Das Konzept des konjunkturneutralen Haushalts

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  • Das Konzept des konjunkturneutralen HaushaltsAuthor(s): Norbert AndelSource: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 32, H. 1 (1973), pp. 46-68Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40911034 .Accessed: 15/06/2014 18:06

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  • Das Konzept des konjunkturneutralen Haushalts*

    von

    Norbert Andel

    I. Einleitung

    Beginnend mit dem Jahresgutachten (JG) 1967 hat der Sachverstndi- genrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SVR) das Konzept des konjunkturneutralen Haushalts (KNH) entwickelt, um mit dessen Hilfe die Finanzwirtschaft der ffentlichen Haushalte ,,in konjunk- tureller Sicht"1 zu beurteilen. Es ist gedacht als Melatte, mit welcher der tatschliche Haushalt zu vergleichen ist, um zu Aussagen ber dessen globale expansive oder restriktive Wirkungen zu gelangen2.

    Der Verfasser hat sich zu einer genaueren Analyse dieses Konzepts des KNH in der Hauptsache aus zwei Grnden entschlossen. Einmal war er ber mehrere Jahre hinweg immer wieder ber einzelne Passagen in den JG ber- rascht, die mit dem, was er aus der finanzwissenschaftlichen Wirkungslehre her kennt und fr (wahrscheinlich) richtig hlt, nicht recht vereinbar sind. Zum anderen hatte er den Verdacht, da es sich, hnlich wie beim Konzept des Vollbeschftigungsbudgets (Vollbeschftigungssaldos), auch beim KNH nicht nur um ein Instrument der ,, fiscal analysis", sondern auch der political persuasion" handelt.

    Man mag vielleicht der Auffassung sein, da sich eine Untersuchung des KNH auf das Rechenverfahren beschrnken kann, das erstmals 1969 vor- gelegt, seit 1970 in der Funote 1 zitierten Tabelle Die Haushalte der Ge-

    * Der Verfasser ist Herrn Dr. Robert F echt und Herrn Dipl. -Volkswirt Hannes Rehm fr die kritische Durchsicht des Manuskripts und fr zahlreiche Verbesserungs- vorschlge sehr zu Dank verpflichtet. 1 Vgl. die berschrift der entsprechenden, seit dem JG 1970 verffentlichten zusammenfassenden Tabellen, etwa Tabelle 28: ,,Die Haushalte der Gebietskrper- schaften in konjunktureller Sicht" im JG 1972. 2 Eine Beurteilung der konjunkturellen Wirkungen ffentlicher Haushalte ist nur mit Bezug auf einen Mastab mglich, der, was die konjunkturellen Schwan- kungen angeht, als neutral angesehen werden kann. Zu diesem Zweck hat der Sach- verstndigenrat 1967 die Konzeption des konjunkturneutralen Haushalts zur Dis- kussion gestellt (JG 67, Ziffern 184 ff.) und im folgenden Jahre weiter entwickelt (JG 68, Ziffern 115ff.)". Jahresgutachten 1969, Ziff. 112.

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    bietskrperschaften in konjunktureller Sicht" prsentiert und in den Gut- achten 1971 und 1972 jeweils im Anhang allgemein dargestellt wird. Der Ver- fasser hat es jedoch vorgezogen, zunchst die Behandlung einzelner Teil- probleme im Zeitablauf zu verfolgen. Erstens ist es interessant zu sehen, wie von Gutachten zu Gutachten das Konzept ausgebaut und variiert wurde. Zweitens sind auch berlegungen wichtig, die in verbaler Form vorgetragen wurden, ohne da es bislang gelungen wre, entsprechende Schlufolgerungen bei den konkreten Berechnungen zu ziehen.

    Um den Beitrag in den blichen Grenzen zu halten, konzentrieren sich die Ausfhrungen auf die Probleme, die fr das Konzept des KNH spezifisch und nicht in gleicher Weise mit konkurrierenden Konzepten verbunden sind.

    IL Die Behandlung einzelner Problembereiche des Konzepts seit 1967

    1. Die globale Definition des KNH

    Es liegt nahe, die Untersuchung mit der Frage zu beginnen, wie der SVR den KNH definiert.

    Wenn man im Hinblick darauf das Gutachten 1967 untersucht, stellt man fest, da in den Ziffern 179 ff., in denen im Zusammenhang mit der Mittelfristigen Finanzplanung des Bundes die ersten Anstze des KNH ent- wickelt werden, eine globale Definition nicht zu finden ist. Stattdessen werden lediglich getrennt die konjunkturneutralen Ausgaben und die konjunktur- neutralen Steuereinnahmen definiert. Dieses fr einen Finanz Wissenschaftler berraschende und auch vielerseits kritisierte Verfahren ist recht unglcklich und leicht verwirrend. Es wird darauf nher im folgenden Abschnitt 2 einzu- gehen sein.

    Dagegen heit es im JG 1968, Ziffer 115: ,, Konjunkturneutral nennen wir einen Haushalt, der fr sich allein den Auslastungsgrad des gesamtwirt- schaftlichen Produktionspotentials im Laufe der Haushaltsperiode weder er- hht noch senkt". Im Kahmen dieser allgemeinen Definition sind die Worte ,,im Laufe der Haushaltsperiode" berraschend. Krause-Junk sieht darin eine Bezugnahme auf die konjunkturneutrale Basis1. Da dieses Problem erst spter im Zuge der eigenartigen Vorgehensweise des SVR bei der konkreten Berechnung auftaucht, 1968 jedoch nicht erwhnt wird, lt die genannte Einfgung im Kontext des Gutachtens von 1968 zu, einen Haushalt auch dann als konjunkturneutral zu bezeichnen, wenn er einen globalen restrikti- ven oder expansiven Effekt auslst, vorausgesetzt, dieser Effekt verndert sich im Laufe eines Jahres nur proportional zur Entwicklung des gesamt- wirtschaftlichen Potentials.

    Der SVR wiederholt seine Auffassung im Gutachten 1969, wenn er nach der Definition der Konjunkturschwankungen als Schwankungen im Aus- lastungsgrad des Produktionspotentials ausfhrt: Ob der Staat Schwan-

    1 Gerold Krause-Junk: Zum Konzept des konjunktumeutralen Haushalts, in: Finanzarchiv", N.F. Bd. 30, 1971, Heft 2, S. 216.

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    kungen im Auslastungsgrad des Produktionspotentials hervorruft, hngt davon ab, ob er einen greren (kleineren) Anteil des Produktionspotentials als bisher fr sich beansprucht, ohne zugleich in vollem Umfang durch seine Einnahmengestaltung nichtstaatliche Nachfrage zurckzudrngen (zu schaf- fen)." * Dieser Satz erscheint allerdings in einem etwas anderen Licht als 1968, sofern man ihn mit den Ausfhrungen zur konjunkturneutralen Basis ver- bindet (Ziff. 113), auf die spter eingegangen wird.

    Im JG 1970 wird mit dem Hinweis auf die Stetigkeit ein zustzlicher Aspekt angesprochen: Mit dem Konzept des ,konjunkturneutralen Haus- halts' hat der Sachverstndigenrat einen Mastab entwickelt, der die kon- junkturellen Effekte der Haushaltspolitik zu messen erlaubt als Abweichun- gen von derjenigen Haushaltspolitik, die, wenn sie stetig betrieben wird, fr sich genommen die Auslastung des Produktionspotentials nicht verndert" (Ziffer 324; Hervorhebung vom Verfasser). Was mit der Bezugnahme auf die Stetig- keit bezweckt werden soll, ist recht unklar. Es ist kaum anzunehmen, da der SVR die mgliche Interpretation nahelegen will, da der KNH nur dann als Melatte geeignet ist, wenn er stets mit dem tatschlichen Haushalt identisch ist!

    2. Die Definition der konjunkturneutralen Ausgaben und Steuereinnahmen

    Es wurde schon darauf hingewiesen, da es fr Finanzwissenschaftler seltsam klingt, wenn einzelne Budgetposten mit dem Adjektiv konjunktur- neutral" belegt werden, weil Ausgaben oder Einnahmen jeweils fr sich natrlich nicht konjunkturneutral sind. Eine solche Charakterisierung lt sich hchstens fr Ausgaben und Einnahmen zusammen vornehmen2. Wie wir sehen werden, tut dies der SVR in gewisser Weise auch faktisch, wenn- gleich er es, vielleicht aus expositorischen Grnden, vorzieht, die konjunk- turellen Einnahmen und Ausgaben jeweils getrennt zu definieren.

    Da der SVR bislang jedenfalls bei seinen verffentlichten Berechnungen auf der Einnahmenseite nur die Steuern ausdrcklich bercksichtigte, mchte ich mich zunchst auf seine Darstellung der konjunkturneutralen Ausgaben und konjunkturneutralen Steuereinnahmen beschrnken, diese aber jeweils fr die einzelnen JG zusammen behandeln. Sie stellen in gewisser Weise eine Przisierung der allgemeinen Definition des KNH dar.

    a) JG 1967 : Im JG 1967 werden folgende Definitionen gebracht (Ziffer 184) : Die Inanspruchnahme des Produktionspotentials durch staatliche Aus-

    gaben in einem Ausma, wie es die gesetzgebenden Organe fr die Situation der Vollbeschftigung festlegen, nennen wir konjunkturneutral."

