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Das untere Dynamik-Plateau der StapediusreflexschweUe 471 Diskussion: Die Differenz zwischen elektromyografisch gemessener und aku- stisch bestimmter Latenzzeit des Mittelohrreflexes wird erklfirbar, wenn die Impe- danziinderung aufgefal3t wird als Summenkurve yon mehreren, einander teilweise entgegengerichteten Muskelaktivitfiten. Beobachtungen an Mensch und Tier belegen das Ansprechen auf akustische Reize fiir die Binnenohrmuskeln (M. stapedius, M. tensor tympani) und f'tir die ~ul3eren Ohrmuskeln. Reaktion auf taktile Reize mit Auswirkung auf die akustische Impedanz werden auch den Mm. tensor und yell palatini zugeschrieben. Die Zusammenfassung der Befunde legt eine Betrachtung der Mittelohrreflexe unter dem Aspekt der allgemeinen Reflexphysiologie nahe. Der Mit- telohrreflex ist ein Fremdreflex mit polysegmentaler Verschaltung. Triggerzonen sind die Basilarmembran und die Haut im Bereich der Trigeminus- irradiation. Effolgsorgane sind die Muskein mit Irmervation aus den motorischen Kerngebieten V und VII. Unter diesem Aspekt ist die Theorie yon einer spezifischen Wirkung der Binnenohrmuskein auf das H6ren neu zu diskutieren. Often bleibt vorerst die Frage: 1. Welche Muskeln aul3er den Binnenohrmuskeln noch an der akustisch mel3ba- ten Reaktion beteiligt sind? 2. Ob diese Reaktion fiir das Hiiren sirmvoll ist, oder als Uberrest polysegmenta- let cutaneo-muskuliirer Fremdreflexe aufzufassen ist. 77. G. Esser and R. Schunieht (Diisseldorf): Differentiation between Peripheral- Neural Hearing Disorders and Central Disorders by Means of the Comparative Stapedius-Reflex-Audiometry The conservative audiologic measuring methods permit only a differentiation be- tween an inner ear deafness and neural disorders. Many diagnostic problems, how- ever, require a differentiation between peripheral-neural (ganglion spirale, Nervus acusticus) and central (central auditory path). Since both clinical pictures show a difference in the band-width dependence of the stapedius reflexes, the various band- widths can be differentiated by reflex measurements. 77a. E. Lehnhardt (Hannover): Das untere Dynam|k-Plateau der Stapediusre- flexschwelle; eln Beitrag zur Duplizitiitstheorie der Haarzellen The Lower Dynamic Plateau of Stapedius Reflex Threshold; a Study on the Theory of Duplicity of the Hair Cells Summary. Metz (1952) meant the threshold of the acoustico-facial reflex to be the same in patients with inner ear heating loss and in normal heating persons. As for our findings this applies only to hearing impairments with less than 60 dB hearing loss; in case the hearing loss reaches or exceeds 60 dB the threshold of reflex raises corresponding to it. This connection only can be demonstrated in pure inner ear hearing loss and only at frequencies up to 2000 cps. According to

Das untere Dynamik-Plateau der Stapediusreflexschwelle; ein Beitrag zur Duplizitätstheorie der Haarzellen

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Page 1: Das untere Dynamik-Plateau der Stapediusreflexschwelle; ein Beitrag zur Duplizitätstheorie der Haarzellen

Das untere Dynamik-Plateau der StapediusreflexschweUe 471

Diskussion: Die Differenz zwischen elektromyografisch gemessener und aku- stisch bestimmter Latenzzeit des Mittelohrreflexes wird erklfirbar, wenn die Impe- danziinderung aufgefal3t wird als Summenkurve yon mehreren, einander teilweise entgegengerichteten Muskelaktivitfiten. Beobachtungen an Mensch und Tier belegen das Ansprechen auf akustische Reize fiir die Binnenohrmuskeln (M. stapedius, M. tensor tympani) und f'tir die ~ul3eren Ohrmuskeln. Reaktion auf taktile Reize mit Auswirkung auf die akustische Impedanz werden auch den Mm. tensor und yell palatini zugeschrieben. Die Zusammenfassung der Befunde legt eine Betrachtung der Mittelohrreflexe unter dem Aspekt der allgemeinen Reflexphysiologie nahe. Der Mit- telohrreflex ist ein Fremdreflex mit polysegmentaler Verschaltung.

Triggerzonen sind die Basilarmembran und die Haut im Bereich der Trigeminus- irradiation. Effolgsorgane sind die Muskein mit Irmervation aus den motorischen Kerngebieten V und VII. Unter diesem Aspekt ist die Theorie yon einer spezifischen Wirkung der Binnenohrmuskein auf das H6ren neu zu diskutieren.

