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SEITE 23 12. JANUAR 2018 / NR. 1 / KUNST UND AUKTIONEN MESSEN M it der Wahl von Christo zum Ehrengast beweist die 63. Ausgabe der Brafa erneut Mut. Immerhin gibt der bul- garisch-amerikanische Verpackungs- profi in Interviews gerne zu Proto- koll, dass er kein Interesse an flachen Bildern hat. Den größten Anteil sei- ner temporären Projekte machen Ge- spräche mit Lokalpolitikern, Land- besitzern und anderen Entschei- dungsträgern aus. Nicht immer gelingt es, alle Betroffenen unter ei- nem Dach zu versammeln, weswegen nur ein Bruchteil der Ideen umge- setzt wird. Eigentlich deprimierend, dass nach all der kommunikativen Müh die meisten seiner Werke wie- der abgebaut werden – wie zuletzt die von 1,3 Millionen Menschen aufgesuchten „Floating Piers“ am Iseosee in Italien. Für den Kunst- markt greifbar ist der 82-Jährige den- noch. Schließlich verewigt der bril- lante Zeichner seine Arbeiten vor der Realisierung in großformatigen Skiz- zen, Collagen und architektonischen Modellen, die man als Beweisstücke seiner ephemeren Kunst erwerben kann. Für die kommende Brafa hat Christo die 14 Meter lange und 2,5 Meter hohe Skulptur „Three Sto- re Fronts“ (1965 / 66) ausgewählt. Sie wurde erstmals im Stedelijk Van Abbemuseum im niederländischen Eindhoven installiert und war auch Bestandteil der Ausstellung „Christo and Jeanne-Claude: Early Works, 1958 – 1969“ im Berliner Martin- Gropius-Bau (2001). Ob dieser gi- gantische Gastbeitrag den Ausstel- lungsraum im Thurn- und Taxis- Komplex sprengt? In diesem Jahr reisen 133 Ausstel- ler aus 15 Ländern an, um einen Tausende von Jahren umfassenden Teppich aus verschiedenen Genres auszubreiten: von antiken Goldmün- zen mit dem Abbild Alexander des Großen bei Artancient über ein sizi- lianisch-arabisches Schmuckkästchen aus dem 12. Jahrhundert bei De Bak- ker Medieval Art bis zu den obliga- torischen Society-Porträts von Alex Katz bei Patrick de Brock oder Co- mics von Hergé bei Belgian Fine Co- mic Strip Gallery. Manch einer versucht sich sogar an einem Konzentrat aller Brafa-Er- folgsteile. So bespielen Thomas Sa- lis aus Salzburg und Philippe David aus Zürich erstmals einen gemein- samen Stand, den sie mit einer eklektischen Mischung aus Objek- ten der Antike, asiatischen Skulptu- ren und erstklassigen Gemälden der Klassischen Moderne bestücken. Es gibt noch 13 weitere Neuzugänge. Darunter das Schwergewicht Glad- stone Gallery mit Sitz in New York und Brüssel und die Galerie Maeght aus Paris, die sich mit Künstlern wie Pol Bury, Eugène Dodeigne, Raoul Ubac und Nicolas Alquin einen bel- gischen Schwerpunkt gönnt – er- gänzt durch Keramiken von George Braque und ein frühes Ölbild von Marc Chagall aus dem Jahr 1928: „Jeune fille au bouquet“. Einem weiteren, 875 000 Euro teuren Cha- gall von 1969 begegnet man bei der Londoner Stern Pissarro Gallery, die bereits zum vierten Mal teilnimmt. Die Debütanten Theatrum Mun- di aus Arezzo lassen die üblichen Blue Chips links liegen. Sie möchten den Geist der Wunderkammer ins 21. Jahrhundert transportieren, in- dem sie Objekten nachspüren, die heute den Touch des Exotischen in sich tragen. Archäologische Fund- stücke werden deswegen in Nach- barschaft mit historischen Holly- wood-Requisiten