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H. Brintzinger u. W. Eckardt. Natriumthiosulfat/Silberthiosulfat usw. 327 Das System NatriumthiosuIfat/Silberthiosulfat im gelosten und kristallisierten Zustand Von H. BRINTZINGER und w. ECK-4RDT Mit einer Figur im Text ,,Noch immer wird der TrugschluB, daB das, was aus einer Losung auskristallisiert, auch in ihr in gleicher Beschaffenheit ent- halten sei, taglich gemacht." Dieser von WI. OSTWALD~) im Jahre 1895 geschriebene Satz gilt auch heute noch, denn noch immer wird die a priori gemachte Annahme, daB eine mit einem sich aus- scheidenden Bodenkorper sich in Beriihrung befindende Losung die den Bodenkorper bildende Verbindung auch im gelosten Zustand ent- halten musse, fast allgemein als giiltig angesehen. Diese Annahme kann aber nicht als durch Experimentaluntersuchungen generell sichergestellt gelten, da ja uber die Zusammensetzung der gelosten Einzelteilchen von Stoffen im wesentlichen erst in den letzten Jahren durch unsere Untersuchung der Stoffe im gelosten Zustand2) sowie hinsichtlich der gelosten Polysauren und hydrolysierenden Systeme durch die Arbeiten G. JANDER'S~) experimentelles Material beschafft worden ist. Uns scheint die These von der Gleichheit der Zusammen- - l) WI. OSTWALD, Z. phys. Chem. 17 (1895), 445. 2, H. BRINTZINOER und Mitarbeiter, Z. anorg. u. allg. Chem. 168 (1927), 145, 150; 172 (1928), 426; 181 (1929), 237; 184 (1929), 97; 186 (1931), 33, 44, 50, 55, 61; 220 (1934), 172, 177; 221 (1934), 21; 222 (1935), 113, 312, 317; 223 (1935), 101, 106, 253, 393; 224 (1935), 93, 97, 103, 280, 283, 325; 225 (1935), 33, 213, 217, 221, 312, 365; 227 (1936), 107, 341, 351; 228 (1936), 61, 77; 229 (1936), 410; 230 (1936), 28, 176, 381, 416; 231 (1937); Naturwiss. 18 (1930), 354; Ber. 85 (1932), 988; Angew. Chem. 46 (1933), 389; 47 (1934), 61; s, G. JANDER und Mitarbeiter, Z. anorg. u. allg. Chem. 144 (1925), 225; 158 (1926), 321; 162 (1927), 141; 177 (1928), 345; 180 (1929), 129; 187 (1930), 60; 193 (1930), 1; 194 (1930), 383; 200 (1931), 257; 201 (1931), 361; 206 (1932), 241; 208 (1932), 145; 211 (1933), 49; 212 (1933), 1; 214 (1933), 145, 275; 215 (1933), 310; 217 (1934), 65; 219 (1934), 263; 220 (1934), 201; 226 (1935), 162; 229 (1936), 129; Z. phys. Chem. (A) 144 (1929), 197; 149 (1930), 97; Koll.-Ztschr. Erg.-Bd. 36 (1925), 113; Kolloidchem. Be&. 41 (1935), 1, 297. Koll.-Ztschr. 68 (1934), 36; 70 (1935), 198.

Das System Natriumthiosulfat/Silberthiosulfat im gelösten und kristallisierten Zustand

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H. Brintzinger u. W. Eckardt. Natriumthiosulfat/Silberthiosulfat usw. 327

Das System NatriumthiosuIfat/Silberthiosulfat im gelosten und kristallisierten Zustand

