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(Aus dem Pathologisehen Institut der Universit~t t~ostoek. -- Direktor: Professor Dr. W. Fischer.) Das Gesetz des Wachstums in konstanten Proportionen (Heidenhain) in Beziehung zum Krebsproblem% Von Walter Sehmitz. Mit 3 Textabbildungen. (Eingeganffen am 2. November 1934.) Wie Heidenhain auf Grund zahlreicher Messungen zeigen konnte, schlieI~t die Kernplasmaregel R. Hertwigs ein Gesetz des Wach~tums in konstanten Proportionen in sich ein. Bezeichnen wit die Kernmasse als MK und die Plasmamasse als MP, so l~gt sich dieses Gesetz durch den MK konstanten Quotienten M-P ausdriicken. Geht das Wachstum durch Vermehrung vor sich, indem sich die Zellen dutch Mitose teilen, so be- tr/tgt die Summe der beiden Tochterzellen, da beide die urspriingliche Gr6Be der Mutterzellen haben und da die Kernplasmarelation konstant 2 MK b]eibt, 2 MP " Teilen sich die Tochterzellen weiter, so erhMt man fiir die 4 MK 8 MK n/tchste Generation den Quotienten ~ , fiir die folgende ~ usw. Erfolgt das Wachstum durch VergrSfierung, indem sich die Kerne durch Amitose teilen, das Cytoplasma aber ungeteilt bleibt, so entsteht eine Zelle, deren Kerne beide so grog sind wie der Kern der Mutterzelle, deren gemeins~mes Cytoplasma jedoch die doppelte Gr61~c besitzt. 2 MK Es resultiert mit anderen Worten ein Gebilde vonder Formcl- 2 MP " Das gleiche ist schlieglich der Fall, wenn sich eine Zelle durch ,,inhere Teilung" ohne Kern- oder Cytoplasmateilung vergr6Bert. Auch hierbei 2 MK resultiert eine Zelle yon der Formel 2 M~ " "Wir haben also bei rhyth- misch erfolgenden Teilungssehritten nicht nur im allgemeinen ein Wachstum in konstanten Proportionen, welches ausdriickbar ist durch MK den konstanten Quotienten ~p-, sondern wir haben den Spezialfall, dag der vorhandene Gesamtbetrag an Kern- und Zellsubstanz yon einer Generation zur anderen sich jedesmal verdoppelt, oder mit anderen Worten: wit gelangen fiir die aufeinanderfolgenden Generationen zu der * 1. Mitteilung tiber ,,das Gesetz des Waehstums in konstanten Proportionen (Heidenhain) in der Pathologic" yon Privatdozent Dr. Wilhelm Ehrieh.

Das Gesetz des Wachstums in konstanten Proportionen (Heidenhain) in Beziehung zum Krebsproblem

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Page 1: Das Gesetz des Wachstums in konstanten Proportionen (Heidenhain) in Beziehung zum Krebsproblem

(Aus dem Pathologisehen Institut der Universit~t t~ostoek. - - Direktor: Professor Dr. W. Fischer.)

Das Gesetz des Wachstums in konstanten Proportionen (Heidenhain) in Beziehung zum Krebsproblem%

Von W a l t e r Sehmitz.

Mit 3 Textabbildungen.

(Eingeganffen am 2. November 1934.)

Wie Heidenhain auf Grund zahlreicher Messungen zeigen konnte, schlieI~t die Kernplasmaregel R. Hertwigs ein Gesetz des Wach~tums in konstanten Proportionen in sich ein. Bezeichnen wit die Kernmasse als M K und die Plasmamasse als M P , so l~gt sich dieses Gesetz durch den

M K konstanten Quotienten M - P ausdriicken. Geht das Wachstum durch

Vermehrung vor sich, indem sich die Zellen dutch Mitose teilen, so be- tr/tgt die Summe der beiden Tochterzellen, da beide die urspriingliche Gr6Be der Mutterzellen haben und da die Kernplasmarelation konstant

2 M K b]eibt, 2 M P " Teilen sich die Tochterzellen weiter, so erhMt man fiir die

4 M K 8 M K n/tchste Generation den Quotienten ~ , fiir die folgende ~ usw.

Erfolgt das Wachstum durch VergrSfierung, indem sich die Kerne durch Amitose teilen, das Cytoplasma aber ungeteilt bleibt, so entsteht eine Zelle, deren Kerne beide so grog sind wie der Kern der Mutterzelle, deren gemeins~mes Cytoplasma jedoch die doppelte Gr61~c besitzt.

