97

Das Ende der Macht

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Das Ende der Macht
Page 2: Das Ende der Macht

Atlan - Die Abenteuer der SOL Nr. 674 Die Namenlose Zone  

Das Ende der Macht von Peter Griese  Entscheidungsschalcht im Zyrton‐System  

Es geschah  im April 3808. Die  entscheidende Auseinandersetzung  zwischen Atlan  und  Anti‐ES  ging  überraschend  aus.  Die  von  den  Kosmokraten veranlaßte  Verbannung  von  Anti‐ES  wurde  gegenstandslos,  denn  aus Wöbbeking und Anti‐ES entstand ein neues Superwesen, das hinfort auf der Seite des Positiven agiert. Die  neue  Sachlage  gibt  Anlaß  zu  Optimismus,  zumal  auch  in  der künstlichen Doppelgalaxis Bars‐2‐Bars der Friede  einkehrt. Für Atlan  jedoch ist  die  Situation  alles  andere  als  rosig.  Der  Besitz  der  Koordinaten  von Varnhagher‐Ghynnst, ohne die er nicht den Auftrag der Kosmokraten erfüllen kann, wird  ihm nun durch Chybrain vorenthalten. Ob er will oder nicht, der Arkonide wird verpflichtet, die Namenlose Zone aufzusuchen. Inzwischen schreibt man Ende September des Jahres 3808. Atlan hofft, daß der  »Bio‐Plan«  Früchte  tragen  wird.  Denn  nur  auf  diese Weise  kann  das Ungleichgewicht der Kräfte in der Namenlosen Zone zugunsten des Positiven verändert werden. Eingedenk  der  Opfer  der  Scientologen  und  anderer  wagt  Atlan  wieder einmal  alles,  indem  er mit  seinem Team und  einer Handvoll Solaner  in das System der Zyrtonier vorstößt. Und mit diesem Vorstoß beginnt die Entscheidungsschlacht – und für einen der beiden Kontrahenten naht DAS ENDE DER MACHT … 

Page 3: Das Ende der Macht

 Die Hauptpersonen des Romans:  Atlan ‐ Der Arkonide wird zur Schaltstelle im Ringen mit der Macht Zyrtons. Parzelle ‐ Ein unerwarteter Helfer. Die Lichtquelle ‐ Sie erweist sich als Emulator. Null‐Page ‐ Der geheimnisvolle Führer der Zyrtonier. Chybrain ‐ Er zieht die Konsequenzen.  

Prolog  Man  sollte wissen, daß man über die Natur des  intelligenten Lebens nie alles wissen  kann, was man wissen  sollte. Aber  auf  eins  kann man  sich verlassen: daß sie immer wieder Überraschungen bereithält. (Frei nach William Somerset Maugham.)   

1.  In mir ist Kälte. Kälte  ist  Ruhe.  Kälte  ist  aber  auch  Einsamkeit.  Es  ist  die 

Einsamkeit, die darauf wartet, daß das gesetzte Ziel erreicht wird. Ich warte, und die Einsamkeit wartet mit mir. Die Ruhe ist Schlaf. Ich brauche Schlaf, denn in der Stunde, in der 

die Weichen  für die Zukunft meines Volkes  gestellt werden, muß ich  wach  und  stark  sein.  Dann  wird  sich  alles  entscheiden,  was meine Schöpfer gedacht haben. Sie haben nicht an einen Sieg über das  Chaos  gedacht,  das  sie  selbst  erzeugt  haben.  Sie  haben  auch keine Niederlage gemeint. Das weiß ich sicher. Aber ich weiß nicht, was sie wirklich gedacht haben, obwohl Teile 

meiner Schöpfer noch  in mir schlummern. Diese Fragmente wissen es auch nicht mehr. Sie können sich mir nicht mitteilen, selbst wenn sie es wollten. Ihr Wissen wurde vom Strom der Ewigkeit weggespült. 

Page 4: Das Ende der Macht

Allein das Ziel  ist geblieben. Mein Volk soll ein einiges Volk der positiven Kräfte werden. So wie es das einmal war. Ich  torkelte  durch  das  endlose  Nichts.  Mein  maschineller  Teil 

kontrolliert  unablässig  die  Tarnmaßnahmen,  die  mehr  Energie verzehren, als mir recht ist. Vielleicht werden gerade diese Energien im entscheidenden Augenblick fehlen. Ich wage nicht, weiter mit solchen Gedanken zu spekulieren, denn 

sie beinhalten einen Teil der Sinnlosigkeit meines Daseins. Ich selbst bin nur noch ein Torso. Die Basis meines Rumpfes wurde zerstört. Von meinem Volk! Besser gesagt, von einem Teil meines Volkes. Der andere  Teil  ist  in  der  Nähe,  aber  er  hat  nicht  die  erhofften Erwartungen  erfüllt.  Dieser  Teil  ist  zahlenmäßig  zu  gering.  Die Schöpfer hatten gehofft, daß  sie  sich gewaltig vermehren würden, um dann das Ungleichgewicht der Kräfte umzukehren. Das ist nicht geschehen.  Die  GESTERN,  die  HEUTE  und  die  MORGEN beherbergen  keine  Seele  mehr  als  damals.  Damals,  als  sie  die Namenlose Zone verlassen mußten. Dann  sind da die anderen, die Solaner. Vielleicht 100.000 an der 

Zahl. Sie strahlen wohltuende Impulse ab, aber auch sie stellen eine zu kleine Zahl dar, um eine Entscheidung zugunsten des Zieles zu bewirken. Was aber viel schwerwiegender ist, ist ihr Verhalten. Die Masse der Solaner weigert  sich, den Abschnitt des Universums zu betreten, der durch das Böse erzeugt wurde, die Namenlose Zone. Dabei  sollten  sie wissen,  daß  nur  hier  die  Entscheidung  über  das Wohl und Wehe vieler Abermilliarden Lebewesen fallen wird. Ich  sehe  ein, daß  hunderttausend  Seelen  zu wenig  sind, um  ein 

starkes Bewußtsein  für eine notwendige Tat zu erzeugen. Aber  ich brauche sie. Wir alle brauchen sie. Und dann der kleine Verrückte, dem ich Stoff aus meinem Körper 

gegeben  habe,  damit  er  überhaupt  einigermaßen  real  existieren konnte. Chybrain wird er genannt. Er hat mir viel Kummer bereitet, denn er zählt sich zu den ordnenden Kräften. Er tut das selbst dann noch, wenn er Unordnung erzeugt! Immerhin verdanke ich es dieser 

Page 5: Das Ende der Macht

Unordnung, daß die Solaner überhaupt noch in der Nähe des letzten Übergangs zur Namenlosen Zone geblieben waren. Wenn Chybrain in seiner Eigenwilligkeit nicht in diesen Raumsektor gegangen wäre, um  Atlan  herbeizulocken,  wäre  dieser  mit  der  SOL  längst  in Richtung Varnhagher‐Ghynnst verschwunden. Dann wäre der Plan der Zyrtonier mit Bestimmtheit aufgegangen. Und mein Ziel wäre sinnlos geworden. Wahrscheinlich würde ich dann jetzt schon nicht mehr existieren. Ein Teil meiner Apparatur sammelt unablässig alle Informationen, 

die  in  mich  strömen.  Das  ewige  Zusammensetzen  des  Bildes  ist unvollkommen  wie  eh  und  je.  Die  positiven  Impulse  haben zugenommen.  Das  gibt  Anlaß  zu  neuer  Hoffnung,  obwohl  die Verschiebung der Kräfte zu gering ist. Ich wechsle wieder die Raumebene, um nicht entdeckt zu werden. 

Sie sind schlau, die Zyrtonier. Sie werden mich  irgendwann finden und zerstören. Wenn die Stunde des Umschwungs bis dahin nicht erreicht ist, werde ich vergehen und nichts weiter gewesen sein, als ein kompliziertes Ding aus Maschine und Bewußtseinsfragmenten. Ich  denke  an  die  Zähler.  Auf  sie  hatte  ich  einmal  große 

Hoffnungen gesetzt, mir beim Erreichen des Zieles zu helfen. Janv‐Zount hatte  ich die Basis als Daseinsstätte angeboten und mir eine Gegenleistung  erhofft.  Aber  er  hatte  nur  seinen  Halbgefangenen Anti‐ES  in  den  Gedanken  gehabt,  bis  dieser  ihn  überlistet  und unterjocht hatte. Und die anderen Zähler? Sie hatten geschlafen und waren im Schlaf zu Sklaven geworden. Das  Positive  hatte  seit  jeher  keine  großen  Chancen  in  der 

Namenlosen  Zone  gehabt.  So  ist  es  auch  jetzt  noch.  Ich  verfalle wieder in Resignation und überlasse alles den Automaten. Vielleicht taten die Solaner sogar gut daran, der Namenlosen Zone 

fern  zu  bleiben.  Die  Gefahr,  in  einer  Schockfront  gefangen  zu werden, besteht auch jetzt noch. Es vergeht eine längere Zeit, die ich nicht bewußt messe, weil mir 

alles  gleichgültig  ist. Die Hoffnung  ist  zu  gering. Und  das macht 

Page 6: Das Ende der Macht

selbst ein  so mächtiges und einmaliges  Instrument, wie  ich es bin, mutlos. Ich falle durch die Räume der Namenlosen Zone und pralle dabei  sogar  einmal  gegen  eine  Schockfront,  die  bis  tief  in  die Labilzone reicht. Dadurch komme ich wieder zu mir, denn jede Berührung mit den 

Energien  erzeugt verräterische Echos, die meine Feinde  auf meine Spur lenken können. Meine Feinde! Es  ist ein Hohn! Das Volk, dem  ich entstamme,  ist 

mein Feind. Ich überbrücke  in einer gezielten Aktion eine große Distanz und 

verharre  dann  reglos  in  der  ewigen  Tiefe  und  Schwärze  der Namenlosen  Zone.  Nichts  rührt  sich.  Meine  Sensoren  sind  voll aktiviert, aber kein Signal gelangt zu mir, das mir Sorgen bereiten würde.  Ich  höre  wispernde  Stimmen  aus  unendlicher  Ferne.  Es lohnt sich nicht, auf ihren Inhalt zu achten. Es genügt, die Gewichte zu registrieren. Und  da  zeichnet  sich  erneut  ein  weiteres  Verschieben  zum 

Positiven hin ab. Chybrain  schiebt  sich wieder  in meine Überlegungen. Der kleine 

Abkömmling  ist  seit  langem  verschwunden.  Ich  muß  davon ausgehen,  daß  er  den  Zyrtoniern  in  die  Hände  gefallen  ist. Andernfalls  hätte  ich  ein  Lebenszeichen  von  ihm  vernehmen müssen. Uns verband viel. Sein Bewußtsein stammte von Born, dem ersten  positiven  Teil  des  mächtigen  Anti‐ES,  und  von  dem Separatbewußtsein des Arkoniden Atlan. Aber seinen Körper hatte er von mir. Jenseitsmaterie ist etwas Einmaliges in diesem Kosmos. Durch den 

Akt  meiner  Schöpfung  war  sichergestellt  worden,  daß  eine Nachahmung  unmöglich  war.  Sicher,  es  hatte  viele  Versuche gegeben, den Stoff, der sich so  leicht  in banales Nickel verwandeln konnte, nachzuahmen. Aber in der perfekten Form, wie ich es kann, war das nie möglich. Mit Schmerzen erinnere ich mich daran, daß ich gelegentlich allzu 

Page 7: Das Ende der Macht

leichtsinnig  etwas  von  der  kostbaren  Substanz  abgegeben  habe. Einigemal  war  es  meinen  Feinden  sogar  gelungen,  mir  ein  paar Brocken zu rauben. Ich weiß nicht, welche Freveltaten damit angerichtet worden sind. 

Auch das belastet mich, denn es entspricht nicht dem Willen meiner Schöpfer. Ich  lausche  in  mich  hinein.  Irgendwo  müssen  noch  ein  paar 

Überreste jener Vulnurer und Zyrtonier existieren, die mich erzeugt haben. Wahrscheinlich sind die Bewußtseinsreste im Laufe der Zeit einfach  abgeklungen.  Sie  sind  nicht  mehr  vorhanden.  Ganz besonders bedaure ich das bei den vier Zyrtoniern, den einzigen, die eine positive Entwicklung mitgemacht hatten. Sie hatten sich auf die Seite  der  Vulnurer  geschlagen  und  mit  diesen  den  mächtigen Emulator gebaut, mich. Den  Gang  der  Dinge  hatten  sie  nicht  aufhalten  können.  Die 

Zyrtonier  hatten  ihre Macht  etabliert.  Die  verbliebenen  Vulnurer hatten fliehen müssen. Zyrtonier und Vulnurer, mein Volk, und ein Volk! Auch wenn sie 

so unterschiedlich aussehen. Ein  Licht  taucht  in  den  dunklen Weiten  auf  und  berührt meine 

Sensoren.  Ich  will  es  analysieren,  aber  da  ist  es  schon  wieder verschwunden. Mehr  als  ein  lebender Geistesblitz  konnte  es  nicht gewesen sein. Ich  öffne  alle  Sinne,  aber  das merkwürdige  Ereignis wiederholt 

sich nicht. Im Gegenteil. Die Dunkelheit ist noch dunkler, die Weite ist  noch  weiter,  die  Kälte  ist  noch  rauher.  Sie  zehrt  an  meinen Nerven. Oder bilde ich mir alles nur ein? Ich weiß es nicht. Und niemand ist da, der mir eine Antwort geben 

könnte.  Die  Basis  existiert  nicht mehr.  Und  damit  sind  auch  die Roboter verschwunden. Und meinen einzigen Partner habe  ich vor langer  Zeit  entlassen,  damit  er  nachsieht,  was  in  den  Fernen geschieht, die ich nicht erreichen kann. 

Page 8: Das Ende der Macht

Er  hat  nicht  viel  Handlungsspielraum,  denn  wenn  er  direkt eingreift oder seine Herkunft verrät, würde das sein Ende bedeuten. Er  ist ein Scheinprodukt, etwas Reales und doch Unwirkliches, ein Teil von mir. Ich werde von  ihm nie etwas hören; denn  ich habe  ihn entlassen, 

damit  sich  seine  Existenz  festigt.  Vielleicht  hat  er  sich  längst aufgelöst. Es  ist unsinnig,  auf  ihn  zu hoffen.  So unsinnig, wie  auf Atlan oder Chybrain zu hoffen. Die Macht der Zyrtonier wird nicht zerbrechen, aber ich werde an ihr zerschellen. Wieder hüllt mich die Verzweiflung ein. Das ewige Wechselspiel 

von Hoffnung und Resignation, von Flucht und Ruhe, von Lauschen und Träumen, es kennt kein Ende. Nur eins weiß ich mit Sicherheit. Es wird ein Ende geben. Als meine Niedergeschlagenheit  den  tiefsten  Punkt  erreicht  hat 

und  sich  Gedanken  der  Selbstzerstörung  in meine  Überlegungen schleichen, taucht wieder dieser Lichtblitz auf. Ich  zucke  zusammen  und  hasche mit  allen Möglichkeiten  nach 

dem seltsamen Ereignis. Es handelt sich nicht um Licht im physikalischen Sinn. Eher ist es 

ein Gedankenpfeil. Oder eine bedeutende Information. Diesmal  gelingt  es mir,  ein  paar  Bruchstücke  zu  speichern.  Ich 

kann die Begriffe in die Sprache meiner Gedanken übersetzen, aber ich  verstehe  den  Sinn  nicht.  Die  Zusammenhänge  sind  mir entglitten, weil nur Fragmente des  leuchtenden Gedankenpfeils  in mir  bleiben.  Ich  analysiere  weiter  und  erkenne,  daß  es  sich  im Original um die Sprache handelt, in der der Arkonide Atlan denkt. Es ist aber sicher, daß die Information nicht von ihm selbst stammt. Sie kommt aus den Gehirnen von Wesen, die den Tod vor Augen haben und ihrerseits auch an Atlan denken. An Atlan, an Chybrain, an die Vulnurer, an … Ich muß den Sinn der Begriffe erkennen! Nur das hilft mir weiter. Nockemann‐Syndrom … Cyklotropin … Spontan‐Mutation … Das alles ergibt noch keinen Sinn. Die Zusammenhänge fehlen. Ich 

Page 9: Das Ende der Macht

muß hoffen, daß mich weitere Informationen erreichen, denn sonst bleibt alles verschwommen. Ich warte. Dann  kommt  der  nächste  Gedanke.  Ich  erkenne  sofort,  daß  er 

einer  Maschine  entstammt,  die  durch  einen  Plasmazusatz Denkfähigkeit simuliert. Zyrtonierknilche … auf Blödel  schießt man nicht …  ich komme durch. Und die Saat Nockemanns wird aufgehen. Atlan muß es erfahren. Ich bin verwirrt. Verzweifelt suche  ich  in meinen Speichern nach 

Informationen. Ich finde sie. Hage Nockemann, Wissenschaftler der Solaner;  Blödel,  sein  robotischer  Gehilfe. Wer  die  Zyrtonier  sind, weiß  ich  besser  als  jeder  andere.  Aber  was  bedeutet  der  Begriff »Knilche«? Ich finde keine Antwort, aber mein Gefühl sagt mir, daß es sich um ein abfälliges Wort handeln muß. Damit werden die ersten Zusammenhänge klar. Atlans Helfer agieren gegen die Zyrtonier! Der Arkonide hat das 

Wahnsinnige gewagt, offen gegen die Macht vorzugehen. Du Narr! möchte  ich  schreien. War  es dir  noch  nicht Erfahrung 

genug,  daß  du  Anti‐ES  nicht  besiegen  konntest?  Hast  du  nicht verstanden,  daß  die  Heilung  der  Superintelligenz  durch  die Schaffung Borns aus deren  Innerem heraus begann? Hast du nicht wahrgenommen,  daß  im  entscheidenden  Kampf Wöbbeking  und Chybrain  die Weichen  stellten? Und  jetzt wagst  du  es,  gegen  die Macht  anzugehen,  die  die  Namenlose  Zone  erhält,  jenes  Stück Kosmos, das durch die wohl einmalige Laune der Kräfte jenseits der Materiequellen entstanden ist? In meiner Verzweiflung  lache  ich auf. Für das weitere Geschehen 

im Universum wird  es  bedeutungslos  sein,  ob  das Wesen  an  der Macht Zyrtons  zerbricht  oder nicht. Der  Strom der Zeit wird  jede Erinnerung an den Arkoniden wegspülen. In diesem Punkt wäre  ich mir nicht so sicher,  flüstert eine Stimme  in 

mir. Atlan handelt im Auftrag der Kosmokraten. Er ist ihr Beauftragter. Ich stutze erneut, denn ich erkenne nicht, wer da etwas gesagt hat. 

Page 10: Das Ende der Macht

Dann kommt die Erkenntnis. Es leben doch noch ein paar Reste der Schöpfer in mir. Sie sind erwacht. Die Zeit ist reif, fährt die Kollektivstimme schwach fort. Sie ist leise, 

aber sie vermittelt Vertrauen und Zuversicht. Handle! Ich rege mich nicht, denn ich bin zu überrascht. Handle,  Lichtquelle!  Diesmal  klingt  die  Stimme  härter  und 

konsequenter. Ich kann mich ihrem Bann kaum noch widersetzen. Handle! Quelle der Jenseitsmaterie! Handle! Die Worte peitschten in mich hinein. »Wer kann mir etwas befehlen?« frage ich laut zurück. Termentier! »Termentier?« Termentier, der geistige Verbund deiner Schöpfer. Die Erinnerung wird wach. Vier Zyrtonier und sechs Vulnurer, die 

sich den Namen Termentier gaben, um unbemerkt von den übrigen Zyrtoniern den Emulator zu erzeugen, der alles Positive fördern und erhalten sollte. Wer bin ich? Die Lichtquelle? Die Quelle der Jenseitsmaterie? Oder 

bin ich Termentier? Du bist alles und nichts. Handle endlich! »Habe ich denn eine Chance?« Nein. Aber du sollst handeln. Ich  stelle  fest,  aus  welcher  Richtung  die  leuchtenden 

Gedankenpfeile gekommen sind. Als  ich das getan habe, orientiere ich mich. Für kurze Zeit wage  ich mich sogar  in den Normalraum der Namenlosen Zone. Ich sehe Sterne! Sterne!  Sie  leuchten  schwach.  Das  bedeutet,  daß  ihre 

Schockfronten  brüchig  geworden  sind.  Die  Waage  des Ungleichgewichts! Ihre Schalen sind in Bewegung geraten. Es stimmte, was Termentier gesagt hat. Du bist nicht erschaffen worden, um eine Chance zu haben. Du bist ein Instrument. Dein Ende wäre auch unser Ende. Beides ist bedeutungslos. Es 

Page 11: Das Ende der Macht

kommt auch nicht auf die Zukunft der Zyrtonier‐Vulnurer an. Es kommt auf  die  Zukunft  aller  Völker  der Namenlosen  Zone,  auf  die Namenlose Zone  selbst  und  auf  die  Völker  in  den  angrenzenden  Bereichen  des Universums an. »Ich habe verstanden.« Eine  tiefe Gelassenheit  erfüllt mich, denn nun  sind die  Schöpfer 

mir wieder nah. Das Ziel hegt dicht vor mir. Wie es aussehen wird, weiß ich nicht. Ich grüble auch nicht mehr darüber nach, denn  jetzt gilt nur noch ein Gesetz. Das Gesetz des Handelns. Ich vergleiche die Orientierungsergebnisse mit den Resultaten der 

Impulsortung. Das Ergebnis ist klar. Atlan und seine Helfer agieren bereits  in der unmittelbaren Nähe von Tabuland,  jenem Abschnitt, den  ich  seit  einer  Ewigkeit  gemieden  habe, weil  dort  Zyrton  ist. Zyrton,  das Wort  steht  gleichbedeutend  für  viele  andere  Begriffe: mein Volk, das Ziel, die Entscheidung. Mein Ende? Selbst wenn es so ist, so spielt das keine Rolle. Ich  erkenne meine Bestimmung. Die Bestimmung des Emulators 

Lichtquelle‐Termentier. Meine Systeme erwachen aus dem ewigen Schlaf. Meine Sensoren 

erfassen jeden Impuls, auch den der Gedanken Atlans. Mit  ihm muß  ich mich  in Verbindung  setzen.  Er  braucht mich. 

Und ich ihn und seine waghalsigen Helfer. Und meine Vulnurer. Ich tauche in die Labilzone und rase auf Tabuland zu.   

2.  Der Geschmack  auf meiner Zunge war  bitter.  In meinem Nacken kribbelte es merkwürdig, ein sicheres Zeichen für mein Unwohlsein. Ich hob meine rechte Hand und sah, daß sie leicht zitterte. Tyari kam zu mir herüber und legte einen Arm um mich, aber ich 

Page 12: Das Ende der Macht

erhob mich aus dem Sessel, so daß der körperliche Kontakt schnell wieder  abriß.  Ich  brauchte Ruhe,  um die  erlittenen  Schmerzen  zu verarbeiten. Und genau diese Ruhe bekam ich nicht. Weder aus mir selbst  heraus,  noch  von  draußen.  Die  jüngsten  Ereignisse  hatten mich überwältigt. Wir hockten  in der Messe, die wir provisorisch  in der Nähe der 

Zentrale  der  Futurboje  eingerichtet  hatten.  Wir,  das  waren  die Frauen und Männer meines Teams, ein paar Solaner und Vulnurer. Sie alle schwiegen und warteten auf etwas. Vielleicht auf ein Wort von mir. Ich hatte Hage Nockemann verloren. Seine  letzten Worte, die mir 

die Aufzeichnungen Blödels übermittelt hatten, klangen noch in mir nach. Auch Blödel existierte nicht mehr. Der Roboter war als Torso noch zu uns gelangt, bevor sein positronisch‐biologischer Geist sein Dasein  aufgab.  Blödel  zählte  wenig,  obwohl  ich  gerade  ihn  mit seinen Sprüchen vermißte. Mit  Daug‐Enn‐Daug,  Katzulla  und  Borallu waren  drei  Freunde 

gestorben, die ich nur kurze Zeit gekannt hatte. Wir waren noch gar nicht richtig warm miteinander geworden, da hatten sie sich  in ein Unternehmen gewagt, dessen Ergebnis noch unklar war. Klar war nur, daß alle Beteiligten und dazu dreihundert Freiwillige aus dem Volk der Vulnurer den Tod gefunden hatten. Der Preis war hoch, meinte der Extrasinn. Er bemühte sich um einen 

sanften Klang. Vielleicht zu hoch. Nun hängt alles davon ab, ob der Bio‐Plan die erhofften Früchte trägt. Ich verzichtete auf eine direkte Antwort und hing weiter meinen 

Gedanken nach. Es gab nicht den geringsten Zweifel  für mich, daß der  Tod  der  vielen  Freunde  und  Verbündeten  absolut ungerechtfertigt  war.  Ich  hätte  dem  Wahnsinnsplan  niemals zustimmen dürfen. Meine Sorgen und  inneren Qualen konnte  ich niemand mitteilen. 

