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F 3.20 1 Schwärmen für Pop Crowdfunding im Social Web David Scherer Im Internet hat sich mit Crowdfunding ein alternatives Finanzierungsmodell herausgebildet, bei dem die Vorfinanzierung eines Projektes durch viele Einzelpersonen realisiert wird. Crowdfunding wurde bereits im Jahr 2006 durch die Musik-Plattform SellaBand geprägt, als Finanzierungsmodell hat es allerdings in der Kultur- und Kreativbranche erst in den letzten beiden Jahren an Bedeutung gewonnen. Das Modell bietet eine Chance zur Realisierung von Ideen, welche sonst mangels fi- nanzieller Förderung zum Scheitern verurteilt wären. Der Fokus dieses Beitrags richtet sich auf das Crowdfunding in der Popularmusik 1 , da hier die perfekten Rahmenbedingungen für das Finanzie- rungsmodell gegeben zu sein scheinen. Insbesondere die emotionale Beteiligung an einem Projekt macht Crowdfunding für die Unterstützer interessant. Gliederung Seite 1. Umdenken in der Pop(ular)musik 2 2. Crowdfunding als Finanzierungsmodell 4 3. Phasen eines Pop-Crowdfunding 10 3.1 Vorbereitungsphase 11 3.2 Planungsphase 15 3.3 Durchführungsphase 22 3.4 Auswertungsphase 24 4. Ausblick 25

David Scherer: Crowdfunding im Social Web

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Page 1: David Scherer: Crowdfunding im Social Web

F 3.20

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Schwärmen für Pop Crowdfunding im Social Web

David Scherer

Im Internet hat sich mit Crowdfunding ein alternatives Finanzierungsmodell herausgebildet, bei dem die Vorfinanzierung eines Projektes durch viele Einzelpersonen realisiert wird. Crowdfunding wurde bereits im Jahr 2006 durch die Musik-Plattform SellaBand geprägt, als Finanzierungsmodell hat es allerdings in der Kultur- und Kreativbranche erst in den letzten beiden Jahren an Bedeutung gewonnen. Das Modell bietet eine Chance zur Realisierung von Ideen, welche sonst mangels fi-nanzieller Förderung zum Scheitern verurteilt wären. Der Fokus dieses Beitrags richtet sich auf das Crowdfunding in der Popularmusik1, da hier die perfekten Rahmenbedingungen für das Finanzie-rungsmodell gegeben zu sein scheinen. Insbesondere die emotionale Beteiligung an einem Projekt macht Crowdfunding für die Unterstützer interessant.

Gliederung Seite

1. Umdenken in der Pop(ular)musik 2

2. Crowdfunding als Finanzierungsmodell 4

3. Phasen eines Pop-Crowdfunding 10 3.1 Vorbereitungsphase 11 3.2 Planungsphase 15 3.3 Durchführungsphase 22 3.4 Auswertungsphase 24 4. Ausblick 25

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F 3.20 Finanzierung und Förderung

Private Kulturförderung

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1. Umdenken in der Pop(ular)musik „Die Zeiten, in denen Musiker bei Labels Klinken putzen gehen

oder sich von Trend-Scouts entdecken lassen mussten, sind vorbei. Darum kümmern sich die Stars von morgen nun selbst.“

Miklis, 2008 Forschungen aus der Musiksoziologie und Musikanthropologie unter-stützen die These, dass Musik in der Lage ist, starke Emotionen her-vorzurufen – sogar, dass Musik weit stärker Emotionen hervorrufen kann, als dies anderen Künsten gelingt.

Angesichts der finanziellen Knappheit vieler Musiker und der Habitu-alisierung neuer Internettechnologien scheint sich ihnen hier ein Mo-dell zu eröffnen, um sich von der Abhängigkeit der Tonträgerindustrie zu lösen. Es geht im Kern um die Involvierung von Interessenten, die bereit sind, im Vorfeld finanzielle Hilfe für ein Projekt zu leisten. Und hier gilt: Wer ohne professionelle Unterstützung erfolgreich auf dem Markt agieren möchte, muss selbst zum Profi werden. Der Künstler mit einem Plattenvertrag kann mit dem Label zusammen agieren und ist z. T. befreit von wirtschaftlichen Zusammenhängen hinter seinem Schaffen. Im Gegensatz dazu müssen sich davon unabhängig agieren-de Musiker selbst vermarkten.

