1
50 MMW-Fortschr. Med. Nr. 16 / 2012 (154. Jg.) verschiedene Triptane in verschiedenen Applikationsformen zur Verfügung. In diesem Fall ist wahrscheinlich in orales Triptan in Standarddosis ausreichend. Wichtig ist noch der Hinweis, dass das Triptan zu Beginn der Schmerzphase und nicht schon während der Aura ein- DIE 10-MINUTEN-SPRECHSTUNDE Mehr als zwei bis drei Migräneattacken pro Monat? Dann ist eine medikamentöse Prophylaxe sinnvoll. Kopfschmerzen mit Sehstörungen Das spricht für eine Migräne mit Aura S. EVERS Eine 30-jährige Frau leidet seit einigen Monaten vermehrt unter Kopfschmerzattacken, die halbseitig lokalisiert sind und von Übelkeit, Lichtscheu und Lärmscheu begleitet werden. Vor den Kopfschmerzen kommt es zu einem Flimmerskotom, das über ca. 30 Minuten anhält. © shevelev/shutterstock _ In der weiteren Anamnese berichtet die Patientin, dass sie solche Kopf- schmerzen schon seit vielen Jahren kennt, dass sie aber früher nur ca. drei- mal im Jahr aufgetreten sind und mit Paracetamol gut behandelt werden konnten. Seit sie nach dem Studium be- rufstätig ist, treten die Attacken mehr- mals im Monat auf. Paracetamol 1000 mg ist nicht mehr in der Lage, die Schmer- zen befriedigend zu lindern. Die weitere Anamnese ergibt keine Besonderheiten. Außer der „Pille“ wer- den keine Medikamente eingenommen. Die körperliche Untersuchung inklusive Neurostatus ist komplett unauffällig. Diagnose Es handelt sich hier um eine Migräne mit typischer Aura. Die Diagnose wird nach den Kriterien der International Headache Society gestellt (Tab. 1). Wenn diese Kriterien erfüllt sind und die kör- perliche Untersuchung unauffällig ist, müssen keine weiteren apparativen Maßnahmen veranlasst werden. Insbe- sondere ist in diesem Fall keine zere- brale Bildgebung erforderlich. Akuttherapie Die Kopfschmerzen sollten im vorlie- genden Fall mit einem Triptan behan- delt werden, da Paracetamol nicht mehr wirkt. Es stehen in Deutschland sieben genommen werden sollte. (Triptane während der Aura eingenommen helfen nicht gut gegen die anschließenden Kopfschmerzen.) Eine spezifische Akut- therapie der Aura ist leider nicht be- kannt. Vorbeugung Wenn mehr als zwei bis drei Migräne- attacken pro Monat auftreten, ist eine medikamentöse Prophylaxe sinnvoll. Auch bei Migräne mit Aura sind Beta- blocker Medikamente der ersten Wahl. Alternativen sind bei dieser Patientin Topiramat oder Lamotrigin. Das Medi- kament sollte bei Wirksamkeit über we- nigstens sechs Monate eingenommen werden. Außerdem sollte die Patientin progressive Muskelrelaxation nach Jacobson lernen und regelmäßig durchführen. Wenn die vorbeugenden Maßnah- men nicht befriedigend wirksam sind, sollten ihr auch Biofeedback (siehe In- terview S. 24) und/oder eine Verhaltens- therapie angeboten werden. Anschrift des Verfassers: Prof. Dr. med. Dr. phil. Stefan Evers Neurologische Klinik Krankenhaus Lindenbrunn D-31861 Coppenbrügge E-Mail: [email protected] Tabelle 1 Diagnostische Kriterien der Migräne A. Mindestens fünf Attacken, die die Kriterien B–D erfüllen. B. Kopfschmerzattacken, die (unbe- handelt oder erfolglos behandelt) 4–72 Stunden anhalten. C. Der Kopfschmerz weist mindes- tens zwei der folgenden Charakte- ristika auf: 1. einseitige Lokalisation 2. pulsierender Charakter 3. mittlere oder starke Schmerz- intensität 4. Verstärkung durch körperliche Routineaktivitäten (z. B. Gehen oder Treppensteigen) oder er führt zu deren Vermeidung D. Während des Kopfschmerzes be- steht mindestens eines von: 1. Übelkeit und/oder Erbrechen 2. Photophobie und Phonophobie E. Nicht auf eine andere Erkrankung zurückzuführen

Das spricht für eine Migräne mit Aura

  • Upload
    stefan

  • View
    217

  • Download
    4

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Das spricht für eine Migräne mit Aura

50 MMW-Fortschr. Med. Nr. 16 / 2012 (154. Jg.)

– die 10-minuten-sprechstunde

verschiedene Triptane in verschiedenen Applikationsformen zur Verfügung. In diesem Fall ist wahrscheinlich in orales Triptan in Standarddosis ausreichend. Wichtig ist noch der Hinweis, dass das Triptan zu Beginn der Schmerzphase und nicht schon während der Aura ein­

DIE 10-MINUTEN-SPRECHSTUNDE

Mehr als zwei bis drei Migräneattacken pro Monat? Dann ist eine medikamentöse Prophylaxe sinnvoll.

