieser Name stand übrigens nicht zufällig auf der Liste der potenziellen Namen für den Strassentunnel. In den 1950-er-Jahren war der spätere Schauspieler ein Welt-klasseschwimmer und startete 1951 in Schwäbisch Gmünd bei einem Länderwettkampf für Italien, da-mals noch unter seinem bürgerlichen Namen Carlo Pedersoli.

Dieses Beispiel zeigt, dass Crowdsourcing-Events in Richtungen abdriften können, die nicht dem Wil-len des Auftraggebers entsprechen. Eine professionel-le Vorbereitung, aktives Community-Management und Szenarioplanung sind daher Pflicht. Ausserdem zeigt sich die Wichtigkeit klarer Spielregeln. Wäre zu Beginn offen kommuniziert worden, dass das Ergeb-nis des Crowdsourcings «nur» als Entscheidungsvor-lage für den Gemeinderat dient, wäre kein Frustpo-tenzial entstanden.

Getrübte Stimmung | Henkel liess die Crowd mit ei-nem speziellen Design-Tool Vorschläge für die neue Etikette der Spülmittelflasche seiner Marke Pril kreie-ren und mit einer Bewertungsfunktion die besten Vor-schläge küren. Mehr als 50 000 Etikettendesigns wur-den eingereicht, als die Stimmung in der Crowd um-schlug. Dieser war versprochen worden, dass aus den zehn bestbewerteten Motiven zwei von einer Jury aus-gewählt und in den Verkauf gelangen würden. Da aber so viele «Quatsch-Designs» in die Top Ten gewählt wurden, sah sich das Unternehmen gezwungen, eine Vorselektion vorzunehmen.

Dieser Eingriff wurde von der Crowd schlecht aufgenommen, Manipulationsvorwürfe wurden laut. Als kurz darauf die Gesamtrangliste von Henkel grundlegend bereinigt wurde (um unzulässige Beein-flussungen des Wettbewerbs durch Teilnehmer mit automatischen Klick-Programmen zu eliminieren), fühlten sich viele Teilnehmer hintergangen. Der Sturm der Entrüstung entlud sich auf Twitter und Fa-cebook, wo der Wettbewerb ausgeschrieben war. Als Friedensangebot verkaufte Henkel eine Sonderediti-on des Designs mit einem Monstergesicht (das sich in den Top Ten gehalten hatte) in einer symboli-

Auswertungsphase

MANAGEMENT | Crowdsourcing

50 | io management | Mai/Juni 2013

�Hürden Tipps

Wir haben keine Rechte an der Verwertung der Idee.

- Bei einer wichtigen Idee den Ideengeber mit ins Boot holen; Schutzrechte einkaufen.

- Für den nächsten Crowdsourcing-Event: Anpassung der Teilnahmebedingungen.

Wir haben gute Ideen aus dem Crowd-sourcing- Projekt, wissen aber nicht, was damit anfangen.

- Übergang der Idee von der Crowd zum Unternehmen sicherstellen.

- Einen persönlich Verantwortlichen bestimmen, der für die Umsetzung im Unternehmen verantwortlich ist.

- Kontakt zum Ideengeber halten (z.B. gemein-same Workshops in der Produktentwicklung bis hin zur Rekrutierung und Anstellung).

Uns fehlen die Ressourcen, um die guten Ideen umzusetzen.

- Projekt-Priorisierung; es können nicht alle guten Ideen umgesetzt werden. Dies ist jedoch ein Luxusproblem.

Die Diffusion der entwickelten Ideen in andere Abteilungen findet nicht statt.

- Persönliche Verantwortlichkeiten in den betroffenen Bereichen festlegen, um Verbindlichkeit sicherzustellen.

- Frühzeitiger Buy-in der involvierten Personen / Abteilungen (schon in der Initiierungsphase).

- Transparente Kommunikation über den Stand des Crowdsourcing-Projektes.

- Für die Umsetzung kritische Meinungsführer aktiv in die Bewertung der Ideen einbeziehen.