Von H. BRINTZINGER und w. ECK-4RDT

Mit einer Figur im Text

,,Noch immer wird der TrugschluB, daB das, was aus einer Losung auskristallisiert, auch in ihr in gleicher Beschaffenheit ent- halten sei, taglich gemacht." Dieser von WI. OSTWALD~) im Jahre 1895 geschriebene Satz gilt auch heute noch, denn noch immer wird die a priori gemachte Annahme, daB eine mit einem sich aus- scheidenden Bodenkorper sich in Beriihrung befindende Losung die den Bodenkorper bildende Verbindung auch im gelosten Zustand ent- halten musse, fast allgemein als giiltig angesehen. Diese Annahme kann aber nicht als durch Experimentaluntersuchungen generell sichergestellt gelten, da ja uber die Zusammensetzung der gelosten Einzelteilchen von Stoffen im wesentlichen erst in den letzten Jahren durch unsere Untersuchung der Stoffe im gelosten Zustand2) sowie hinsichtlich der gelosten Polysauren und hydrolysierenden Systeme durch die Arbeiten G . JANDER'S~) experimentelles Material beschafft worden ist. Uns scheint die These von der Gleichheit der Zusammen- -

l) WI. OSTWALD, Z. phys. Chem. 17 (1895), 445. 2, H. BRINTZINOER und Mitarbeiter, Z. anorg. u. allg. Chem. 168 (1927),

145, 150; 172 (1928), 426; 181 (1929), 237; 184 (1929), 97; 186 (1931), 33, 44, 50, 55, 61; 220 (1934), 172, 177; 221 (1934), 21; 222 (1935), 113, 312, 317; 223 (1935), 101, 106, 253, 393; 224 (1935), 93, 97, 103, 280, 283, 325; 225 (1935), 33, 213, 217, 221, 312, 365; 227 (1936), 107, 341, 351; 228 (1936), 61, 77; 229 (1936), 410; 230 (1936), 28, 176, 381, 416; 231 (1937); Naturwiss. 18 (1930), 354; Ber. 85 (1932), 988; Angew. Chem. 46 (1933), 389; 47 (1934), 61;

s, G. JANDER und Mitarbeiter, Z. anorg. u. allg. Chem. 144 (1925), 225; 158 (1926), 321; 162 (1927), 141; 177 (1928), 345; 180 (1929), 129; 187 (1930), 60; 193 (1930), 1; 194 (1930), 383; 200 (1931), 257; 201 (1931), 361; 206 (1932), 241; 208 (1932), 145; 211 (1933), 49; 212 (1933), 1; 214 (1933), 145, 275; 215 (1933), 310; 217 (1934), 65; 219 (1934), 263; 220 (1934), 201; 226 (1935), 162; 229 (1936), 129; Z. phys. Chem. (A) 144 (1929), 197; 149 (1930), 97; Koll.-Ztschr. Erg.-Bd. 36 (1925), 113; Kolloidchem. Be&. 41 (1935), 1, 297.

Koll.-Ztschr. 68 (1934), 36; 70 (1935), 198.

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setzung geloster und kristallisierter Verbindungen schon von vorn- herein auf Grund der Uberlegung, daB die Stoffe im kristallisierten Zustand anders bedingt sind als im gelosten Zustand, keine all- gemeine Gultigkeit xu besitzen.