Nicht  einmal  Tyari  durfte  ich  damit  belasten.  Ich  hatte  in  einer Vision  ihren Tod  erlebt,  aber nicht  erfahren, wann dies geschehen 

Page 13: Das Ende der Macht

würde.  Es  stand  jedoch  fest,  daß  ich  sie  über  kurz  oder  lang verlieren würde. Gegenüber  der  Verantwortung,  die  ich  auf mich  geladen  hatte, 

verblaßten selbst die Gefühle für die Geliebte. Ich  war  es  gewesen,  ich  ganz  allein,  der  den  augenblicklichen 

Zustand herbeigeführt hatte!  Ich hatte nicht aufgegeben, Chybrain zu  finden,  weil  dieser  allein  im  Besitz  der  Koordinaten  von Varnhagher‐Ghynnst  war,  jenem  Ort,  an  dem  ich  die  wichtige Mission der Kosmokraten zu erfüllen hatte.  Ich wußte, daß  ich  für diese  Aufgabe  auch  die  SOL  brauchte.  So  lauteten  die unausgesprochenen Worte des Auftrags. Noch existierte die SOL. Sie würde  das  sich  anbahnende Debakel  auch  überstehen,  denn 

die  Solaner  hatten  frühzeitig  erkannt,  daß  das  Chaos  der Namenlosen  Zone  für  sie  eine  Schuhnummer  zu  groß  war.  Sie hatten  sich  mit  Mehrheit  geweigert,  ihr  kostbares  Schiff,  ihre Heimat,  in  dieses  Raumgebiet  des  Schreckens  zu  schicken. Breckcrown Hayes, der kranke High  Sideryt, hatte den Wünschen dieser Mehrheit entsprochen. War  mein  Handeln  in  der  Namenlosen  Zone  überhaupt  noch 

etwas,  was  im  Sinn  der  Kosmokraten  war?  Ich mußte mir  diese Frage  stellen, denn heftige Zweifel plagten mich. Vielleicht war es nur  so, daß  ich aus einer Laune heraus Chybrain – der wohl auch nur  aus  einer Laune heraus  entstanden war  – gefolgt war. Es gab andere  Möglichkeiten,  Varnhagher‐Ghynnst  zu  finden  und  die Mission zu einem Erfolg zu bringen. Ich konnte schlicht und einfach suchen – auch ohne das Wissen um die Koordinaten. Vielleicht hatten die Hohen Mächte das  sogar gewollt. Vielleicht 

sollte ich aus eigener Kraft Varnhagher‐Ghynnst finden. Zweifel über Zweifel. Tyari  reichte mir  einen Becher mit Kaffee,  aber das  synthetische 

Zeug der Futurboje schmeckte mir nicht. Ich dachte an die Visionen. Ihr Sinn war mittlerweile klar. Es hatte 

sich  um  verschlüsselte  Botschaften  Chybrains  gehandelt.  Das 

Page 14: Das Ende der Macht

Kristallei  saß  in  der  Klemme  und  hoffte  auf  Hilfe.  Durch  die Nachricht der Zyrtonier, die wir vor wenigen Stunden aufgefangen hatten,  wußte  ich  sogar,  wo  er  war.  Er  war  ein  Gefangener  der Zyrtonier, und mit ihm versuchten diese uns nun zu erpressen, von weiteren Aktionen abzusehen und von hier zu verschwinden. Etwas  lehnte  sich  in mir  gegen  diesen Druck  auf.  Ich  ließ mich 

nicht  einfach  erpressen. Auch  verlangte  der  Tod meiner  Freunde, daß  ich hier blieb und alles versuchte, um  ihrem Ende noch einen Sinn zu geben. Wieder mußte  ich an die Visionen denken. Ich wußte zwar nicht, 

wie  es  Chybrain  gelungen  war,  diese  Zukunftströmungen aufzufangen und auf mich zu lenken, aber ich zweifelte nicht mehr an der Richtigkeit der Informationen. Die  Folgerungen  daraus  waren  schwerwiegend,  aber  auch 

verheißungsvoll.  Ich  würde  Tyari  und  Ticker  verlieren.  Die  SOL würde um die SZ‐2 beraubt werden, Solania von Terra, die liebe alte Brooklyn, würde einen unschönen Tod erleiden – und mit ihr einige tausend Solaner. Nie  durfte  ich  Hayes  oder  den  anderen  gegenüber  etwas  über 

diese Vision verlauten lassen! Auch das belastete mich. Über  das, was  ich  aus  den  seltsamen  Zukunftserlebnissen  über 

mich selbst erfahren hatte, dachte ich nicht nach. Sollte es kommen, wie es wolle. Nur eins zählte. Wenn die Visionen »richtig« waren, dann bedeutete das auch, daß 

ich nicht nur dieses Abenteuer  in der Namenlosen Zone überleben würde. Es  bedeutete  auch, daß  ich Varnhagher‐Ghynnst  erreichen würde! Es war also ganz einfach. Ich brauchte nur die Namenlose Zone zu 

verlassen, alles – auch Chybrain und die Vulnurer – zu vergessen und abzuwarten, was dann geschah. Du  bist  übergeschnappt,  behauptete  der  Extrasinn  lakonisch.  Die Visionen haben nur dann ihre Richtigkeit, wenn du weiter so handelst, wie 

Page 15: Das Ende der Macht

du es bisher getan hast. Sie bauen auf den Fakten der Gegenwart auf. Du bist einer dieser Fakten. Von Hellseherei verstand ich nichts. Aber an ein Aufgeben dachte 

ich trotz meiner Zweifel nicht. Ich hatte nie aufgegeben, auch nicht in anderen hoffnungslosen Lagen. Ich warf einen Blick auf die Borduhr, die wir  längst auf die SOL‐

Zeit  justiert hatten. Es war Mittag, und das Datum  lautete auf den 28. September des  Jahres 3808. Welche Bedeutung hatte ein Terra‐Jahr für uns noch? Keine, antwortete ich mir selbst. Das war wenig mehr als ein Relikt aus der Zeit, zu der die SOL noch unter Perry Rhodan unter der Sonne Medaillon gestartet war. Die Solaner hatten diese Zeitzählung  einfach übernommen, obwohl  sie  alles, was mit ihren  Vorfahren  zu  tun  hätte,  damals  verdammt  hatten.  Es  hatte auch  eine  neue  Zeitzählung  gegeben,  aber  sie  hatte  sich  nie durchgesetzt. Zeit!  Die  Kosmokraten  hatten mir  eins  nicht mit  auf  den Weg 

gegeben,  nämlich  wann  ich  Varnhagher‐Ghynnst  erreichen  sollte. Vielleicht war es jetzt schon zu spät. Vielleicht hatte ich mich in den Erlebnissen  um  Osath,  Chail,  Bumerang  und  Hidden‐X,  Pers‐Mohandot,  Anti‐ES,  Xiinx‐Markant  und  Bars‐2‐Bars  mit  seinen Völkern einfach vertändelt? Es konnte so sein, aber ich wußte nicht, was der Wahrheit entsprach. Wieder: Zweifel über Zweifel! Vielleicht hatte  ich aber auch noch hundert  Jahre oder mehr zur 

Verfügung,  um  das  gesetzte  Ziel  zu  erreichen.  In  welchen Maßstäben  rechneten  die  Hohen  Mächte  jenseits  der Materiequellen? Ich wußte auch das nicht. Ich wußte nicht einmal, wer sie waren oder wie sie aussahen. Vielleicht hatte  ich  längst versagt, und sie hatten mich vergessen. 

Ein Signal von ihnen hatte ich nie bekommen. Oder doch? Ich mußte an Parzelle denken. Der Unscheinbare hatte nicht nur 

bei  mir  den  Eindruck  erweckt,  daß  er  ein  Beobachter  der Kosmokraten  war.  Eine  wirkliche  Botschaft  hatte  er  uns  nie 

Page 16: Das Ende der Macht

übermittelt,  obwohl  in  ein  paar  Fällen  ohne  sein  unvermutetes Erscheinen manches anders verlaufen wäre. Bjo Breiskoll konnte ein Lied davon singen. War er einer wie Laire oder Samkar, die ich als tatsächliche Helfer 

der Hohen Mächte  in klarer Erinnerung hatte?  Ich wußte auch das nicht. Wieder überwältigten mich die Zweifel. Denke lieber an das Nockemann‐Syndrom! Diesmal klang die Stimme des Extrasinns weniger  freundlich. Sie 

war hartnäckig, fordernd, verlangend. ,Es  geht  dir  doch  nur  um  Chybrainʹ,  entgegnete  ich  für  die 

anderen  unhörbar.  ,Du  bildest  dir  ein,  ihn  gezeugt  zu  haben.  Ich sehe die Sache anders. Ohne dein unerklärliches Techtelmechtel mit Born hätte es nie einen Chybrain gegeben, und dann …ʹ Und dann wärst du längst zu Staub verweht! Soll ich dich an den Brocken erinnern? Oder an die Roxharen über Chail? Oder an Bumerang? Oder an Hidden‐X? Oder an Anti‐ES? ,Schweig!ʹ befahl ich meinem zweiten Bewußtsein und bildete mir 

ein  zu  sehen,  wie  es  sich  in  den  letzten  Winkel  seines  Daseins verkroch.  ,Ohne  Chybrain  wäre  ich  heute  längst  im  Besitz  der Koordinaten von Varnhagher‐Ghynnst und auch an diesem Ort, um Spoodies abernten zu lassen und …ʹ Narr! Ohne ihn wärst du tot! Meine Gefühle sagten mir etwas anderes, aber mein Verstand riet 

mir,  nicht  weiter mit  dem  Logiksektor  zu  diskutieren.  Er würde seine Meinung sowieso nicht ändern. Und so ganz unrecht hatte er ja nicht. Bjo  Breiskoll  kam  herein.  Er  fungierte  im  Augenblick  als 

Kommandant  der  Futurboje,  denn  ich  hatte  eigentlich  meine Freiwache.  Ruhen  konnte  ich  unter  den  gegebenen  Umständen allerdings nicht. »Wir  haben  eine  neue  Position  bezogen«,  sagte der  alte  Freund. 

(Warum war er eigentlich nicht in den Visionen erschienen? Würde er auch alles überleben? Oder würde er sich wieder in einen Schläfer verwandeln,  Sternfeuer  und  Federspiel  zu  sich  holen,  und Gavro 

Page 17: Das Ende der Macht

Yaal,  der  sich  schweigend  um  das Wohl  des  Generationenschiffs kümmerte? Ich wußte auch das nicht). »Welche?« fragte ich etwas matt. »Zwei Lichtjahre von MO‐4 entfernt und etwa 38 von Tabuland.« Ich  winkte  müde  mit  einer  Hand  zum  Zeichen,  daß  ich  ihn 

verstanden hatte. Er verließ die Messe wieder.  Seine Miene  zeigte mir nur allzu deutlich, daß er mit meinem Verhalten nicht zufrieden war. Ich  sank  in einen  freien Sessel und wurde mir  erst  jetzt bewußt, 

daß  ich mehrere Minuten  regungslos  zwischen meinen  Freunden gestanden war. Mein Blick  fiel  auf  einen kleinen Rolltisch. Darauf standen  in  einem  Regal  zweiundzwanzig  Ampullen  mit  einer farblosen Flüssigkeit. Nockemanns  Erbe,  sagte  der  Extrasinn  für  meinen  Geschmack 

ziemlich  taktlos.  Es  handelte  sich  um  die  Substanz,  die  das Zellplasma  so  verändern  konnte,  daß  der  unsichtbare  und undurchdringliche Wall  um  Zyrton  damit  durchdrungen werden konnte. Zweiundzwanzig Ampullen,  zweiundzwanzig Lebewesen, Gegen Milliarden von Zyrtoniern! Dieses  Zahlenverhältnis  entsprach  wohl  auch  dem 

Kräfteverhältnis der negativ‐chaotischen und der positiv‐ordnenden Kräfte  in der Namenlosen Zone. Wie hatten meine  lieben Barbaren von der Erde  in  solchen  Situationen  gern  gesagt? Weniger  als  ein Tropfen auf den heißen Stein! Erinnere  dich  an  Blödels  letzte  Worte!  Die  Spontan‐Mutation!  Das Nockemann‐Syndrom! »Pah!« sagte  ich  laut. Tyari blickte mich sorgenvoll an. Ich wußte 

genau,  daß  sie  nicht  versuchte,  meine  Gedanken  mit  ihren außergewöhnlichen  telepathischen  Fähigkeiten  zu  erkennen.  Sie liebte mich. Und ich sie. (Es tat wieder weh, sich daran zu erinnern, daß ich sie aller Wahrscheinlichkeit nach in naher Zukunft verlieren würde.) Und wen man  liebt, um den sorgt man sich, sagte  ich mir. Man schnüffelt ihn nicht aus. 

Page 18: Das Ende der Macht

Plötzlich  dachte  ich  an  Bjo,  der  eine  innige  und  herzliche  Liebe hinter  sich hatte,  aber  auch die Geliebte verloren hatte.  Sie mußte damals mit den Meuterern die SOL verlassen. Bjo hatte mir einmal in  einer  stillen  Stunde  anvertraut, daß  seine  geliebte  France  Ivory sehr wahrscheinlich  schwanger gewesen war, als  sie  ihn verlassen mußte. Er, Bjo, hatte nie eine Chance gehabt, seine France oder den vermuteten Sprößling zu sehen. Wie tapfer hatte er sich gehalten! Ich  begann mich  ein  bißchen  zu  schämen. Hage war  auch  Bjos 

Freund  gewesen.  Auch  Borallu,  Daug  oder  Katzulla,  dem  seine Maske als 4‐Page nur wenig geholfen hatte. Und auch den Verlust dieser Freunde ertrug der Solaner besser als ich in meinen Zweifeln. Das Datum! mahnte mich der Logiksektor.  Ich hegte noch  immer 

den  Verdacht,  daß  es  ihm  nur  um  Chybrain  ging.  Er mußte  da irgendein  logisches  Rezept  gefunden  haben,  daß  ihn  beflügelte, mich in dieses hoffnungslose Unternehmen zu drängen. Ich  denke  nur  an  die  Koordinaten,  erklärte  er  mit  Eiseskälte.  Die Testmission, die du übernommen hast, muß erfüllt werden. ,Testmission?  Ich  glaube,  ich  höre  nicht  richtig.ʹ  Nach  den Maßstäben  der  Kosmokraten  hast  du  gerade  angefangen,  etwas  für  die ordnenden Kräfte in IHREM Sinn zu tun. Bislang hast du nur in deinem Sinn  gehandelt. Gegen Maahks,  für  dein Überleben  auf  der Erde,  gegen Orbanaschol, gegen die Laren, für Mirona Thetin … Ich schrie ihm ein Wort aus meiner Kindheit auf Arkon entgegen, 

das  mich  damals  mehr  als  eine  Ohrfeige  gekostet  hatte.  Der Extrasinn schwieg. Ich empfand die Ruhe als wohltuend. Das Datum! Nach Blödels Bericht und den Aufzeichnungen Hages 

würde  sich  die  Spontan‐Mutation  im  Laufe  des  29.  Septembers bemerkbar machen. Aber das war eine unsichere Sache. Keiner von uns  konnte  beurteilen, wie die Zyrtonier  reagieren würden, wenn einige  von  ihnen  sich  plötzlich  verwandeln  sollten.  Wie  diese Verwandlung aussehen würde, wußte auch  ich nicht. Nockemanns Spekulationen  darüber  waren  nicht  nur  zu  wissenschaftlich gewesen, sie waren auch mit vielen Fragezeichen versehen. 

Page 19: Das Ende der Macht

Nun  gut.  In  vielleicht  vierundzwanzig  oder  sechsunddreißig Stunden würde bei den betroffenen Zyrtoniern »etwas« geschehen. Aber was? Und wie würde sich das auswirken? Ich wußte auch das nicht. Wieder befiel mich die Unsicherheit. Die  Drohung  der  Zyrtonier!  Würde  mir  das  Ende  Chybrains 

Schmerzen bereiten? Das verrückte Ei aus Jenseitsmaterie hatte mir oft geholfen. So gesehen, war ich ihm zu mehr als Dank verpflichtet. Aber er hatte – aus rein egoistischen Motiven! – mir die Koordinaten von  Varnhagher‐Ghynnst  vorenthalten,  als  sich  Wöbbeking  zu KING  und  damit  zu  einem  Positivfaktor  gewandelt  hatte!  Ich konnte Chybrain das nicht verzeihen. Er wollte  sich  rehabilitieren, den Makel eines Fehlprodukts, eines Bastards, eines »Unerlaubten«, von sich wischen. Nun saß er in der Falle. Es  ist  mehr  als  eine  Falle.  Es  ist  sein  Ende.  Und  sein  Ende  ist gleichbedeutend mit dem Verlust der Koordinaten. Hast du das immer noch nicht verstanden? Ich empfand es als unverschämt, daß es der Extrasinn noch wagte, 

mich  anzusprechen.  Eine  Antwort  ersparte  ich mir,  denn  in mir tobten Gefühle, die er sowieso nicht verstand. Der Plan der Zyrtonier! Mein zweites Bewußtsein blieb hartnäckig. 

Ich  überlegte mir, mit welchem  Schimpfwort  ich  ihn  erneut  zum Schweigen bringen könnte. Du weißt, was  ihre Absicht  ist. Wenn die Meute der unterdrückten und aggressiven Völker das Universum erreicht, sieht es auch schlecht um ES, die Terraner und die Solaner aus. ,Die  Solaner  haben  immer  einen  Wegs  gefunden,  um  sich 

durchzuschlagen.ʹ  Ich  spürte,  daß  meine  Antwort  zwar  stimmte, aber zu schwach war. Wem verdankst du deinen Zellaktivator? ,ES.ʹ Und warum? Wer wollte das? ,ES!ʹ  Nein.  Auch  ES  handelt.  ES  handelt  für  die  ordnende  Seite  im immerwährenden  Kampf  der  Mächte  des  Chaos  gegen  die  Mächte  der Ordnung. Und damit handelt ES  im Sinn der Kosmokraten. Wie sieht es 

Page 20: Das Ende der Macht

mit uns nun aus? In wessen Sinn willst du handeln? Bist du noch bereit, an etwas zu glauben, für das es sich lohnt, seine Kräfte einzusetzen? Ich brauchte eine Pause, um nachzudenken. Als  ich mich umsah, 

bemerkte ich, daß alle die Messe verlassen hatten. Nur Tyari hockte noch neben dem Rolltisch mit den Nockemann‐Ampullen auf einer Kiste,  in  der  einmal  Nahrungsmittel  der  MJAILAM  aufbewahrt worden  waren.  Sie  hatte  ihren  Kopf  in  die  Hände  gestützt  und starrte zu Boden. Bist du nicht ein Beauftragter der Kosmokraten? bohrte der Extrasinn 

weiter. Weißt du nicht mehr, was du willst? Ich  fühlte mich so unwohl, wie schon  lange nicht mehr. Niemals 

seit meiner Ankunft  auf der  SOL  hatte  ich  solche  inneren Qualen erlitten.  Ich  war  dafür  verantwortlich,  daß  über  dreihundert intelligente  und  gute  Lebewesen  den  Tod  gefunden  hatten! Wie sollte  ich  mit  dieser  Belastung  noch  an  den  Auftrag  der Kosmokraten  denken,  den  ich mehr  fühlte  als  kannte! Was  hatte mich  denn  in  dieses Wahnsinnsunternehmen  getrieben?  Ich  hatte auf Geheiß Laires an der Stelle von Perry Rhodan den Weg durch die Materiequelle  angetreten.  Ich  war  der  Auserwählte  gewesen. Anti‐ES  hatte mich  eingefangen.  Die  Hohen Mächte  hatten  nicht reagiert. Dreizehn  Jahre Gefangenschaft, dreizehn  Jahre Dasein als Knecht  waren  gefolgt.  Und  in  all  den  dreizehn  Jahren  war  eine einzige Tat wirklich so bedeutsam gewesen, daß sie Folgen gezeigt hatte.  Mit  meinem  Messer  hatte  ich  aus  dem  vorübergehend materiell gewordenen Anti‐ES ein Stück herausgeschnitten. Damals habe  ich  nicht  einmal  gewußt,  daß  es  der  Keim  des  Positiven gewesen  war.  Aber  diese  eine  Tat  hatte  Früchte  getragen:  Born, NarʹBon, Chybrain, Wöbbeking, KING. Irgendwie war  ich  dann  doch  zu  den Hohen Mächten  geraten. 

Wie,  das  wußte  ich  nur  aus  den  fragmentarischen Reinkarnationserlebnissen. Für mich war das Bild nicht geschlossen, denn es  fehlten mindestens 186  Jahre  in meiner Erinnerung,  Jahre, die mir  die  Kosmokraten  genommen  hatten,  Jahre,  die  sie  durch 

Page 21: Das Ende der Macht

einen  unerfüllbaren  Auftrag  ersetzt  hatten.  Durch  einen  Auftrag, den der Extrasinn lapidar als Test bezeichnet! Ich wußte, was ich wollte, aber ich wagte es nicht, den Gedanken 

konkret zu formulieren. Mein zweites Ich würde meine Argumente zerfetzen. Diese 186 Jahre! Was war damals geschehen, bevor ich in der Nähe 

der SOL erwachte und von den Buhrlos aufgefischt wurde? Es ist schlimm, ständig nichts zu wissen! Du weißt mehr, als du glaubst. »Es  ist  besser,  du  schweigst«,  antwortete  ich  laut.  Tyari  konnte 

meine  Worte  ruhig  hören.  Sie  würde  sich  ihren  Reim  darauf machen. »Oder weißt du mehr als ich?« Mehr weiß  ich  nicht.  Ich  folgere  nur  logischer  und  konsequenter. Vor langen Zeiten  bekamst  du  deinen Zellschwingungsaktivator,  der  dich  zu einem Relativ‐Unsterblichen machte. Glaubst  du wirklich,  daß  dies  ohne tieferen  Grund  geschah?  Auch  die  Mächte  der  Ordnung  geben  keine sinnlosen Geschenke  an  kleine  Kristallprinzen.  Jahrtausende  durftest  du beobachten.  Ja,  Atlan,  beobachten.  Du  meinst,  es  wären  oft  Kämpfe gewesen. Es waren Kämpfe,  aber  es waren DEINE Kämpfe! Nun  ist  die Zeit  reif, daß du  einmal  für die Kräfte des Universums kämpfst, die  eine entscheidende Kraft darstellen – für die Kosmokraten. ,Die Worte  hör  ich wohl,  allein mir …ʹ …  fehlt  der Glaube? Der 

Extrasinn spottete. »Ich denke etwas anderes!« Wieder  sprach  ich  laut. Tyari blickte 

auf. Ihre Augen verrieten Sorge. Und Liebe. Bleib  noch  ein  bißchen  bei  mir!  dachte  ich  und  öffnete  meine 

Gedanken.  Sie  reagierte  nicht,  und  das  bewies,  daß  sie  meine überstürzten Überlegungen nicht telepathisch verfolgte. Hage! Test! Koordinaten! Zyrton! Chybrain! Die Begriffe huschten durch mich hindurch.  Ich versuchte, einen 

davon  zu  packen,  damit  ich  wieder  einen  klaren  Gedanken formulieren  konnte,  aber  das  gelang  nicht. Warum  besaß  ich  den Zellaktivator? Warum war ich durch die Materiequelle gegangen, in 

Page 22: Das Ende der Macht

die Fänge von Anti‐ES geraten? Warum hatte ich gelitten, vergessen, gekämpft? Ich  brachte  diese Überlegung  zu  keinem  Ende,  denn  in  diesem 

Augenblick klopfte jemand bei mir an.   

3.  Es war kein Klopfen im akustischen Sinn. Es war eher ein Melden. Ein »Darf ich?« Tyari blickte mich ernst und starr an, aber voller Zuneigung. Wer  hat  geklopft?  fragte der  Extrasinn.  Es war  schon  erstaunlich, 

daß er  sich  einmal mit einer Frage an mein erstes  Ich wandte.  Ich wischte  den  Gedanken  weg,  der  Logiksektor  könnte  es  gewesen sein. Dieser Verdacht war nahezu automatisch entstanden. »Klopf! Klopf!« erklang es wieder. »Ich weiß  es  nicht«,  antwortete  ich  laut. Gemeint  hatte  ich  den 

Extrasinn. Dem Klopf‐klopf folgte wieder das Darf‐ich? Ich  stand  auf.  Tyari  folgte meinem  Beispiel.  Ihre  Augen waren 

wach  und  klar.  Sie  kam  langsam  auf mich  zu  und  berührte  sanft meine Oberarme mit  ihren Händen. Dann  sah  sie mir mit  freiem und ehrlichen Blick ins Gesicht. Unsere Augen trafen sich. »Es  ist  keine  Vision«,  sagte  sie.  »Ich  spüre  es  auch.  Es  tut  sich 

etwas. Was es  ist, weiß  ich nicht.  Ich will es wissen, und doch will ich es auch wieder nicht wissen. Da ist etwas, das …« »Klopf! Klopf! Darf ich?« fragte es wieder. »… dich sprechen will. Du wirst mir mitteilen, was du für richtig 

und notwendig hältst. Ich gehe.« Sie  drehte  sich  um  und  trat  auf  das  Schott  zur  Zentrale  der 

Futurboje zu. Als sich diese öffnete, drehte sie sich um, warf mir ein bezauberndes Lächeln zu und sagte: »Den  Kuß  bekommst  zu  später.  Tyar  hat  Jahrtausende  warten 

Page 23: Das Ende der Macht

müssen, Tyari kann ein paar Minuten warten. Und sorge dich nicht um mich. Ich bleibe noch sehr lange bei dir.« Ich sah noch ihr Bild, die Umrisse ihres Körpers, obwohl sich das 

Schott längst geschlossen hatte. Wußte sie etwas von ihrem Tod, der irgendwann geschehen würde? Das Gefühl hatte ich nicht. Sie hatte nie in meinen Gedanken nachgesehen, obwohl sie das wohl gekonnt hätte.  Trotz meines Mentalblocks! Was wollte  sie  sagen, wirklich sagen! »Darf ich?« Wieder diese Stimme. Ich kenne sie. Wahrscheinlich war ich wirklich verwirrt, denn die Lässigkeit, mit 

der der Logiksektor sich erneut meldete, nervte mich. Ich war allein. »Klopf‐klopf‐klopf.«  Die  Stimme  drängte.  Sie  war  nah  und 

wirklich. »Heraus!« brüllte ich. Ich  wußte,  was  ich  wollte.  Der  Extrasinn  hatte  mir  die  Frage 

gestellt: Weißt du nicht mehr, was du willst? Ich wußte, was ich wollte! Ruhe! Einfach Ruhe! Idiot! sagte der Logiksektor. Dann  traf mich ein Gedankenimpuls 

von  ihm, der sinngemäß besagte, daß er schweigen würde, weil es ihm  seine  Überlegungen  verböten,  mit  einem  verrückten Verzweifelten zu sprechen. Ich steckte auch diese Beleidigung weg. »Klopf!« Das  klang  ruhig  und  brav.  Fast  hätte  ich  diesem  Begehren 

zugestimmt,  aber  Hages  Tod  drängte  sich  wieder  in  mein Bewußtsein.  Und  Tyari  war  weg,  wahrscheinlich  längst  per Transmitter zur MJAILAM gewechselt. Ich war allein! Schrecklich allein! In der Einsamkeit der Gedanken und des Daseins  läßt man  jeden 

herein,  flüsterten mir meine ganz persönlichen Gedanken zu. Aber 

Page 24: Das Ende der Macht

ich  wollte  nicht.  Ich  fühlte  mich  wie  jene  große  Mehrheit  der Solaner,  die  sich  geweigert  hatten,  das  Generationenschiff  den Gefahren der Namenlosen Zone auszusetzen. »Ruhe!  Raus«  brüllte  ich.  Dabei  stieß  ich  in  einer  wilden 

Bewegung gegen den Becher mit  Futurboje‐Kaffee, der  längst kalt geworden war, und kippte diesen auf den Boden. »Manchmal muß man  gegenüber  Trotzköpfen  hartnäckig  sein.« 

Die  Stimme war die  gleiche,  aber  sie war  ganz  nah.  Sie war  hier. »Wenn  du  deine  Einwilligung  nicht  gibst,  dann  komme  ich  eben ohne deine Zustimmung.« Ich blickte auf. Vor mir stand Parzelle. Der Unscheinbare hatte  sich nicht verändert. Er wirkte  auf mich 

wie ein klein geratener Mensch, aber doch künstlich. Was er konnte, hatte ich erlebt. Parzelle ging und kam, wie er es wollte – oder die, die ihn lenkten. »Nicht ›die‹ in der Mehrzahl«, sagte er. »In der Einzahl.« Ich  verstand  nichts.  Auf  mich  wirkte  er  wie  ein  biologisches 

Produkt,  ein Geschöpf  der Natur,  das  etwas mehr  konnte  als  ein Durchschnittsterraner oder Durchschnittsarkonide. Er war etwa 1,20 Meter  groß,  besaß  zwei  Beine  und  zwei Arme,  einen Rumpf  und einen Kopf.  Insofern wirkte  er wie  ein Mensch. Allerdings war  er nicht nur klein, sondern auch dürr. Seine Hautfarbe war gelbweiß. Die kurzen blonden Haare paßten zu seinem Kindergesicht, das eine Einfalt  und  Unbedarftheit  ausstrahlte,  wie  man  sie  nur  bei Neugeborenen sehen konnte. Auch  jetzt trug er seine durchsichtige und  einteilige Kombination,  aber  der  Brustring  von  den  früheren Begegnungen war verschwunden. »Was willst du?« fragte ich nicht gerade freundlich. »Die Wasser der ewigen Zeiten haben mich zu dir gespült. Verzeih 

mir mein gewaltsames Eindringen in deine Nähe, aber es gab keinen anderen Weg. Mein Flehen hast du ja nicht erhört.« »Früher  bist  du  gekommen  und  gegangen, wie  es  dir  beliebte«, 

Page 25: Das Ende der Macht

entgegnete ich. »Früher.  Ja,  das  stimmt. Was  bedeuten  dir  die  Zeiten,  die  die 

ewigen Wasser  der  ewigen  Zeiten  hinweggespült  haben?  Nichts, Atlan! Gar nichts!« Ein Gedanke drängte sich  in meine Überlegungen. Ich sprach  ihn 

aus. »Du bist ein Handlanger der Kosmokraten. Sage mir, was sie von 

mir wollen!« Parzelle  faltete  seine  Ärmchen  vor  der  transparenten  Brust 

zusammen. Dann lächelte er mich an. Seine Augen verrieten Geduld und Weisheit. »Der Handlanger, Atlan«,  sprach  er dann  zu meinem Erstaunen 

mit  fester  Stimme,  »der  Handlanger  bist  du.  Ich  bin  nur  ein Geschöpf.  Ich  habe  nur  ein  kurzes  Dasein,  und  mein  Dasein verdanke  ich  dir  und  einem  Gedanken  der  Lichtquelle,  der  ich entsprungen bin. Termentier  ist der Sammelbegriff  für die Geister, die die Lichtquelle  schufen,  um der Macht der Namenlosen Zone Paroli bieten zu können. Eine Handvoll Zyrtonier und Vulnurer. Ja, Atlan,  es  gab  auch  einmal  unter  den  Umgezüchteten Andersdenkende und Andershandelnde. Es waren nur vier, aber sie sind der Kern von Termentier. Dazu kommen jene Vulnurer, die den Irrtum eingesehen hatten, aus  ihrem Volk eine höherwertige Rasse formen zu wollen. Die Natur des Kosmos läßt sich nicht immer ins Handwerk pfuschen. Es wird schon genug Unheil angerichtet. Und wenn  es  sich  gegen  den  Kosmos  selbst  als  Ganzes  richtet,  dann erwachen  auch  einmal  besondere  Kräfte.  Dafür  haben  wir  die Hohen Mächte. Aber auch denen scheint es verboten zu sein, direkt einzugreifen. Sie stellen Weichen. Sie machen Angebote an Wesen, wie du eins bist. Wo die Entscheidungen  sind, Atlan, kann  ich dir sagen: Das Wasser der ewigen Zeiten hat alles weggespült.« Ich war verwirrt. Parzelles Worte hatte  ich verstanden, aber eine 

tiefe  Enttäuschung  breitete  sich  in  mir  aus.  Ich  hatte  immer geglaubt, hier  einen Vertreter der Kosmokraten vor mir zu haben. 

