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Dzogchen Brief Dzogchen Gemeinschaft Deutschland e.V. Nr. 48/49 August 2005 Rigpäi Tsal Wang • Halskette aus Si • Ganapuja • Vajratanz • Bericht von der MitgliederInnenversammlung • Mensch und Technik • Brief aus Australien

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Dzogchen BriefDzogchen Gemeinschaft Deutschland e.V.

Nr. 48/49 August 2005

Rigpäi Tsal Wang • Halskette aus Si • Ganapuja • Vajratanz • Bericht von

der MitgliederInnenversammlung • Mensch und Technik • Brief aus Australien

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Inhalt

Editorial 5

Lehre Chögyal Namkhai Norbu Rigpäi Tsal Wang 6

Chögyal Namkhai Norbu Zu den zwölf ursprünglichen Meistern 16

Zwei Aufsätze zur Geschichte und Kultur Tibets Buchbesprechung 20 Monica Wittib

Chögyal Namkhai Norbu Die Praxis der Ganapuja 22

Vajratanz Vision von einem Vajra-Tanz-Retreat 26 Karin Heinemann

Interview mit Hans Vogel zum Vajra-Tanz-Pavillon 28 Karin Heinemann

Wir Auch wenn es noch so klein ist…! Rinpoches Vision 30 Karin Heinemann

Oddiyana Shang Shung Edition Ein Dankeschön für einen Wegbereiter 31 Margarita Eidemüller-Jucknat

Mitgliederversammlung 2005 Ein ganz persönliches Protokoll 32 Christine Trachte

Das Gakyil stellt sich vor 35

Was ich schon immer mal machen wollte 37 Jorgos Arvanitidis

Umstrukturierung in Merigar Neue Mitgliedsbeiträge 37 Helga Betz

Teilnahme an der Retreatübertragung durch Internet für Menschen, 38 die keinen Computer haben oder sich mit ihren Computern nicht auskennen Barbara Schwesig

Bericht aus einem Traum dazwischen 41 Nene Reile

Impressum 43

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5Editorial

Liebe Vajra Geschwister,

In der Dzogchen Gemeinschaft fi nden zurzeit einige wichtige Verände-

rungen statt. Die Verlagsarbeit ist neu organisiert worden. Auch eine neue

Vision und Herausforderung zeichnet sich ab. Rinpoche hat angeregt, dass

die deutsche Dzogchen Gemeinschaft sich einen eigenen Ort schafft, an

dem in Deutschland praktiziert werden kann. Weitergehende Informati-

onen zu diesen Themen fi ndet Ihr in diesem Heft. Und last but not least

einige Worte in eigener Sache. Die Übergabe der Redaktion des Dzogchen

Briefs von Marie Krupp an ein Redaktionsteam ist vollzogen worden. Die

erste Ausgabe des Dzogchen Briefs »nach Marie« haltet Ihr nun in Euren

Händen.

In Zeiten von Veränderungen und Umbrüchen kann man noch nicht

auf Fertiges zurückgreifen, Routinen konnten sich noch nicht entwickeln.

Auch das neue Redaktionsteam wird neue Wege gehen, Erfahrungen sam-

meln und dann – wir sollten ja immer den Umständen entsprechend han-

deln – Anpassungen und Veränderungen vornehmen. Der Dzogchen Brief

soll so gut wir es vermögen die Dzogchen Lehren widerspiegeln. Er soll sich

aber auch an den Bedürfnissen und Wünschen der Mitglieder der Dzog-

chen Gemeinschaft orientieren. Dafür brauchen wir die Mithilfe unserer

Vajra Geschwister. Solltet Ihr Wünsche, Anregungen, Vorschläge oder ei-

gene Beiträge haben, lasst es uns wissen. Nur im ständigen Austausch mit

Euch kann etwas Lebendiges entstehen, was dann unser »neuer Dzogchen

Brief« sein wird.

Ihr könnt Euch an folgende Personen wenden: Margarita Eidemül-

ler-Jucknat (Maggie), Thomas Eifl er, Karin Heinemann, Samya Röder-

Debus, Jakob Winkler. Die Koordinationsfunktion für eine Ausgabe des

Dzogchen Briefs übernimmt jeweils ein Teammitglied im Rotationsprin-

zip. Für diese Ausgabe bin ich (Maggie) verantwortlich.

Es sind spannende Zeiten. Ich freue mich darauf, sie mit Euch allen zu

teilen.

Lang lebe unser kostbarer Lehrer.

Mannheim, den 20.7.05

Maggie (Margarita Eidemüller-Jucknat)

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Rigpäi Tsal WangChögyal Namkhai Norbu

Lehre

Das bedeutet, dass man aufgrund der Ermächti-

gung durch die charakteristische Energie des Einzel-

nen das Wissen um den eigenen Zustand erlangt: das

ist eine grundlegende Methode im Dzogchen. Im Tan-

trismus ist die Ermächtigung einer der wichtigsten

Faktoren, im Dzogchen jedoch ist sie nicht unbedingt

erforderlich. Was im Dzogchen unentbehrlich ist, ist die

Einführung in den eigenen ursprünglichen Zustand.

Diese Einführung kann auf verschiedene Wei-

se erfolgen. Insbesondere wenn wir unsere Existenz

prüfen, erkennen wir, dass wir Körper, Stimme und

Geist haben. Die Methoden der Lehre müssen immer

diese drei Aspekte berücksichtigen. Der Körper ist

der mehr materielle bzw. symbolische Aspekt, er ist

etwas, was man sieht oder fühlt. Daher ist im Dzogchen

von der symbolischen Einführung bzw. Übertragung

die Rede. Das ist im tantrischen System das Initiati-

onsprinzip. Bei den tantrischen Ermächtigungen wird

bekanntlich eine Vase verwendet. Was ist die Vase?

Sie ist das Symbol des Körpers: so wie die Vase et-

was enthält, enthält unser Körper etwas, was wir mit

»Potenzialität« bezeichnen. Das heißt natürlich nicht,

dass der Körper wirklich eine Vase wäre: Die Vase ist

nur ein Symbol, aber durch das Symbol können wir

vieles verstehen. Das ist die Ermächtigungsmethode

des Tantrismus.

Das bei einer Ermächtigung verwendete Symbol

kann sich speziell auf den Körper, die Stimme oder

den Geist beziehen, deshalb werden die Ermächtigun-

gen auf diese Weise eingeteilt. Die Ermächtigung des

Körpers wird aus dem schon dargelegten Grund als

»Ermächtigung der Vase« bezeichnet.

Die Ermächtigung der Stimme wird als »geheime

Ermächtigung« bezeichnet. Warum geheim? Weil sie

mit unserer Energie verbunden ist, deren Natur ver-

borgen ist.

Übersetzung basierend auf dem Italienischen:

Dr. Horst Gelter, Wien

Textauswahl: Jakob Winkler

Bearbeitung unter zusätzlicher Berücksichtigung der

englischen Übersetzung: Matthias Winter, Jakob Winkler

und Saadet Arslan

Abbildungen: Merigar Gönpa und Handschrift Chögyal

Namkhai Norbu

Bei der Tagdrol-Ermächtigung ist das Kernstück der Rigpäi Tsal Wang (rig pa’ i rtsal dbang). In den Dzogchen

Lehren ist das der wichtigste Teil. Rigpa ist der Zustand des Einzelnen, das Wissen; Tsal heißt Energie und

Wang Ermächtigung.

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Dzogchen Brief 48/49 August 2005

7Die Ermächtigung des Geistes wird als »Ermäch-

tigung der Weisheit« bzw. »der Prajna« bezeichnet.

Was heißt Prajna? Prajna ist auch unser Intellekt, der

studiert und zu verstehen versucht. Durch den Intel-

lekt entdeckt man die Weisheit, wobei verschiedene

Methoden und Erfahrungen verwendet werden. All

das ist essenziell mit dem Geist verbunden.

Eine noch essenziellere Ebene wird durch den

[natürlichen] Zustand der drei Aspekte der Existenz

(Körper, Stimme und Geist) repräsentiert. Im Dzog-

chen wird dieser Zustand Rigpa genannt und einfach

durch Worte vermittelt, was aber nicht heißt, dass

der Rigpa-Zustand mit Worten erklärt werden kann.

Tatsächlich ist das Wissen um unseren Zustand jen-

seits von Worten. Mit Worten kann man den Rigpa-

Zustand nicht wirklich erklären, aber Worte sind ein

sehr wichtiges Mittel, um die Methoden der Praxis

verständlich machen zu können. Worte sind grund-

sätzlich mit der »mündlichen Übertragung« verbun-

den, und durch diese Methode kann man das Wissen

vermitteln und einführen. Das heißt aber nicht, dass

es ausreicht, Worte zu studieren, um das Wissen zu

erhalten, so wie es zum Beispiel in der Philosophie üb-

lich ist.

Durch die Methoden, die von der mündlichen Be-

lehrung geboten werden, nützt man Erfahrungen,

und auf diese Weise ist es möglich, den Zustand des

Wissens zu erlangen. Also ist es nicht unmöglich, nur

mittels der Worte den Rigpa-Zustand zu erlangen oder

ohne [formale] Ermächtigung in den Rigpa-Zustand

eingeführt zu werden: im Gegenteil, dies ist durchaus

möglich. Aber jemand, dem wiederholt gesagt wur-

de, dass es ohne Ermächtigung unmöglich ist, den

Zustand des Wissens zu erlangen, ist möglicherwei-

se vom tantrischen System konditioniert. Tatsächlich

ist im Tantrismus von Min (smin) und Drol (grol) die

Rede. Min bedeutet zu reifen, um eine Möglichkeit zu

haben. Danach kann man, indem man die Methoden

verwendet, den Zustand der Befreiung (Drol) errei-

chen. Im Tantrismus wird die Ermächtigung als uner-

lässlich betrachtet, weil die Methode des Tantrismus

die Transformation ist: Erhält man keine Ermächti-

gung und gibt es keine Einführung in die wahre Di-

mension unserer Existenz als Mandala oder Gottheit,

was sollte man dann transformieren und wie? Des-

halb ist Ermächtigung aus der Sicht des Tantrismus

unerlässlich.

Dzogchen hingegen kann auf verschiedene Weise

eingeführt werden. Jede Methode, die zur Erfahrung

des ursprünglichen Zustands führen kann, ist gut.

Ehe Manjushrimitra einer der wichtigsten Schüler

Garab Dorjes wurde, hielt er sich für einen sehr be-

deutenden buddhistischen Philosophen. Da er gehört

hatte, dass nach der Dzogchen-Lehre der Zustand des

Wissens jenseits von Ursache und Wirkung ist, und

weil er wusste, dass Buddha gerade im Gegenteil das

Prinzip von Ursache und Wirkung – Karma – gelehrt

hatte, glaubte Manjushrimitra, dass Dzogchen nicht

der buddhistischen Lehre entspräche. Daher begab er

sich eines Tages zu Garab Dorje, nicht um Lehren zu

erhalten, sondern um zu diskutieren. Nachdem er je-

doch mit ihm auf intellektueller Basis Worte gewech-

selt hatte, erhielt er gerade durch die Diskussion die

Einführung in das Wissen der Dzogchen-Lehre. Da-

bei verwendete Garab Dorje keine Vase zur Ermäch-

tigung von Manjushrimitra, um damit sein Haupt zu

berühren. Würde Garab Dorje so gehandelt haben,

hätte Manjushrimitra das sicherlich nicht akzeptiert:

War er doch gekommen, um zu diskutieren und nicht

um Belehrungen zu erhalten. Statt dessen führte ihn

Garab Dorje durch Worte in das Wissen ein: das ist

es, was als Rigpäi Tsal Wang bezeichnet wird. Tsal ist

Energie, und Energie kann auch mit Worten erklärt

werden, wie wir gesehen haben. Die Dzogchen-Meister

wissen zwar ganz genau, dass das Wissen des Dzog-

chen sich nicht durch Worte allein einführen läßt, sie

wissen aber auch, dass die mündliche Unterweisung

eines der wichtigsten Mittel ist, um ein Verständnis

zu erwecken, was Tsal-Energie ist und wie sie zu ver-

wenden ist, um den Zustand zu entdecken. So kann

man verstehen, was mit Rigpäi Tsal Wang gemeint ist.

Im allgemeinen heißt es in der Dzogchen-Lehre,

dass die Einführung auf dreierlei Art erfolgen kann,

verbunden mit den drei Dimensionen der Existenz.

Gemäß dem »System der Panditas« oder »Gelehrten«

führt das Nachdenken und Zitieren aus den Tantras

zum Erkennen der wahren Bedeutung und zur Er-

fahrung der Tsal-Energie. Gemäß »dem tantrischen

System« hingegen wird die Einführung mittels ei-

nes Rituals, einer formellen Ermächtigungszeremo-

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Rigpäi Tsal Wang

nie gegeben. In diesem Fall wird das Wissen immer

durch die sogenannte »vierte Ermächtigung« bzw. die

»Wort-Ermächtigung« eingeführt.

Ein Meister oder Praktizierender hingegen, der

wirklich das Wissen der Dzogchen-Lehre besitzt, ist

weder von einer Ermächtigung noch von philosophi-

schen oder dialektischen Studien abhängig, sondern

ist imstande das Wissen direkt einzuführen, auch

durch die Erfahrung des Praktizierenden selbst. Das

ist eine andere Art der Einführung, aber um diese

Einführung zu geben, muss der Lehrer das Wissen in

vollkommener Weise haben. Hat er das Wissen, aber

ist sich seiner nicht sicher, dann ist es besser, er hält

sich an die Methode der Ermächtigung oder an die

mündliche Methode.

Ab einem bestimmten Punkt fangen viele Gelehrte

an, Dzogchen-Belehrungen zu geben, aber auf welche

Weise? Mehr wie eine Plauderei, vielleicht indem sie

einen Text kommentieren; Texte sagen immer etwas

aus. Auf diese Weise glauben sie Dzogchen-Belehrun-

gen zu geben, aber es bleibt offen, ob das Wissen wirk-

lich so übertragen wird oder nicht. Wie auch immer,

es ist eine Art, wie [heutzutage] vorgegangen wird.

Die drei Übertragungsweisen entsprechen der

symbolischen, der mündlichen und der direkten

Übertragung. Die Lehre von Rigpäi Tsal Wang vereint

alle drei. Bekanntlich repräsentieren die drei Dimen-

sionen, Dharmakaya, Sambhogakaya und Nirmanakaya

die drei Zustände [des Wissens], welche mit Körper,

Stimme und Geist verbunden sind. Jedoch ist die Ge-

samtheit von allen dreien der sogenannte Ngowo-nyi

kyi Ku (ngo bo nyid kyi sku; Skt. Svabhavikakaya), was

dem Zustand von Rigpäi Tsal Wang entspricht. In der

Dzogchen-Lehre bedeutet Einführung, jemanden zu

befähigen, all das zu verstehen.

Die Einführung in den eigenen Zustand

Alles, was man sieht und wahrnimmt, ist eine Ma-

nifestation des Geistes: Das darf aber nicht mit ge-

wissen Sutra-Lehren verwechselt werden, in denen es

heißt, dass unsere gesamte illusorische karmische Vi-

sion vom Geist geschaffen ist. Hier heißt es nicht »vom

Geist geschaffen«, die Bedeutung ist »vom Geist mani-

festiert«. Beispielsweise können sich in einem Spiegel

unendlich viele Spiegelungen, schöne und hässliche,

zeigen, aber die Spiegelungen sind nicht durch den

Spiegel geschaffen: Tatsächlich können sie sich nicht

manifestieren, wenn es nicht ein Objekt bzw. eine se-

kundäre Ursache gibt. Wäre der Spiegel der Erschaf-

fende, würde er nicht von der Anwesenheit eines Ob-

jektes abhängen, er könnte die refl ektierten Bilder aus

sich selbst heraus erschaffen. Hier heißt es, dass sich

alle Phänomene wie ein Spiegelbild im Spiegel mani-

festieren. In Wirklichkeit aber sind alle Dharmas, das

sind alle Phänomene, die sich durch den Geist mani-

festieren, leer. Wie ist Leerheit zu verstehen? Im Spie-

gel können unendlich viele Manifestationen eben des-

wegen gesehen werden, weil der Spiegel die Fähigkeit

bzw. die Potenzialität zur Spiegelung hat. Damit sich

aber ein Spiegelbild zeigt, bedarf es einer sekundären

Ursache, eines Objekts vor dem Spiegel. Das Spiegel-

bild manifestiert sich, so wie es ist, wegen der Wech-

selbeziehung zwischen dem Spiegel und dem Objekt,

das sich vor ihm befi ndet.

Gleiches trifft auf die Manifestationen des Geistes

zu. Suchen wir das, was im Spiegel refl ektiert wird,

fi nden wir nichts, weil die Spiegelung nicht konkret

ist. Auch jemand, der nicht den Lehren oder einer Phi-

losophie folgt, weiß sehr gut, dass die Spiegelung nicht

real ist: das bedeutet, die konkrete Beschaffenheit der

Spiegelung ist Leerheit. Auf diese Weise können wir

verstehen, was Leerheit ist. Sie ist, als hätte der Geist

ein Bild gemalt. Das heißt, dass die Manifestationen

des Geistes wie Regenbögen oder andere Formen und

Farben sind, die im Raum erscheinen und die, weil sie

nicht konkret sind, sich in der Dimension des Rau-

mes auch wieder aufl ösen. Tatsächlich erscheinen im

Geist hunderte und tausende von Gedanken, die sich

im Geist selbst wieder aufl ösen. Manchmal, wenn

wir einen klaren Himmel beobachten, sehen wir, dass

plötzlich eine Wolke erscheint, oder wir sehen an ei-

nem bewölkten Tag, dass sich die Wolken allmählich

aufl ösen und der Himmel sich aufheitert. So erschei-

nen die Gedanken im Geist und lösen sich im Geist

selbst wieder auf. Wir glauben jedoch, dass die Dinge

und die Phänomene wirklich wären: das ist das wahre

Problem.

Wir wissen ganz genau, dass das Spiegelbild im

Spiegel nicht wirklich ist, halten aber das Objekt vor

dem Spiegel für konkret. Durch philosophische Ana-

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Dzogchen Brief 48/49 August 2005

9lyse kann man auch verstehen, dass Leerheit, die Na-

tur der Leere, [ebenso] unwirklich ist, aber gewöhn-

lich glauben wir fest daran, die Erscheinungen, die

Phänomene wären wirklich. Auf diese Weise wird un-

sere karmische Vision äußerst konkret.

Obwohl wir wissen, dass Hunger unwirklich ist,

sind wir nach zwei bis drei Tagen ohne Essen sehr

hungrig. Zu wissen, dass Hunger unwirklich ist, ge-

nügt nicht, weil wir schon längst die Überzeugung

entwickelt haben, dass er wirklich ist; zumindest ist

unser Magen der Überzeugung: ist er leer, verspü-

ren wir Hunger. Selbst wenn unser Magen unwirk-

lich ist, verspüren wir unwirklichen Hunger und wir

brauchen unwirkliches Essen. Es ist alles unsere ei-

gene Schöpfung, aber wir glauben nicht nur daran,

sondern entwickeln Tag für Tag größere Anhaftung

und werden im mer überzeugter, dass die Phänomene

wirklich seien. Auf diese Weise entwickeln wir eine

dualistische Wahrnehmungsweise und glauben vor al-

lem an »Ich« und »Mein«, so dass sich Vorstellungen

und Anhaftung entwickeln.

