8
76 J. Tillmans, P. Hirsch und 5. Jackisch Zeitschr. f. untersuchung der Lebensm ttel. Das Reduktionsvermiigen pflanzlicher Lebensmittel und seine Beziehung zum Vitamin C. v. Die antiskorbutische Wirkung verschiedener Ausziige der Gurke. Von J. Tillmans~ P. Hirsch und J. Jackisch. Mitteilung aus dem Universit~ts-Institut fiir Nahrungsmittelchemie in Frankfurt a.M. Unsere frtiheren Versuche haben uns zu dem Schlui~ gefiihrt: Die im Citronen- salt gelbste, den Farbstoff 2,6-Dichlorphenolindophenol reduzierende Substanz ist der Tr~ger der antiskorbutischen Wirksamkeit. Wir haben dann gesehen, dab aus pflanz- lichen I, ebensmitteln durch Behandeln mit S~ure und durch Kochen im allgemeinen mehr reduzierende Substanz in L0sung geht als dutch blol]es 2~uspressen und durch Ausziehen mit kaltem Wasser. In gewissen F~llen, wie z. B. bei der Kartoffel, wird sogar durch kaltes Wasser gar keine reduzierende Substanz aus dem pflanzlichen Material herausgelSst, und man erh~It tiberhaupt erst Reduktionsbetr~ge, wenn man kocht oder Shure anwendet. Es war damit zu rechnen, dab durch die verschiedenen Be- handlungsweisen verschiedene reduzierende Stoffe extrahiel~ warden. Trotzdein haben wit bei der Beurteilung des u den, meist durch Shurekochung zu erzielenden, hbchsten Titrationswert als Mal~stab angesehen. Dieses Vorgehen grtindet sich darauf, dab ja gerade die so erhaltenen Reduktionswerte die gute IJbereinstim- mung mit dem Vitamin-C-Gehalt zeigten'). In vorliegender Mitteilung soll nun ein direkter Nachweis daftir erbracht werden, dab auch in auf verschiedene Weise erhaltenen Ausziigen ReduktionsvermSgen und antiskorbutische Wirksamkeit Hand in Hand gehen; dab speziell auch die durch Aus- kochen mit verdtinnter Schwefelsi~ure erhaltenen Reduktionshquivalente einem C-Vita- mingehalt entsprechen. Fiir diese Untersuchung schien uns die griine Gurke ein geeignetes Objekt, well sie eine groi~e Differenz zwischen den Titrationswerten der wasserigen und der schwefel- sauren Ausztige aufwies. 1. Verfiitterung yon Gurkenausziigen an Meersehweinchen. Die Fiitterung. Es ist bekannt, dab eine thgliche Yerabreichung yon 1 ccm Citronensaft ein Meerschweinchen sicher vor Skorbut schtitzt. 1 ccm Citronensaft reduziert normalerweise 6--8 ccm 0,001 N.-2~6-Dichlorphenolindophenol (FL)~ im Durchschnitt 7 ccm. Far feste Gemtise hatte sich beim Vergleich der Ergebnisse v. Hahn's mit unseren Titra- tionswerten ergeben, dal3 der Reduktionswert der thgtichen Schutzdosis ira altgemeinen zwischen 6 und 12 ccm lag. Auch hiernach liegen die 7 ccm 0,001N.-FL innerhalb der Grenzen ftir die schutzgew~hrende ti~gliche ]Josis, wenn auch in der Nhhe der unteren Grenze. Wir legten diesen Wert yon 7 ccm 0~001N.-FL dem vorliegenden Meerschwein- chenversuch zugrunde und stellten die zu verftitternden Mengen der Untersuchungs- materialien darauf ein. Als Versuchstiere Wurden Meerschweinchen im Gewicht yon 300--400 g verwandt. Es wurden vier Reihen yon je vier Tieren eingestellt. Als skorbuterzeugende Grundkost 1) Mitteilung IlL Diese Zeitschrift 1932, 63, 241.

Das Reduktionsvermögen pflanzlicher Lebensmittel und seine Beziehung zum Vitamin C

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Das Reduktionsvermögen pflanzlicher Lebensmittel und seine Beziehung zum Vitamin C

76 J. T i l l m a n s , P. H i r s c h und 5. J a c k i s c h Zeitschr. f. untersuchung der Lebensm ttel.

Das Reduktionsvermiigen pflanzlicher Lebensmittel und seine Beziehung zum Vitamin C.

v. Die antiskorbutische Wirkung verschiedener Ausziige der Gurke. Von

J. Tillmans~ P. Hirsch und J. Jackisch.

M i t t e i l u n g aus dem U n i v e r s i t ~ t s - I n s t i t u t f i i r N a h r u n g s m i t t e l c h e m i e in F r a n k f u r t a.M.