Page 26: Das Ende der Macht

Wenn  ich  Parzelle  richtig  verstanden  hatte,  dann  war  er  ein »Ableger« der Quelle der  Jenseitsmaterie  von der  zerstörten Basis des Ersten Zählers. »Es war  immer die Basis der Lichtquelle.  Ihre Bescheidenheit hat 

es ihr verboten, etwas anderes zu behaupten. Janv‐Zount war unser Gast.« »Unser?« fragte ich. »Es  gibt  für  deine  Begriffe  keinen  Unterschied  zwischen  der 

Lichtquelle,  dem  Emulator  der  Zyrtonier  und  Vulnurer  und  der Namenlosen Zone, zwischen Termentier, den Schöpfern der Quelle und den einmaligen Entdeckern der  Jenseitsmaterie, und zwischen mir, Parzelle. Ich bin nur ein Bruchstück des Ganzen, so wie ich hier vor dir stehe, eben eine Parzelle. Hast du das nie verstanden?« Ich  schwieg.  Der  Extrasinn  schwieg.  Die  Messe  schwieg,  weil 

niemand mehr da war. Aber Parzelle – die Parzelle – redete. »Die Lichtquelle  ist nur noch ein Stück. Die Basis wurde von den 

Zyrtoniern zerstört. Die Quelle hat überlebt, weil du da warst. Jetzt aber bist du an der Schwelle der geistigen Selbstzerstörung. Ich habe deine Gedanken verfolgt. Lange! Seit der Zeit, in der du in die Nähe der Nabel von Bars‐2‐Bars gekommen warst. Gezeigt habe ich mich erst  spät,  weil  die  Zeit  nicht  reif  war.  Irgendwann  wirst  du  es verstehen. Oder nicht.« »Ich glaube nicht«, hörte  ich mich  sagen, »daß  ich  für dich oder 

Termentier oder die Lichtquelle noch eine entscheidende Hilfe sein könnte.  Ich kam  in die Namenlose Zone, um die Koordinaten von Varnhagher‐Ghynnst  zurückzugewinnen.  Das  ist  mir  nicht gelungen. Ich habe versagt, und nichts kann mich mehr aufrichten.« »Nichts?«  Parzelles Worte  klangen  sanft,  zu  sanft.  Ich  hätte den 

kleinen Kerl  verprügeln  können,  denn  in mir  tobten  ganz  andere Gefühle,  als  dieses  Kunstprodukt  des  Termentier‐Kollektivs  je verstehen würde.   

Page 27: Das Ende der Macht

*  »Nichts!« sage ich. »Nichts! Gar nichts!« Er schaut mich an, und seine Augen strahlen eine Zuversicht aus, 

die mich lächerlich macht. Er geht auf seinen kurzen Beinen ein paar Schritte in der kleinen Messe auf und ab. »Nun  gut.«  Er  hockt  sich  in  einer  der  vielen  leeren  Sessel.  »Die 

Lichtquelle,  Termentier,  das  Urbewußtsein  des  Emulatorwesens, und  ich, wir  können  dir  kein  Vertrauen  geben. Wir  können  und wollen dich nicht aufmuntern, Atlan. Also gehe ich.« Er wird durchsichtig. Und der Extrasinn schreit: Sag etwas! »Wer  sollte  mich  sonst  aufmuntern?«  kommt  es  über  meine 

Lippen. Es ist mehr ein Ausdruck der Verwirrung und Unsicherheit. »Wer sonst?« »Es  gibt  nur  einen«,  sagte  Parzelle  »der  dich  aufmuntern  kann. 

Und das bist du selbst!« Seine Worte  treffen mich wie ein Blitzschlag, wie ein Schock.  Ich 

habe  geträumt,  gezweifelt. Meine Gefühle  haben mich  überrannt. Die Ereignisse  seit dem Zusammentreffen mit den Solanern haben mich in eine geistige und gefühlsmäßige Enge getrieben, aus der ich einen Ausweg finden muß. »Ich komme wieder«, sagt Parzelle und verschwindet. »Die  Lichtquelle  ist  da«,  höre  ich  ihn  aus  der  Ferne.  »Die 

Lichtquelle ist da!« Soll sie hier sein! Soll Parzelle seinen Zauber machen! Ich  kann  nicht  zaubern,  aber  handeln.  Ich  habe  noch  ein  paar 

Freunde.  Zweiundzwanzig  gegen  Millionen  Zyrtonier!  Aber  ich habe  Parzelle  und  die  Lichtquelle  auf  meiner  Seite.  Und  das Nockemann‐Syndrom, das auch eine Chance darstellt. Das Datum! So unrecht hatte der Extrasinn  ja gar nicht. Und die 

Aufmunterung soll aus mir heraus kommen, Und da ist noch etwas. 

Page 28: Das Ende der Macht

DIE LICHTQUELLE! Sie  meldet  sich,  und  sie  teilt  mir  mit,  daß  sie  in  einem 

hoffnungslosen Kampf ihr Ende finden wird. Sie ist deprimierter als ich. Sie will an meiner Seite den Tod finden. Ich  denke  an  Varnhagher‐Ghynnst,  an  die  Spoodies,  an  den 

Aufbau einer Pufferzone zwischen den Mächtigkeitsballungen von Seth‐Apophis  und  ES.  Und  an  mein  Dasein  als  Orakel  von Krandhor, wie es mir Chybrains Visionen vorhergesagt haben.  Ich werde es tun! Vielleicht  habe  ich  eine  Chance,  ich,  Parzelle,  Termentier,  die 

Lichtquelle der Vulnurer, die Vulnurer, die das Übel erzeugt haben. Gut, sagt der Logiksektor. Er hat meine Gedanken erkannt. Ich werde die Resignation der Lichtquelle nicht  teilen.  Ich werde 

kämpfen, aber Verluste zu vermeiden suchen. Wie  herrlich  ist  doch  der  Plan  Hages!  Ein  gezüchtetes  Volk 

zurückführen auf die Form der Urheber.  Ich kann nur hoffen, daß Blödel richtig analysiert hat. Der Parzelle werde ich es zeigen. Was Mut ist. Und Verzweiflung. Hör auf zu denken! Die Worte knallen in mein Gehirn. Ich erkenne 

aus dem Tonfall, daß es die Lichtquelle ist. Ich bin da. Versuchen wir das Unmögliche? »Machen wir«,  sage  ich  sehr gelassen. Und mein Selbstvertrauen 

ist wieder da. Ganz da! Gut, sagt die Lichtquelle. »Wo bist du?« frage ich. Ich bin da, aber nicht sichtbar. Auch die Ortung der Vulnurer wird mich nicht  erfassen. Vielleicht aber die der Futurboje, denn  sie  ist  ein Produkt des Termentier‐Kollektivs. »Was soll geschehen?« Ich habe wirklich Mut. Die alte Tatkraft ist 

wieder da.  Ich  stehe  auf  und  sehe mich  um.  Ich  bin  allein  in der Messe, aber ich stehe nicht allein in diesem Kampf. Es geht um viel, um meine Koordination, um meinen Auftrag, um Chybrain, um die 

Page 29: Das Ende der Macht

Rettung  des  die  Namenlose  Zone  umgebenden  Kosmos  vor  den Attacken der zyrtonischen Hilfsvölker, die ihre Wut und Aggression über  Jahrtausende  angestaut  haben  und  dringend  ein  Ventil brauchen. Mir scheint wieder alles unmöglich. Gut! Die Stimme der Lichtquelle ist ganz nah. Ich habe das Gefühl, 

daß sie körperlich neben mir steht. Es kommt zunächst darauf an, daß überhaupt etwas geschieht. »Einverstanden.« Ich gebe meiner Stimme und den Gedanken, die 

damit  verbunden  sind,  alle  Festigkeit  meines  Willens.  Ein  Rest Unsicherheit bleibt jedoch. »Was soll geschehen?« Rufe  die  Parzelle!  Sie  soll  mein  Sprecher  sein.  Ich  muß  mich  wieder verbergen. Danach  schweigt  die  Lichtquelle.  Ich  erinnere  mich  an  die 

wenigen früheren Kontakte – an den einen im realen Erleben und an mehrere aus den Reinkarnationserlebnissen.  Jetzt klingt sie anders, besser, frischer, aktiver. Das macht mir Mut. Ich blicke mich in der Messe um. Plötzlich ist Tyari wieder da. Ich 

muß  so  in  Gedanken  versunken  gewesen  sein,  daß  ich  ihre Rückkehr nicht bemerkt habe. »Du mußt etwas tun, Atlan.« Ihre Augen blicken mich verlangend 

an. »Sie warten auf eine Entscheidung«,  fährt sie  fort. »Die Vulnurer 

sind verunsichert. Und den Solanern, die dir freiwillig gefolgt sind, ergeht es kaum anders. Die vielen Toten haben …« Ich hebe eine Hand und lausche. Tyari schweigt sofort. »Es wird alles seinen richtigen Weg gehen.« Ich komme mir schon 

jetzt vor wie das Orakel von Krandhor. »Keine Sorge, Liebste.« Ihre Augen  leuchten, als sie meine Zuversicht spürt und begierig 

in sich aufnimmt. »Paß auf!« Ich lächle. Sie tritt an meine Seite und hakt einen Arm unter. »Wir gehen in die Zentrale und sagen, was geschehen soll, ja?« 

Page 30: Das Ende der Macht

»Nein!«  Ich  lächle  noch  immer  und  drücke  ihr  einen  flüchtigen Kuß auf die Wange. »Paß auf!« Ich löse mich von ihr und sage laut und deutlich: »Parzelle! Ich will, daß du sofort hier bist und daß du nicht mehr 

von meiner Seite weichst, bis alles erfüllt ist!« »Par …«,  kommt  es  über  Tyaris  Lippen.  Sie  bricht  ab,  als  der 

Unscheinbare zu ihr aufblickt. »Na,  endlich!«  spricht  der Ableger  der  Lichtquelle.  Er wirft mir 

einen hoffnungsvollen, aber auch von Vorhaltungen geprägten Blick zu. »Ich dachte schon, die Wasser der ewigen Zeiten hätten deinen Verstand weggespült.« »Ich kann seine Gedanken nicht lesen«, merkt Tyari an. Ich  mache  eine  Handbewegung,  die  diese  Feststellung  zur 

Bedeutungslosigkeit  degradiert.  »Er  hat  einen  Mund.  Er  kann sprechen. Die Lichtquelle hat mir nicht gesagt, was geschehen soll. Sprich du, Parzelle!« »Wir brauchen dich, Atlan.« Parzelles Worte sind sehr leise. »Wir 

können  nicht  planen  und  agieren.  Du  kannst  es.  Du  sollst  die Schaltstelle im weiteren Geschehen sein. Du sollst die Informationen sammeln und dann entscheiden. Ich kann es nicht. Termentier kann es nicht. Du wirst gebraucht.« Ich bin etwas betreten. Man bürdet mir etwas auf, das über meine 

Kräfte geht. »Wenn  du  nicht«,  sagt  Parzelle,  und  das  klingt  fast  ein  bißchen 

traurig, »wer dann?« »Die  Entscheidungen  sind mir  überlassen?«  frage  ich  und  neige 

meinen Kopf zu dem kleinen Geschöpf hinab. »Ja!« spricht die Parzelle. »Ja!« Ich helfe dir, meldet sich der Extrasinn. Mein Gehirn ist befreit. Ich sehe, was ich zu tun habe. Die Zweifel, 

ob ich es schaffen werde, bleiben. Sie werden immer bleiben. Mein Blick fällt auf den fahrbaren Tisch mit den zweiundzwanzig 

Ampullen des Nockemann‐Erbes.  Ich  gehe darauf  zu, nehme  eine 

Page 31: Das Ende der Macht

Ampulle, setzte eine der Infilter auf, die daneben in einem Körbchen liegen und jage mir die farblose Flüssigkeit in den linken Oberarm. »Hoffentlich«,  ich  grinse,  »hoffentlich  kapiert  der  Zellaktivator, 

daß er dieses Zeug nicht zu neutralisieren braucht.« Als  ich die Ampulle auf den Tisch  lege, sagt Parzelle, daß er auf 

derartige Hilfsmittel nicht angewiesen sei. Und Tyari legt ihre leere Ampulle neben meine. »Nun«, lächelt sie mich an, »mußt du noch zwanzig weitere Helfer 

suchen. Einen hast du in mir. Einen in Parzelle.« »Du suchst sie.« Ich tippe  ihr mit einem Finger  in die Hüfte. »Ich 

muß etwas nachdenken.« Sie nickt, klopft mir auf die Schulter und geht. »Zufrieden?« Ich blicke Parzelle an. »Ich  bin  immer  zufrieden«,  antwortete  der Durchsichtige.  »Weil 

ich nicht weiß, wie es ist, wenn man unzufrieden ist.« Ich bin zufrieden, meldet sich der Extrasinn. Weil es jetzt wieder einen logischen  Grund  dafür  gibt.  Dennoch  ist  Zufriedenheit  ein  irrationaler Begriff. »Idiot!«  sage  ich  laut,  taste mir  einen  abscheulichen  Kaffee  aus 

dem  Automaten,  trinke  den  Becher  in  einem  Zug  leer,  packe Parzelle an einer Hand und mache mich auf den Weg in die Zentrale der Futurboje.   

4.  Die  Bildfunkverbindungen  waren  geschaltet.  Auf  der  GESTERN, der HEUTE und der MORGEN würde man mich so gut sehen und hören wie auf der MJAILAM und der FARTULOON oder innerhalb der  Futurboje.  Mein  Plan  stand  fest.  Die  Lichtquelle  hatte  sich zurückgezogen.  Ich  vertraute  darauf,  daß  sie  sich wieder melden würde, wenn ich die richtigen Maßnahmen eingeleitet hatte. Was  die  richtigen  Maßnahmen  waren,  wußte  ich  nicht,  aber 

Page 32: Das Ende der Macht

darüber  empfand  ich  keine  Unsicherheit  mehr.  Unverständliche Wesen  wie  die  Parzelle  oder  seine  Lichtquelle  und  deren Schöpfergeister  hatten  mir  Vertrauen  entgegengebracht.  Perry Rhodan  hatte mir  vertraut,  und  hatte  dieses  Vertrauen  erwidert. Girgeltjoff,  der  junge  Geknechtete  aus  dem  Volk  der  Ysteronen, hatte mir  vertraut. Und  er war  auch nicht  enttäuscht worden.  Ich war  ein  Typ,  der  dann  über  sich  selbst  hinauswuchs, wenn  ihm Vertrauen geschenkt wurde. Die  Lichtquelle  vertraute mir. Und  Parzelle,  und  eine Handvoll 

Solaner. Und viele oder gar alle Vulnurer. Es kam auf meine Worte an. Ich trat auf die Aufnahmeeinrichtung der Futurboje zu. »Hast  du  mir  nichts  anderes  zu  sagen?«  fragte  der 

Zentralcomputer vorsichtig. »Oder etwas zu fragen?« »Weißt du, wo die Lichtquelle ist?« »Ja, sie ist nah.« »Dann laß mich jetzt handeln.« Der Zentralcomputer schwieg.  Ich  trat vor die Optik. Zeit, meine 

Worte vorzubereiten, hatte ich nicht gehabt. Aber ich wußte, was ich sagen mußte. Tyari  gab  mir  ein  Zeichen.  Es  drückte  Zuversicht  aus.  Es 

beinhaltete  aber  auch,  daß  sie  die  restlichen  zwanzig  Mann zusammengetrommelt hatte, die uns begleiten würden. Begleiten – in die Hölle Zyrton! Neben ihr stand mit unbewegter Miene Insider. Hinter den beiden 

bildete sich eine Gruppe, die alle noch lebenden Mitglieder des alten Atlan‐Teams  umfaßten,  acht  Vulnurer,  unter  denen  ich  auch  die Atiq‐Drillinge  erkannte  und  ein  paar  Solaner.  Es  gab  noch Menschen, die auf mich zählten und mir vertrauten. Die SOL mit ihren hunderttausend Seelen war weit weg. Sie stand 

jenseits  der  Namenlosen  Zone,  die  in  ihrer  widerwärtigen Fremdartigkeit für mich vertraut geworden war. »Freunde,  Solaner,  Vulnurer«,  sprach  ich.  »Man muß  einsehen, 

Page 33: Das Ende der Macht

wenn man  sich  an  etwas  gewagt hat, das nicht  zu  bewältigen  ist. Wir  befinden  uns  in  einem  fremden  Raum,  der  ein  Teil  unseres Universums  ist  und  der  nach  unseren  Vorstellungen  gar  nicht existieren  dürfte,  in  der  Namenlosen  Zone,  die  durch  einen zufälligen  oder  unbegreiflichen Mechanismus  entstanden  ist,  und die von der Macht der Zyrtonier mißbraucht wird. Wir haben uns auf etwas eingelassen, das wir zu keinem Erfolg führen können. Ich habe  das  eingesehen.  Deshalb  ordne  ich  an,  daß  alle  Schiffe, insbesondere  die  der Vulnurer,  aber  auch  die MJAILAM  und  die FARTULOON, die Namenlose Zone  sofort verlassen. Die Grenzen sind brüchig. Der Durchbruch  in das heimatliche Universum  stellt mit Hilfe  der Kräfte  der  BRISBEE‐Kinder  kein  Problem  dar. Und noch etwas. Wir müssen uns von allem trennen, was etwas mit den hiesigen Geschehnissen zu  tun hat. Auch von Dingen, die aus der fernen Vergangenheit stammen. Damit meine ich die Futurboje. Sie wird in den Vulkan gejagt, der auf dem MO‐4‐Planeten Forsbot tobt. Wir geben auf und schenken uns damit die Ruhe, die wir brauchen. Die Futurboje  startet  sofort, die anderen Schiffe  sobald es möglich ist.  Die  Besatzung  der  Futurboje  wechselt  per  Transmitter  zur FARTULOON, einige zur MJAILAM und die hiesigen Vulnurer zur MORGEN. Gibt es noch Fragen?« Lichtquelle‐Jacta meldete sich. »Zur MORGEN?« »Ja, zur MORGEN«, gab ich zur Antwort. »Verstanden.«  Ihre Fühler signalisierten Einverständnis.  Ich hatte 

gute  Freunde,  denen  man  auch  etwas  durch  die  Blume  sagen konnte. »Start!«  brüllte  ich  Bjo  Breiskoll  an,  der  vor  den Kontrollen  der 

Futurboje saß. »Und dann alles in die Transmitter!« Gute Jacta! Ich lachte innerlich. War das Schicksal der Vulnurer nicht schlimmer und unheilvoller 

als das der Arkoniden oder das der Terraner? Es war es! Und keiner zwischen  den  endlosen  Grenzen  des  Kosmos  kümmerte  sich  um 

Page 34: Das Ende der Macht

dieses Völkchen. Dort standen dreizehn Vulnurer. Bei ihnen würde das Nockemann‐Erbe ganz sicher wirken. Bei den Solanern und meinen Freunden des Teams auch. Sie waren alle da, sogar Joscan Hellmut, den wohl die Sehnsucht  nach  SENECA  plagte.  Es  war  wahnsinnig,  mit zweiundzwanzig Mann gegen die Macht der Zyrtonier angehen zu wollen. Narr!  sagte  der  Extrasinn. Du  hast  auch  noch  Termentier‐Parzelle‐Lichtquelle. »Blödel  hätte  jetzt  gesagt«,  gab  ich  ihm  laut  zur Antwort,  »das 

reimt sich fast.« »Die Übergangsdaten?« meldete sich die MJAILAM. »Sie  folgen«,  gab  ich  zur  Antwort.  »Auch  die 

Justierungsanweisungen  für  die  Transmitter  werden  jetzt übertragen.« Mit  »Übergangsdaten«  war  der  Ort  gemeint,  an  dem  die 

Namenlose  Zone  verlassen  werden  sollte.  Die  Daten  waren vorbereitet worden.  Ich konnte mich  auf Tyari und das Team der »22«  verlassen.  Es  waren  »22«,  denn  Parzelle  brauchte  keine Ampulle, und er würde nach dem Willen der Lichtquelle nicht mehr von meiner Seite weichen. Der Zentralcomputer der Futurboje setzte den Datenstrom mit den 

Koordinaten der Übergangsstelle  in das heimatliche Universum ab. Es dauerte keine  fünf Minuten, da war die Futurboje  leer – bis auf die ZWEIUNDZWANZIG und die Parzelle, die treu an meiner Seite blieb und mich aufmunternd anlächelte. Mit  einem Höllenspektakel  an  Energien  verschwanden  die  drei 

Generationenschiffe der Vulnurer aus der Nähe von Tabuland. Die MJAILAM  flog  voran,  und  die  FARTULOON  bildete  den  Schluß. Die  Futurboje  aber  raste  ohne Energien, die  anmeßbar waren,  auf Forsbot  zu  und  stürmte mit wilder Gewalt dem  tosenden Vulkan entgegen. An  Bord  waren  noch  zweiundzwanzig  Seelen.  Oder 

Page 35: Das Ende der Macht

dreiundzwanzig?  Ich wußte  nicht,  ob  Parzelle  das  hatte, was  ich eine Seele nannte. Aber er war da. »Ich  werfe  eine  Bombe«,  teilte  mir  der  Zentralcomputer  der 

Futurboje mit.  »Einverstanden,  Schaltstelle Atlan? Damit  kann  ich das  Energiespektakel  der  Vulnurer  und  Solaner  noch  mehr überdecken, so daß niemand merkt, daß bei mir noch Leben an Bord ist. Und daß ich noch da bin.« Sie arbeiteten alle mit.  Ich gab das Einverständnis, aber  ich wies 

darauf hin, daß kein Schaden für die Forsboter entstehen durfte. »Entsteht nicht«, behauptete der Zentralcomputer. Ich sagte nichts mehr. In  einem  Kode,  den  auch  die  Zyrtonier  nicht  innerhalb  von  24 

Terrastunden knacken würden, empfing ich eine Botschaft: »Die BRISBEE‐Kinder bringen uns zurück. Sie tun das, weil sie dir 

vertrauen. Du wirst ihre Heimat in unser aller Universum schaffen.« Ich  dachte  an  Chybrain,  den Gefangenen  der  Zyrtonier,  an  das 

Wesen,  das  die  Koordinaten  von  Varnhagher‐Ghynnst  besaß.  Es zeichnete sich aber auch ab, daß die erste Phase meines Planes nicht schlecht war. Sie  waren  weg.  Alle!  Die  Vulnurer,  ihre  drei  Schiffe.  Und  die 

MJAILAM  und  die  FARTULOON.  Die  Ortungsergebnisse  der Zyrtonier  würden  ausweisen,  daß  sich  die  Futurboje  vernichtet hatte. Die Wahrheit, die die Zyrtonier nie erfahren durften, war, daß ich 

ihre  Macht  zerbrechen  wollte.  Mein  Tief  und  die  sich  daraus ergebenden  Elemente  der  Besinnung  hatten  mich  auf  den  Weg gebracht, mit dem ich zufrieden sein konnte. Das  glühende  Magma  des  Forsbotvulkans  war  auf  den 

Bildschirmen zu sehen. Auf  Terra würde  bald  kein Hahn mehr  nach mir  krähen.  Und 

doch wußte  ich  genau,  daß  ich  auch  jetzt  noch  für  das Wohl  der Terraner tätig war. Hatte ich eine Chance? 

Page 36: Das Ende der Macht

Parzelles Händchen,  das  sich  auf meinen Unterarm  legte,  sagte »Ja.« Ich fühlte weitere Zuversicht. Die Magma‐Dämpfe  hüllten  die  Futurboje  ein,  und  das Magma 

selbst gab uns einen guten Schutz. Die Bombe der Futurboje hatte ein übriges getan. Sie hatte eine Selbstzerstörung simuliert, auf die auch die Zyrtonier hereinfallen würden. Mein  Plan  war  klar.  Ich  würde  der  Herausforderung  nicht 

ausweichen.  Ich  wollte  die  Entscheidung,  und  ich  hoffte,  daß Chybrains Visionen der Wahrheit entsprachen. Ich würde die Macht der  Zyrtonier  nicht  brechen  können.  Ich  war  aber  nicht  allein. Zusammen würden wir es doch schaffen können, wenn … Kein Wenn, parierte der Extrasinn meine Gedanken. ,Sonst hast du nichts zu sagen?ʹ fragte ich lautlos zurück. Der Extrasinn schwieg. Und Parzelle sagte: »Ja, du hast  eine Chance. Die Lichtquelle glaubt nicht daran.  Im 

übrigen,  Atlan,  es  geht  nicht  um  dich.  Es  geht  um  Völker.  Und letztendlich  auch  um Arkon  und  Terra. Wenn  die  Zyrtonier  ihre aggressionsgeladenen Völker in deine Heimat entlassen, dann …« »Bitte sei ruhig!« Die Lichtquelle meldete sich erneut.  Ich vernahm zunächst einen 

allgemeinen Gedankenstrom, der Freude ausdrückte. Dann  folgten klare Worte. An Parzelles Verhalten erkannte ich, daß auch er diese Botschaft empfing. Du hast schnell reagiert, Atlan. Das erfüllt mich mit neuem Vertrauen. Dein Plan ist gut. Jacta hat ihn verstanden. Und meine Parzelle ist wieder da. Auch das ist gut. Wenn du den Vorstoß nach Zyrton wagen willst, laß es  meinen  Abkömmling  wissen.  Seine  Gedanken  sind  mir  nun  wieder allgegenwärtig. Und nun wundere dich nicht. Parzelle muß noch  einmal für  kurze  Zeit  zu  mir.  Er  wird  nicht  mit  leeren  Händen  zu  dir zurückkehren. Mein  kleiner Begleiter  setzte  eine  fragende Miene  auf. Er  schien 

auch nicht zu wissen, was die Lichtquelle von ihm wollte. Parzelle löste sich vor meinen Augen auf. 