Durch Belehrung kann die Unwirklichkeit der

Phänomene und der Erfahrung entdeckt werden, und

mit der Praxis wird dieses Wissen authentisch. Die

gesamte karmische Vision, auch wenn sie unwirklich

ist, ist an unsere Energie gebunden. So wie sich die

Spiegelung nicht im Spiegel zeigen kann, wenn es kei-

ne sekundäre Ursache gibt, so entsteht die karmische

Vision nicht ohne Unterstützung. Die sekundäre Ur-

sache ist das Karma. Ihr wisst, was Karma bedeutet:

Durch unsere Absicht bringen wir ein ganz bestimm-

tes Karma zur Reifung, und diese karmischen Spuren

sind mit unserer Energie verbunden, die der Potenzia-

lität des Spiegels entspricht: auf diese Weise manifes-

tiert sich die unwirkliche Vision dieses Augenblicks.

Lhangthong (lhag mthong) ist das Wissen um die Be-

wegung. Jede mentale Bewegung, auch die unreine,

ist unwirklich, aber dennoch mit unserer Energie ver-

bunden. Dieses Wissen ist nicht intellektuell, denn in-

tellektuelles Wissen hat an und für sich keine wirkli-

che Funktion. Wir wissen zum Beispiel ganz genau,

dass die Spiegelung des Spiegels unwirklich ist, aber

dieses Wissen ist bloß intellektuell und besitzt keiner-

lei konkrete Funktion, denn die Spiegelung hängt im-

mer vom Gegenstand ab, der für uns konkret bleibt.

Auf diese Weise werden wir nie ein Wissen vom Zu-

stand der Unwirklichkeit der Phänomene erlangen.

Nur durch die Lehre können wir bestimmte Erfah-

rungen machen, durch die wir entdecken, dass Be-

wegung ein Aspekt der Energie ist und dass Ener-

gie Weisheit ist. Das ist die wirkliche Bedeutung von

Lhangthong.

In der Meditationspraxis gibt es Shinä und

Lhangthong. Shinä bedeutet, sich in einem ruhigen Zu-

stand zu befi nden. Auch in der Sutra-Lehre heißt es,

dass dem Shinä [später] Lhangthong folgt. Die Bezeich-

nung Lhangthong besteht aus Lhag, »etwas mehr«, und

Thong, »sehen«. Im Kern bedeutet es das »Wissen um

die Bewegung«, und nicht nur um die des ruhigen Zu-

stands. Tatsächlich verkörpert der ruhige Zustand

nicht die Gesamtheit unserer [wahren] Beschaffen-

heit: es gibt auch die Energie der Bewegung. Dieses

Wissen heißt Lhangthong. Sich in diesem lebendigen

Wissen zu befi nden, ist der Zustand von Rigpa. Rigpa

ist somit nicht allein ein Zustand, Rigpa ist der Zu-

stand des Wissens. Es kann die Erfahrung der Leer-

heit und die Erfahrung der Bewegung geben. In wel-

chem der beiden Zustände wir uns auch befi nden, die

in diesem Moment spontane Präsenz heißt Rigpa.

Chig she kun drol bedeutet: Wenn man eines versteht,

versteht man alles. In der Lehre des Dzogchen ist dieser

Spruch sehr berühmt: Chig bedeutet einzig und bezieht

sich auf den Zustand des Einzelnen. She bedeutet ken-

nen oder entdecken. Entdeckt man den eigenen wahren

Zustand, befreit sich alles, auf Tibetisch kun drol. Kun

bedeutet alles und Drol heißt Befreiung. Es ist nicht er-

forderlich, sich stufenweise oder allmählich zu befrei-

en. Wenn man sich selbst-befreit und das Wissen er-

langt, erhält man das Wissen von allem.

Das ist, was in der Dzogchen-Lehre mit dem Wis-

sen des ursprünglichen Zustands gemeint ist. Indem

man die Methode, die man durch die Dzogchen-Beleh-

rung erhalten hat, richtig umsetzt, ist es möglich, dies

zu erfahren. Auf diese Weise können sich viele Er-

fahrungen manifestieren. Zum Beispiel wächst, wenn

sich unsere Klarheit etwas entwickelt, auch ohne viele

Bücher zu studieren, automatisch unser Verständnis.

Sicherlich darf man nicht allem trauen, was im Geist

entsteht, aber wenn man die Originaltexte liest, ist es

möglich, eine Übereinstimmung zwischen den eigenen

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Rigpäi Tsal Wang

Erfahrungen und den in den Schriften beschriebenen

Dingen zu fi nden. Das ist eine Manifestation von Chig

she kun drol, die ein Praktizierender haben kann.

Befi ndet man sich in diesem Zustand, befreien

sich alle Phänomene der dualistischer Bedingung (ge-

wöhnlich werden sie als Marigpa bezeichnet). Rigpa ist

das Wissen unserer Potenzialität, unseres Zustands;

Marigpa ist das Gegenteil, das Nicht-Wissen dessen.

Im allgemeinen wird Marigpa mit Ignoranz übersetzt,

aber es sollte verstanden werden, was hier mit Igno-

ranz gemeint ist. Im allgemeinen weist Ignoranz – statt

das Nicht-Erkennen des ursprünglichen Zustands

anzudeuten – auf das Fehlen einer schulischen Aus-

bildung hin, aber in der Dzogchen-Lehre kann Marig-

pa auch den Zustand eines Philosophen oder Gelehr-

ten beschreiben, der, obwohl er hunderte von Bänden

geschrieben hat, das eigene Potenzial nicht erkennt.

Umgekehrt ist jemand, der nicht einen einzigen Text

studiert hat und nicht einmal schreiben kann, aber der

den eigenen Zustand kennt, jenseits von Marigpa. Da-

her ist Marigpa nicht nur Ignoranz, es ist auch der Du-

alismus, von dem wir geprägt sind. Das wird als Tri-

ma (dri ma) – Hindernis – bezeichnet, etwas, das uns

behindert bzw. etwas Unreines, das es nicht gestattet,

dass sich unser authentischer Zustand manifestiert.

Aber befi nden wir uns im Zustand des Wissens, sind

wir jenseits von all dem.

Hier im Text ist von Kunshi (kun gzhi) die Rede,

das ist unser ursprünglicher Zustand oder Urgrund.

Erkennen wir ihn, erwacht der Rigpa-Zustand. Das

Wort Kunshi ist aus Kun – es bedeutet alles – und Shi

– es bedeutet Basis, Grund – zusammengesetzt. Der

gleiche Begriff wird auch im Sutra verwendet, wo

man unter Kunshi den Grund versteht, auf dem sich

die karmischen Spuren ansammeln oder einprägen.

Hier hat Kunshi nicht diese Bedeutung, hier bezieht

es sich sowohl auf den samsarischen Zustand als auch

auf den Zustand der Verwirklichung, Nirvana. Der

Urgrund, aus dem jedweder Zustand entspringt, der

ursprüngliche Grund, wo alles vollkommen ist, heißt

Kunshi. Dieser Urgrund, der unbegrenzte Qualifi ka-

tionen und Energie besitzt, kann sich auf reine oder

unreine Weise, als Samsara und Nirvana und derglei-

chen, manifestieren. Gewöhnlich wird die karmische

Vision als negativ angesehen, weil sie das Ergebnis

von Karma und daher die Ursache des Umherirrens

in Samsara ist. In Wirklichkeit aber sind im Urgrund

Samsara und Nirvana das gleiche. In der Tat, so wie es

für eine Spiegelung ohne die Potenzialität des Spie-

gels nicht möglich ist, sich zu manifestieren, so gibt es

keine Möglichkeit, ohne die Energie unseres wahren

Zustandes Karma zu erzeugen. Die Potenzialität des

Spiegels entspricht dem Urgrund. Wenn wir den Ur-

grund begreifen, können wir daher das Wissen wie-

dererwecken. In der Dzogchen-Lehre ist auch von den

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Dzogchen Brief 48/49 August 2005

11drei ursprünglichen Weisheiten die Rede, wenn der

Urgrund erklärt wird. Tatsächlich ist die Essenz des

Urgrunds die Leerheit, weil es nichts Konkretes gibt,

aber die Leerheit besitzt unendliche Potenzialität, und

daher wird von Klarheit gesprochen. Die Klarheit ih-

rerseits manifestiert sich nicht nur als solche, sondern

sie hat auch eine ununterbrochene Bewegung und ma-

nifestiert das Reine und das Unreine, Samsara und

Nirvana, alles.

Das ist das Charakteristikum unserer Energie

bzw. Potenzialität, und das sind die drei Weisheiten

des Urgrundes. Unseren Zustand zu kennen bedeu-

tet, sich bewusst zu sein, dass wir alle von Anfang an

die Charakteristika der drei Weisheiten besitzen. Die-

se Weisheiten ergeben sich nicht dadurch, dass man

der Lehre folgt und diese praktiziert, vielmehr sind

sie uns alle bereits zu eigen. Und nicht nur Menschen,

sondern auch Tiere besitzen sie. Was fehlt, ist das Er-

kennen dieser Realität. Mit der Übertragung und den

Methoden der Belehrung ist es jedoch möglich, in die-

ses Wissen zu gelangen.

In der Tat begreifen wir auf dem Weg, indem wir

der Lehre folgen, dass uns der Zustand der Leerheit

zu eigen ist. Durch die Praxis von Shinä entdecken

wir, dass der Zustand der Leerheit wirklich exis-

tiert; er wird Dharmakaya genannt, die Dimension

der Leerheit aller Phänomene. Aber die Leerheit ist

nicht nur leer, sie besitzt auch Bewegung, Gyuwa (’gyu

ba). Gyuwa selbst ist jedoch auch Teil des ruhigen Zu-

stands. Wenn man das versteht, begreift man auch,

was Sambhogakaya bedeutet. Sambhoga bedeutet Quali-

fi kation und Kaya bedeutet Dimension: alle Qualifi kati-

onen – rein und unrein – manifestieren sich. So entde-

cken wir auf dem Weg, was der Urgrund enthält.

Schließlich gibt es den Zustand der Energie, durch

den wir den nicht-dualen Zustand von Leerheit und

Bewegung entdecken können: Bewegung ist auch

Leerheit, die Leerheit ist auch Bewegung. Es geht

nicht darum, das rational bzw. intellektuell zu erfas-

sen, sondern durch die Erfahrung zu entdecken, dass

unser wahrer Zustand so ist. Das bedeutet Rigpa:

durch Erfahrung gelangen wir zu Wissen. Indem der

Urgrund von allem verstanden wird, wird der Rigpa-

Zustand erweckt.

Eine der Manifestationsweisen unserer Energie

heißt Rolpa. Tsal-Energie ist eine Manifestation auf

der Ebene von Subjekt und Objekt, etwas, das sich

außerhalb von uns manifestiert. Erfolgt die Manifes-

tation aber in der eigenen Dimension des Einzelnen,

wird von Rolpa gesprochen.

Ein Beispiel für Rolpa ist die Weise, wie sich die

Spiegelung im Spiegel zeigt. Was heißt das? Wenn vor

dem Spiegel ein Objekt ist, tritt das Objekt nicht in

den Spiegel ein, sondern manifestiert sich durch die

Potenzialität des Spiegels. Das heißt, die Form des

Objektes ist imstande, sich unmittelbar – verursacht

durch seine Anwesenheit – zu manifestieren. Das ist

die Rolpa-Energie. Im Universum gibt es viele Mani-

festationen verwirklichter Wesen. Zum Beispiel kön-

nen sich Vajrasattva oder Samantabhadra tatsächlich

in uns selbst manifestieren. Warum manifestieren sie

sich? Eben weil wir eine bestimmte Methode verwen-

den. Haben wir die Methode von Vajrasattva oder von

Samantabhadra niemals verwendet, können sie sich

nicht manifestieren. In diesem Fall ist die Methode

wie das Objekt, das im Spiegel refl ektiert wird. Ge-

brauchen und verwenden wir die Methode des Shitro,

nachdem wir die Übertragung erhalten haben, so tre-

ten entsprechend der Art und Weise, die wir als Rol-

pa bezeichnen, diese Manifestationen unserer Energie

bzw. Potenzialität auf.

Warum aber erfolgt die Manifestation auf die-

se Weise? Da Energie und Potenzialität weder Form

noch Farbe haben, manifestiert sich nichts, wenn

nicht eine Methode verwendet wird. Das ist sehr gut

zu verstehen, wenn ein Spiegel beobachtet wird: der

Spiegel besitzt die Potenzialität zur Manifestation un-

endlich vieler Spiegelungen mit verschiedenen Formen

und Farben. Aber der Spiegel besitzt einzig die Poten-

zialität, er besitzt nicht die Formen und Farben, die

umgekehrt ausschließlich von dem refl ektierten Ge-

genstand abhängen. Im Spiegel sind die Formen und

Farben des Gegenstandes nicht wie in einem Compu-

ter programmiert. Würde er eine Programmierung

brauchen, könnte der Spiegel nicht eine unendlich

große Potenzialität besitzen. Die Potenzialität eines

Computers kann sehr groß sein, so dass viele Dinge

am Bildschirm erscheinen; sie ist aber nicht unendlich

groß, da sie vom eingegebenen Programm abhängt.

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Rigpäi Tsal Wang

Würden wir unendlich viele Programme eingeben,

könnte seine Potenzialität unendlich sein, aber das

ist nicht möglich. Beim Spiegel spielt das alles keine

Rolle. Genauso besitzen auch wir unendliche Potenzi-

alität, aber alle Manifestationen hängen von den Me-

thoden ab. Was sich durch unsere unendliche Poten-

zialität manifestiert, wird als Rolpa bezeichnet. Rolpa

ist ohne Unterbrechung: jedweder Umstand, jedwede

Sache, ob groß oder klein, jede Farbe, alles manifes-

tiert sich sofort und ohne Unterbrechung.

Befi ndet sich jemand im Wissen um den eigenen

Zustand, befi nden sich Nyamshag (mnyam gzhag) und

Jethob (rjes thob) in einem Zustand von Nicht-Duali-

tät. Was bedeutet Nyamshag? Wenn wir eine Metho-

de wie Shinä lernen, heißt es an einem bestimmten

Punkt: »Jetzt mache ich die Praxis!« Bei der Metho-

de wird erklärt, wie wir sitzen müssen, um den physi-

schen Körper zu kontrollieren, wie die Energie durch

das Atmen zu kontrollieren ist, wie der Blick zu halten

ist, wie der Geist zu kontrollieren ist, was zu denken

und zu meditieren ist. Haben wir all das gelernt, kön-

nen wir eine Stunde darauf verwenden, einen Thun zu

machen. Nach einer Stunde rezitieren wir die Wid-

mung der Verdienste und denken: »Jetzt ist die Shi-

nä-Praxis beendet!« Bis zu diesem Punkt sind wir in

Nyamshag. Das Wort Nyamshag ist zusammengesetzt

aus nyam, es bedeutet gleich, Zustand von Gleichheit,

und aus shag, was »in diesem Zustand belassen« bedeu-

tet. Tatsächlich bedeutet es, dass die erlernte Metho-

de dazu dient, zu verweilen und sich in der Methode

selbst zu entspannen.

Ab dem Augenblick, an dem wir sagen: »Die Pra-

xis ist aus, jetzt kann ich die Beine ausstrecken!«, oder

vielleicht auf die Toilette oder Essen gehen, beginnt

das, was wir als Jethob bezeichnen. Je heißt danach und

thob etwas erhalten. In den Belehrungen wird immer

erklärt, wie sich ein Praktizierender in der Phase des

Jethob verhalten soll und was zu machen ist. Wenn im

allgemeinen die Rede ist von Tawa, Gompa und Chöpa

– Sicht, Praxis und Verhalten – dann ist das Letzte-

re, das Verhalten im gewöhnlichen Leben, Jethob. Wie

muss man sich im Jethob verhalten, wenn man eine

Transformationspraxis macht? Im Yogatantra trans-

formiert man sich zuerst und fühlt sich als Gottheit,

und am Ende der Praxis löst sich alles in der Keim-

silbe auf, die sich ihrerseits in die Leerheit aufl öst. Im

Anuttaratantra bzw. höheren Tantra zeigt man nach der

Praxis ein Verhalten, in dem all das, was man sieht,

als eine Manifestation des Mandala der Gottheit be-

trachtet wird; alle Töne sind Mantras und alles, was

im Geist ensteht, ist die Manifestation des Zustands

der Gottheit. Im Jethob sollten wir daher versuchen,

uns an diese Dinge zu erinnern.

In der Lehre des Dzogchen empfehlen die Meister

immer zu versuchen, sich nicht zu zerstreuen. Manch

einer zerstreut sich auch während der Kontemplation,

aber das passiert normalerweise weniger oft. Wenn

man aber denkt, »jetzt ist die Kontemplationspra-

xis beendet,« ist es äußerst leicht sich zu zerstreuen.

Jedoch sollte man versuchen, sich nicht zu zerstreu-

en und die Kontinuität der Präsenz beizubehalten.

Wer wirklich im Zustands des Wissens weilt, vermag

sich im Zustand von Nyam Je nyime (mnyam rjes gnyis

med) bzw. im Zustand der Nicht-Dualität von Nyam-

shag und Jethob zu befi nden. Im Dzogchen wird dieser

Zustand als Tingdzin Chenpo, totale bzw. umfassende

Kontemplation, bezeichnet. Dabei gibt es keine Unter-

scheidung zwischen Nyamshag und Jethob, weil es sich

immer um einen Zustand des vollständigen Gewahr-

seins handelt. Wenn man diese Erfahrung erreicht,

befi ndet man sich in dem »einen Zustand«, dem Zu-

stand von Rigpa. Das ist der Zustand von Samantab-

hadra, der ursprüngliche Zustand.

Dieser Zustand ist von Anfang an vollkommen.

Dzogchen übersetzt heißt »Große Vollkommenheit«,

der Ausdruck »groß« ist aber nicht sehr treffend, weil

er automatisch »klein« impliziert. Was wäre aber die

kleine Vollkommenheit? Aus diesem Grund ist die

Bezeichnung »groß« nicht sehr genau. Chenpo bedeu-

tet im allgemeinen groß, aber es bedeutet auch um-

fassend, und daher bedeutet Dzogchen »umfassen-

de Vollkommenheit«, was unser wahrer Zustand ist.

Man sollte nicht glauben, Dzogchen sei nur eine Lehre.

Gewöhnlich heißt es: »Ich folge der Dzogchen-Lehre,

ich bin ein Dzogchen-Praktizierender.« Das endet da-

rin, dass geglaubt wird, Dzogchen sei nur eine Lehre.

Sicherlich ist Dzogchen auch eine Lehre, und wenn es

»Dzogchen-Lehre« heißt, versteht es sich, dass wir uns

auf die Lehre beziehen. Sagen wir aber nur Dzogchen,

weiß man nicht, ob wir uns auf die Lehre oder auf den

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Dzogchen Brief 48/49 August 2005

13Zustand beziehen. In Wirklichkeit ist Dzogchen unser

eigener Zustand, aber wenn wir diesen nicht kennen,

brauchen wir die Dzogchen-Lehre. Die Dzogchen-Lehre

dient dazu, unser eigenes Dzogchen zu enthüllen. Dzog-

chen sind daher wir. Das heißt, dass wir gänzlich voll-

kommen, mit anderen Worten von Anfang an erleuch-

tet oder verwirklicht sind.

