7
War es zu Beginn der Entwicklung der Abfallgesetzgebung noch undenkbar, eines Tages die in Deponien abgelagerten Stoffe als Wertstoffe anzusehen, dem Deponiekörper wieder zu entnehmen und einer erneuten Nutzung zuzuführen, so ist ein solcher Vorgang aufgrund der ressourcenpolitischen Entwicklung in den letzten Jah- ren ein realistisches Szenario geworden. In rechtlicher Hinsicht stellt sich die spannende Frage, in welcher Weise mit dem Deponierecht ein auf die endgültige Ablagerung und die damit verbundene Ge- fahrenabwehr gerichtetes Rechtsregime konzeptionell zu einem Rechtsrahmen umgestaltet werden kann, der auch die Rohstoff(rück) gewinnung möglich macht. 1. Einführung Der steigende Rohstoffverbrauch und die damit einherge- hende Verknappung von Ressourcen 1 haben einen gesteiger- ten Bedarf an alternativen Rohstoffzugängen deutlich ge- macht. Um auch in Zukunft die Versorgungssicherheit mit Rohstoffen gewährleisten zu können, werden verschiedene Lösungsansätze diskutiert. Ein Schlüssel zur Minderung von Verknappungstendenzen und zur Verringerung von Um- weltbelastungen liegt in der verstärkten Aufbereitung und Nutzung von Sekundärrohstoffen. 2 Als potenzielle (Sekun- där)Rohstoffquelle kommen dabei auch Deponien in Frage. In der jüngeren Vergangenheit hat deshalb die Diskussion um die Rückgewinnung 3 und Nutzung der in den Deponien abgelagerten Rohstoffe zugenommen. 4 Auch die rechtswis- senschaftliche Literatur hat sich im Zuge der an Bedeutung gewinnenden rechtlichen Durchdringung des Themas Res- sourceneffizienz dieser Fragestellungen angenommen. 5 Der vorliegende Beitrag führt die Diskussion fort und geht dabei von der These aus, dass Landfill Mining nur dann einen tragfähigen und wirtschaftlichen Lösungsan- satz darstellt, wenn dieses Instrument in eine integrierte Gesamtstrategie aus verschiedenen Maßnahmen eingebet- tet ist. Dies umfasst sowohl den Ansatz einer „Multi-Ma- terial-Verwertung“, also möglichst alle verfügbaren und werthaltigen Stoffe aus der Deponie herauszuholen, 6 als auch die Kombination mit weiteren Maßnahmen zur Sa- nierung und zum Rückbau 7 sowie der Einleitung von Fol- genutzungen. Die folgenden Ausführungen beschreiben zunächst aktu- elle Entwicklungen in dem Themenfeld (2.) und widmen sich dem Zusammenhang zwischen der in der Vergangen- heit geltenden Abfallgesetzgebung und den daraus resultie- renden Schlussfolgerungen für eine mögliche Rückgewin- nung von Rohstoffen; davon umfasst ist eine ergänzende Betrachtung von Deponiestandorten in den neuen Bundes- ländern (3.). Daran anschließend erfolgt eine Bestandsauf- nahme des derzeit geltenden Rechts; im Mittelpunkt stehen Ass. jur. Falk Schulze LL.M., Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Umweltrecht & Governance des Öko-Instituts, Darmstadt, Deutschland Rebecca Schöne ist Staatsanwältin in Münster (Westf.) und war davor Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Umweltrecht & Governance des Öko-Instituts, Münster, Deutschland. das Bergrecht sowie das Bodenschutz- und Kreislaufwirt- schaftsrecht (4.). An die Bestandsaufnahme knüpft eine Analyse der vorhandenen Regelungsansätze einschließlich möglicher rechtlicher Anpassungen de lege ferenda an (5.). Der Beitrag endet mit einem Fazit und Ausblick (6.). 2. Aktuelle Entwicklungen und Stand der Forschung Das Konzept des Landfill Mining findet bisher keine Er- wähnung in den politischen Ressourcenstrategien auf euro- päischer und nationaler Ebene. 8 Der Grund dafür ist unter anderem darin zu sehen, dass weitere wissenschaftliche Er- kenntnisse aus den laufenden, groß angelegten Forschungs- DOI: 10.1007/s10357-014-2638-z Deponien als Lagerstätten zur Rohstoffgewinnung – Die Bedeutung zurückliegender Abfallgesetzgebung und aktuelle rechtliche Aspekte zu Landfill Mining Falk Schulze und Rebecca Schöne © Springer-Verlag 2014 123 324 NuR (2014) 36: 324–330 1) Vgl. Sachverständigenrat für Umweltfragen, Verantwortung in einer begrenzten Welt, Umweltgutachten 2012, S. 19 (Tz. 2); Umwelt- bundesamt, Rohstoffeffizienz – Wirtschaft entlasten, Umwelt scho- nen, Hintergrundpapier, 2010, S. 2. 2) Buchert et al., Critical metals for the future sustainable tech- nologies and their recycling potential, Studie im Auftrag des Resource Panel der UNEP, 2009, S. 72 ff.; Graedel et al., Me- tal Stocks in Society – Scientific Synthesis, in: UNEP DTEI (Hrsg.), International Panel for Sustainable Resource Manage- ment, 2011, S. 27. 3) Begriff „Landfill Mining“ als Unterfall des „Urban Mining“, also der Gewinnung von Sekundärrohstoffen aus dem anth- ropogenen Lager (z. B. Gebäudebestand, brachgefallene Infra- strukturen und bewegliche Güter wie Elektronikprodukte oder Altfahrzeuge). 4) Faulstich et al., Urban Mining – Wertstoffgewinnung aus Abfall- deponien, Bayerische Abfall- und Deponietage 17./18. 3. 2010; Franke/Mocker/Löh, Landfill Mining – Rohstoffpotenziale in De- ponien, in: Thomé-Kozmiensky/Goldmann (Hrsg.), Recycling und Rohstoffe, Band 4, 2011, S. 403 ff.; Buchert et al., Landfill Mi- ning – Option oder Fiktion?, Studie des Öko-Instituts im Auftrag der Stiftung Zukunftserbe, 2013. 5) Vgl. Sanden/Schomerus/Schulze, Entwicklung eines Regelungs- konzeptes für ein Ressourcenschutzrecht des Bundes, UBA-Be- richte 1/2012, S. 176 ff., 412 ff.; Sanden/Schomerus, Rechtsfragen des Landfill Mining – Weiterentwicklung des Deponierechts zur Rückgewinnung von Ressourcen, AbfR 2012, S. 194 ff., Elger, Landfill Mining: Ein realistischer Beitrag zum Ressourcenschutz?, NuR 2013, S. 257 ff. 6) Der alleinige Fokus auf einen bestimmten Rohstoff oder auf ein bestimmtes Produkt (z. B. Mobiltelefone) ist dagegen nicht zielführend. 7) Vgl. hierzu Elger (Fn. 5), NuR 2013, S. 257, 258, die davon aus- geht, dass Landfill Mining eine besondere Form des Deponierück- baus darstellt. 8) Vgl. auf europäischer Ebene: EU-Kommission (Hrsg.), Mittei- lung, Roadmap to a Resource Efficient Europe, KOM(2011) 571 endg., http://ec.europa.eu/environment/resource_efficiency/pdf/ com2011_571_de.pdf; für die nationale Ebene mit einem Ver- weis auf „Urban Mining“ lediglich bei der Phosphat-Rückgewin- nung: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher- heit (Hrsg.), Deutsches Ressourceneffizienzprogramm (ProgRess), Programm zur nachhaltigen Nutzung und zum Schutz der natür- lichen Ressourcen, Beschluss des Bundeskabinetts vom 29. 2. 2012, S. 75, im Internet unter: http://www.bmub.bund.de/fileadmin/ bmu-import/files/pdfs/allgemein/application/pdf/progress_ bf.pdf.