Page 37: Das Ende der Macht

Auf den Bildschirmen war das Magma des  Forsbotvulkans  zum Stillstand gekommen. Das bedeutete, daß der Zentralcomputer die Futurboje angehalten hatte. Ich erkundigte mich nach dem Grund. »Unser  Versteck  ist  nicht  schlecht«,  meinte  der  Automat.  »Ich 

schlage dennoch vor, es zu verlassen. Meine Einrichtungen  in den geheimen Sektionen erlauben es mir, die kurze Entfernung bis zur Sonne von MO‐4 unbemerkt zu überwinden. Die Zyrtonier werden nichts  merken,  und  die  Sonne  ist  ein  besserer  Schutz  als  dieser Planet. Außerdem wird uns von dort der Vorstoß ins Zyrton‐System gelingen.« »Das verstehe ich nicht«, gab ich zu. »Warte  auf  die  Hilfe  der  Lichtquelle  und  auf  die  Rückkehr 

Parzelles. Genau weiß auch  ich nicht, was meine Schöpfer planen. Die Entscheidung liegt auf jeden Fall allein bei dir.« Ich beriet mich mit meinen Freunden. Da es keinen Grund gab, an 

den Worten der Futurboje zu zweifeln, willigte ich ein. Ein  neues  Gespräch  erklang  in  dem  seltsamen  Raumschiff,  das 

offensichtlich mehr konnte als nur von unserem Universum  in die Namenlose Zone zu wechseln. Die Umgebung verschwand. Nach meinen Eindrücken führten wir 

keinen Linearflug oder etwas Ähnliches durch. Mir schien es so, als ob die ganze Futurboje durch einen Transmitter ging, den sie in sich selbst besaß oder erzeugte. »Neue  Position  eingenommen«,  meldete  der  Zentralcomputer 

keine Minute später. »Wir stehen in der Korona der MO‐4‐Sonne auf der Tabuland zugewandten Seite.« Lange  brauchte  ich  nicht  zu  warten.  Als  die  Lichtquelle  sich 

wieder meldete, spürte ich förmlich ihre Begeisterung. »Du  hast  einen  guten  Platz  gewählt«,  lobte  sie  mich.  »Mein 

Ableger wird  bald wieder  zu  dir  stoßen. Die  Zeit  bis  zu  diesem Ereignis werde ich nutzen, um dich über ein paar Zusammenhänge zu  informieren, die du nur bruchstückhaft kennst.  Spürst du, daß ich dir nahe bin?« 

Page 38: Das Ende der Macht

Ich gab meine Zustimmung schweigend, denn ich merkte, daß die Quelle der Jenseitsmaterie meine Gedanken genau verfolgen konnte. Ihre Stimme war real in mir und um mich herum. »Du hast richtig gehandelt, Atlan«,  fuhr die Lichtquelle  fort. »Du 

und  deine  Freunde,  die  ein  gewaltiges Opfer  gebracht  haben,  ihr habt nichts umsonst getan. Der Tod deiner Helfer war nicht sinnlos. Ich  spüre das. Auf den  Planeten des Zyrton‐Systems  beginnt  sich etwas  zu  verändern.  Ich  kann  nicht  sagen,  was  es  ist,  denn  ich nehme  nur  das Ungleichgewicht  der Kräfte wahr.  Es  könnte  aber sein,  daß  der  Bio‐Plan  deiner  umgekommenen  Freunde  das Zünglein an der Waage wird. Noch ist alles unsicher und offen. Ich halte es für unbedingt erforderlich, daß du direkt eingreifst. Die Zeit ist reif.« »Das Risiko  ist  unabwägbar«,  antwortete  ich  laut.  »Ich  bin  hier, 

um  in  den  Besitz  der  Koordinaten  von  Varnhagher‐Ghynnst  zu gelangen,  die  allein  Chybrain  kennt.  Ich  bin  nicht  hier,  um  dem Geschehen der Namenlosen Zone eine Wende geben zu wollen.« »Ich  weiß,  Arkonide.«  Die  Lichtquelle  lachte.  »Aber  ich  kenne 

dich. Du wirst der Herausforderung dennoch nicht ausweichen. Du weißt, daß dein Versagen nicht nur meinen Tod bedeuten würde, sondern auch den von Milliarden anderer Lebewesen.« »Das  ist eine Hypothese, Lichtquelle. Außerdem hatte  ich dich so 

verstanden, daß du mir Informationen liefern wolltest.« »Was willst du wissen?« »Wer oder was bist du wirklich?« Es dauerte ein paar Sekunden, bis die Antwort kam. »Ich  bin  ein  sterbliches Gebilde.  Zu  einem  Teil  bestehe  ich  aus 

einer  einmaligen Maschine, die  in der Lage  ist,  Jenseitsmaterie  zu produzieren. Zum anderen habe ich das, was du eine Seele nennen würdest.  Es  ist  der  Rest  der  Bewußtseinsinhalte meiner  Schöpfer, die ein paar Zyrtonier und ein paar Vulnurer waren. Dazu hat sich ein eigenes Bewußtsein entwickelt, das jetzt zu dir spricht. Du weißt längst,  daß  Vulnurer  und  Zyrtonier  ein  Volk  sind.  Vulnurische 

Page 39: Das Ende der Macht

Wissenschaftler haben vor etwa 50.000  Jahren deiner Zeitrechnung begonnen,  ein  neues,  ein  besseres Volk  aus  sich  selbst  heraus  zu schaffen. Man manipulierte die eigenen Gene. Das Ergebnis waren die Zyrtonier. Etwas funktionierte jedoch nicht richtig. Die Zyrtonier wandten  sich  gegen  ihre  Schöpfer. Und da  sie  stärker und  klüger waren, mußten  die  Vulnurer  fliehen.  Ein  paar  besonnene  Frauen und Männer schufen in dieser chaotischen Zeit mich, die Futurboje, die GESTERN, die HEUTE und die MORGEN. Dann gingen meine Schöpfer  in  mir  auf.  Die Weichen  hatten  sich  gestellt,  aber  was geschehen  würde,  wußten  sie  nur  andeutungsweise.  Die  Hohen Mächte  von  jenseits  der  Materiequellen  müssen  zu  dieser  Zeit eingegriffen  haben,  denn  anders  ist  die  wohl  auch  einmalige Entstehung der Namenlosen Zone nicht denkbar. Aber die Zyrtonier meisterten auch diese Abkapslung und machten sich die Völker, die sich in diesem Raumgebiet sammeln mußten, auf eine merkwürdige Art Untertan. Sie erfanden künstliche Schockfronten, die sie vor den vielen  aggressiven Völkern  schützten, gleichzeitig  aber deren Wut anstauten. Diese Wut soll nach dem Willen der Zyrtonier eines nicht mehr fernen Tages auf das wirkliche Universum losgelassen werden –  als  Wegbereiter  für  eine  alles  umfassende  Herrschaft  der Zyrtonier. Auch das weißt du bereits.« »Weiter!« drängte ich. »Die Hoffnungen der Rechtschaffenen  ruhten  auf mir.  Ich  besaß 

seit jeher die Kraft, positive Reste zu sammeln und zu vereinen. Ich war  der  Emulator,  der  Bewahrer  der  friedlichen Ordnung. Durch mein indirektes Einwirken entstanden in der Namenlosen Zone die Emulatoren  der Völker,  von  denen  du  einige  kennengelernt  hast. Emulatoren sind etwas Unnatürliches, aber eine andere Möglichkeit gegen  die Macht  der  Zyrtonier  besaß  ich  nie. Du magst mich  als einen Computer  bezeichnen. Oder  als  einen Cyborg. Aber  ich  bin keins  von  beiden,  obwohl  ich  von  beiden  etwas  habe.  Meine Schöpfer und ich wollen die Macht der Zyrtonier brechen, aber ohne die  Vulnurer  und  ohne  dich  schaffen wir  das  nicht. Meine  Basis 

Page 40: Das Ende der Macht

wurde  zerstört.  Sie  sollte  im  Entscheidungskampf  die Waffe  der Ordnung sein. Der Plan mit der Spontan‐Mutation kann trotz seiner ausgeklügelten Findigkeit nicht allein zum Erfolg  führen.  Ich bitte dich daher, uns zu helfen.« Meine  Antwort  stand  längst  fest,  aber  ich  wollte  das  Gehörte 

überdenken. Die Erklärungen der Lichtquelle waren die Geschichte eines gewaltigen Frevels, den die Vorfahren der heutigen Vulnurer begangen hatten. Sie waren auch die Geschichte  eines kosmischen Dramas von gewaltigen Ausmaßen,  in das viele Völker verwickelt waren. Mir erschien es zu unwahrscheinlich, daß  ich und ein paar Freunde den entscheidenden Schlag führen konnten. »Ich bin wieder da.« Neben  mir  stand  Parzelle.  Er  hielt  vier  faustgroße  Brocken 

Jenseitsmaterie in seinen kleinen Händen. »Termentier  hat  sie  auf  deinen Willen  ausgerichtet«,  erklärte  er 

schüchtern.  Die  unregelmäßigen,  in  roten  und  grünen  Farben leuchtenden Stücke schwebten durch die Luft und hefteten sich an meinen Gürtel. Dort veränderten sie  ihre Farbe zu einem stumpfen Grau. »Ich bin in deiner Nähe«, hörte ich die Lichtquelle. »Wenn du nach 

Zyrton fliegst, werde ich bei dir sein. Wie lautet deine Entscheidung, Atlan?« Ich wog einen Brocken Jenseitsmaterie in der rechten Hand. Dieses 

Stück fühlte sich leichter an als jener Stoff, den Hidden‐X produziert hatte. »Du kennst meine Gedanken, Lichtquelle« sagte ich. »Also kennst 

du meine Entscheidung.« »Ich will sie hören, damit auch Termentier sie erfährt.« »Wir fliegen nach Zyrton. Wir fliegen in die Hölle!«   

5.  

Page 41: Das Ende der Macht

Ich  schreite  nachdenklich  in  meiner  Privatkammer  auf  und  ab, beobachte  die  Bildschirme  und  die  Aktivitäten  meiner  Roboter. Dabei  versuche  ich,  Klarheit  über  die  jüngsten  Geschehnisse  zu gewinnen. Mein  Verstand  arbeitet  in  der  bewährten Weise  eines Tatsächlich‐Unsterblichen,  schöpft  aus  den  Erfahrungen  von Abermilliarden  Atemzügen  und  den  Kenntnissen  der  Geschichte meines Volkes. Es  gibt  eine  Reihe  von  erfreulichen  Punkten  zu  vermerken. Die 

Basis  der  Lichtquelle  wurde  jüngst  gefunden  und  zerstört.  Die Quelle selbst, in der wohl noch ein paar Fragmente meiner früheren Freunde und Mitstreiter existieren, ist nur noch ein Torso. Sie kann nicht mehr wirklich gefährlich werden. Und damit ist eigentlich die Gefahr  ausgeschaltet,  die  mich  bislang  zögern  ließ,  die Schockfronten der Namenlosen Zone und diese selbst aufzulösen. Ich räume ein, daß mir die letzte Gewißheit über das Schicksal der 

Lichtquelle noch fehlt. Die wenigen Vulnurer haben die Namenlose Zone verlassen. Mein 

Ultimatum  hat  gewirkt.  Und mit  ihnen  sind  jene merkwürdigen Zweibeiner verschwunden, die sich ohne Grund und Berechtigung in  meine  Angelegenheiten  gemischt  haben.  Vor  allem  die Aktivitäten dieses Atlan haben mich eine Zeitlang beunruhigt. Jetzt ist das vorbei. Ich gehe hinüber  zu der durchsichtigen Energiewand und werfe 

einen  Blick  auf  das  Wesen  Chybrain.  Der  kümmerliche  Haufen Metall lebt noch. Die Anzeigen bestätigen das. Aber handeln kann er nicht mehr. Er  ist mein Faustpfand, wenn  es die Lichtquelle doch noch  einmal  wagen  sollte,  etwas  gegen  meine  Macht  zu unternehmen. Oben im Zentralpalast tagen die 1000 Pagen. Auch ihre Gespräche 

verfolge  ich.  Die  umgekommenen  Pagen  wurden  durch  neue Bevollmächtigte  ersetzte  Ich  bedaure  den  Tod  Objounts  (4‐Page) nicht.  Er war  tapfer,  aber  er  hat  versagt. Versager  kann  ich  nicht gebrauchen. 

Page 42: Das Ende der Macht

Über meine Existenz wird  nun  offen  gesprochen.  Früher  ist das einmal anders gewesen. Da hatten nur wenige Pagen mit niedrigen Nummern gewußt, daß noch jemand über allem steht. Die jüngsten Ereignisse  hatten  mein  direktes  Eingreifen  mehrfach  erforderlich gemacht. Meine Existenz ist nun allen Pagen bekannt. Das schadet mir nicht. 

Ich  sehe  an  ihrem  Verhalten,  daß  sie  voller  Ehrfurcht  von  mir sprechen. Sie vertrauen mir – und das mit Recht. Und sie sind willig zu gehorchen – so, wie es sich gehört. Sie wissen, daß  ich mit Chybrain  einen wichtigen Pfand besitze. 

Sie wissen, daß 666‐Page Katzulla ein Verräter gewesen ist und daß ich  ihm Chybrain abgenommen habe. Sie  starren andächtig an die Decke  der  Versammlungshalle,  wenn  sie  von  mir  sprechen.  Sie wissen nicht, daß  ich  tief unter  ihnen  in meiner Kammer  alle  ihre Bewegungen  und  Worte  verfolge,  aber  sie  halten  mich  für allgegenwärtig. Das bin ich auch. Die  Schockfronten draußen  in der Namenlosen Zone  sind  etwas 

brüchig  geworden,  eine  Folge  der  vorübergehenden Anwesenheit der  Vulnurer.  Nun  habe  ich  sie  zum  Abzug  gezwungen.  Die Grenzen werden sich wieder stabilisieren. Der  Angriff  meiner  Feinde  auf  das  Zyrton‐System  wurde 

abgeschlagen.  Ein  paar  Pagen  vermuten  noch  jetzt,  daß  diese sinnlose Attacke  ein  ganz  anderes Ziel  verfolgt  hat.  Ich  gehe  von meinen  unfehlbaren  Berechnungen  aus.  Diese  besagen,  daß  der Vorstoß allein der Befreiung Chybrains gedient hat. Ich  wende  mich  wieder  den  Gesprächen  meiner  Pagen  zu. 

Erstmals  wieder  seit  einer  Ewigkeit  sind  sie  alle  versammelt. Kleinere Räte arbeiten wirkungsvoller als der Gesamtrat. Es prallen zu viele Meinungen aufeinander. Und es gibt keine Beschlüsse. Ständig  laufen  Informationen  ein.  Etwas  Bedeutendes  scheint 

nicht  darunter  zu  sein.  An  einigen  Stellen  soll  es  zu Befehlsverweigerungen  gekommen  sein.  837‐Page  nimmt  sich  des Problems an. Die Diskussionen branden wieder auf. Das führt dazu, 

Page 43: Das Ende der Macht

daß  nun  doch  Einzelräte  gebildet werden. Meine  Pagen  besinnen sich auf die alten Regeln. Ich nehme etwas Honig zu mir, aber das  ist nur eine Geste. Mein 

Körper braucht keine Nahrung. Er altert nicht, auch wenn  ihm alle normalerweise zuzuführenden Stoffe verweigert werden.  Ich  lache innerlich  bei  diesen  Gedanken.  Was  sind  das  doch  alles  für kümmerliche  Kreaturen!  Diese  Pagen!  Oder  die  »normalen« Zyrtonier!  Und  häßlich  sind  sie.  Und  sterblich.  Oder  erst  die heutigen Vulnurer. Sie träumen von einer Zukunft ohne Macht und Gewalt. Sie stellen eine echte Fehlentwicklung dar. Sie haben keine Zukunft, denn meine Macht wird sie alle von der kosmischen Bühne fegen. Auch die Solaner haben keine Zukunft. Wenn die Schranken der  Namenlosen  Zone  fallen,  werden  sie  unter  den  ersten Lebewesen  sein,  die  den  Tod  finden.  Ihre  Neugier  muß  bestraft werden. Ich taste mich mit meinem Übersinn hinaus aus meiner Heimstatt 

und  fort  von  Zyrton.  Zuerst  besuche  ich  Persijigg,  um  von  der dortigen  Kontrollstation  Näheres  über  die  Verhältnisse  auf  dem Planeten zu erfahren. Auch in dieser Kontrollstelle steckt ein kleiner Teil meines Egos, so wie auf allen Planeten des Zyrton‐Systems. Das Bewußtseinsfragment erwacht und gibt seine Erkenntnisse an 

mich  weiter.  Hier  herrscht  eine  trügerische  Ruhe.  Ich  bleibe vorsichtig. Bahnt  sich wirklich etwas an, was  ich übersehen haben sollte?  67‐Page mit  seinem  neuen  Unterrat  behauptet  das  gerade wieder. Ich berühre mit dem Übersinn die wichtigsten Ego‐Fragmente auf 

den äußeren Planeten, wo die verborgenen Anlagen die Struktur der Namenlosen  Zone  erhalten,  die  Schockfronten  steuern  und  nun wieder  verstärken.  Es  ist  alles  in  Ordnung.  Hier  draußen  kann nichts  passieren, was mir  verborgen  bleibt.  Selbst wenn  ein  paar Zyrtonier  durchdrehen  würden,  so  bestünde  keine  Gefahr.  Die gewaltigen  Maschinen,  die  ich  mit  meinen  längst  verstorbenen Freunden  in  der  fernen  Vergangenheit  gebaut  habe,  arbeiten  auf 

Page 44: Das Ende der Macht

rein robotischer Basis. Und in jeder wichtigen Einrichtung steckt ein Fragment meines Egos. Ich bin allgegenwärtig im Zyrton‐System! Ich zucke zusammen, als Panik unter der Hauptversammlung der 

Pagen ausbricht. Auch die Nebengeräte werden davon angesteckt. Ich  breche  die  Kontrollen  ab,  zumal  ich  nichts  Verdächtiges 

feststellen kann. Dann wende ich mich dem Rat zu. Alle eintausend Pagen versammeln sich wieder in der großen Halle; Sie rufen mich. »Null‐Page! Hilf! Sie kommen wieder!«   

*  Ich  legte  den  Unsichtbarkeitsschirm  an  und  begab  mich  per Transmitter  direkt  in  die  Versammlungshalle.  Hier  herrschte  ein unbeschreibliches  Durcheinander.  Alles  brüllte  durcheinander. Einige  Pagen  hoben  ihre  Liegeschalen  hoch  und  schleuderten  sie durch die Luft, um damit ihrem Unmut oder ihrer Angst Ausdruck zu geben. Über die Leiter hinter dem Podium kletterte  ich auf die  schmale 

Empore, wo die geheimen  Installationen untergebracht waren. Auf dem Weg beobachtete ich die beiden übergroßen Bildschirme an der Rückwand des Saales. Die Unruhe war durch ein Raumschiff ausgelöst worden, das den 

undurchdringlichen Wall überwunden hatte. Ein ähnliches Ereignis war  vor  wenigen  Tagen  geschehen.  Da  hatten  wir  uns  täuschen lassen, weil es sich scheinbar bei der LUNGARETTE um ein eigenes Schiff gehandelt hatte. Erst später hatten meine Pagen bemerkt, daß es  von  einer  fremden  Besatzung  unter  dem  Verräter  Katzulla gelenkt wurde. Uns  war  noch  nicht  ganz  klar,  wie  unsere  Feinde  einen  Weg 

gefunden  hatten,  den  Kode  des  unüberwindlichen  Walles  zu brechen. Mir war  jedoch klar, daß das, was einmal geschehen war, sich jederzeit wiederholen konnte. 

Page 45: Das Ende der Macht

Auf  die  Pagen  wirkte  das  Auftauchen  des  neuen  Raumschiffs weniger durch die eventuelle Gefahr, die es darstellte. Die Tatsache allein,  daß  es  sich  Zyrton  näherte,  löste  einen  Schock  aus.  Und dieser Schock trieb die Ratsmitglieder zu unkontrolliertem Handeln. Ich blieb gelassen, denn es würde mir schnell gelingen, die Fäden 

in die Hand zu nehmen und das Geschehen in die richtigen Bahnen zu lenken. Was mich etwas berührte, war die Tatsache, daß  ich dieses Schiff 

sofort erkannte. Nach den Berichten aus dem MO‐4‐System hatte ich heftige  Zweifel  gehabt,  daß  es  die  Futurboje  wirklich  noch  gab. Schließlich  hatte  ich  vor  einer  Ewigkeit  die  Pläne  zu  ihrem  Bau entworfen und selbst miterlebt, wie mit der Fertigstellung begonnen worden war. Dann  hatten  die Verräter  der  Termentier‐Clique  die Futurboje  –  unfertig, wie  sie  es  damals  gewesen war  –  und  dazu mehrere  andere  Großraumschiffe  entführt  und  sich  gegen  mich gestellt. Gegen  mich  und  meine  Getreuen,  verbesserte  ich  diesen 

Gedanken. Aber die zählten heute nicht mehr, denn die Macht  lag allein  in meinen Händen. Die Getreuen waren umgekommen, wie ich es gewollt hatte. Ich kroch vor die Aufnahmeanlage und aktivierte die Systeme. »Ruhe!« brülle  ich dann. »Null‐Page  ist hier und spricht zu euch. 

Jeder begibt sich in seine Liegeschale und schweigt!« Meine  Stimme drang von  allen  Seiten  auf die  tausend Zyrtonier 

ein.  Sie  verharrten  kurz,  starrten  sich  an und  führten dann meine Anweisung aus. »Seit  wann«,  fuhr  ich  fort,  »hat  der  mächtige  Gesamtrat  von 

Zyrton Angst vor einem einzigen Raumschiff?« »Es  hat  den Wall  unversehrt  durchstoßen«, meldete  sich  voller 

Sorge  4‐Page  Kommede.  Ich  hatte  den  jungen  Zyrtonier  nicht  in dieses  Amt  berufen,  Nachfolger  von  Objount  zu  werden.  1‐Page hatte das getan. »4‐Page!«  donnerte  ich  über  die  Übertragungsanlage.  »Du  bist 

Page 46: Das Ende der Macht

deines Amtes  enthoben. Verlasse den  Saal und  lasse dich hier nie 

Page 47: Das Ende der Macht

mehr blicken! Verstanden?« Der  junge  Zyrtonier  eilte  aus  dem  Raum.  Ich  mußte  dieses 

Exempel statuieren, um meine Macht zu zeigen. »Ich  frage euch«,  fuhr  ich  fort, als  sich das Tor hinter Kommede 

geschlossen  hatte,  »wie  es möglich  ist,  daß  ein  Raumschiff  ohne unsere Einwilligung und ohne  eine Besatzung  aus Zyrtoniern den Wall durchstoßen kann.« Erwartungsgemäß schlug mir eisiges Schweigen entgegen. Keiner 

der Pagen, auch nicht die mit einer niedrigen Zahl, wagte es noch, etwas zu sagen. »Antwortet!« befahl ich eine Nuance schärfer. »Oder ich jage euch 

alle in die Vulkane von 01‐Way.« 33‐Page äußerte sich mit einem Zischlaut. »Sprich, 33!« »Es  sind  Fremde  an  Bord.  Sie  haben  den  Kode  durchbrochen«, 

meinte 33‐Page etwas kleinlaut. »Das  wäre  eine  Möglichkeit.  Du  hast  aber  vergessen,  daß  die 

Fremden abgezogen sind.« »Sie haben uns getäuscht und sind mit diesem Raumschiff  in der 

Nähe geblieben«, erklang es aus den hinteren Reihen bei den 800er Nummern. Ich identifizierte 817‐Page, der den Namen Neuser trug. »Auch  das  ist  möglich,  817‐Neuser.«  Sie  mußten  sehen  und 

erleben,  daß  ich  jeden  einzelnen  von  ihnen  kannte.  »Für  einen Abwasserwissenschaftler war  das  eine  brauchbare  Folgerung. Wo bleiben  die Meinungen  der  anderen?  Gibt  es  denn  keine  andere Möglichkeit?« Sie  waren  zu  betreten  und  verängstigt.  Ich  feuerte  aus  der 

Seitenbatterie  eine  Salve  ab,  die  krachend  in  die  Decke  schoß. Trümmer fielen herab. Schreie klangen auf. »Sind  eure  Gehirne  eingefroren?«  schrie  ich  scheinbar 

unbeherrscht.  In Wirklichkeit war  ich  die  innere  Ruhe  selbst.  Ich amüsierte  mich  sogar  über  diese  Tölpel.  Sie  waren  eben  nichts anderes als primitive Schöpfungen. 

Page 48: Das Ende der Macht

»Hat je einer von euch daran gedacht«, fuhr ich etwas ruhiger fort, »daß  dieses  Schiff  den  unüberwindlichen  Wall  nur  deswegen passierte, weil gar kein Lebewesen an Bord ist?« Sie starrten ungläubig drein, schwiegen aber weiterhin. »Hat  je von  euch  einer versucht herauszufinden, was  es mit der 

Futurboje auf sich hat? Muß euer Herr Null‐Page die Schmutzarbeit selbst erledigen?« 5‐Page streckte sich. Er winkte 121 und 127, die in der Reihe hinter 

ihm kauerten. »Du hast  recht, Null‐Page«,  rief er  laut. »Wir haben uns blenden 

und  schockieren  lassen.  An  die  Arbeit!  Das  fremde  Schiff  muß analysiert werden. Die Räte unter  194‐Page und  302‐Page machen sich  sofort  an  die  Arbeit.  Es  muß  Kontakt  zu  dem  Eindringling hergestellt werden.« Ich  antwortete  nichts,  denn  nun  begann  sich  das  normale 

Verhalten der Ratsmitglieder wieder durchzusetzen. Mehrere  Gruppen  strömten  in  die  angrenzenden  Räume,  wo 

diverse technische Anlagen untergebracht waren. Ich konzentrierte mich ganz auf den rechten Hauptbildschirm. Es 

war  zweifellos  die  Futurboje.  Sie  bewegte  sich  mit Unterlichtgeschwindigkeit  noch  außerhalb  der  äußersten Planetenbahn des Zyrton‐Systems. Eilig schien es dort niemand zu haben. »Es handelt  sich um das  gleiche  Schiff«, meldete  121‐Page,  »das 

mit  den  Fremden  in  MO‐4  operierte  und  das  beim  Abzug  des Feindes  auf  Forsbot  in  den  Vulkan  tauchte.  Es muß  sich  um  ein Täuschungsmanöver gehandelt haben.« »Keine  voreiligen  Schlüsse!«  warnte  ich.  »Wo  bleibt  die 

Kontaktaufnahme?« Darauf  bekam  ich  keine Antwort,  aber  7‐Page meldete  sich  aus 

seinem Domizil: »Ich schlage die sofortige Vernichtung dieses Raumschiffs vor. Wir 

sollten kein Risiko eingehen. Niemand hat etwas im Zyrton‐System 

Page 49: Das Ende der Macht

zu suchen. Außerdem haben die Fremden  ihr Wort gebrochen. Der Gefangene muß eliminiert werden.« Er  sprach  von  Chybrain.  Das  erinnerte mich  an  einen wunden 

Punkt.  Katzulla  war  es  gelungen,  dessen  Jenseitsmaterie  zu neutralisieren. Er war  auf diesem Gebiet  zweifellos  eine Kapazität gewesen. Seine Anlagen standen  jetzt unter meiner Kontrolle, aber ich beherrschte die Waffe gegen die Jenseitsmaterie nicht. Andererseits mußte  ich davon ausgehen, daß die Futurboje auch 

etwas von diesem verteufelten Stoff mit  sich  führte. Vielleicht war sie sogar zur Gänze damit überzogen. Dann würden unsere Flotten eine harte Nuß  zu knacken haben. Einem direkten Angriff konnte ich daher nicht  zustimmen. Der  Schock  für die Pagen wäre  sicher nicht  unerheblich,  wenn  sich  das  kleine  Schiff  allen  Attacken entziehen würde. Und noch eine Überlegung beschäftigte mich. Eigentlich war es von zwingender Logik, daß die Lichtquelle nicht 

mehr fern war, wenn die Futurboje in mein System eindrang. Es war zu  verlockend,  dieses  letzte  noch  wirklich  gefährliche  Objekt auszuschalten. Noch  besser wäre  es, wenn  ich das Geheimnis der Lichtquelle  entschlüsseln  könnte.  Ment,  einer  der  Planer  der Anfangszeit,  hatte  damals  die  Funktionstheorie  der  Quelle  der Jenseitsmaterie  entwickelt.  Ich  hatte  mich  mehr  mit  den biologischen  Manipulationen  befaßt,  aus  denen  die  Zyrtonier entstehen sollten und auch später entstanden. Ment  war  nach  der  Wende  mit  den  anderen  Verrätern 

verschwunden. Sie hatten die Lichtquelle gebaut, während ich mein Reich errichtete und mit den mittlerweile zahlreichen zyrtonischen Wissenschaftlern die Schockfronten nachbaute und Abwehrsysteme gegen die Jenseitsmaterie entwickelte. Ments Worte hatte ich  jedoch nicht vergessen. Er hatte behauptet, 

daß die Erschaffung  einer Quelle der  Jenseitsmaterie naturbedingt ein  unnachahmbarer Vorgang  sei. Mir  erschien  diese  Behauptung auch  jetzt  noch  unglaublich.  Jeder Vorgang  der Hyperphysik war 

Page 50: Das Ende der Macht

reproduzierbar.  Warum  sollte  es  mit  der  Lichtquelle  nicht  auch möglich sein? »Es gehört mehr dazu.« Ments Worte klangen mir noch heute  in 

den  Hörnerven.  »Der  Urschöpfer  muß  in  der  Quelle  aufgehen, damit sie entspringt. Das ist die Einmaligkeit.« Das Geheimnis der Lichtquelle zog mich plötzlich so stark an, daß 

mir die Futurboje fast bedeutungslos erschien. »414‐Page!«  rief  ich.  »Aktiviere  deinen  Arbeitskreis  und  deine 

Geräte.  Suche die Lichtquelle!  Ich habe berechtigten Grund,  sie  in unserer Nähe zu vermuten.« 414 und acht weitere der verbliebenen Pagen eilten aus der Halle. »Kontakt!« meldete  194‐Page  kurz  darauf.  »Ich  empfange  einen 

Datenstrom aus dem fremden Schiff.« »Es  ist  für  mich  kein  fremdes  Schiff,  194‐Omyrr.  Es  ist  die 

Futurboje, die deine Vorfahren gebaut haben«, warf ich scharf ein. »Meine Vorfahren?« 194‐Page war sichtlich verwirrt. »So  ist es. Ich kenne dieses Schiff besser als  jeder von euch, denn 

ich bin mehr als Null‐Page. Ich bin euer Schöpfer.«   

6.  »Noch acht Stunden«, sagte Joscan Hellmut zu mir. »Wenn Hages Plan wirklich Früchte trägt«, wiegelte Sternfeuer ab. »Wir  lassen  uns  Zeit«,  entgegnete  ich  und  verfolgte  die 

Kontrollanzeigen der Futurboje. Bjo Breiskoll fungierte als Pilot. Pilot,  das  war  eine  ungenaue  Bezeichnung,  denn  eigentlich 

steuerte sich die Futurboje selbst. Wir waren  fast  vollständig  in  der  Leitzentrale  versammelt. Nur 

Tyari  und  Insider  fehlten  von meinem  Team.  Sie  hatten  sich  eine Ruhepause gegönnt. An beiden schien auch die Spannung nicht so zu zerren wie an allen anderen, wobei ich mich selbst einschloß. Parzelle  stand mit  unbewegter Miene  neben mir.  Er wich  nicht 

Page 51: Das Ende der Macht

mehr  von meiner  Seite,  seit  er  von der Quelle der  Jenseitsmaterie zurückgekehrt war.  Von  sich  aus  sagte  er  nur  selten  etwas,  und wenn er es doch  tat, dann konnte  ich wenig damit anfangen, denn fast  immer  war  von  irgendwelchen  Wassern  die  Rede,  die  die ewigen Zeiten weggespült hatten. Er bemühte sich aber, jede meiner Fragen konkret zu beantworten. »Ist  die  Lichtquelle  mit  meinem  vorsichtigen  Herantasten  an 

Zyrton einverstanden?« hatte ich ihn vor wenigen Minuten gefragt. Und seine Antwort hatte gelautet: »Du triffst die Entscheidungen, Atlan. Nicht die Quelle.« »Die  Zyrtonier  müssen  uns  längst  bemerkt  haben«,  behauptete 

einer der drei Atiqs. »Warum unternehmen sie nichts.« Der Zentralcomputer antwortete an meiner Stelle: »Ich habe dafür gesorgt, daß wir nach dem Verlassen der MO‐4‐

Sonne  unbemerkt  bis  in  den  undurchdringlichen Wall  gelangten. Dann hat Atlan entschieden, daß wir mit Unterlichtgeschwindigkeit fliegen. Das bedeutet, daß wir einen harmlosen Eindruck machen.« Ich war ganz damit zufrieden, daß man uns nicht direkt angriff. 