    Wir nennen die Steuerstze konjunkturneutral, die bei optimaler Aus- nutzung des Produktionspotentials (Vollbeschftigung) den vom Gesetzgeber beabsichtigten Anteil der Steuereinnahmen an der Finanzierung der Staats-

    1 JG 1969, Ziff. 113. Hervorhebung vom Verfasser. 2 Vgl. auch die Kritik von Peter Ollmann: Der konjunkturneutrale Haushalt, in: Wirtschaftsdienst", April 1972, S. 258. - Krause-Junk, aaO, S. 214.

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    ausgaben (Steuerdeckungsquote) gewhrleisten. Bei unvernderten Steuer- stzen ergeben sich dann hhere Steuerdeckung3quoten in Jahren der Hoch- konjunktur und niedrigere Steuerdeckung3quoten in Jahren der Konjunk- turabschwchung. Das ist erwnscht" (Ziff. 184).

    Beschrnken wir uns zunchst auf die Situation der Vollbeschftigung, weil ja eigentlich nur fr diese die Steuereinnahmen und nicht nur die Steuer- stze definiert sind. In dieser Konstellation werden Ausgaben und Steuerein- nahmen dann als konjunkturneutral betrachtet, wenn sie gerade so hoch sind, da bestimmte politisch festgelegte Quoten verwirklicht werden.

    Hierzu ist zweierlei zu sagen: Es berrascht zunchst, da die Durchsetzung bestimmter, quantitativ

    nicht aufeinander bezogener Quoten als konjunkturneutral bezeichnet wird. Denn der Wunsch und die Fhigkeit, bestimmte Quoten zu realisieren, mu ja durchaus nicht verknpft sein mit dem Wunsch und der Fhigkeit, einen konjunkturneutralen Haushalt zu verwirklichen. Bei den zitierten Ausfh- rungen des SVR handelt es sich um Setzungen", ohne jeden Bezug auf eine nachfrageorientierte Wirkung3lehre. Danach kann ein Haushalt, der nach herrschenden Wirkungsvorstellungen eindeutig als expansiv oder restriktiv anzusehen ist, als konjunkturneutral bezeichnet werden, sofern nur gleich- zeitig auch die politisch gewnschten Quoten verwirklicht sind.

    Ebenfalls bemerkenswert ist der Hinweis, da die in dem genannten Sinne konjunkturneutralen Steuerstze, sofern sie konstant gehalten wer- den, zu zyklisch variierenden Steuerdeckungsquoten fhren, was erwnscht sei. Der Verfasser mchte nicht bestreiten, da ein solcher Effekt anzustre- ben ist, nur frchtet er, da hier, wie auch an anderen Stellen, im Ansatz eine Vermischung von zwei Fragestellungen vorliegt: nach dem konjunktur- neutralen Haushalt auf der einen, nach dem konjunktuiadquaten auf der an- deren Seite1.

    Einmal angenommen, in der betrachteten Situation der Vollbeschfti- gung sei das Budget, wie vom SVR definiert, tatschlich (auch) konjunktur- neutral, dann ist es dies nach Ansicht des SVR auch in den alternativen Fl- len der Unter- und berbeschftigung, sofern nur die Realausgaben und die Steuerstze (besser: die Parameter der Steuerfunktionen) konstant gehalten werden. Die implizite Vorstellung, da konstante Steuerstze konstante Ent- zugseffekte bedeuten, ist nicht haltbar. Das ist besonders bei den Steuern offen- sichtlich, die das verfgbare Realeinkommen der privaten Haushalte beein- flussen. Natrlich wachsen die durch die Einkommensteuer verhinderten Konsumausgaben, wenn im Aufschwung bei konstanten Steuerparametern automatisch die Einkommensteuerertrge steigen! Und das heit: trotz der konstanten Steuerstze wchst der Entzugseffekt. Auch in den dem Verfas-

    1 Spter, wohl unter dem Einflu offensichtlich gewordener Miverstndnisse, hielt es der SVR im JG 1969, Ziff. 112, Funote 2, selbst fr notwendig zu betonen: Die im folgenden abgeleitete Definition des konjunkturneutralen Haushalts sagt nichts darber aus, wie der tatschliche Haushalt in der jeweiligen Situation nach den Zielen des Stabilitts- und Wachstumsgesetzes gestaltet werden soll und ob ein konjunkturneutraler Haushalt gleichzeitig auch stabilisierungskonform ist oder zur Rezessionsbekmpfung beitrgt."

    4 Finanzarchiv N.F. 32 Heft 1

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    ser bekannten empirischen Untersuchungen wird der Einflu der Steuern auf die Konsumausgaben stets ber die Steuerbetrge und nicht etwa lediglich ber die Steuerstze zu erfassen versucht.

    b) JG 1968: Whrend sich im JG 1967 die hier interessierenden Defini- tionen auf die Gesamtausgaben und die Steuerstze, damit, bei gegebenen sonstigen Parametern der gesamtwirtschaftlichen Steuerfunktion, auf die gesamten Steuereinnahmen beziehen, wird im JG 1968 auf die Zuwchse ab- gestellt: Ein Budget ist im Prinzip dann konjunkturneutral, wenn der Staat seine realen Ausgaben in dem Mae erhht, in dem das Produktionspotential wchst" (Ziff. 115).

    Die Einnahmen werden als konjunkturneutral angesehen, wenn sie so gestaltet sind, ,,da die Inanspruchnahme des Produktionspotentials durch den privaten Sektor weder zustzlich zurckgedrngt noch gefrdert wird. Auf die Steuern bezogen ist letzteres dann der Fall, wenn deren Stze so fest- gelegt werden, da bei einem Wachstum des Sozialprodukts proportional zum Wachstum des Produktionspotentials die Steuereinnahmen mit dersel- ben Eate zunehmen wie das Sozialprodukt" (Ziff. 115).

    Man kann feststellen, da der SVR die Definition des Vorjahres jeden- falls insoweit aufgegeben hat, als nicht mehr auf die Realisierung bestimmter Quoten abgestellt wird. Diese nderung war notwendig und ist zu begren. Auf der anderen Seite ist der bergang zur Betrachtung von Zuwachsraten nicht mit der Bezugnahme zum Basisproblem verbunden, insofern also nicht auf die Konjunkturneutralitt des Gesamthaushalts abgestellt worden. Man gelangt allenfalls zu einer akzeptablen Festlegung der konjunkturneutralen Budgetnderung, wenn man die zitierte Definition der konjunkturneutralen Ausgaben mit der zitierten allgemeinen Definition der konjunkturneutralen Einnahmen verbindet und dabei die Worte ,,da die Inanspruchnahme des Produktionspotentials durch den privaten Sektor weder zustzlich zurck- gedrngt noch gefrdert wird" interpretiert als konstante relative (nmlich auf das jeweilige Produktionspotential bezogene) Entzugswirkung.

    Nicht beipflichten kann man allerdings der zitierten Przisierung der konjunkturneutralen Steuereinnahmen, die wiederum zu dem oben unter a) gebrachten zweiten Hauptpunkt unserer Kritik fhrt, zur Vermengung von K.oii]unktmneutralitt und 'Konixmktuiadquanz. Zwar wird 1968 nicht mehr so explizit wie frher versucht, die automatisch stabilisierende zyklische Va- riation der Steuerdeckungsquote in das Konzept einzubauen, doch geschieht das nach wie vor implizit. Darauf scheinen jedenfalls die Worte ,,bei einem Wachstum des Sozialprodukts proportional zum Wachstum des Produktions- potentials" hinzudeuten in Verbindung mit dem Umstand, da fr davon ab- weichende Situationen keine anderen Definitionen gebracht werden.

    c) JG 1969: Im JG 1969 wird bei der Definition der konjunkturneutralen Ausgaben und Steuern wiederum auf die Vernderungen abgestellt. Neu ist lediglich (Ziff. 113), da jetzt nicht mehr von realen Ausgaben", sondern nur noch von Ausgaben" die Rede ist, da ferner erstmals nach der Be- schreibung der konjunkturneutralen Ausgaben die Einschrnkung gebracht

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    wird: Das gilt nur fr den Fall, da der Haushalt, von dem aus fortgeschrie- ben wird (Basis), konjunkturneutral war." Auf das damit angesprochene Pro- blem der Basis wird unten in Abschnitt 3 eingegangen werden.

    In Ziff. 113 finden sich zum ersten Mal Ausfhrungen zur Frage der bei der Festlegung der konjunkturneutralen Ausgaben zu bercksichtigenden Preisniveauerhhung. Es heit dort: Zu bercksichtigen sind auch Preis- niveausteigerungen, die - gemessen am Preisindex des Bruttosozialprodukts - selbst bei konjunkturneutraler Haushaltsgebarung zu erwarten sind" und Um diesen Preisniveauanstieg mssen die Staatsausgaben strker zuneh- men, als das Produktionspotential wchst, sollen die ffentlichen Haushalte von der Ausgabenseite her konjunkturneutral sein." Was als nhere Begrn- dung angegeben wird, ist recht drftig. Auch bei vllig unverndertem Ver- braucherpreisindex ergibt sich ein Anstieg des Preisniveaus des Bruttosozial- produkts von rund 1 v H. Auerdem ist das Zurckdrngen von Preisstei- gerungen, die die Unternehmer und Haushalte in ihren Plnen antizipieren, insbesondere Preisniveausteigerungen, an die sie sich gewhnt haben, nicht mehr nur ein konjunkturneutraler, sondern ein kontraktiver Vorgang." Ab- gesehen davon stellt sich der S VE, hiermit eine delikate Aufgabe, die ange- sichts seines praktischen Vorgehens an einen Zirkelschlu erinnert: Zur Be- stimmung des konjunkturneutralen Preisniveauanstiegs mu man den Preis- niveauanstieg ermitteln, der sich bei konjunkturneutraler Haushaltspolitik ergibt - die aber selbst nur bestimmt werden kann, wenn der konjunktur- neutrale Preisniveauanstieg bekannt ist.

    d) JG 1970: Im JG 1970 wird bei der Definition der konjunkturneutralen Ausgaben und Steuern zunchst durch entsprechende Zitate unmittelbar an das Vorjahresgutachten angeknpft. Hinzu kommen allerdings Ausfhrungen zu zwei bislang nur recht kurz behandelten Aspekten, nmlich zum bei der Bestimmung der konjunkturneutralen Ausgaben zu bercksichtigenden Preisniveauanstieg sowie, damit nicht unverbunden, zur Beurteilung der Wirkung bestimmter automatischer nderungen des Steueraufkommens.