Unsere frtiheren Versuche haben uns zu dem Schlui~ gefiihrt: Die im Citronen- salt gelbste, den Farbstoff 2,6-Dichlorphenolindophenol reduzierende Substanz ist der Tr~ger der antiskorbutischen Wirksamkeit . Wir haben dann gesehen, dab aus pflanz- lichen I, ebensmitteln durch Behandeln mit S~ure und durch Kochen im allgemeinen mehr reduzierende Substanz in L0sung geht als dutch blol]es 2~uspressen und durch Ausziehen mit kaltem Wasser. In gewissen F~llen, wie z. B. bei der Kartoffel, wird sogar durch kaltes Wasser gar keine reduzierende Substanz aus dem pflanzlichen Material herausgelSst, und man erh~It tiberhaupt erst Reduktionsbetr~ge, wenn man kocht oder Shure anwendet. Es war damit zu rechnen, dab durch die verschiedenen Be- handlungsweisen verschiedene reduzierende Stoffe extrahiel~ warden. Trotzdein haben wit bei der Beurteilung des u den, meist durch Shurekochung zu erzielenden, hbchsten Titrationswert als Mal~stab angesehen. Dieses Vorgehen grtindet sich darauf, dab ja gerade die so erhaltenen Reduktionswerte die gute IJbereinstim- mung mit d e m Vitamin-C-Gehalt zeigten') .

In vorliegender Mitteilung soll nun ein direkter Nachweis daftir erbracht werden, dab auch in auf verschiedene Weise erhaltenen Ausziigen ReduktionsvermSgen und antiskorbutische Wirksamkeit Hand in Hand gehen; dab speziell auch die durch Aus- kochen mit verdtinnter Schwefelsi~ure erhaltenen Reduktionshquivalente einem C-Vita- mingehalt entsprechen.

Fi ir diese Untersuchung schien uns die griine Gurke ein geeignetes Objekt, well sie eine groi~e Differenz zwischen den Titrationswerten der wasserigen und der schwefel- sauren Ausztige aufwies.

1 . Verfiitterung yon Gurkenausziigen an Meersehweinchen. D i e F i i t t e r u n g .

Es ist bekannt, dab eine thgliche Yerabreichung yon 1 ccm Citronensaft ein Meerschweinchen sicher vor Skorbut schtitzt. 1 ccm Citronensaft reduziert normalerweise 6 - - 8 ccm 0,001 N.-2~6-Dichlorphenolindophenol (FL)~ im Durchschnitt 7 ccm. F a r feste Gemtise hatte sich beim Vergleich der Ergebnisse v. H a h n ' s mit unseren Titra- tionswerten ergeben, dal3 der Reduktionswert der thgtichen Schutzdosis ira altgemeinen zwischen 6 und 12 ccm lag. Auch hiernach liegen die 7 ccm 0 ,001N. -FL innerhalb der Grenzen ftir die schutzgew~hrende ti~gliche ]Josis, wenn auch in der Nhhe der unteren Grenze. W i r legten diesen Wer t yon 7 ccm 0~001N.-FL dem vorliegenden Meerschwein- chenversuch zugrunde und stellten die zu verftitternden Mengen der Untersuchungs- materialien darauf ein.

Als Versuchstiere Wurden Meerschweinchen im Gewicht yon 300--400 g verwandt. Es wurden vier Reihen yon je vier Tieren eingestellt. Als skorbuterzeugende Grundkost

1) Mitteilung IlL Diese Zeitschrift 1932, 63, 241.

Page 2: Das Reduktionsvermögen pflanzlicher Lebensmittel und seine Beziehung zum Vitamin C

63. B~d. 1 277 ] ~ r z 1932.1 Antiskorbutische Wirkung der Gurke.

erhielten alle Tiere, wie frfiher, je 50 ccm (die grSBeren am SchluB des Versuchs je 60 ccm) Milch, die vorher ! Stuade bei 120 ~ im Autoklaven erhitzt war, auBerdem Heu un4 Haler nach Belieben. Vor Versuchsbeginn erhielten die Tiere zur GewShnung ers*~ 10 Tage lang die Grundkost mit einer Zulage yon 1 ccm Citronensaft je Tier und Tag. Die Durchftihrung des Ftitterungsversuchs geschah im fibrigen genau wie frfiher. Die zun~chst in wenig Milch gereichten Pr~parate wurden yon den durstigen Tieren sogleich gefressen. Es konnte meist schon nach 15--20 Minuten die Milch gereicht werden, selbst bei den Tieren, die 8--10 ccm des Schwefels~ureauszugs erhielten. Nur bei den erkrankten Tieren stand ein Teil des Pr~parates bisweilen 50--60 Minuten in der offenen Reibschale, die zur Fiitterung benutzt wurde.

