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XXXI. (Aus dem pharmakologischen Institut der K~I. Universit~t P a 1e r m o). Direktor: Prof. V. Oervello. Das phosphorwolfi'amsaure ~Natrium als Reagens auf Harn- sliure und sonstige reduzierende Eiirper. Vol3 Dr. Carlo Cervello, Assistent. In den Nouveaux Rem6des 1909, ~N'r. 7, verSffentliehten A. Richaud und Bidot eine Mitteilung unter dem Titel ,~'ber eine neue Farbreaktion tier Ferrosalze und einige Anwendungen dieser Reaktion ~t. Sie beriehten, dab sie bei Untersuchung des Urins auf Peptone mit dem Phosphorwolframreagens wahrnahmen, daB, wenn ent- spreehend den Angaben s~mtlieher Arbeitea tiber Urologic ein mit- telst Ammoniumsulfat yon den Albumosen befreiter Itarn mit einigen Tropfen des genannten Reagens versetzt wird, konstant ein Pr~- zipitat erhalten wird, welches in Natronlauge lSslich ist. Sie dachten nun, dal~ es znr Anssehaltung der Fehlerquelle, die sie beobaehtet batten, ausreichend sein wfirde, den Urin naeh Zusatz des Phosphorwolfi'amreagens alkaliseh zu maehen. Bei Ausftihrung dicser Reaktion sahen nun Richaud und Bidot zu ihrer Uber- raschung in dem Urin eine prS~chtige Blauf~rbung auftreten, die durchaas mit derjeniger~ der Fehlingschen Fl~issigkeit vergleich- bar war. Die Reaktion wurde dann mit verschiedenen Urinen tells yon gesunden Individuen, teils yon kranken wiederholt und mit s~mt- lichen Urinen war die Reaktion positiv, weshalb die Verfasser dachten, es masse sieh um eine spezifisehe Reaktion des Urins handeln. Infolg,edessen suchten sic festzustellen, auf welchem Bestandteil des Hams die Reaktion beruhte, und kamen zu dem Sehlul~, daft sic keinem der normalen in verhi~ltnism~fiig hoher Menge im Ham vorkommenden Bestandteile zuzuschreiben sei.

Das phosphorwolframsaure Natrium als Reagens auf Harnsäure und sonstige reduzierende Körper

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XXXI.

(Aus dem pharmakologischen Institut der K~I. Universit~t P a 1 e r m o). Direktor: Prof. V. Oervello.

Das phosphorwolf i 'amsaure ~Natrium als Reagens a u f Harn- sliure und sonstige r eduz i e r ende Ei i rper .

Vol3

Dr. Carlo Cervello, Assistent.

In den N o u v e a u x R e m 6 d e s 1909, ~N'r. 7, verSffentliehten A. R i c h a u d und B ido t eine Mitteilung unter dem Titel ,~'ber eine neue Farbreaktion tier Ferrosalze und einige Anwendungen dieser Reaktion ~t.

Sie beriehten, dab sie bei Untersuchung des Urins auf Peptone mit dem Phosphorwolframreagens wahrnahmen, daB, wenn ent- spreehend den Angaben s~mtlieher Arbeitea tiber Urologic ein mit- telst Ammoniumsulfat yon den Albumosen befreiter Itarn mit einigen Tropfen des genannten Reagens versetzt wird, konstant ein Pr~- zipitat erhalten wird, welches in Natronlauge lSslich ist.

Sie dachten nun, dal~ es znr Anssehaltung der Fehlerquelle, die sie beobaehtet batten, ausreichend sein wfirde, den Urin naeh Zusatz des Phosphorwolfi'amreagens alkaliseh zu maehen. Bei Ausftihrung dicser Reaktion sahen nun R i c h a u d und B ido t zu ihrer Uber- raschung in dem Urin eine prS~chtige Blauf~rbung auftreten, die durchaas mit derjeniger~ der F e h l i n g s c h e n Fl~issigkeit vergleich- bar war.