Kopfschmerzen mit Sehstörungen

Das spricht für eine Migräne mit Aura S. EvErS

Eine 30-jährige Frau leidet seit einigen Monaten vermehrt unter Kopfschmerzattacken, die halbseitig lokalisiert sind und von Übelkeit, Lichtscheu und Lärmscheu begleitet werden. Vor den Kopfschmerzen kommt es zu einem Flimmerskotom, das über ca. 30 Minuten anhält.

© sh

evel

ev/s

hutt

erst

ock

_ In der weiteren Anamnese berichtet die Patientin, dass sie solche Kopf­schmerzen schon seit vielen Jahren kennt, dass sie aber früher nur ca. drei­mal im Jahr aufgetreten sind und mit Paracetamol gut behandelt werden konnten. Seit sie nach dem Studium be­rufstätig ist, treten die Attacken mehr­mals im Monat auf. Paracetamol 1000 mg ist nicht mehr in der Lage, die Schmer­zen befriedigend zu lindern.

Die weitere Anamnese ergibt keine Besonderheiten. Außer der „Pille“ wer­den keine Medikamente eingenommen. Die körperliche Untersuchung inklusive Neurostatus ist komplett unauffällig.

DiagnoseEs handelt sich hier um eine Migräne mit typischer Aura. Die Diagnose wird nach den Kriterien der International Headache Society gestellt (Tab. 1). Wenn diese Kriterien erfüllt sind und die kör­perliche Untersuchung unauffällig ist, müssen keine weiteren apparativen Maßnahmen veranlasst werden. Insbe­sondere ist in diesem Fall keine zere­brale Bildgebung erforderlich.

AkuttherapieDie Kopfschmerzen sollten im vorlie­genden Fall mit einem Triptan behan­delt werden, da Paracetamol nicht mehr wirkt. Es stehen in Deutschland sieben

genommen werden sollte. (Triptane während der Aura eingenommen helfen nicht gut gegen die anschließenden Kopfschmerzen.) Eine spezifische Akut­therapie der Aura ist leider nicht be­kannt.

VorbeugungWenn mehr als zwei bis drei Migräne­attacken pro Monat auftreten, ist eine medikamentöse Prophylaxe sinnvoll. Auch bei Migräne mit Aura sind Beta­blocker Medikamente der ersten Wahl. Alternativen sind bei dieser Patientin Topiramat oder Lamotrigin. Das Medi­kament sollte bei Wirksamkeit über we­nigstens sechs Monate eingenommen werden.

Außerdem sollte die Patientin progressive Muskelrelaxation nach Jacobson lernen und regelmäßig durchführen.

Wenn die vorbeugenden Maßnah­men nicht befriedigend wirksam sind, sollten ihr auch Biofeedback (siehe In­terview S. 24) und/oder eine Verhaltens­therapie angeboten werden.

Anschrift des Verfassers:Prof. Dr. med. Dr. phil. Stefan EversNeurologische KlinikKrankenhaus LindenbrunnD-31861 CoppenbrüggeE-Mail: [email protected]

Tabelle 1

Diagnostische Kriterien der Migräne A. Mindestens fünf Attacken, die die

Kriterien B–D erfüllen.B. Kopfschmerzattacken, die (unbe-

handelt oder erfolglos behandelt) 4–72 Stunden anhalten.

C. Der Kopfschmerz weist mindes-tens zwei der folgenden Charakte-ristika auf:1. einseitige Lokalisation2. pulsierender Charakter3. mittlere oder starke Schmerz-

intensität4. Verstärkung durch körperliche

Routineaktivitäten (z. B. Gehen oder Treppensteigen) oder er führt zu deren Vermeidung

D. Während des Kopfschmerzes be-steht mindestens eines von: 1. Übelkeit und/oder Erbrechen2. Photophobie und Phonophobie

E. Nicht auf eine andere Erkrankung zurückzuführen