Die Meerschweinchen der e r s t e n R e ih e erhielten neben der Grundkost taglich die Menge an roher Gurke, deren schwefelsaurer Auszug gerade 7 ccm 0,001 N.-FL reduzierte; das waren 7 - - 9 g. Die genaue Menge wurde taglich durch Titration des Schwefelsi~ureauszugs ermittelt. Die Gurke wurde in einem Sttick gereicht und nach kurzer EingewOhnung schon am dritten Tage yon allen Tieren sogleich gefressen.

Die Tiere der z w e i t e n R e i h e erhielten neben der Grundkost den kalten wi~sserigen Auszug der Gurkenmenge, die an die Tiere der ersten Reihe direkt ver- abreicht wurde. Die zu verfatternde Flassigkeit wurde also aus 7 - - 9 g fein zer- schnittener Gurke durch 24-sttindiges Stehen unter Kohlenshure in d e r Ki~ite hergestellt. Dieser Auszug reduzierte 0 ,1 - -0 ,4 ccm 0,001 N.-FL und wurde ti~glich frisch herge- gestellt oder h0chstens ftir zwei Tage.

Die d r i t t e R e i h e erhielt neben der Grundkost den Schwefelsi~ureauszug der Gurke, und zwar eine Menge, die 7 ccm 0,001 N.-FL reduzierte: Das Praparat wurde folgendermafien hergestellt: Die klein geschnittene Gurke wurde unter Zusatz yon wenig Wasser und Schwefelshure im eigenen Salt weichgekocht und die Fltissigkeit abgepre~t. Yon dieser Kochung reduzierten 5 ccm etwa 4 - - 7 ccm 0,001 N.-FL. Die LOsung war etwa 0 ,3- -0~4n sauer. Nach der Neutralisation mit Calciumcarbonat und dem Abzentrifugieren des Niederschlags wurde mit Essigsi~ure schwach angesi~uert: da die Tiere das saure Pr~parat bevorzugten, u n d e s in dieser Form unter Kohlens~ure 2 - - 3 Tage vorrhtig gehalten werden konnte.

Die Verluste an ReduktionsvermSgcn waren trotzdem so groin, dab schon am vierten Tage die LSsung h$itte konzentriert werden miissen, da vermieden wurde, den Tieren ein grSBeres Flfissigkeitsvolumen als 10 ccm zu verabreichen. Das Pr~parat wurde daher alle 2--3 Tage frisch hergestellt. Die Haltbarkeit war folgende:

Reduktionswerte in ccm 0,001 n yon je 5 ccm des neutralisierten schwefelsauren Aus- zugs nach verschiedenen Zeiten:

Nach Tagen ccm FL

(a) Sofort . . . . . . . . 5,7 ccm 0,001 N-FL (b) Nach 1 Tag . . . . . . 4,5 . . . . (c) ,, 2 Tagen . . . . . 3,45 . . .

, 3 . . . . . . 3,0 , , , , 4 , . . . . . 1 , 9 5 , , , ,

,, 5 , . . . . . 1,2 , , , ,

Verfiittert wurden danach am ersten Tage (a) je 6,5 ccm, an den darauffolgenden (b) S ccm und (c) 10,5 ccm.

Es ergab sich also bei diesen Ausziigen die auffallende Tatsache einer viel schnelleren Abnahme des Reduktionsvermbgens als beim Citronensaft.

Als v i e r t e R e i h e wurden zur Kontrolle zwei Tiere nur mit der Grundkost und zwei Tiere mit der Grundkost und je 1 ccm neutralisiertem Citronensaft gefattert.

Abgesehen yon den 10 Tagen der Eingew~hnung wurde der eigentliche Versuch mit den oben angegebenen Di~ten 63 Tage lang durchgeftlhrt.

Page 3: Das Reduktionsvermögen pflanzlicher Lebensmittel und seine Beziehung zum Vitamin C

278 J. T i l l m ~ n s P. H i r s c h und J. J a c k i s c h , [zeitschr. f. Untersuchung [ d e r L e b e n s m i t t e L

Dosis

V e r l a u f d e s T i e r v e r s u c h s .