2 M K Es resultiert mit anderen Worten ein Gebilde v o n d e r F o r m c l -

2 M P " Das gleiche ist schlieglich der Fall, wenn sich eine Zelle durch ,,inhere Tei lung" ohne Kern- oder Cytoplasmateilung vergr6Bert. Auch hierbei

2 M K resultiert eine Zelle yon der Formel 2 M ~ " "Wir haben also bei rhyth-

misch erfolgenden Teilungssehritten nicht nur im allgemeinen ein Wachstum in konstanten Proportionen, welches ausdriickbar ist durch

M K den konstanten Quotienten ~ p - , sondern wir haben den Spezialfall, dag

der vorhandene Gesamtbetrag an Kern- und Zellsubstanz yon einer Generation zur anderen sich jedesmal verdoppelt, oder mit anderen Worten: wit gelangen fiir die aufeinanderfolgenden Generationen zu der

* 1. Mitteilung tiber ,,das Gesetz des Waehstums in konstanten Proportionen (Heidenhain) in der Pathologic" yon Privatdozent Dr. Wilhelm Ehrieh.

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Das Gesetz des Wachstums in konstanten Proportionen (Heidenhain), 373

M K 2 M K 4 M K 8 M K Reihe M P ' 2 M P ' 4 M P ' 8 M P usw., deren Glieder einerseits in sich

sdbst einc kons tante Propor t ion zwisehen Kern und Zelleib, anderersei ts

unter sieh vergliehen eine sich wiederholende Zunahme von Kern- und Zellplasma naeh dem kons tan ten Verh~Itnisse yon 1 :2 zum Ausdruck

br ingen" (Heidenhain 1925).

Die Gfiltigkeit des Heidenhainsehen Gesetzes ist in der Fo]gezeit wiederhol t bests worden. Ieh nenne nur die Arbe i ten yon Jacobi, Clara, Voss und G. Hertwig. Alle diese Autoren haben jedoeh nur ein

in normalen Propor t ionen wachsendes Mater ial untersucht , w~hrend

Geschwiilste, insbesondere Carcinome und Sarkome, bisher offenbar i iberhaupt noeh nicht un te rsucht worden s l n d Teh bin_ d_aher sehr gern

der Anregung Dr. Ehrichs gefolgt, zunitehst e inmal die Propor t ionen

beim Carcinom, und zwar beim Zungeneare inom festzustel len. Ieh habe

zuerst 6 gesunde Zungen un te rsucht und im Ansehlul3 daran 5 Zungen-

eareinome.

Material und Methode.

Die normalen Zungen wurden dem Sektionsmaterial, die Zungencareinome der Operationsmaterialsammlung des Rostoeker Pathologisehen Instituts ent- nommen. Alle Pr~tparate wurden in Formalin fixiert. Zwei Pr~parate wurden in Paraffin eingebettet, alle tibrigen gefriergeschnitten. Die Schnitte wurden mit H~matoxylin-Eosin bzw. Eisenhi~matoxylin gef~rbt.

Zur Messung der Kerngr6~en bediente ich reich des Zeichenprojektions- apparates nach Edinger yon der Firma Winkel-Zeiss-GSttingen.