Deponien als Lagerstätten zur Rohstoffgewinnung – Die Bedeutung zurückliegender Abfallgesetzgebung und aktuelle rechtliche Aspekte zu Landfill Mining

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Page 1: Deponien als Lagerstätten zur Rohstoffgewinnung – Die Bedeutung zurückliegender Abfallgesetzgebung und aktuelle rechtliche Aspekte zu Landfill Mining

War es zu Beginn der Entwicklung der Abfallgesetzgebung noch undenkbar, eines Tages die in Deponien abgelagerten Stoffe als Wertstoffe anzusehen, dem Deponiekörper wieder zu entnehmen und einer erneuten Nutzung zuzuführen, so ist ein solcher Vorgang aufgrund der ressourcenpolitischen Entwicklung in den letzten Jah-ren ein realistisches Szenario geworden. In rechtlicher Hinsicht stellt sich die spannende Frage, in welcher Weise mit dem Deponierecht ein auf die endgültige Ablagerung und die damit verbundene Ge-fahrenabwehr gerichtetes Rechtsregime konzeptionell zu einem Rechtsrahmen umgestaltet werden kann, der auch die Rohstoff(rück)gewinnung möglich macht.

1. Einführung

Der steigende Rohstoffverbrauch und die damit einherge-hende Verknappung von Ressourcen 1 haben einen gesteiger-ten Bedarf an alternativen Rohstoffzugängen deutlich ge-macht. Um auch in Zukunft die Versorgungssicherheit mit Rohstoffen gewährleisten zu können, werden verschiedene Lösungsansätze diskutiert. Ein Schlüssel zur Minderung von Verknappungstendenzen und zur Verringerung von Um-weltbelastungen liegt in der verstärkten Aufbereitung und Nutzung von Sekundärrohstoffen. 2 Als potenzielle (Sekun-där)Rohstoffquelle kommen dabei auch Deponien in Frage. In der jüngeren Vergangenheit hat deshalb die Diskussion um die Rückgewinnung 3 und Nutzung der in den Deponien abgelagerten Rohstoffe zugenommen. 4 Auch die rechtswis-senschaftliche Literatur hat sich im Zuge der an Bedeutung gewinnenden rechtlichen Durchdringung des Themas Res-sourceneffizienz dieser Fragestellungen angenommen. 5

Der vorliegende Beitrag führt die Diskussion fort und geht dabei von der These aus, dass Landfill Mining nur dann einen tragfähigen und wirtschaftlichen Lösungsan-satz darstellt, wenn dieses Instrument in eine integrierte Gesamtstrategie aus verschiedenen Maßnahmen eingebet-tet ist. Dies umfasst sowohl den Ansatz einer „Multi-Ma-terial-Verwertung“, also möglichst alle verfügbaren und werthaltigen Stoffe aus der Deponie herauszuholen, 6 als auch die Kombination mit weiteren Maßnahmen zur Sa-nierung und zum Rückbau 7 sowie der Einleitung von Fol-genutzungen.

Die folgenden Ausführungen beschreiben zunächst aktu-elle Entwicklungen in dem Themenfeld (2.) und widmen sich dem Zusammenhang zwischen der in der Vergangen-heit geltenden Abfallgesetzgebung und den daraus resultie-renden Schlussfolgerungen für eine mögliche Rückgewin-nung von Rohstoffen; davon umfasst ist eine ergänzende Betrachtung von Deponiestandorten in den neuen Bundes-ländern (3.). Daran anschließend erfolgt eine Bestandsauf-nahme des derzeit geltenden Rechts; im Mittelpunkt stehen

Ass. jur. Falk Schulze LL.M., Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Umweltrecht & Governance des Öko-Instituts, Darmstadt, Deutschland

Rebecca Schöne ist Staatsanwältin in Münster (Westf.) und war davor Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Umweltrecht & Governance des Öko-Instituts, Münster, Deutschland.

das Bergrecht sowie das Bodenschutz- und Kreislaufwirt-schaftsrecht (4.). An die Bestandsaufnahme knüpft eine Analyse der vorhandenen Regelungsansätze einschließlich möglicher rechtlicher Anpassungen de lege ferenda an (5.). Der Beitrag endet mit einem Fazit und Ausblick (6.).