Die Tiere der e r s t e n R e i h e nahmen alle r e g e l m ~ i g zu und zeigten keine Merkmale einer Erk rankung ; sie waren wi~hrend des ganzen u sehr lebhaft und zeichneten sich durch ein besonders glattes Fe l l aus. ' Bei Abbruch des Versuchs am 63. Tage wurde ein Tier mit Chloroform get0tet und seziert. Der Befund war voll-

kommen normal. Bei den Tieren der d r i t t e n R e i h e waren die Gewichtskurven regelmhl~ig an-

steigend und lagen bei 3 Tieren eng beieinander . Nut Tier Nr. 12 bl ieb etwas zurack und starb in terkurrent am 56. Versuchstage. Die Todesursache war nicht fes ts te l lbar ; Skorbutsymptome fehlten. Am 63. Tage wurde ein Tier mit Chloroform get0tet und

seziert. I )e r Befund war normal. Auch bei den Kontrol l t ieren der v i e r t e n R e i h e ver l ie f der Yersuch normal.

Die Gewichtskurven der positiven Kontrol len (mit Vitaminzulage) waren bis zum Ab- bruch des Versuchs nach neun Wochen regelmi~l~ig ansteigend, die Gewichte der nega- t iven Kontrol len (nur Grundkost) s tet ig fallend. Die Sektion der am 27. bezw. 34. Tage

gestorbenen Tiere ergaben einwandfrei schweren Skorbut. Die folgenden Gewichtstabellen zeigen den Ver lauf des Versuches bei diesen drei

Reihen.

Titrationswert.

T ie r -Nr . .

Anfangsgewicht

Versuchsbeginn

E r s t e R e i h e

7 - - 9 g r o h e ~ u r k e

7 ccm FL

1 2 [ 3 4

325 345 300 300

G e w i c h t e y o n 5 zu 5 T a g e n .

D r i t t e R e i h e

7--10 ccm tt~SOa-Au s zu g d e r G u r k e

7 ccm FL

9 I 10 11 12 i

t 275 290 2 8 0 255

Sektionsbefund

V i e r t e R e i h e 1 ccm Ci - n u r

t r o n e n s a f t : G r u n d k o s t

7 ccm FL 0 ccm FL

325

345 350 365 380 395 415 430 450 465 465 470 430 485

350

385 415 430 455 470 495 500 530 545 565 565 575 565

310 320

315 340 340 355 360 385 360 400 385 410 400 430 395 435 420 430 450 435 445 445 455 455 470 465 475 ~465

normal

290 290

315 330 350 I 360 370 360 400 400 425 425 435 440 460 460 480 480 500 500 500 505 525 510 540 530 535 525

I 300 i 260

330 285 350 305 375 315 400 350 430 380 455 395 470 370 480 385 500 ! 400 505 405 515 ~ 405 540 370 525 +

v

normal

I 14 15 13

275 330 295 320 350 320

340 380 340 370 405 360 400 425 37O 420 450 370 435 475 36O 455 490 335 455 500 310 465 52O 255 480 550 + 490 560 495 570 505 590 505 600

J v

normal

16

290 335

365 380 405 400 375 320 260 +

Skorbut

Die Tiere der z w e i t e n R e i h e zeigten noch 6 - - 8 Tage lang beim Versuchs- beginn Gewichtszunahmen; dann trat bei allen ein Wachstumssti l ls tand und bald da rauf

ein verschieden schnelles Fa l l en der Gewichtskurven ein. A u s den beigefi igten Kurven ist diese verschiedene Reak t ion der T ie re bei der gleichen Ft i t terung deutl ich zu

Page 4: Das Reduktionsvermögen pflanzlicher Lebensmittel und seine Beziehung zum Vitamin C

63. Band. ] )/[arz 1932. i Antiskorbutische Wirkung der Gurke. 279

ersehen. Dieser zeitlich so verschiedene Ablauf des Versuchs zeigt, wie vorsichtig man in solchen Fi~llen mit quantitativen Schltissen aus Tierversuchen sein muff. Zum Vergleich wurde die Kurve e in e s p o s i t i v e n und e i n e s n e g a t i v e n Kontrolltieres mitgezeichnet.

Im Verlauf der Krankheit konnten bei dieser zweiten Reihe dieselben Erschei- nungen wie schon bei frtiherer Gelegenheit 1) beobachtet werden.

Die Tiere wurden apathisch und freSunlustig und bekamen im schwersten Krankheits- stadium bei vSlliger Abmagerung struppiges Fell. Es traten sehr bald Liihmungserscheinungen an den binteren Gliedma$en auf, die zu dauernden Verkrfimmungen und starker Bewegungs- hemmung fiihrten. Wir konnten beobachten, da$ diese wabrscheinlich scbmerzhaften u steifungen die Tiere hinderten, den FreBnapf zu erreichen und da$ sie sich, als ihnen geholfen wurde, gierig fiber das Pr~parat herstiirzten, insbesondere im schwersten Krankheitsstadium.