Das Not-Invented-Here-Syndrom (NIH) behindert die Umsetzung von Ideen.

- Not-Invented-Here-Preis vergeben: Belohnung von externen Ideen, die intern umgesetzt werden.

- Performance-Messung und Koppelung mit internen Zielen: Anzahl der Innovationsprojekte, die von aussen angestossen wurden, muss grösser als ein gewisser Prozentsatz sein (bei Procter & Gamble z.B. grösser als 50 Prozent).

- Chancen anpacken und konkretisieren: Quick-wins realisieren, kulturellen Wandel aktiv angehen (erfordert Ressourcen, macht sich aber mittelfristig bezahlt).

Wir wollen mehr aus Crowdsourcing herausholen.

- Kontakt mit interessanten Ideengebern beibehalten; Beziehungsaufbau bis zum Jobangebot. Cisco rekrutierte so wichtige Mitarbeiter.

- Projekte mit ehemaligen Ideengebern anstossen; für Design- und Werbeagenturen ist dies eine gute Möglichkeit, sich zu präsentieren; ebenso aktiv sind unausgelastete Institute oder Engineering-Unternehmen.

- Professionelles Community- und Social Media-Management aufbauen, um permanent auf das Know-how der Crowd zugreifen zu können, neue Trends frühzeitig zu erkennen und die Crowd langfristig zu erhalten.

Tabelle 5

schen Mini-Auflage von 888 Exemplaren. Offi-zielle Gewinner des Wettbewerbs waren die Designs «Leopard» und «Mr. Pril».

Dieses Beispiel zeigt, wie schnell die Stimmung einer Online-Community ins Negative umschlagen kann. Hauptfehler war, dass die Regeln des Wettbe-werbs vom Konzern strenger ausgelegt wurden als zuvor kommuniziert. Ausserdem wurden nicht mehr zu entkräftende Manipulationsvorwürfe laut.

Planung als A und O | Der Projekterfolg von Crowd-sourcing hängt massgeblich von der Vorbereitung ab. Obwohl virtuell, startet auch Crowdsourcing mit ei-nem internen Kick-off-Meeting, an dem alle für die Durchführung und Verwertung relevanten Personen teilnehmen müssen. Auch in physischen Workshops entscheidet sich der Erfolg zu 80 Prozent vor dem ei-gentlichen Beginn – durch die Vorbereitung der In-halte und die Formulierung der Fragen, die Wahl und das Briefing der Teilnehmer, sowie den Veranstal-tungsort und die Infrastruktur.

Im Crowdsourcing ist die Relevanz der Vorberei-tung noch grösser, da nach dem Start («going-live») nur wenige Änderungen möglich sind. Der daraus resultierende Aufwand in der Vorbereitungsphase wird häufig unterschätzt und ist oft Hauptursache für gescheiterte Crowdsourcing-Projekte. Ist der Projekt-leiter mit der Resonanz und der Qualität der Antwor-ten nicht zufrieden, verstehen die Innovatoren in der Crowd die Frage nicht, oder ist die Erfolgsbeteiligung der externen Ideengeber nicht geklärt, ist es in der Re-gel zu spät, den laufenden Event noch zu beeinflus-sen.

Zusammenfassend lassen sich die Erfolgsfaktoren für ein Crowdsourcing-Projekt auf drei Kernpunkte reduzieren: Mit dem notwendigen Verständnis für und dem

Wissen über die Web 2.0-Kultur ist Crowdsourcing ein starkes Instrument von der Ideenfindung und -bewertung bis hin zur Konzeptentwicklung.

Eine professionelle Vorbereitung ist der zentrale Er-folgsfaktor für Crowdsourcing.

Klare, transparente Ziele und Verantwortlichkeiten stellen sicher, dass aus einem erfolgreichen Crowd-sourcing-Event erfolgreiche Produkte entstehen. <

>

Literatur Gassmann, O. (2013): Crowdsourcing. 2. Auflage, Han-ser Fachbuchverlag, München.

Verwertungsphase