Eigentlich ist der Ausdruck »verwirklicht« nicht

ganz richtig, weil er beinhaltet, etwas zu werden, was

wir vorher nicht waren. Umfassende Vollkommen-

heit besteht nicht darin, etwas zu werden, denn die

Verwirklichung ist schon seit eh und je vollkommen.

Auch von Erleuchtung zu reden ist nicht richtig, denn

in Wirklichkeit ist nichts zu erleuchten. Tatsächlich

ist unser Zustand wie eine Lampe, bei der es keine

Beleuchtung von außen braucht: Licht, Erleuchtung

sind die eigene Natur (der Lampe). Der Zustand des

Dzogchen ist wie das Licht, es gibt nichts zu erleuch-

ten. Warum werden dann Worte wie Erleuchtung und

Verwirklichung verwendet? Die Dzogchen-Lehre sagt,

dass wir – obwohl unser Zustand schon vollkommen

ist – aus Mangel an Wissen bzw. Marigpa dualistische

Vorstellungen schaffen und – anstatt unseren Zustand

zu erkennen – das Subjekt und das Objekt wahrneh-

men, das Ich und die Anderen. Sobald wir in diese

Vorstellung geraten, sind wir schon im Samsara und

bereit, alle Arten von Karma und deren Potenzial zu

erzeugen. So wird, indem wir ein Karma, zwei Kar-

mas, drei Karmas erschaffen, alles viel schwerer, und

wir treffen auf immer mehr Hindernisse und mehr

Marigpa. Weil wir uns immerzu in diese Richtung be-

wegt haben, fehlt uns das Wissen.

Die Lehre dient eigentlich dazu, diese Richtung

umzukehren: statt weiterhin die samsarische Vision

zu erzeugen, kehren wir sie um. In der Sprache des

Dzogchen, auf Tibetisch, heißt das Rulog (ru log) und

das bedeutet »die Richtung umkehren«. Wenn man

die Richtung umkehrt, gelangt man wieder zum Ur-

sprung und fi ndet sich dort im Zustand des Shi, des

Urgrunds wieder, von dem die Rede war, wobei so-

gar all das, was wir geschaffen oder angesammelt ha-

ben, Marigpa, gereinigt und eliminiert wird. Deshalb

sprechen wir davon, erleuchtet zu werden oder uns zu

verwirklichen, aber in Wirklichkeit hat sich unsere

Beschaffenheit, unser Zustand von Anbeginn an nie-

mals verändert. Das ist es, was man verstehen muss:

Dzogchen ist der Zustand unserer Potenzialität, der

sich von Anfang an niemals verändert hat und voll-

kommen ist. Deshalb müssen wir jetzt die Methode

erlernen, um wieder in diesen Zustand zu gelangen:

das ist das letztendliche Ziel der Dzogchen-Lehre. Das

ist die Bedeutung der Worte Ye Sanggyä: von Beginn

an (ye) im vollkommenen und erleuchteten Zustand

(sangs rgyas) zu sein.

Hier sagt der Text, wenn wir uns in dem Zustand

befi nden, sind wir nicht länger abhängig von Anstren-

gung, einer Handlung und dergleichen. Deswegen

wird in der Dzogchen-Lehre von Mepa chu (med pa bcu)

gesprochen, den zehn Faktoren, die man nicht anwen-

det. Was braucht man nicht anzuwenden? Es ist weder

die Form einer Gottheit erforderlich, wie beim Weg

des Tantrismus, noch eine Handlung, noch das Prin-

zip des Karma. Das heißt nicht, dass all das relativ

gesprochen nicht existiert, denn wie erwähnt, wenn

wir einen irrealen materiellen Körper haben, haben

wir folglich irrealen Hunger, und wenn die karmische

Vision existiert, existieren auch alle Dinge auf einer

konkreten Ebene. Kennen wir aber wirklich das wah-

re Prinzip, sind wir jenseits von all dem, und die Din-

ge existieren in Wirklichkeit nicht mehr vor uns.

Wir können drei Wahrnehmungsweisen unter-

scheiden: die samsarische Vision, die Vision der Er-

fahrung des Praktizierenden und die reine Vision der

Erwachten. Die Wesen, welche die samsarische Vi-

sion haben, sind völlig vom Dualismus konditioniert

und kennen nur die karmische Wahrnehmung: Wegen

des angesammelten Karmas nehmen sie an und lehnen

ab und leiden dadurch. Ein Praktizierender, der sich

auf dem Weg befi ndet, begreift verstandesmäßig, dass

alle Sachen irreal sind, und ist besonders während der

Praxis, wenn er sich im Zustand der Kontemplation

befi ndet, nicht von der dualistischen Wahrnehmung

konditioniert: Daher beruht seine Wahrnehmung

auf den Erfahrungen der Praxis und der Methode.

Schließlich gibt es die verwirklichten Wesen, welche

sich in einer reinen Dimension bzw. Vision befi nden:

Sie haben keine karmische Ursachen mehr und haben

eine unendlich reine Vision, Tagpa rabjam (dag pa rab

‚byams).

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Rigpäi Tsal Wang

Das ist folgendermaßen zu verstehen: sprechen

wir von »völlig reiner Vision«, dann gibt es keine un-

reine Vision, weil keine karmische Ursache existiert;

aber das heißt nicht, dass ein erleuchtetes Wesen die

unreine Vision nicht wahrnehmen kann. Tatsächlich

kann es sie wahrnehmen, aber nicht auf Grund einer

karmischen Ursache. Ein völlig erleuchtetes Wesen

besitzt die Weisheit der Qualität und Quantität, und

sobald es vor sich unendlich viele Wesen hat, die mit

verschiedenen Eigenschaften versehen sind, welche

einhergehen mit entsprechenden Visionen und Zu-

ständen, kann es alle diese Visionen wahrnehmen und

so jenen helfen, die sich im Samsara befi nden. Der Er-

wachte ist folglich nicht mehr von Handlung und An-

strengung konditioniert.

Hier besagt der Text, dass die Frucht bzw. Ver-

wirklichung nicht von etwas Äußerem stammt. Vie-

le Lehren, besonders Sutra, betrachten die Verwirkli-

chung als das Ergebnis von etwas. Zum Beispiel heißt

es in der Widmung, die vom großen Meister Nagar-

juna verfasst wurde und die wir am Ende der Praxis

singen:

»Mögen durch die positive Kraft dieser Praxis alle

Wesen, die Ansammlung von Verdienst und Weisheit

zu Ende führen, und aus die sem Verdienst und dieser

Weisheit, die zwei erhabenen Dimensionen, Dharma-

kaya und Rupakaya erlangen!«

Das bedeutet, dass die Verwirklichung durch et-

was erzeugt wird. In der Dzogchen-Lehre gibt es diese

Vorstellung jedoch nicht. In der Tat, wenn die Ver-

wirklichung schon von Anfang an vollkommen ist,

was soll da erzeugt werden? Die Verwirklichung muss

sich bloß durch die Beseitigung der Hindernisse ma-

nifestieren: Man könnte glauben, sie würde erzeugt

werden, aber in Wirklichkeit wird sie durch nichts er-

zeugt. Daher hängt die Frucht, das sind Dharmakaya,

Sambhogakaya und Nirmanakaya, die den Erleuchteten

zugeschrieben wird, nicht von etwas anderem ab.

In dem Text heißt es, dass der wahre ursprüngli-

che Zustand, das Wissen, alldurchdringend und voll-

kommen selbstbefreit ist. Das ist die Bedeutung der

Einführung, an deren Ende es die drei A gibt, welche

Dharmakaya, Sambhogakaya und Nirmanakaya reprä-

sentieren. Dharmakaya ist leicht zu verstehen, es ist der

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Dzogchen Brief 48/49 August 2005

15Zustand der Leerheit. Durch Sambhogakaya können

sich unendlich viele Phänomene als Spiegelungen im

Spiegel manifestieren. Das dritte A repräsentiert die

Dimension des Nirmanakaya. In der Dzogchen-Leh-

re ist diese Dimension wichtiger als der Dharmaka-

ya, weil sie die gesamte Vision – rein und unrein – er-

schafft, die auf dem Weg integriert werden muss. In

der Tat darf die unreine Vision nicht abgelehnt, und

nur das Positive akzeptiert werden: Wenn man ver-

standen hat, dass der Urgrund der selbe ist, werden

alle Manifestationen zu Qualifi kationen unseres ur-

sprünglichen Zustands und sollten in diesen integriert

werden. Von den drei Zuständen ist der Nirmanakaya

am schwierigsten zu integrieren, aber er ist auch der

wichtigste auf dem Weg.

Hier ist das Prinzip durch die drei A ausgedrückt;

es ist auch das gleiche Prinzip der drei RA, mit de-

nen das Vajralied endet: Das erste RA repräsentiert

den Dharmakaya, das zweite den Sambhogakaya und

das dritte den Nirmanakaya. Es handelt sich nicht um

eine mentale Betrachtungsweise, sondern um ein Mit-

tel unsere gesamte Existenz effektiv in den Zustand

zu integrieren: die Empfi ndungen, die Gefühle, die

gesamte Wahrnehmung. Beim Singen des Vajraliedes

fi nden wir uns mehr in der Dharmakaya-Dimension;

indem wir uns mit dem Klang des Vajraliedes verbin-

den, sind wir in der Sambhogakaya-Dimension und wir

integrieren uns am Ende des Liedes völlig mit der Nir-

manakaya-Dimension. Das ist, als würde man sich gut

auf die Integration vorbereiten. Zum Beispiel wirft

sich jemand, der schwimmen will, nicht voll bekleidet

ins Wasser: vorher zieht er die Kleider aus und die Ba-

desachen an. Genauso ist das Singen des Vajraliedes

wie ein »Herauskommen« aus dem Dharmakaya und

dem Sambhogakaya. Am Ende, wenn wir die Nirmana-

kaya-Dimension betreten, werfen wir uns ins Wasser

und schwimmen. Das Wasser ist die Dimension der

Existenz des Nirmanakaya, und so integrieren wir uns

damit. Jedoch endet die Kontemplation nicht, wenn

das Vajralied endet: vielmehr beginnt dann die wich-

tigste Phase.

Chögyal Namkhai Norbu

Thos-grol

The Practice of the twenty-fi ve Thigles, Shang Shung

Edizioni, Arcidosso 1996, Seite 48–61

Thos-grol

La practica dei venticinque thigle, Shang Shung Edizioni,

Arcidosso 1995, Seite 48–61

Die vollständige deutsche Übersetzung erscheint dem-

nächst bei der Oddiyana Shang Shung Edition.

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Zu den zwölf ursprünglichen Meistern

Im Anschluss möchte ich einen Auszug aus der Schrift »Die Halskette aus Si-Steinen«

präsentieren, der im Buch »Zwei Aufsätze zur Geschichte und Kultur Tibets« von Chög yal

Namkhai Norbu kürzlich in Deutsch erschienen ist.

Als erstes zitiere ich aus dem dritten Kapitel des Buches, um etwas Kontext zu schaffen.

Übersetzung ins Deutsche: Albrecht Frasch

Textauswahl eingeleitet und kommentiert

von Jakob Winkler

Photos: Chögyal Namkhai Norbu in Merigar

1987, Photograph: Mila Misek

Zwölf Meister: Merigar Gönpa, Photograph:

Jakob Winkler

Folglich ist es wahrscheinlich, daß

die Länder, die im Altertum als

Oddiyana und Shambhala gerühmt wur-

den und zu denen die indischen Siddhas

nur unter gewaltigen Risiken und Opfern

gelangten, entweder dem Königreich von

Shang Shung angehörten oder zumindest

daran angrenzten. Dies legt die Hypothe-

se nahe, daß das archaische Dzogchen,

welches vom Gründer des Bön Shenrab

Miwoche gelehrt worden ist, sich später

allmählich zum buddhistischen Dzogchen

entwickelt hatte. Tatsächlich ist in der Ge-

schichte der „Mündlichen Übertragungslinie

von Shang Shung“ zu lesen, daß der drei-

zehnte Meister der Dzogchen-Linie – von

Shenrab Miwoche aus gezählt – ein gewis-

ser Shang Shung Garab1 war, der diesel-

be Person wie Garab Dorje gewesen sein

könnte, während die Tradition der ,zwölf

ursprünglichen Meister‘, die in der bud-

dhistischen Dzogchen-Literatur2 über-

liefert ist, auch auf die zwölf Lehrer zu-

rückgeführt werden könnte, welche Shang

Shung Garab in der Übertragungslinie

des Dzogchen von Shang Shung voraus-

gingen. Geschichte auf solch ab weichende

Art und Weise zu erklären, mag überra-

schen und viele tibetische Gelehrte verär-

gern, [es] ist aber unerläßlich [vorurteils-

1 Aus der „Geschichte der mündlichen Über-lieferung von Shang Shung“ (Shang Shung Nyän-

g yü kyi Namthar) von Gy-erchen Nangsher Löpo [8. Jh. n. Chr.], Delhi 1968, S. 10, Zeile 5 ff.:Der Dritte, Meister Sang-wa Düpa, welcher durch eine wundersame Geburt das Licht der Welt erblick-te und mit der ma gischen Fähigkeit begabt war, jede Erscheinung anzuneh-men, übertrug [die In-struktionen] auf Lhabön Thökar; jener auf Yeshen Samdrub; jener auf Gy-erpung Legdrub; jener auf Gyung Yar Tsäpo; jener auf Tresä Gyalwa; jener auf Shang Shung Ga rab; jener auf Rasang Sönam Tseg; jener auf Shang Shung Tashi Gy-altsän; jener auf Nang-sher Löpo.

2 siehe Fußnote 4

Chögyal Namkhai Norbu

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Dzogchen Brief 48/49 August 2005

frei die Geschichte zu betrachten], um die

authentischen Ursprünge der Kultur und

spirituellen Tradition Tibets genau zu er-

forschen und zu refl ektieren.

Auf jeden Fall besteht das wahre

Prinzip der Lehren des Dzogchen in der

Kenntnis bzw. im Verständnis des ur-

sprünglichen, natürlichen, unveränder-

ten Zustandes eines jeden, handele es sich

um einen Mann oder eine Frau. Folglich

kann Dzogchen nicht mit einer Religion

oder einer philosophischen Doktrin, und

schon gar nicht mit dem Inhalt einiger hei-

liger Schriften gleichgesetzt werden. Alte

Dzogchen-Texte konstatieren, daß es so-

gar in primitiven Bevölkerungen, die nie

von den buddhistischen Lehren erreicht

worden sind, viele Yogis und Yoginis ge-

ben könne, die über vollkommene Kennt-

nisse des Zustandes von Dzogchen ver-

fügten. Dies vorausgesetzt überrascht es

nicht weiter, daß sowohl im Bön als auch

im Buddhismus Lehren existieren, die er-

läutern, wie man diesen Zustand authen-

tischer Kenntnis realisiert. Es geht hier

nicht darum, eine starre und beschränk-

te Sichtweise aufrechtzuerhalten, welche

wünscht, die Ursprünge des Dzogchen

entweder dem Bön oder anderseits der

Nyingma-Tradition zuzuschreiben. Dzog-

chen besteht in einer Kenntnis, die die

Grenzen von Zeit und Raum übersteigt:

Tatsächlich heißt es, daß unzählige Mei-

ster die ses Wissen, bzw. diese Kenntnis

„halten“, und daß seine Lehren überall im

Universum gegenwärtig sind. Insbesonde-

re das Tantra mit dem Titel „Alles transzen-

dierender Ton“ (Drathäl Gyur; sGra thal ’gyur)

stellt fest, daß die Lehren des Dzogchen in

dreizehn Dimensionen – genannt Thälwa

bzw., „außerhalb unseres Sonnensystems“

– weit verbreitet sind. Deshalb ist es we-

sentlich, sich über die Vorurteile einer ein-

geschränkten Sichtweise zu erheben.3

Die Tradition der ,zwölf ursprünglichen

Meister‘, der buddhistischen Dzogchen-

Literatur4

In diesem von Rinpoche ausgewählten

Zitat5 wird ein Auszug zu den »zwölf ur-

sprünglichen Meistern« des Dzogchen aus

dem »Großen Tantra des selbst aufschei-

nenden Gewahrseins« (Rigpa Rangshar Chenpöi

Gyü) angeführt.

Der nach dem einleitenden Satz folgen-

de Text stammt aus einem alten Dzogchen Tan-

tra und wurde von Adriano Clemente aus

dem Tibetischen für eine eher akademische

Leserschaft übersetzt und gibt so authen-

tisch die manchmal endlosen tibetischen

Sätze mit seinen zahlreichen Satzergänzun-

gen wieder. Im Buch selber fi nden sich die

tibetischen Namen auch in Wylie-Transli-

teration. Um den Text nicht noch sperriger

zu machen, wurde hier auf deren Wieder-

gabe verzichtet.

3 Seite 32-33

4 Aus Pawo Tsuglag Trengwas (dPa’ bo gtsug lag

phreng ba) [1504–1566] „Dharma- Geschichte ge-nannt ,Festmahl für Ge-lehrte‘“ (Chönjung Khäpäi

Ga tön; Chos ’byung mkhas pa’i

dga ston), erster Teil (stod

cha), Mi rigs dpe skrun khang, Beijing 1986, S. 562, Zeile 12 ff

5 fn 16, Seite 64–67

Abbildungen v.l.n.r.:

Chögyal Namkhai Norbu, Samantabhadra, Shenrab Miwoche, Ösung Dregpo (der zehnte), Shönnu Rolpa Namtse (der vierte).

(Der Fries zeigt die Meister nicht in der zeitlichen Abfolge.)

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Die zwölf ursprünglichen Meister wer-

den im Rahmen der Praxis des Santi Maha

Sangha Training angerufen und sind so

schon einigen von euch vertraut. Sie sind in

der Gönpa von Merigar hinter Rinpoches Thron

links und rechts von Samantabhadra abgebil-

det. Den zwölf ursprünglichen Meistern

hat Rinpoche noch Shenrab Miwoche und Garab

Dorje hinzugefügt. Gemalt wurden sie von

Dugu Chög yal Rinpoche.

Selbst wenn es im Großen und Ganzen

in den Ausführungen der Lehren, die al-

len Traditionen gemeinsam sind, Hinwei-

se auf die Gegenwart von eintausend letzt-

endlich verwirklichten Meistern in diesem

glücklichen Kalpa gibt, werden im Dzog-

chen, dem Resultat-Fahrzeug des gehei-

men Mantra, nur zwölf Meister erwähnt.

Im „Rigpa Rangshar Chenpöi Gyü“ heißt es:

„In der Epoche anfangsloser Zeiten

ging ein wertvolles Juwel verloren. Als

das Juwel verloren ging, erschien Fin-

sternis und Licht, und aufgrund der vier

Bedingungen der Verwirrung, Konzep-

ten und unreiner Vision manifestierte sich

dort der Reine Bereich Gandän Tsegpa.