2OO 3 9 15 21 27 33 39 q5 51 53 6,? 63 75

Z w e i t e R e i h e . Tiere Nr. 5, 6, 7, 8.

T~gliche Dosis: W~sseriger Auszug der an Reihe I verffitterten Gurkenmenge. Titra- tionswert 0,1--0,4 ccm FL.

Nr. 13: Kontrolltier mit nur Grundkost , 15 , , Zulage yon 1 ccm Citronensaft.

Die Ffitterung erforderte daher bei diesen Tieren mehr Aufmerksamkeit. Struppiges Fell, L~hmungserscheinnngen, Kr~mpfe, Insuffizienz der Harnblase and des Darmes wurde hei allen Tieren dieser Reihe festgestellt. Tier Nr. 8 konnte nicht zum Fressen bewegt werden und starb am 33. Versuehstage. Auffallend waren die stark mi~ Schorf bedeckten Augen, eine ErschMnung, die nur bei diesem Tier beobaehtet wurde. Die Tiere Nr. 5, 6 und 7 wurden bei Abbruch des Versuchs am 63. Tage der Ffitterung mit den Pr~paraten mit Chloroform getStet~ Bei der Sektion war auffallend eine starke Abmagerung, allgemeine An~mie, sine vermehrte Brfichigkeit besonders der langen RShrenknochen, sowie eine eigentfimliche Weich- heit aller Knochen.

Der Bericht fiber die an Tier Nr. 6 ausgeffihrte mikroskopische Untersuchung nach vollst~ndig durchgeffihrter Entkalkung und Celloidineinbettung lautete folgendermal~en~): ,An den Knorpelknochengrenzen der Rippen und der langen RShrenknochen zeigt das Periost Odem und I-Iyper~mie, geringe kleinzellige Infiltration und einzelne kleine Blutungen: In der Zone der Knochenneubildung zeigen die B~ilkehen der Spongiosa schmale osteoide S~ume, die Knochenwucherungszone ist auffallend schmal. Ein eigentliches, sonst bei Schwerem Skorbut nachweisbares Trfimmerfeld fehlt, dagegen finden sich in tier Verkalkungszone einzelne

z) Diese Zeitschrift 1932, 68, 19. 2) Ausgeffihrt yore Pathologisch-anatomischen Universit~ts-Institut Frankfurt a. M.

Page 5: Das Reduktionsvermögen pflanzlicher Lebensmittel und seine Beziehung zum Vitamin C

[Zeitschr. f. Untersuchung 280 J. T i l l m a n s , P. H i r s c h und J. J a c k i s c h , i der Lebensmittel.

kleine Nekrosen. Es handelt sich nach dem ganzen Bild um Yeri~nderungen im Sinne tines Skorbut, jedoch geringen Grades. Die mikroskopische Untersuchung der iibrigen 0rgane (Lunge, Leber, Nieren und der makroskopisch vergr51]erten Nebenniere) ergibt keine Besonder- heiten."

Wi~hrend bei der ersten und dritten Reihe der Ausfall des Versuchs ganz klar besagt: Die verfiitterte Menge enthielt geniigend Vitamin C, um den Skorbut zu ver- hindern, bietet die Deutung des Verlaufs bei der zweiten Reihe gewisse Schwierigkeiten. Nach dem minimalen Titrationswert der Tagesdosis an verfitttertem wi~sserigem Auszug yon 0 ,1 - -0 ,4 ccm 0,001 N.-FL sollte man erwarten, dal~ dieser Auszug praktisch gar keine antiskorbutische Wirkung besi~l~e. Der Versuch ergab zwar, dal3 die verftitterte LSsung die Tiere nicht gesund zu halten vermag~ der Verlauf der Krankheit war jedoch viel weniger akut als bei den negativen Kontrollen. Es war kaum versthndlich, dal] die sehr geringe Titrationsmenge an reduzierendem Stoff diese verz6gernde Wir- kung auf den Krankeitsverlauf ausgeitbt haben sollte. Dieser scheinbare Widerspruch konnte gekli~rt werden durch die folgenden Versuche mit Schwefelwasserstoff.