2. Aktuelle Entwicklungen und Stand der Forschung

Das Konzept des Landfill Mining findet bisher keine Er-wähnung in den politischen Ressourcenstrategien auf euro-päischer und nationaler Ebene. 8 Der Grund dafür ist unter anderem darin zu sehen, dass weitere wissenschaftliche Er-kenntnisse aus den laufenden, groß angelegten Forschungs-

DOI: 10.1007/s10357-014-2638-z

Deponien als Lagerstätten zur Rohstoffgewinnung – Die Bedeutung zurückliegender Abfallgesetzgebung und aktuelle rechtliche Aspekte zu Landfill MiningFalk Schulze und Rebecca Schöne

© Springer-Verlag 2014

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324 NuR (2014) 36: 324–330

1) Vgl. Sachverständigenrat für Umweltfragen, Verantwortung in einer begrenzten Welt, Umweltgutachten 2012, S. 19 (Tz. 2); Umwelt-bundesamt, Rohstoffeffizienz – Wirtschaft entlasten, Umwelt scho-nen, Hintergrundpapier, 2010, S. 2.

2) Buchert et  al., Critical metals for the future sustainable tech-nologies and their recycling potential, Studie im Auftrag des Resource Panel der UNEP, 2009, S.  72 ff.; Graedel et  al., Me-tal Stocks in Society – Scientific Synthesis, in: UNEP DTEI (Hrsg.), International Panel for Sustainable Resource Manage-ment, 2011, S. 27.

3) Begriff „Landfill Mining“ als Unterfall des „Urban Mining“, also der Gewinnung von Sekundärrohstoffen aus dem anth-ropogenen Lager (z. B. Gebäudebestand, brachgefallene Infra-strukturen und bewegliche Güter wie Elektronikprodukte oder Altfahrzeuge).

4) Faulstich et al., Urban Mining – Wertstoffgewinnung aus Abfall-deponien, Bayerische Abfall- und Deponietage 17./18. 3. 2010; Franke/Mocker/Löh, Landfill Mining – Rohstoffpotenziale in De-ponien, in: Thomé-Kozmiensky/Goldmann (Hrsg.), Recycling und Rohstoffe, Band 4, 2011, S. 403 ff.; Buchert et al., Landfill Mi-ning – Option oder Fiktion?, Studie des Öko-Instituts im Auftrag der Stiftung Zukunftserbe, 2013.

5) Vgl. Sanden/Schomerus/Schulze, Entwicklung eines Regelungs-konzeptes für ein Ressourcenschutzrecht des Bundes, UBA-Be-richte 1/2012, S.  176 ff., 412 ff.; Sanden/Schomerus, Rechtsfragen des Landfill Mining – Weiterentwicklung des Deponierechts zur Rückgewinnung von Ressourcen, AbfR 2012, S.  194 ff., Elger, Landfill Mining: Ein realistischer Beitrag zum Ressourcenschutz?, NuR 2013, S. 257 ff.

6) Der alleinige Fokus auf einen bestimmten Rohstoff oder auf ein bestimmtes Produkt (z. B. Mobiltelefone) ist dagegen nicht zielführend.

7) Vgl. hierzu Elger (Fn. 5), NuR 2013, S. 257, 258, die davon aus-geht, dass Landfill Mining eine besondere Form des Deponierück-baus darstellt.

8) Vgl. auf europäischer Ebene: EU-Kommission (Hrsg.), Mittei-lung, Roadmap to a Resource Efficient Europe, KOM(2011) 571 endg., http://ec.europa.eu/environment/resource_efficiency/pdf/com2011_571_de.pdf; für die nationale Ebene mit einem Ver-weis auf „Urban Mining“ lediglich bei der Phosphat-Rückgewin-nung: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-heit (Hrsg.), Deutsches Ressourceneffizienzprogramm (ProgRess), Programm zur nachhaltigen Nutzung und zum Schutz der natür-lichen Ressourcen, Beschluss des Bundeskabinetts vom 29. 2. 2012, S.  75, im Internet unter: http://www.bmub.bund.de/fileadmin/bmu-import/f iles/pdfs/al lgemein/application/pdf/progress_bf.pdf.

Page 2: Deponien als Lagerstätten zur Rohstoffgewinnung – Die Bedeutung zurückliegender Abfallgesetzgebung und aktuelle rechtliche Aspekte zu Landfill Mining

vorhaben an Deponiestandorten auf europäischer 9 und na-tionaler 10 Ebene als Basis für politische Entscheidungen notwendig sind. Bisher vorliegende wissenschaftlich ba-sierte Schätzungen und Potenzialanalysen liefern bereits einen fundierten Eindruck über die in den Deponien vor-handenen Rohstoffvorkommen. 11

In den dicht besiedelten Niederlanden und Belgien wird als gewichtiges Argument für ein zukünftiges Land-fill Mining auch die Wiedergewinnung von Flächen für andere Nutzungen angeführt. Das belgische Konzept des „Enhanced Landfill Mining (ELFM)“ sieht eine vollstän-dige Auskofferung der Deponie unter möglichst optimaler Rückgewinnung von Sekundärrohstoffen (stoffliche Nut-zung) und Sekundärbrennstoffen (energetische Nutzung) vor. Dieses Konzept wird derzeit erstmals in der Praxis an der ehemaligen Deponie REMO der Gemeinde Houtha-len-Helchteren erprobt. 12 In dieser, hinsichtlich der beste-henden Einlagerungen gut dokumentierten Deponie, sind rund 16 Mio. Tonnen Abfall (Siedlungs- und Industrieab-fälle, etwa zu gleichen Teilen) eingebunden. Mit einem Gesamtinvestitionsvolumen von über 230 Mio. EUR 13 soll ab 2013 im Verlauf von 20 Jahren die bestehende De-ponie abgebaut und die Fläche in einen Naturpark ver-wandelt werden. Das Projekt wird von Beginn an wissen-schaftlich begleitet. 14

Der Blick über den Ozean zeigt, dass die Potenziale für Landfill Mining-Maßnahmen in anderen hochentwickel-ten Industriestaaten sehr unterschiedlich ausfallen können. So haben die USA, als hochindustrialisiertes Land mit ge-ringem Flächendruck und gleichzeitig geringen Verwer-tungsquoten beim Recycling, ein deutlich höheres Po-tenzial 15 als beispielsweise Japan, wo Rohstoffe wesentlich häufiger verwertet werden. 16

3. Historischer Kontext: Entwicklung der Abfallablagerung in Deutschland

3.1 Alte Bundesländer

Um das vorhandene Rohstoffpotenzial von Deponien ein-schätzen und bewerten zu können, ist eine Betrachtung der zurückliegenden rechtlichen und verwaltungstechnischen Rahmenbedingungen aufschlussreich. Von diesen Rah-menbedingungen hing es ab, welche Abfälle und damit aus heutiger Sicht interessanten Rohstoffe in die Deponien gelangten.