Jener hatte ei ne reine Lotusblüte als Ba-

sis, und dort entstanden die großen Tan-

tras des geheimen Mantra. Mitrugpa war

dort anwesend, und der Thälgyur, der Kö-

nig der Tantras, wurde gelehrt.“

Der erste Meister6

Was den ersten dieser Meister betrifft,

so steht im „Tantra der Verzierung des Ati-

Yoga“, welches von Vimalamitra in dem

Text genannt „In türkisenen Buchstaben ver-

faßt“ zi tiert wird, geschrieben, daß zu der

Zeit, in der die Dauer eines Lebens unbe-

rechenbar war, der Meister Khye’u Nang-

wa Samgyi Mikhyabpa im Reinen Bereich

Gandän Tsegpa geboren wurde, indem er

sich im Zentrum von eintausend goldgel-

ben Lotusblüten wundersam manifestier-

te, sich an ein Gelübde erinnernd, das er

in vergangenen Zeiten abgelegt hatte. Auf

den tausend Lotusblüten kündigte die Er-

scheinung von eintausend Emanationen,

die mit ihm identisch waren, die Ankunft

von eintausend Buddhas in diesem glück-

lichen Kalpa an. Und tatsächlich war der

Anblick von sechs Millionen und vier-

hunderttausend Sternen am Himmel ein

Zeichen, welches diese Zahl von Dzog-

chen-Tantras vorhersagte. Jene siebzehn

Sterne, die heller schienen als die übrigen,

prophezeiten die siebzehn Haupt-Tantras

des Dzogchen. In dieser Weise lehrte er

die eintausendundzwei Buddhas, die sich

selbst als Schüler manifestierten, mit der

ungeheuer erfreuenden Stimme des göttli-

chen Vogels das „Alles transzendierender Ton-

Tantra“ [wel ches das Haupt-Tantra der mündli-

chen Überlieferung des Dzogchen darstellt], und

die beiden göttlichen Bodhisattvas Nyima

6 Meister übersetzt den tibetischen Begriff Tönpa (ston pa), der nur sehr wenigen heraus-ragenden Persönlich-keiten beigefügt wird, wie zum Beispiel Bud-

dha Shakyamuni, Garab Dor-

je oder Shenrab Miwoche, also Meistern die der Ursprung einer neuen Übertragung wurden. Buddhistisch gespro-chen, sind das Lehrer, die das Rad der Lehre in ihrer Epoche zum ers-ten Mal gedreht haben. (Anm. Jakob Winkler)

Zu den zwölf ursprünglichen Meistern

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Dzogchen Brief 48/49 August 2005

Rabtu Nangje und Gaje Wangchug sam-

melten diese Lehren.

Der zweite Meister

Als die durchschnittliche Lebenser-

wartung zehn Millionen Jahre betrug,

wurde der Meister Khye’u Ö Mitrugpa

aus einem aus den fünffarbigen Lichtern

bestehenden Ei geboren, und lehrte zwei-

hunderttausend Dakinis die fünf Tantras

von Körper, Rede, Geist, Qualitäten und

Aktivitäten, indem er die Stimme Vishnus,

des Alldurchdringenden ,mit den fünf

Haarknoten‘ annahm, als Zeichen dafür,

daß dieselbe Anzahl von weiblichen We-

sen dank dieser Lehren künftig zur Be-

freiung gelangen würden.

Der dritte Meister

Als die durchschnittliche Lebensspan-

ne einhunderttausend Jahre betrug, lehrte

der Meister Jigpa Kyobpä Yi an der Stel-

le genannt Drösher Düpa Ökyil Pungpa

sechshunderttausend Bodhisattvas das

Ritual, wie „Samsara aus der Tiefe heraus zu

erschüttern ist“ (Khorwa Tongtrug) und ande-

re Tantras, indem er mit fl üsternder Stim-

me sprach, die klang wie das Summen ei-

ner Biene, wel ches vom Wind fortgetragen

wird. All dies als Zeichen dafür, daß die-

selbe Anzahl von männlichen Wesen künf-

tig aufgrund dieser Lehren zur Befreiung

gelangen würde.

Der vierte Meister

Als die durchschnittliche Lebenser-

wartung achtzigtausend Jahre betrug,

lehrte der Meister Shönnu Rolpa Namtse

an einem Ort, welcher Chagjung Ngal-

du Nangwa genannt wird, die eintausend

Yakshas [in der Regel wohlwollende Halbgott-

Wesen] die elf Tantras, nämlich die fünf

Wurzel-Tantras und die sechs Neben-Tan-

tras des Semde Dzogchen.

Der fünfte Meister

Als die durchschnittliche Länge des

Lebens siebzigtausend Jahre betrug, prä-

sentierte der sechste Dorje Chang im Tsoje

Shönnu-Garten an dem Ort der ,dreiund-

dreißig [Gottheiten]‘ den ,sieben Buddhas‘

– seinen eigenen Manifestationen – die

Lehren über die sechs, die drei und die

achtzehn vollkommenen Handlungen ein-

schließlich der mit und ohne Anstrengung

zu praktizierenden Methoden.

Der sechste Meister

Als die durchschnittliche Lebensspan-

ne sechzigtausend Jahre betrug, lehrte

der Meister Shönnu Pawo Thobdän, der

drei Gesichter und sechs Hände besaß, in

denen er die Welten der sechs Kategori-

en von Wesen hielt, auf dem Meri Barwa-

Friedhof auf dem nordöstlichen Plateau

des Berges Meru die sieben Bodhisattvas

– unter ihnen ,der auf der Wolke des Dhar-

ma [d.h. auf der 10. Bodhisattva-Stufe]

Abbildungen v.l.n.r.:

Shönnu Pawo Thob-dän (der sechste), Serö Dampa (der achte), Khye’u Nangwa Sam gyi Mikhyabpa (der erste), Drangsong Tröpä Gyalpo (der siebente), Tsewä Rolpä Lodrö (der neunte).

Folgende Seite:

Shakyamuni (der zwölfte).

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Weilende‘ sowie zahllose Daki-

nis, Devas und Nagas – das ‚Gro-

ße Tantra des selbst aufscheinen-

den Gewahrseins‘ (Rigpa Rangshar

Chenpöi Gyü) und andere Tantras.

Der siebente Meister

Als die durchschnittliche Le-

benserwartung zehntausend Jah-

re betrug, lehrte der Meister

Drangsong Tröpä Gyal po, wel-

cher den Sohn von Garuda in sei-

nen beiden Händen hielt, in der

Höhle des Rulu-Tons im Land der

Rakshas [Dämonen] zehn Mil-

lionen Rakshas die zehn Tantras,

mithilfe derer [die Ne gativität] un-

terworfen wird.

Der achte Meister

Als die durchschnittliche Län-

ge des Lebens fünftausend Jahre

betrug, übertrug der Arhat Serö

Dampa zahllosen Shravakas auf

dem Geier-Hügel zehntausende

[von Lehren über] den Vinaya.

Der neunte Meister

Als die durchschnittliche Le-

bensspanne eintausend Jahre be-

trug, lehrte der Meister Tsewä

Rolpä Lodrö im Land Sogpo Yü-

min Machän zahllose Bodhisatt-

vas die sieben besonderen Tantras.

Der zehnte Meister

Als die durchschnittliche Le-

benserwartung fünfhundert Jahre

betrug, lehrte der Meister Ösung

Dregpo auf dem Geier-Hügel sie-

ben Schülern – unter ihnen Kar-

ma Ösang – die achtzigtausend

Lehren betreffend der mündlichen

Übertragung (Lung) des Anuyoga.

Der elfte Meister

Als die durchschnittliche Länge

des Lebens dreihundert Jahre be-

trug, lehrte der Meister Ngöndzog

Gyalpo am Vajra-Sitz [in Bodhga-

ya] die ,Beschützer der drei Fami-

lien‘ einzig die tiefe innere Bedeu-

tung [über die wahre Natur des

Geistes].

Der zwölfte Meister

Als die durchschnittliche Le-

benserwartung einhundert Jahre

betrug, lehrte der Meister Shakya-

muni in Varanasi und an anderen

Plätzen die verschiedenen stufen-

weisen Fahrzeuge.

Aus:

Chögyal Namkhai Norbu

Die Halskette aus Si-Steinen

In: »Zwei Aufsätze zur Geschichte

und Kultur Tibets«

Aus dem Tibetischen ins Italienische

übersetzt und herausgegeben von

Adriano Clemente

IPC Lektorat: Matthias Winter & Ja-

kob Winkler

Tashi-Verlag, Elmshorn 2004

Monica Wittib

Chögyal Namkhai Norbu

Zwei Aufsätze zur Geschichte

und Kultur Tibets

Tashi Verlag – Verlag für Buddhisti-

sche Literatur

128 Seiten, Elmshorn 2004

Bei den zwei Aufsätzen »Eine

Halskette aus Si-Steinen« und

»Der Ursprung der tibetischen

Kultur und des tibetischen Den-

kens« handelt es sich um überar-

beitete Niederschriften von Vor-

trägen gehalten 1975 und 1986, in

denen es Chögyal Namkhai Norbu

darum geht, ein tieferes Verständ-

nis für die tibetische Kultur, Ge-

schichte und Schrift zu wecken.

Si-Steine werden als kostbar er-

achtet und in den Familien von ei-

ner Generation zur anderen weiter-

gegeben. Es handelt sich dabei um

Achate, die mit alkalischen Sub-

stanzen bestrichen worden sind,

um danach hohen Temperaturen

ausgesetzt zu werden, wodurch die

bestrichenen Teile weiß werden.

Die Technik geht viertausend Jah-

re zurück und war bis vor ein paar

Jahren verloren. So kostbar wie

eine Halskette aus Si-Steinen soll-

te den Tibetern ihr Wissen um die

Ursprünge ihrer Kultur sein.

Zu den zwölf ursprünglichen Meistern

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21

Dzogchen Brief 48/49 August 2005

Selbst wenn für die Tibeter In-

dien ein heiliges Land ist, da dort

Buddha Shakyamuni geboren wur-

de und sich von dort aus der Bud-

dhismus ausbreitete, heißt das

nicht, dass Indien der alleinige Ur-

sprung der tibetischen Schrift und

Kultur ist, was Rinpoche in einigen

Beispielen zu beweisen sucht.

Es stimmt also nicht, erstens,

dass Songtsän Gampo der erste ti-

betische König war und dass un-

ter ihm die tibetische Schrift ent-

stand (640 n. Chr.). Vielmehr gab

es vor ihm 32 Könige und er ließ

zwar die Schrift dem Indischen an-

gleichen, doch es bestand im Kö-

nigreich Shang Shung eine viel

ältere Schrift, die sogenannte Mar-

Schrift.

»Heutzutage bezeichnet der

Terminus Shang Shung vor allem

die verschiedenen Regionen von

Ngari (ein Gebiet in Westtibet), in dessen

Zentrum Guge und Khyung Lung

liegen. Im Altertum, also während

der Regentschaft von Triwer Sergyi

Charuchän und anderer Könige war

Shang Shung jedoch in drei Zonen

unterteilt: Das äußere Go (go), das

innere Phug (phug) und das zentrale

Bar (bar) Shang Shung. In dieser Zeit

umschloss das innere Shang Shung

den Westteil von Ngari und einige

nach Westen hin daran angrenzen-

de Gebiete, die heute zu Pakistan,

Afghanistan, dem Iran sowie den

Republiken Usbekistan, Tadschi-

kistan usw. gehören. Die gegenwär-

tige Region von Ngari einschließ-

lich Ladakh war als Zentral-Shang

Shung bekannt. Die Territorien

von Ü-Tsang, Amdo und Kham da-

gegen bildeten das äußere Shang-

Shung.« (S. 37)

Die Orientierung nach Indien

kann zu falschen Schlüssen über

den Ursprung der Tibeter führen,

denn der Schlüssel liege in den

Schriften und Riten der Bönpos.

Der Bön existierte bereits, bevor es

ein Königreich Tibet gab. Die Bön-

Religion wurde lange Zeit gering

geschätzt, obwohl sie schon immer

in Tibet praktiziert wurde, und erst

Chögyal Namkhai Norbu hat be-

gonnen, die alten Schriften zu stu-

dieren und zu deuten.

Der zweite Aufsatz beschäftigt

sich eben mit der Kultur und Re-

ligion, den Aufzeichnungen der

Bön im Königreich Shang Shung

und wie diese Traditionen in Tibet

weiterwirkten. Auch fi ndet Chög-

yal Namkhai Norbu Ähnlichkeiten

zwischen den Riten der Indianer

Nordamerikas und denen der Bön-

pos, die seiner Meinung nach noch

mehr erforscht gehörten.

Chögyal Namkhai Norbu wurde

am 5.Dezember 1938 in einem klei-

nen Dorf in Derge, Kham in Ost-

tibet geboren und bald als Wieder-

geburt des großen Meisters Adzom

Drugpa und des bhutanesischen

Chögyals Shabdrung Rinpoche er-

kannt, worauf er schon in frühester

Kindheit eine umfassende Erzie-

hung und Einführung in die Her-

zessenzlehren des Dzogchen bekam

auch unter Anleitung von zwei sei-

ner Onkel.

Es ist ihm ein großes Anliegen,

dass die Sprache, Kultur und Re-

ligion der Tibeter möglichst vie-

len Leuten gelehrt werden, bevor

die großen Lamas und Lehrer, die

noch in Tibet geboren wurden,

sterben.

Deshalb wurde auch das Shang-

Shung Institut gegründet, das sich

in vielen Projekten, u.a. dem Über-

setzungsprojekt Ka-Ter, mit der

Tradierung der tibetischen Kultur

beschäftigt.

Zum Abschluss des Büchleins

schreibt der Autor: »… Niemand

muss Tibetisch lernen oder zum

Tibeter werden, um sich dieses Wis-

sen anzueignen; denn jeder, der die

ungeheuer bedeutsamen Lehren,

wie sie durch die tibetische Kul-

tur übermittelt werden, wertschätzt

und sich zu eigen macht, kann die-

se Lehren ohne Schwierigkeiten

in seine eigene kulturelle und in-

dividuelle Identität integrieren!«

(S. 105/106)

Chögyal Namkhai Norbu

Zwei Aufsätze zur Geschichte und

Kultur Tibets

Paperback (15x22 cm) vierfarbig

128 Seiten auf Chamois-Papier

ISBN: 3-9806802-8-2

Tashi Verlag für Buddhistische

Literatur

18 Euro

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Chögyal Namkhai Norbu

Die Praxis der GanapujaTextauswahl: Margarita Eidemüller-Jucknat

Entnommen aus der Publikation »Die Praxis der Gana-

puja«, Oddiyana Shang Shung Edition, 2002

Somit ist die Ganapuja auch eine der besten Metho-

den, um Verdienst anzusammeln und negatives Karma

zu reinigen. Alle, die eine bestimmte Wirkung erzie-

len wollen, müssen zunächst eine entsprechende Ur-

sache schaffen, denn ohne Ursache gibt es auch kei-

ne Wirkung. Benötigen wir zum Beispiel einerseits

Hilfe, haben aber andererseits nicht die entsprechen-

den Ursachen dazu angesammelt, so können uns die

Schützer der Lehren auch nicht helfen. Die Praxis der

Ganapuja ist eine der besten Möglichkeiten, positive

Ursachen zu schaffen.

Wir nennen die Ganapuja auf Tibetisch Thuntsog.

Thun bedeutet eine Übungseinheit für eine begrenz-

te Zeit. Tsog bedeutet »Ansammlung (von Verdienst)«

durch gute Handlungen. Ganapuja bedeutet die An-

sammlung (Gana) durch Opfergaben (Puja). Im Zu-

sammenhang mit tantrischen Praktiken spricht man

auch von Ganachakra. Chakra bedeutet »Rad«; das

Rad, das Gut und Böse vereint, in dem alle Dinge

den gleichen Geschmack haben. Man kann das Dar-

bringen von Opfergaben auf unterschiedliche Weise

betrachten. Normalerweise sehen wir das Darbrin-

gen von Opfergaben als etwas Äußeres an, bei dem

ein Gegenstand einer anderen Person angeboten wird.

Aber für einen Praktizierenden, der schon ein be-

stimmtes Wissen hat, bedeutet Opfergabe, sich in ei-

nem Zustand der Integration zu befi nden.

Für diejenigen, die diese Fähigkeit nicht besitzen,

bedeutet das Darbringen von Opfergaben ein Ansam-

Ein Praktizierender, der sich nicht im Zustand der Integration befi ndet, hält Konzepte von gut und böse,

von Subjekt und Objekt, Samsara und Nirvana, von erleuchteten Wesen und normalen, die sich im Leiden

von Samsara befi nden, aufrecht. In dieser dualistischen Situation ermöglicht das Darbringen von Opfergaben

an erleuchtete Wesen, deren Ermächtigung und Weisheit zu empfangen sowie Verdienst anzusammeln und

durch die Ansammlung von Verdienst werden auch jegliche Hindernisse gereinigt und es wird Klarheit entwi-

ckelt.

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Dzogchen Brief 48/49 August 2005

23meln guter Taten. Damit entsteht die Möglichkeit,

Weisheit zu erlangen.

Die Ganapuja, die wir normalerweise machen, ist

bloß ein Symbol des Ganachakra. Im Allgemeinen fi n-

den wir in der Ganapuja Mantras mit dem Wort Ga-

nachakra, welches wir uns einfach nur vorstellen. Um

wirklich ein Ganachakra zu machen, muss man zu der

Dimension der Dakas und Dakinis gehören, in der es

keine Begrenzung der Gaben gibt, die man verwen-

det. Wenn wir zum Beispiel von Fleisch als Opferga-

be sprechen, denken wir an ein Kalbssteak und nicht

an ein Steak aus Menschenfl eisch und dies stellt eine

Begrenzung dar. Daher verwenden wir das Symbol

der Ganapuja, um zu verstehen, was es heißt, Grenzen

zu überschreiten. Wenn wir aus einer Schädelschale

essen, einem sogenannten Kapala, oder wenn wir die

Trommel schlagen, die aus zwei Kapalas hergestellt

wird, dann benutzen wir Symbole, die dazu dienen,

uns auf die Ebene von Ganachakra zu bringen, bezie-

hungsweise die uns über unsere Begrenzungen hin-

ausführen sollen. Falls wir an einer echten Ganapuja

mit Hunderttausenden von Dakinis teilnehmen wür-

den, dann würden wir ein echtes Ganachakra machen.

In diesem Zusammenhang bedeutet Chakra et-

was Ähnliches wie Mandala und repräsentiert totalen

Genuss ohne Begrenzung. Auf einer relativen Ebene

ist dies nicht möglich. Wenn wir gute Praktizierende

sind, können wir andere Dimensionen durch Visionen,

Träume und dank unserer Befähigung erfahren, aber

in dieser begrenzten Welt können wir kein Ganachak-

ra ausführen. Die Ganapuja, die wir regelmäßig ma-

chen, und bei der wir leckeres Essen und wohlschme-

ckende Getränke für die äußeren und inneren Opfer

verwenden, ist ein Symbol von Ganachakra.

Eine der wichtigsten Erfahrungen ist die Empfi n-

dung des Genießens als Bestandteil des Ganachakra.

Da aber in unserer Dimension keine Möglichkeit be-

steht, Genuss ohne Begrenzungen zu erfahren, versu-

chen wir bei einer Ganapuja, uns dies zumindest vorzu-

stellen sowie in diese Dimension einzutreten. Jedoch

könnten wir nur in einem Traum oder einer Vision die

Genüsse eines Ganachakra entdecken.

In der Ganapuja sind Fleisch und Wein unerläss-

lich, sei es nur in kleinen Mengen, zumindest ein biss-

chen ist nötig, da Fleisch und Alkohol als Objekte des

Samaya betrachtet werden.