Ober die Zusammensetzung der kristallisierten Verbindungen irn allgemeinen, auch der verschiedenen aus einem System mehrerer Kom- ponenten sich als Bodenkorper abscheidenden Verbindungen, ist man dank der sehr zahlreichen und uberaus sorgfaltig ausgefuhrten chemischen und physikalischen Untersuchungen zum weitaus groISten Teil aufs genaueste unterrichtet. Dagegen weiB man - wie er- wahnt - verhiiltnismaBig wenig uber die Zusammensetzung der in Losung sich befindlichen Einzelteilchen von Verbindungen, da man ja diese Einzelteilchen als solche nicht isolieren und fur sich unter- suchen kann. Fur die Untersuchung der gelasten Einzelteilchen kommen daher nur physikalisch-chemische MeBmethoden in Be- tracht. Allerdings werden in den meisten Fallen alle diejenigen Methoden zur Molekulargewichtsbestimmung ausscheiden miissen, die auf der Ermittelung der Zahl der gelosten Einzelteilchen beruhen, wie unter anderen die kryoskopische Methode. Solche Methoden geben an, in wieviele Einzelteilchen eine abgewogene Menge einer bestimmten im festen, flussigen oder gasformigen Zustand sich be- findenden Verbindung beim Losen in einer bestimmten, im Uber- schuB anzuwendenden Menge eines Losungsmittels zerfallt, sie ver- mogen aber nichts oder nur andeutungsweise etwas daruber auszu- sagen, ob die in Losung gegangenen Teilchen des zu untersuchenden Stoffes mit Molekiilen des Losungsmittels eine chemische Verbindung bilden oder ob sie mit in der Losung vorhandenen anderen Stoffen eventuell unter Bildung neuer Verbindungen reagiert haben bzw. welche Verbindungen hierbei entstanden sind. Insbesondere mussen derartige Methoden stets dann versagen, wenn nur in Losung existenz- fahige Verbindungen untersucht werden sollen, die man also nicht abwagen und in einer bestimmten Menge eines Losungsmittels auf- losen kann. Alle Methoden, die von dem aufzulosenden festen, flussigen oder gasformigen Stoff selbst auszugehen gezwungen sind und sich auf diesen beziehen mussen, konnen also fur die Unter- suchung der Zusammensetzung der Stoffe im gelosten Zustand nur hilf sweise her angezogen werden .

Um in Losung sich befindende Einzelteilchen als solche zu unter- suchen und kennen zu lernen, mussen im wesentlichen Methoden angewandt werden, die bestimmte Eigenschaften der gelosten Einzel-

H. Brintzinger u. W. Eckardt. Natriumthiosulfat/Silberthiosulfat usw. 329

teilohen zu messen gestatten. Eine solche Methode ist die von dem einen von uns ausgearbeitete Dialysenmethodel), mit deren Hilfe man das Gewicht von gelosten Einzelteilchen, insbesondere von an- organischen Ionen, mit guter Genauigkeit bestimmen kann. Die Messung mit der Dialysenmethode beruht auf der Bestimmung der zeitlichen Konzentrationsabnahme der in einer Losung sich be- findenden Einzelteilchen infolge deren Diffusion durch die Poren einer sehr dunnen Membran in das reine Losungsmittel.

Ferner lassen sich geloste Stoffe auch mit Hilfe des von W. OEHOLM~) ausgearbeiteten Verfahrens zur Bestimmung des Diffusionskoeffizienten bei freier Diffusion untersuchen, das von G. JANDER~) fur die Unter- suchung der hydrolysierenden Systeme sowie der Polysauren an- gswandt wurde. Zur Ergiinaung der durch diese Methoden er- haltenen Resultate werden oft mit Vorteil noch andere Unter- suchungsverfahren, wie z. B. die potentiometrische MaBanalyse, die Spektralanalyse, die Bestimmung des elektrischen Leitvermogens und des elektrischen Wanderungssinnes sowie der Rontgenunter- suchungen herangexogen.

Das System Na,S,O,/Ag,S,O, im gelosten Zustand

Wir sind zur Zeit damit beschaftigt, die verschiedensten Systeme daraufhin au untersuchen, welche Einzelteilchen sie bei den ver- schiedenen Konzentrationeverhaltnissen der Komponenten im ge- losten Zustand enthalten. Wir schlieBen damit eine bei der Unter- suchung aller dieser Systeme stets offen gebliebene Lucke, die das gesamte Gebiet der Losung umfaBt, da bisher stets nur die unter den verschiedensten Bedingungen von Konzentration und Tempe- ratur sich ausscheidenden Bodenkorper untersucht wurden, wahrend die Zusammensetzung der unter diesen Bedingungen in den Losungen vorhandenen Einzelteilchen nicht ermittelt werden konnte.

Im Rahmen dieser Arbeiten untersuchten wir auch das System NqS,03/Ag,S,O, im gelosten Zustand und stellten fest, welche Arten vaD Einzelteilchen bei variierender Konaentration von Silberthio- sulfat und Natriumthiosulfat existieren.