Die Tonträgerindustrie2 war nach Einschätzungen des Bundesverban-des Musikindustrie mit ihren Beziehungen zu allen marktrelevanten Partnern lange Zeit der wichtigste Intermediär zwischen Künstler und Musikkäufer. Die radikalen Veränderungen der technischen, rechtli-chen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen bewirkten einen weltweiten Rückgang der Tonträgerverkäufe seit En-de der 1990er Jahre. In Deutschland ging der Umsatz von ehemals 2,7 Milliarden Euro im Jahr 1998 auf knapp 1,5 Milliarden Euro in 2010 zurück3. Neben veränderten Konsum- und Lebensgewohnheiten, bei-spielsweise der Konkurrenz von DVDs und Computerspielen in be-grenzten Finanz- und Freizeitbudgets, ist der Umsatzeinbruch auf die weltweit verbreitete kostenfreie Vervielfältigung von Musikstücken in Form von illegalen Downloads zurückzuführen, die im Jahr 2011 noch immer über 50 % der vom Internet bezogenen Musikwerke einnehmen.

Die technologischen Entwicklungen haben die klassische Struktur der Wertschöpfungskette der Musikwirtschaft aufgesprengt. Auch die Künstler sehen sich dadurch veränderten Rahmenbedingungen ausge-setzt. Mit geschätzten 13 Millionen weltweit erhältlichen Downloadti-teln ist die Konkurrenz so groß wie nie zuvor. Für die Tonträgerindus-trie gestaltet es sich dadurch immer schwieriger, neue Künstler im Markt zu platzieren. Die Plattenfirmen sind gezwungen, mehr Geld in Marketingaktivitäten zu investieren, was wiederum dazu führt, dass ausschließlich auf Künstler gebaut wird, die einen zeitnahen finanziel-len Gewinn sicherstellen können.

Musiker müssen sich selbst vermarkten

Marktnahe Kunst

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Finanzierung und Förderung F 3.20

Private Kulturförderung

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Es konzentrierte sich vor dem Internetzeitalter alles darauf, in das Vermarktungsprogramm der Plattenfirmen aufgenommen zu werden, da eine Produktion und Vermarktung in Eigenregie aufgrund fehlender Budgets und Vertriebskanäle nicht in effizientem Maße betrieben wer-den konnte. Daher müssen „label-unabhängige“ Musiker bei der Pla-nung ihrer Karriere vermehrt auf Alternativen setzen.

Die durch das Internet verlorene Autonomie der Tonträgerhersteller verringerte die Markteintrittsbarrieren für branchenfremde Unterneh-men. Diese Unternehmen stellten fortan die Infrastruktur zur weltwei-ten Vermarktung und zum Vertrieb von Musik für Jedermann zur Ver-fügung. Im Gegensatz zu den Plattenfirmen übernehmen sie allerdings keine Aufgaben des Künstlermanagements und der Finanzierung. Den meisten Kreativen im Musikbereich fehlt es aber bereits im Vorfeld an den finanziellen Mitteln, markttaugliche Endprodukte ihrer Projekte4 vorlegen zu können.

Entgegen vieler anderer Branchen haben es Musiker der Popularmusik in der Regel sehr schwer, Kredite von Banken zu bekommen. Zum einen ist der meist geringe Finanzbedarf der Musiker für die Kredit-institute nicht attraktiv, zum anderen können Künstler kaum Sicherhei-ten bieten. Zudem sind ihre Erfolgsaussichten äußerst schwierig ein-zuschätzen, wie man zahlreichen Kulturwirtschaftsberichten entneh-men kann. Dies erschwert den Zugang zu finanziellen Ressourcen, die für den Start einer ambitionierten professionellen Musikerkarriere erforderlich sind.

Um dieser bekannten Problematik entgegenzuwirken, wurden öffent-lich und privat finanzierte Programme aufgelegt. In der Regel werden Wettbewerbe ausgeschrieben, um unter der Vielzahl der Musiker die Erfolgversprechendsten für eine Förderung auswählen zu können. Diese Auswahl der zur Förderung berechtigten Musiker unterliegt jedoch meist den subjektiven Bewertungen einer Jury, die sich zudem von der ein oder anderen verheißungsvollen Band verabschieden müs-sen, da die Förderung nur für eine stark limitierte Anzahl von Künst-lern konzipiert ist. Bleibt einem Künstler also auch dieser Weg ver-wehrt, kann er nur noch auf eine Gruppe hoffen – die Fans.