Die ersten Regelungen zu Deponien datieren aus dem Jahr 1969. 17 In den alten Bundesländern gab es bis 1972 (also vor Erlass des Abfallbeseitigungsgesetzes) nur dezen-trale und überwiegend ungeordnete Ablagerungslösungen statt einer zentralen und vereinheitlichten Vorgehensweise („Bürgermeisterkippen“ 18). Alle anfallenden Abfallfrak-tionen wurden vermischt abgelagert, ungeachtet der Ei-genschaften (organisch oder anorganisch), der Herkunft (Haushalts- oder Gewerbeabfälle), des Aggregatzustandes (fest oder flüssig) oder der Gefährlichkeit (Sonderabfälle, toxische oder leicht entzündliche Abfälle). 19 Die Rechts-grundlagen bildeten die kommunalen Satzungen mit dem Anschluss- und Benutzungszwang an öffentliche Einrich-tungen sowie das klassische Polizei- und Ordnungsrecht. Materiellrechtliche Anforderungen resultierten insbeson-dere aus der Gewerbeordnung, dem Bundes-Seuchengesetz und dem Wasserhaushaltsgesetz (einschließlich den Wasser-gesetzen der Länder). 20

Aufgrund der zum damaligen Zeitpunkt nicht vor-handenen Abfallverwertung ist davon auszugehen, dass sich verschiedene, zum heutigen Zeitpunkt verwertbare

NuR (2014) 36: 324–330 325Schulze/Schöne, Deponien als Lagerstätten zur Rohstoffgewinnung

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„Landfill Mining – Option oder Fiktion?“ des Öko-Instituts, Berlin, 10. 2. 2012, im Internet unter: http://www.oeko.de/up-loads/oeko/forschung_beratung/themen/nachhaltige_ressour-cenwirtschaft/ 2012 0210_landfill_mining_berlin_atz.pdf; Nis-pel, Ressourcenpotenzial von Hausmülldeponien – Am Beispiel der Kreismülldeponie Hechingen, 2012.

12) Jones et  al., Enhanced Landfill Mining in view of multiple re-source recovery: a critical review, Journal of Cleaner Production (2012), doi:10.1016/j.jclepro.2012.05.021.

13) Das Budget umfasst die Ausgrabung des Abfalls, die Separierung für Materialrecycling und Sekundärrohstoffverwendung, die Plasmaverbrennung zur Erzeugung von elektrischer Energie und die Produktion eines baustofftauglichen Materials.

14) Quaghebeur et al., Characterization of landfilled materials: screening of the enhanced landfill mining potential, Journal of Cleaner Pro-duction, 2012, http://dx.doi.org/ 10.1016/j.jclepro.2012.06.012.

15) Vgl. den Verweis auf eine beispielhafte US-amerikanische Re-gelung zum Landfill Mining in: Sanden/Schomerus (Fn. 5), AbfR 2012, S. 194, 199; vgl. Bothmann et al., Umlagerung und Rückbau von deponierten Abfällen, ATV-DVWK/VKS-Arbeitsbericht 2002, S. 16 mit einer Übersicht an Deponierückbau-Projekten in den USA, darunter z. B. die Deponie Naples Landfill Collier County/Florida mit dem Versuch der Wertstoffrückgewinnung.

16) Buchert et al. (Fn. 2), S. 9 mit Verweis auf Goldmann.17) Merkblatt 3 der Zentralstelle für Abfallbeseitigung des Bundes-

gesundheitsamtes: Die geordnete Ablagerung (Deponie) fester und schlammiger Abfälle aus Siedlung und Industrie, Bundesge-sundheitsblatt 12. Jahrgang, 1969, Nr. 22, S. 362–370.

18) Siehe Begriff in: Leuphana Universität Lüneburg/ Prof. Burmeier In-genieurgesellschaft mbH (BIG), Leitfaden für die Nachnutzung von Altablagerungen – LeNA, erstellt im Rahmen des BMBF-Pro-jektes „NAPS – Nachnutzung von Altablagerungen an der Pe-ripherie eines städtischen Raumes“ (Förderschwerpunkt RE-FINA), im Internet unter: http://www.leitfaden-lena.de.

19) Zu Beginn der 70er Jahre wurden etwa 80 % des anfallenden Abfalls auf ca. 50 000 dieser ungeordneten Müllkippen abgela-gert: vgl. Kloepfer, Zur Geschichte des deutschen Umweltrechts, Schriften zum Umweltrecht, Band 50, 1994, S. 127.

20) Vgl. Fröhlich, Vom Nutzen ausgedienter Deponien, NuR 2011, S. 555, 555 f.

9) Projekt „Closing the Circle“: Enhanced Landfill Mining, K. U. Leuven, Hasselt University, Group Machiels, Vlaamse Instelling voor Technologisch Onderzoek N. V. (VITO), waste manage-ment world 2012, finanziert mit Mitteln der europäischen Re-gionalfonds (EFRE) und der flämischen Agentur für Innovation durch Wissenschaft und Technologie (IWT), im Internet unter: http://www.waste-management-world.com/articles/print/vo-lume-12/issue-2/features/closing-the-circle-enhanced-landfill-mining.html.