Often bleibt vorerst die Frage: 1. Welche Muskeln aul3er den Binnenohrmuskeln noch an der akustisch mel3ba-

ten Reaktion beteiligt sind? 2. Ob diese Reaktion fiir das Hiiren sirmvoll ist, oder als Uberrest polysegmenta-

let cutaneo-muskuliirer Fremdreflexe aufzufassen ist.

77. G. Esser and R. Schunieht (Diisseldorf): Differentiation between Peripheral- Neural Hearing Disorders and Central Disorders by Means of the Comparative Stapedius-Reflex-Audiometry

The conservative audiologic measuring methods permit only a differentiation be- tween an inner ear deafness and neural disorders. Many diagnostic problems, how- ever, require a differentiation between peripheral-neural (ganglion spirale, Nervus acusticus) and central (central auditory path). Since both clinical pictures show a difference in the band-width dependence of the stapedius reflexes, the various band- widths can be differentiated by reflex measurements.

77a. E. Lehnhardt (Hannover): Das untere Dynam|k-Plateau der Stapediusre- flexschwelle; eln Beitrag zur Duplizitiitstheorie der Haarzellen

The Lower Dynamic Plateau of Stapedius Reflex Threshold; a Study on the Theory of Duplicity of the Hair Cells

Summary. Metz (1952) meant the threshold of the acoustico-facial reflex to be the same in patients with inner ear heating loss and in normal heating persons. As for our findings this applies only to hearing impairments with less than 60 dB hearing loss; in case the hearing loss reaches or exceeds 60 dB the threshold of reflex raises corresponding to it. This connection only can be demonstrated in pure inner ear hearing loss and only at frequencies up to 2000 cps. According to

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472 E. Lehnhardt

the theory of duplicity (Meyer zum Gottesberge, Ranke) this could mean, that the reflex is triggered solely by the inner hair cells. Then the threshold should be independent on presence or absence of outer hair cells. In conjunction we can conclude that an impairment is confined to the outer hair cells as long as the threshold of the reflex resembles the standard - in spite of hearing losses up to 50 or 60 dB with positive recruitment.

Ausweislich der Stapediusreflexschwelle gibt sich die InnenohrschwerhSrigkeit da- durch zu erkennen, dal3 der Abstand zwischen H•rschweile und Reflexschwelle ver- kleinert ist auf weniger als 80-85 dB (Thomsen, 1955 u. v. a). Metz (1952) meinte, die Reflexschwelle sei bei der Innenohrschwerh/Srigkeit die gleiche wie bei normalem Geh6r, sic w~ire also ~iberhaupt nicht heraufgesetzt, auch nicht um einen dB-Wert, der kleiner ist als der H6rverlust. Naeh unseren Beobaehtungen bleibt die Reflex- schweUe trotz zunehmendem HSrverlust unveriindert, jedoch nur so lange, als die Hfrschwelle nicht um 60 dB oder mehr abgesunken ist; dann aber, bei H6rverlusten also yon 60 dB oder mehr, steigt die Reflexsehwelle etwa entspreehend dem H~Srver- lust an.

Dieser Zusammenhang I/il3t sieh nur nachweisen, wenn es sich, wie wir vermu- ten, um eine ausschlieBliehe Irmenohrschiidigung handelt, d.h., wenn zusiitzliehe neurale Anteile auf dem Reizohr und natiirlich eine Mittelohrkomponente auf dem Registrierohr fehlen. Ffir unsere Studie werteten wir fast ausschlieBlich flachverlau- fende H/Srsehwellen aus oder solehe, die zu den hohen Frequenzen hin anstiegen. Aueh dies war notwendig, weil der Stapediusreflex mit steigender Frequenz zuneh- mend inkonstant wird. Dementsprechend sind die Ergebnisse nur bis 2000 Hz ein- drucksvoll, w~ihrend sich bei 3000 und 4000 Hz ein Plateau bis 50 oder 60 dB HSrverlust nicht mehr abhebt vom Anstieg der Reflexsehwelle mit zunehrnender Lautstiirke.

Die Unabh~ingigkeit der StapediusreflexschweUe yon der H6rschwelle bis zu H6rverlusten yon 50-60 dB liel3e sich mit der unterschiedlichen Wertigkeit beider Haarzellpopulationen erkl~iren (Meyer zum Gottesberge, 1948; Ranke, 1953; Davis, 1957). Es w~ire denkbar, dab der Reflex ausschlieBlich yon den inneren Haarzellen in Gang gebracht wird, dab also das Vorhandensein oder Fehlen der iiuBeren Haar- zellen ohne Belang f'tir die AuslSsbarkeit des Reflexes ist. Sobald aber auch die inneren Haarzellen rariflziert sind, wiirde die Reflexschwelle ansteigen. Zugleich d~irften wir folgern, dab sich die Funktionsst6rung auf die iiuBeren Haarzellen beschriinkt, wenn die Reflexsehwelle trotz HSrvedusten bis zu 50 oder 60 dB weiter- h inder Norm entspricht.