2. R e d u k t i o n s v e r s u c h e m i t S c h w e f e l w a s s e r s t o f f . Wit beobachteten, dal~ sich aus reifen, dicken Gurken ein saurer Saft abpressen

liel~, der sofort nach dem Abpressen ziemlich hohe Titrationswerte ergab, die jedoch trotz Autbewahrung unter Kohlensi~ure bereits nach einigen Stunden auf den zehnten Teil zuriickgingen. Mit diesen Gurkenprefishften, sowie mit wi~sserigen Ausztigen yon der Art, wie sie auch verftittert worden waren, wurden Reduktionsversuche mit Schwefel- wasserstoff in der folgenden Weise ausgefahrt:

In den mit Essigshure schwach angesi~uerten Gurkensaft bezw. den in gleicher Weise angesi~uerten wi~sserigen Auszug wurde 15 Minuten lang Schwefelwasserstoff eingeleitet, die Flttssigkeit 1 Stunde im verschlossenen Glase bei Seite gestellt und danach im Vakuum der Schwefelwasserstoff abdestilliert. Die eingeengte Flttssigkeit wurde darauf mit Wasser zum ursprtinglichen Volumen aufgefiillt und titriert.

Die Ergebnisse dieser Versuche sind in den folgenden Tabellen zusammengestellt:

1. G u r k e n s aft. 5 ccm Salt reduzieren ccm 0,001 N.-FL.

24 Stunden unter Danach Probe Sofort

COs gestanden H2S-Behandlung 1 2,2 0,25 3,9 2 4,5 0,88 *) 6,7 3 3,75 -- 5,6 4 2,4 0,2 5,5 5 1,15 0,l 4,9

* Nach 5 Stunden.

Wie man sieht, wurde durch Schwefelwasserstoff das Reduktionsverm6gen wieder hergestellt. Es ergaben sich nach der Schwefelwasserstoffbehandlung sogar h6here Titrationsbetri~ge als im frischen Salt.

Man sieht, dal~ in der Tat im wi~sserigen Auszug durch Schwefelwasserstoffbe- handlung ein gewisser Reduktionswert auftritt. In der letzten Spalte ist noch ange- geben, welcher Reduktionsbetrag hiernach auf die Menge Auszug kommt, die im Tier- versuch je Tier und Tag verfiittert worden ware.

Page 6: Das Reduktionsvermögen pflanzlicher Lebensmittel und seine Beziehung zum Vitamin C

63. B a n d . ] /~I~rz 1932.3 Antiskorbutische Wirkung der Gurke. 281l

2. D u r c h 2 4 - s t f i n d i g e s S t e h e n u n t e r K o h l e n s ~ u r e in d e r K ~ l t e h e r g e s t e l l t e r W a s s e r a u s z u g .

5 ccm Auszug entsprechen

Gurke

6,5 5,0 4,9 5,0 5,0 5,0

5 ccm Auszug reduzieren

ccm FL

0,2 0,05 0,15 0,55 0,25 0,8

5 ccm Auszug reduzieren nach Schwefelwusser- stoffbehandlung

ccm FL

3,6 2,7 3,9 3,4 3,6 3,0

Reduktionswert der Menge Auszug, die an die Tiere

der Reihe 2 verfiittert worden w~re

ccm FL

4,3 3,1 4,5 4,0 4,35 4,5

Zur Verfiitterung muiiten die Ausztige den Tieren, wenn auch meist nur kurze Zeit lang~ in oftener Schale vorgehalten werden. In Anbetracht der gro~en Labiliti~t des reduzierenden Stoffes im Gurkenauszug wurde auch ein Reduktionsversuch an einem Auszug vorgenommen~ der zunhchst 2 Stunden in einer der zur Ftitterung benutzten Reibschalen an der Lnft gestanden hatte. Es ergab sich, da~ der nach Schwefel- wasserstofibehandlung reduzierte 0xydationswert um rund 10% abgenommen hatte.

Vergleichsweise wurde auch ein schwefelsaurer Kochauszug nach Neutralisation mittels Calciumearbonats mit Schwefelwasserstoff behandelt~ wobei folgende Werte er- halten wurden :

5 ccm S~urekochauszug reduzierten ccm 0,001 N.-FL. P r o b e 1 P r o b e 2

Vor Schwefelwasserstoflbehandlung . 2,3 2,7 ccm :Nach , . . 2,25 3,0 ,,

3. Besprechung der Ergebnisse. Aus dem Verlauf der Tierversuche ist zu ersehen, da~ sowohl bei der verfi~tterten

rolmn Gurke als auch bei dem Si~ureauszug die antiskorbutische Wirksamkeit unseren Reduktionswe~en entsprach.

Bei dem wi~sserigen Auszug gentigte die vorhandene Menge des Antiscorbuti- cums nicht, um die Tiere gesund zu erhalten. Im Vergleich zu dem langsamen Yer- lauf der Krankheit waren unsere Titrationsergebnisse scheinbar zu niedrig. Dies er- kli~rt sicl~ durch die Anwesenheit der reversiblen oxydierten Form des reduzierenden Kbrpers, die durch Schwefelwasserstoftbehandlung in die reduzierende Form verwandelt werden kann. Wir erhielten die der antiskorbutischen Wirksamkeit entsprechenden Titrationsergebnisse an den wasserigen Gurkenauszagen erst nach der Reduktion mit Schwefelwasserstoff.