10) Vgl. insbesondere Verbundprojekt „TönsLM“, Entwicklung in-novativer Verfahren zur Rückgewinnung ausgewählter Ressour-cen aus Siedlungsabfall- und Schlackendeponien“ im Rahmen des BMBF-Förderprogramms „r³ – Innovative Technologien für Ressourceneffizienz – Strategische Metalle und Mineralien“, Laufzeit 2012 bis 2015, Projektpartner u. a. RWTH Aachen, TU Braunschweig, Ifeu Heidelberg, Öko-Institut, Tönsmeier Dienst-leistungs GmbH sowie Abfallentsorgungsbetrieb des Landkreises Lübbecke-Minden; vgl. außerdem das 2013 abgeschlossene Er-kundungsprojekt „Dyckerhoffbruch Wiesbaden“, ein gemeinsa-mes Forschungsprojekt der Entsorgungsbetriebe Wiesbaden mit der Justus-Liebig-Universität Gießen sowie die beiden ebenfalls abgeschlossenen Projekte zur Kreismülldeponie Hechingen so-wie zur Deponie Reiskirchen (die Forschungsberichte erschei-nen demnächst, Stand: 26. 3. 2014).

11) Vgl. für Hessen: Wiemer/Bartsch/Schmeisky, Deponien als Roh-stofflagerstätten von morgen – Ergebnis einer hessenweiten Untersuchung, in: Witzenhausen-Institut (Hrsg.), Bio- und Sekundärrohstoffverwertung IV, 2009, S. 685 ff.; Rettenberger, Zukünftige Nutzung der Deponie als Ressourcenquelle, 11. Münsteraner Abfallwirtschaftstage 2009, in: Flamme/ Gallen-kemper/ Gellen beck/ Rotter/ Kranert/ Nelles/ Quicker (Hrsg.), 11. Münsteraner Abfallwirtschaftstage (Tagungsband), Müns-teraner Schriften zur Abfallwirtschaft, Band  13, Münster 2009, S. 101 ff.; Gäth/Nispel, Ressourcenpotenzial von ausge-wählten Hausmülldeponien in Deutschland, Müll und Abfall, 2011, S.  61 ff.; Weißenbach et  al., Deponierückbau – Wirt-schaftlichkeit, Ressourcenpotenzial, Klimarelevanz, Studie im Auftrag des Lebensministeriums Österreich, 2011, S. 40 ff.; Buchert et al. (Fn. 2), S. 11 ff.; Franke, Landfill Mining – Roh-stoffpotenziale in Deponien, Vortragsfolien beim Workshop

Page 3: Deponien als Lagerstätten zur Rohstoffgewinnung – Die Bedeutung zurückliegender Abfallgesetzgebung und aktuelle rechtliche Aspekte zu Landfill Mining

Stoffe in den Lagerstätten befinden, darunter vor allem Rohstoffe wie Kupfer, Eisen und Aluminium. Dies be-legen auch die angesprochenen Potenzialanalysen zu den Deponiestandorten. 21

Zwischen 1972 und 1994 schritt die Abfallgesetzge-bung schließlich voran, mit erheblichen Auswirkungen auf die Abfallzusammensetzungen. Beginnend in einzel-nen Bundesländern 22 und schließlich auch auf Bundes-ebene 23 wurden Abfallgesetze verabschiedet, die nun eine geordnete Beseitigung der anfallenden Abfallfraktionen in den Blick nahmen. Mit dem Abfallbeseitigungsgesetz von 1972 wurde zwar auf Bundesebene ein Zulassungsverfah-ren zur Errichtung von Abfallbeseitigungsanlagen erstmals zwingend vorgeschrieben. Gleichwohl beinhaltete es zu-nächst in erster Linie Regelungen für die Strukturierung des grundlegenden (Deponie)Betriebs, nicht jedoch zur Regulierung von Stoffströmen und einer darauf aufbau-enden umwelttechnisch anspruchsvollen Abfallbeseitigung. Darüber hinausgehende Veränderungen mit Blick auf eine zunehmende Verwertung wurden im Abfallbeseitigungs-gesetz – dafür steht auch der Titel des Gesetzes – nicht in Angriff genommen.

Eine bedeutsame materiellrechtliche Regelung zur Ab-fallverwertung wurde 1974 mit dem Reststoffverwer-tungsgebot in § 5 Abs.  1 Nr.  3 BImSchG eingeführt. 24 Seitdem sind Verwertungsmaßnahmen zumindest für diejenigen nach dem BImSchG genehmigungsbedürf-tigen Anlagen im Kanon der Grundpflichten enthalten. Für nicht genehmigungsbedürftige Anlagen ist dagegen kein Vermeidungs- und Verwertungsgebot in den Grund-pflichten gemäß § 22 BImSchG festgelegt. 25 Mehr noch als die Einführung des ersten Abfallbeseitigungsgesetzes von 1972 beinhaltete vor allem die Einführung des Abfallge-setzes von 1986 eine abfallwirtschaftliche Zäsur, indem nun nicht mehr nur die Beseitigung des Abfalls im Fo-kus stand, sondern die Verwertung als vorgelagerte Stufe der Entsorgung und damit der wirtschaftliche Nutzen des Abfalls in den Mittelpunkt gerückt wurde. Demzufolge bedeutete vor allem das Abfallgesetz von 1986 einen ers-ten entscheidenden Paradigmenwechsel 26 und zog auch eine veränderte Zusammensetzung der abgelagerten Ab-fallfraktionen nach sich. Von Bedeutung für Landfill Mi-ning-Maßnahmen waren ebenfalls die TA Abfall 27 sowie die TA Siedlungsabfall 28. Diese Verwaltungsvorschriften beinhalteten erstmals technische Anforderungen an den Deponiebetrieb und legten Grundsätze fest, die noch Jahre später in den deponiespezifischen Verordnungen berück-sichtigt wurden (vgl. insbesondere die Zuordnungskrite-rien in Nr. 4.4.3 der TA Abfall).

Mit Einführung des KrW-/AbfG wurde endgültig die Pflichtentrias der Vermeidung, Verwertung und Besei-tigung als Grundsatz der Abfallwirtschaft etabliert. Ins-besondere die Vermeidung und Verwertung wurden mit stärkeren Konturen und konkreten gesetzlichen Anforde-rungen versehen, als dies noch bei der Vorgängerregelung der Fall war. Einen wesentlichen Einfluss auf die Potenziale für eine Rückgewinnung hat dabei der Grundsatz des Vor-rangs der Verwertung vor der Beseitigung (vgl. § 10 Abs. 1 KrW-/AbfG a. F.).