    Offensichtlich hat der SVR bei seinen berlegungen zu den Problemen des zu bercksichtigenden Preisniveauanstiegs dem Ankndigungseffekt" der Publikation von bei der Haushaltsplanung unterstellten Preisniveauer- hhungen groe Bedeutung beigemessen. So heit es in Ziff. 333: Allerdings besteht die Gefahr, da der Staat, der bei seiner Ausgabenplanung Preis- steigerungen antizipiert, mit dem Vollzug dieser Plne wesentlich dazu bei- trgt, da die vorausgeschtzten Preissteigerungen tatschlich eintreten." Es ist auffallend, da solche Skrupel anscheinend kaum auf der Einnahmen- seite bestehen, wo bei der Bestimmung der konjunkturneutralen Steuerein- nahmen der zu erwartende tatschliche Preisniveauanstieg doch nicht ver- heimlicht werden kann!

    Spter, in Ziff. 336, werden dann vier Komponenten der Schtzgre jkonjunkturneutrales Preisniveau'" unterschieden:

    1. Der Preisindex des Bruttosozialprodukts steigt selbst bei konstan- tem Verbraucherpreisniveau an."

    4*

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    2. Am Ende des Jahres liegt das Preisniveau meist ber dem durch- schnittlichen Preisniveau des ganzen Jahres. Selbst wenn das Preisniveau im Laufe des folgenden Jahres berhaupt nicht mehr steigt, liegt es in diesem Jahre um diesen sog. Preisberhang ber dem Vorjahresdurchschnitt. Diese Komponente lt sich im Sptherbst eines Jahres schon recht zuverlssig fr das folgende Jahr schtzen."

    3. ,, Lohnsteigerungen und andere Kostennderungen, die gerade einge- treten oder bersehbar sind, bestimmen die Preisnderungserwartungen fr die Zukunft mit. Auch hier gibt es quantitative Anhaltspunkte. Sie sind je- doch unsicherer als die Schtzungsgrundlage fr die erste Komponente; Kostennderungen schlagen nicht immer rasch und auch nicht immer voll auf die Preise durch, so da die Chance der raschen und vollen berwlzung nicht zu den festen Erwartungen der Unternehmer gerechnet werden kann."

    4. Nur schwer ist die vierte Komponente, nmlich die Gewhnung an einen fortgesetzten Geldwertschwund, zu schtzen. In einer Wirtschaft, die Zeiten eines vllig stabilen Preisniveaus kaum noch kennt, mu damit ge- rechnet werden, da die schleichende Geldentwertung zunehmend in die Dis- positionen der Unternehmer und Haushalte eingeht (Ziff. 13). Insoweit dies zutrifft, ist eine pltzliche Kckkehr zu durchschnittlich konstanten Preisen hnlich zu beurteilen wie ein sinkendes Preisniveau in einer stabilittsgewohn- ten Wirtschaft, das heit, sie ist vermutlich mit kontraktiven Wirkungen ver- bunden. Allerdings ist bei lange anhaltender Geldentwertung ein solcher An- passungsproze quantitativ nicht leicht zu fassen. Viele Menschen neigen zu Geldillusionen; sie nehmen also in ihren Entscheidungen den Fortgang der Geldentwertung nicht vorweg. Aus Grnden der Vorsicht hat der Sachver- stndigenrat diese Komponente daher bei der Schtzung des ,konjunktur- neutralen Preisniveaus' bisher mit Null angesetzt."

    Auf Punkt 1 braucht nicht eingegangen zu werden. Punkt 2 als Unter- grenze anzusetzen, ist wohl kaum umstritten. Mit Punkt 3 wird die vergleichs- weise sichere Schtzungsgrundlage verlassen; es scheint, da sich ber diese Komponente heftig streiten lt, mit entsprechenden Konsequenzen fr die quantitative Eindeutigkeit der Gre des Saldos des konjunkturneutralen Haushalts.

    Wenn man die Erfahrungen der letzten Jahre betrachtet, mu man wohl davon ausgehen, da bei realistischer Betrachtung heute in aller Kegel der zu bercksichtigende Preisniveauanstieg hher veranschlagt werden mu als den Punkten 2 und 3 entspricht. Es ist dem Verfasser nicht ganz klar, ob der SVR mit Punkt 4 auf diese Diskrepanz abstellt.

    Offensichtlich ist der SVR aber nicht bereit, sich ganz offen fr die volle Bercksichtigung der (auch bei konjunkturneutraler Haushaltspolitik) vor- aussichtlich eintretenden Preisniveauerhhung auszusprechen, was am ehe- sten der in der finanzwissenschaftlichen Literatur blichen Ansicht entspro- chen htte1. Da es sich beim Problem des anzusetzenden Preisniveauan-

    1 Indirekt wird das bisherige Verfahren des SVR, mit unrealistisch niedrigen Preisniveauerhhungen zu operieren, von Feldsieper kritisiert, wenn er nmlich

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    stiegs nicht um einen nebenschlichen, sondern um einen sehr wichtigen Fak- tor handelt, zeigt die Tatsache, da Variationen beim ,konjunkturneutra- len' Preisanstieg von nur 1 v. H. im Vergleich zu dem, den der Sachverstn- digenrat in seinen Berechnungen ansetzt - und man kann sich vorstellen, da durchaus plausible Grnde von anderen fr ein solches Vorgehen vorgebracht werden knnen - bei der gegenwrtig erreichten Grenordnung der ffent- lichen Haushalte in der Bundesrepublik den konjunkturellen Effekt der Staatsausgaben bereits um fast 2 Mrd. DM in die eine oder andere Richtung verndern. Da die nach dem Verfahren des Sachverstndigenrates errechne- ten konjunkturellen Effekte der ffentlichen Haushalte in den letzten Jahren sowohl in expansiver wie in kontraktiver Richtung kaum nennenswert ber diesem Betrag lagen, wre es nicht berraschend, wenn beispielsweise in Zu- kunft - selbst bei formal gleichem Vorgehen - von Interessenten4 der einen Seite ein kontraktiver Effekt der ffentlichen Haushalte, von den , Inter- essenten4 der anderen jedoch bereits ein expansiver Effekt ermittelt wrde. Der Mastab des konjunkturneutralen Haushalts htte in einem solchen Falle nur recht wenig zur Entideologisierung und Entschrfung parteipoliti- scher Gegenstze bei der Konjunkturpolitik beigetragen.441

    Der Rat befate sich im JG 1970 auch mit der Frage, ob bei der Fixie- rung der konjunkturneutralen Ausgaben nicht der (unvermeidliche) Preis- niveauanstieg bei den vom Staat nachgefragten Gtern und Dienstleistun- gen, der ber dem des BSP liegt, bercksichtigt werden sollte. Er lehnt dies wie folgt ab: ,,Die nderung der Preisstruktur zu Ungunsten des Staates mag ein Grund sein, die Staatsausgaben strker zunehmen zu lassen, als das Produktionspotential wchst. Da jedoch durch Staatsausgaben stets private Einkommen geschaffen werden, knnen auch solche zustzlichen Ausgaben nicht von vornherein konjunkturneutral genannt werden44 (Ziff. 337).

    Wenn man einmal die Zwangsjacke akzeptiert, die sich der SVR mit sei- ner isolierten Definition der Konjunkturneutralitt fr Einnahmen und Aus- gaben angezogen hat, ist ihm in dieser Schlufolgerung im Hinblick auf in- duzierte Einkommensstrme wohl beizupflichten. Gleichzeitig wird aber auch klar, da schon wegen dieser Begrenzung die konjunkturneutralen Aus- gaben (in der allgemeinen Definition) nicht eine konstante Inanspruchnahme des Produktionspotentials durch die Staatsausgaben selbst sichert2.

    In den Ziffern 338 f. finden sich uerungen zu den konjunkturneutralen Steuereinnahmen. Nicht zuletzt diese Stellen und deren Weiterfhrung im JG 1972 hatte der Verfasser vor Augen, wenn er oben meint, da ein Grund, sich nher mit dem Konzept des KNH zu befassen, fr ihn gewisse Passagen

    Realittsnhe und konjunkturpolitische Relevanz des konjunkturneutralen Preis- niveauanstiegs gleichsetzt. Vgl. Manfred Feldsieper: Der konjunkturneutrale Haus- halt als Mastab zur Beurteilung der konjunkturellen Wirkungen ffentlicher Haus- halte, in: Jahrbuch fr Sozial Wissenschaft", 1970, S. 400ff. 1 M. Feldsieper, aaO, S. 413. 2 Das scheint z.B. Fox zu bersehen, wenn er die These vertritt, ,,da das Konzept des konjunkturneutralen Haushalts auch dazu dienen soll, eine bestimmte Staatswirtschaftsquote real zu sichern.'4 Klaus-Peter Fox : Noch einmal: ,,Zum Kon- zept des konjunkturneutralen ffentlichen Haushalts", in: Finanzarcriv", N.F. Bd. 31, 1972, H. 1, S. 23.