Die Reaktion wurde dann mit verschiedenen Urinen tells yon gesunden Individuen, teils yon kranken wiederholt und mit s~mt- lichen Urinen war die Reaktion positiv, weshalb die Verfasser dachten, es masse sieh um eine spezifisehe Reaktion des Urins handeln.

Infolg, edessen suchten sic festzustellen, auf welchem Bestandteil des Hams die Reaktion beruhte, und kamen zu dem Sehlul~, daft sic keinem der normalen in verhi~ltnism~fiig hoher Menge im Ham vorkommenden Bestandteile zuzuschreiben sei.

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Daher lenkten sie ihre Aufmerksamkeit auf jene Bestandteile~ die normalerweise dutch den ttarn ausgesehieden werden, aber sich darin nm" in sehr geringer Menge finden, und geleitet dureh die er- haltene BIauf/irbung, welche an Berliner-Blau erinnerte, dachten sie sofort an Eisen.

Sie versuehten die Reaktion an einer stark verdiinnten Ferro- sulfatlSsung und sahen die sehiine Blauf/trbung auftreten; sie nahmen Eisenehlorid: die Reaktion war neg'ativ.

Darauf griffen sie wieder zu den Eisenoxydulverbindungen und erhielten die Reaktion bei s~tmtlichen ausgeftibrten Proben, w/ihrend sie sahen, daiS diese Verbindungen nach der Oxydation zu Eisen- oxydverbindungen sie nicht mehr geben.

Es handelt sieh also, bemerken die Autoren, um eine spezielle Reaktion der Ferrosalze, zu deren Erzielung es gentigt, die zu unter- suchende Fliissigkeit mit einigen Tropfen des Pbosphorwolframreagens zu versetzen und tiichtig mit Natronlauge alkaliseb zu machen.

Beriieksichtigt man jedoeh, wie /iu~erst gering die im nor- malen mensehlichen Urin enthaltenen Eisenmengen sind~ so toni} es wundernehmen, wie der Urin mit dem Natriumphosphorwolfi'amat so seharfe und empfindliehe Reaktionen geben kann. Und diese Verwunderung empfanden aueh die Autoren, so dal~ sie vermuteten, der Eisengehalt des Urins mSchte griii~er sein als man allgemein annimmt.

Die vielen Forseher, die sieh mit der Bestimmung des Eisens im Urin beseh/fftigt haben, haben stets /iuiSerst niedrige Werte ge- funden. Wenn man nun aueh die hSheren Zahlen annehmen wollte, wie die yon H a m b u r g e r (10--15 Milligramm in 24 Stunden), so bek/ime man in dem Urin einen Eisengehalt yon 0,008o/00, was 0,040 g Ferrosalz, z. B. Ferrosulfat, pro Mille gleiehkommt.

Bei diesem Grad der Konzentrierung, weleher bereits sehr hoeh erseheint, wenn man beriicksiehtigt~ da[~ derselbe mit dem Gesamt- eisengehalt des Urins in Zusammenhang steht, tritt die Reaktion ~iebt ein und zu ihrer Einleitung ist eine Steigerung der Konzen- trierung auf 0.3 O/o 0 notwendig.

Wenn man demnach auch annehmen wollte, daft die gewShnlieh im Earn sieh vorfindende Ferrosalzmenge grS~er ist als man glaubt, so besteht doeh zwischen den yon H a m b u r g e r angegebenen hSeh- sten Zahlen und denjenigen, welche gefunden werden mliiSten, um auf die Ferrosalze die Reaktion zurtiekzuftihren~ welche der Urin mit dem lqatriumphosphorwolfi'amat gibt, ein derartiger Untersehied,

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dgB die Vsrl3:l[ltnn~ Ric]aaLld lln~ B l d o t s absolu~ Bie]3t annehm- bar ist.

Worauf abet beruht alsdann diese Reaktion?