Flankierend zum KrW-/AbfG entwickelten sich auch die speziell deponierechtlichen Rahmenbedingungen wei-ter, so dass heute von strengen Anforderungen an die ab-zulagernden Abfälle auszugehen ist. Seit Juni 2005, also seit Einführung der Vorbehandlungspflicht, haben außer-dem alle Abfälle, die letztlich einer Deponierung zugeführt werden, diese Vorstufe zu durchlaufen.

3.2 Neue Bundesländer

Ein Abfallrecht im Sinne einer abgegrenzten Rechtsmaterie existierte in der ehemaligen DDR nicht. Als Ansatzpunkt einer rechtlichen Regelung war die „Minimierung des Na-

turressourceneinsatzes einschließlich der Wiederverwer-tung von Sekundärrohstoffen“ anzusehen. 29 Rechtsgrund-lage bildete das Landeskulturgesetz 30 der DDR aus dem Jahre 1970. Das Gesetz regelte in grundsätzlicher Weise die Aufgaben und Ziele der DDR-Umweltpolitik und wurde durch Durchführungsverordnungen konkretisiert. Ein-schlägiges Beispiel, das auch als wesentliche abfallrelevante Bestimmung anzusehen ist, war die 3. Durchführungsver-ordnung „Zur Sauberhaltung der Städte und Gemeinden und Verwertung von Siedlungsabfällen“. Letztlich war die intensive Wiederverwertung von Sekundärrohstoffen je-doch nicht als Ausdruck einer fortschrittlichen Gesetzge-bung anzusehen, sondern eher den wirtschaftlichen Not-wendigkeiten aufgrund der Rohstoffknappheit geschuldet. Für die Deponien in den neuen Bundesländern galt bis zum 1. Juli 1990, dem Tag des Wirksamwerdens des AbfG (1986), das DDR-Recht weiter. 31 Nach diesem Stichtag wurden die DDR-Deponien ebenso behandelt wie die vor Inkrafttreten des AbfG von 1972 in Betrieb befindlichen Deponieanlagen in den alten Bundesländern. Die Rege-lung des § 39 Abs. 2 KrWG erklärt § 39 Abs. 1 KrWG für entsprechend anwendbar.

Die Situation der Deponiestandorte in den neuen Bun-desländern unterscheidet sich von den Gegebenheiten in

Schulze/Schöne, Deponien als Lagerstätten zur Rohstoffgewinnung

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326 NuR (2014) 36: 324–330

21) Vgl. z. B. Schätzungen für die Kreismülldeponie Hechingen (Ablagerungsbetrieb von 1964 bis 1982): Gäth, Landfill Mi-ning – Stand der Forschung, Vortragsfolien beim Workshop „Landfill Mining – Option oder Fiktion?“ des Öko-Instituts, Berlin, 10. 2. 2012, im Internet unter: http://www.oeko.de/uploads/oeko/forschung_beratung/themen/nachhaltige_res-sourcenwirtschaft/ 20120210_landfill_mining_berlin_unigie-ssen.pdf; vgl. auch die Einschätzung von Elger (Fn.  5), NuR 2013, S. 257, 259.

22) Hessisches Abfallgesetz (HAbfG) vom 13. 7. 1971 (GVBl. I S. 191), Abfallgesetz für Baden-Württemberg (AbfG BW) vom 21. 12. 1971 (GBl. 1972, S. 1), Landesgesetz Rheinland-Pfalz über die geordnete Beseitigung von Abfällen (Abfallgesetz – AbfG –) vom 17. 1. 1972 (GVBl.-RLP 1972, S. 81).

23) Gesetz zur Ordnung der Beseitigung von Abfällen (Abfallbesei-tigungsgesetz – AbfG) vom 7. 6. 1972 (BGBl. I S. 873).

24) Jarass, in: Jarass/Petersen/Weidemann, Kommentar zum KrW-/AbfG, Einführung, Rdnr. 39.

25) Jarass, BImSchG, Kommentar, 10. Auflage, 2013, § 22 Rdnr. 54, 58.

26) Vgl. auch die übersichtsartigen Darstellungen bei Fröhlich, Folge-nutzung von Deponieflächen – veranschaulicht anhand von Pra-xisbeispielen, UPR 2006, S. 57 (58); ders. (Fn. 20), NuR 2011, S. 555, 556.

27) Technische Anleitung zur Lagerung, chemisch/physikalischen, biologischen Behandlung, Verbrennung und Ablagerung von besonders überwachungsbedürftigen Abfällen vom 12. 3. 1991 (GMBl. Nr. 8 S. 139) zuletzt geändert am 21. 3. 1991 durch Be-richtigung der Gesamtfassung der Zweiten allgemeinen Verwal-tungsvorschrift zum Abfallgesetz (TA Abfall), GMBl. Nr.  16 vom 23. 5. 1991, S. 469. Im Zuge der Neuordnung des Deponie-rechts wurde die TA Abfall durch die Allgemeine Verwaltungs-vorschrift zur Aufhebung von Verwaltungsvorschriften zum Deponierecht vom 27. 4. 2009 und mit Wirkung zum 16. 7. 2009 außer Kraft gesetzt; ihr Regelungsgegenstand wird durch die Deponieverordnung vom 27. 4. 2009 fortgesetzt.

28) Technische Anleitung zur Verwertung, Behandlung und sonsti-gen Entsorgung von Siedlungsabfällen (Dritte Allgemeine Ver-waltungsvorschrift zum Abfallgesetz) vom 14. 5. 1993 (BAnz. Nr.  99a vom 29. 5. 1993). Die TASi wurde mit Wirkung zum 16. 7. 2009 durch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Auf-hebung von Verwaltungsvorschriften zum Deponierecht vom 27. 4. 2009 außer Kraft gesetzt.

29) Voss, in: Kloepfer (Hrsg.), Instrumente des Umweltrechts der früheren DDR: Instrumente des Abfallrechts in der DDR, S. 72.