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    der JG bilden, die mit dem, was er aus der finanz wissenschaftlichen Wir- kungslehre her kennt und fr (wahrscheinlich) richtig hlt, nicht vereinbar sind.

    Unter der berschrift Konjunkturneutrale Steuereinnahmen" heit es (Ziff. 338): Der Sachverstndigenrat lt sich von der Vorstellung leiten, da Steuereinnahmen, die bei gegebenem Steuersystem, gegebenen Vorschrif- ten ber die Bemessungsgrundlagen und gegebenen Steuerstzen aufkom- men, ein unvernderter konjunktureller Effekt beizumessen ist, gleichviel, ob dabei die Einnahmen einmal strker zunehmen, als das Produktionspo- tential wchst (wie es fr den konjunkturellen Aufschwung kennzeichnend ist), oder langsamer (wie es im Abschwung zu beobachten ist). Die Kegel un- terliegt allerdings einer wichtigen Einschrnkung (Ziffern 340 ff.). Sie gilt nicht fr Steuermehreinnahmen, die sich mittelfristig aus der Progressions- wirkung des Steuersystems ergeben. Zum Ausgleich der Progressions wirkung - die stndig zu einer Erhhung der Steuerquote fhrt - wren Mehrausgaben zu ttigen oder Steuern zu senken, soll der Haushalt konjunkturneutral sein".

    Lassen wir einmal das Problem beiseite, wie man praktisch konjunktu- rell bedingte Steuereinnahmevariationen einerseits, mittelfristig progres- sionsbedingte andererseits trennen will. Ist es nicht widersprchlich, im Auf- schwung bzw. im Boom das automatische Steuermehraufkommen zum Teil (nmlich soweit es auf einer berkonjunkturell-mittelfristigen Elastizitt von grer als 1 beruht) als restriktiven und deshalb durch zustzliche Aus- gaben zu kompensierenden, zum anderen Teil aber (nmlich soweit das Steuermehraufkommen auf eine Erhhung des Auslastungsgrades zurckzu- fhren ist), wie es spter heit, als nicht kontraktiv zu verstehenden Vor- gang anzusehen? Die Begrndung": Zwar hat die Besteuerung sicherlich einen erheblichen Einflu auf die Ausgabenplne der Unternehmer und Haushalte; doch bei unverndertem Steuerrecht drfte dieser Einflu, von der Progressionswirkung des Steuersystems abgesehen, konstant sein und nicht zu konjunkturellen Schwankungen in der Beanspruchung des Produk- tionspotentials fhren" berzeugt nicht, insbesondere nicht im Hinblick auf die Ausgaben der privaten Haushalte; dem Hinweis Hingegen besteht bei berraschenden Steuerrechtsnderungen die Gefahr, da die angestrebte An- passung der privaten Ausgabenplne zunchst zum Teil unterbleibt, kurz- fristig sich also das Sparverhalten oder die Verschuldungsneigung ndert" (Ziff. 340), ist fr sich zuzustimmen, nur bezieht er sich doch wohlauf eine an- dere Situation.

    e) JG 1972: Der SVR greift den gleichen Problembereich im JG 1972 in einem etwas anderen Kontext nochmals auf, wenn er die Frage untersucht, ob die Verminderung eines ursprnglich erwarteten Finanzierungsdefizits aufgrund von Steuermehreinnahmen, die ihrerseits auf eine hhere als ur- sprnglich prognostizierte Inflationsrate zurckzufhren sind, als stabilisie- rungskonforme Zurckhaltung der Finanzpolitik" (Ziff. 273) interpretiert werden kann. Es ist durchaus erwgenswert, dies mit dem SVR abzulehnen. Allerdings kann ihm in seiner Begrndung und der damit vorgetragenen Wir- kungslehre nicht gefolgt werden: Erhht sich die gesamtwirtschaftliche

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  • Das Konzept des konjunkturneutralen Haushalts 55

    Aktivitt und weitet sich das Sozialprodukt inflatorisch aus, so sind die damit anfallenden zustzlichen Steuereinnahmen nicht Ausdruck erhhter Ent- zugswirkungen des staatlichen Abgabensystems, sondern Nebenfolge expan- siven Ausgabe Verhaltens (der Privaten oder des Staates selbst). Diese Ein- nahmen nicht ausgeben - den Finanzierungssaldo also verringern -, heit dann nur: konjunkturneutral handeln (nicht schon: kontraktiv); sie ausge- ben - den Finanzierungssaldo also konstant halten - heit expansiv handeln" (Ziff. 273).

    Der SVR fhlte sich wenigstens gehalten, anschlieend folgende Fu- note zu bringen: ,, unberhrt bleiben die Liquidittswirkungen der erhhten Steuereinnahmen; dies ist jedoch ein Problem der Geld- und Kreditpolitik, die entscheiden mu, inwieweit die zustzlichen Einnahmen als Notenbank- guthaben zu halten sind oder die staatliche Kreditmarktverschuldung min- dern soll." Hier hat es sich der S Vit doch wohl etwas zu einfach gemacht. Wieso die angesprochene Entscheidung Sache der Notenbank sein soll, ist nicht einleuchtend. Der Hinweis auf die Liquidittswirkungen verkennt oder bercksichtigt jedenfalls nicht gebhrend, da es hier auch um Vernderun- gen des Kealeinkommens geht, nicht um Vernderungen der Liquiditt allein. Insgesamt entsteht wiederum der Eindruck, da entgegen der eigent- lich vorgetragenen Zielsetzung nicht nur auf die Kon]unktmneutralitt, son- dern zumindest auch auf die Kon]'mktmadquanz abgestellt wird, was nur um den Preis einer recht eigenartigen, m. E. nicht realistischen Wirkungs- hypothese mglich ist.

    Im Rahmen von Wirkungsaussagen (vielleicht nicht im Rahmen einer ,, Benotung" der Stabilita tsadquanz der Haushaltspolitik) hlt es der Ver- fasser - im Gegensatz zum SVR - durchaus nicht fr so ,, absurd, die staat- liche Ausgabenpolitik etwa deshalb weniger expansiv zu nennen, weil sie gn- stige Einnahmefolgen hatte und der Staat die zustzlichen Einnahmen nicht auch noch ausgab", zumal es in dem betreffenden Abschnitt ja nicht eigent- lich um die Wirkung einer Budgetseite, sondern des Gesamtbudgets geht1.

    3. Die Wahl des Basis Jahres

    Das Basisjahrproblem, das inbesondere seit der Verffentlichung der Tabelle ,,Die Haushalte der Gebietskrperschaften in konjunktureller Sicht" eine groe Rolle spielt, wurde in den ersten JG, die sich mit dem Konzept des

    1 Es ist nicht ganz klar, inwieweit die hier vorgetragene Kritik sich auch gegen die von Timm in seinem Beitrag Der konjunkturneutrale ffentliche Haushalt" in: H. Haller u.a. (Hrg.), Theorie und Praxis des finanzpolitischen Interventionismus, Festschrift fr Neumark, Tbingen 1970, S. 395, vertretene Auffassung richtet: Die Besteuerung ist konjunkturneutral, wenn der Staat seine Aktionsparameter in der Steuerpolitik konstant hlt" (im Original gesperrt), bzw.: Was die Steuerstze an- langt, so kommt es fr die Konjunkturneutralitt der Besteuerung nicht auf ihre Gre, sondern auf ihre Konstanz an." Timm argumentiert, anders als der SVR, vom KNH als Norm von einer bestimmten Situation her. Man hat den Eindruck, da dadurch die Neutralitt der Einnahmen nicht gemessen wird an der Notwendig- keit, bestimmte Effekte der Ausgabenseite zu kompensieren, wie dies bei der abso- luten Konjunkturneutralitt im Sinne Krause-Junks der Fall ist, sondern an dem

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  • 56 Norbert Andel

    KNH befaten, nicht erwhnt. Das ist nicht verwunderlich, solange, wie im JG 1967, auf die Durchsetzung bestimmter Quoten abgestellt wird. Wenn man mit Zuwachsraten operiert, kann, mu es aber nicht anders sein. Fak- tisch ist es allerdings so, da der SVR dem Basisproblem, seitdem es im JG 1969 zum ersten Mal erwhnt wurde, eine groe Bedeutung beimit1. Damals wurde im Anschlu an die Definition der konjunkturneutralen Ausgaben (Wachstum parallel zum Produktionspotential) ausgefhrt (Ziff. 113): ,,Das gilt nur fr den Fall, da der Haushalt, von dem aus fortgeschrieben wird (Basis), konjunkturneutral war. Die Basis ist konjunkturneutral, wenn das Produktionspotential durch staatliche Ausgaben in einem Ausma in An- spruch genommen wird, wie es die gesetzgebenden K rperschaften fr die Situation der Vollbeschftigung mittelfristig festlegen...".

    Es ist interessant, da hier bei der Beschreibung der konjunkturneutra- len Basis wieder Vorstellungen auftauchen, die, wie wir gesehen haben, 1967 (nicht mehr 1968) bei der Beschreibung der konjunkturneutralen Ausgaben und Einnahmen eine Rolle spielten. Auch hier mu gesagt werden, da nicht einzusehen ist, warum die Verwirklichung einer bestimmten angestrebten Ausgabenquote einen Haushalt als konjunkturneutral erscheinen lassen kann, dies um so weniger, als zur konjunkturneutralen Einnahmebasis nichts gesagt wird.