Hinsichtlich der Dzogchen Lehren ist das zugrun-

deliegende Prinzip Bewusstheit; nicht das Einhalten

von Regeln oder Begrenzungen. Als Praktizierender

trinke ich unter Umständen keinen Wein, weil ich

vielleicht keinen Wein mag oder weil ich bewusst bin.

Aber falls mir jemand einen Schluck Wein anbietet,

kann ich das akzeptieren und trinken, da ich nicht an

Gelübde gebunden bin wie ein Mönch. Ich habe also

keinesfalls Angst vor Wein, weil Wein keine Macht

über mich hat und ich derjenige bin, der entscheidet.

Dies ist die Bedeutung von Bewusstheit. Wenn daher

in der Ganapuja keine Begrenzungen auferlegt wer-

den, so bedeutet das zu lernen, bewusst zu sein. Ge-

setze sind nur für diejenigen da, die keine Fähigkeit

haben, sich selbst zu kontrollieren.

Auch im Tantra werden Regeln und Begrenzungen

überschritten: Tatsächlich sieht man im Überschrei-

ten der Regeln ihren wahren Sinn. Ein Praktizieren-

der des Tantra verfügt über ein gewisses Wissen von

Energie und als Konsequenz daraus auch die Fähig-

keit zur Selbstkontrolle, aber selbst diejenigen, welche

sie nicht besitzen, können dies lernen und entwickeln

und werden auf diese Weise nicht mehr von äußeren

Faktoren bestimmt. Begrenzungen zu überschreiten

heißt nicht, ohne jegliche Kontrolle alles zu tun [was

einem einfällt]. Das ist Verwirrung und Mangel an

Selbstkontrolle: Verwechselt die beiden nicht. Wenn

es im Tantra heißt: »Nichts muss vermieden werden,

alles kann transformiert werden«, dann bedeutet dies

nicht, dass man alles tun kann.

Im Hevajratantra steht: »Derjenige, der Mitgefühl

besitzt, isst Fleisch; und Alkohol trinkt der, welcher

den Samaya hält«. Das gilt jedoch nicht für jemanden,

der Fleisch ohne Gewahrsein oder mit Gleichgültig-

keit isst, oder der urteilt, ob es gut oder schlecht ist.

In diesem Fall würde das Fleischessen eine negative

Handlung sein, denn es würde mit Sicherheit ande-

ren Wesen Leid zufügen. Es ist besser kein Fleisch

zu essen, als es ohne Gewahrsein zu essen, wie es in

den Sutra Lehren des Buddhismus erklärt wird. Wer

aber Mitgefühl hat und Fleisch isst, erzeugt eine po-

sitive Ursache für das Tier, das verzehrt wurde, zum

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Nutzen des Tieres. Dank des Praktizierenden, der das

Tier gegessen hat, vermag das Tier eines Tages auf

den Pfad der Weisheit zu gelangen und somit wird

sein Umherirren in den niederen Bereichen sicher en-

den. Ein derartiger Verzehr von Fleisch stellt einen

direkten Kontakt zwischen dem Praktizierenden und

dem betreffenden Wesen her; durch Verwendung von

Mantras und Visualisationen kann dieser Kontakt sehr

effektiv sein.

Jemand, der am Pfad interessiert ist, befi ndet sich

gewissermaßen schon auf dem Pfad und wenn er auf

dem Pfad ist, wird er früher oder später an sein Ziel

gelangen. Selbst wenn er viele negative Taten begeht,

ist sein Ziel vorhanden und sofern das Ziel darin be-

steht, den Pfad zu verwirklichen, ist zugleich auch

unbegrenzt Weisheit vorhanden. Wem nützt diese im

Praktizierenden angelegte Weisheit? All denjenigen,

die sowohl gute als auch eher schlechte Beziehun-

gen zum Praktizierenden entwickelt haben. Genauso

kann man behaupten, begünstigt zu sein, wenn man

eine Beziehung, sei sie nun gut oder schlecht, zu ei-

nem erleuchteten Wesen hat, denn durch die Weisheit,

die man dadurch empfangen kann, kann sie sich all-

mählich entwickeln, und am Ende gelangt man auf

den Pfad.

Wenn man Fleisch mit Gewahrsein isst, wie wäh-

rend einer Ganapuja, wird eine bestimmte, präzise Vo-

raussetzung für die Befreiung des Wesens geschaffen,

dessen Fleisch wir verzehren. Deswegen kann man

sagen, dass es für einen Praktizierenden mit Gewahr-

sein besser ist Fleisch zu essen, als kein Fleisch zu es-

sen.

Wenn ich Fleisch esse, weiß ich ganz genau, dass

ein Tier getötet worden ist und gelitten hat, daher ist

es dann am besten, mit Gewahrsein zu essen und nicht

in völliger geistiger Abwesenheit. Ein ernsthaft Prak-

tizierender, der Erfahrung mit Kontemplation hat, der

Fleisch mit Gewahrsein isst und auf diese Weise sich

auch nur einen Augenblick lang im Zustand von Ver-

bundenheit mit diesem Tier befi ndet, kann eine aus-

gezeichnete Voraussetzung zur Befreiung dieses ar-

men Tieres schaffen. Diejenigen, die diese Fähigkeit

nicht besitzen, können durch Bewusstheit zumindest

eine gute Voraussetzung schaffen, indem sie die Kraft

von Mantras nutzen. Dies sollte man jedoch stets tun,

nicht nur während einer Ganapuja. Wenn (aber) kein

Gewahrsein vorhanden ist, sondern bloß Mitgefühl,

dann ist es kein echtes Mitgefühl.

Für das Trinken gilt dasselbe: Mit Achtsamkeit

und Gewahrsein zu trinken, kann dem Praktizie-

renden helfen. In der Biographie von Milarepa wird

erzählt, dass er, während er im Retreat im Gebirge

war, nur Brennnesseln aß, doch eines Tages bot ihm

jemand ein Kapala mit tibetischem Wein oder Chang

an. Als er den Chang aus dem Kapala getrunken hatte,

dichtete Milarepa ein sogenanntes Lied der Verwirk-

lichung, in welchem er den Fortschritt seiner Praxis

aufgrund besonderer Erfahrungen besang. Dies zeigt,

dass trinken mit Achtsamkeit eher positiv und gar

nicht so schlecht ist.

In unserem täglichen Leben trinken wir nicht nur

Alkohol; es gibt viele Arten von Speisen und Geträn-

ken. Wenn wir wissen, wie wir sie sinnvoll für unsere

Gesundheit nutzen können, so kann man großen Nut-

zen für unseren Körper daraus ziehen. Aber was ge-

schieht, wenn wir zum Beispiel unachtsam trinken?

Wenn jemand, nachdem er Alkohol getrunken hat,

längs hinfällt und dann immer noch darauf beharrt,

sein Geist wäre völlig klar, so macht dies keinen Sinn.

Gewahr sein heißt, sich seiner eigenen Existenz be-

wusst zu sein, nicht zu übertreiben, nicht über seine

eigenen Bedingungen hinauszugehen sowie seine ei-

genen Grenzen und Fähigkeiten zu kennen.

Samayas zu wahren bedeutet, achtsam zu sein und

seine eigenen Fähigkeiten zu kennen.

Wenn wir daher Fleisch essen, lasst uns zumindest

versuchen, günstige Voraussetzungen für das arme

Tier zu schaffen. Eine Ganapuja zu machen, bedeutet

genau dies zu tun. Alles was wir in unserem alltägli-

chen Leben essen oder trinken, könnte daher zu ei-

ner Ganapuja werden: Die Ganapuja könnte sich jeden

Tag fortsetzen. Wir essen und trinken mindesten zwei

oder drei Mal täglich. Mit Gewahrsein zu essen und

zu trinken kann uns helfen und viele Vorteile brin-

gen.

Im Tantra ist das Prinzip des Darbringens von

Opfergaben, alle dualistischen Vorstellungen der Art

Die Praxis der Ganapuja

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Dzogchen Brief 48/49 August 2005

25»man kann dieses tun, jenes aber nicht« zu durchbre-

chen. In einem einzigen Augenblick werden all das,

all diese Gedanken und Gewohnheiten ausgeschaltet.

Wären wir tatsächlich dazu fähig, dann würden wir

von Ganachakra sprechen, doch wenn man das Symbol

des inneren Mantras verwendet, um sich in der Vor-

stellung des Opfers zu üben, dann sprechen wir von

Ganapuja. Wenn wir die inneren Opfergaben darbrin-

gen, müssen wir das Prinzip verwirklichen, in einer

reinen Dimension zu verweilen und diese reine Sicht-

weise mit Hilfe des Opfers zu verinnerlichen. Selbst

wenn wir in unserem täglichen Leben die volle Inte-

gration nicht vergegenwärtigen können, sollten wir

zumindest in der Ganapuja versuchen, dies zu tun.

Was Dzogchen betrifft, so ist ein wahrer Praktizie-

render immer im Zustand der Integration, aber wenn

wir in dieser Gesellschaft leben, können wir nicht al-

les tun, was wir wollen, es sei denn, wir hätten eine

derartige Befähigung zur Erleuchtung, dass wir da-

durch keine Probleme schaffen.

Ihr seht, in unserer Situation können wir nicht

über unsere Begrenzungen hinausgehen. Aber wir

können visualisieren und Mantras benutzen.

Die Praxis der Ganapuja

Oddiyana Shang Shung

Edition 2002

Reihe der Dzogchen Praxis

D 713-11

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Karin Heinemann

Vision von einem

Vajra-Tanz-Retreat

Teilweise korrigiert von Marie Krupp

Abb.: Einweihung des Mandalas, das

unser Universum repräsentiert

Photo: Karin Heinemann

...von einem, ach was, von vielen

Retreats, die wir machen können. Ei-

gentlich ist es jederzeit möglich, dass

sich mehrere Praktizierende absprechen,

einen Raum anmieten und ein Retreat

durchführen. Gut, der Raum sollte eine

freie Fläche ohne Säulen von mindes-

tens neun auf neun Meter haben. Ja,

es muss nicht einmal ein geschlossener

Raum sein. Bei gutem Wetter könnte ich

mir auch vorstellen unter freiem Himmel

zu tanzen, wenn die Musik niemanden

stört. Zum Beispiel im geschlossenen

großen Hof des Anwesens von Veruschka

und Gerd Manusch in Aham/Niederbay-

ern. Oder, wenn dieses Projekt realisiert

ist im Retreathaus für den Vajra-Tanz

im Garten des Seminarhauses von Ulri-

ke und Hans J. Vogel in Höfen/Franken.

Es könnte auch anderswo sein – welch

kühner Gedanke – im eigenen Retreat-

zentrum der Dzogchen Gemeinschaft

Deutschland. Wir treffen uns dort und

praktizieren während mehrerer Tage zu-

sammen einen oder mehrere Thuns (Me-

ditationen) täglich.

Das Mandala wird auf dem Boden

ausgebreitet und mit Klebeband auf dem

Boden fi xiert. In sein Zentrum kommt

eine brennende Kerze. Die Praktizieren-

den setzen sich im Mandala in die Drei-

ecke. Das sind die Plätze, auf denen im

Mandala Meditationen im Sitzen ausge-

führt werden. Beginnen wir ein Retreat

empfi ehlt es sich mit den Schützern in

Verbindung zutreten, zum Beispiel durch

die Praxis eines Kurzen Thuns »Thun

Dus«.

Ein Thun im allgemeinen ist eine zu-

sammenhängende Meditation, die aus

verschiedenen kombinierten Teilen ein-

schließlich der Tanzpraxis selbst beste-

hen kann. Zu Beginn eines Thuns rich-

ten wir uns aus, auf das was uns hilft.

Wir achten auf unsere Motivation. Die

Dzogchenpraxis kennt sehr essenzielle

Formen für Zufl uchtnahme und Bodhi-

citta-Versprechen. Je nachdem welche

Praxisteile folgen, wählen wir eine länge-

re oder kürzere Form. Beendet wird das

Thun mit einer Widmung. Die Gruppe

der Praktizierenden hat vorher abgespro-

chen, welche Übungen gemacht werden.

Einer oder eine aus der Mitte der Prak-

tizierenden wird gebeten das Thun an-

zuleiten.

Guruyoga ist die wichtigste Dzog-

chenpraxis. Alle anderen Übungen, auch

der Vajra-Tanz, sind sekundär. Deshalb

beginnen wir ein Thun oft mit einer

Form von Guruyoga.

Ein Vajra-Tanz-Retreat setzt sich aus

vielen solcher Thuns zusammen. Je nach-

dem was alles praktiziert wird, kann ein

Thun eine Stunde oder zwei Stunden

lang sein. Es bietet sich an, ein Thun am

Vormittag, eines am Nachmittag und ei-

nes am Abend anzusetzen. Dazu gibt es

Vorschläge, welche Meditationen und in

welcher Reihenfolge sie für ein längeres

Praxisretreat mit dem Vajra-Tanz zusam-

mengestellt werden können. Grundsätz-

lich kann man den Vajra-Tanz mit jeder

anderen Praxis kombinieren. Gemeinsa-

Vajratanz

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Dzogchen Brief 48/49 August 2005

me Praktiken machen wir in der Gruppe.

Individuelle Praxis übt jeder für sich. Ich

habe gehört, die Vajra-Tanz-Praxis für

sich allein sei ein vollständiger Praxisweg

zur Realisation. Entsprechend der jewei-

ligen Situation kombinieren wir diese

Praxis parallel mit anderen Meditatio-

nen, die wir kennen und üben möchten.

So könnte zum Beispiel während ei-

nes Retreats mit dem »Vajra-Tanz zur

Befreiung der sechs Lokas« eine andere

Meditation uns mehr vertraut machen

mit den Ursachen des Leidens in Samsa-

ra. Andere Meditationen lassen uns Ge-

wissheit erlangen, dass für jedes Wesen

Selbstbefreiung in jedem Augenblick

möglich ist. Eine Tara-Meditation oder

eine Avalokiteshvara-Meditation können

Teil eines Thuns sein. Auf jeden Fall wer-

den die Teilnehmer, wenn es denn meh-

rere sind, sich vorher dazu absprechen,

wann was gemacht wird, um durch ei-

nen Stundenplan und eine Praxisabfolge

eine Struktur zu fi nden, mit der jeder

zurecht kommen kann.

So, wie ich es verstanden habe,

kennt Dogchen keine starren Regeln, wie

das Sutra, vielmehr sind wir achtsam für

die Umstände der jeweiligen Situation.

Das erfordert Offenheit.

Vielleicht gewinnt man zunächst den

Eindruck, der Vajra-Tanz und noch mehr

ein Retreat, sei etwas reglementiertes,

wo vieles zu beachten ist, Schrittfol-

gen, Praxisabfolgen usw. Nun, bei einem

Retreat bei dem mehrere Menschen zu-

sammen sind, entsteht schnell das Be-

dürfnis nach Regeln. Genauso wie sonst

auch in der Gesellschaft bei gemeinsa-

men Unternehmungen. Wir haben ein

feines soziales Gespür dafür entwickelt,

wann jemand »aus der Reihe tanzt« und

sind gewöhnlich versucht, das zu beur-

teilen, ja sogar zu verurteilen. Wir alle

haben unsere Begrenzungen. Bei dieser

Praxis können wir sie entdecken und

uns von ihnen befreien. Auch unse-

re Motorik richtet sich oft genug nach

überholten Bewegungsmustern, die zu

Schmerzen führen. Mit Achtsamkeit ent-

decken wir bei dieser Praxis sehr vieles

über uns selbst. Diese Achtsamkeit be-

wusst im Retreat aufrecht zu halten,

macht es leichter auch im Alltag achtsa-

mer zu sein. Alles was uns in einem Re-

treat durch Achtsamkeit bewusst wird,

auch was wir, weil wir es uns bewusst

gemacht haben, loslassen, erleichtert es

uns zu entspannen. Haben wir weniger

Spannungen, verringert sich unser Be-

dürfnis uns durch Einschränkungen zu

schützen. Wenn wir achtsam sind, wis-

sen wir, was zu tun ist, wenn wir abge-

lenkt sind und werden aktiv. Dann ist es

nicht so wichtig eine geschützte, streng

reglementierte Retreatsituation aufzu-

bauen, wie etwa im Tantra.

Um an einem Praxisretreat mit dem

Vajra-Tanz teilnehmen zu können, muss

man nicht alle Tänze können. Kennt

man einen Tanz, genügt das. Es bietet

sich an, nach einem Kurs, in dem man

gerade einen Tanz gelernt hat, sich ein

wenig Zeit zu nehmen für ein Praxis-

retreat. Man wird so das eben Gelernte

gleich anwenden können, ohne schon

etwas vergessen zu haben. Kennt man

die Schritte und Bewegungen besser,

entspannt man leichter und ist offener

für Praxiserfahrungen.

Mit meinen Vajra-Schwestern und

Vajra-Brüdern habe ich schon Praxisre-

treats mit dem Vajra-Tanz gemacht. In

Düsseldorf, in Frankreich, in der Schweiz

und einmal, organisiert vom deutschen

Gakyil, sind wir als Gruppe nach Merigar

gefahren: Im Winter zusammen in einem

Bus, um dort für eine Woche zu prak-

tizieren. Ich bin mir darüber im Klaren,

wie kostbar diese Praxiszeiten waren.

Es ist schade, denn noch nie hatten

wir Gelegenheit in Deutschland nach ei-

nem Kurs intensiv weiterzutanzen. In

großen Städten treffen sich Tänzerin-

nen und Tänzer allerdings regelmäßig

zu wöchentlichen Praxistreffen. Auch

im Ausland musste ich nach einem Kurs

meistens sofort abreisen. Immer waren

Kursteilnehmer inspiriert und haben sich

vorgenommen, Praxistreffen zu organi-

sieren, doch nur selten konnten wir die-

sen Wunsch umsetzen.

Mit Ganapujas während, oder am

Ende des Retreats kommen wir ins Rei-

ne mit allen Wesen und feiern. Die Teil-

nehmer sitzen dann nicht nur um das

Mandala im Kreis und singen das Vajra-

Lied, sondern tanzen es auch. Möchten

mehr als zwölf Teilnehmer tanzen, wird

es mehrere Wiederholungen geben mit

wechselnden Tänzern/innen. Denn heißt

es nicht im Praxistext von Mandarava:

»Dann singe und tanze das Vajra-Lied«?

Ich wünsche mir Retreats mit dem

Vajra-Tanz zusammen mit anderen

durchzuführen. Meine Vision davon ist

da. Ganz mühelos könnte es sein. Wir

tun es einfach.