Genau solche Fans machten die englische Rockband Marillion so zu den Pionieren des Crowdfunding. Als die Band Ende der 1990er Jahre ihren Plattenvertrag bei dem britischen Musiklabel EMI verlor, musste aufgrund von Budgetknappheit die geplante US-Tour abgesagt wer-den. Kurzerhand initiierten enttäuschte amerikanische Fans eine Inter-netkampagne und sammelten 60.000 US-Dollar. Die Tour konnte statt-finden. Von dieser Idee beflügelt schrieben Marillion im Jahr 2000 ihre bereits über 30.000 Newsletter-Abonnenten per E-Mail an und sicherten sich so im Voraus die Produktionskosten für das kommende Album. Als Gegenleistung wurden die Vorbesteller im Booklet einer ihnen zugestellten „Special Edition“-CD namentlich erwähnt.

Internet verringert die Allmacht der

Musikindustrie

Banken fehlt es an (Planungs-)Sicherheiten

Beispiel „Marillion“

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F 3.20 Finanzierung und Förderung

Private Kulturförderung

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2. Crowdfunding als Finanzierungsmodell

Das Crowdfunding erfreut sich seit einigen Jahren im Internet einer stetig steigenden Beliebtheit. Was genau verbirgt sich hinter dem Fi-nanzierungsmodell, das in den letzten Jahren vermehrt in der Kultur- und Kreativszene sowie bei Gründungen von Business-Existenzen und sozialen Anliegen Beachtung fand?

Eine Annäherung an den Begriff Crowdfunding ermöglicht die Defini-tion von Crowdsourcing. Den von Wired Magazine-Redakteur Jeff Howe im Jahr 2006 geprägten Begriff definieren Brügger und Gass-mann in ihrem Buch „Crowdsourcing: Innovationsmanagement mit Schwarmintelligenz“ folgend:

„Crowdsourcing ist eine Strategie des Auslagerns von Wissens-generierung und Problemlösung an externe Akteure durch einen öffentlichen Aufruf an eine große Gruppe. Typischerweise stehen Problemlösung und Ideengenerierung im Zentrum, aber es sind auch repititive Aufgaben möglich. In der Regel wird dieser Auf-ruf durch eine Webseite realisiert.“ (Brügger/Gassmann 2010: 14)

Crowdfunding kann als eine spezielle Erscheinungsform von Crowd-sourcing verstanden werden. Die Grundidee dieses Ansatzes ist die Akquise einer Menschenmenge, die mit vielen kleinen Beiträgen zur Finanzierung von Projekten beiträgt. Ins Deutsche übersetzt, bedeutet „Crowd“ Menschenmenge, „Funding“ steht für Finanzierung. Im deutschen Sprachgebrauch wird der Begriff gerne mit „Schwarmfi-nanzierung“ übersetzt.

Neu ist dieses Prinzip nicht. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts initiierte der Herausgeber Joseph Pulitzer über seine Zeitung New York World eine Kampagne für die Finanzierung der Freiheitsstatue. Einzelne kleine Beträge von über 120.000 US-Bürgern sorgten dafür, dass die Statue seit 1886 auf einem Sockel steht. Heutzutage muss man weder Zeitungs-verleger sein, noch eine kostspielige Anzeige in einer Zeitung schalten, über das Social Web5 kann jeder ein Millionenpublikum erreichen.

Eine wesentliche Eigenschaft von Crowdfunding ist dessen Projekt-charakter. Ein Projekt zeichnet sich durch einen einmaligen Ablauf mit einem definierten Anfangs- und Endzeitpunkt aus. Ihm liegt eine ein-deutige Zielsetzung zugrunde, die Aufgabenstellung, Verantwortung sowie begrenzte finanzielle und personelle Ressourcen berücksichtigt. Eine Crowdfunding-Aktion lässt sich in einzelne Stufen aufteilen: Vorbereitung, Projekt einstellen, Anreize schaffen, Projekt präsentie-ren, abschließen, Zahlung erhalten, Projekt umsetzen und Gegenleis-tung erbringen. Im Zuge der Crowdfunding-Kampagne wird ein Kommunikationsprozess gestartet, der Zielgruppen involviert und vor dem eigentlichen Projektstart begeistern und binden kann. Dies ge-schieht zum Großteil mittels Social Media.

Definition und Merkmale

„Schwarmfinanzierung“ – nicht ganz neu

Stufen einer Crowdfunding-Aktion