30) GBl. DDR I, S. 67.31) Paetow, in: Kunig/Paetow/Versteyl, KrW-/AbfG, 2.  Auf-

lage, 2003, § 35 Rdnr. 30; Fröhlich (Fn. 20), NuR 2011, S. 555; vgl. auch OVG Bautzen, Beschl. v. 14. 2. 2005 – 4 Bs 273/04, SächsVBl 2006, S. 7 ff.

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den alten Bundesländern. Diese Standorte lassen sich zu-nächst in geordnete Deponien, kontrollierte Ablagerungen und wilde Deponien (Müllkippen) unterteilen. Dabei er-gab eine staatliche Inspektion im Jahr 1985 folgende Zah-len 32 : 121 geordnete Deponien, 4870 kontrollierte Ablage-rungen und 7437 wilde Deponien. Letztlich kamen jedoch auf nahezu allen Standorten Haushalts-, Gewerbe- und In-dustrieabfälle gemeinsam zur Ablagerung. 33 Hervorzuhe-ben ist die geringe Anzahl an geordneten Deponien.

In der ehemaligen DDR wurde wegen wirtschaftlicher Zwänge bereits sehr früh eine intensive Wiederverwertung betrieben, die sich auch auf die Zusammensetzung der ab-gelagerten Abfälle ausgewirkt hat. Die Recyclingrate war vergleichsweise hoch, beispielsweise konnte über Stahl-schrott etwa 70 % des Rohstoffbedarfs der Stahlindustrie gedeckt werden. 34 Es ist deshalb davon auszugehen, dass in den alten Deponien (vor Juni 2006) der alten Bundesländer wesentlich mehr werthaltige Rohstoffe vorhanden sind als in den Deponien der neuen Bundesländer. 35 Es ist außer-dem davon auszugehen, dass nur die geordneten Deponien die kritische Größe haben und für Maßnahmen der Roh-stoffrückgewinnung in Betracht kommen.

3.3 Schlussfolgerungen für das Landfill Mining-Konzept

Entscheidenden Einfluss auf das Landfill Mining-Konzept auf nationaler Ebene haben vor allem zwei Aspekte: die Einführung der Verwertungspflicht und die Einführung der Pflicht zur Vorbehandlung von Deponieabfällen. Die Verwertungspflicht wurde erstmals im Abfallgesetz von 1986 in einer Regelung verankert, kam jedoch erst wirk-lich mit Einführung des KrW-/AbfG 1994 zum Tragen. Berücksichtigt man weitere Jahre bis zur Entwicklung bzw. Weiterentwicklung der adäquaten Verwertungstechnolo-gien, so kann bis zur Jahrtausendwende von einer defizi-tären Verwertung ausgegangen werden. Das heißt, bis zu diesem Zeitpunkt sind Stoffe noch auf Deponien beseitigt worden, die unter den heutigen Rahmenbedingungen ei-ner Verwertung zugeführt werden müssten.

Die Einführung der mechanischen, biologischen oder mechanisch-biologischen Vorbehandlung im Juni 2005 stellt eine weitere Zäsur dar: Nunmehr werden weitere ver-wertbare Stoffe den für die Beseitigung vorgesehenen Ab-fallfraktionen entzogen. Die dabei zur Anwendung kom-menden physikalischen Vorgänge wie Zerkleinerung oder Sortierung gewährleisten eine hohe Zurückgewinnungs-quote. Das Jahr 2005 ist zudem vor dem Hintergrund inte-ressant, als zu diesem Zeitpunkt noch Deponien geschlos-sen wurden, deren Ablagerungen keine Vorbehandlung mehr durchlaufen haben und deshalb zumindest ein hö-heres Potenzial an verwertbaren Stoffen aufweisen könn-ten als alle zu diesem Zeitpunkt noch in Betrieb oder in der Stilllegung befindlichen Deponien, deren Ablagerun-gen bereits vorbehandelt sind. Deshalb dürften die ab Juni 2005 auf den Deponien abgelagerten Abfälle für Landfill Mining keine größere Bedeutung mehr haben.

Für Deponiestandorte in den neuen Bundesländern ist zu berücksichtigen, dass die Abfallwirtschaft der ehemali-gen DDR eine hohe Recyclingrate von attraktiven Rohstof-fen, wie Metallen, erreichte. Zudem lenkte das Kombinat „Sekundärrohstoff-Erfassung“ (SERO) seit 1980 die staatli-che Erfassung der „rückzuführenden Stoffe“. Es ist also da-von auszugehen, dass spätestens ab diesem Zeitpunkt an al-len Deponiestandorten der ehemaligen DDR (einschließlich der großen Standorte) ein geringerer verwertbarer Rohstoff-anteil in die Deponien eingebracht wurde, als dies in den al-ten Bundesländern in diesem Zeitraum der Fall gewesen ist.

4. Mögliche Ansatzpunkte im geltenden Recht

Aus rechtswissenschaftlicher Sicht sind zunächst die An-knüpfungspunkte im geltenden Recht zu untersuchen.

4.1 Bergrecht

Der Umstand, dass Landfill Mining-Vorhaben vor allem auf die Rohstoffsicherung abzielen, legt die Anwendung des Bergrechts nahe. Der Anwendungsbereich des Bergrechts ist jedoch auf Bodenschätze beschränkt und die in den De-ponien befindlichen Rohstoffe fallen nicht unter diese De-finition. Bodenschätze sind gemäß § 3 Abs. 1 BBergG nur solche Rohstoffe, die in natürlichen Lagerstätten 36 vorkom-men. Deponien dagegen sind künstlich hergestellte Anla-gen und erfüllen nicht das Merkmal der Natürlichkeit.

Ebenso am Merkmal der Natürlichkeit scheitert die An-wendung derjenigen Regelungsregime, die für die Gewin-nung von Bodenschätzen zur Anwendung kommen, die nicht im gesetzlichen Katalog der bergfreien oder grund-eigenen Bodenschätze enthalten sind 37 (sogenannte Grund-eigentümerbodenschätze 38). Dies umfasst insbesondere die Kies- und Sandgewinnung. Voraussetzung ist hier die Ab-tragung der natürlich gegebenen Erdoberfläche, 39 somit scheidet bereits unter Berücksichtigung dieses Regelungs-zusammenhangs eine Zuordnung von Landfill Mining-Vorhaben aus.