    Das Basisjahrproblem wird im JG 1970 wieder aufgegriffen; vor allem wird die Wahl des Jahres 1966 als Basis begrndet (Ziff. 329).

    1. ,,1966 ist das Anfangsjahr der mittelfristigen Finanzplanung; nach dem Willen der Bundesregierung sollte sich von da an die Haushaltspolitik an der Entwicklung des volkswirtschaftlichen Leistungsvermgens', d.h. des Produktionspotentials, orientieren, ebenso wie es das Konzept des kon- junkturneutralen Haushalts verlangt."

    Dazu sind mehrere Bemerkungen erforderlich. Zunchst ist darauf hin- zuweisen, da Einnahmen und Ausgaben fr 1966 selbst noch nicht mittel- fristig geplant waren, folglich dieser Basis keine besondere Qualitt unter Planungsgesichtspunkten beigemessen werden kann. 1966 wurde zunchst lediglich vom Bund als Ausgangspunkt der mittelfristigen Finanzplanung gewhlt. Im gleichen Jahr entfielen auf ihn nur rd. 44% der gesamten eigen- finanzierten ffentlichen Ausgaben2.

    Mit dem Hinweis auf die erklrte Absicht der Bundesregierung, ihre Haushaltspolitik knftig an der Entwicklung des volkswirtschaftlichen Lei- stungsvermgens zu orientieren, lt sich die Wahl des Jahres 1966 kaum

    Erfordernis, die private Nachfrage auf ein konjunkturgerechtes Ma zurckzufh- ren, was einen je nach der Strke der privaten Ausgabenneigung unterschiedlich restriktiven Effekt erfordert.

    1 ,,Da nach dem Konzept des Sachverstndigenrates das Ausgabenvolumen des konjunkturneutralen Haushalts mit dem Wachstum des Produktionspotentials fortzuschreiben ist - wobei ein Ausgabenquivalent fr nicht-konjunkturneutrale Entzugseffekte der Einnahmen zu bercksichtigen ist -, hat die Wahl der Basis fr diese Fortschreibung und Korrektur auerordentliche Bedeutung fr das Urteil, ob ein Haushalt konjunkturneutral, expansiv oder konktrativ ist." JG 1970, Ziff. 329. 2 Vgl. JG 1967, Tabelle 10.

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  • Das Konzept des konjunkturneutralen Haushalts 57

    begrnden. Abgesehen davon, da hnliche uerungen wohl schon frher gemacht wurden und mittlerweile die Eegierungen wechselten, ist zu be- zweifeln, ob die Gleichsetzung des Konzepts des KNH mit einer Orientierung der Haushaltspolitik am volkswirtschaftlichen Leistungsvermgen statthaft ist. Gerade das Stabilita ts- und Wachstumsgesetz, das die Bundesregierung doch mit einer anderen rechtlichen Qualitt festlegt als die recht unverbind- liche mittelfristige Finanzplanung, verlangt nicht nur eine konjunktumew- trale, sondern eine aktive, konjunktmadquate Haushaltspolitik.

    2. ,, Obwohl die konjunkturelle Entwicklung des Jahres 1966 schon von der beginnenden Rezession mitbestimmt war, standen die ffentlichen Haus- halte nach dem Exze des vorangegangenen Wahljahres im Zeichen der Nor- malisierung." Dem ist weitgehend zuzustimmen.

    3. Schlielich versucht der S VE, seine Entscheidung mit dem Hinweis darauf zu sttzen, da 1966 vor allem die Ausgaben-, aber auch die Steuer- quote eine gewisse, an der vorangegangenen Entwicklung gemessen, nor- male" Gre aufwiesen.

    Da Abweichungen von 0,5 bzw. 0,7% in anderem Zusammenhang als ,,geringfgigeibezeichnet wurden, knnte man so allerdings auch die Wahl anderer Jahre verteidigen1, was speziell bei den Einnahmen durch die vor- sichtige Formulierung ,,Auch was die Einnahmen angeht, spricht wenig ge- gen die Wahl des Jahres 1966 als Basis" (Ziff. 329) bercksichtigt wird.

    4. Die Definition der Konjunktur neutralen Einnahmen aus Kreditaufnahme

    Bis zum JG 1969 einschlielich mute man fast den Eindruck gewinnen, als gbe es auf der Einnahmenseite des Budgets lediglich Steuereinnahmen. Diese Lcke wurde 1970 geschlossen.

    In dem Abschnitt ,, Konjunkturneutrale Kreditaufnahme" (Ziff. 342 bis 349) des JG 1970 werden zunchst einige allgemeine berlegungen zur Wir- kung der Kreditaufnahme vorgetragen: Von der Aufnahme lngerf ristiger Kredite durch den Staat knnen unter Umstnden Einflsse auf die Bean- spruchung des Produktionspotentials durch den privaten Bereich ausgehen. Die lngerfristige Verschuldung steht insoweit neben den Steuereinnahmen und den sonstigen Einnahmen, mit denen der durch die Staatsausgaben be- anspruchte Teil des Produktionspotentials fr den Staat freigehalten werden soll." Offensichtlich wird davon ausgegangen, da eine kurzfristige Verschul- dung keine Entzugseif ekte hat.

    Ein sehr wichtiger Aspekt wird leider nur kurz in Form eines Versuches, die bisherige Vernachlssigung der Kreditaufnahme durch den SVR zu be- grnden, angesprochen (Ziff. 343): ,,Da der Einflu der ffentlichen Nach- frage nach lngerf ristigen Krediten auf die Ausgabenplne der Privaten je nach der Konjunkturlage und den Bedingungen am Kreditmarkt aueror- dentlich unterschiedlich ist, hat der Sachverstndigenrat es bisher unter-

    1 Vgl. die Quoten der Jahre 1966 bis 1971 in Tabelle 20 des JG 1971.

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  • 58 Norbert Andel

    lassen, die ffentliche Schuldenpolitik vom Konzept des konjunkturneutralen Haushalts her zu beurteilen."

    Die entscheidende Definition lautet schlielich:

    Konjunkturneutral nach Auffassung des Sachverstndigenrates ist eine lngerf ristige Kreditaufnahme der ffentlichen Hand, die von einer kon- junkturneutralen Basis aus mit der gleichen Kate wchst wie das Sozialpro- dukt. Die Basis ist konjunkturneutral, wenn sich die Wirtschaft an eine be- stimmte Inanspruchnahme der privaten Ersparnisse durch den Staat ange- pat hat" (Ziff. 346).

    Diese Setzungen" sind unbefriedigend. Sie bercksichtigen einmal nicht adquat die Abhngigkeit der Entzugseffekte sowohl von der kon- junkturellen Situation, die zuvor in Ziff. 343 angesprochen wurde, als auch von internationalen Kapitalbewegungen. Da dieser letzte Aspekt mit einem kurzen Hinweis in Ziff. 349 abgetan wird, berrascht bei einem Gre- mium, das in anderem Zusammenhang so stark die Probleme der auenwirt- schaftlichen Absicherung betont. Zum anderen ist nicht einzusehen, warum eine Aufnahme langfristiger Kredite dann als konjunkturneutral gelten kann, wenn sich die Wirtschaft daran angepat hat. Wichtig ist nicht die An- passung als solche, sondern die spezifische Art der Anpassung, ob sie nmlich ber eine Einschrnkung der Kreditgewhrung an Private deren Nachfrage auch tatschlich reduziert oder nicht1. Das htte speziell fr das gewhlte Jahr 1966 untersucht werden mssen. Statt dessen heit es: Im Jahre 1966 hat die ffentliche Hand kurz- und langfristige Kredite in Hhe von 10,5 Mrd. DM aufgenommen. Ein Teil des Kreditbedarfs ist der beginnenden Rezes- sion zuzuschreiben, ohne konjunkturelle Sonderfaktoren wre bei dem gelten- den Steuersystem die Steuerdeckungsquote hher gewesen. Wir schtzen die konjunkturbedingten Steuerausflle auf rd. 3 Mrd. DM. Wren sie nicht eingetreten, htte eine lngerfristige Kreditaufnahme von rd. 7,5 Mrd. DM ausgereicht, das Defizit zu decken. Dies ist der Basiswert fr die Fortschrei- bung der konjunkturneutralen lngerfristigen Kreditaufnahme. Er liegt nahe bei dem tatschlichen Wert fr die lngerfristige Verschuldung des Staates 1966 (Tabelle 13) und folgt dem seit 1962 erkennbaren Trend" (Ziff. 348). Man kann sich nicht ganz des Eindrucks erwehren, da hier etwas willkrlich an einem Budgetposten Korrekturen vorgenommen werden. Warum, so mu man fragen, ist bei der Ermittlung der konjunkturneutralen Basis der Steuern nicht ebenso verfahren worden?

    Zusammenfassend ist festzustellen, da die Ausfhrungen des SVR zur konjunkturneutralen Kreditaufnahme wenig befriedigend sind. Wer mit der Problematik des ffentlichen Kredits etwas vertraut ist, wird darber aller- dings nicht sehr berrascht sein, denn die besonders groe Variabilitt der Entzugseffekte der Schuldenaufnahme macht es sehr schwierig, ja unmglich,

    1 Wenn es im JG 1972, Ziff. 274, heit, da eine partielle Finanzierung durch Kreditaufnahme nicht nur in Zeiten der Konjunkturabschwchung oder der Re- zession, sondern auch im konjunkturellen Gleichgewicht ''durchaus unbedenklich" sei, ,,wenn die Volkswirtschaft hieran angepat ist (oder durch die Geld- und Kredit- politik angepat wird)", so scheint die Bemerkung in der Klammer schon eher in die richtige Richtung zu deuten.