Die Kerne wurden 1675fach vergr6Bert, auf Papier projiziert und ihre Um- risse mit Blei naehgezeiehnet. Um ihre Gr5~e zu erreehnen, wurden die beiden gr6gten senkrecht aufeinander stehenden Durchmesser bestimmt. Sodann wurden

4 z naeh der Kugelform ~-rSu die Kernvolumina errechnet. Da nun ~- ann~hernd

gleich 1 ist, und 4 r = der Summe der beiden jeweilig senkrecht aufeinander stehenden gr6gten Kerndurchmesser, so kommt man, wenn man 4 r ~ T setzt, zu der einfachen Formel V -- T ~*. Stell~ man nun die gefundenen Zellwerte, also die Anzahl der Kerne und die bereehneten GrSBen der Kernvolumina in Kurven- form dar, indem die Kernvolumina in die Abszisse, die Anzahl der Kerne der betreffenden Zellklasse in die Ordinate eingetragen werden, so kommt man zu Hiiu/iglceitsmaxima, welche die am h~ufigsten vorkommenden Zellgr6Ben dar- stellen. Es ist selbstverstandlich, dab trotz angestrebter Genauigkeit der angewandten Methode M~ngel anhaften, denn die Kerne stellen ja keine genauen geometrisehen Figuren dar. Die Fehler werden aber, wie auch meine Zahlen zeigen, bei entspreehender Gr6ge des Zahlenmaterials einiger- maven kompensiert.

Die in den Tabe]len angegebenen Werte sind nicht die wirklichen, sondern sind, wie bereits erw~hnt, bei 1675faeher Vergr5Berung nach der Formel V = T a errechnet. Um die wirklichen Werte zu erhalten, sind die Volumina durch 1675 • 16 zu dividieren.

* U m das wirkliche Volumen zu erha]ten, muB T a durch 16 dividiert werden.

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374 W. Schmitz: Das Gesetz des Wachstums

Ergebnisse. I. Die Kerngr6[Je des Epithels normaler Vorderzungen.

PrSparat 1: 78j~hrige Frau. Hauptkrankheit: Oberschenkelfraktur; Todes- ursache: Bronchopneumonie; Fixierung in Formalin; Gefrierschnitte; F~rbung mit H~matoxylin-Eosin.

Histologische Untersuchung. Das Epithel d er Zungenspitze ist gut entwickelt. Die oberflgchlichen Schichten

sind an den meisten Stellen gut verhornt. Stellenweise finden sich erhebliche Leukocyteninfiltrate sowohl im Epithel a]s auch im Bindegewebe.

Priiparat2: 70jghriger Mann. Todesursache: Kleinhirnapoplexie; Fixierung in Formalin; Gefrierschnitte; Fgrbung mit Eisenhamatoxylin.

Histologische Untersuchung. Das Zungenspitzenepithel ist m~Big stark entwickelt und nicht verhornt.

Sowohl das Epithel als auch das subepitheliale Bindegewebe, wie auch die an- schlieBende Muskulatur sind yon zahllosen Leukocyten durchsetzt.

Priiparat3: 64jahrige Frau. Todesursache: Miliar-Tbc.; Fixierung in For- malin; Gefrierschnitte; F~rbung mit H~matoxylin-Eosin.

Histologische Unter~uchung. Das Epithel der Zungenspitze ist yon mittlerer Dicke und nicht verhornt.

Das subepitheliale Bindegewebe ist diffus von zahllosen Leukocyten durchsetzt.

Pr~iparat 4: 71j/~hriger Mann. Todesursache: Rectum-Ca.; Fixierung in For- malin; Gefrierschnitte; F~rbung mit H~matoxylin-Eosin.

Histologische Untersuchun 9. Das Epithel der Zungenspitze ist gut entwickelt. Die oberen Schichten sind

iiberall verhornt. Im subepithelialem Bindegewebe treten nur geringfiigige Leuko- cyteninfiltrate auf.

Prdiparat 5: 37jghriger Mann. Todesursache: Kleinhirntumor; Fixierung in Formalin; Paraffinschnitte; gef~rbt mit Hgmatoxylin-Eosin.

Histologische Untersuchung. Das Epithel der Zungenspitze ist gut ausgebildet und nur sehr wenig verhornt.

In den bindegewebigen Papillen befinden sich geringfiigige Infiltrate. In den Venen des subepithelialen Bindegewebes finden sich hier und da einige frische Thromben.