Kontaktadressen der Praxisgruppen

unter www.dzogchen.de

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Mandala-Pavillon für den

Vajra-Tanz in Höfen

Interview mit Hans J. Vogel in

Höfen, April 2005

Fragen von Karin Heinemann

Abb.: Entwurf Tanz-Pavillon

Das Seminarhaus in Höfen/Mit-

telfranken hat vielen Veranstaltun-

gen Raum und Rahmen gegeben, die

unsere Gemeinschaft in den letzten

zwölf Jahren organisiert hat, mit Se-

minarleitern aus dem Ausland, wie

Lopön Tenzin Namdak, Ontrul Rin-

poche, Tenzin Wangyal Rinpoche,

Jim Valby, Laura Evangelisti, Fabio

Andrico, Oliver Leick und deutschen

Seminarleitern/innen. Dort fi ndet

re gelmäßig einmal im Monat eine

Ver anstaltung der Gemeinschaft

statt, auch die alljährliche Mitglie-

derversammlung. Mitglieder führen

dort Einzel-Retreats durch, auch so-

genannte Dunkel-Retreats in einem

Raum ohne Licht. Hans Joachim und

Ulrike Vogel wohnen im gleichen Ge-

bäude mit ihren Kindern. Hans ist

immer da und kümmert sich um die

Gäste. Als sehr aktives Mitglied der

Gemeinschaft nimmt Hans teil am

Santi Maha Sangha Studienprogamm,

beim Yantra Yoga und allen anderen

Praktiken. Das Archiv der Gemein-

schaft, Bücher, Schriften, Tonträger

und der größte Teil unseres Buchde-

pots für den Verkauf sind in seinem

Haus untergebracht. Kommt man in

den Versammlungsraum im zweiten

Stock des Hauses an, begrüßt einen

eine große, schöne Statue von Guru

Rinpoche Pema Törtrensel, die unser

Lehrer Chögyal Namkhai Norbu der

deutschen Gemeinschaft vor vielen

Jahren anvertraut hat.

Hans, dein Plan ist der Bau des ersten

Retreat Hauses für den Vajra-Tanz in

Deutschland.

Warum hast du dir dieses Projekt zur

Aufgabe gemacht?

Das ist so eine ähnliche Vision, wie da-

mals als ich Anfang der 90er Jahre eine

Möglichkeit für Dunkel-Retreat schaffen

wollte. Seit es diesen Raum tatsächlich

gibt, wird er oft von Praktizierenden be-

nutzt.

Meine erste Begegnung mit dem Vajra-

Tanz in Merigar war sehr tief. Diese Pra-

xis wurde mir wichtig und ich erkannte,

dass uns Rinpoche mit diesem Terma ein

besonderes Geschenk gemacht hat. Bis-

her muss für die Praxis in Deutschland

immer ein Raum angemietet werden,

was nicht immer leicht ist und meistens

auch mit erheblichen Kosten verbunden

ist. Auch wenn hier in Höfen im Semi-

narhaus Treffen der Dzogchen Gemein-

schaft stattfanden, wurde immer wie-

der gewünscht diese Praxis zusammen

zu praktizieren. Deshalb ist in mir der

Wunsch gereift auf meinem Grund und

Boden dafür einen Platz zu schaffen.

Das Anwesen in Höfen/Mittelfranken

gehört dir und deiner Frau Ulrike?

Ja.

Wie steht es um dieses Projekt?

Im Januar 2005 wurde der Bauplan für

das Gebäude behördlich genehmigt. Der

Antrag zu dieser Genehmigung wurde

im Jahr 2004 zusammen mit dem Archi-

tekten Dieter Stuggenberg gestellt. Das

war die Initialzündung. An dieser Stel-

le möchte ich Dieter nochmals herzlich

Dank sagen für seine erste Entwurfs-

zeichnung. Inzwischen hat ein orts-

kundiger Architekt, der auch schon im

Hause Renovierungsarbeiten ausgeführt

hat, sich angeboten, das Projekt weiter

zu betreuen. Zur Zeit werden von ihm

noch detaillierte Konstruktionspläne für

die jeweiligen Bauabschnitte entworfen.

Ich denke, dass ich im Sommer 2005 mit

den ersten Erd- und Betonierungsarbei-

ten anfangen kann. Um die Kosten zu

verringern werde ich sehr viel Eigenleis-

tung einbringen.

Da es in diesem Haus keinen Platz

gibt, wo man ein Mandala ausbreiten

könnte, sah ich die Notwendigkeit für

ein neues, einfaches Gebäude im Pa-

villonstil. Dieser Mandala-Raum ist ein

Achteck mit elf Meter Durchmesser. Das

Dach tragen acht hölzerne Außenstre-

ben, verbunden mit stählernen Spann-

seilen. Natürlich soll dieser Raum zu je-

der Jahreszeit benutzt werden können.

Deswegen werde ich Fenster und Hei-

zung in der Planung berücksichtigen.

Auch ein kleiner Anbau für Dusche und

Toilette ist geplant.

Das heißt, man kann dort auch Einzel-

Retreats machen?

Ja, es gäbe dann einen zusätzlichen gro-

ßen Raum für Yantrayoga- oder andere

Retreats, wenn der Versammlungsraum

im Haupthaus schon vergeben ist.

Wie steht es um die Finanzierung? So-

viel ich weiß hat der Architekt etwa

30.000–40.000,- Euro für den schlüs-

selfertigen Bau veranschlagt? Du hast

nur etwa ein Drittel dieses Betrags be-

reitstehend und würdest deshalb den

Bau bis zum Herbst auch nur soweit

ausführen können, dass er unbeschadet

über den Winter kommt.

Auf jeden Fall werde ich im Sommer an-

fangen. Ich hoffe, dass ich sogar noch

ein einfaches Dach über das Betonfunda-

ment, die Isolierschicht und den Boden

fertig stellen kann, damit die Plattform

Vajratanz

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(Wohnhaus)

Ostansicht

29

Dzogchen Brief 48/49 August 2005

auch bei Regen benutzt werden kann.

Denn ohne den Schutz eines Daches ist

man in unseren Breiten sonst zu sehr der

Witterung ausgesetzt.

Meine Herangehensweise ist es, das

Pro jekt Schritt für Schritt aus eigenen

Mitteln voranzubringen. Für jede Hilfe

fi nanzieller Art bin ich dankbar. Das wür-

de ohne Zweifel sehr dazu beitragen den

Bau schneller fertigzustellen.

Du wirst viel Eigenarbeit einbringen.

Da wünschst du dir sicher auch prakti-

sche Hilfe von Menschen die zupacken

können?

Auch diese Art von Hilfe ist mir sehr

willkommen.

Bei der Mitgliederversammlung

im April 2005 kamen 4.200,- Euro

Spenden durch eine Versteigerung

zusammen. Versteigert wurden Than-

kas (tibetische Rollbilder), Schmuck,

Kunstgegenstände und Textilien die

Mitglieder für diesen Zweck gespen-

det hatten. Nicht zuletzt viele schöne

Objekte vom Bauherrn selbst.

Vor allem die Praktizierenden des

Vajra-Tanzes in Deutschland freu-

en sich über dieses private Initia-

tive von Hans Vogel. Um den Raum

zu nutzen, können wir Räume bei

Bedarf anmieten oder Benutzer-

rechte erwerben. Allerdings ist und

bleibt Höfen im Besitz und im Eigen-

tum der Familie Vogel und ist damit

kein Platz der internationalen Ge-

meinschaft. Projekte der Dzogchen

Gemeinschaft sind Vereinseigen-

tum. Sie werden erworben und un-

terhalten durch die Energie der Ge-

meinschaft, wie Mitgliederbeiträge,

Spenden und durch Karmayoga. Sie

dienen dem Erhalt und der Entwick-

lung der Dzogchen Lehren und der

Übertragung für zukünftige Genera-

tionen. Die internationale Gemein-

schaft besitzt Gars, Lings und Retre-

atplätze. Diese Zentren und Häuser

stehen mit ihren Einrichtungen, wie

Bibliotheken, Praxis- und Versamm-

lungsräumen, Schlafräumen, Küchen

usw. allen Mitgliedern der internati-

onalen Gemeinschaft zur Verfügung,

die ihrerseits auch für »ihre Häuser«

verantwortlich ist. Es ist immer die

Gemeinschaft selbst, die diejenigen

aus ihrer Mitte bestimmt, die vorrü-

bergehend für einen Platz sorgen. In

Deutschland hat die Gemeinschaft

keinen eigenen Platz. Rinpoche hat

uns wiederholt darauf hingewiesen,

wie wertvoll ein eigener Platz für die

deutsche Gemeinschaft sein würde,

auch wenn es kein großer Platz wäre

– zuletzt in Tsegyalgar/Nord-Ameri-

ka bei einem Gespräch über den Bau

des Mandala-Pavillon für den Vajra-

Tanz in Höfen .

Hans Vogel 09166 - 9953 11

Höfen 12 91460 Baudenbach

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Wir

Als unterstützend für dieses Projekt

wirken Erfahrungen von Mitgliedern,

die kürzlich in Tibet waren und erleben

konnten, wie wenig Möglichkeiten es

dort gibt für Praxis und den Erhalt der

Lehren. Ermutigend sind meine eigenen

Eindrücke aus Tsegyalgar, wo die nord-

amerikanische Dzogchen Gemeinschaft,

die etwa gleich stark an Mitgliedern ist

wie wir, sehr viel manifestieren konnte.

Ähnliches triff auch auf die französische

und englische Gemeinschaft zu. Selbst

in wirtschaftlich weniger prosperieren-

den Ländern wie Polen und Litauen mit

viel jüngeren Gemeinschaften gibt es je-

weils ein eigenes Haus. Sicher, ein Ver-

gleich ist Gedankenspielerei, denn unse-

re Bedingungen hier in Deutschland sind

anderer. Ich verweise auch nur auf ande-

re nationale Gemeinschaften, weil mich

deren Tatkraft beeindruckt hat. Es inte-

ressiert mich, wie diese Gemeinschaften

Auch wenn es noch so klein

ist...!

Rinpoches Vision

Text und Photo von Karin Heine-

mann

Im Mai 2005 hatte ich die Gelegen-

heit mit Rinpoche zu sprechen. Im Auf-

trag der Mitgliederversammlung soll-

te ich ihm von einigen Aktivitäten der

deutschen Gemeinschaft berichten und

ihn um Rat bitten. Im Laufe dieses Ge-

sprächs sagte er zu mir:

»Es wäre von großem Nutzen,

wenn die deutsche Gemeinschaft et-

was eigenes erwerben könnte, auch

wenn es noch so klein ist.«

Dies veranlasst das Gakyil in Zusam-

menarbeit mit Tino Jucknat Finanzie-

rungsmodelle und Objekte auf dem Im-

mobilienmarkt für uns zu prüfen.

Rinpoche hat uns Deutsche und an-

dere nationale Gemeinschaften schon

seit langem darauf hingewiesen, einen

Platz für die Gemeinschaft im eigenen

Land zu schaffen. Dies kann ein Platz

sein wo Mitglieder der Gemeinschaft

einzeln oder gemeinsam praktizieren

können. Vielleicht auch nur ein Ort in

schöner Natur wo man campen kann.

»The smallest piece of land you can buy would be of great value for the German Community«

zu einem Platz kamen, wie sie ihn erhal-

ten und auch wie sich die gemeinsame

Verantwortung und Nutzung auf die Ge-

meinschaften ausgewirkt haben. Mehr

zu diesem Thema ist für kommende Aus-

gaben des Dzogchen Briefs geplant.

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31

Dzogchen Brief 48/49 August 2005

Oddiyana Shang Shung Edition

Ein Dankeschön für einen Wegbereiter

Das Gakyil hat bei der Mitgliederversammlung 2005

eine neue Struktur für die Verlagsarbeit vorgestellt (siehe

auch die Bekanntmachung der neuen Verlagsstruktur in

dieser Ausgabe des Dzogchen Briefes). Bisher war für die

Organisation der Verlagsarbeit ein Verlagsleiter verant-

wortlich. Diese Position hatte seit gut zehn Jahren Gerd

Manusch inne.

Das Gakyil sieht die projektorientierte Teamarbeit

ohne Verlagsleiter als Weiterentwicklung der bisherigen

Verlagsarbeit.

Gerd hat in den Pionierzeiten des Verlages sehr viel

Engagement und Herzblut in dieses Projekt investiert

und dadurch den Grundstein für die heutigen Anforde-

rungen gelegt.

Wir möchten Gerd hierfür im Namen aller Mitglieder

der Dzogchen Gemeinschaft ganz herzlich danken. Wir

verbinden mit diesem Dank unseren Wunsch, seine Kom-

petenz als Projektleiter für Buchprojekte auch weiterhin

einzubringen. Dadurch entstünde mit Sicherheit ein Ge-

winn für die Gemeinschaft.

Im Auftrag der Dzogchen Gemeinschaft und des Ga-

kyils nochmals herzlichen Dank für Deine langjährige

Arbeit und alle guten Wünsche.

Margarita Eidemüller-Jucknat, für das Gakyil

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Alle waren sofort begeistert und

freuten sich über so viel Kreativität

und ich als Neue mit bislang wenig

Aufgaben, wurde ausgeguckt, es zu

schreiben. Darüber wie die Beschlüs-

se gefasst wurden, aber vor allem

darüber, wie ich die Versammlung er-

lebt und empfunden hatte, sollte ich

nun schreiben (oh je, wäre ich doch

nur dagegen gewesen, sprach etwas

in meinem Inneren, das sich aber bei

Tee, Gebäck und fröhlicher Atmos-

phäre schnell wieder beruhigte).

Der Tag davor: Gakyil-Treffen

Es war meine erste mv im April

2005, an der ich teilnahm, obwohl

ich doch schon seit einigen Jahren

Mitglied in der Dzogchen Gemein-

schaft bin. Aber diese mv war et-

was Besonderes für mich; wollte ich

mich doch für das blaue Gakyil zur

Wahl stellen. So reiste ich bereits am

Samstagvormittag in Höfen an, um

auch schon einmal ein Gakyil-Tref-

fen zu erleben.

Als ich ankam, hatte die Sitzung

bereits begonnen, obwohl erst 10:15

Uhr erschienen die Gemüter erhitzt,

manche Gesichter waren leicht gerö-

tet und die Stimmen laut. Ich traute

mich nicht die Anwesenden richtig

zu begrüßen und beließ es bei einem

kurzen »guten Morgen«; mir war, als

befände sich das Gakyil gerade auf

einer Achterbahn und die kleinste

Unebenheit könnte es aus der Bahn

werfen. Später wurde mir dann klar,

warum. Es war das letzte Treffen in

dieser Zusammensetzung und es soll-

ten Beschlüsse gefasst werden, die

sehr gravierende Veränderungen für

einzelne Personen und die Gemein-

schaft insgesamt bedeuteten und das

war für alle ein ganz ganz schwerer

Weg, den sie wirklich gemeinsam ge-

gangen sind, in dem Bewusstsein et-

was für die Gemeinschaft tun zu wol-

len; für mich war keiner dabei, der

sich in diesem Moment inszeniert

hätte. An diesem Tag ist mein Re-

spekt für die Mitglieder dieses Gakyil

sehr gestiegen. Ich werde jetzt keine

Einzelheiten darüber schreiben (die

Beschlüsse werden an späterer Stel-

le beschrieben), ich erwähne es nur,

weil die Ereignisse dieses Tages mei-

ne Stimmung sehr beeinfl usst haben.

Am Ende des Tages fühlte ich mich

nämlich bereits als Teil des Gakyils

und war genauso aufgeregt, gespannt

und nervös wie die anderen und

auch ich fragte mich, ist es wirklich

das Richtige und Nützlichste für die

Gemeinschaft oder ist es ein Fehler,

aber so etwas bestätigt ja immer erst

die Geschichte, einerseits war ich

froh, dass ich nicht mitentscheiden

musste, andererseits hatte ich das

Gefühl mitentschieden zu haben.

Samstag und Sonntag

Die eigentliche mv fi ndet dann

am Sonntagnachmittag statt. Den

ganzen Sonntagvormittag über sind

die Mitglieder des Gakyil und auch

ich immer noch, vielleicht sogar

noch mehr als am Vortag, sehr aufge-

regt. Wir wissen: Es wird eine schwe-

re Versammlung werden. Wie wer-

den die Mitglieder auf die Beschlüsse

und Vorschläge des Gakyil reagieren,

werden sie sie unterstützen und gut-

heißen können oder werden sie sie

empört ablehnen? Beides erscheint

möglich. Eines ist uns allerdings

klar, die Versammlung soll zu einer

Entscheidung kommen, zu welcher

auch immer, es soll auf jeden Fall

verhindert werden, dass es zu end-

losen Diskussionen und Streitereien

kommt und am Ende die Versamm-

lung eventuell ohne Ergebnis aufge-

löst werden muss.

Dann ist es endlich 14:00 Uhr

und die Versammlung beginnt routi-

niert. Nach der Wahl der Versamm-

Am 25./26. Juni 2005 fand in Feldafi ng bei München bei Angelika Pott-

kämper das überaus erfreuliche erste Treffen des auf der letzten Mitglie-

derversammlung gewählten neuen Gakyils statt. Dort hatte jemand die Idee

eine Art »Erlebnisprotokoll« über die letzte mv im nächsten Dzogchen Brief zu

veröffentlichen.

Wir

Mitgliederversammlung 2005

Ein ganz persönliches Protokoll

von Christine Trachte Organigramm von Christian Storch

und Margarita Eidemüller-Jucknat

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Wahl

Gakyil

FunktionsTräger (Pool)

z.B. Übersetzung, Lektorat,Layout, Produktion, Vertrieb

Abstimmung überPrioritätenlisteund Budget derVerlagsarbeit

Publikationskomitee (PK)

Kooperation und Endabnahmedes Textes

• Die MV wählt das Gakyil und stimmt über die Prioritätenliste und das Budget ab.• Das Gakyil bereitet in Zusammenarbeit mit allen Beteiligten einen Bericht sowie einePrioritätenliste und ein Budget für die MV vor.• Das Gakyil wählt einen Pool von Funktionsträgern aus (Übersetzung, Lektorat, Layout,Produktion, Vertrieb), die die Kontinuität und Qualität der Verlagsarbeit gewährleisten sollen.Die Zusammensetzung des Pools wird vom Gakyil bestimmt.• Das Gakyil benennt für jedes Veröffentlichungsprojekt einen Projektleiter, der die Arbeitvon allen Betroffenen koordiniert. Der Projektleiter erarbeitet zusammen mit denFunktionsträgern und dem PK einen Projektplan. Der Projektplan wird dem Gakyil zurEntscheidung vorgelegt.• Das PK ist verantwortlich für die Endabnahme der Texte und kooperiert mit denFunktionsträgern und dem Gakyil.

Organigramm Verlagsarbeit

ProjektleiterInnenPotentiell alle Mitglieder incl.

Gakyil, Funktionsträger, PK etc.

Teamarbeit

Kooperationz.B. bei der Benennung vonÜbersetzern und Lektoren,Entwurf der Prioritätenliste

Benennungbzw. Auswahl,Zusammen-arbeit

Mitgliederversammlung (MV)

Bericht

33

Dzogchen Brief 48/49 August 2005

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lungsleitung und Schriftführung

legt Christian professionell den Jah-

resabschluss vor und erläutert diesen

im Detail, ebenso den Ergebnisver-

wendungsvorschlag 2004, der dann

auch angenommen wird.

Dann gibt das rote Gaykyil einen

Tätigkeitsbericht 2004 und gibt vor-

ausschauend einen Ausblick auf die

geplanten Kurse für das laufende

Jahr, so wie sie in der Infopost ausge-

schrieben werden sollen.

Anschließend berichtet das blaue

Gakyil über neue Organisationsstruk-

turen. Da Marie wegen ihres Alters

die Redaktion des Dzogchen Briefes

niedergelegt hat, hat das amtieren-

de Gakyil ein Organisationsteam mit

rotierender Projektleitung gebildet.