oder Relikten aus der Weltraum-Ära platziert. Aus der Forbes Collection etwa stammt der Raumanzug, den der russische Kos- monaut Leutnant Strekalov während der Mission Soyuz TM 10 getragen hat (Abb.). Er soll 130 000 Euro kosten. Eine weit längere Reise in Zeit und Raum hat der Schädel des Vogelbeckendinosauriers Triceratops hinter sich. Hier schlagen satte 180 000 Euro zu Buche. Zu den teuersten Werken dürfte indes „Surrealist Head“ gehören, ein Mobile von Alexander Calder aus den Sechzigern, für das man bei der Galerie de la Béraudière aus Brüssel 1,25 Millionen Euro hinblättern muss. Auszeit vom Preiswahnsinn lässt sich bei Tanakaya nehmen. Der auf japanische Drucke spezialisierte Pariser Händler gehört zu den dies- jährigen Rückkehrern. Er hat Farb- holzschnitte von Hiroshige II aus der Serie „Shokoku Meisho Hyak- kei“ im Gepäck. 1826 geboren, lern- te Hiroshige II zunächst bei seinem Meister Utagawa Hiroshige, dessen Tochter er heiratete. Die Serie er- schien um 1860, kurz vor dem Ende der Edo-Zeit, das auch ein schwin- dendes Interesse an den als dekorati- ves Kunsthandwerk geltenden Dru- cken mit sich brachte. Die Auswahl von 55 Exemplaren zeigt berühmte Orte in den Provinzen. In dieser Frühform eines Touristenhandbuchs findet sich der Sieben-Meilen-Strand in Sagami ebenso wie der Shimofuri Wasserfall in Nikko. Aus der Republik Kongo und An- gola stammen die Masken der Yaka, die für Initiationsriten und andere Festlichkeiten verwendet werden (Abb.). In den Genuss ihrer expressi- ven Präsenz kommt man dank Didier Claes, der das Segment Stammes- kunst auch mit seinen neuen Räumen im hippen Brüsseler Stadtteil Ixelles würdig vertritt. Auch das Alte Ägyp- ten kommt nicht zu kurz. Die Galerie Eberwein aus Paris hypnotisiert den Betrachter mit einem seltenen Papy- rusfragment aus dem Buch „Amduat“ (1100 – 1000 v. Chr.) und einer reich verzierten Mumienmaske aus der Ptolemäischen Zeit (3. – 2. Jahrhun- dert v. Chr.). Beide kommen aus Pri- vatsammlungen. Die Galerie Florence de Voldere aus Paris entführt ins winterliche Antwerpen des 16. Jahrhunderts (Abb.). Die verschneite Landschaft Jacob Grimmers, eines Zeitgenossen von Pieter Bruegel d. Ä., gehört zum Zyklus der „Vier Jahreszeiten“. Ein zugefrorener Fluss zieht Menschen aller sozialen Schichten an. Man al- bert herum und vergisst die Nacht, die gerade hereinbricht – ähnlich wie auf der Vernissage der prächtigen Brafa, die im gedämpften Licht mit ihren Schätzen den Weg in die ganz persönliche Wunderkammer aus- leuchtet. Alexandra Wach Darf es ein Dinosaurierschädel sein? Die Brüsseler Brafa lockt mit einem perfekt sortierten Marktplatz Jacob Grimmer (1519 / 25 – 1590), „Winter“, Öl / Holz, 33,5 x 44,5 cm, angeboten von der Galerie Florence de Voldere, Paris Raumanzug „Sokol kv2“, getragen vom russischen Kosmonauten Strekalov, ca. 1987, angeboten von Theatrum Mundi, Arezzo, für 13 000 € BRÜSSEL Brafa, Tour & Taxis, 27. Januar bis 4. Februar www.brafa.art Manch einer versucht sich sogar an einem Konzentrat aller Brafa-Erfolgsteile Abb.: Galerie Florence de Voldere, Paris; Didier Claes, Brüssel; Theatrum Mundi, Arezzo Yaka-Maske, Holz, Raffia-Bast, D. R. Kongo, Anfang 20. Jh., 66 x 40 cm, angeboten von Didier Claes, Brüssel AZ01-23 23 09.01.18 17:17