Die Loslichkeitsverhaltnisse des Systems NazS,O~Ag,S,O,/H,O bei 25OC wuxden von H. BASSETT und I. T. LEMON*) studiert, die

1) H. BRINTZINGER und Mitarbeiter, 1. c. *) W. OEHOLM, Z. phys. Chern. 50 (1904), 309. s, G. JANDER, 1. 0.

4) H. BASSETT u. I. T. LEMON, Journ. chem. SOC. London 136 (1933), 1423. 2. anorg. u. allg. Chem. Bd. 231. 22

330 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 231. 1937

auch die unter den jeweiligen Konzentrationsverhiiltnissen stabilen Bodenkorper untersuchten. Ihre Ergebnisse sind in Fig. 1 graphisch dargestellt. Je nach den Konzentrationen der beiden Komponenten scheiden sich langs der Loslichkeitslinie folgende Verbindungen aus :

Na3Ag(S203),, 2H20 und Na,S,03, 5H20. Wir kennen also die Zusammensetzung der verschiedenen, j e

nach den Konzentrationsverhaltnissen der Losung sich mit dieser im Gleichgewicht befindlichen Bodenkorper. Wir haben aber keine experimentell begriindete Kenntnis uber die Zusammensetzung der Teilchen, die sich in den mit diesen Bodenkorpern im Gleichgewicht befindlichen Losungen im gelosten Zustand befinden. Und ebenso- wenig wissen wir iiber den Aufban derjenigen Ionen, die in den ver- schiedenen moglichen Losungen des von der Loslichkeitslinie ein- geschlossenen Gebiets unseres Systems gelost vorhanden sind. Ober die Zusammensetzung der gelosten Teilchen der Losungen aller der- artigen Systeme liegen keine experimentellen Daten vor.

Wir bestimmten nun mit Hilfe der Dialysenmethode die Ionen- gewichte der komplexen Thiosulfatoargentaationen, die in den an Natriumthiosulfat und Silberthiosulfat verschieden konzentrierten Losungen vorhanden waren. Die eingehaltenen Versuchsbedingungen waren dabei folgende: Membran: Cuprophan (Qualitiit 15), Volumen der zu dialysierenden Losungen : 35 cm3, Membranflache : 35 om2, Volumen der AuBenfliissigkeiten : 4500 om3, AuBen- und Innen- flussigkeit geruhrt, Temperatur : 25OC (um die gleiche Versuchs- temperatur zu haben, wie sie von BASSETT und LEMON fur die Los- lichkeitsbestimmungen eingehalten wurde). Die Konzentration der Losungen hinsichtlich der Komponenten des Systems wurde der Problemstellung entsprechend variiert, sie wurde in Gramm je 100 g Losung fiir jede Komponente angegeben. Als Bezugsion diente Cr042-, 0,l normal in der Losung der jeweiligen Na2S20,-Konzen- tration. Die AuBenflussigkeiten besaBen stets genau dieselbe Kon- zentration an Na2S203 wie die zu untersuchenden bzw. die das Bezugsion enthaltenden Losungen.

Schwierigkeiten bereitete die Bestimmung der Konzentrationen c,, und ct sowohl der komplexen Thiosulfatoargentaatlosungen als auch der Chromatlosungen, insbesondere in den hochlronzentrierten Na- triumthiosulfatlosungen. Wir versuchten zunachst das Silber da- durch zu bestimmen, daB wir die Losung ansauerten und das neben

NaAg3( S203)2 7 H2O ; NaAg( S203) 3 H,O ; Naf,Ag3(S203)2 9 2 H2O ;

