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Zahn-Retention und -Verlagerung <K 07.3> Klinik für Kieferorthopädie Direktor: Prof. Dr. Jörg A. Lisson Universitätsklinikum des Saarlandes http://www.uks.eu/kieferorthopaedie Definition Jeder Zahn, der nicht zu einer bestimmten Zeit durchbricht, wird als retiniert (=verhalten) bezeichnet. Kommt es zusätzlich zu einer Ortsänderung des Zahnkeims im Knochen, so spricht man von Retention und Verlagerung. Derart betroffene Zähne kommen ohne Hilfe nicht oder nur stark zeitverzögert und ortsverändert zum Durchbruch. Bricht ein Zahn nur zum Teil durch, so spricht man von Halbretention. Häufigkeit, Symptome Die Angaben zur Häufigkeit retinierter Zähne variieren. Am häufigsten ist mit 78% der Weisheitszahn betroffen. Der Eckzahn kann bei 1,5% der kieferorthopädisch behandlungsbedürftigen Patienten retiniert und verlagert sein. Der Zahnwechsel beim Menschen geschieht nach einem immer gleichen Muster, von dem es nur geringe Variationen gibt. Der erste bleibende Zahn erscheint mit 6 Jahren, die Schneidezähne wechseln zwischen dem 7. und 8. Jahr, und der restliche Zahnwechsel erfolgt zwischen dem 10. und 13. Lebensjahr. Zahnwechsel und Zuwachszahnung erfolgen auf beiden Seiten etwa gleichzeitig, bei Mädchen immer etwas früher als bei Jungen und im Unterkiefer immer früher als im Oberkiefer. Weicht der Zahnwechsel von diesem Muster ab, liegt ein Verdacht auf Retention vor, insbesondere im Hinblick Abb.: Röntgenübersichtsaufnah- me (Orthopantomogramm, links) und Oberkiefer-Aufbissaufnahme (rechts) von palatinal verlagerten Eckzähnen. Poliklinik - Neuaufnahme: Di 9.00 - 12.30 Uhr, Tel. (06841) 16-24910 Kieferorthopädische Behandlung: Mo - Do 8.00 - 16.30 Uhr, Fr 8.00 - 13.00 Uhr, Tel. (06841) 16-24915 Interdisziplinäre Spezialsprechstunde bei Spaltbildung: Mi 10.00 - 12.00 Uhr, Tel. (06841) 16-24910 auf die Oberkiefer-Eckzähne. Bei der gaumenwärts gerichteten (palatinalen) Verlagerung von Zähnen kann es zu Auftreibungen am Gaumen, bei der zur Wange gerichteten (vestibulären) Verlagerung zu Auftreibungen in der Umschlagfalte kommen. Weiterhin besteht die große Gefahr, dass die verlagerten Zähne beim Versuch des Durchbruchs an falscher Stelle die Wurzeln der Nachbarzähne schädigen. Diagnostik Neben der klinischen Untersuchung, die aufgrund der Gesetzmä- ßigkeiten des Zahnwechsels erste Hinweise über retinierte Zähne geben kann, muss zunächst eine Röntgenübersichtsaufnahme (Orthopantomogramm) angefertigt werden. Hier lassen sich reti- nierte Zähne bedingt und verlagerte sofort identifizieren. Erhärtet sich der Verdacht, wird mit weiteren Einzelaufnahmen der genaue Platz des Zahnes im Knochen betrieben. Therapie Im Rahmen eines Gesamtkonzeptes, welches alle Zähne und das Zusammentreffen der Kiefer beim Mundschluss umfasst, wird festgelegt, ob und an welcher Stelle der betreffende Zahn eingeordnet wird. An der betreffenden Stelle muss durch eine kieferorthopädische Behandlung ausreichend Platz für den Zahn geschaffen werden. Dann erst erfolgt eine chirurgische Freilegung des Zahnes. Nach der Operation wird der Zahn dann mit Hilfe der bereits bestehenden kieferorthopä- dischen Behandlungsapparatur in den Zahnbogen eingegliedert. Diese Therapie wird von gesetzlichen Krankenversicherungen nur dann bezahlt, wenn ein Behandlungsplan vor dem 18. Geburtstag genehmigt wird. Prinzipiell ist die Durchführung aber auch zu einem späteren Zeitpunkt möglich. Vorbeugende Maßnahmen gegen die Retention von Zähnen sind nicht bekannt. Sie tritt allerdings um so häufiger auf, wenn durch frühzeitige kariöse Zerstörung von Milchzähnen unkontrollierte Zahnwanderungen einen Platzverlust im Zahnbogen ermögli- chen. Optimale Mundhygiene kann also auch bei diesem Krank- heitsbild einen präventiven Charakter haben. Abb.: Freilegung vorher (links) und nachher (rechts)