Priiparat 6: 48j~hrige Frau. Todesursache: Py~mie; Fixierung in Formalin; Paraffinschnitte; gef~rbt mit tf~matoxylin-Eosin.

Histologische Untersuchung. Das Zungenepithel ist recht gut entwickelt. Die Papillae filiformes sind stark

verhornt. In den bindegewebigen Papillen finden sich stellenweise erhebliche Infiltrate.

Die Zahl der gemessenen Kerne geh t aus Tab. 1 hervor . Da sich die Basalzel lenschicht und die mi t t l e re Ep i the l l age bei normalen Zungen gu t un te rsche iden lassen, habe ich diese beiden Schichten gesonder t

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in konstanten Proportionen (Heidenhain) in Beziehung zum Krebsproblem. 375

Tabe l le 1. Die Zahl der gemessenen Kerne, die gefundenen Hgufigkeitsmaxima der Kernvolumina und die geometrischen geihen mit den entsprechenden Anfangs- gliedern (Kursiv gedruckt) bei gefriergeschnittenen und in Paraffin eingebetteten

normalen Vorderzungen.

Zahl der gemessellen Gefundene ttiimfigkeits- Keme yon maxima Geometrische Iteihe

Alter Ge- Zellen der sehlecht Basal- mittleren V~ V2 V~ aq ~ aq ~ aq 2

zellen Schieht I

78 70 64 71

37 48

273 318 302 351

257 280

305 287 303 329

263 271

Gef r i e r s chn i t t e : 12572 25031 ] 12572 25144 10288 23769 47640]11884 23 769 10288 21372 10288 20576 10648 22550 10648 21296

Pa ra f f i n schn i t t , e:

1 7 7 0 0 3 2 0 1 2 5 5 9 6 9 1 1 6 0 0 6 3 2 0 1 2

47538

64024 91392

gemessen und die erhal tenen Werte in den folgenden K u r v e n neben- e inander eingezeiehnet. Von einer Messung der Kerne der oberen Epi thelschicht wurde abge- sehen, da sich diese bekannt - ]ich im Untergang befinden.

Wie aus Abb. 1 hervor- geht, s t immen die yon mir gefundenen Var ia t ionskurven der Kerne der 4 ge/rierge- schnit tenen Pr/~parate weit- gehend mi te inander iiberein. Vergleicht m a n die H~ufig- ke i t smaxima mi t den Wer~en geometrischer Reihen mit den entsprechenden Anfangsglie- darn (in der Tabelle Kur s iv gedruckt) , so zeigt sich nur eine Abweichung von durch- schnit t l ich 5 %, also pmkt i sch vSllige 13bereinstimmung (Tab. 1). Aus diesen Befun- den geht mi t gro6er Deutlich- keit hervor, daft die Kern- gr6flen des Epi the t s normaler Vorderzungen weitgehend mi t .

::-/."' i,,i..1111 1oi IAil I i:x ~/,,I/ I I~ ~J I I .LAiI~I l lill~/] I L~L--, I I .li/gll;~k~l I ~ I I

0 5 10 15 20 25 30 35 ~0 q5 50 55 Volumeneinh~/en

Abb. I. Yariationskurven der Ke~ivolumina der Basalzellenschicht und der mittleren Epithellage der u bei Prlt!aarat~ 1--4. Pr~laarat 1 . . . . . ; ]?rhparat 2 . . . . . . . . ; Pr~parat 3 . . . . . . . . . . ;

I'ri~parat 4 ............ .

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376 W. Schmitz: D~s Gesetz des Wachstums

einander i~bereinstimmen und daft sich ihre GrSfie nach dem Heidenhain- schen Gesetz d e s Wachstums in konstanten Proportionen richtet. Die Kerne der mittleren Epithelschicht sind meist doppelt so groB wie die der Basalzellenschicht. Gelegentlich werden aber auch Kerne beob- achtet, welche die 4fache Gr6ge besitzen. Wir ]c6nnen somit beim Epithel der Vorderzungen zwei Klassen von ,,Regelzellen", d. h. Zell]classen, die in dem betre//enden Gewebe am hdu/igsten vorlcommen, unterscheiden, ndmlich

1. die Regdzellen der Basalschicht und 2. die doppelt so gro/3en Regelzellen der mittleren Epithellage.