Dureh diese Eigentiimliehkeiten der letzteren war ieh trotz der Behauptung der Autoren, dab sie, wie bereits erw~hnt, dieselbe mit keinem der normalen in verh~Itnism/~f~ig hoher Menge im Urin vor- kommenden Bestandteile erhalten haben wollen, iiberzeugt, da~ sie gerade yon einem derselben abh~agen mlisse. Ieh erhielt in tier Tat eine glanzende Reaktion mit tier Harnsaure in alkaliseher LSsung (Natriumurat), indem ieh in diesem and den folgeaden Versuehen eine 10 prozentige LSsung voa Natriumphosphorwolframat verwendete.

Von letzterem stellte ieh alsdann versehiedeae LSsungen yon waehsender Verdtinnung her and sah die Reaktion stets bis zu der Verdtinnang von 1:20000 eintreten. Dariiber hinaus ging ieh nieht, f laes offenbar nieht notwendig war.

Die yon R i e h a u d und B i d o t mit dem Phosphorwolfrum- reagens im Urin beobaehtete Reaktion h~ngt also yon tier H a m s ~u r e ab, was in Anbetraeht meiner Beobaehtungen und in Anbetraeh~, da~ im Urin die FiarnsKure sieh normalerweise im Verh~ltnis yon zirka 0,40/0o vorfindet~ uns erkl~rt, warum die Reaktion konstant mit solcher Seh~rfe in s~mtliehen Urinen zur Beobaehtung kommt.

Doeh ist es m6glieh, dal~ sieh an dieser Reaktioa, aber ir~ ge- ringeren Proportionen, aneh andere normaie Bestandteile des Urins beteiligen, welehe in hezug auf das Reagens die namlichen Eigen- sehaften wie die Harns~ure besitzen, wie ieh sp~ter zeigen werde.

Was die Deutung dieser Reaktion anbelangr so besteht sie, meiner Ansieht naeh, in einer Reduktionserseheinung. Es ist ja be- kannt, dab die LSsungen der Wolframate mit Reduktionsmitteln intensive Blanf~rbung geben: in unserem Fall, n~mlieh bei dem Urin, wird das reduzierende Agens dutch die Harns~ure dargestellt.

Dafiir, dab es sich um eine Reduktionserseheinung handelt, spreehen weiter folgende Tatsaehen:

1. Das Phosphorwolframre~gens gibt dicselbe F~rbung mit an- deren stark reduzierenden KSrpern, wie Traubenzueker, Hydroxyl- amin, Morphia usw.

2. Die Blauf~rbung, welehe die Ferrosalze mit dem Phosphor- wolframat geben, geht unter der Einwirkung des Luftsauerstoffes langsam zuerst in griia und dann ins rSfliehe tiber infolge Bildung yon niederen Wolframoxyden und die dureh die Harns~ure gegebene entf~rbt sieh unier dem n~mliehen Einflufi allmahlich.

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3. Die KSrper, welche die beschriebeae Reaktion mit dem Pbosphorwolframat geben, geben sie ebenfalls, wenn schon bedeutend schw/ichcr, mit den Liisungen der molybd/insauren Salze~ welche sioh bekanntlich den Reduktionsmitteln gegeniiber, wie die analogea Wolframsalze verhalten.

Wie man sieht, ist also das lqatriumphosphorwolframat keia spezielles Reagens auf Harns/iure~ sondera ein Reagens auf viele KSrper und wahrsoheinlich auf alle diejenigen~ welche cine redu- zierende Wirkung austiben.

Ich werde auf diesen Gegenstand und die praktisohen An- wendungen, die sieh aus dieser Reaktion ableiten lasscn, zurUck- kommen. Indessea kann ich sohon jetzt darauf hinweisen, dab die- selbe zum raschen und leichten Erkennen der Steine aus harnsauren Salzen verwertbar ist. Liifit man auf ein ganz kleines~ fein zer- stoBenes Sttiokohen Harnstein einen Tropfen des Phosphorwolfram- reagens und dann einige Tropfen l~atronlauge fallen~ so tritt sofor$ die ebarakteristische Blaufiirbtmg auf,

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