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Zahn-Retention und -Verlagerung <K 07.3>

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Jeder Zahn, der nicht zu einer bestimmten Zeit durchbricht, wird als retiniert (=verhalten) bezeichnet. Kommt es zusätzlich zu einer Ortsänderung des Zahnkeims im Knochen, so spricht man von Retention und Verlagerung. Derart betroffene Zähne kommen ohne Hilfe nicht oder nur stark zeitverzögert und ortsverändert zum Durchbruch. Bricht ein Zahn nur zum Teil durch, so spricht man von Halbretention.

Häufigkeit, Symptome

Die Angaben zur Häufigkeit retinierter Zähne variieren. Am häufigsten ist mit 78% der Weisheitszahn betroffen. Der Eckzahn kann bei 1,5% der kieferorthopädisch behandlungsbedürftigen Patienten retiniert und verlagert sein. Der Zahnwechsel beim

Menschen geschieht nach einem immer gleichen Muster, von dem es nur geringe Variationen gibt. Der erste bleibende Zahn erscheint mit 6 Jahren, die Schneidezähne wechseln zwischen dem 7. und 8. Jahr, und der restliche Zahnwechsel erfolgt zwischen dem 10. und 13. Lebensjahr. Zahnwechsel und Zuwachszahnung erfolgen auf beiden Seiten etwa gleichzeitig, bei Mädchen immer etwas früher als bei Jungen und im Unterkiefer immer früher als im Oberkiefer. Weicht der Zahnwechsel von diesem Muster ab, liegt ein Verdacht auf Retention vor, insbesondere im Hinblick

Abb.: Röntgenübersichtsaufnah-me (Orthopantomogramm, links) und Oberkiefer-Aufbissaufnahme (rechts) von palatinal verlagerten Eckzähnen.

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auf die Oberkiefer-Eckzähne. Bei der gaumenwärts gerichteten (palatinalen) Verlagerung von Zähnen kann es zu Auftreibungen am Gaumen, bei der zur Wange gerichteten (vestibulären) Verlagerung zu Auftreibungen in der Umschlagfalte kommen. Weiterhin besteht die große Gefahr, dass die verlagerten Zähne beim Versuch des Durchbruchs an falscher Stelle die Wurzeln der Nachbarzähne schädigen.

Diagnostik

Neben der klinischen Untersuchung, die aufgrund der Gesetzmä-ßigkeiten des Zahnwechsels erste Hinweise über retinierte Zähne geben kann, muss zunächst eine Röntgenübersichtsaufnahme (Orthopantomogramm) angefertigt werden. Hier lassen sich reti-nierte Zähne bedingt und verlagerte sofort identifizieren. Erhärtet sich der Verdacht, wird mit weiteren Einzelaufnahmen der genaue Platz des Zahnes im Knochen betrieben.

Therapie

Im Rahmen eines Gesamtkonzeptes, welches alle Zähne und das Zusammentreffen der Kiefer beim Mundschluss umfasst, wird festgelegt, ob und an welcher Stelle der betreffende Zahn eingeordnet wird. An der betreffenden Stelle muss durch eine kieferorthopädische Behandlung ausreichend Platz für den Zahn geschaffen werden. Dann erst erfolgt

eine chirurgische Freilegung des Zahnes. Nach der Operation wird der Zahn dann mit Hilfe der bereits bestehenden kieferorthopä-dischen Behandlungsapparatur in den Zahnbogen eingegliedert. Diese Therapie wird von gesetzlichen Krankenversicherungen nur dann bezahlt, wenn ein Behandlungsplan vor dem 18. Geburtstag genehmigt wird. Prinzipiell ist die Durchführung aber auch zu einem späteren Zeitpunkt möglich.

Vorbeugende Maßnahmen gegen die Retention von Zähnen sind nicht bekannt. Sie tritt allerdings um so häufiger auf, wenn durch frühzeitige kariöse Zerstörung von Milchzähnen unkontrollierte Zahnwanderungen einen Platzverlust im Zahnbogen ermögli-chen. Optimale Mundhygiene kann also auch bei diesem Krank-heitsbild einen präventiven Charakter haben.

Abb.: Freilegung vorher (links) und nachher (rechts)