" I I 2 z t - -

22

k,. i \ -

/ / , ,

0 5 10 15 20 25 30 35 L/O ~5 50 55 60 65 "/Y Volumeneinheiten

Abb. 2. Varial~ioilskurveil tier K e r n v o l u m i n a dcr :Basalzellenschi(d,t lind (h'r mitth,r( 'n ]~pithel- lage der in Pa ra f f in e ingebet te ten Vorderzungcn ( P r a p a r a t 5 mid 6).

P r ~ p a r a t 5 . . . . . . . ; P r g p a r a t 6

Vergleichen wir nun die Werte unserer Paraffins'chnitte miteinander und mit den bisher besprochenen Werten, so sehen wir zwar auch hier deutliche H~ufigkeitsmaxima (Abb. 2), wit kSnnen aber bereits yon den Kurven ablesen, dab die Maxima der Basalzellenkerne nach links und die der mittleren Epithelschicht nach rechts verlagert sind. Ver- gleichen wir die H~tufigkeitsmaxima mit den Werten geometrischer l~eihen mit entsprechenden Anfangsgliedern (Tab. 1), so zeigen sich Abweichungen von durchschnittlich 38%, also praktisch keinerlei Be. ziehungen mehr.

Da6 es sich hierbei nicht etwa um Altersunterschiede handelt, geht schon daraus hervor, dag die KerngrSgen der Basalzellensehicht nach links und die der mittleren Epithellage nach rechts abweichen und in keiner geometrischen I~eihe liegen. Es ist vielmehr anzunehmen, dab

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in konstanten Proportionen (Heidenhain) in Beziehung zum Krebsproblem. 377

es sich hierbei um eine Folge der Paraff ineinbet tung handelt , und zwar um einen Schrump[ungsproze/3 infolge der hierbei nStigen Dehydr ierung mit Alkohol und Chloroform. Wie schon Ehrich und Cohn durch Mes- sungen an Herzmuskelst i ickchen zeigen konnten, erleiden die Gewebe bei der Dehydrierung nach Formalinfixierung eine Schrumpfung yon 20- -30%. Der gleiche Unterschied ls sich bei unseren Basalzellen erheben (Tab. 1). Die KerngrSl~en der mit t leren Epithelschicht sind hingegen merkwfirdigerweise nich~ geschrumpft , sondern geschwollen. Worauf diese Schwelhmg zuriickzuffihren ist, ist schwer zu sagen. Vielleicht handelt es sich hierbei um eine Einwirkung des sehr festen Geriistes der Epithelzellen, &hnlich wie die Einwirkung der Zahnwand auf die PulpahShle bei der Pulpaatrophie . Aus diesen Untersuchungen geht jedenfalls deutlich hervor, daft Paraf/inschnitte wenigstens belm Zungenepithel zur Messung yon Kernvolumina ungeeignet 8ind. Unsere Messungen an Zungencarcinomen sind daher an Gefrierschnitten aus- geffihr~ worden.

I I. Die KerngrSflen des Epithels yon Zungencarcinomen. Priiparat7: 68j&hriger Mann. Das Pr~parat wurde in Formalin fixiert,

gefriergeschnitten und mit H~matoxylin-Eosin gefarbt.

Histologische Untersuchung. An einer Stelle der Zungenoberflache senken sich breite, im ganzen noeh

ziemlich typische Epithelpapi]len weit in die Muskulatur. Die Basalzellenschich~ dieser Zapfen ist sehr atypisch gebaut und reich an Kernteilungsfiguren. Die Oberflache ist nur sehr gering verhornt. In der Nachbarschaft der Zapfen linden sich erhebliche Leukocyteninfiltrate mit auffallend reichlich eosinophilen Leuko- cyten.