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  • Das Konzept des konjunkturneutralen Haushalts 59

    auf diese Einnahmenkategorie das anhand der Ausgaben und Steuereinnah- men entwickelte Konzept des SVR zu bertragen. Was der SVR am Ende des untersuchten Abschnitts fr den Fall einer Divergenz zwischen tatsch- licher und (angeblich) konjunkturneutraler Staatsverschuldung sagt, gilt nicht nur fr diese Situation, sondern allgemein fr den Gesamtbetrag der Kreditaufnahme: Konkurriert der Staat am Kapitalmarkt verstrkt um anlagebereite Mittel, indem er ber das konjunkturneutrale Ma hinaus lngerfristige Kredite nachfragt, so kann dies ber Zinserhhungen Einflu auf die Investitionsplne anderer Nachfrager am Kapitalmarkt haben. Das mu aber nicht so sein. Es gibt Zeiten, in denen das Angebot am Kapital- markt sehr elastisch ist; auch groe zustzliche Nachfrage wird dann bei dem gegebenen oder einem geringfgig erhhten Zins befriedigt. Das kann kon- junkturelle Ursachen haben und auf der Kreditpolitik beruhen. Es kann sich auch aus dem internationalen Kapital verkehr ergeben. Umgekehrt kann der Einflu auf private Finanzierungsplne gro sein - Steuererhhungen durch- aus vergleichbar -, wenn die Kreditmrkte angespannt sind und der Staat seine Kreditwnsche bei krftig steigenden Zinsen durchsetzt." (Ziff. 349). Leider trgt das Konzept des KNH diesem Sachverhalt nicht Rechnung.

    5. Die Definition der konjunkturneutralen sonstigen Einnahmen

    Auch auf diese Einnahmeart wird erstmals im JG 1970 eingegangen. Dort heit es in Ziff. 352: ,,Die brigen ffentlichen Einnahmen knnen prin- zipiell bei der Beurteilung der Finanzpolitik nicht vernachlssigt werden. Allerdings setzen sich die brigen Einnahmen aus einer Vielzahl von Einzel- gren zusammen, die in ihrem konomischen Charakter unterschiedlich zu beurteilen sind. Zum einen sind dazu etwa Mieten, Pachten, Zinsen und Er- lse aus Vermgensveruerungen zu rechnen, die den Gebietskrperschaf- ten in einer privaten Unternehmen vergleichbaren Rolle zuflieen. Anderer- seits zhlen dazu auch Gebhren, Beitrge und andere Abgaben, die bei der Inanspruchnahme staatlicher Leistungen zu entrichten sind, jedoch auch einen den Steuern hnlichen Zwangscharakter haben" (Ziff. 352).

    Der SVR weist im Hinblick auf die Heterogenitt der sonstigen Einnah- men auf die Notwendigkeit hin, diese unterschiedlich zu gewichten, ent- scheidet sich aber angesichts der Unmglichkeit, dies fundiert zu tun, fr die Unterstellung, ,,da die sonstigen Einnahmen in jedem Jahr konjunktur- neutral sind" (Ziff. 353).

    Diese Schlufolgerung, die darauf hinausluft, den gleichen Entzugs- effekt wie bei den konjunkturneutralen Steuern anzunehmen, ist akzeptabel.

    6. Die Budgetstruktur

    Das gerade erwhnte Strukturproblem ist keineswegs auf die sonstigen Einnahmen beschrnkt, sondern gilt in gleicher Weise fr die Steuern, viel- leicht noch mehr fr die Ausgaben. Der SVR ist darauf, wenn auch nur kurz, schon im JG 1968 eingegangen. Dort heit es nach den Definitionen fr den konjunkturneutralen Staatshaushalt sowie die konjunkturneutralen Ein-

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  • 60 Norbert Andel

    nahmen und Ausgaben: Alle diese Kegeln gelten natrlich nur global, d.h. bei konstanter Struktur der Ausgaben und Einnahmen. Wenn sich diese Struktur ndert, sind die daraus resultierenden konjunkturellen Wirkungen zu bercksichtigen" (Ziff. 115).

    Dieser Aspekt wird im JG 1970 wieder aufgegriffen: Den verschiede- nen Einnahmen- und Ausgabenarten sind, das darf man wohl mit groer Wahrscheinlichkeit annehmen, unterschiedliche konjunkturelle Effekte bei- zumessen. So haben etwa, geht man von theoretischen berlegungen aus, Personalausgaben geringere expansive Wirkungen als Ausgaben fr Investi- tionen oder Zuschsse, und auslands wirksame Zahlungen knnen fr die konjunkturelle Entwicklung im Inland bedeutungslos sein. Ebenso drften von den Einnahmen aus verschiedenen Steuern teilweise unterschiedliche Entzugseffekte ausgehen" (Ziff. 350).

    Angesichts des niedrigen Standes unserer empirischen Kenntnisse hat der Verfasser groes Verstndnis fr die Entscheidung des SVR, auf (schein- bare) Verfeinerungen im damaligen Zeitpunkt zu verzichten. Alternative Konzepte bauen auf hnlich globalen Annahmen auf - jedenfalls wenn man es sich dabei nicht so einfach macht, zwar eine Gewichtung zu bringen, sich aber nicht der Mhe einer Begrndung zu unterziehen1.

    ///. Die rechnerische Ermittlung des konjunkturneutralen Haushalts

    In Abschnitt II wurde untersucht, wie das Konzept des KNH im Laufe der Zeit entwickelt und wie einige Teilprobleme behandelt wurden2. Ma- gebend waren dabei die entsprechenden verbalen Ausfhrungen der einzelnen JG.

    Jetzt sollen die Berechnungen des KNH analysiert werden, wie sie erst- mals 1969 und seit 1970 in der schon mehrfach erwhnten Tabelle Die Haushalte der Gebietskrperschaften in konjunktureller Sicht" verffentlicht wurden.

    1. JG 1970 Im JG 1970 wird in der auf S. 62/63 wiedergegebenen Tabelle 12, auf die

    sich die folgenden Ausfhrungen beschrnken, eine solche Berechnung fr die Gebietskrperschaften, in Tabelle 25 fr die Gebietskrperschaften und So- zialversicherungen zusammen vorgelegt. Das konjunkturneutrale Haushalts- volumen ergibt sich als Summe von

    a) Staatsausgaben bei gleicher Staatsquote wie im Basisjahr 1966" und b) Mehreinnahmen aufgrund erhhter Steuerquote". 1 Vgl. R.A.Musgrave: On Measuring Fiscal Performance, in: ,,The Review of

    Economics and Statistics", vol. 46, 1964, S. 213ff. 2 Der Verfasser ist aut die Problematik der Ermittlung des .rroduktionspoten- tials nicht eingegangen. Das bedeutet nicht, da er diese Frage fr bedeutungslos hielte - ganz im Gegenteil. Sein Interesse konzentrierte sich jedoch auf die Wir- kungslehre, die dem Konzept des SVR zugrunde liegt. Die daran vorgetragene Kritik ist unabhngig von der Frage, inwieweit es dem SVR gelungen ist, das Produktions- potential befriedigend zu erfassen.

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  • Das Konzept des konjunkturneutralen Haushalts 61

    Den ersten Posten erhlt man, indem man die Ausgabenquote des Basis- jahres 1966 im Sinne von tatschlichen Gesamtausgaben zu Produktionspo- tential in jeweiligen Preisen (ist im Basisjahr identisch mit ,, Staatsausgaben bei gleicher Staatsquote wie im Basisjahr 1966" zu Produktionspotential bei ,konjunkturneutralerc Erhhung des Preisniveaus des Bruttosozialprodukts im jeweiligen Jahr") mit dem Produktionspotential bei konjunkturneu- traler Erhhung des Preisniveaus des Bruttosozialprodukts des jeweiligen Jahres" multipliziert.

    Der zweite Posten errechnet sich als Differenz zwischen den tatsch- lichen Steuereinnahmen und dem Betrag, der sich ergibt, wenn man die Steuerquote des Basisjahres mit dem Bruttosozialprodukt in jeweiligen Prei- sen multipliziert.

    Beschrnken wir uns zunchst auf den Fall konstanter Steuer quote, gleicher Wachstumsrate von realem BSP und realem Produktionspotential und nehmen wir, um in einem fr uns heute typischeren Kontext zu argumen- tieren, fr 1967 an, da der tatschliche Preisniveauanstieg ber dem ,, kon- junkturneutralen" gelegen htte. Whrend nach dem Konzept des SVR von der Basis 1966 ausgehend das konjunkturneutrale Steueraufkommen ent- sprechend dem Wachstum des BSP zu jeweiligen Preisen zunimmt, drfen die Ausgaben, sofern die Konjunkturneutralitt im Sinne des KNH gewahrt bleiben soll, nur entsprechend dem (geringeren) Wachstum des Produktions- potentials bei ,, konjunkturneutraler Erhhung des Preisniveaus des Brutto- sozialprodukts im jeweiligen Jahr" steigen. Jedenfalls solange man mit dem SVR mangels genauerer empirischer Information darauf verzichtet, die ein- zelnen Posten zu gewichten, ist eine solche Entwicklung nicht als konjunk- turneutral, sondern als restriktiv anzusehen, weil wegen der verwendeten unterschiedlichen Preisniveauerhhungsraten der steuerliche Entzugseffekt strker steigt als der mit den Ausgaben verbundene expansive Effekt.