Zwar  wußte  ich  noch  nicht  genau,  wo  ich  mit  meinen  wenigen Möglichkeiten ansetzen sollte, aber das würde sich ergeben. »Wenige Möglichkeiten?« staunte der Unscheinbare. »Ja, Parzelle«, gab ich zurück. »Ein kleines Raumschiff mit knapp 

zwei Dutzend Seelen gegen die Macht Zyrtons.« Dann  wurde  mir  erst  bewußt,  daß  er  jeden  meiner  Gedanken 

verfolgte. »Du vergißt die vier Stücke aus  Jenseitsmaterie, die nur auf dich 

hören werden. Und du  vergißt die Nähe der Lichtquelle  und das Nockemann‐Syndrom.« »Wo  befindet  sich  die  Lichtquelle?«  lautete  meine  Gegenfrage. 

»Ich habe lange nichts mehr von ihr gehört.« Wir hatten die MO‐4‐Sonne aus eigenem Antrieb verlassen. Und 

da der Flug in die unmittelbare Nähe Tabulands dem der Futurboje von  Forsbot  zur  Sonne  des  Planeten  geglichen  hatte,  war  kaum 

Page 52: Das Ende der Macht

etwas  zu  beobachten  gewesen.  Die  Ortungsanlage  arbeitete praktisch ausschließlich für den Zentralcomputer. Wir sahen nur die Ergebnisse. »Ich  habe  keinen  Kontakt  zu  ihr.«  Parzelle  verzog  mit  fast 

menschlichem Bedauern sein Gesicht. »Das bedeutet aber nur, daß sie sich nach ihren besten Möglichkeiten tarnt. Ich bin sicher, sie ist in unserer Nähe.« »Du meinst«,  fragte  Joscan Hellmut ungläubig, »sie hat ebenfalls 

die imaginäre Grenze passiert.« »Es  könnte  sein.  Ich  vermute,  sie  benutzt  die  Futurboje  als 

Tarnung und fliegt unmittelbar hinter uns her.« Ich  drehte  mich  zum  Heckschirm  um,  aber  dort  war  nur  die 

Schwärze der Namenlosen Zone zu sehen. »Wir  nähern  uns  der  innersten  Schockfront«,  teilte  der 

Zentralcomputer  mit.  »Dann  wird  das  Zyrton‐System  in  jeder Hinsicht erkennbar. Ich werde alles auf die Bildschirme übertragen, damit Atlan Entscheidungshilfen hat. Ich schlage allerdings vor, daß ihr  alle  Aktivitäten,  auch  das  Sprechen,  auf  das  unbedingt Notwendige  beschränkt.  Ich weiß  nicht, mit welchen Mitteln  die Zyrtonier  uns  ausforschen  und  orten.  Bemerkt  haben müßten  sie uns längst.« Damit  unterstrich  die  Futurboje  die  Behauptung  des  Vulnurers 

Atiq‐Than, der dies mit  sichtlichem Wohlwollen  registrierte.  Seine beiden  Zwillingsbrüder  Atiq‐Droos  und  Atiq‐Oyz  wedelten zustimmend mit  den  Fühlern.  Ich  erinnerte mich  daran,  daß wir ohne die drei Atiqs wahrscheinlich nie  in den Besitz der Futurboje gelangt wären. Irrtum,  sagte  der  Extrasinn.  Es  geht  alles  einen  bestimmten  Weg, solange keiner die ihm zugeteilten Aufgaben vernachlässigt. Ich  empfand  diese  Bemerkung  als  überflüssig.  Wahrscheinlich 

wollte  mein  zweites  Bewußtsein  mich  wieder  zur  Befreiung Chybrains  drängen,  an  dem  es  –  trotz  seiner  angeblichen Gefühlslosigkeit – sehr interessiert war. 

Page 53: Das Ende der Macht

Ich  gab  meinen  Begleitern  ein  Zeichen,  dem  Begehren  des Zentralcomputers  zu  folgen  und  alle Maßnahmen  zu  unterlassen. Die Solaner suchten die Kontursessel auf, während die Vulnurer es vorzogen,  stehenzubleiben.  Die  drei  Atiqs  hakten  sich  unter  und verharrten reglos. Der Flug ging mit der gleichen Geschwindigkeit weiter. LETZTE  SCHOCKFRONT  PASSIERT,  erschien  als  Leuchtschrift 

auf einem Bildschirm. Damit begann die wirklich kritische Phase. Wir trieben noch mindestens eine halbe Stunde antriebslos auf das 

Zyrton‐System  zu,  das  nun  deutlich  auf  den  Darstellungen  der Futurboje erkennbar war. Noch geschah nichts. RAUMSONDE  IN  ELF  LICHTSEKUNDEN  ENTFERNUNG, 

signalisierte  der  Zentralcomputer.  Joscan Hellmut  atmete  schwer. Bjo Breiskolls Gesicht verzerrte sich zu einer Grimasse. Ich ging zu ihm hinüber. »Böse Ahnungen,  schlimme kosmische Strömungen«,  flüsterte  er 

mir zu. »Meine Überempfindlichkeit ist wieder erwacht.« Er  besaß  ein  Gespür  für  seine  kosmische  Umgebung,  das 

manchmal  vehement  durchbrach.  Seine  leisen  Worte  bedeuteten nichts Gutes. KONTAKT!  ICH  WERDE  ANGEFUNKT!  SETZE  EINEN 

SINNLOSEN DATENSPRUCH AB! WAS SOLL ICH TUN, ATLAN? Ich war gefordert, und ich handelte schnell. Mit einem Lichtgriffel  schrieb  ich meine Antwort auf  ein kleines 

Display: Es  befinden  sich  keine  Lebewesen  an  Bord.  Du  hast  den  von  Atlan gewollten  Untergang  im  Forsbotvulkan  überstanden  und  suchst  einen neuen Herrn. DIE ANTWORT WURDE GESENDET, erschien wenige Sekunden 

später auf dem Bildschirm, über den der Computer der Futurboje zu mir sprach. NUN HÖRE ICH NICHTS MEHR. Mir kamen plötzlich ganz verrückte Gedanken. Vielleicht konnte 

ich die Zyrtonier verwirren oder auf eine falsche Spur lenken. 

Page 54: Das Ende der Macht

Wieder schrieb ich mit dem Lichtgriffel: Du  bist  der  Lichtquelle  begegnet.  Sie  hat  dich  verstoßen.  Sie  ist angeschlagen.  Sie  taumelt  in  der  Nähe  von  Tabuland  durch  die verschiedenen  Dimensionen.  Dabei  bist  du  einem  körperlosen  Wesen namens  Termentier  begegnet.  Auch  das  mochte  dich  nicht.  Du  bist verzweifelt und  suchst  den Tod. Oder  einen Platz  zum Ausruhen. Oder einen neuen Herrn. »Du bist verrückt, Atlan«, flüsterte Parzelle neben mir. Ich legte ihm einen Finger auf den Mund, und er schwieg. Die vier Brocken Jenseitsmaterie an meinem Gürtel glühten zu den 

längst gewohnten hellroten und blaßgrünen Farben auf. Ihr Flackern beinhaltete etwas Verlangendes. Ich reagierte nicht darauf. Da löste sich eins der  faustgroßen Stücke ab und  schwebte  in meine Hand. Ich  vermeinte  leise Worte  zu  hören,  die mich  zu  etwas  drängen wollten. »Zu früh!« sagte ich nicht gerade leise. »Zurück an deinen Platz!« Die Jenseitsmaterie gehorchte. Chybrain! verlangte der Extrasinn. Vielleicht  solltest  du  doch  etwas  unternehmen,  meldete  sich  die 

Lichtquelle. Ich wurde ärgerlich. »Wenn  ihr  schon wollt, daß  ich  entscheide, dann  geduldet  euch 

wenigstens!« stieß ich hervor. ZU LAUT, erschien auf dem Bildschirm des Zentralcomputers. »Auch das  entscheide  ich«, wies  ich  ihn  zurecht.  »Jetzt  sind wir 

hier, und  es wird das geschehen, was geschehen muß. Und wenn wir den Freunden um Hage in den Tod folgen.« »Das  ist  sehr  wahrscheinlich«,  antwortete  die  Futurboje.  »Von 

Persijigg  sind zwölf Zeckenraumer gestartet. Sie nehmen Kurs auf uns.« »Sehr  gut!«  antwortete  ich,  und  darüber wunderten  sich  sicher 

einige  meiner  Begleiter.  »Persijigg  ist  wohl  einer  der  Planeten. Welcher ist Zyrton?« Der  Zentralcomputer  brachte  auf  dem  Bildschirm  mit  der 

Page 55: Das Ende der Macht

Darstellung des Planetensystems  eine Markierung  an. Unmittelbar darauf  erschienen  neben  einigen  weiteren  Planeten  die  Namen Gautan, Persijigg und Munntson. »Die Namen der vier inneren und drei äußeren Planeten kenne ich 

leider nicht«,  erklärte der Zentralcomputer dazu.  Seine Mitteilung klang unsicher. »Es ist schon rätselhaft genug«, antwortete ich, »daß du überhaupt 

Namen dieser Welten kennst. Hast du dafür eine Erklärung?« »Ich erinnerte mich an diese Namen, als  ich die Planeten mit den 

Ortungssystemen  erfaßte.«  Das  klang  wenig  logisch  und befriedigend. Der Extrasinn unterstrich meinen Gedanken. »Es gibt eine Erklärung.« Parzelles Arm berührte mich. »Die, die 

einmal Termentier waren, haben auch die Futurboje konzipiert. Es muß sich um eine Resterinnerung handeln.« Auch meine Wiege, wie du  sagen würdest, hörte  ich die Lichtquelle, stand  einmal hier. Das Termentierkollektiv hat mich  im Vorstadium von Zyrton  entführt, um  aus mir  einen Emulator  zu machen. So  geschah  es auch mit dem Rohbau der Futurboje. Ich  ging  nicht  darauf  ein. Die  zwölf  Raumschiffe  der  Zyrtonier 

kamen schnell näher. Die Ortungssysteme der Futurboje spielten die schwindenden  Entfernungen  ein.  Die  drei  Atiqs  lösten  sich voneinander und kamen auf mich zu. »Ich habe Angst«, erklärte Atiq‐Droos. »Ich auch«, gab  ich zur Antwort. »Aber wir müssen dieses Spiel 

wagen, um Zeit zu gewinnen.« Ich  hörte  das  Schott  zu meiner  rechten  Seite.  Tyari  und  Insider 

kamen  herbei.  Beide  sagten  nichts  und  betrachteten  nur  die Anwesenden und die Bildschirme. Die alten Zweifel keimten plötzlich wieder in mir auf. ZYRTONIER  AUF  SCHU  …  erschien  auf  dem  Bildschirm  des 

Zentralcomputers. »Hast du auch Angst?«  fragte  ich, und  ich spürte die peinigende 

Furcht in mir. 

Page 56: Das Ende der Macht

JA! Alle konnten das lesen. Meine  Zweifel  wurden  stärker,  aber  ich  sah,  daß  es  meinen 

Freunden  und  Mitstreitern  nicht  anders  erging.  Die  Fühler  der Vulnurer  vibrierten,  und  ihre  abgeschnürten  Unterleiber  führten einen wilden  Tanz  auf.  Sternfeuer  klammerte  sich  an  Federspiel. Bjos Gesicht war noch immer eine Grimasse. Der Katzer konnte die auf ihn einstürmenden Empfindungen nicht mehr abblocken. Die Zweifel! Sie peinigten mich, aber  ich  ignorierte  sie, denn  ich 

erkannte, daß dies weder das Ende der Auseinandersetzungen, noch mein  Tod,  noch  eine Niederlage  sein  konnte. Chybrains Visionen hatten noch etwas ganz anderes bewirkt als das, was der Gefangene gewollt hatte. Sie hatten mir Mut gegeben. Ticker und Tyari würde ich  nicht  retten  können. Und  die  SZ‐2 war  auch  zum Untergang verdammt. Aber ich würde Varnhagher‐Ghynnst erreichen! WARNSCHU … Wieder  brach  der  Zentralcomputer  mitten  im 

Wort ab. Das schürte meine Zweifel erneut. Warum, bei aller tausend Teufelsnamen, war ich hier? War ich ein 

Knecht  der  Kosmokraten? War  ich  ein  Verwirrter  in  den  ewigen Konflikten der vielen Mächte des Universums? »Schutzschirme aktiviert«, erklärte die Futurboje lapidar, als ob sie 

vom Wetter sprechen würde. Was hatte  ich  in diesem Winkel des Alls  zu  suchen? Gab  es  für 

mich nicht Wichtigeres zu  tun? Wartete nicht  irgendwo mein alter Freund Perry Rhodan auf meine Rückkehr? Sicher nicht, verhöhnte mich der Extrasinn. Das war vor zweihundert Jahren einmal so. Er hatte ja recht! Danke. Erkenne die Kette, die noch nicht geschlossen ist. Der Gang durch die Materiequelle,  der  dich  zum Auserwählten  der Kosmokraten machte, wo  doch  jeder  erwartet  hatte,  das  würde  Perry  Rhodan  sein.  Die  Zeit danach,  die Gefangenschaft  bei  dem  verbannten Anti‐ES,  die  im Dunkel 

Page 57: Das Ende der Macht

liegenden  Jahre  bei  den  Kosmokraten,  deine  Rückkehr  zu  den  geliebten Terranern  in Form der  lange verschollenen Solaner. Der Weg von Osath über Chail, das Ysterion, Hidden‐X, Oggar, Pers‐Mohandot  zu Anti‐ES. Zurück zu Anti‐ES! Hast du nie gesehen, Atlan, wie  sich die Kreise der Kosmokraten schließen? Es  folgten Xiinx‐Markant und Bars‐2‐Bars. Und die Namenlose Zone. Du denkst, das ist das Ende? Es ist die Bewährung, der Test! Du bist für etwas anderes bestimmt, für etwas Höherwertiges in diesem Kosmos. Wieder erfolgte eine Salve von Warnschüssen. »Kurs  beibehalten!  Keine  Aktivitäten«,  befahl  ich  schnell.  Dann 

lauschte ich wieder dem Logiksektor. Hast  du  deinen  auf  dich  abgestimmten  Zellaktivator  nicht  schon  vor 10.000  Jahren  bekommen? Hast  du  dir  nie Gedanken  darüber  gemacht, warum das geschah? Hast du nie  erkannt, daß die Kosmokraten auf dich setzen? »Ich  halte  eine Kursänderung  für  angebracht«,  rief  Bjo  Breiskoll 

mir  zu.  Seine  Augen  flackerten  unruhig,  und  sein  Gesicht  zeigte hohe Anspannung. »Wir behalten den Kurs bei«, erklärte ich. »Bis  die Wasser  der  ewigen  Zeiten  uns  wegspülen«,  bemerkte 

Parzelle. »Was  sind  deine  Wasser  der  ewigen  Zeiten,  Parzelle?«  Ich 

versuchte, mit meinen Worten mir neuen Mut zu machen, denn ich durfte  den  anderen  nicht  zeigen, welche Gedanken  in mir  tobten und  welche  Gefühle  mich  bewegten.  Ich  mußte  ihnen  Mut  und Tatkraft geben, Vertrauen verleihen und Hoffnung schüren. Wieder  entfernte  sich  ein  Stück  Jenseitsmaterie  von  meinem 

Gürtel. Es glitt in Höhe meiner Augen und teilte sich in zwei kleine Kugeln. »Vier«, hörte ich Parzelle, ohne meinen Blick von der schillernden 

Substanz  zu  nehmen,  »vier  waren  es,  die  die  Quelle  der Jenseitsmaterie  entdeckten  und  das  einmalige  Produkt  bauten.  Es fehlte  nur  immer  der,  der  es  verstand,  dieses  Wunder  auch  zu 

Page 58: Das Ende der Macht

handhaben.« »Du meinst doch nicht etwa, daß ich das könnte?« »Niemand kann es wirklich, Atlan. Auch die vier Schaffer konnten 

es nicht. Sie waren dir haushoch überlegen, und sie steckten in einer Zwangslage, aus der es keinen Ausweg gab. Daher bin ich da.« »Kursänderung!«  schrie  Bjo  Breiskoll.  »Feuer  frei  auf  die 

Zeckenschiffe! Hörst du, Zentralcomputer?« Ich hob eine Hand. Nichts geschah. VERSTANDEN,  ATLAN,  signalisierte  der  Zentralcomputer.  DU 

BIST DIE SCHALTSTELLE, NIEMAND ANDERS. Jetzt hätte ich Blödel gebraucht, der dem Katzer ein beruhigendes 

Medikament  hätte  einspritzen  können.  Aber  Hages  verrückten Roboter gab es nicht mehr. Ich trat von hinten an Bjo heran, der wie gelähmt  in  seinem  Sessel  hockte,  und  packte mit  einer Hand  an seinen  Hals.  Gern  tat  ich  es  nicht,  aber  ich  konnte  jetzt  keine Panikmacher gebrauchen. Der alte Freund sank unter dem Griff schlaff zusammen. Tyari stand plötzlich neben mir. Ihre Augen flackerten aufgeregt. »Du auch?« Ich lächelte sie an. »Nein.« Ihre Antwort war mehr ein 

Hauchen. »Ich dachte nur, ich könnte dir helfen.« FEUER EINGESTELLT. Ich erfaßte die Schrift aus den Augenwinkeln, denn für Sekunden 

begegneten sich Tyaris Blicke mit meinen. »Rede offen!« befahl ich unwirsch. »Ich  habe  einen  Funkspruch  empfangen«,  teilte  uns  der 

Zentralcomputer deutlich mit. Jeder konnte nun seine Worte hören. »Ich bin aufgefordert worden, auf dem äußersten Planeten in einen Orbit  zu  gehen  und  dort  auf  ein  Untersuchungskommando  zu warten. Was soll ich tun?« »Antworte,  daß  du  den  innersten  vorziehst. Der  heilige Vulkan 

von Forsbot konnte dich nicht zerstören. Die Glutwelt Nummer eins wird  es  aber  sicher  können.  Dann  sind  die  Zyrtonier  auch  alle Sorgen los.« 

Page 59: Das Ende der Macht

»Du bist wirklich verrückt, Atlan«, stöhnte Parzelle. »Ich löse mich auf.« »Du bleibst hier.« Ich wußte, daß es nichts nutzte, aber ich packte 

den Unscheinbaren am Arm und drückte fest zu. Parzelle blieb. »Soll  ich das wirklich senden?« Der Zentralcomputer schien kurz 

vor einem  inneren Zusammenbruch zu stehen. Seine Stimme klang verwirrt. »Ich denke«, antwortete  ich. »Die Antwort  ist  längst  raus. Wenn 

ihr mich zur Schaltstelle haben wollt, dann tut gefälligst das, was ich sage.« AUSGEFÜHRT! Der  Zentralcomputer  beschränkte  sich  wieder  auf  die 

nichtakustische Antwort. »Ich brauche drei Freiwillige«, sagte ich und nahm einen Brocken 

Jenseitsmaterie  vom  Gürtel.  Die  leichte  Masse  schmiegte  sich förmlich in meine Hand. Tyari war  die  erste,  die  sich meldete.  Ihr Handzeichen war  zu 

sehen,  bevor  ich  den  Satz  ganz  ausgesprochen  hatte. Dann  folgte Esseri,  eine  der  beiden  weiblichen  Vulnurer,  die  zu  unserem Kommando  gehörten. Den Abschluß  bildete  Sternfeuer,  an  deren Gesicht ich erkannte, daß sie nur deshalb die letzte Freiwillige war, um  die  ich  gebeten  hatte,  weil  Federspiel  sie  daran  zu  hindern versucht hatte. Danach gingen alle Hände  in die Höhe, Bjo ausgenommen, denn 

er  hing  noch  immer  schlaff und  bewußtlos  in  seinem  Sessel. Und noch einer meldete sich nicht: Insider. »Du«, wandte ich mich an Parzelle, »gehst sowieso mit. Ist dir das 

klar?« »Natürlich. Die Abwässer der vergehenden Zeiten haben mich an 

deine Seite verspült. Ich bleibe bei dir. Das sagt auch Termentier, der Extrasinn der Lichtquelle. So könnte man es formulieren.« Draußen kreisten die zwölf Zeckenschiffe die Futurboje ein. Es fiel 

aber kein Schuß mehr. Mein Plan war nicht kühn, er war verrückt. 

Page 60: Das Ende der Macht

Ich mußte auf die Jenseitsmaterie vertrauen. Für  einen Moment war  ich  abgelenkt,  denn mir wurde  bewußt, 

daß einer meiner alten Freunde sich geweigert hatte, mir zu folgen. Insider, der grüne Kowallek mit dem Namen Zwzwko  stand da 

und präsentierte ein verschränktes Armpaar. »Ich  habe  mich  nicht  gemeldet,  Atlan.«  Er  öffnete  kaum  seine 

Lippen, als er sprach. »Ich gehe mit, egal, wie du entscheidest.  Ich habe  auf  der  SOL  durch  dich  als  ein  Fremder  eine  neue Heimat gefunden. Ich habe sogar durch dich den Untergang meines Volkes im nachhinein kennenlernen müssen.  Ich weiß, daß der Untergang durch  deine  Solaner hätte vermieden werden können,  aber damals waren  die  Solaner  nicht  reif  dafür.  Ich  hege  keinen Groll,  keinen Zorn. Ein Geknechteter,  ein Gejagter der SOLAG, kann verzeihen, und das sogar  leichten Herzens, wenn er erlebt und  in  jeder Faser spürt, daß eine neue Generation ein  schlechtes Erbe zum Besseren wendet. Du brauchst mich nicht, aber ich gehe mit.« Ich hörte die Zweifel in mir. Ich sah Federspiels Blick. »Du bist die Schaltstelle.« Parzelle drängte sich an mich. »Du allein 

triffst die Entscheidungen.« Tu etwas Vernünftiges, Atlan. Es kam ganz selten vor, daß mich der 

Extrasinn mit meinem Namen ansprach. Seine oft  so bissigen und vorwurfsvollen Worte klangen jetzt wie eine Bitte. »Du sowieso!« Ich tippte Parzelle auf die Brust. »Ich brauche den 

Kontakt zu Termentier.« Sternfeuer sah mich flehentlich an. Ich spürte bis in die letzte Faser 

meines  Geistes,  daß  sie  mich  begleiten  wollte,  obwohl  sie  nicht wußte, was  ich beabsichtigte. Kurz  schweiften meine Gedanken  in jene  Zeit  der  Trostlosigkeit  ab,  als  wir  im  einsamen Sternenuniversum  hatten  bestehen  müssen,  wo  sie  von  ihrem Zwillingsbruder  Federspiel  für  wirkliche  Jahre  und  scheinbare Wochen getrennt gelebt hatte. »Und du, und du, und du!« sagte ich. Meine Hand wies auf Tyari, 

auf die Vulnurerin Esseri und auf Insider. 

Page 61: Das Ende der Macht

  

7.  Federspiel stürmt auf mich zu und greift nach mir. Seine Geste  ist verständlich,  aber  im  Augenblick  völlig  unangebracht.  Ich  muß Entscheidungen treffen. Sternfeuer  blickt mich  an,  als wolle  sie  sagen  »Hättest  du  doch 

einmal mich geliebt und nicht Barleona oder Tyari!« Bjo erwacht. Er blickt sich kurz um, kommt dann auf mich zu. Wir 

blicken uns  in die Augen, und dann sind Worte überflüssig. Er  ist eine  Seele  des  Kosmos.  Er  kann  Dinge  empfinden,  die  mein Verständnis  übersteigen. Warum  soll  er  sich  nicht  einmal  davon überwältigen lassen? Er  setzt  sich  in  den  Pilotensessel,  der  hier  zugleich  der Ort  des 

Kommandanten  ist.  Seine  Frage  verrät  mir,  daß  er  die  Situation erkannt  hat.  In  wessen  Gedanken  er  dabei  seine  Versäumnisse aufgeholt hat, ist im Augenblick völlig unwichtig. »Welche Maßnahmen ordnest du für die Futurboje an, Atlan?« »Innerster Planet.«  Ich nehme einen Brocken  Jenseitsmaterie vom 

Gürtel  und  betrachte  ihn.  »Völliges Verbergen.  Ich  hole Chybrain heraus und warte, ob Hages Plan Erfolg hat. Ihr tut nichts! Kapiert?« Der Katzer hebt seine Rechte zum Zeichen des Einverständnisses. »Was  kann  sie?«  Ich  deute  auf  das  Stück  Jenseitsmaterie  und 

blicke Parzelle fragend an. »Die Wasser der ewigen Zeiten haben …« »Du weißt es also nicht!« unterbreche ich den Unscheinbaren. »Ich weiß es nicht. Die Schöpfer der Quelle, die heute Termentier 

sind, wissen es auch nicht. Du bist die Schaltstelle.« Chybrain! Die Worte des Extrasinns sind fast ein Flehen. Es kommt also auf den Versuch an. Trial and error. So habe  ich es 

damals auf der Erde gehört. »Bjo, du funktionierst?« frage ich. 