Gegen den Einwand~ dal~ bei der Schwefelwasserstoftbehandlung andere redu- zierende Stoffe entstanden sein kOnnten, die nichts mit dem C-Vitamin zu tun haben, la6t sieh folgendes erwidern: Beim Citronensaft haben wir nach reversibel erfolgter 0xydation durch die Schwefelwasserstoffbehandlung gerade wieder den ursprtinglichen Reduktionswert erhaltenl) . Dort war also offenbar auger der Riickverwandlung des

a) Vergl. vorstehende Mitteilung.

Page 7: Das Reduktionsvermögen pflanzlicher Lebensmittel und seine Beziehung zum Vitamin C

[Zeitschr. f. Untersuehnng P~82 J. T i l lmans , P. Hi r sch und J. J a c k i s c h , Wirkung usw. [ der Lebensmittel.

reduzierenden Stoffes nichts passiert, was den Titrationswert beeinflufte. Dafar, dat~ wir auch hier keinen fremden KSrper mitbestimmt haben, sprichL daf wir bei dem schwefelsauren Auszug tier Gurken vor und nach der Schwefelwasserstoffbehand- lung die gleichen Titrationswerte erhielten. Bei diesem Auszug hat daher die Titration auch ohne vorherige Schwefelwasserstoffbehandlung sogleich die richtigen Werte ergeben.

Das Vorhandensein der oxydierten Form des reduzierenden Stoffes im w~sserigen Gurkenauszug steht damit im Zusammenhang, dal~ die Oxydierbarkeit der Gurkenaus- zage, verglichen mit dem Citronensaft, auffallend grol] ist, besonders die des w~sse- rigen Macerates und des Prefsaftes. Da die S~ureauszage nicht durch Schwefelwasser- stoff zu h~heren Titrationswerten reduziert werden kSnnen, nehmen wir an, da~ die reversibel oxydierte Form nicht schon yon Natur aus in der Gurke vorhanden ist, sondern bei der Verarbeitung sehr schnell, vielleicht unter Mitwirkung yon Fermenten, durch Luftoxydation gebildet wird.

Die Gegenwart gewisser, zum vollst~ndigen Schutz nicht ausreichender Mengen der reversibet oxydierten Form des reduzierenden Stoffes im Wasserauszug erklhrt den verhMtnism~ig langsamen Ablauf der Krankheit bei der zweiten F~itterungsreihe.

Damit ist die Unstimmigkeit beseitigt, die in dem VerhMtnis der verschiedenen Verfatterungspraparate nach ihrer antiskorbutischen Wirksamkeit einerseits and nach ihrem ReduktionsvermOgen andererseits zu bestehen schien. Die antiskorbutische Wirk- samkeit der Auszage ist proportional ihrem Gehalt an reduzierendem Stoff, wobei auch dessert etwa vorhandene reversibel oxydierte Form zu beracksichtigen ist.

Es muff hier allerdings bemerkt werden~ daft unser Gurkenmaterial taglich frisch gekauft wurde und w~hrend tier langen Dauer des Versuchs gro~en Schwankungen im Titrationswert unterlag. Da die Reduktionsversuche erst kurz vor AbschluB des Tierversuchs unternommen wurden, l~fit sich daher der Titrationswert nach der Re- duktion nicht ohne weiteres auf die ganze Zeit des Versuchs beziehen.

Man wird zu erwarten haben, daft auch bei anderen Pfianzenauszagen in gewissen Fhllen die oxydierte Form des reduzierenden Stoffes zugegen ist, und daf man dann erst nach der Schwefelwasserstoffbehandlung den der Vitaminwirkung entsprechenden Reduktionswert titrieren wird. Dies ist in Analogie zu dem hier studierten Fall ins- besondere bei kalt-wg.sserigen Ausziigen zu erwarten, bei denen Enzymwirkungen und die erforderlich langere Zeit des Extrahierens die Oxydation beganstigen kSnnen. Bei Kochauszfigen ist dies wohl weniger anzunehmen. Es muf damit gerechnet werden, dab unter den fr~iher mitgeteilten Titrationszahlen der verschiedenen pflanzlichen Lebens- mittel diejenigen far die katt-w~sserigen Auszage in diesem Sinne einer Korrektur bedarfen.