    Angenommen nun, die Steuerquote sei gestiegen, dann ist nach dem Konzept des SVR nur dann weiterhin Konjunkturneutralitt gegeben, wenn kompensierend die Ausgaben ber das Ma hinaus steigen, das der Entwick- lung des Produktionspotentials bei ,, konjunkturneutraler Erhhung des Preisniveaus des Bruttosozialprodukts im jeweiligen Jahr" entspricht1. Wenn man die Tabelle 12 ,,Die Haushalte der Gebietskrperschaften in kon- junktureller Sicht" betrachtet, sieht man, da der SVR eine solche Kompen- sation dann als verwirklicht ansieht, wenn die Ausgaben um den Betrag stei- gen, der der Differenz zwischen dem Steueraufkommen bei konstanter und dem Steueraufkommen bei gestiegener Steuer quote entspricht.

    Uns scheint, da hier im Konzept des SVR ein Bruch zutage tritt: Wh- rend das Steueraufkommen innerhalb der konstanten Steuerquote als global- konjunkturell kompensiert angesehen wird, wenn die Ausgaben entsprechend der ,, konjunkturneutralen" Preisniveauerhhung in relativ geringerem Aus- ma steigen, wird fr das Aufkommen, das der Erhhung der Steuerquote

    1 In Ziff^338 heit es: Zum Ausgleich der Progressionswirkung - die stndig zu einer Erhhung der Steuerquote fhrt - wren Mehrausgaben zu ttigen oder Steuern zu senken, soll der Haushalt konjunkturneutral sein."

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  • 62 Norbert Andel

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  • Das Konzept des konjunkturneutralen Haushalts 63

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  • 64 Norbert Andel

    entspricht, eine genaue betragsgleiche Erhhung der Ausgaben gefordert. Fr eine solche Differenzierung liegt keine Begrndung vor. Wenn man sich in Erinnerung ruft, was der SVR im Abschnitt ber ,, Konjunkturneutrale Steuereinnahmen" zu einem Teil des automatischen Steuermehraufkommens sagt, mte man - wenn berhaupt differenziert wird - eine Differenzierung in umgekehrter Richtung erwarten.

    Typischerweise drfte heutzutage die tatschliche Erhhung des Preis- niveaus des BSP grer sein als die konjunkturneutrale, so da bei den ge- machten Annahmen im allgemeinen die fr Ausgaben und Steuereinnahmen unterschiedlichen Preisregeln zu einem relativ strkeren Wachstum der Steuereinnahmen, und das heit: zu einer Reduktion des Auslastungsgrades fhren.

    Es ist nun aber noch zu bercksichtigen, da bei der Berechnung der konjunkturneutralen Ausgaben und Steuereinnahmen nicht nur die Wachs- tumsraten der Preise unterschiedlich sein knnen, sondern auch die der realen Bezugsgrundlagen. Die oben gemachte Annahme, da sich das reale BSP und das Produktionspotential in relativ gleichem Ausma verndern, mag fr eine ausgeglichene Konjunkturentwicklung oder fr eine Periode anhal- tender bernachfrage zutreffen. Sie ist nicht richtig fr frhe Boomphasen mit steigendem Auslastungsgrad, in denen die reale Bemessungsgrundlage der Steuern strker wchst als die der Ausgaben, der oben im Hinblick auf die Preiskomponente konstatierte, den Auslastungsgrad senkende restrik- tive Effekt also verstrkt wird. Umgekehrt ist es im Abschwung bzw. in der Rezession mit sinkendem Auslastungsgrad. Einer auch in dieser Phase mg- lichen Diskrepanz der vorstehend erwhnten Art zwischen den nominalen Komponenten der Bezugsgrundlagen steht jetzt eine entgegengesetzte der realen Komponenten gegenber. Hier ist es am ehesten mglich, da (bei einer auf Ausgaben und Steuereinnahmen beschrnkten Betrachtung) der KNH des SVR tatschlich einmal konjunkturneutral ist. Das mu allerdings nicht so sein, insbesondere nicht, wenn der konjunkturneutrale Preisniveau- anstieg ber dem tatschlichen liegt, wie das z.B. 1967 der Fall war.

    Die Differenz zwischen den tatschlichen Staatsausgaben und dem kon- junkturneutralen Haushalts volumen wird vom SVR als konjunktureller Effekt des Haushalts" bezeichnet, anhand dessen die Konjunkturadquanz der tatschlichen Haushaltspolitik beurteilt wird. Im Zusammenhang damit ergeben sich, von den oben gebrachten kritischen Einwnden, besonders zum Konzept der konjunkturneutralen Ausgaben, einmal abgesehen, zwei Fragen:

    1. Was ist unter dem Posten ,, konjunktureller Effekt des Haushalts" zu verstehen?

    2. Welche Beurteilung anderer Budgetposten ist dabei implizit einge- schlossen ?

    Beginnen wir mit der zweiten Frage. Aus dem vorstehend skizzierten Rechenwerk folgt, da der SVR die nichtsteuerliche Finanzierung der kon- junkturneutralen Ausgaben berhaupt nicht bercksichtigt. Im JG 1970 werden die darauf entfallenden Betrge immerhin mit 32,6 Mrd. DM fr 1966

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  • Das Konzept des konjunkturneutralen Haushalts 65

    und 31,8 Mrd. DM fr 1970 ausgewiesen. Theoretisch ist es mglich, da in diesem Kahmen sonstige Einnahmen (Mieten, Zinsen, Gebhren, Beitrge) durch Kreditaufnahmen oder durch den Abbau von Kassenreserven ersetzt werden, ohne da dadurch der ausgewiesene konjunkturelle Effekt vern- dert wrde! Frwahr, ein sehr sonderbares Vorgehen, bei dem die im gleichen Gutachten zu findenden Ausfhrungen zur konjunkturneutralen Kreditauf- nahme und zu den sonstigen Einnahmen berhaupt nicht bercksichtigt werden.

    Was die erste Frage betrifft, so ist zunchst davon auszugehen, da der konjunkturelle Effekt bestimmt ist als Differenz zwischen tatschlichen Staatsausgaben und dem konjunkturneutralen Haushalts volumen. Es handelt sich nicht eigentlich um den konjunkturellen Effekt im Sinne von durch das Budget ausgelsten Wirkungen auf den Auslastungsgrad des Produktions- potentials, sondern um eine Gre, die nach der vom SVR verwendeten Wir- kungslehre je nach Vorzeichen auf eine expansive oder restriktive Wirkung hindeutet, hnlich wie der Saldo (wie auch immer definiert) in dem vom SVR mit Herablassung behandelten Saldenkonzept1. Um zur eigentlichen Wir- kung, etwa in bezug auf die gesamtwirtschaftliche Nachfrage oder den ge- samtwirtschaftlichen Auslastungsgrad, zu gelangen, bedarf es noch weiterer berlegungen, z.B. im Rahmen eines Multiplikator- bzw. Akzelerator- Modells.

    Darauf kann man verzichten, wenn man weniger an der absoluten Gre des Effekts als an dessen Variation im Konjunkturverlauf interessiert ist und eine weitgehende Konstanz des Multiplikators bzw. Akzelerators unter- stellt. So gesehen mag der sog. konjunkturelle Effekt des Haushalts inner- halb des Konzepts des SVR durchaus als Gre zur konjunkturpolitischen Beurteilung geeignet sein, insbesondere wenn sie ,, relati viert" wird. Ver- stndlicherweise whlt der SVR dazu das Produktionspotential bei konjunk- turneutraler Preisniveauerhhung. Dem Verfasser selbst scheint dazu das Produktionspotential in jeweiligen Preisen besser geeignet zu sein2.

    1 Zutreffender wird im JG 1972 von der ,, Gre" gesprochen, die wir als Indikator fr die konjunkturellen Wirkungen der ffentlichen Haushalte ansehen" (Ziff. 272. Hervorhebung vom Verfasser). 2 In der erwhnten Tabelle des JG 1970 wird ein Begriffspaar eingefhrt, das zwar nicht unbedingt zur Erhellung des Konzepts des KNH im engeren Sinne ge- bracht werden mu, auf das aber dennoch ganz kurz eingegangen werden soll. Ge- wissermaen zur Untermauerung der Notwendigkeit, zumindest einen konjunktur- neutralen, besser noch: einen konjunkturadquaten Haushalt vorzulegen, wird zwi- schen der beanspruchten und der realisierten Staatsquote unterschieden. Dabei ist die beanspruchte Staatsquote als tatschliche Staatsausgaben" zu Produktions- potential bei jkonjunkturneutraler4 Erhhung des Preisniveaus des Bruttosozial- produkts im jeweiligen Jahr", die realisierte Staatsquote als tatschliche Staats- ausgaben" zu Produktionspotential in jeweiligen Preisen" definiert.

    Eine solche Prsentierung macht es leicht, eindrucksvoll darzulegen, wie der Staat anscheinend durch die Preisniveauerhhung, die ber das konjunkturneutrale Ma hinausgeht, an der Realisierung seiner Plne verhindert wird. Sie ist aber ber- trieben und kaum ganz redlich. Es wird doch wohl niemand im Rat so unrealistisch sein anzunehmen, da die staatlichen Stellen die beanspruchte Quote auf die an- gegebene Weise planen, also unter der in aller Regel unrealistischen Annahme einer lediglich konjunkturneutralen Preisniveauerhhung. Aus diesem Grund handelt es

    5 Finanzarchiv N. F. 32 Heft 1

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  • 66 Norbert Andel

    2. JG 1971 und JG 1972

    Die geschilderten Berechnungen finden sich in inhaltlich gleicher Form, wenn auch etwas anders angeordnet, in den JG 1971 und 1972 wieder. Neu ist 1971 neben dem gesonderten Ausweis der absoluten Vernderung des sog. konjunkturellen Effekts" gegenber dem Vorjahr ein Vorjahresvergleich, in dessen Mittelpunkt die Zuwachsrate des konjunkturneutralen Haushalts- volumens gegenber den tatschlichen Staatsausgaben im Vorjahr sowie ihre Bestimmungsfaktoren stehen.