Das ist der erste Punkt, der für Auf-

regung sorgt 1, unter den Mitgliedern

entspinnt sich sofort eine Diskussion,

ob das Gakyil Entscheidungen dieser

Art überhaupt treffen darf, oder ob

hier nicht die mv entscheiden muss,

aber genau das erscheint dem Gakyil

zu hinderlich und zu zeitraubend

und viel zu lähmend für die Um-

setzung vieler Projekte. Das Gakyil

fi ndet es notwendig, selbst über die

Umsetzung vieler Projekte entschei-

den zu können. So stellt Christian

den Antrag: »Ist die mv bereit, dem

Gakyil zuzugestehen, selbst zu ent-

scheiden, welche Aufgabenbereiche,

an wen und in welcher Form es dele-

gieren will, ohne dass über Personal-

fragen in der mv abgestimmt werden

muss«. Es wird ausdrücklich betont,

dass dieser Antrag auch den Verlag

betrifft. Nach einigen Diskussionen

wird dieser Antrag (insbesondere,

nachdem einige ehemalige Gakyil-

Mitglieder von den Schwierigkeiten

berichtet haben, die das bisherige

Verfahren mit sich gebracht hat) von

den Mitgliedern angenommen.

top 3 Entlastung des Vorstandes

und top 4 Fahrtkostenerstattung

wer den mit gebührender Sorgfalt,

aber schnell und komplikationslos

verabschiedet.

Dann kommt top 5. Maggie stellt

den Beschluss des Gakyil zur Neuor-

ganisation des Verlages vor. Zukünf-

tig wird die Verantwortung für den

Verlag nicht mehr an eine Person als

Verlagsleitung delegiert werden, son-

dern an ein Team von Funktionsträ-

gern, die schon lange im Verlag ar-

beiten. Letztendlich verantwortlich

sind aber wie zuvor auch der Vor-

stand und gelbes und blaues Gakyil.

Die neue Struktur soll eine Überlas-

tung der Person, aber auch eine Per-

sonifi zierung der Aufgabe vermei-

den. Diese Eröffnung schlägt genau

die erwarteten Wogen, eine aufgereg-

te Diskussion entsteht, ein Argument

jagt das andere. Diese Veränderung

rüttelt an ganz alten und erprobten

Pfeilern der Dzogchen Gemeinschaft,

muss man das wirklich ändern, kann

das nicht bestehen bleiben? Wird es

so wirklich besser funktionieren?

Oder ist der Verlag, ein Herzstück der

Dzogchen Gemeinschaft, jetzt zum

Scheitern verurteilt? Viele Befürch-

tungen und Ängste werden wachge-

rüttelt, aber auch einige Befürworter

treten auf, erst ganz leise, aber dann

immer sicherer und so wird dieser

Beschluss letztlich durch die Mitglie-

der mitgetragen und dem noch am-

tierenden Gakyil fällt ein Stein vom

Herzen, denn allen ist sehr wohl be-

wusst, dass kein Beschluss ohne das

Einverständnis der mv Sinn macht

und wirklich durchgesetzt werden

kann.

Dann kommt es zum Punkt Neu-

wahlen von Vorstand und Gakyil.

Der eigentliche Grund meines Hier-

seins ist für mich schon sehr weit in

den Hintergrund gerückt und kommt

erst jetzt wieder zum Vorschein. Hat-

te ich geglaubt bei der Wahl handle

es sich um eine Formsache, so hat-

te ich weit gefehlt, plötzlich gibt es

mehr Kandidaten als Ämter und

nicht nur das, plötzlich will man mir

einen anderen Posten, als den, für

den ich mich hatte bewerben wollen,

geben, ohne mich zu fragen, jetzt

wallt in mir die Empörung hoch, ich

fühle mich übergangen und nicht ge-

würdigt, ich fühlte mich doch schon

als Teil und nun…

Zum guten Schluss werde ich

dann aber doch in das blaue Gakyil

gewählt. Abends fahre ich zwar zu-

frieden, aber auch sehr erschöpft

nach Haus.

Christine Trachte, blaues Gakyil

1 Die Bildung eines Redaktionsteams für den Dzogchen Brief war bereits ein Jahr zu-vor von der MV beschlossen worden, ein-schließlich der Personen, die ihm angehören sollten.

Wir

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Gelb: Gerhard Seeliger

Gelb: Margarita Eidemüller-Jucknat

Gelb: Helga Betz

Das Gakyil ist zu erreichen nach den Farben:

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Dzogchen Brief 48/49 August 2005

Im Jahr 1938 wurde ich in Düsseldorf geboren. In meinem früheren Leben war ich Chefsek-retärin beim Handelsblatt, habe aber dann meinen Beruf aufgegeben, um 4 Kinder auf den Weg zu bringen. Namkhai Norbu bin ich 1994 im Kamalashila Institut begegnet. Seit-dem die Kinder aus dem Haus sind habe ich als Rentnerin Zeit um Aufgaben in der Dzog-chen Gemeinschaft zu übernehmen. Seit Mai 1995 bin ich – bis auf eine Unterbrechung von 2 Jahren – verantwortlich für die Geschäfts-stelle der Dzogchen Gemeinschaft sowie den Medienvertrieb. Die Buchhaltung kam dann 1998 dazu. Seit Frühjahr 2003 bin ich nun Mitglied im gelben Gakyil.

1957 in Sibirien einige hundert Kilometer von Krasnojarsk geboren, seit 1960 in Deutsch-land. Mit Tino verheiratet, gemeinsam haben wir zwei erwachsene Kinder. Im Christen-tum konnte ich mich nicht zuhause fühlen und machte mich auf die Suche. 1993 fand ich meinen Lehrer Namkhai Norbu Rinpoche und dadurch die Lehren des Dzogchen. Seit 2004 bin ich Mitglied im gelben Gakyil.

1943 in Straßburg geboren. Mit dem Süden/der Heiterkeit verbunden, und seit langem auf dem Weg auch das Dunkle/Schmerzvol-le zu integrieren. Dzogchen ist für mich die Erkenntnis und die Methode wirklich alles annehmen, integrieren zu können. Meine Dankbarkeit gegenüber Rinpoche, Dzogchen und unserer Sangha will ich auch durch Ar-beit im Ganschi zeigen.

Das Gakyil 2005 stellt sich vor

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Blau: Christine Trachte

Blau: Georgios ›Jorgos‹ Arvanitidis

Blau: Thomas Eifl er

Rot: Cristian LangRot: Natalia Gershevskaya

Rot: Angelika Pottkämper

Seit 2001 Mitglied in der Dzogchen Gemein-schaft. Von 1992 –2001 Mitglied bei Shambha-la Europa… Studium Vergleichende Religions-wissenschaften – Schwerpunkt Buddismus – an der Naropa Universität in Boulder/Colo-rado. Ansonsten Philologin und Psychologin (m.a.). Mutter von 2 Kindern. Ich liebe Italien und Bayern, Humor, mousse au chocolat, Shakuhachi, und fahre immer lange nach Margarita/Tashigar Norte, wenn Rinpoche dort ist.

Die ersten 30 Jahre meines Lebens habe ich in St. Petersburg gelebt, wo ich mein Studi-um als Kunsthistorikerin absolviert habe. Hier begegnete ich im Jahr 1998 Rinpoche zum ersten Mal. Seit 2001 wohne ich in Düs-seldorf, und im Moment arbeite ich an einem eigenen Kulturprojekt für russisch-sprachige Migranten und Touristen. Ich freue mich, im roten Gakyil tätig zu sein und für die Organi-sation der Vajra-Tanz Kurse Verantwortung zu übernehmen.

Ich traf Rinpoche zuerst in Kirchheim 2002. Ich fühlte, gleich als er zu sprechen anfi ng, hier bin ich zu Hause. Zuerst sah ich in Kirchheim den Vajra-Tanz, was mich zu Tränen berührte. Erst später sah ich die Notwendigkeit, auch meinen Körper zu re-spektieren, im Anfängerkurs Yantra mit Laura Evangelisti während des Santi Maha Sangha Retreats mit Jim Valby im Sommer 2004. Dort lernte ich auch aktive deutsche Dzogchenpas kennen: Ralph, Bianca, Mag-gie und Tino, wir alle trällerten gemeinsam zur Abschiedsparty des Retreats altdeutsches Liedgut (Der Mond ist aufgegangen).Da ich kein guter Sänger bin, leitete ich den Chor. Das ist in Trossingen (bekannt durch »Hohner«) im Schwarzwald, wo ich lebe, ähnlich. So kam es zur Idee, dass ich im ro-ten Gakyil als Yantra-Zuständiger dazu bei-tragen könnte, dass mehrere Menschen zu Yantra kommen.

Wir (das Gakyil stellt sich vor)

Jungfrau/Waage, Lehrerin und Seminarlei-terin, bin gern im Süden und wandere auf dem Sternenweg.

geb. 31. Dezember 1972Erstkontakt mit Chögyal Namkhai Norbu 1998 in Chieming.

Ausbildung als bildender Künstler. Ich be-schäftige mich mit Grafi k, Layout, Video und Webgestaltung und trage zur Kunstprodukti-on meiner Frau bei. Ich fühle mich besonders dem Nirmanakaya verbunden.

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Dzogchen Brief 48/49 August 2005

Ermäßigte Mitgliedschaft (reduced, wei-

ße Klebemarke), Jahresbeitrag € 50

Jährlicher Nachweis durch Unterschrift

auf dem Merigar-Antragsformular, dass

das Nettoeinkommen nicht höher als

€ 700 ist.

50% Ermäßigung gibt es auf Retreats

mit Chögyal Namkhai Norbu

50% Ermäßigung auf Kurse gibt es im

Augenblick nur in Merigar, zunächst

bis Ende August begrenzt, danach

wird eine einheitliche Lösung für

alle europäischen Communities an-

gestrebt. Ausgenommen sind und

bleiben Kurse des Shang Shung Ins-

titutes, sms Examen und Trainings,

sowie Teachers Training-Kurse für

sms, Yantra Yoga und Vajra-Tanz.

Nur in diesem Jahr gibt es noch eine be-

sondere Ermäßigung beim Besuch des

ersten Retreats oder Kurses in Merigar:

Der Mitgliedsbeitrag wird von den

Kursgebühren abgezogen, wenn die

Gebühren höher sind als der Mit-

gliedsbeitrag, umgekehrt entfallen

die Retreat- oder Kursgebühren.

Beispiel am Augustretreat:

Retreatgebühren: € 350 ./. € 50 Mitglieds-beitrag = € 300, davon 50% = € 150 sind zu zahlen

Normale Mitgliedschaft (ordinary, gel-

be Klebemarke), Jahresbeitrag € 129

20% Ermäßigung auf Retreats mit

Chögyal Namkhai Norbu

Große Strukturveränderungen bergen oft das Risiko von Missverständnissen –

Fehlinformationen und Fehlinterpretationen.

Deshalb wollen wir hier noch einmal die aktuell gültigen Bedingungen zusammen

fassen:

Umstruktierung in Merigar

Neue Mitgliedsbeiträge

von Helga Betz

20% Ermäßigung auf Kurse nur in

Merigar, (weiter siehe ermäßigte

Mitgliedschaft)

Beispiel am Augustretreat:

€ 350 ./. € 129 = € 221, davon 20% Ermä-ßigung, zu zahlen: € 176,80

Fördernde Mitgliedschaft (sustaining,

rote Klebemarke), Jahresbeitrag € 500

Retreats in Merigar und allen europäi-

schen Communities sind frei,

welt weit bleibt es zunächst bei 40%

Ermäßigung, hier wird eine einheitli-

che Regelung im Verlauf der nächs-

ten zwei Jahre angestrebt.

Kurse in Merigar sind frei, aber nicht

in den angeschlossenen Communi-

ties, zunächst gilt dies auch bis Ende

August, dann gibt es hoffentlich für

alle europäischen Mitglieder die Me-

rigar-Regelung. Ausnahmen siehe

oben bei ermäßigter Mitgliedschaft.

Wer jetzt noch Rückfragen hat, kann

sich gern in der Geschäftsstelle bei Helga

Betz melden.

0211 - 682 657

Was ich schon immer mal machen wollte

Na klar, einen Text von Chögyal Namkhai Norbu auf Deutsch

selbst herausgeben!!!

Nein?!

Bedenkt: nach der Umstrukturierung der Verlagsarbeit

und der Gewichtung hin zu eigenverantwortlicher Arbeit

einzelner Projektteams könntet ihr:

in Absprache mit dem blauen Gakyil den zu bearbei-

tenden Text selber bestimmen

euer eigenes Team selber zusammenstellen: Übersetzer,

Lektoren, Koordinatoren etc.

euren eigenen verbindlichen Zeitplan selber gestalten

den Arbeitsstil eures Teams selber wählen: einer allei-

ne :-( oder mehrere zugleich bzw. nacheinander :-)

Klingt doch nicht schlecht, oder?

Ihr habt kein vollständiges Team dazu?! Kein Problem:

wir helfen euch gerne dabei ein solches zusammenzustel-

len.

Also, traut euch; ein bisschen Mut und kreative Eigeni-

nitiative sind angesagt – und vielleicht noch ein kleiner

Schubs vom Gakyil… ;-)

Meldet euch bei Interesse einfach bei einem der Gakyil-

mitglieder oder schreibt an

Bis vielleicht bald, Jorgos Arvanitidis

– von eurem blauen Gakyil

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Teilnahme an der Retreat-

übertragung durch Internet

für Menschen, die keinen

Computer haben oder sich mit

ihren Computern nicht aus-

kennen

von Barbara Schwesig

Illustration unter Verwendung der

Abbildung eines Ohrs von Frank

Zappa

Am besten ist es natürlich, wenn

man direkt und persönlich an einem Re-

treat mit unserem Meister Namkhai Nor-

bu Rinpoche teilnehmen kann. Und oft

lassen sich die Hindernisse beseitigen,

die es immer gibt. Aber manchmal auch

nicht. Und dann muss man daheim blei-

ben – und vielleicht arbeiten oder die

Kinder betreuen oder die Eltern pfl egen

– und ist einfach traurig. Bisher war s

das. Samsara eben.

Nun gibt es eine neue Entwicklung.

Wie immer geht Rinpoche ungewöhnli-

che Wege zum Nutzen seiner Schüler!

Viele Retreats werden über Webcast im

Internet übertragen. Jede/r auf der gan-

zen Welt kann zuhören! Die Idee ist, die

Praktizierenden an der Lehre teilhaben

zu lassen. Die neuen Technologien zu

Gunsten der Lehre einzusetzen. Yeshe

Namkhai, Rinpoches Sohn, stellt dafür

seine Firma ambientiweb zur Verfügung

und sorgt für gute Qualität. Juhuuuu!

Das heißt andererseits aber auch

nicht, dass man nun nicht mehr reisen

müsste, weil sowieso alle Retreats per

Webcast übertragen werden. Das ist

wohl zum einen nicht unbedingt der Fall

und zum anderen sagte Rinpoche, dass

man das Lung für die Praktiken persön-

lich anwesend empfangen sollte. In der

Gegenwart von Lehrer und Schüler weiß

man über Jahrhunderte hinweg, dass es

wirkt. Telefon und Internet sind noch

zu jung. Es gibt keine ausreichende Evi-

denz, ob es funktioniert oder nicht. Man

sollte also unbedingt weiter persönlich

hingehen, wenn man irgend kann.

Natürlich ist es wunderbar, dass die

Retreats übertragen werden. Aber was

kann man tun, wenn man keinen Com-

puter hat und keine Ahnung davon?

Oder wenn der eigene Computer ausge-

rechnet jetzt nicht funktioniert?

Man geht in ein »Internetcafé«. In

fast allen Städten gibt es mittlerweile

Geschäfte, in denen man »ins Internet«

kann. Manche sind mit Copy-Shops ver-

bunden oder Telefonie (weltweit günstig

telefonieren). Die Kosten sind in der Re-

gel nicht hoch: eine Stunde ca. 1 Euro.

Die Webcast-Übertragung ist immer

zu den Retreatzeiten aktiv. In der Regel

beginnen Retreats am ersten Tag abends

z.B. von 17–19 Uhr. Zu dieser Zeit fi ndet

dann auch die Übertragung statt. Wenn

man sich vorher verbinden will, kommt

»kein Signal«. Also: Geduld.

Man braucht die »url«-Nummer,

mit der man sich bei der Übertragung

einwählen kann. Bei den letzten Über-

tragungen war es immer dieselbe url:

Mitglieder können sie bei der Geschäfts-

stelle erfragen.

Mit dieser Nummer geht man in den

Internetshop und sagt, dass man damit

über den Windows Media Player verbun-

den werden möchte. Sie stellen die Ver-

bindung her, händigen einen Kopfhörer

aus und man hört das Retreat. (Ich sag-

te, ich möchte ein Seminar hören.)

Wenn die oben genannte Nummer

nicht die richtige ist, holt man sich die

Nummer von der Homepage von ambi-

entiweb: Auch diese Adresse gibt es bei

der Geschäftsstelle.

Hier steht der Titel des Retreats, das

Datum und der Zeitplan und auch die

richtige url. Diese Seite kann man auch

vorher ab und zu besuchen, um zu se-

hen, ob das nächste Retreat übertragen

wird. Man fi ndet hier auch eine Zeit-

zonentabelle, so dass man weiß, wann

man in Deutschland ins Internetcafé ge-

hen muss, wenn das Retreat z.B. von Los

Angeles übertragen wird.

Im Internetcafé kann man sich ein-

fach helfen lassen! Sie suchen die rich-

tige Nummer von der Homepage, geben

sie in den Windows Media Player ein

und los geht’s!

Es ist super einfach!!! !

Was man daheim macht, wenn man

einen Computer mit Internetzugang hat,

beschreibe ich jetzt. Das ist nicht so ein-

fach, weil die Ausrüstungen von Compu-

tern doch sehr unterschiedlich sind. Ich

beschreibe hier nur Computer mit einem

Betriebssystem von Windows.

Im Allgemeinen braucht man keine

Angst zu haben. Man folgt den Schritten

Stück für Stück und es sollte eigentlich

klappen. Funktioniert es nicht, schaltet

man den Computer aus und versucht es

noch einmal von vorne. Klappt es mehr-

mals nicht, geht man in ein Internetca-

fé und holt sich zu einem späteren Zeit-

punkt Hilfe.

1) Die URL fi nden (nur wenn man sie

nicht schon hat)

Man muss zur homepage von ambien-

tiweb gelangen. Das macht man, indem

man einen Internetbrowser öffnet und

die Adresse dort eingibt. Der Internet-

browser ist das Instrument, mit dem man

sich mit dem Internet verbinden kann.

Es kann sein, dass man sich daheim

vorher noch einwählen muss. Dann fragt

der Computer, ob man verbunden wer-

Wir (und die Technik)

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Dzogchen Brief 48/49 August 2005

den möchte. Man sagt »ja« (indem man

auf ja klickt) und am Ende der Sitzung

trennt man die Verbindung.

Es gibt viele verschiedene Internet-

browser, aber z.Zt. sind vor allem der

Windows Internet Explorer und Opera

weit verbreitet. Also erkläre ich hier die-

se beiden. Andere funktionieren ähn-

lich.

Die Browser kann man bei allen Com-

putern über das Menü starten. Dafür

drückt man mit der rechten Maustaste

einmal auf »Start«, ein deutlich hervor-

gehobenes Feld links unten. Dann klappt

ein »Menü« (eine Tafel) mit mehreren

Titeln auf. Man geht auf »Programme«,

klickt sie mit der rechten Maustaste mit

einem Klick auf und sucht dann den In-

ternet Explorer oder Opera.