Die den Fatterungsversuchen zu Grunde gele~e Zahl 7 als Titrationswert fur die t~gliche Dosis hat sich bew~hrt. Die Gurkenmenge~ deren schwefelsaurer Auszug 7 ccm 0~001 ~N.-2~6-Dichlorphenotindophenol reduziert, schatzt als t~gliche Dosis ein Meerschweinchen vor Skorbut, desgleichen der schwefelsanre Auszug dieser Gurken- menge. Der w~sserige Auszug der gieichen Gurkenmenge hingegen, dessert Gehalt an reversibel oxydiertem, reduzierendem Stoff wahrscheinlich halb so grof war, konnte den Skorbut nicht verhindern.

Hieraus sind folgende Schlasse zu ziehen: Wo der whsserige Auszug nur wenig nach Schwefelwasserstoffbehandlung titrierbaren reduzierenden Stoff enthhlt, enth~lt er auch wenig C-Vitamin. Die durch Auskochen mit S~ure in LSsung gegangenen Re- duktionsbetr~ge entsprechen tats~chlich Gehalten an Vitamin C.

Page 8: Das Reduktionsvermögen pflanzlicher Lebensmittel und seine Beziehung zum Vitamin C

63. Band. 1 3 8 3 Marz 193~.] H. Schmalful~ und H. Bar thme: /e r , Nachweis yon Diacetyl usw.

Die ausgeftihrten Untersuchungen besti~tigen ftir den Fall der Gurke unsere Annahme, dal~ die in den verschiedenen Ausziigen mittels 2,6-Dichlorphenolindophenol titrierten Reduktionsbetrage Vitamin-C-Mengen anzeigen.

Zusammenfassung. 1. Durch kaltes Wasser und durch kochende Schwefelsaure wurden Ausztige aus

Gurken hergestellt. Diese Ausztige aus frischen Gurken wurden in bestimmten Mengen an Meerschweinchen verftittert.

2. Der kalt-wi~sserige Auszug enthielt eine gewisse Menge des reduzierenden Stoffes in der oxydierten Form, die nach Schwefelwasserstoffbehandlung titriert werden konnte.

3. Dies steht damit im Zusammenhang, daf die reduzierende Substanz im Gurken- saft und Gurkenauszug viel schneller der 0xydation durch Luftsauerstoff unterliegt als die reduzierende Substanz des Citronensaftes.

4. Die Versuche best~tigen, daft die antiskorbutische Wirksamkeit der verschie- denen Pflanzenausztige mit der Menge des vorhandenen reduzierenden Stoffes parallel !imft und durch seine Gegenwart bedingt wird.

Nachweis yon Diacetyl und Methyl-acetyl,carbinol in Lebensmitteln.

Von

Hans Schmalfull und Helene Barthmeyer. (Mitbearbeitet yon H e i n r i c h Schaake . )

Mi t t e i l ung aus dem U n t e r s u c h u n g s a m t und aus tier B iochemischen Ab te i lung des Chemischen S t a a t s i n s t i t u t s , Hamburg (Universit~t) .

[Eingegangen am 5. Obtober 1931.]

Als wir whsserigen Formaldehyd mit Hilfe yon Magnesiumoxyd unter Druck bei 120 o in Zucker umwandelten 1)1 begegnete uns das bekannte Diacetyl erstmalig. Es bildete sich, sobald Teile des entstandenen Zuckers durch (~berhitzen zersetzt wurden. Dem Abdampf verlieh das Diacetyl im Gemisch mit anderen Stoffen den Geruch nach gebranntem Zucker. So oft wir Stoffe untersuchten, die solchen Geruch beim Erhitzen entwickeln, immer konnten wir 1,2-Dioxoverbindungen nachweisen~), darunter stets Diacetyl s) 4).

Wissenschaftlich und wirtschaftlich wichtig war die Entdeckung, da~ im Lebereich an Stelle von Wi~rme geeignete Stoffe das Diacetyl beschleunigend bilden helfen. Milch, die yon Dr. A: S c h a e f f e r mit Butterduft gebenden Milchsi~urebildnern beimpft war, enthielt bald als Stoffwechselerzeugnis Diacetyl, das wir damit zugleich als Trager des

1) H. Schmalful~ mit K. Kalle, Ber. Deutsch. Chem. Ges. 1924, 57, 2101; H. Schmal- fut~ mit M. Congehl, Biochem. Zeitschr. 1927, 185, 70.

~) Als Nickel-dioximin.nach L. T s c hugaeff , Zeitsehr. anorg. Chem. 1905, 46, 144. 3) H. Schmalfu• und H. Ba r thmeye r , Ber. Deutsch. Chem. Ges. 1927, 60, 1035. ~) H. Schmalful~ und H~ Bar thmeyer , Mikrochemie 1932, 10, 300.