H. Chiiden (Miinchen): Ist eine Stapediusreflexschwelle festzustellen, ist sic konstant - gewisse Ein- schr~inkungen bestehen ffir die H6he der Amplitude, dem Integral fiber der zweiten Kurve und Ffir die Reflexanstiegsflanke. Bei NormalhSrigen ist der Stapediusreflex im gesamten Reflexbereich meistens ausl6sbar (selten wird er bei 4000 Hz vermi6t). Bei Innenohrschwerh6rigkeit (H6rverlust nicht fiber 60 dB) bleibt der Stapediusreflex dann oft aus.

M. Hoke (Mfinster): Kann die frequenzabh~ingige Ausbildung der Plateaus in der Stapediusreflex- schwellenkurve nicht auch auf das raumliche Integrationsverra6gen des Geh6rs zurfickzuFdhren sein?

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Ch. Z611ner et al.: Akustisch evozierte Potentiale des Menschen 473

E. Lehnhardt (Hannover), Schlul3wort: Zu Herrn Chiiden: Der Stapediusreflex ist bei tiefen Frequen- zen besser auslSsbar als bei hohen T6nen. Solange das GehSr auch bei 4000 Hz der Norm emspricht. kommt diese Frequenzabh/i.ngigkeit nur ausnahmsweise zum Ausdruck. H6reinschr/inkungen im Hochtonbereich lassen eine Erh6hung der P, eflexschwelle oder das Fehlen des Reflexes jedoch eher erkennen als im Tier- oder Mitteltonbereich. Deshalb l/iSt rich das untere Dynamikplateau nur im Tief- und Mitteltonbereich nachweisen.

Zu Herrn Hoke: Ihre Bedenken k6nnten gelten, wenn wir nur TieftonschwerhSrige geprfift h/itten. Die Stapediusreflexschwelle entsprach jedoch auch dann noch der Norm, wenn sich der H6rverlust auch auf die hohen Frequenzen. also auch dem fensternahen Tell der Basilarmembran (flachauslaufen- de HSrschweIle um 50 dB) erstreckte.

H. Breen|nger (Tiibingen): Zu 77: Frage nach dem EinfluB einer Kiefergelenksanhropathie auf die Mi/3ergebnisse.

Zu 78: Hinweis auf die Unterdriickbarkeit des akustischen Lidreflexes durch die verwendete Atosil- dosis.

78. Ch. Zifllner, G. Stange und Th. Karnahl (Freiburg i. Br.): Einflua von Atosil | (Promethazin) auf die peripheren und zentralen akustisch evozierten Potentiale des Menschen

The Influence of Promethazine (Atosil | on the Cochlear-, Brain-Stem- and Slow Evoked Potentials in Humans

Summary. In an earlier investigation the effect of Promethazine on the slow evoked potential was examined. Now the cochlear and brain-stem potentials were registered by the earlobe-vertex pick-up with Promethazine-medication. The effect of Promethazine on the different sections of the acoustic pathways was examined and compared by means of the characteristic curves of amplitu- des and latencies.

Bei einer friiheren Versuchsreihe wurde die Wirkung von Atosil | oral in einer Doris von 0,8 mg/kg KG gegeben, auf das s#ite akustisch evozierte Potential (Latenz von N~ bei 100 ms im mitfleren Schalldruckbereich) untersucht. Es zeigte rich, dal3 dutch Atosilmedikation eine signifikante Amplitudenminderung und ein Trend zur Latenzverl~ingerung der sp~iten Potentialkomponente eintrat.

Jetzt untersuchten wit die Kennlinien, das SchweUen- und das Latenzverhalten der f'tinf friihen Potentiale, bestehend aus dem NAP und den Hirnstammpotentialen Pot. II-V, vor und nach i.m. Applikation yon 0,8 mg/kg KGAtosil bei zehn nor- malh6renden 20--30j~ihrigen Versuchspersonen beiderlei Geschlechts.

Bei allen f'tinf friihen Potentialen konnte im Gegensatz zu dem sp~iten Potential keine signifikante Amplitudenminderung, keine Schwellen~inderung und keine La- tenzverl/ingerung nach Atosilsedierung beobachtet werden. Es stellte sich jedoch heraus, dal3 dutch die Sedierung das Signal-StSrverh~iltnis deutlich gebessen wird; deshalb sind wir dazu iibergegangen, alle Patienten bei der Registrierung der frtihen Potentiale (NAP und Hirnstammpotentiale) zu sedieren.

Ch. ZSIIner (Frelburg i. Br.): Antwort auf die Frage yon Prof. Breuninger, T~bingen: Nach Untersu- chungen verschiedener Autoren hat rich gezeigt, daft Vigilan#inderungen sowie Sedierung die sp~iten akustisch erwirkten Potentialkomponenten beeinflul3t. Vigilanzw f'fihrten bei den friihen aku~