Page 62: Das Ende der Macht

»Wie  eine  Eins.  Ich  habe  das  Furchtbare  des  Zyrton‐Systems verdaut. Oder es wandelt sich. Es klingt schwächer.« Das  Nockemann‐Syndrom!  Würde  die  Spontan‐Mutation  doch 

stattfinden?  Meine  Gedanken  überstürzen  sich  wieder.  Dabei brauche ich gerade jetzt einen klaren Kopf. Aufhören! schreit die Lichtquelle. Ich habe dir gesagt, daß ich die Nähe der Vulnurer brauche. Du hast sie geholt, aber auch wieder entfernt. »Du weißt selbst nicht, was du willst.« Meine Antwort ist gelassen. 

Der Extrasinn verzichtet auf Worte, aber  seine unausgesprochenen Gedanken  unterstützen meine Meinung.  Er  hat  gemerkt, was  ich will. Chybrain befreien! »Du  hast  Vulnurer  in  der  Nähe,  Lichtquelle.«  Ich  höhne  und 

überspiele  damit  meine  Zweifel.  »Die  drei  Atiqs  sind  hier.  Und weitere fünf Vulnurer.« Sechs! antwortet die Lichtquelle. Ich habe Null‐Page erkannt.   

*  Die Entwicklung der Dinge gefällt mir gar nicht. Es  ist, als ob  ein böser Virus meine Pagen zur Dummheit verdammt. Besonders fähig sind sie nie gewesen. Jetzt aber treten sie auf der Stelle. Die Meuterei der  Pagen, die  im  großen  Saal  bleiben durften,  ist 

unüberhörbar. Sie verlangen die Vernichtung der Futurboje und die Tötung  Chybrains.  Sie  sind  alle  Dummköpfe.  Das  damalige Programm  hat  in  zweifacher Hinsicht  versagt.  Es  entstanden  die Verräter,  die  sich  zur  Termentier‐Clique  formierten. Das war  der erste Fehler gewesen. Und das Produkt unserer (nein: meiner, denn die  anderen  existieren  nicht  mehr)  Bemühungen,  die fortgeschrittene  vulnurische  Generation,  der  wir  den  Namen »Zyrtonier«  gegeben  haben,  hat  auch  versagt.  666‐Katzulla,  ein Fähiger, ist ein klassisches Beispiel dafür. 

Page 63: Das Ende der Macht

»Vernichte  das  Fremde!«  So  brüllt  der  große  Saal,  in  dem  noch über 400 Pagen versammelt sind. Alle anderen sitzen in Beratungen vor  den  höheren  Räten  zusammen  oder  sie  kontrollieren  die hypertechnischen Systeme. Die Futurboje darf nicht vernichtet werden. Selbst wenn sie Leben 

an Bord hätte! Der Grund  ist  einzig und  allein, daß  ich die  totale und  absolute  Herrschaft  haben  will.  Der  Plan,  das  Ziel,  die Allesherrschaft  ist  zum  Greifen  nah.  Nur  die  merkwürdigen Winzlinge müssen noch entfernt werden. »Es  gibt  deutliche  Anzeichen  dafür«,  meldet  sich  194,  der  die 

Verwirrung  abgelegt hat,  als  ich  ihm  sagte, daß  ich  sein Vorfahre und Schöpfer bin, »daß dieser Atlan an Bord der Futurboje ist.« Ich  gebe  ihm  keine  Antwort,  weil  ich  das  Ziel  sehe,  die 

Enträtselung des Geheimnisses der Lichtquelle. »Futurboje  ist  in  der Nähe  von  Zyrton‐1  angemessen worden.« 

Der eigentlich unwichtige Kreis um 772‐Page meldet das. »Nun  ist sie verschwunden. Nein, da ist noch ein Echo. Die Futurboje …« Ich  kann  den  Rest  nicht  verstehen,  denn  eine  andere Meldung 

erreicht mich (und die unwichtigen Pagen): »Gautan‐Statthalter. Merkwürdige Passivität  in der Bevölkerung. 

Etwa ein Drittel betroffen. Schlage totale Ausmerzung vor.« »Es  ist kein Leben an Bord der Futurboje gewesen«,  teilt mir 414 

bescheiden  mit.  Vielleicht  hofft  er  darauf,  der  neue  4‐Page  zu werden. »Nichts wird ausgemerzt!« befehle  ich. Die Zentrale  in der Tiefe 

reagiert  in der gewohnten Sicherheit, auch wenn  ich  jetzt noch auf der Empore des großen Saales sitze. Was  sind  sie  denn?  Etwas  bricht  in  mir  durch.  Etwas  kaum 

Erklärliches.  Sie  sind  so  anders,  meine  Pagen.  Ich  bin  stark, unbesiegbar.  Ich  kann  Schockfronten  erzeugen.  Ich  habe  es  den verrückten Mächten  der  anderen  Seite  abgeschaut.  Ich  habe mich unsterblich gemacht. Ich habe die Macht aufgebaut, die das restliche Universum  in  eine  Statistenrolle  drängen  wird.  Jeder  darf  gegen 

Page 64: Das Ende der Macht

mich  antreten  (ich höre Namen  aus dem Kreis der Zyrtonierräte), aber  es  wird  nur  einen  geben:  Null‐Page,  den  Größten,  den  das Universum je hervorgebracht hat. »Sprengt Zyrton‐1!« Dieser Befehl  ist unhörbar  für die schlappen 

Zyrtonier. Er geht an meine unterzyrtonische Befehlszentrale. »ABGEBLOCKT!« Ich zucke zusammen. Ich bin unsichtbar. Meine  internen Feinde sind alle  tot. Aber vor 

meinen  Augen  lauert  666‐Page  Katzulla,  der  doch  längst umgekommen ist. »Lange habe ich gebraucht, NULL‐PAGE. Lange, sehr lange, aber 

die  Träume meiner  Kindheit,  das  alte  Buch mit  den Märchen,  in dem die Großen und die GÜTIGEN eine Rolle spielten, habe ich nie vergessen. Ich war eine zyrtonische Fehlentwicklung, denn nach der Ermordung Milorahs  habe  ich mich  auf  die  Seite  der  ordnenden Kräfte geschlagen. Nun gibt es mich nicht mehr, aber eins wollte ich dir  noch  sagen.  Es  gibt  viele  Vulnurer,  Gute  und  Schlaffe, Hilfsbereite und Bestien. Aber du bist der Schlimmste von allen.« Der Geist löst sich auf. Ich muß geträumt haben. Die Worte, die er 

in meinen Kopf gestreut hat, sind unwichtig. Das Gegröle  aus dem  Saal, Chybrain und die  Futurboje müßten 

vernichtet werden, hält an. Da ist plötzlich, unvermutet, überraschend die Alarmmeldung aus 

dem  Unteren,  aus  der  Heimat,  der  Schaltstelle.  Es  ist  etwas Unvorhersehbares geschehen. Ich muß den Rat verlassen.   

*  »Soll das heißen, daß Null‐Page der Führer der Zyrtonier ist?« fragte ich laut. Parzelle  antwortete.  Er  erklärte mir,  daß  die Quelle wieder  die 

volle  Tarnung  angenommen  hatte,  er  aber mit  ihr  in Verbindung stand. 

Page 65: Das Ende der Macht

»Das  ist  damit  gemeint.  Und  mehr  noch.  Null‐Page  ist  kein Zyrtonier. Er ist biologisch gesehen einwandfrei ein Vulnurer.« Die Anwesenden  dieses  Volkes  stießen  erregte  Schreie  aus. Die 

Atiqs gestikulierten wild herum. Sie wollten diese Enthüllung nicht für wahr halten. »Es  ist  so«,  bekräftigte  Parzelle  noch  einmal.  »Ich  empfange 

weitere  Informationen. Null‐Page hält  sich  für absolut unsterblich. Er  ist  einer der Väter der Bio‐Manipulation,  aus der die Zyrtonier entstanden.  Er  hat  an  sich  selbst  genetische  Veränderungen durchgeführt  und  hat  so  die  Unsterblichkeit  erlangt.  Er  hat  das zyrtonische Reich aufgebaut.« »Wie  kann  die  Lichtquelle  das  wissen?«  erkundigte  sich  die 

Vulnurerin Esseri, die mich begleiten sollte. Sie wirkte relativ gefaßt. »Von  Termentier,  von  den  Resten  der  Bewußtseinsinhalte  ihrer 

Erzeuger.  Viel  Wissen  ist  verlorengegangen,  aber  das Gedankenkollektiv  versucht  die  ferne  Vergangenheit  aus  dem bruchstückhaften Wissen zu rekonstruieren. Null‐Page war damals einer der  führenden vulnurischen Wissenschaftler gewesen. Er galt als  skrupellos  und  machthungrig.  Daß  er  noch  existiert,  beweist seine Fähigkeiten.« Ein Vulnurer an der Spitze der Zyrtonier! Auch für mich war das 

eine Überraschung. Allmählich  verstand  ich die Geschichte dieses eigentümlichen  Volkes,  das  mir  erstmals  mit  seinen  drei Raumschiffen in der Zone‐X begegnete, als ich mit den Solanern und Oggar Jagd auf Hidden‐X gemacht hatte. »Wenn  ich den befohlenen Planeten nicht anfliege«, meldete sich 

der  Zentralcomputer  der  Futurboje,  »gehen  die  Zyrtonier wieder zum Angriff über. Handle schnell, Atlan!« Mein Plan stand fest. Ich mußte auf die unfaßbaren Eigenschaften 

der Jenseitsmaterie und auf die Lichtquelle vertrauen. »Ihr verbergt euch in der Nähe des innersten Planeten. Wir bleiben 

in Funkkontakt, so gut es geht. Wenn ihr angegriffen werdet, weicht aus  oder  versteckt  euch  vorübergehend  in  der  Sonnenkorona.  Ich 

Page 66: Das Ende der Macht

gehe direkt in die Höhle des Löwen.« Die  Kampfanzüge  hatten  wir  längst  angelegt.  Ein  Stück 

Jenseitsmaterie lag in meiner rechten Hand. Sie strahlte heller als  je zuvor. Die anderen drei Brocken klammerten sich mit unsichtbaren Kräften an meinen Gürtel. Ich blickte die Jenseitsmaterie an. »Hoffentlich kannst du das, was  ich will. Bringe diese drei«,  ich 

deutete auf Insider, Tyari und Esseri, »und mich an den Ort, an dem Chybrain gefangen ist.« Einen  Moment  lang  geschah  nichts.  Dann  glühte  die 

Jenseitsmaterie  auf  und  zerfiel  zu  Staub.  Im  gleichen Augenblick verschwand  die  gewohnte  Umgebung.  Ich  hatte  das  Gefühl,  daß mich  eine  unsichtbare  Faust  im  Nacken  packte  und  fortriß. Erstaunte  Rufe  drangen  an  meine  Ohren.  Die  Stimmen  waren verzerrt, aber ich vermeinte Tyari und Esseri zu erkennen. Ganz schön gewagt, meldete sich mein Logiksektor. Unwillkürlich hatte ich die Augen geschlossen. Als ich sie wieder 

öffnete, war  keine  spürbare  Zeitspanne  vergangen.  Ich  stand  auf festem  Boden,  in  einer  völlig  fremden  Umgebung.  Neben  mir gewahrte ich meine drei Begleiter. Auch Parzelle war anwesend. Der Raum wies keine Fenster auf. Er war angefüllt mit technischen 

Einrichtungen. Monitoren und Schalttafeln reihten sich aneinander. Die Aggregate  erinnerten mich  entfernt  an  die Zentralen der  drei Vulnurerschiffe. Mich auch, erklärte der Extrasinn. Es gibt nur eine Erklärung. Du bist wirklich  in der Höhle des Löwen gelandet. Dies muß  eine Zentrale Null‐Pages  sein.  Ich  hoffe,  du  bist  dir  über  die Gefahr  im Klaren,  in  der  du schwebst. »Wir sind alle in Gefahr«, stellte ich fest. »Ich habe keinen Kontakt mehr zur Lichtquelle«, teilte mir Parzelle 

kleinlaut  mit.  »Es  ist,  als  ob  die  Wasser  der  ewigen  Zeiten  sie weggespült hätten. Damit ist auch meine Existenz gefährdet.« »Keine Gedanken wahrnehmbar.« Tyaris Hände  fuhren unsicher 

Page 67: Das Ende der Macht

durch die Luft. Die Vulnurerin Esseri  trat an eine große graue Wand, die  ich  für 

einen Bildschirm gehalten hatte. »Dort liegt etwas«, rief sie mir zu. »Der Form nach könnten das die 

Reste  Chybrains  sein. Und  diese Wand  besteht  offensichtlich  aus transparenter Formenergie.« Ich ging zu ihr hinüber und rief Insider zu: »Sieh dich nach geeigneten Verstecken um!  Ich schätze, daß man 

unsere Ankunft sehr bald bemerken wird.« Der Grüne eilte los. Ich  starrte durch das Halbdunkel der Energiewand  in die kleine 

Kammer. Auf dem Boden lag ein noch annähernd eiförmiges Stück Masse.  Sie  war  farblos.  Die  Oberfläche  war  runzlig,  aber  die charakteristischen Sechsecke von Chybrains Körper waren teilweise noch erkennbar. »Er ist es«, stellte ich betreten fest. Tyari kam an meine Seite. »Ich  spüre  leise  Gedanken.«  Sie  deutete  auf  das  Torso  des 

Kristalleis. »Er lebt noch, aber er ist kaum zu einer Reaktion fähig.« Irgendwo in den Nachbarräumen klang ein durchdringender Ton 

auf. »Alarm!« sagte Esseri und zog ihre Waffen. »Wir sind entdeckt.« Ich  empfand plötzlich  starkes Mitleid mit Chybrain. Das Gefühl 

war  so  groß,  daß  es  sogar  mein  Verlangen  überwog,  das merkwürdige Wesen nur deshalb  zu  befreien, weil  ich dann noch eine  Chance  hatte,  die  Koordinaten  von  Varnhagher‐Ghynnst  zu bekommen. Ich dachte an meine Jenseitsmaterie, und sofort löste sich ein Stück 

von meinem Gürtel. Es leuchtete auf. »Hole Chybrain heraus!« befahl ich. Die Jenseitsmaterie flackerte auf, aber sonst geschah nichts. »Ein  Problem«,  meinte  Parzelle.  »Diese  Wand  neutralisiert  die 

Wirkung der  Jenseitsmaterie. So geht  es nicht. Du mußt dir  etwas 

Page 68: Das Ende der Macht

anderes einfallen lassen.« Sicher  gab  es  hier  eine  Möglichkeit  in  den  technischen 

Einrichtungen,  das  Energiefeld  abzuschalten.  Bei  der  Vielfalt  der Anlagen war es aber unmöglich, die richtige Schaltung zu finden. Hilfe!  klang  es  leise  in  meinem  Kopf.  Chybrain  hatte  unsere 

Anwesenheit bemerkt. »Ich komme nicht durch«, konnte ich nur antworten. Schicken! Was meinte Chybrain?  Ich überlegte. Die  Jenseitsmaterie  konnte 

ihn  nicht  herausholen.  Sollte  ich  versuchen,  sie  hineinzuschicken? Nein, das würde auch nicht gehen. »Parzelle!«  sagte  ich.  »Nimm  dieses  Stück  Jenseitsmaterie  und 

begib dich damit zu Chybrain. Du kannst doch jeden Ort aufsuchen, der dir genehm ist.« »Ich  weiß  nicht.«  Zögernd  nahm  der  Unscheinbare  den 

leuchtenden Brocken in seine Händchen. »Es könnte passieren, daß mich die Wasser der ewigen Zeiten wegspülen.« »Geh!« forderte ich. Er  löste  sich  vor  meinen  Augen  auf.  Ich  starrte  durch  die 

transparente Wand, aber dort drinnen veränderte sich nichts. »Schritte!«  Insider  kam  aus  einem Nebenraum  zurück.  »Schnell! 

Wir müssen hier weg!« »Tyari! Esseri! Haltet mir mit Insider den Rücken frei!« Sie gehorchten. Ich stand allein da. Parzelle war verschwunden und nicht wieder 

aufgetaucht.  Meine  Begleiter  konnten  sich  hoffentlich durchschlagen. Minuten  vergingen,  und  nichts  geschah.  Der  Alarm  war 

verklungen. »Parzelle!« rief ich. »Er  ist nicht hier«, hörte  ich eine dunkle Stimme. Ich drehte mich 

um,  aber  niemand war  zu  sehen.  »Es  ist  niemand  hier  außer  uns beiden.« 

Page 69: Das Ende der Macht

»Wer bist du?« wollte ich wissen. Ich ahnte die Antwort. »Null‐Page.«   

8.  Die Unruhe  im großen Saal der Pagen  steigerte  sich weiter. Dafür gab es verschiedene Gründe. Das fremde Schiff, das Null‐Page Futurboje genannt hatte, konnte 

bis  jetzt  allen Angriffen der Zyrtonierschiffe widerstehen. Es wich dem direkten Kampf mit großem Geschick aus, und es führte immer wieder ganz überraschende Manöver innerhalb des Zyrton‐Systems durch.  Die  Pagen  rätselten  noch  über  die  Art  des  Antriebs,  den dieses  Schiff  besaß,  denn  die  Flugetappen  ähnelten  räumlichen Versetzungen  nach  dem  Vorbild  der  Transmitter. Was  das  Schiff hier wirklich wollte, wußte man auch nicht. Die Aussagen, die sein Bordcomputer gemacht hatte, wertete man einhellig als Lüge. Ein weiterer Grund für die Unruhe unter den Ratsmitgliedern war 

die  nun  unumstößliche  Tatsache,  daß  sich  auch  die  Lichtquelle innerhalb  des  Systems  befand. Man  hatte  energetische  Streufelder angemessen, die dies eindeutig belegten. Konkret orten konnte man dieses  geheimnisvolle  und  zweifellos  gefährliche  Objekt  jedoch nicht. Fast die gesamte Flotte der Zyrtonier war unterwegs. Viele Pagen 

waren  aus  dem  Versammlungsraum  verschwunden  und  per Transmitter an Bord von Raumschiffen gegangen. Von dort lenkten sie die Jagd auf die beiden fremden Objekte direkt. Am  meisten  beunruhigte  die  verbliebenen  Pagen  jedoch  die 

Tatsache,  daß  sich  Null‐Page  nicht  mehr  meldete.  Er  war  ohne Ankündigung  verschwunden.  Die  Rufe  der  Ratsmitglieder verhallten ohne Antwort. 1‐Page  und  2‐Page  koordinierten  gemeinsam  alle  Aktionen. 

Page 70: Das Ende der Macht

Allmählich  zeichnete  sich  für  das  Verhalten  der  Futurboje  ein bestimmtes  Schema  ab.  Das  Schiff  kehrte  nach  den  schwer erklärbaren  Etappen  immer wieder  in  die  unmittelbare Nähe  von Zyrton‐1  zurück.  Die  beiden  führenden  Pagen  errichteten  einen Sperrring um den Planeten. Und als sie sich sicher waren, daß die Futurboje  eingeschlossen  war  und  sich  irgendwo  in  den Magmagluten der kochenden Oberfläche versteckte, befahlen sie die Zerstörung dieser Kleinwelt. Der Erfolg war durchschlagend.  Innerhalb von wenigen hundert 

Atemzügen  flog Zyrton‐1 auseinander. Die Ortung zeigte, daß die Futurboje auch dieses Manöver überstanden hatte. Sofort setzten die Verbände nach und eröffneten das Feuer. Bevor die Hochenergien ihr  Ziel  jedoch  erreichten,  war  das  Schiff  wieder  verschwunden. Schwache Energiereflexe ließen vermuten, daß es sich nun sehr nahe der  Sonne Zyrton  befand. Damit war  es  kaum  noch  aufzuspüren, und die Sonne zu zerstören schied als Möglichkeit aus. Wieder  wurde  die  Lichtquelle  geortet.  Ein  Spezialschiff  mit 

hochwertiger Ausrüstung zwang sie, ihre Tarnung aufzugeben. Ein schweres  Schlachtschiff wurde  an den Ort  befohlen, der  zwischen dem zehnten und elften Planeten lag. Als es das Feuer eröffnete, war die Lichtquelle wieder verschwunden. Sie konnte fortan nicht mehr aufgespürt werden. Auch von der Futurboje zeigte sich keine Spur. Die Unsicherheit bei den  führenden Pagen wuchs. Heimlich und 

unbemerkt vom Gros der Pagen ließen 1‐Page bis 9‐Page (natürlich ohne 4‐Page, denn dieser Rat war im Augenblick nicht besetzt) eine Geheimflotte mobilisieren, die noch nie zum Einsatz gekommen war und in unterirdischen Hangars auf dem Planeten Zyrton stationiert war. Auch auf diese Maßnahme reagierte Null‐Page nicht. Allmählich  kehrte  wieder  etwas  Ruhe  in  der  großen 

Versammlungshalle  ein.  Die  Unsicherheit  unter  den  Pagen  aber blieb. Dann  flog plötzlich  eine Seitentür auf, und drei Fremde  standen 

im Raum. Sie  trugen Kampfanzüge und hielten schwere Waffen  in 

Page 71: Das Ende der Macht

den Händen. Die Ungeheuerlichkeit, die so manchem Pagen  in die Gedanken  gekommen war, war  eingetreten. Die  Feinde  befanden sich bereits auf Zyrton. Und nicht nur das. Sie hatten es gewagt,  in den  Ort  einzudringen,  von  dem  aus  die  Geschicke  des  Reiches gelenkt wurden.   

*  »Insider! Warte doch!«  rief mir Tyari zu. »Atlan verliert  sonst den Anschluß an uns.« »Er weiß, was er tut«, entgegnete ich und bog in einen Seitengang 

ein.  »Wir müssen  ihm  den Rücken  frei  halten. Gleich  ist  hier  der Teufel los.« Esseri  nickte  mit  ihrem  Ameisenkopf.  »Abwehrschirme 

einschalten.« Wir  schoben  die  Helme  über  den  Kopf  und  aktivierten  alle 

Systeme  der  Kampfanzüge.  Als  ich  probehalber  Tyari  über  Funk rief,  hörte  ich  nur  ein  Prasseln.  Irgendwo  gab  es  hier  eine Störvorrichtung, die normalen Funkverkehr unmöglich machte. Das komplizierte die Sache, denn  es bedeutete, daß auch kein Kontakt zu Atlan und Parzelle möglich war. »Hierher!«  brüllte  ich  laut.  Die  normale  Verständigung  klappte 

trotz der geschlossenen Helme noch ausreichend. Ich postierte Tyari und  Esseri  in  einer  Nische  des  Ganges,  während  ich  auf  der gegenüberliegenden Seite hinter einem Vorsprung in Deckung ging. Der Korridor führte in der Richtung, aus der wir gekommen waren, direkt zu dem Raum,  in dem wir mit Atlan gelandet waren. Wenn der  Arkonide  uns  folgen  würde,  mußte  er  hier  vorbeikommen. Andere Wege hatte ich in der Eile nicht festgestellt. Tyari deutete  auf  ihre Funkantenne.  Sie wollte mir  zu verstehen 

geben, daß sie ebenfalls keinen Kontakt bekam. Ich nickte ihr zu und zog meine vier Kombistrahler. 

Page 72: Das Ende der Macht

Der  Alarm  war  verklungen.  Dafür  wurde  Getrappel  laut.  Ich erwartete Zyrtonier, aber ich erlebte eine Überraschung. Durch den Gang rannten mindestens zehn bewaffnete Vulnurer auf uns zu. Es mußte hier  also noch weitere Angehörige von Esseris Volk geben, die  für  Null‐Page  arbeiteten.  Ich  war  unsicher,  wie  ich  mich verhalten sollte. Esseri winkte  den Heranstürmenden mit  beiden Armen  freudig 

entgegen.  Sie  nahm  instinktiv  an,  daß  sie  eine  Verständigung erzielen würde. »Vorsicht!«  schrie  Tyari  aus  Leibeskräften.  »Das  sind  keine 

Vulnurer. Es sind Roboter!« In  Sekundenbruchteilen  erkannte  ich  meinen  Irrtum  und  die 

wahren Zusammenhänge. Die Zyrtonier waren von Vulnurer durch eine  genetische Manipulation  schlimmsten  Ausmaßes  entstanden. Sie  bauten  ihre  Roboter  und  sogar  ihre  Raumschiffe  nach  ihrem Körpervorbild.  Diese  Eigenart  hatten  sie  von  ihren  Erschaffern übernommen, von den früheren Vulnurern. Und ganz speziell Null‐Page baute »seine« Roboter ebenfalls nach seinem Vorbild. Esseri verstand nicht, was Tyari telepathisch ausgespäht hatte. Sie 

wollte aus ihrer Deckung in den Gang laufen. Ich  sah, wie die Arme der beiden vorderen Roboter  in die Höhe 

zuckten. Ich sah die Waffen, die fest mit den Gliedmaßen verbunden waren. Meine  Schnelligkeit  hatte  mir  schon  in  so  manchem  Kampf 

geholfen.  Ich  ließ  eine Waffe  fallen,  um  eine Hand  frei  zu  haben. Gleichzeitig  sprang  ich  los  und  feuerte  mit  den  drei  noch verfügbaren Strahlern auf die heranstürmenden Roboter. Glutheiße Strahlen zischten über meinem Kopf in die Decke. Meine  freie  Hand  packte  Esseri  und  stieß  sie  in  ihre  Deckung 

zurück.  Eine  Salve  der  Roboter  traf mich  voll. Das Aggregat  des Schutzschirms  heulte  auf. Die Hitze drang  bis  zu meinem Körper durch,  aber  ich  kam  mit  dem  Schrecken  davon.  Keine  Sekunde später war ich wieder hinter dem Wandvorsprung in der Deckung. 

Page 73: Das Ende der Macht

Tyari  reagierte mit  der  von  ihr  bekannten Ruhe.  Sie  hatte  ihren Kombistrahler  auf  breite  Fächerung  gestellt.  Damit  strich  sie  die Wände  ab, die  sich  in Glut verwandelten. Die Roboter waren  erst einmal gestoppt. Ich blickte zurück, aber von Atlan zeigte sich noch keine Spur. Esseri hatte sich wieder gefangen. Sie unterstützte Tyari mit ihren 

Waffen.  In nur knapp  zwanzig Metern Entfernung  tobten  sich die Energien aus.  Ich hielt mitten  in die Glut hinein, weil  ich dahinter die Roboter vermutete. Plötzlich  lag ein  leises Singen  in der Luft. Die glühenden Wände 

erloschen  schlagartig.  An  ihrer  Stelle  präsentierte  sich  mir  eine graue Metallwand,  die  auch  den  Gang  versperrte. Welche Waffe unsere Gegner hier eingesetzt hatten, war mir ein Rätsel. Ich feuerte noch einmal auf die neu entstandene Wand, aber ich erzielte damit keine Wirkung. »Weg hier!«  Ich winkte den beiden und deutete  in die Richtung, 

aus der wir gekommen waren. Von den Vulnurer‐Robotern zeigte sich im Augenblick keiner. Ein 

paar Trümmer von  ihnen  lagen vor der Absperrung, aber die, die den Kampf überstanden hatten, mußten dahinter sein. »Zurück zu Atlan!« Ich  lief  los.  Tyari  und  Esseri  folgten  mir,  indem  sie  ihre 

Flugaggregate benutzten. Die  Umgebung  schien mir  plötzlich  verändert.  Obwohl  wir  an 

keiner  Abzweigung  vorbeigekommen  waren,  war  der  Gang  nun schmaler. Die Kanten, und Ecken formten sich zu Rundungen. »Eine Falle!«  Ich hielt die beiden Frauen  fest und drückte  sie an 

eine Wand. »Wir nehmen einen anderen Weg.« Ich  feuerte mit  zwei  Impulsstrahlern  in  die  Decke.  Schon  nach 

wenigen  Sekunden  lösten  sich Metallplatten und  stürzten vor uns zu  Boden.  Auch  jetzt  boten  uns  die  Kampfanzüge  einen ausgezeichneten Schutz. Nach zwei weiteren Feuerstößen war eine große  Öffnung  entstanden.  Die  Ränder  glühten  noch,  aber  das 

Page 74: Das Ende der Macht

bedeutete für uns keine Gefahr. »Hinauf!«  Ich  deutete  nach  oben  und  aktivierte  das 

Antigravsystem mit  dem  Flugaggregat. Mit meinen  vier  Händen hatte ich es viel leichter als Tyari und Esseri. Eine Hand brauchte ich für  die  Steuerung,  mit  den  drei  anderen  sicherte  ich  in  alle Richtungen. Der  Raum,  in  den  wir  gelangten,  war  eine  riesige  Halle. 