    Bemerkenswert ist, da sich 1972 der SVR bemht zu zeigen, welche Beziehungen zwischen dem Finanzierungssaldo und der Gre bestehen, die wir als Indikator fr die konjunkturellen Wirkungen der ffentlichen Haus- halte ansehen" (Ziff. 272). Auf diese Eechnung, die dem Verfasser etwas un- klar und recht problematisch zu sein scheint, soll hier nicht eingegangen werden, da sie nicht zum eigentlichen Konzept des KNH gehrt. Gestattet sei allerdings der Ausdruck der Verwunderung ber die Aufwertung, die der SVR dadurch in gewisser Weise dem von ihm nicht gerade wohlwollend be- handelten Saldenkonzept zuteil werden lt.

    3. Vergleich von verbalen Ausfhrungen und Berechnungen

    Wenn man die in Teil II untersuchten verbalen Ausfhrungen des SVR der einzelnen Jahre mit den Berechnungen in den JG 1970 bis 1972 ver- gleicht, stellt man fest,

    1. da einige Aspekte zwar erwhnt, aber bei den konkreten Berech- nungen (noch) nicht bercksichtigt worden sind. Das gilt nicht nur fr die Einnahmen aus Kreditaufnahme und die sonstigen Einnahmen, sondern auch fr die Strukturverschiebungen und die Aufteilung des Steuermehrauf- kommens entsprechend den Bestimmungsfaktoren (von der Nebenrech- bung" des Jahres 1972 abgesehen);

    2. da in den Fllen, wo innerhalb der verbalen Ausfhrungen im Laufe der Zeit Wandlungen festzustellen sind, die jngsten Versionen den Berech- nungen zugrundegelegt werden. Das trifft im Hinblick auf die Definition der konjunkturneutralen Ausgaben fr die Frage des zu bercksichtigenden Preisniveauanstiegs, im Hinblick auf die Definition sowohl der konjunktur- neutralen Ausgaben als auch der konjunkturneutralen Steuereinnahmen fr das Abgehen von der Realisierung angestrebter Quoten zu.

    4. Die Korrektur der Steuereinnahmen des Basisjahres

    Wir kritisierten oben bei der Analyse der sog. konjunkturneutralen Ein- nahmen aus Kreditaufnahme, da bei der Festlegung der konjunkturneu- tralen Basis punktuell die Neuverschuldung des Jahres 1966 im Hinblick auf geschtzte konjunkturbedingte Steuerausflle in Hhe von 3 Mrd. DM ge-

    sich u.E. bei dem verwendeten Begriffspaar um tendenzise Formulierungen, auf die verzichtet werden sollte.

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  • Das Konzept des konjunkturneutralen Haushalts 67

    krzt wurde, ohne entsprechende Folgerungen fr andere Budgetposten zu ziehen. Tut man das z.B. fr die Steuern und bestimmt die konjunkturneu- trale Steuerbasis 1966 als tatschliche Steuereinnahmen plus 3 Mrd. DM kon- junkturbedingte Steuer ausflle, gelangt man zu einer hheren Steuer quote. Modifiziert man die Berechnungen des SVR entsprechend, so ergeben sich ganz erhebliche Vernderungen des sog. konjunkturellen Effekts, wie die folgende Zusammenstellung zeigt:

    Die Gre des sog. konjunkturellen Effekts - in Mrd. DM -

    Jahr Berechnungsmodus jg^

    jggg j^ J7 97 1972"

    SVR, JG 1972, Tabelle 28 +0,1 -0,3 -4,7 +6,7 +9,1 +12,9 Erhhung der Steuerein- nahmen des Basisjahres um 3 Mrd. DM +3,1 +3,0 -1,0 +10,9 +13,7 +18,0

    Es handelt sich bei dieser mangelnden Bestimmtheit des konjunkturel- len Effekts" nicht um die Konsequenz unseres geringen empirischen Wissens allgemein, die auch andere, etwa am Finanzierungssaldo orientierte Kon- zepte gleicherweise belasten wrde, sondern - das mu betont werden - um eine Eigenart eben des KNH.

    IV. Zusammenfassung

    Fassen wir die wichtigsten Ergebnisse unserer Analyse zusammen: 1. Der sog. KNH des SVK ist nicht generell konjunkturneutral, sondern

    kann sowohl expansiv als auch restriktiv wirken, den Auslastungsgrad des gesamtwirtschaftlichen Produktionspotentials erhhen oder senken.

    2. In ganz berwiegend restriktiver Richtung wirkt die Art, wie das kon- junkturneutrale Steueraufkommen in der heute typischen Situation, nmlich bei einem zu erwartenden Preisniveauanstieg, der ber dem sog. konjunktur- neutralen liegt, festgelegt wird.

    3. Die vorgetragenen Vorstellungen ber die Steuerwirkungen sind in- soweit unrealistisch, als bestimmte Mehr- oder Mindereinnahmen als ohne Einflu auf den globalen Entzugseffekt angesehen werden.

    4. Im Zusammenhang mit Punkt 3, aber auch an anderen Stellen, wird der Eindruck erweckt, da der SVR bei seinen Vorschlgen nicht immer nur einen kon]xmktmneutralen, sondern zuweilen zumindest auch einen mehr kon- ]'mktuiadquaten Haushalt vor Augen hat.

    5. Widersprchlich ist die als konjunkturneutral bezeichnete Kombina- tion von Steuern und Ausgaben im Rahmen einer konstanten Steuerquote einer-, im Rahmen einer Erhhung dieser Steuerquote andererseits.

    5*

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  • 68 Norbert Andel: Das Konzept des konjunkturneutralen Haushalts

    6. Es ist als groer Mangel anzusehen, da in den Berechnungen auf der Einnahmenseite nur die Steuern bercksichtigt werden.

    7. Der in verbaler Form bzw. bei der Analyse des Saldenkonzepts unter- nommene Versuch, die Kreditaufnahme in das Konzept des SVR einzubauen, ist im Hinblick auf das in der Regel vergleichsweise geringe Niveau des Ent- zugseffekts sowie im Hinblick auf dessen groe Variabilitt abzulehnen. Die Art der Behandlung der Kreditaufnahme fhrt dazu, da der als konjunktur- neutral ausgewiesene Haushalt insoweit eher expansiv als neutral wirkt.

    8. Fr den sog. konjunkturellen Effekt ergeben sich von den Berech- nungen des S VE betrchtlich abweichende Gren, wenn man im Basisjahr auch bei den Steuern die Korrekturen vornimmt, die der SVR fr die Kredit- aufnahme vorgeschlagen hat.

    9. Wegen der Unbestimmtheit dessen, was unter konjunkturneutralem Preisniveauanstieg zu verstehen ist, ergibt sich ein Manipulationsspielraum, der in dieser Form bei anderen Budgetkonzepten fehlt.

    Fazit: Der Auffassung eines frheren Mitarbeiters des Stabes des SVR: ,,Die Konzeption des konjunkturneutralen Haushalts stellt ohne Zweifel eine wesentliche Bereicherung der finanz wirtschaftlichen und finanzpoliti- schen Diskussionen um die konjunkturellen Effekte ffentlicher Haushalte dar" 19 kann nicht zugestimmt werden. Der SVR wre im Gegenteil gut bera- ten, sein Konzept entweder entscheidend zu ndern oder ganz aufzugeben - und sei es zu Gunsten eines relativierten" Saldenkonzepts.

    1 M.Feldsieper, aaO, S. 414.

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    Article Contentsp. [46]p. 47p. 48p. 49p. 50p. 51p. 52p. 53p. 54p. 55p. 56p. 57p. 58p. 59p. 60p. 61p. 62p. 63p. 64p. 65p. 66p. 67p. 68

    Issue Table of ContentsFinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 32, H. 1 (1973), pp. 1-184Front MatterDie Ausgabenintensitt der ffentlichen Aufgabenerfllung [pp. 1-20]Ideale und weniger ideale Bedingungen fr eine Steuerreform [pp. 21-34]Nominal- oder Realprinzip in der Einkommensbesteuerung? [pp. 35-45]Das Konzept des konjunkturneutralen Haushalts [pp. 46-68]The Distribution of Income and the Short-run Burden of Taxes in Turkey, 1968 [pp. 69-97]Compulsory Loans, Disposable Income, and Quarterly Consumption Behaviour in Israel: 19641969 [pp. 98-115]ChronikLes Finances Publiques de la France de 1970 1973 [pp. 116-134]Die staatliche Ttigkeit in der Bundesrepublik Deutschland 1972 [pp. 135-154]

    LiteraturTax Problems of Developing Countries [pp. 155-159]Fiscal Reform in Colombia: A Review Article [pp. 160-166]

    BesprechungenReview: untitled [pp. 167-168]Review: untitled [pp. 168-170]Review: untitled [pp. 170-174]Review: untitled [pp. 174-175]Review: untitled [pp. 175-177]Review: untitled [pp. 177-178]Review: untitled [pp. 178-179]Review: untitled [pp. 179-181]Review: untitled [pp. 181-182]Review: untitled [pp. 182-183]Review: untitled [pp. 183-184]

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