H. Brintzinger u. W. Eckardt. Natriumthiosulfat/Silberthiosulfat usw. 33 1

Schwefel ausgeschiedene Silbersulfid im Tiegelofen bei 1000° C zu Silber vergluhten. Die durch diese Methode erhaltenen Analysen- ergebnisse werden aber bei hohen Thiosulfatkonzentrationen unsicher, weil dann der ausgeschiedene Niederschlag noch betriichtliche Mengen von in der Losung vorhandenen Stoffen adsorbiert, von denen er sich auch durch langes Auswaschen nicht ganz befreien 1aiBt. Um- fiillen war wegen der groBen Mengen mitausgeschiedenen Schwefels auch nicht geeignet. Wir benutzten deshalb das von A. STEIGMANN~) angegebene Verfahren, nach dem aus ammoriiakalischen oder thio- sulfathaltigen Silberlosungen das Silber quantitativ rnit Natrium- hyposulfit, Na,S,O,, abgeschieden werden kann. Hierzu wurde die Losung rnit Natriumcarbonat alkalisch gemacht und bei Wasserbad- temperatur rnit einer gesiittigten Losung von Natriumhyposulfit ver- setzt. Nach einiger Zeit wurde zum Sieden erhitzt, wodurch sich der aus Silber und Silberoxyd bestehende Niederschlag gut absetzte. Der Niederschlag wurde abfiltriert, ein gelegentlich an den Wanden des FiillungsgefaBes sich ansetzender Belag von Silber durch Ab- spritzen rnit heil3em Wasser ebenfalls auf das Filter gespult, mit heiBem Wasser gut nachgewaschen und der FiIterinhalt im Tiegel- ofen zu Silber vergluht.

Die Bestimmung des als Bezugsion dienenden Chromations wurde folgendermaBen ausgefuhrt : Die Chromatlosung wurde rnit soviel Natriumhyposdlfitlosung versetzt, daB die Fiirbung der Losung die vollige Reduktion des Chromats zu Chrom(3) anzeigte und ein Teil desselben schon als Chrom (3)-hydroxyd ausfiel. Dann wurde am- moniakalisch gemacht, aufgekocht, das ausgeschiedene Chrom (3)- hydroxyd abfiltriert, gewaschen und in 2 n-H,SO, gelost. Die Losung wurde mit etwas Silbersulfat und 2 g Ammoniumpersulfat versetzt und nun bis zur volligen Oxydation zu Chromat und zur voll- kommenen Zerstorung des Persulfats gekocht, worauf das entstandene Chromation jodometrisch bestimmt wurde.

Die aus diesen Daten sich berechnenden Dialysenkoeffizienten fur die komplexen Thiosulfatoargentaationen und das Bezugsion CrO,,- sind rnit den zugehorigen Silber- und Natriumthiosulfat- konzentrationen in der Tabelle 1 aufgefiihrt,). In diese Tabelle

I) A. STEIQMANN, Chem.-Ztg. 47 (1923), 872. 2, Etwa 50 verschiedene Konzentrationskombinationen des Systems

Ag,S,Os/Na,S,O, wurden untersucht. Aus Griinden der Raumersparnis wurde nur etwa die Hiilfte der Untersuchungen in die Tabelle aufgenommen. Dies konnte ohne Beeintriichtigung des Gesamtresultates geschehen, da sich die Er- gebnisse der nicht aufgefiihrten Versuche den angegebenen vollig anschliel3en.

22*

332 Zeitechrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 231. 1937

wurden auch die aus den Dialysenkoeffizienten berechneten Ionen- gewich t e au f genommen.

Tabelle 1

'Thiosulfatoargentaat

0,5102 & 0,0005 0,4770 & 0,0009 0,4790 f 0,0010 0,4278 & 0,oOOS 0,4268 f 0,0006 0,3528 & 0,0028 0,3462 & 0,0013 0,2666 f 0,0006 0,2674 & 0,0009 0,2580 f 0,0017 0,1948 4 0,0014 0,1650 & O,OOO9 0,1945 f 0,0030 0,1560 & 0,0017 0,1529 & 0,0039 0,1255 5 0,0212 0,1325 f 0,0188 0,1068 & 0,0073 0,1137 f 0,0051 0,0897 & 0,0038 0,0887 & 0,0042 0,0834 f 0,0014 0,0980 5 0,0012 0,0804 & 0,0021

~.