Pri~parat8: Frau, Alter unbekannt; fixiert in Formalin; Gefrierschnitte; gef/irbt mR H/~matoxylin-Eosin.

Histologische Untersuchung. An Ste]le des gew6hnlichen Oberfl/ichenepithels finden sich ganz unregel-

maBig gestaltete, welt in die Musku]atur reichende Epithelzapfen und Strange, die in ihrem Inneren an vielen Stellen uneehtes Horn aufweisen. Die Zapfen sind recht verschieden gebaut. In den meisten Zapfen ist eine deutliche Basalzellen- schieht erkennbar, doeh sind ihre Epithelien mehr oder minder atypisch gebaut. In der Umgebung der Zapfen finden sich erhebliche Leukocyten- und Lympho- cyteninfiltrate.

Pr~iparat 9: 60jahriger Mann. Fixiert mit Formalin; Gefrierschnitte; gef/~rbt mit H/~matoxylin-Eosin.

Histologische Untersuchung, An der Stelle des Oberfl/~ehenepithels linden sich weir in die Tiefe reiehende

teils schmale, teils breite Zapfen und Strange mit sehr unregehn/~Bigen Epithelien. Im Inneren der Strange linden sich hier und da ttornkugeln und in der Umgebung der Zapfen und Strange ausgedehnte Leukocyten- und Lymphocyteninfiltrate mit stellenweise reichlich eosinophilen Leukocyten.

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378 W. Sehmitz: ]:)as Gesetz des Waehstums

Pr~iparat 10: Alter und Geschlecht nieht bekannt; in Formalin fixiert; Gefrier- schnitte; mit It~matoxylin-Eosin gef~rbt.

Histologische Untersuchung. An Stelle des Oberfl~ehenepithels linden sieh weir in die Tiefe der Muskula~ur

reichende zierliche Strange yon Epithe], die in ihrem Inneren bier und da kleine I-[ornkugeln aufweisen. Die Epithelien sind alle a~ypisch gebaut und gleichen in der Haupts~che den Basalzellen. Sie weisen zahlreiehe Kernteilungsfiguren auf. In der Umgebung der Strange finden sieh sehr erhebliche Leukocyten- und Lympho- eyteninfiltrate.

Priiparat11: 61j~hriger Mann; in Formalin fixier~; Gefl'ierschnitte; mit H~matoxylin-Eosin gef~rbt.

Histologisehe Untersuchung. Von der Oberfl~ehe senken sich zahllose Epithelstr/~nge in die Tiefe, die alle

~typisch gebaut sind. Sie sind ste]lenweise zu ganz soliden Geflechten vereinigt. Die Epithelien weisen sehr viele Kernteilungsfiguren ~uf. Hornperlen sind nur ganz vereinzelte zu finden. In der Umgebung der Zapfen vie] Leukocyteninfiltrate.

Die Zahl der gemessenen Kerne is t aus Tab. 2 ers icht l ich. D a sich bei den Carcinomen die verschiedenen Epi the l sch ich ten gar n ich t oder nur sehr mange lha f t vone inander abgrenzen lassen, habe ich yon einer gesonder ten Messung dieser Schichten abgesehen.

T a b e l l e 2. Die Zahl der gemessenen Kerne, die gefundenen l~l~ufigkeitsm~xim~ der Kernvo]umina und die geometrischen Reihen mit entsprechenden Anfangsgliedern

(kursiv gedruckt) bei :efriergeschnittenen Vorderzungencarcinomen.