Darf es ein Dinosauriersch del sein? - BRAFA Art Fair · Gropius-Bau (2001). Ob dieser gi - gantische Gastbeitrag den Ausstel - lungsraum im Thurn- und Taxis-Komplex sprengt? In diesem

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SEITE 2312. JANUAR 2018 / NR. 1 / KUNST UND AUKTIONEN

MESSEN

M it der Wahl von Christo zum Ehrengast beweist die 63. Ausgabe der Brafa

erneut Mut. Immerhin gibt der bul-garisch-amerikanische Verpackungs-profi in Interviews gerne zu Proto-koll, dass er kein Interesse an flachen Bildern hat. Den größten Anteil sei-ner temporären Projekte machen Ge-spräche mit Lokalpolitikern, Land-besitzern und anderen Entschei-dungsträgern aus. Nicht immer gelingt es, alle Betroffenen unter ei-nem Dach zu versammeln, weswegen nur ein Bruchteil der Ideen umge-setzt wird. Eigentlich deprimierend, dass nach all der kommunikativen Müh die meisten seiner Werke wie-der abgebaut werden – wie zuletzt die von 1,3 Millionen Menschen aufgesuchten „Floating Piers“ am Iseosee in Italien. Für den Kunst-markt greifbar ist der 82-Jährige den-noch. Schließlich verewigt der bril-lante Zeichner seine Arbeiten vor der Realisierung in großformatigen Skiz-zen, Collagen und architektonischen Modellen, die man als Beweisstücke seiner ephemeren Kunst erwerben

kann. Für die kommende Brafa hat Christo die 14 Meter lange und 2,5 Meter hohe Skulptur „Three Sto-re Fronts“ (1965 / 66) ausgewählt. Sie wurde erstmals im Stedelijk Van Abbemuseum im niederländischen Eindhoven installiert und war auch Bestandteil der Ausstellung „Christo and Jeanne-Claude: Early Works, 1958 – 1969“ im Berliner Martin-Gropius-Bau (2001). Ob dieser gi-gantische Gastbeitrag den Ausstel-lungsraum im Thurn- und Taxis-Komplex sprengt?

In diesem Jahr reisen 133 Ausstel-ler aus 15 Ländern an, um einen Tausende von Jahren umfassenden Teppich aus verschiedenen Genres auszubreiten: von antiken Goldmün-zen mit dem Abbild Alexander des Großen bei Artancient über ein sizi-lianisch-arabisches Schmuckkästchen aus dem 12. Jahrhundert bei De Bak-ker Medieval Art bis zu den obliga-torischen Society-Porträts von Alex Katz bei Patrick de Brock oder Co-mics von Hergé bei Belgian Fine Co-mic Strip Gallery.

Manch einer versucht sich sogar an einem Konzentrat aller Brafa-Er-folgsteile. So bespielen Thomas Sa-lis aus Salzburg und Philippe David

aus Zürich erstmals einen gemein-samen Stand, den sie mit einer eklektischen Mischung aus Objek-ten der Antike, asiatischen Skulptu-ren und erstklassigen Gemälden der Klassischen Moderne bestücken. Es gibt noch 13 weitere Neuzugänge. Darunter das Schwergewicht Glad-stone Gallery mit Sitz in New York und Brüssel und die Galerie Maeght aus Paris, die sich mit Künstlern wie Pol Bury, Eugène Dodeigne, Raoul Ubac und Nicolas Alquin einen bel-gischen Schwerpunkt gönnt – er-

gänzt durch Keramiken von George Braque und ein frühes Ölbild von Marc Chagall aus dem Jahr 1928: „Jeune fille au bouquet“. Einem weiteren, 875 000 Euro teuren Cha-gall von 1969 begegnet man bei der Londoner Stern Pissarro Gallery, die bereits zum vierten Mal teilnimmt.