- - Nr

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25

- __ %r04

0,9794 0,9303 0,9303 0,8381 0,8381 0,6649 0,6649 0,5183 0,5183 0,5144 0,3804 0,3227 0,3867 0,3115 0,3115 0,2886 0,2846 0,2900 0,2880 0,2430 0,2430 0,2309 0,2696 0,2230

~

5 in 1( - w%o

0 8 3 8 3,6 7 8 78 13,4 13,4 21,l 21,l 21,l 28,O 29,5 29,8 31,6 31,6 34,7 34,7 37,7 37,7 38,3 38,3 40,O 40,O 43,O 43,O

__

871 [Ag,(s,03)6]10- 888

893 [Ag2(S,03),]"J- 888 888 [Ag,( S203)a]10 - 888

889 [Ag2(S@&ll0- 888 894 [&(s~o~)~]'o- 888

Es er,_bt sic, also, daB das Gebiet der Losungen des Systems

3 . in das Existenzgebiet des Ions [Agz(S203)z]2-, 2. in das des bei sehr hohen Thiosulfationenkonzentrationen be-

3. in das verhaltnismaBig breite Gebiet des allmahlichen Uber-

Das Existenzgebiet des Ions [Ag2(S203)2]2- umfaBt die Losungen von sehr geringer Konzentration an Na,S,O, bis zur Konzentration von etwa 30g Na,S203 in 1OOg Losung. Da innerhalb dieses Ge- bietes stets soviel Na,S,O, vorhanden ist als zur Bildung der Ver- bindung Na2[Ag,(Sz03),] erforderlich ist, so sind Anderungen der Konzentration von Ag,S,03 ohne grof3en EinfluS auf die Zusammen- setzung des im gelosten Zustand vorhandenen Thiosulfatoargen- taations.

Ag2S,0$Na,S,03 in drei verschiedene Bereiche einzuteilen ist :

standigen Ions [Ag2(S,03),]10-, und

ganges des einen Ions in das andere.

H. Brintzinger u. W. Eckardt. Natriumthiosulfat/Silberthiosulfat usw. 335

Steigt die Na,S,O,-Konzentration uber etwa 31 g Na2S20J100 g- Losung, so bilden sich in durch unsere Untersuchungsmethode nun deutlich wahrnehmbaren Mengen aus [Ag,(S203)rJ2- und 2 S 2 0 3 2 -

die schwereren Ionen [Ag2(Sz03)6]10-. Die Menge der so gebildeten [Ag2(S,0,)6]10--Ionen nimmt nunmehr mit weiter steigender Natrium- thiosulfatkonzentration zu, sie ist bei der Konzentration von 34 bis 35 g Na,S,0,/100 g-Losung noch relativ gering, nimmt dann aber rasch zu; von 38-39g Na2S,0,/100g-Losung an bis zur Sattigung der Losung an Na,S,O, liegt das Gleichgewicht zwischen den beiden Thiosulfatoargentaationen praktisch vollig zugunsten des Ions [Ag2(S203)6]10-, wie aus unseren Messungen eindeutig hervorgeht. Das Qbergangsgebiet urnfafit demnach die Losungen mit einem Gehalt von etwa 30 g Na,S,O, bis etwa 39 g Na,S203/100 g-Losung, wahrend das Existenzgebiet des Hexathiosulfato-diargentaations [Ag2(S,0,)J1O- durch die Natriumthiosulfatkonzentrationen von 39 g bis zur Sattigung bei rund 43 g/100 g Losung, sowie die unter diesen Bedingungen verschiedenen moglichen Silberthiosulfatkonzentrationen gekennzeichnet ist.