Beleuchtung gab es keine, aber unsere Helmscheinwerfer erzeugten genügend Licht. Die niedrige Halle war mindestens hundert Meter lang und ebenso breit. In einer Ecke entdeckte  ich eine Treppe, die in  die  Höhe  führte.  Aus  einer  noch  nicht  genau  erkennbaren Öffnung darüber drang Licht.  Sonst war weit und  breit  nichts  zu sehen.  Vermutlich  handelte  es  sich  um  ein  unbenutztes Zwischendeck dieser sicher unterirdischen Anlage. Ich zeigte auf die Treppe und legte damit den weiteren Weg fest. »Was wird  aus Atlan?«  hörte  ich Tyari.  Sie  zögerte. Erst  als die 

Vulnurerin beschleunigte,  folgte sie  ihr.  Ich bildete den Schluß.  Im Flug drehte ich mich auf den Rücken und blickte so über die ganze Halle. Das war  ausschlaggebend dafür, daß wir noch  einmal dem sicheren Tod entgingen. An  mehreren  Stellen  öffnete  sich  der  Boden.  Roboter  des  uns 

schon  bekannten  Typ  schossen  daraus  hervor.  Ich  feuerte  sofort. Dazu  beschleunigte  ich  bis  zu  den  höchstmöglichen Werten.  Die beiden  Frauen  folgten  meinem  Beispiel.  Wir  wurden  mehrfach getroffen, aber die Abwehrschirme hielten die Belastung aus. Die Halle verwandelte sich in ein Gefängnis aus Qualm und Glut. 

Wir  erreichten die Treppe und  glitten  in die Höhe. Esseri  begann sofort damit, den  schmalen Durchgang zu verschmelzen. Sie hatte bei dem ersten Auftauchen der Roboter zwar einen schweren Fehler gemacht, aber danach viel Umsicht und Tatkraft bewiesen. Tyari glitt an mir vorbei, als  ich die Vulnurerin unterstützte. Sie 

warf mir  ein  verzweifeltes  Lächeln  zu.  Ich  konnte mir  vorstellen, daß sie sich Gedanken um Atlan machte. 

Page 75: Das Ende der Macht

Als sich eine schwere Metallplatte löste und den Treppenaufgang fast vollständig versperrte,  flogen Esseri und  ich weiter. Über uns schimmerte Licht. Ich hörte Tyaris erstaunten Ausruf. Sie stand auf festem Boden und streckte einen Arm weit aus. Auch  ich war  verblüfft. Diese  hell  erleuchtete Halle  ließ  sich  in 

ihren  Maßen  gar  nicht  abschätzen.  Die  Decke  war  mindestens fünfhundert Meter hoch. Die  seitlichen Begrenzungen waren nicht zu sehen, denn dicht bei dicht aufgestellte Raumschiffe versperrten die  Sicht.  Bisher  hatten  wir  bei  den  Zyrtoniern  nur  Raumschiffe angetroffen,  die  Zeckenform  besaßen.  Das  LUNGAR  TRON  war eine  Ausnahme  gewesen.  Hier  standen  jedoch  ausschließlich Raumer  eines  Typs,  der  mich  frappant  an  die  GESTERN,  die HEUTE  und  die MORGEN  der  Vulnurer  erinnerten.  Sie  besaßen eine Höhe von 1200 Metern. Die Schiffe  in der Halle waren  jedoch nur  400  Meter  hoch.  Die  Form  war  aber  die  gleiche.  Auf  dem unteren  kegelförmigen  Teil  mit  den  Antriebssystemen  saß  ein breiter,  gedrungener  Zylinder.  Und  auf  diesem  wölbte  sich  eine Halbkugel,  deren  Basisdurchmesser  kleiner  war  als  der  des Mittelzylinders.  Es  gab  keinen  Zweifel  darüber,  daß  hier  eine Verbindung bestand. Ich grübelte noch darüber nach, als mir Tyari zurief, daß sie keine 

intelligenten  Gedanken  telepathisch  erfassen  konnte.  Viel  besagte das  nicht,  denn  4‐Page  Objount  hatte  sich  auch  allen  Telepathen gegenüber verbergen können. Von Katzulla wußten wir allerdings, daß normale Zyrtonier durchaus von den Mutanten erfaßt werden konnten. »Wohin  jetzt?« Essari hatte  ihren Helm zurückgeklappt, um  sich 

besser  verständigen  zu  können.  »Die  Roboter werden  nicht  lange brauchen, um das Hindernis zu überwinden.« »Weiter nach oben«, verlangte Tyari. »Ich  fühle mich hier wie  im 

Innern eines Gefängnisses.« »Es ist bestimmt das Innere von Zyrton«, behauptete ich. Dann fiel 

mein  Blick  auf  das  Raumschiff,  das  dem  Aufgang  am  nächsten 

Page 76: Das Ende der Macht

stand, durch den wir gekommen waren. »Wir bewegen uns weiter in die Höhe«, entschied ich. »Aber zuvor 

möchte  ich  noch  eine  Kleinigkeit  erledigen.  Wir  nehmen  diese beiden Landestützen unter Beschuß, bis der Raumer kippt.« »Verstanden«,  zischte  die  Vulnurerin.  Sie  hatte  meinen  Plan 

durchschaut. Das Schiff würde genau auf die Öffnung fallen und so den  Robotern  die  Verfolgung  ganz  erheblich  erschweren.  Tyari sagte nichts,  aber  sie  eröffnete  sofort das  Feuer.  Ich  folgte  ihr mit meinen  vier  Waffen,  die  ich  diesmal  auf  Desintegratorwirkung geschaltet hatte. Wir hatten wieder Glück  in  letzter Sekunde. Als die Roboter aus 

dem Aufgang quollen, neigte  sich der Koloß zur Seite und  stürzte auf sie nieder. Drei oder vier Maschinen entkamen der Vernichtung, aber bevor sie sich orientieren konnten, hatten wir sie erledigt. Wir glitten zwischen den Raumschiffen in die Höhe. »Weit bis zur Oberfläche kann es nicht mehr sein«, vermutete die 

Vulnurerin.  Sie hatte  ihren Helm noch  immer  geöffnet. Tyari und ich folgten diesem Beispiel. »Raumschiffe versteckt man nicht zu tief im Innern eines Planeten.« »Was weißt  du  von  Planeten?«  fragte  Tyari  zurück.  Ich merkte, 

daß  sie  das weder  als Vorwurf  verstanden  haben wollte,  noch  es besonders  ernst meinte.  In der  hektischen  Situation  brauchte man aber ein Ventil. »Ich weiß es von den Solanern.« Esseri knirschte mit ihren Kiefern, 

was wohl ein Ausdruck des Sarkasmus  sein  sollte. »Die  leben wie wir.  Immer  im Weltraum. Und doch kennen  sie die Planeten und ihre Verhältnisse.« Wir  erreichten die Decke,  aber hier gab  es keine Öffnungen.  Ich 

vermutete  verborgene  Schleusen,  aber  ich  fand  keinen  Hinweis darauf. Daher  zeigte  ich willkürlich  in  eine  Richtung. Wir  setzen unseren Weg  fort.  Ich  lauschte wieder  einmal  in mein  Funkgerät. Das Prasseln war verschwunden, aber Kontakt zu Atlan bekam  ich nicht. 

Page 77: Das Ende der Macht

Weit  unter  uns  erklang  eine  schwere Detonation. Die Ausläufer der Druckwelle waren  zu  spüren,  richteten  jedoch  bei uns  keinen Schaden an. Wir  gelangten  an  eine  seitliche  Begrenzung  der  riesigen  Halle. 

Auch hier  entdeckte  ich  keinen Auslaß  für die Raumschiffe, wohl aber eine sehr flache und breite Tür. »Ein  typischer Durchlaß  für Zyrtonier«, behauptete Tyari. »Mehr 

breit als hoch. Es scheint, wir sind aus dem Domizil Null‐Pages ein Stück in Richtung der Zyrtonier gelangt.« Ich  erwiderte  nichts,  weil  ich  keine  Zeit  verlieren  wollte.  Die 

Raumschiffe  unter  uns  bestätigten  jedenfalls  Tyaris  Vermutung nicht.  Sie  waren  eindeutig  vulnurisch  und  gehörten  für  meine Begriffe  damit  zu Null‐Page. Oder  gab  es  doch  noch  andere Alt‐Vulnurer an diesem Ort? Während ich noch grübelte, schoß ich mit einem fein gebündelten 

Strahl das Schloß aus der Tür. Öffnen ließ sich diese dadurch jedoch nicht. Ich erkannte jedoch, daß das Metall hier sehr dünn war. Daher war es kein Problem, eine Öffnung in die Platte zu schneiden, durch die wir uns bequem bewegen konnten. Der  folgende Raum war  klein  und  rund.  Ich  blickte  nach  oben. 

Auch  wenn  es  sich  hier  um  die  Errungenschaft  einer  fremden Zivilisation  handelte,  war  eindeutig  zu  erkennen,  daß  dies  ein Antigravschacht war. Ich  prüfte  den  Sog,  aber  der war  nicht  vorhanden. Mit  unseren 

Flugaggregaten war das Problem aber zu bewältigen. Ein Zeichen  brauchte  ich meinen  Begleiterinnen  nicht  zu  geben. 

Sie  verstanden  auch  ohne  Worte  und  Gesten,  was  ich  wollte. Hintereinander glitten wir in die Höhe. »Seltsam«,  sagte Esseri. »Es  ist alles beleuchtet, aber niemand  ist 

da. Wir schießen herum wie die Wilden, aber kein Alarm ertönt.« »Sei froh«, grinste Tyari. »Bemerkt haben sie uns bestimmt.« »Woher  nimmst  du  diese  Gelassenheit?«  konnte  ich  mir  nicht 

verkneifen zu fragen. 

Page 78: Das Ende der Macht

»Ich  kann Atlans  Gedanken  verschwommen  aufnehmen.«  Tyari glitt an meine Seite. »Er lebt noch. Wir auch. Das ist doch ein Grund zur Zuversicht.« »Mehr!« verlangte  ich. Der Schacht nahm  immer noch kein Ende. 

Es gab auch keine Abzweigungen. »Mehr?« Tyari brauchte einen Augenblick, um zu verstehen, was 

ich wissen wollte. »Es  sind  keine  konkreten  Gedanken,  Insider«,  antwortete  sie 

bereitwillig. »Hier ist alles voller störender Faktoren. Aber ich spüre Atlan. Wenn mich nicht  alles  täuscht,  so  spricht  er mit Null‐Page, denn dieser Begriff ist oftmals erkennbar.« Der  Schacht  endete unvermutet. Eine kreisrunde Platte, die  eher 

wie Stein als wie Metall aussah, versperrte uns den weiteren Weg. Ich  zögerte  nicht  lange. Meine Waffen  fraßen  ein  Loch  in  das 

Material, das sich sehr leicht auflöste. Eine breite Öffnung entstand. Ich  glitt  hindurch  und  wich  sofort  zur  Seite,  damit  die  beiden Frauen Platz hatten. Die neue Umgebung erfaßte ich in Sekunden. Ich stand in einem Raum, der zur einen Seite mit Glasfenstern den 

Blick  auf  eine Waldlandschaft  bot. Also  hatten wir  die  vermutete Planetenoberfläche  erreicht.  Auf  der  anderen  Seite  erkannte  ich reich  verzierte  Tore,  die  nach  ihren Abmessungen  typisch  für  die Zyrtonier waren. Die anderen beiden Seiten waren verzierte Wände mit  Bildern  und  Symbolen,  in  denen  ich  keinen  Sinn  erkennen konnte. Hinter der Glaswand  tummelten  sich unzählige Zyrtonier. Sie rannten auf und ab und schienen reichlich verwirrt zu sein. Tyari und Esseri waren längst neben mir. Bevor  ich einen Entschluß  fassen konnte, stand plötzlich Parzelle 

vor mir. Er streckte mir einen kopfgroßen Brocken entgegen, den ich automatisch annahm. »Das ist Chybrain«, sagte er. »Die Wasser der ewigen Zeiten haben 

ihn dank Atlans Hilfe  in meine Hände gespült. Paß auf  ihn auf. Er lebt noch. Ich muß zur Lichtquelle und ihr das sagen.« Er deutete auf die Zyrtonier jenseits der Glaswand. 

Page 79: Das Ende der Macht

»Was  ist mit Atlan?«  rief Tyari. Aber Parzelle war  schon wieder verschwunden. »Da entlang!« Ich deutete auf die Ornamenttore. In die Fänge der 

unzähligen Zyrtonier dort draußen wollte ich nicht gelangen. Tyari und Esseri folgten mir ohne Widerspruch. Das Tor, dem wir uns schnell näherten, öffnete sich selbsttätig. Wir 

mußten uns ein wenig bücken, als wir durch die Öffnung traten. Vor uns  lag  ein  Raum,  der  mich  an  das  Parlamentsgebäude  meines Volkes erinnerte, das  ich nach dessen Aussterben gesehen hatte.  In gekrümmten Linien  reihten  sich Liegeschalen aneinander. Auf der gegenüberliegenden  Seite  ragten  zwei Emporen übereinander. Die Wände waren mit Fahnen und Ornamenten verziert. Einige hundert Zyrtonier  lagen  in den Schalen. Sie streckten sich 

in die Höhe und richteten ihre Blicke auf uns. »Ich  spüre  die  Summe  der  Gedanken«,  sagte  Tyari  neben mir. 

»Das  ist der Rat der Pagen von Zyrton. Das  ist die Regierung der Zecken.« Ich  drückte  den  leblosen  Brocken,  der  Chybrain  sein  sollte,  an 

mich.  Was  ich  tun  sollte,  wußte  ich  nicht.  Die  funkelnden Facettenaugen  der  Pagen  schleuderten  uns  unsichtbare  Pfeile abgrundtiefen Hasses  entgegen.  Das  Tor  schloß  sich  krachend  in meinem Rücken. Auf dem untersten Podest bewegten sich mehrere Zyrtonier. Einer 

davon  rief  laut  etwas,  aber  in  dem Durcheinander  der Geräusche konnte mein  Translator  die Worte  nicht  erfassen  und  übersetzen. Aus  seitlichen  Öffnungen  strömten  weitere  Pagen  in  die  große Halle. Zwei Zyrtonier, die in unserer Nähe waren, kamen schnell auf uns 

zu.  Ich  vermutete  einen Angriff,  aber  ich  sah keine Waffen. Dann merkte ich, was diese Pagen interessierte. Sie  liefen  auf  Esseri  zu  und  starrten  sie  schweigend  an.  Drei 

weitere Zyrtonier  folgten diesem Beispiel. Die Vulnurerin drängte sich unsicher in meine Nähe. 

Page 80: Das Ende der Macht

»Was  bist  du?«  fragte  einer  der  Pagen  und  deutete mit  seinen vorderen Extremitäten auf die Vulnurerin. Esseri kam nicht mehr dazu, eine Antwort zu geben. Es war ein 

unsichtbares Fesselfeld, das sich um uns drei legte. Ich wurde gegen Tyari  und  die  Vulnurerin  gepreßt  und war  zu  keiner  Bewegung mehr  fähig. Die Abwehrschirme  unserer Kampfanzüge  reagierten nicht auf diese Fessel. Entweder waren unsere Energien neutralisiert worden  oder  die  Pagen  verwendeten  etwas,  was  die Ortungssysteme nicht registrieren konnten. Gefangen! Und  genau  in  diesem  Moment  sagte  der  leblose  Brocken  in 

meinem unteren linken Arm: »Hallo, Atlan!« Und der Zyrtonier  in meiner Nähe  starrte noch  immer Esseri an 

und meinte sichtlich verwirrt: »Die Ameise aus dem verbotenen Märchenbuch!«   

9.  Ich konnte keinen Blick mehr durch die transparente Wand werfen, hinter  der Chybrain  gefangen war. Auch  von  Parzelle  zeigte  sich keine  Spur.  Der  unsichtbare  Null‐Page  war  da,  aber  die Ortungssysteme meines Kampfanzugs zeigten nichts an. Die  Lichtquelle  meldete  sich  nicht.  Meine  Begleiter  waren 

verschwunden. Ich war allein. Aber  gerade  in  solchen  Situationen wuchs  in mir  ein Wille,  der 

mich bisweilen selbst überraschte. Wo andere resigniert hätten, blieb ich  gelassen.  In  Sekundenbruchteilen  jagten  Erinnerungen  aus meinem  vieltausendjährigen  Leben  durch meinen  Kopf.  Ich  hatte schon  Probleme  gemeistert, die  einem  normalen  Sterblichen  einen Herzinfarkt oder einen geistigen Zusammenbruch beschert hätten. Zumindest Kopfschmerzen! munterte mich der Logiksektor auf. Zu 

Page 81: Das Ende der Macht

den tatsächlichen Geschehnissen enthielt er sich jeden Kommentars. »Du bist nicht Null‐Page«, sagte ich laut, und meine Stimme troff 

vor Ironie und Bissigkeit. »Du bist eine Null. Du wagst es nicht, dein wahres Gesicht zu zeigen.« Vulnurisches Kieferngeklapper schlug mir entgegen. »Du weißt nicht«, hörte  ich, »wen du vor dir hast. Sonst würdest 

du anders sprechen. Du bist ein Relativ‐Unsterblicher, Atlan. Ich bin ein Tatsächlich‐Unsterblicher. Mein Körper  altert nicht. Er braucht keine Nahrung, keinen Schlaf. Und mein technisches System schützt mich vor einer Vernichtung.« Biologisch  ja, warf der Extrasinn schnell ein. Aber  er  ist  so  sterblich wie du oder Tyari. »Die Wasser der ewigen Zeiten werden auch dich hinwegspülen, 

Null‐Page«, sagte ich impulsiv. Parzelles Worte waren mir in diesem Punkt immer ein Rätsel gewesen. »Nein, Geknechteter«, kam es von  irgendwoher. »Die Wasser der 

ewigen  Zeiten  kennst  du  nicht.  Denn  du  kennst mich  nicht.  Die Wasser  waren  einmal  jene,  deren  Kopf  ich  war.  Heute  und  seit vielen tausend Zyrtonumläufen, bin  ich allein der Kopf. Du hast es gewagt, dich mir zu stellen. Diese Tatsache beweist deinen großen Mut und deine grenzenlose Dummheit.  Ich  frage mich  in der Tat, wie du so alt werden konntest.« »Die Antwort  ist  einfach, unsichtbarer Feigling.«  Ich  fühlte  trotz 

meiner  aussichtslosen  Situation  einen  gewissen  Triumph  in  mir. Woher diese Sicherheit kam, wußte ich nicht. »Du bist ein eitler und überheblicher Vulnurer. Du bist ein Fehlprodukt eines guten Volkes. Du bist stark, schlau und erfahren. Aber etwas fehlt dir.« »Was?« »Deine Neugier  bestätigt  deine  Eitelkeit.  Du willst  aus  dir  den 

Nabel des Universums machen. Die Wahrheit  aber  ist, daß du  als klassisches  Beispiel  für  Größenwahn  in  die  Geschichte  eingehen wirst.« Ein Energiefeld preßte meine Arme an den Körper. Reden konnte 

Page 82: Das Ende der Macht

ich noch, aber andere Bewegungen waren unmöglich. »Du  wirst  dir  diese  Unverschämtheiten  abgewöhnen  müssen, 

Atlan.« Der Triumph war überdeutlich. »Zumindest bis zu deinem Tod, den ich hiermit beschlossen habe.« »Jetzt bist du wahnsinnig geworden, Abwasser der ewigen Zeiten. 

Oder machst du mir etwas vor?« Ich  bekam  keine  Antwort.  Die  beiden  verbliebenen  Brocken 

Jenseitsmaterie bewegten  sich unruhig.  Ich deutete das  so, daß  sie wollten,  daß  ich  mich  wehrte.  Daran  dachte  ich  aber  nicht  im Traum.  Meine  Gedanken  bewegten  sich  in  einer  ganz  anderen Richtung.  Der  Erpressungsversuch  mit  Chybrain  war  Null‐Page nicht gelungen. Er sagte das nicht, aber er mußte es gemerkt haben, daß ich mich nicht auf diesen plumpen Druck einließ. Nun brauchte er eine wirkungsvollere Geisel – MICH! Er würde mich also nicht sofort töten! Er brauchte mich. Ich  fühlte, wie mich  das  Energiefeld  bewegte.  Eine  Öffnung  in 

einer Wand  tat  sich  auf. Als  ich  sie  erreicht  hatte,  stand plötzlich neben mir  ein Vulnurer.  Ich kannte dieses Volk nun  lange genug, um auch Altersunterschiede feststellen zu können. Null‐Page wirkte eher wie  ein Neugeborener  denn wie  ein  Fünfzigtausendjähriger. Seine  Kiefer  klapperten,  und  seine  Facettenaugen  blitzten  vor Selbstzufriedenheit. »Wir  gehen  zu  den  Pagen«,  sagte  er.  »Unsichtbar,  das  versteht 

sich. Deine Maske werde ich entlarven.« »Wenn man  dem Wahnsinn  einen  anderen Namen  geben will«, 

antwortete ich mit stoischer Gelassenheit und Ruhe, »dann soll man ihn Null‐Page nennen.« »Du  kannst  lachen,  wenn  du  tot  bist!  Und  mit  dir  dürfen  die 

lachen, die dich geschickt haben, deine Solaner!« Da  befindet  sich  Null‐Page  wohl  in  einem  Irrtum,  bemerkte  der 

Extrasinn völlig zu Recht. Ich  dachte  dabei  an  die  Kosmokraten,  an  das,  was  sie  mir 

mitgegeben hatten und woran  ich mich nicht erinnern konnte.  Ich 

Page 83: Das Ende der Macht

dachte auch an Varnhagher‐Ghynnst, die Raumzone von Vayquost, deren Namen  ich kannte, aber nicht deren Ort. Und  ich dachte an Chybrain, der diese Daten  besaß. Und  an Parzelle, der mit  einem Stück  Jenseitsmaterie  das  seltsame  Ei  aus  Sechsecken  aus  der Gefangenschaft befreien sollte. Ich dachte  auch  an das, was Hage Nockemann  eingeleitet hatte. 

Das Resultat war  ein  Fragezeichen. Nach meiner Zeitbestimmung hätte  sich  die  Spontan‐Mutation  schon  jetzt  bemerkbar  machen müssen.  Mit  Null‐Page  durfte  ich  darüber  nicht  sprechen,  denn sonst  hätte  ich  ihm  noch  eine  Möglichkeit  eingeräumt,  alles abzuwenden. Das  Energiefeld  schnürte mich  ein,  aber  ich  konnte  noch  Teile 

meiner Beine  sehen. Wir glitten durch einen  rohrförmigen Schacht in die Tiefe. Dann standen wir vor einem Gerät, das  ich unschwer als Transmitter identifizieren konnte. Das Ameisenwesen Null‐Page nahm ein paar Schaltungen vor. »Meine  Roboter  zerstören  gerade  deine  dummen  Helfer«, 

erwähnte  er  dabei.  Es  klang  so,  als  ob  jemand  über  das Wetter spräche. »Die  Wasser  der  ewigen  Zeiten  leben,  Null‐Page«,  preßte  ich 

hervor. Auch  die Mundbewegungen  fielen mir  schwer,  denn  das Energiefeld schnürte mich ein. »Sie werden dich hinwegspülen.« Chybrains Visionen konnten keine Phantasie  sein! Darauf stützte 

ich mich in diesen Sekunden. Null‐Page  wurde  unvermutet  wieder  unsichtbar.  Mit  welchen 

technischen Tricks er arbeitete, war mir schleierhaft. Bedeutungslos! bemerkte der Logiksektor. Er wirkte  aufmunternd 

und frei von jeglichen Zweifeln. Ich blickte wieder auf meine Beine. Plötzlich verschwanden auch 

diese. Null‐Page  hatte mich mit  seinen  technischen Möglichkeiten ebenfalls unsichtbar gemacht. Die beiden Brocken  Jenseitsmaterie drückten  in meine Taille. Sie 

behielten  aber  ihre  stumpfe  Farbe,  so  daß  Null‐Page  sie  nicht 

Page 84: Das Ende der Macht

erkennen konnte. Ich  wurde  in  den  Transmitter  geschoben.  Das  Knirschen  des 

Gebisses  des  Alt‐Vulnurers  war  deutlich  zu  hören.  Er  stand unmittelbar neben mir. Die Szene wechselte ganz plötzlich.  Ich stand  irgendwo  in einem 

großen Raum auf einer  seitlichen Erhöhung. Unter mir  tummelten sich viele Zyrtonier. Auf der gegenüberliegenden Seite erkannte ich Tyari,  Insider und die Vulnurerin Esseri, die sich dicht aneinander drängten. Fesselfeld, bemerkte der Extrasinn. »Ruhe!« hörte ich Null‐Page neben mir brüllen. Seine Stimme kam 

gleichzeitig aus allen anderen denkbaren Richtungen zurück. »Ich, euer Herr Null‐Page, bin wieder hier. Während  ihr geträumt habt, habe  ich  gehandelt.  Nun  werdet  ihr  handeln,  damit  die  frechen Eindringlinge erfahren, daß sie nur eins erwartet – der Tod.« In der Halle kehrte Ruhe ein. Dann war da plötzlich eine Stimme in meinem Kopf. Parzelle war  hier.  Er  hat mir  berichtet,  daß  das Nockemann‐Syndrom Erfolge  zeitigt.  Es  wird  nicht  alles  umgreifen,  aber  es  kann  die Wende bringen, wenn Null‐Page  und  seine  tausend  Frevler  geschlagen werden. Fasse dich  in Geduld, Atlant Verzögere! Die Stunde der Wende  ist nah. Die Waagschalen können von allein nicht kippen, aber zusammen werden wir es vielleicht schaffen. »Die Lichtquelle«, murmelte ich. Mein Mut wuchs. Null‐Page  holte  aus,  um  uns  endgültig  zu  schlagen.  Ich  spürte 

seine  Ausstrahlung,  aber  ich  lachte  innerlich  darüber,  so wie  ich jetzt über die Zweifel lachte, die ich zu Beginn dieses Unternehmens hatte. »Die Vulnurer haben die Namenlose Zone nie verlassen«, hörte ich 

einen Zyrtonier  schreien, der  aus  einem benachbarten Raum kam. »Sie haben uns getäuscht.« »Null‐Page macht das. Keine Panik, Pagen von Zyrton.« Der Alt‐

Vulnurer klang immer noch sehr selbstsicher. 

Page 85: Das Ende der Macht

Es gibt noch etwas, das er nicht weiß, flüsterte mir die Lichtquelle zu. Das Nockemann‐Syndrom!   