Die Debütanten Theatrum Mun-di aus Arezzo lassen die üblichen Blue Chips links liegen. Sie möchten den Geist der Wunderkammer ins 21. Jahrhundert transportieren, in-dem sie Objekten nachspüren, die heute den Touch des Exotischen in sich tragen. Archäologische Fund-stücke werden deswegen in Nach-barschaft mit historischen Holly-wood-Requisiten oder Relikten aus der Weltraum-Ära platziert. Aus der Forbes Collection etwa stammt der Raumanzug, den der russische Kos-monaut Leutnant Strekalov während der Mission Soyuz TM 10 getragen hat (Abb.). Er soll 130 000 Euro kosten. Eine weit längere Reise in Zeit und Raum hat der Schädel des Vogelbeckendinosauriers Triceratops

hinter sich. Hier schlagen satte 180 000 Euro zu Buche.

Zu den teuersten Werken dürfte indes „Surrealist Head“ gehören, ein Mobile von Alexander Calder aus den Sechzigern, für das man bei der Galerie de la Béraudière aus Brüssel 1,25 Millionen Euro hinblättern muss. Auszeit vom Preiswahnsinn lässt sich bei Tanakaya nehmen. Der auf japanische Drucke spezialisierte Pariser Händler gehört zu den dies-jährigen Rückkehrern. Er hat Farb-holzschnitte von Hiroshige II aus der Serie „Shokoku Meisho Hyak-kei“ im Gepäck. 1826 geboren, lern-te Hiroshige II zunächst bei seinem Meister Utagawa Hiroshige, dessen Tochter er heiratete. Die Serie er-schien um 1860, kurz vor dem Ende der Edo-Zeit, das auch ein schwin-dendes Interesse an den als dekorati-ves Kunsthandwerk geltenden Dru-cken mit sich brachte. Die Auswahl von 55 Exemplaren zeigt berühmte Orte in den Provinzen. In dieser Frühform eines Touristenhandbuchs findet sich der Sieben-Meilen-Strand in Sagami ebenso wie der Shimofuri Wasserfall in Nikko.

Aus der Republik Kongo und An-gola stammen die Masken der Yaka, die für Initiationsriten und andere Festlichkeiten verwendet werden (Abb.). In den Genuss ihrer expressi-ven Präsenz kommt man dank Didier Claes, der das Segment Stammes-kunst auch mit seinen neuen Räumen im hippen Brüsseler Stadtteil Ixelles würdig vertritt. Auch das Alte Ägyp-ten kommt nicht zu kurz. Die Galerie Eberwein aus Paris hypnotisiert den Betrachter mit einem seltenen Papy-rusfragment aus dem Buch „Amduat“ (1100 – 1000 v. Chr.) und einer reich verzierten Mumienmaske aus der Ptolemäischen Zeit (3. – 2. Jahrhun-dert v. Chr.). Beide kommen aus Pri-vatsammlungen.

Die Galerie Florence de Voldere aus Paris entführt ins winterliche Antwerpen des 16. Jahrhunderts (Abb.). Die verschneite Landschaft Jacob Grimmers, eines Zeitgenossen von Pieter Bruegel d. Ä., gehört zum Zyklus der „Vier Jahreszeiten“. Ein zugefrorener Fluss zieht Menschen aller sozialen Schichten an. Man al-bert herum und vergisst die Nacht, die gerade hereinbricht – ähnlich wie auf der Vernissage der prächtigen Brafa, die im gedämpften Licht mit ihren Schätzen den Weg in die ganz persönliche Wunderkammer aus-leuchtet. Alexandra Wach

Darf es ein Dinosaurierschädel sein?Die Brüsseler Brafa lockt mit einem perfekt sortierten Marktplatz

Jacob Grimmer (1519 / 25 – 1590), „Winter“, Öl / Holz, 33,5 x 44,5 cm, angeboten von der Galerie Florence de Voldere, Paris

Raumanzug „Sokol kv2“, getragen vom russischen Kosmonauten Strekalov, ca. 1987, angeboten von Theatrum Mundi, Arezzo, für 13 000 €

BRÜSSEL Brafa, Tour & Taxis, 27. Januar bis 4. Februar www.brafa.art

Manch einer versucht sich sogar an einem Konzentrat aller Brafa-Erfolgsteile

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