Internet Explorer: Das Symbol ist

ein kleines e. Man startet mit einem

»Klick« der rechten Maustaste. Der Ex-

plorer öffnet sich. Irgendwo im oberen

Bildschirmbereich steht dann »Adresse«.

Man klickt mit der rechten Maustaste in

das Feld (weißer Untergrund) und tippt

die Adresse ein.

(Eventuell muss man vorher »about:

blank« löschen.)

Dann drückt man auf die »Enter«-

oder die »Return«-Taste und wird mit der

entsprechenden Homepage verbunden.

Wie oben schon beschrieben, fi ndet

man hier alle Informationen, vor allem

Zeit und url. Die url bitte notieren.

Opera: Das Symbol von Opera ist ein

O. Ein Klick mit der rechten Maustaste

und Opera öffnet seine »Vor-Start seite«.

Man klickt einmal mit dem rechten

Mauszeiger auf »Beim Start keine Seite

öffnen« und drückt dann durch einen

Klick der rechten Maustaste auf »star-

ten«. Oben links fi ndet man ein Feld

»Neue Seite«. Einmal mit rechts darauf

klicken. Es öffnet sich ein Feld, in das

man die Adresse eingibt. Return oder

Entertaste drücken und die Homepage

mit allen Informatio nen erscheint. Die

url bitte aufschreiben.

2.) Windows Media Player starten

Man fi ndet ihn unter »Programme«.

Einmal rechts klicken, der Media Player

öffnet sich. Irgendwo links oben gibt es

ein Feld »Datei«. Wenn es nicht zu sehen

ist, geht man mit der Maus links oben auf

die Schrift Windows Media Player ohne

etwas zu drücken. Dann erscheint die

Leiste, auf der »Datei« steht. Sobald »Da-

tei« erscheint, klickt man einmal mit der

rechten Maustaste darauf. Es erscheint

ein Menü mit mehreren Punkten, u.a.

url öffnen. Man klickt mit rechts einmal

auf »url öffnen«. Er erscheint eine Tafel:

»bitte url eingeben«. Nachdem das er-

ledigt ist mit rechter Maustaste auf ok

drücken und die Verbindung wird her-

gestellt. Die Webcast-Übertragung kann

beginnen.

Findet man die »Datei« nicht, kann

man auch »Strg« und »U« gleichzeitig

drücken, dann öffnet sich auch »Bitte

url eingeben«.

Am Ende klickt man mit rechts auf

das Kreuz rechts oben und schließt da-

mit den Media Player.

3) Wenn man keinen Windows Media

Player hat

Man kann sich den Media Player aus

dem Internet herunterladen. Dazu geht

man wieder auf die Homepage von am-

bientiweb. Hier fi ndet man die Adresse,

unter der man den Player fi ndet. Ein-

fach mit rechter Maustaste draufdrü-

cken. Jetzt kommt man zu Windows.

Hier werden viele Versionen des Media

Players angeboten. Man muss also schon

wissen, welchen Computer man hat,

welches Betriebssystem etc. Weiß man

es, ist es einfach. Man sucht den passen-

den und lädt ihn runter (»download« an-

klicken). Weiß man es nicht, lässt man

sich besser helfen und geht für dieses

Mal ins Internetcafé.

Download ist ebenfalls einfach. Nur

darauf klicken. Es wird eine Adresse

angegeben, wohin der eigene Compu-

ter diese Datei legen will. Diese Adres-

se sollte man sich merken, damit man

ihn dann wieder fi ndet! Man klickt auf

Page 40: DB Nr48-49 fürProbeheft - · PDF fileEditorial 5 Liebe Vajra Geschwister, In der Dzogchen Gemeinschaft fi nden zurzeit einige wichtige Verände-rungen statt. Die Verlagsarbeit ist

Wir

ok (oder ändert die Adresse, wenn man

weiß, dass die Downloads woandershin

sollen). Wenn das Herunterladen abge-

schlossen ist, kommt eine entsprechen-

de Meldung. Dann geht man zu der

Adresse, Doppelklick auf die Datei und

der Mediaplayer installiert sich. Wie lan-

ge das alles dauert, hängt von der Ge-

schwindigkeit des eigenen Computers

und des eigenen Internetzugangs ab.

Mit dsl geht es schnell. Hat man ein

Modem, sollte man es sein lassen.

Ich schreibe das, weil ich allen Mut

machen möchte, diese wunderbare Ge-

legenheit zu nutzen. Ich hatte erst das

Glück immer Computerspezialisten um

mich zu haben, die mir damit halfen.

Und ich arbeite viel mit den gewöhn-

lichen Büroprogrammen. Aber als ich

dann dieses Retreat hören wollte, war

niemand da (auf Retreat, auf Klassen-

fahrt, die kranke Mutter pfl egen…) und

mein Windows Media Player funktionier-

te nicht. Eine Nacht verbrachte ich mit

dem Versuch, ihn zum Laufen zu brin-

gen. Dann gab ich auf. Mir fi el ein, dass

man das Retreat auch im Nachhinein he-

runterladen kann.

4) Retreat herunterladen

Wenn man Computerprobleme hat

und sie nicht rechtzeitig löst, oder wenn

man einfach zu den Retreatzeiten arbei-

ten muss oder sonst wie verhindert ist,

kann man die »Lektion« auch später he-

runterladen. Das ist ein sehr gutes An-

gebot des Shang Shung Instituts. Die

Adresse lautet:

Um dazu Zugang zu bekommen,

muss man Mitglied der Dzogchenge-

meinschaft sein und sich mit seiner Mit-

gliedsnummer registrieren. Da ich wie

viele Deutsche meine Mitgliedsnummer

nicht kannte, schrieb ich an Grischa

Mokhin, der damals die Internetbetreu-

ung des ssi machte. Er half mir sofort!

Und ebenso Maurizio Mingotti. Sollten

also Probleme bei der Anmeldung auf-

tauchen, mailt einfach in Englisch an

Hat man Zugang, fi ndet man auf der

linken Seite den Link (die Schrift) »web-

cast archive«. Dort steht das aktuelle

Retreat. Man kann es innerhalb von 48

Stunden herunterladen. Nach 48 Stun-

den muss man es kaufen, erhält dafür

aber eine wesentlich bessere Qualität.

Ich lud mir also von hier die ent-

sprechende Datei herunter und öffne-

te sie statt mit dem Media Player mit

»win amp«, einem anderen Player. Und es

funktionierte hervorragend! Wenn man

also einen anderen Player hat, kann man

das auch versuchen.

Da ich aber lieber zeitgleich zuhöre,

ging ich am nächsten Tag ins Internet-

café. Es war wirklich komfortabel und

einfach. Sie haben sogar extra für mich

geöffnet, weil ich am Tag vorher ange-

fragt hatte! (Normalerweise öffnen sie

erst am Nachmittag.)

So entstand also mein Wunsch, alle

zu ermutigen, die neue Technik für den

Zugang zu den Lehren zu nutzen. Da-

heim oder im Internetcafé!

Barbara Schwesig

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Dzogchen Brief 48/49 August 2005

– Für immer werden diese 40

Minuten in meinem Herzen bleiben,

als wir auf den Bus gewartet haben

und wo nur Oma und Opa bei uns

waren, und niemand anderes. Das

Pfl aster der Bahnhofstraße war in

der Zwischenzeit von dem feinen Re-

gen nass geworden und hat die far-

bigen Lichter von den schließenden

Geschäften refl ektiert. Der Wind

war kühl und die Trennungsstim-

mung doch traurig, trotz der vielen

»Wörter der Hoffnung«... Wir sehen

uns wieder! Ja....nächstes Jahr wer-

det ihr zu uns kommen....es sind nur

23 Stunden Flugzeit! Oh ja! Muss man

vielleicht Opa narkotisieren, weil

der will sicherlich nicht fl iegen, hat

er doch auch Platzangst! Und sowie-

so, es wäre dann immer nur auf Be-

such! Aber wir werden uns wieder-

sehen? Wer weiß das... ? Eine Reise,

die nicht wieder zurückführt ist im-

mer eine große Sache, und man weiß

auch nicht, ob alles so klappen wird,

wie wir uns das vorgestellt hatten!

Dieses leicht schwindlige Gefühl

habe ich in meinem Leben schon

mehrmals erlebt. Und das erste Mal

war es, als ich von Merigar nach

Deutschland zum Helmut (nach

Augsburg) gefahren bin, nur mit ein

paar Koffern, meinem kleinen Sohn

Gandalf und meiner schwarzen Kat-

ze, das war im fernen Jahr 1986. Oh

ja! Es ist viel Zeit vergangen seitdem!

Dann ist es wieder passiert, dass wir

große Ortswechsel erlebt haben, aber

immer nur in Deutschland, in Eur-

opa. Das ist eine Sache! Aber jetzt?

Nach 18 Jahren, die wir in Deutsch-

land gelebt hatten, waren wir, von

unsichtbaren Fäden gezogen, wieder

auf der Spur von einem goldfarbigen

Traum: Australien.

Könnten wir in einer der letzten

Stunden neu überlegen, und viel-

leicht eine neue Kurve machen und

für unsere Lebenssituation eine we-

niger riskante Lösung fi nden; wo

man natürlich auch ziemlich behag-

lich weiterleben könnte. Aber wo??

Den Mietvertrag für unser Haus hat-

ten wir für Ende September gekün-

digt, die Möbel hatten wir inzwi-

schen ebenfalls verkauft, nachdem

wir schon vorher unser Taxiunter-

nehmen verkauft hatten ... und auch

unsere Haustiere hatten wir nicht

mehr ... Dann braucht man nicht viel

weiter überlegen, einfach tief durch-

atmen und ein Emakiri singen ...

Die Tickets der Emirates-Flugge-

sellschaft nach Melbourne mit kur-

zem Zwischenaufenthalt in Dubai

bleiben so wie sie sind, also kein

Rückfl ug ... Hey! Was kann es schon

sein, alles? Es ist nur ein Trick, ein

Traum. Wir werden es schon schaf-

fen, in Australien einen guten Platz

zu fi nden .... und sowieso machen

wir diesen großen Sprung besonders

für unsere Kinder!

Bericht aus einem Traum dazwischen.

Es sieht aus, dass so viel Zeit vorbeigegangen ist, seitdem wir zusammen

mit unseren Töchtern an einem herbstlichen Abend im Oktober in einen

Lufthansa-Bus eingestiegen sind, und weg waren wir; so dass sich urplötzlich

unser Alltag total veränderte!

Bericht aus einem Traum da-

zwischen

Von Nene Reile

Ein Brief aus Australien, wohin die

Reiles im letzten Herbst ausgewan-

dert sind.

Wantima, Februar 2005

Liebe Vajra-Schwestern und Vajra-

Brüder, Nene und Helmut Reile sen-

den euch ganz liebe Grüße zum Holz-

Vogeljahr!

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Und jetzt war wie in einem Traum

der leise Schatten des Lufthansa-Bus-

ses da, und wir haben noch einmal

Oma und Opa umarmt und sie für ei-

nen ewigen Moment lang festgehal-

ten; dann sind wir vier mit Tränen

in den Augen in den Bus eingestie-

gen, wo nur ein paar Leute waren;

ansonsten war der Bus ganz leer.

Durch die dunklen Fenster des Bus-

ses haben wir es geschafft, noch ein-

mal für einen Augenblick Oma und

Opa zu sehen. A.

Dann kam die Reise, ein langer,

unendlicher Flug. An einem Morgen

um 5 Uhr sind wir dann auf dem

Flughafen Melbourne gelandet und

das Wetter hatte gar nichts damit zu

tun, wie man sich das australische

Wetter im allgemeinen vorstellt:

– grauer Himmel, kalter Regen, ein-

fach unangenehm und kühl. Irgend-

wie ist es so gekommen, dass wir auf

australischem Boden gelandet sind

in einem der kühlsten und regne-

rischsten Sommer, an den die Leute

sich hier erinnern können. Seit 150

Jahren gab es keinen solchen Som-

mer! Trotzdem, als ich dann meinen

Sohn Gandalf wiedergetroffen habe,

mit einem strahlenden Gesicht und

voller Enthusiasmus über die Stadt

Melbourne, da habe ich mir gedacht,

dass es doch richtig war, diesen

Sprung gemacht zu haben. Gandalf

war schon im Sommer mit einem

Kumpel hierher gekommen. Er hat

hier Arbeit gefunden und lebt jetzt

zusammen mit seiner Schwester Hel-

mine in einer Wohnung nicht weit

entfernt vom Zentrum Melbournes.

Helmine, die bald 18 wird, geht auf

eine zweijährige Schule für Soziolo-

gie und Psychologie, danach kann sie

an der Uni studieren. Und wir drei,

Helmut, die 14-jährige Josefi ne und

ich? Am 13. November sind wir in ei-

nen netten Bungalow in einer Vor-

stadt von Melbourne eingezogen. Aus

Transportgründen haben wir uns ei-

nen alten, sehr kräftigen Ford-Fal-

con Kombi gekauft, so dass wir die

neu erworbenen Möbel und andere

Einrichtungsgegenstände selbst nach

Hause bringen können.

Josefi ne fährt jeden Tag mit dem

Bus zu ihrer Schule, eine sehr gute,

ziemlich strenge High-School, wo sie

auch eine Uniform tragen muss. Oh,

Josefi ne schaut sehr elegant aus in

ihrer Uniform und sie ist sehr stolz

auf ihre Englischkenntnisse, die je-

den Tag besser werden. Sie hat auch

einen neuen, kleinen Hund gekriegt,

weil unser Dackel wegen seiner Epi-

lepsie den langen Flug leider nicht

überstanden hätte. Aber meine rote

Katze Pippi sollte bald hierher fl ie-

gen, und dann nach einem Monat

Aufenthalt in der Quarantäne end-

lich wieder bei uns sein. –

Unsere 42 Kartons, alles was von

unserem Haushalt in Deutschland

übriggeblieben ist, sind wie ein Ge-

schenk genau an Losar zu unserem

Bungalow geliefert worden. In ei-

nem Sturm von kosmischem Staub

zusammen mit unseren Gegenstän-

den sind aus den Kartons auch die

eingeschlafenen Gefühle, die Wün-

sche, die Träume und das Flair aus

meiner vergangenen Welt in Kissing

heraus gekommen. Und plötzlich hab

ich mein Haus, Oma und Opa ... die

Freunde und meine lieben Tiere so

vermisst! Sehr klar habe ich das Ge-

fühl gehabt, als könnte ich aus die-

sem australischen Traum plötzlich

aufwachen und wieder zurück in

Deutschland sein; vielleicht in mei-

Wir

nem schönen Bett, und mit meinem

Dackel Otto, der neben mir mit dem

Kopf auf seinem Kissen schläft ...

und mit meiner roten Katze Pippi,

die neben mir gemütlich auf dem Fe-

derbett liegt. Oh ja! Unsere Alltags-

welt in der Garmischer Allee 18 in

Kissing hat so ausgeschaut und jetzt

ist davon nur eine Erinnerung geblie-

ben ... ein Traum; und unser austra-

lischer Traum ist zu einer ›normalen‹

täglichen Realität geworden. Könnte

ich es vielleicht einmal schaffen mit

den Träumen zu spielen und die An-

haftungen auszulöschen?

– Heute Morgen hat uns Hel-

muts Bruder Robert angerufen; in

Augsburg wird es in der kommen-

den Nacht -25° haben! Dies scheint

fast unmöglich, denn wenn ich

durch meine rosafarbenen Vorhänge

schaue, dann sehe ich wie sich riesi-

ge Eukalyptusbäume bewegen, um-

hüllt von einem warmen Wind und

der Himmel erstrahlt in einer kräf-

tigen blauen Leerheit. Oh ja! Austra-

lien ist eine einzigartige Welt! Oft

gehen wir auf Straßenfeste, wo in ei-

nem ›windigen‹ Chaos alles Unmögli-

che verkauft wird: Seide, Bumerangs,

Ditscheridoos ... Donner der in farbi-

gen Holzrohren von irgendjemandem

eingefangen worden ist. Dazu wer-

den noch verkauft:

– Zauberwörter … Amulette

… Klänge … Parfüms, welche Glück

in der Liebe bringen sollen und vie-

les mehr. Was könnte ich noch alles

schreiben? Oh ja! Am Meer in der

Philipps-Bucht gibt es wunderbare

Strände, wo unter der Woche nie-

mand ist ..., das Wasser ist hier sehr

klar mit einer strahlenden, grün-

blauen Farbe ... Und die Ganapujas

werden hier abwechselnd jedes Mal

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Dzogchen Brief 48/49 August 2005

im Haus von einer anderen Praktizie-

renden gemacht, und obwohl die Entfer-

nungen hier so groß sind, kommen doch

jedes Mal so viele Leute. Es war eine

Überraschung für mich, hier auch zwei

alte Praktizierende aus Neapel und aus

Rom wieder zu treffen. Und es sieht so

aus, dass bald noch eine Familie aus Ita-

lien kommen wird, um hier zu leben.

– Ein Vogel schreit. Diese Art von

Vögeln schreien immer in der Nacht

und das Geräusch erinnert an das Ge-

räusch eines bremsenden Fahrrades ...

Nachts, um diese Zeit schlafen zwischen

den Blättern der jungen Eukalyptusbäu-

me auch kleine Papageienvögel in allen

Farben, und Vampire und Flughunde ...

Im gleichen Augenblick sehe ich vor mir

meine liebe, alte Katze Galippo, die ich

vor vielen Jahren gerettet habe und die

jetzt bei unserem Freund Markus in ei-

nem Häuschen mit Garten in Deutsch-

land geblieben ist; und Galippo sieht

mich an mit seinen grünen, geduldigen

Augen ...

– Ich weiß, es wird noch einige

Zeit dauern bis die unsichtbaren Verlet-

zungen durch diese unglaubliche Tren-

nung geheilt sein werden. Und es wird

auch noch eine Weile dauern bis die

Echos aus meiner Welt und von Ottos

Bellerei, die in meinem kupfernen Tee-

kessel widerhallen, gelöscht sein wer-

den.

– Liebe Gisela, vielen Dank für

deine Hilfe und deine Unterstützung, so

dass wir es doch schaffen werden unse-

ren lieben Kater Pippo hierher transpor-

tieren zu können. Und eine Umarmung

an die vielen lieben Freunde von der

Deutschen Dzogchen Gemeinschaft die

mich ein Stück begleitet haben bei mei-

nem 18 Jahre dauernden Aufenthalt in

Deutschland.

Impressum

Dzogchen Brief ist die Zeitschrift der Dzogchen

Gemeinschaft Deutschland e.V.

Geschäftsstelle: Helga Betz

Lindemannstr. 12 40237 Düsseldorf

www.dzogchen.de

Redaktion: Samya Röder-Debus, Karin Heinemann,

Margarita Eidemüller-Jucknat, Jakob Winkler

Verantwortlich für diese Ausgabe: Margarita Eidemül-

ler-Jucknat

Gestaltung: Thomas Eifl er

Druck: ddz Berlin

Mitarbeit: Sadeet Arslan, Monica Wittib, Marie

Krupp, Christine Trachte, Helga Betz, Natalia

Gershevskaya, Angelika Pottkämper, Barbara Schwe-

sig, Nene Reile, Matthias Winter, Gerhard Seeliger,

Cristian Lang, Georgios Arvanitidis, Hans Vogel

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»We are not buying land to grow potatoes.

We are buying land to make rainbow bodies

possible«