Zahl der Gcfundene }I~ufigkeits- ] Alter Ge- gemessencn maxima Geometrisehc l~eihe

. . . . . . . . . [ schlecht Kerne V, V~ V3 a qO a q' a q2

68 c~ 460 --- 49639 105496 - - 49639 99278 - - ~ 478 20797 54872 20797 41594 - - ~0 ~ 48~ 20240 53803 , 0 ~ 0 40480 - - ~ ~ 4 ~7686 605oo 2 ~ 55372 - 6~ 37~ ~7686 58~92 9426~ ~ , ~ . 5~372 . 0 7 4 ~

126 890

Wie aus Abb. 3 hervorgeht , lassen sich auch bei den Carc inomen deut- l iche t I~u f igke i t smax ima erkennen. Sie un te rsche iden sich aber dadurch vom normalen Zungenepi the l , daG sie s t a rk nach rechts verschoben sind und sehr vie1 bre i te r abfal len. I m fibrigen ver laufen die Carc inomkurven sehr viel unregelmi~Giger als die K u r v e n des normalen Zungenepi thels .

Vergleichen wir die gefundenen H~uf igke i t smax ima mi t den ent- sprechenden W e r t e n einer geometr ischen Reihe (Tab. 2), so f inden sich Abweichungen yon durchschni t t l i ch 17 %. Zwar ]assen diese W e r t e noch deut l iche P ropor t ionen im Sinne des HeicIenhainschen Gesetzes er- kennen, es handelt sich abet nu t um eine unge/~ihre Einhaltung dieses Gesetzes. Vergleichen wir die Maxima wel ter mi t den Max ima des nor- malen Zungenepi thels , so l inden wir, dal~ sich die Volumina der Car-

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in konstanten Proportionen (Heidenhain) in Beziehung zum Krebsproblem. 379

cinomkerne, wenn sich die normalen Kerne wie 1:2 verhalten, nun wie 2:4 und in 1 Falle sogar wie 4:8 verhalten. Daraus geht hervor, daft die ,,Regelzellen" bei unseren 5 Carcinomen doppelt bis 4real so grofl

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sind wie beim normalen Epithel. Damit best~ttig~ sich der schon yon Heiberg erhobene Befund, ni~mlich, da6 beim Carcinom ,,ein Umschlagen der Zellen in ein anderes Gr@enniveau" stattfindet.

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380 W. Schmitz: Das Gesetz des Waehstums

Beslgrechung.

Uber Kernmessungen bei Carcinomen liegen sehon sine Reihe Mitteilungen vor. Als Erster hat wohl Heiberg (1908) ausgefiihrt, da6 die Kerne yon Carcinomzellen grSBer sind als die der Mutterzellen. @ins Angaben sind in der Folgezeit wiederholt bests worden (Nomico81909, Epantschin 1928 u. a.). Sp/tter konnte Heiberg (1933,1934) dann zeigen, dab diese Gr6Benzunahme fiir die bei weitem meisten Careinome zutrifft, und dab nur gewisse kleinzellige Carcinome hiervon eine Ausnahme maehen. Er konnte weiter angeben, dab sieh das Volumen der Kerne verdoppelt und da6 au6er den Ksrnen auch das Cytoplasma, die Mitosengr6Be und andere cytologischs Strukturen proportional der KerngrSBe zunehmen. ,,Es ist nicht Kerniibergewieht sowie grSBere Variabilit/tt allein, sondern vSlliger Wandel in den Dimensionen der Zelle". Die Zellen gelangen in ein anderes GrSBenniveau, in andere ,,in einer bestimmten und in untereinander iibereinstimmenden Weise weehselnde Dimensionen der elementaren Teile der Zelle".

Wie Heiberg weiter zeigen konnte, sind es aber nicht nur die Dimen- sionen, welehe dis Careinomzellen von den Mutterzellen unterscheiden. Dazu kommt, ,,dab die gleichmg6ig grogen Mitosen beim Carcinom vermutlich tetraploide oder jedenfalls gleiehzeitig polyploide sind, ein Verhalten, das sieh ja nieht bei den vsrsehiedenen ,,Regelklassen" (ira Sinne Jacobis) finder". W/~hrend die Chromosomen bei der Zellver- grSBerung dureh ,,innere Teilung,' lediglich entspreehend vergrSBert sind, sind sie bei gleich groBen Krebszellen nur halb so groB, aber dafiir doppelt so zahlreich. Da diese Verdoppelung bei S~ugetieren sonst nieht vorkommt, sieht Heiberg hierin das Wesen der Krebsentstehung. Es zeigt sich, ,,dab es dis Chromosomzahl ist, die zugrunde liegt. Es ist also nieht, wie die Vergr6Berung in Jacobis bereits erw/~hnten gr6geren Regelklassen, nur die Vergr6Berung der Chromosomen ohne Vermehrung der Anzahl, <lie den AnlaB zur Kern- und MitosenvergrSBerung abgibt."