Im Existenzgebiet des [Ag,( S20,).J2--Ions bleibt also das mit diesem im Gleichgewicht stehende [Ag,(S,03)6]10--Ion unter der Nach- weisbarkeitsschwelle der Untersuchungsmethode, ebenso wie das [Ag,(S,0,),]2--Ion im Gebiet des [Ag2(S,03)6]10--Ions nicht nach- gewiesen werden kann. I n jedem dieser beiden Gebiete ist also das betreffende Thiosulfatoargentaation praktisch allein vorhanden. Dies geht aus den praktisch einheithhen, also bei verschieden langer Dialysendauer keinen Gang aufweisenden Dialysenkoeffiaienten deut- lich hervor.

Die Grenzen zwischen den Existenzbereichen der beiden Thio- sulfatoargentaationen und dem breiten Ubergangsgebiet zwischen diesen, die in die Fig. 1 gestrichelt eingetragen sind, diirfen natiir- lich nicht als so scharf wie in der Zeichnung gezogen betrachtet werden. Die gestrichelten Linien sollen nur andeuten, daB hier das vorher nicht nachweisbare andere komplexe Ion uber die Nachweis- barkeitsschwelle zu treten beginnt.

Aus der Fig. 1 erkennt man, daB jedes der drei so gekenn- zeichneten Gebiete nach oben ungefahr begrenzt wird von der Aus- scheidungslinie je eines der festen Silberkomplexsalze.

Wesentlich und von grundlegender Bedeutung ist die aus unseren Untersuchungen hervorgehende Tatsache, daB von den ihrer

334 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 231. 1937

Zusammensetzung nach von BASSETT und LEMON festgestellten kristalli- sierten Natriumsilberthiosulfatverbindungen, die sich bei gegebener Temperatur aus der Losung des Systems Na,S,O,/Ag,S,O, je nach der Konzentration der beiden Komponenten als Bodenkorper aus- scheiden, nur eine, namlich die Verbindung rnit der einfachsten Summenformel Na[Ag(S,O,)] und zwar in der dimeren Form Naz[Ag,(S20,)2] im gelosten Zustand vorhanden ist bzw. nach- gewiesen werden kann. Die beiden im kristallisierten Zustand

Fig. 1. Das System Na,S,O,/Ag,S,O,

existierenden Verbindungen Na,[Ag,(S,O,)J und Na,[Ag(S,03)J sind dagegen im gelosten Zustand nicht oder hochstens in einer unter der Nachweisbarkeitsgrenze liegenden Konzentration vorhanden. Viel- mehr enthalten die Losungen rnit den sehr hohen Na,S,O,-Konzen- trationen von 38-43 g/lOO g-Losung, die bei genugend hohen Ag,S,O,- Konzentrationen die Verbindung Na,rAg (S,O,),] ausscheiden, das Ion [Agz(S203)6]10-, und die Verbindung Na,[Ag,(S,O,),] wird aus Losungen ausgeschiedm, in denen die Ionen [Ag,(S,0,)J2-, [Ag2( S,03),]10-, S,032- und Nal+ in nachweisbaren Mengen nebeneinander VOP-

liegen. Uber die Bildung der kristallisierten Verbindungen Na,[Ag(S,O,),]

und Na5[Ag3(S203)4] aus den rnit ihnen im Gleichgewicht stehenden Losungen lassen sich vorerst nur Vermutungen anstellen. Es ist aber denkbar, dal3 in den Losungen, die rnit diesen Bodenkorpern im Gleichgewicht stehen, doch zu einem, wenn auch BuBerst kleinen Betrag die diesen kristallisierten Verbindungen zugrunde liegenden Bausteine sich im Gleichgewicht rnit den als praktisch einheitlich in den Losungen vorliegend gefundenen Ionen [Ag,(S,03)6]10- bzw. dem Geniisch diese Ions rnit [Ag,(S,0,),]2--Ion befinden.