*  Die  Tore  des  großen  Saales  werden  plötzlich  aufgestoßen. Massenweise strömen Zyrtonier  in die Halle. Die Pagen geraten  in Panik.  Sie wehren  sich mit  Schreien  und  Schlägen. Null‐Page  ist verstummt.  Er  handelt  konsequent,  aber  ich  sehe  nur  die Auswirkungen.  Die  Eingänge  werden  durch  Lähmstrahlen blockiert.  Die  anstürmenden  Zyrtonier  häufen  sich  übereinander und versperren damit die Zugänge. Ich höre ihre Worte. Mein Translator macht Zusammenfassungen, 

weil  in  dem  unbeschreiblichen  Getümmel  einzelne  Sätze untergehen.  Ich  erkenne,  daß  bei  den  Eindringlingen  der Gesinnungswandel der Spontan‐Mutation voll durchgeschlagen hat. Eine  Chance  haben  diese  ersten  Eindringlinge  nicht,  denn  die Schutzmaßnahmen der Ratshalle sind perfekt. Ich  bin  zur  Bewegungslosigkeit  verurteilt.  Ich  kann  nur 

beobachten. Guter, alter Hage! Guter, alter Blödel! Und guter Katzulla, Daug, Borallu! Ihr habt es geschafft. Ich  erkenne  aber  auch,  daß  die  Pagen  nicht  betroffen  sind.  Sie 

scheinen  eine  Immunität  gegen  das  Cyklotropin  zu  besitzen. Roboter  tauchen aus Seiteneingängen auf. Und neben mir knirscht Null‐Page mit seinem Gebiß. Etwa zweihundert Zyrtonier sind in den Saal eingedrungen, ohne 

von den Lähmstrahlen getroffen worden zu sein. Sie formieren sich in  einer Ecke, wo  sie  keine Waffe  erreichen  kann. Einer  aus  ihrer Mitte hat ein Mikrofon. Er spricht. »Pagen!  Frevler! Wir  sind  zurückgeführt  worden  in  das  wahre 

Page 86: Das Ende der Macht

Dasein.  Wir  haben  Nachrichten  darüber,  daß  auf  allen  Welten Zyrtons  diese  Entwicklung  läuft. Das Ordnende wird  siegen. Wir haben uns erkannt. Wir haben die Sünden erkannt, die ihr über uns gebracht  habt. Wir Nicht‐Pagen wissen nun  auch, daß wir  keinen natürlichen  Ursprung  haben.  Unsere  Erzeuger  waren  ein  paar frevelhafte Ameisenwesen von der Art, wie hier eins steht.« Der Sprecher deutet auf Esseri. Ein  Flammenstrahl  bricht  neben  mir  aus  dem  Nichts.  Der 

Zyrtonier  vor  den  Eindringlingen  bricht  zusammen.  Neben  ihm sterben  weitere  Neu‐Zyrtonier,  die  den  Energien  nicht  mehr ausweichen konnten. »Ich allein bestimme, was geschieht!« donnern Null‐Pages Worte 

von allen Seiten auf die Zyrtonier. Die Pagen raffen sich auf und stürzen sich auf die Eindringlinge. 

Was  ich  sehe,  ist  so  niederträchtig,  daß  ich  die  Augen  schließen muß.  Irgendwie muß  in  dem  Gerangel  und  in  dem Morden  ein Fehler passiert sein, denn als ich die Augen öffne, können sich Tyari, Insider und Essari wieder frei bewegen. Die Neu‐Zyrtonier! Der Extrasinn nennt mir den Grund  für diese 

Entwicklung. Meine Freunde ziehen sich in eine Ecke des Saales zurück. Sie tun 

es heimlich und wecken damit nicht Null‐Pages Aufmerksamkeit. Die beiden Brocken Jenseitsmaterie klopfen. Vielleicht könnte eine 

davon mich  aus  der  Fessel  befreien,  die mich  an  jeder  Bewegung hindert. Bestimmt kann sie das. Aber so  ist Null‐Page nicht zu schlagen. Nockemanns Beispiel  ist 

auch jetzt noch für mich die Richtlinie. Schlage den Feind mit seinen Waffen!  Hage  und  Blödel  haben  die  biologische  Manipulation praktisch  neutralisiert.  Die  Zyrtonier werden  sich  nicht  äußerlich ändern  –  aber  innerlich.  Ihre  Geisteshaltung  ist  neu.  Ihre  jetzige Gesinnung  ist  die,  die  sicher  viele  der  Schöpfer  »der Wasser  der ewigen Zeiten« gewollt haben. Mir ist mein Schicksal plötzlich völlig egal. Auch der Auftrag der 

Page 87: Das Ende der Macht

Kosmokraten zählt nicht mehr. Varnhagher‐Ghynnst  ist vergessen. Und die Koordinaten. Nein! peitscht der Extrasinn in mich hinein. Nein! Null‐Page  ist  es  gelungen,  die  Ruhe  im  großen  Saal  wieder 

herzustellen. Die Pagen  strömen aus den Nebenräumen herein. Es sind bereits 800 oder 900 von  ihnen da. Die Eindringlinge sind auf eine Art beseitigt worden, die in mir Ekelgefühle erweckt. Wieder klopfen die beiden Stücke Jenseitsmaterie an. Als der  Saal  sich weiter  beruhigt  hat,  fasse  ich  einen Entschluß. 

Aus meinen Beobachtungen weiß ich ungefähr, wo Null‐Page steht. Der Extrasinn gibt mir weitere Hinweise. Ich schnelle zur Seite, selbst unsichtbar, wie ich bin. Null‐Page soll 

den geplanten und von mir erkannten Triumph nicht haben. Er will mich den Pagen präsentieren. Jetzt präsentiere ich ihn! Ich  pralle  gegen  den  Alt‐Vulnurer,  der  auf  einen  so  simplen 

Angriff  offensichtlich  nicht  vorbereitet war. Damit  stehe  ich  auch vor den Aufnahmeeinrichtungen des Pagensaals. »Pagen!«  sage  ich.  »Hier  spricht  Atlan,  der  Zerstörer  eurer 

frevelhaften  Pläne.  Ich  zeige  euch, wer Null‐Page  ist. Und wie  er aussieht! Schaut her!« Die Worte dröhnen durch den Raum, während mein unhörbarer 

Befehl an ein Stück Jenseitsmaterie geht: »Mach Null‐Page endlich sichtbar!« Gut! höre ich die Lichtquelle. Damit löse ich mich auf. Null‐Page wird sichtbar. Ein Schrei des Entsetzens  jagt durch die 

Reihen der Pagen. Und die Ereignisse überstürzen sich weiter. »Die Kraft der  Stabilität  ist  geschwunden«,  schreit  ein Page, der 

aus einem Nebenraum hereinstürmt. Er meint  damit  das Ungleichgewicht  der Kräfte  des Positiven und  des Negativen, erklärt mir der Extrasinn hilfsbereit. »Die  Futurboje  steht  über  Zyrton«,  ertönt  es  aus  einer  anderen 

Page 88: Das Ende der Macht

Ecke  des  Versammlungssaals.  »Die  Schockfronten  brechen zusammen. Null‐Page! Hilf!« Auf Nimmerwiedersehen, höre  ich die Lichtquelle. Gib meinem Volk, den Vulnurern  und  den Zyrtoniern  etwas mit.  Ich  kann  Jenseitsmaterie nicht benutzen. Dafür wurde ich nicht geschaffen, weil das ordnende Gute die Gewalt verabscheut. Ich habe meine Jenseitsmaterie und mich aufgelöst, um  die  positiven  Impulse  zu  stärken. Das Drama  der Namenlosen Zone darf sich nie wiederholen. Meine Substanz geht auf zum Wohl der Zukunft. Die Namenlose Zone wird sich selbst beseitigen, und du wirst einen Weg gehen, den dir Parzelle …   

10.  Im  gleichen  Augenblick,  als  der  Zentralcomputer  der  Futurboje meldete, daß  er  Funkkontakt  zu  Insider  bekommen  hatte,  erhellte sich Bjo Breiskolls Gesicht. Der Katzer sprang aus seinem Sessel auf und verharrte regungslos. »Still!« zischte er und schloß die Augen. »Es geschehen gewaltige 

Dinge.« Die Solaner und Vulnurer befolgten seine Bitte. Sie hatten erkannt, 

daß der kosmische  Spürsinn des Mutanten voll  erwacht war. Bjos Gesicht zuckte vor Erregung. »Die Lichtquelle!« keuchte er. »Sie ist in unserer Nähe. Sie beginnt 

mit ihrer Selbstzerstörung. Gewaltige Kräfte eilen von ihr aus in den Raum. Die Zyrtonier unternehmen nichts mehr. Auch wir werden nicht mehr verfolgt.« Die  Bilder  auf  den  Sichtschirmen  bestätigten  das.  Die 

Zeckenraumer verhielten  sich abwartend. Einige nahmen Kurs auf die nächsten Planeten, andere drifteten antriebslos durch den Raum. »Die  Spontan‐Mutation.«  Der  Katzer  sprach  abgehackt  und  oft 

ohne Zusammenhang. Die Eindrücke, die  sein  Spürsinn  aufnahm, mußten  sehr  vielfältig  sein.  »Die  Pagen  sind  nicht  betroffen. Das 

Page 89: Das Ende der Macht

Nockemann‐Syndrom und die Kraft der Lichtquelle. Die gewaltigen Anlagen  in  den  äußeren  Planeten.  Die  Schockfronten  brechen zusammen. Die Planeten bersten. Sie  lehnen  sich gegen die Pagen auf. Sie haben ihren Irrtum erkannt.« Breiskoll sank schweißüberströmt in seinen Sessel. »Die Anlagen bersten«, korrigierte er sich. »Das Ungleichgewicht 

der  Kräfte  besteht  nicht mehr.  Die Namenlose  Zone  flackert.  Sie ziehen sich zurück. Die Lichtquelle existiert nicht mehr. Sie hat ihre gesamte  Jenseitsmaterie  preisgegeben.  Termentiers  Geist  ist verweht. Alles ist voll von der neuen Kraft.« Joscan Hellmut dirigierte die Futurboje  in eine Position zwischen 

den  Planeten  Zyrton  und  Persijigg.  Die  zyrtonischen  Schiffe kümmerten sich nicht mehr um die Jagd. Sie kehrten nach und nach alle zu  ihren Heimathäfen zurück. Die Funkverkehre wurden offen durchgeführt.  So  war  es  einfach,  ein  genaues  Bild  der  Lage  zu bekommen. Alle unbewohnten äußeren Planeten des Zyrton‐Systems wurden 

von  schweren  inneren  Explosionen  erschüttert. Die  Schockfronten des Sonnensystems selbst waren verschwunden. Breiskoll bestätigte mit  seinem  Psi‐Sinn,  daß  auch  der  sogenannte  undurchdringliche Wall nicht mehr existierte. Unzählige Sterne wurden sichtbar. Auch hier waren die Schockfronten nicht mehr wirksam. »Es  wurde  wohl  alles  von  den  äußeren  Zyrtonwelten  aus 

gesteuert«,  vermutete  Federspiel.  »Wir  müssen  uns  um  Atlan kümmern. Was hat Insider gemeldet?« Die Futurboje berichtete.   

*  Eine neue Welle von Zyrtoniern drängte in die große Halle. Ich war noch  immer  in  der  Energiefessel  gefangen. Null‐Page  jedoch war verschwunden. Er hatte unbemerkt von mir einen Geheimgang auf 

Page 90: Das Ende der Macht

der oberen Empore benutzt, um sich abzusetzen. Das Gerangel im Saal ließ schnell nach, denn die Pagen suchten ihr 

Heil  in  der  Flucht.  Sie  kletterten  durch  Bodenöffnungen,  die  sich zwischen  ihren  Liegeschalen  kurzzeitig  auftaten.  Die  mutierten Zyrtonier setzten nicht nach.  Ihr Ziel war es, den Saal des Rates  in die eigene Hand zu bekommen. Auch  um mich  kümmerte  sich  keiner.  Ich  sah  aber  Insider,  der 

hinter  einer  Säule  zu mir  in  die Höhe  kletterte.  Tyari  und  Esseri waren  in  heftige Diskussionen mit den Zyrtoniern  verwickelt.  Ich konnte mit meinen Blicken dem Kowallek nicht mehr  folgen, hörte aber Schüsse  in meinem Rücken. Dann war  ich plötzlich  frei, und Insider tauchte neben mir auf. »Sie starten mit der Flotte, die wir beobachtet haben«, sprudelte er 

hervor. Ich verstand nicht, was er meinte. Erst als er kurz berichtete, daß  er  auf  dem Weg  zum  Saal  der  Pagen  eine  riesige  Flotte  im Planeteninnern von Zyrton gesehen hatte, verstand ich seine Sorge. Ich  bekam  sofort  Funkkontakt  mit,  Bjo  Breiskoll  und  der 

Futurboje.  Das  Schiff  stand  wenige  Lichtsekunden  von  Zyrton entfernt und registrierte etwa 500 Raumschiffe. »Sie werden alles zerstören«, stöhnte der Mutant. »Ich erahne es. 

Sie haben verloren, aber sie wollen sich rächen. Der erste Angriff auf die Futurboje steht bevor.« Insider stieß einen Fluch aus. Gib mir die Jenseitsmaterie! hörte ich eine leise Stimme. »Chybrain«,  sagte  der  Grüne  und  deutete  auf  den  grauen 

Klumpen,  den  er  unter  einem  Arm  hielt.  »Parzelle  hat  ihn herausgehauen.« Breiskoll  unterrichtete  mich  unterdessen  über  seine  weiteren 

Beobachtungen. Daß die Lichtquelle nicht mehr existierte, berührte mich seltsam. »Die  Pagen  formieren  sich  zum Angriff«,  schrie  Breiskoll.  »Wir 

haben keine Chance und müssen fliehen.« Plötzlich stand Parzelle neben mir. Er wirkte noch durchsichtiger 

Page 91: Das Ende der Macht

als zuvor. »Es  geht mit mir  zu Ende«,  erklärte  er  ohne Bedauern.  »Richtig 

gelebt  habe  ich  sowieso  nicht.  Du  solltest  Chybrain  die  restliche Jenseitsmaterie geben. Er braucht sie dringend.« »Nützt  uns  das  noch  etwas«,  fragte  ich  zurück,  »wenn  die 

verrückten Pagen uns angreifen?« »Nein«, gab Parzelle zu. »Die muß jemand anders schlagen.« »Wer?« »Die SOL, die GESTERN, die HEUTE und die MORGEN.« »Die SOL ist weit weg und jenseits der Namenlosen Zone.« »Irrtum, Atlan.«  Parzelle  feixte.  »Es  gibt  keine Namenlose Zone 

mehr. Auch Breiskoll wird das gleich spüren. Während ihr euch das Gerangel  der  Zyrtonier  angeschaut  habt,  habe  ich  Breckcrown Hayes  informiert. Auch die Vulnurer wissen Bescheid. Sie werden alle gleich hier sein, denn Zyrton fällt in der Nähe von Bars‐2 in das Universum  zurück. Du  brauchst  dich  nicht  um  diesen  Kampf  zu kümmern. Du hast eine andere Aufgabe. Die Gerechtigkeit verlangt, daß  Null‐Page  gestellt  wird.  Er  befindet  sich  in  seinem unterirdischen Reich.« Bitte, gib mir die Jenseitsmaterie! Chybrains Flehen wurde  immer  lauter. Du  kannst dann  auf meine Hilfe gegen Null‐Page zählen. Ich bin zwar noch sehr schwach, aber … »Sonst hast du mir nichts anzubieten?« fragte ich. Doch,  doch!  Du  bekommst  selbstverständlich  die  Koordinaten  von Varnhagher‐Ghynnst. Ich gebe sie dir sofort. Kosmische  Daten  entstanden  in  meinem  Gehirn,  Bezugspunkte 

zur  heimatlichen Milchstraße  und  zu  anderen  Galaxien. Mir war plötzlich, als hätte ich die Koordinaten immer besessen. Ich gab die Anweisung an die Jenseitsmaterie, sich zu Chybrain zu 

begeben.  Dies  geschah.  Das  eiförmige  Wesen  glättete  seine Oberfläche  und  leuchtete  schwach  auf. Dann  glitt  es  aus  Insiders Arm. Kommt! forderte Chybrain uns auf. 

Page 92: Das Ende der Macht

Er  schwebte  zur  rückwärtigen Wand.  Insider,  Parzelle  und  ich folgten ihm. Ich unterrichtete Tyari über Funk von unserer Absicht. Kurz  darauf  meldete  sich  Bjo  Breiskoll  erneut.  Er  hatte  die Auflösung der Grenzen der Namenlosen Zone festgestellt. Was aber viel wichtiger war, war  die  SOL.  Sie  raste  in  das  Zyrton‐System, dicht  gefolgt  von  den  drei  Schiffen  der  Vulnurer.  Die  Beiboote wurden ausgeschleust. Wir eilten durch einen  schmalen Gang  in die Tiefe des Planeten, 

bis wir an einen Antigravschacht gelangten. Er war abwärts gepolt. Chybrain  glitt  sofort  hinein,  und  wir  folgten  ihm.  Seine Körpersubstanz erholte sich zusehends. »Die Pagen geben nicht auf«, hörte  ich Breiskoll von der Schlacht 

im Zyrton‐System  berichten.  »Sie  kämpfen  bis  zum  letzten Mann, aber sie haben keine Chance.« Wir  erreichten  den  Boden  des  Schachtes.  Ein  Tor  führte  in  eine 

riesige Halle, in der ein umgestürztes Raumschiff lag. »Hier war  ich  schon«,  sagte  Insider.  »In  dieser Halle  stand  die 

Flotte der Pagen. Bei dem zerstörten Raumschiff geht ein Weg in die Tiefe. Dort irgendwo muß Null‐Page sein.« Wir  flogen  mit  den  Aggregaten  auf  das  Wrack  zu.  Parzelle 

bewegte  sich  in  kurzen  Teleportationssprüngen.  Die  Roboter,  die Insider  gefolgt waren,  hatten  ein  riesiges  Loch  in  das Raumschiff und in den Boden gesprengt. Der Weg war frei. Vorsicht! warnte der Extrasinn. Null‐Page gibt nicht kampflos auf. Niemand  stellte  sich  uns  in  den Weg.  Es  gab  keine  Fallen  und 

keine Roboter. Wir erreichten unbehelligt den Raum, in dem wir zu Beginn der Aktion aufgetaucht waren. Null‐Page hockte in einem Sessel und starrte uns an. Er hob seine Hände, um uns zu zeigen, daß er keine Waffen besaß. Vorsicht! warnte der Extrasinn noch einmal. »Du brauchst nicht auf dein zweites Bewußtsein zu hören«, sagte 

der Alt‐Vulnurer. »Ich werde mich nicht wehren. Meine Kontrollen zeigen, daß alles zerstört ist. Die Namenlose Zone hat sich aufgelöst. 

Page 93: Das Ende der Macht

Die  Sterne  sind  in  das  normale  Universum  gefallen.  Die Schockfronten existieren nicht mehr. Mein Plan ist gescheitert. Es ist nur richtig, wenn ihr mich tötet. Leider ist das jedoch unmöglich.« Er  langte auf den Tisch vor  sich und nahm eine kleine Waffe an 

sich. Er hielt sie sich vor die Brust. »Ich besitze die Unsterblichkeit, die die Emulatoren hatten, nur in 

besserer Form. Nichts und niemand kann mich töten. Nur ich selbst kann es.« Ich war  nah  dran,  diesem Unhold  alles  zu  verzeihen,  damit  er 

nicht  sterben  mußte.  Welche  Kenntnisse  hätten  wir  von  ihm bekommen  können!  Er  hatte  sich  auf  die  Seite  der  chaotischen Mächte,  der  Brutalität  und  der  Gewalt  gestellt,  aber  er  war  ein außergewöhnlich befähigtes Wesen. »Genie und Wahnsinn grenzen oft dicht aneinander«,  fuhr Null‐

Page  fort.  Dann  drückte  er  ab.  Der  Flammenstrahl  hüllte  seinen Körper ein, verletzte ihn jedoch nicht. »Ihr seht, Sterbliche, daß es so nicht geht.« Er erhob sich und öffnete eine Platte an einem Steuerpult. »Was macht er da?« fragte Insider. Eine  Selbstzerstörungsanlage  für  die  unterirdischen  Systeme,  erklärte 

Chybrain. »Ihr habt genügend Zeit«, wandte sich Null‐Page wieder an uns, 

»um von hier zu verschwinden. Hier wird alles vernichtet, aber bis zur Oberfläche werden die Zerstörungen nicht gelangen. Geht und lebt wohl.« Ich  zögerte  noch,  als  ich  sah,  wie  sich  Null‐Page  in  einer 

Willensanstrengung  krümmte.  Dann  begann  er  mit  rasender Geschwindigkeit  zu  altern.  Er  stieß  noch  ein  kurzes  hysterisches Lachen aus, dann fielen die Reste seines Körpers als Staub zu Boden. »Wir gehen«, sagte ich. »Es gibt hier nichts mehr zu tun.«   

Page 94: Das Ende der Macht

 Wir saßen in der Messe im Mittelteil der SOL. Auch Parzelle war da, aber er war nur noch ein flüchtiger Schatten. Ich hörte mir an, was Breckcrown zu berichten hatte. Er sah übel aus, der Solaner, aber ich dachte mir, daß er noch ein paar Jahre durchhalten würde. SENECA  verfügte  auch  wieder  über  die  Koordinaten  von 

Varnhagher‐Ghynnst. Ich hatte sie ihm nicht mitteilen müssen. Das Wissen  darum  war  urplötzlich  wieder  in  ihm  gewesen.  Er behauptete, daß er wisse, daß er die Daten  lange Zeit nicht gehabt hatte, aber dennoch aus  seinen Speichern erkennen könnte, daß er sie nie hergegeben hatte. Chybrain gab auf meine Fragen hierzu keine Erklärung ab. Die Schiffe der tausend Pagen waren vernichtet worden. Sie hatten 

den  Kampf  und  den  Tod  gesucht.  Die  SOL  hatte  keine  Verluste erlitten. Über Bildfunk waren wir mit den Vulnurern verbunden. An Bord 

der  drei  Schiffe  befanden  sich  auch  schon  Zyrtonier,  um  die endgültige  Versöhnung  mit  den  Vulnurern  zu  bekräftigen. Lichtquelle‐Jacta teilte uns mit, worin sie ihre neue Aufgabe sah. Es galt,  für  die  vielen  Völker  der  ehemaligen Namenlosen  Zone  die Weichen  für  die  Zukunft  zu  stellen.  Es  würde  noch  genügend Reibereien geben, bis sich diese Völker an ihr neues Dasein gewöhnt hatten und die verbliebenen Aggressionen verweht waren. Unser Abschied von den Vulnurern stand bevor, denn das Ziel der 

SOL hieß Varnhagher‐Ghynnst. Feiern wollte eigentlich niemand so recht, denn letztlich waren wir 

uns alle darüber im Klaren, daß wir zwar viel Positives in unserem Sinn erreicht hatten, aber auch unzählige Opfer dafür hatten bringen müssen. Ich  verließ  die  Versammlung  und  bat  auch  Tyari, mir  nicht  zu 

folgen.  In meiner Kabine wartete Chybrain. Er hatte mich um  ein Gespräch gebeten. Er leuchtete noch immer sehr schwach, als ich eintrat. 

Page 95: Das Ende der Macht

»Wir  sind  allein«,  begrüßte  er  mich  auf  normalem  akustischen Weg.  »Das  ist  gut.  Ich  habe  dir  zu  danken.  Wenn  ich  die Jenseitsmaterie nicht bekommen hätte, wäre ich verendet. Wenn du nicht nach Zyrton gekommen wärst, wäre ich in der Gefangenschaft Null‐Pages gestorben.« Ich hockte mich auf einen Hocker und betrachtete das seltsame Ei, 

dem ich eigentlich mehr zu danken hatte als es mir. Er verdankt dir in jeder Hinsicht seine Existenz, merkte der Extrasinn 

an. »Ich dachte, er verdankt sie dir«, antwortete ich lächelnd. Ich bin du. Und du bist ich. »Wenn  ihr  fertig  seid«, kam  es von Chybrain, »dann möchte  ich 

noch etwas sagen.« »Sprich!« »Es ist traurig, aber wahr. Ich habe versucht, die Anerkennung der 

Kosmokraten zu gewinnen. Ohne mich wäre die Namenlose Zone noch jetzt ein Ort des Schreckens und der immerwährenden Gefahr für  alle  Völker.  Aber  die  Kosmokraten  haben  sich  nicht  bei  mir gemeldet. Der Makel  eines Bastards  klebt weiter  an mir.  Ich habe versagt. Ich habe alles falsch gemacht. Ich gehe. Was ich brauche, ist die Einsamkeit.« »Jetzt  sind  alle  Probleme  beseitigt«, widersprach  ich  vorsichtig. 

»Und da willst du uns verlassen?« »Ja.« Er  schwebte  in die Höhe und  kam  auf mich  zu.  »Ich muß 

weiter  reifen. Es gibt  irgendwo eine Sonne namens Gumb, um die ein Planet kreist, der  Jukka genannt wird. Das  ist der Ort, an dem ich  Katzulla  traf,  der mich  besiegte. Der  alte  Kennery  lebt  sicher noch. Er wird sich über meine Rückkehr freuen, und ich werde das Gejaule der Kauzunde genießen und an euch denken.« Er ließ mir keine Möglichkeit des Einwands. »Sehe ich dich wieder, Chybrain?« war meine letzte Frage. »Nein, das glaube ich nicht.« Er  verschwand  durch  die Wand.  Ich  hockte  eine Weile  da  und 

Page 96: Das Ende der Macht

sinnierte über alles nach. Dann berührte mich etwas. Parzelle stand neben mir. »Er  ist von den Wassern der ewigen Zeiten an neue Ufer gespült 

worden«,  sagte  der  Durchsichtige.  »Meine  Existenz  ist  zu  Ende. Ohne  Termentier  und  die  Lichtquelle  kann  ich  nicht  länger bestehen. Lebe wohl!« »Warum verlaßt ihr mich alle?« Ich schüttelte den Kopf. »Die Wasser  der  ewigen Zeiten, Atlan.«  Parzelles Gesicht  nahm 

noch einmal feste Formen an. »Sie spülen alles weg, aber sicherlich nicht  dich.  Ich  habe  erfahren,  daß  die  Kosmokraten  dich  noch brauchen. Du  bist  ein Auserwählter der Mächte  aus dem  Jenseits. Chybrains  Visionen  werden  in  dir  verblassen,  weil  sie  dich  nur belasten würden. Der Kleine hat das  so gewollt. Und daran hat er recht  getan.  Auf  dich  wartet  in  Varnhagher‐Ghynnst  eine  neue Aufgabe. Aber das  ist nicht alles. Für  ein  eigentlich untätiges und unbewegliches  Orakel  bist  du  den  Kosmokraten  zu  schade.  Ich denke, dein Weg ist noch weit.« »Du hast mit den Kosmokraten gesprochen?« staunte ich. »Nein, Atlan.«  Parzelle  schüttelte  seinen Kopf.  »Sie  haben mich 

etwas wissen lassen, aber ich verstehe es selbst nicht.« »Was haben sie dich wissen lassen?« Meine Neugier war erwacht. »Du  hast  alle  Bewährungen  bestanden.  Du  bist  reif  für  eine 

Aufgabe,  die  den  Kosmokraten  mehr  Kummer  bereitet,  als  sie vertragen. Das Universum ist voller Wunder. Und der ewige Kampf der  Mächte  des  Chaos  mit  denen  der  Ordnung  wird  so  lange andauern wie die Wasser der ewigen Zeiten fließen. Sie werden dich an ein Ufer spülen, an dem du noch nie gewesen bist. Und du wirst die Gefahr erleben, die jede Vorstellung übertrifft.« Parzelle löste sich vor meinen Augen auf. Ich wußte nicht, was ich von seinen Worten halten sollte. »Varnhagher‐Ghynnst«, sagte ich. »Wir kommen!« 

ENDE  

Page 97: Das Ende der Macht

 Liebe Freunde! Der Band, dessen Lektüre Sie  eben beendet haben, brachte den Abschluß des großen Atlan‐Zyklus DIE ABENTEUER DER SOL. Es  geht  weiter  in  der  nächsten Woche  mit  dem  Zyklus  von  Atlans  neuer Mission IM AUFTRAG DER KOSMOKRATEN. Unser  Held  wird  aus  einem  Leben  als  Orakel  von  Krandhor  entfernt  und versetzt in den Hexenkessel Alkordoom …  HEXENKESSEL ALKORDOOM – so lautet auch der Titel des Atlan‐Bandes 675, der von Peter Griese geschrieben wurde.