Auch meine eigenen Befunde, denen nieht, wie bei den bisherigen Messungen, Durehschnittswerte yon verhgltnism~tBig wenig Kernen, sondern Variationslcurven zahlreicher Kerne zugrunde liegen, best/~tigen nieht nur die Ergebnisse Heibergs vollauf, sondern zeigen auch, dab es sieh wenigstens beim Zungencareinom nicht nut um eine ein/ache Ver- doppelung handelt, sondern um eine Verdoppelung siimtlicher Regel]classen. Es ]indet mit anderen Worten nicht nut ein Umschlag von Zellen, sondern ein Umschlag des ganzen Epithelgewebes in ein andere8 Gr6[3enniveau statt. In 1 Falle konnte auch eine Vervier[aehung der Regelklassen beobaehtet werden. In allen unseren Fiillen wurden die Proportionen des Heidenhain- schen Gesetzes wenigstens anniihernd eingehalten, ein deutliehes Zeiehen dafiir, welche tiefgreifende Bedeutung diesem Gesetz ffir das Waehs- Gum zukommt.

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in konstanten Proportionen (Heidenhain) in Beziehung zum Krebsproblem. 381

Wir mfissen deshalb mit Heiberg schliel3en, daft die Krebszellen bei den meisten Krebsen in der Hauptsache durch eine Vergr6flerung ihrer Dimensionen gekennzeiehnet sind. ,,Eine grofle Variabilitdt in der indi- vidualistischen Ausgestaltung der einzelnen Elemente" (Borst 1934) spielt, wie unsere Variationskurven deutlich zeigen, gewifl auch eine grofie Rolle, das Wesentliche ist aber der Umschlag in ein hSheres Niveau mit verdoppelter Chromosomenzahl.

Zusammen/assung.

1. Kernmessungen am Zungenepi thel miissen an Gefr ierschni t ten ~usgeffihrt werden, d~ bei der E i n b e t t u n g erhebliche Schrumpfungs- fehler entstehen.

2. Die KerngrSl~en normalen Zungenepi thels r ichten sich nach dem Gesetz des W~chstums in kons t an t en l~roportionen. Sie verha l ten sich wie 1 :2 :4 . Die h/~ufigsten KerngrSl3en, die Regelzellen, sind 1 (Basal- zellenschieht) und 2 (mittlere Epithellage).

3. Beim Zungencarc inom sind die Kerngr61]en verdoppel t oder vervierfacht. W e n n sie auch sti~rker v~riieren als beim norm~len Epi- thel, so r ichten sie sich doch sehr weitgehend nach dem Gesetz des W~ehstums in kons t~n ten Proport ionen.

4. Wie die Var ia t ionskurven zeigen, hande l t es sich beim Carcinom um eine Verdoppelung oder Vervierfachung sSmtlicher Regelkl~ssen. Man mul3 desh~lb yon einem Umschlagen des ganzen Epithelgewebes in ein hSheres Niveau reden.

5. Dgs Wesen der Careinomzellen besteht nich~ in einer ,,grol3en Vari~bilit~t der individual is t ischen AusgestMtung", sondern yon ge- wissen kleinzelligen Careinomen abgesehen, in einer in den Propor t ionen des Heidenhainschen Gesetzes gelegenen, durch VerdoppeJung der Chromosomenz~hl bedingten VergrSBerung yon Kern und Cytoplasms.

L i t e r a t u r v e r z e i c h n i s . 1 Borst, M., Z. Krebsforsch. 40, 3 (1934). - - ~ Clara, M., Anat. Anz. 72. - -

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