Eine aus einer Losung sich als Bodenkorper ausscheidende Ver- bindung kann also in dieser Lbsung praktisch quantitativ priiformiert

H. Brintzinger u. W. Eckardt. Natriumthiosulfat/Silberthiosulfat WW. 335

vorliegen, wie im Falle der Verbindung Na,[Ag,(S,O,)J, es besteht aber auch, wie wir gesehen haben, durchaus die Moglichkeit, daB sie nur eu einem iiuBerst geringen, nicht nachweisbaren Betrag als solche vorgebildet ist, die kristallisierte Verbindung also uber eine denk- bare, wenn auch vorlaufig noch nicht nachweisbare geloste Zwischen- stufe derselben Zusammensetzung mit einer ganz anders zusammen- gesebten, in der Losung praktisch ausschlieBlich vorliegenden Ver- bindung im Gleichgewich t s t eh t .

Es ist deshalb auch umgekehrt nicht moglich, auf Grund der Zusammensetzung einer Verbindung, die sich als Bodenkorper aus einem System von zwei oder mehr Stoffen abgeschieden hat, einen biindigen SchluB auf die Zusammensetzung der in der Losung des betreffenden Systems vorliegenden Verbindung zu ziehen.

Zurammenfasnung I. Aus der Untersuchung des Systems Na,S,O,/Ag,S,O, im ge-

losten Zustand ergibt sich, daB je nach der Konzentration der Losung an beiden Komponenten, besonders aber an Na,S,O, , zwei ver- schiedene komplexe Natrium-Silber-Thiosulfatverbindungen bestehen lionnen. Das Existenzgebiet der Verbindungen Na,[Ag,(S,O,),] be- f indet sich bei Natriumthiosulfatkonzentrationen der Losung bis zu etwa 30 g Na,S,Od100 g-Losung, wiihrend die Verbindung Na,,,[Ag,(S,O,),] nur bei den extrem hohen Natriumthiosulfatkonzen- trationen von etwa 39 g bis etwa 43 g Na,S,0,/100 g-Losung, d. h. bis eur Sattigung der Losung an Natriumthiosulfat, zu existieren vermag. Zwisohen den Exis tenzbereichen dieser beiden Verbindungen, also voii etwa 30 g bis etwa 39 g Na,S,0&00 g-Losung, befindet sich das Gebiet des allmahlichen, von der Konzentration der Losung an Na,S,O, abhangigen Uberganges der einen Verbindung in die andere. In diesem Gebiet sind also beide Verbindungen zugleich in riachweisbaren Mengen nebeneinander vorhanden.

2. Ganz alIgemein ergab die Untersuchung, daB eine als Boden- kijrper aus einem derartigen System sick ausscheidende Verbindung iin geltisten Zustand schon als solche vorgebildet sein kann, wie z . B. im Falle der Verbindung Na,[Ag2(S203)2], die sich aus einer Losung abscheidet, in welcher diese Verbindung praktisch quanti- tativ als solche gelost vorhanden ist.

Dieses Verhalten wird in den weitaus meisten Fallen die Norm seh, wie auch aus den meisten der von uns ausgefuhrten Unter- suchungen der Stoffe, insbesondere der komplexen Verbindungen, im

356 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 231. 1937

gelosten Zustand hervorgeht. Aber es zeigte sich auch die Moglich- keit, daJ3 eine aus einem System sich als Bodenkorper ausscheidende Verbindung als solche im gelosten Zustand nicht nachgewiesen werden kann. Bei dem von uns untersuchten System steht so der kristallisierten Verbindung Na,Ag( S,O,), , 2H20 die geloste Ver- bindung Na,,[Ag,(S,O,),] gegenuber, wahrend die kristallisierte Ver- bindung Na,Ag,(S,O,), , 2H20 mit Losungen im Gleichgewicht steht, in denen die Verbindungen Na2[Ag,(S,0,),] und Na,,[Ag,( S203)6] nebeneinander enthalten sind.

Aus der Zusammensetzung eines Stoffes im kristallisierten Zu- stand liil3t sich demnach nicht der biindige SchluB ziehen, daB in cler diesen Stoff ausscheidenden Losung dieselbe Verbindung in nach- weisbarer Menge gelost vorhanden ist.

Jena, Anorganische Abteilung des Chemischen Laboratoriunzs der Universitat, November 1936.

Bei der Redaktion eingegsngen am 30. Januar 1937.