4.2 Bodenschutzrecht

Primärer Gesetzeszweck des BBodSchG ist die nachhal-tige Sicherung und Wiederherstellung der Bodenfunkti-onen (vgl. § 1 S. 1 BBodSchG). Zur Konkretisierung der in Satz 1 genannten Ziele werden in § 1 S. 2 BBodSchG drei Handlungsfelder benannt, die Ansätze der Nachsorge und Vorsorge umfassen: Die Abwehr schädlicher Boden-veränderungen (Alt. 1), die Sanierung von Boden, Altlasten und Gewässerverunreinigungen (Alt. 2) sowie die Vorsorge gegen nachteilige Einwirkungen (Alt.  3). Der Vorsorge-gedanke in Bezug auf eine mögliche Sicherung und Gewin-nung von Rohstoffen wird vom Bodenschutzrecht dage-gen nicht berücksichtigt. Die wesentlichen Instrumente des BBodSchG (Sanierungspflicht zur Gefahrenabwehr gemäß § 4 Abs. 3 BBodSchG sowie Sanierungsuntersuchung/-plan gemäß § 13 Abs.  1 BBodSchG) wären aber grundsätzlich auch für das Landfill Mining-Konzept vorstellbar.

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32) Sogenannte „Arbeiter- und Bauern-Inspektion“: vgl. bei Pet-schow/Meyerhoff/Thomasberger, Umweltreport DDR: Bilanz der Zerstörung, Kosten der Sanierung, Strategien für den ökologi-schen Umbau (Studie des Instituts für ökologische Wirtschafts-forschung IÖW), 1990, S. 80.

33) Andreas, Langzeitemissionsverhalten von Deponien für Sied-lungsabfälle in den neuen Bundesländern, S. 2.

34) Petschow/Meyerhoff/Thomasberger (Fn.  32), Umweltreport DDR, S. 79.

35) Weißenbach et al. (Fn. 11), S. 30 mit überblicksartiger Darstellung der Forschungsprojekte in den Deponien Schöneiche und Schö-neicher Plan (Brandenburg) sowie mit Verweis auf Bockreis/Jager, Abfallwirtschaftliche Rekonstruktion von Altdeponien, Wasser und Abfall 2009, S. 42 ff.

36) Natürliche Lagerstätten sind Ablagerungen oder Ansammlun-gen, die nicht durch Menschenhand künstlich geschaffen wor-den sind, vgl. BT-Drs. 8/1315, S. 78, Boldt/Weller, BBergG, § 3 Rdnr. 4.

37) Bayern und Nordrhein-Westfalen haben spezielle Abgrabungs-gesetze erlassen; im Übrigen richtet sich in den Bundesländern, die keine Abgrabungsgesetze erlassen haben, die Gewinnung von nicht dem Bergrecht unterliegenden Bodenschätzen bei Nassabbau nach § 68 Abs.  1 WHG (Herstellung eines Gewäs-sers, „Grundwassersee“) sowie bei Trockenabbau nach dem Na-turschutzgesetz (z. B. Niedersachsen) oder der Bauordnung (z. B. Hessen).

38) Dazu gehören vor allem Kies, Sand, Kalkstein und Torf; zur Un-terscheidung der Bodenschatz-Kategorien innerhalb und außer-halb des BBergG vgl. Gaentzsch, Rechtliche Fragen des Abbaus von Kies und Sand, NVwZ 1998, S. 889, 890.

39) Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg (Hrsg.), BauGB, § 29 Rdnr. 46.

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Das Bodenschutzrecht kommt jedoch wegen der Sub-sidiaritätsklausel in § 3 Abs.  1 Nr.  2 BBodSchG und ge-mäß § 40 Abs.  2 S.  2 KrWG erst nach der endgültigen 40 Stilllegung einer Deponie zum Zuge und auch nur dann, wenn der Verdacht besteht, dass von der Deponie schädli-che Bodenveränderungen oder sonstige Gefahren für den Einzelnen oder die Allgemeinheit ausgehen. 41 Es handelt sich folglich um reine Gefahrenabwehrmaßnahmen, die keinerlei Rohstoffsicherungsaspekte beinhalten. Das Bo-denschutzrecht käme also zu einem späten Zeitpunkt und nur aufgrund einer Gefahrenlage zur Anwendung. Gerade vor dem oben beschriebenen multifunktionalen Ansatz, in den die Rohstoffrückgewinnung eingebettet werden soll, wären im Rahmen des BBodSchG konzeptionelle Defizite vorprogrammiert. Hinzu kommt die praktische Schwie-rigkeit, dass der Sanierungsbedarf einer Deponie und da-mit die Gefahrenlage im Regelfall schwer nachzuweisen ist. Zudem enthält das Bodenschutzrecht keine Vorgaben zur Aufarbeitung der Abfallvorkommen und Nachnutzung der Deponiefläche. 42

Aus diesem Grund erscheint das Bodenschutzrecht trotz seines in Ansätzen vorhandenen Instrumentariums nicht geeignet, den vollständigen Regelungsrahmen für Landfill Mining-Vorhaben abzubilden.

4.3 Kreislaufwirtschaftsrecht

Der Zweck des § 1 KrWG umfasst die Förderung der Kreis-laufwirtschaft zur Schonung der natürlichen Ressourcen und der Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen sowie den Schutz von Mensch und Umwelt bei der Erzeugung und Bewirtschaftung von Abfällen. Ne-ben dem Gefahrenabwehrgedanken ist daher der Vorsor-gegedanke „Förderung der Schonung natürlicher Ressour-cen“ ein wesentlicher Bestandteil des Gesetzeszwecks. Vor dem Hintergrund dieses Leitprinzips wäre auch eine Maß-nahme zur Rohstoffsicherung wie das Landfill Mining, die – entsprechenden Erfolg vorausgesetzt – zur Entlastung na-türlicher Ressourcen beitragen würde, bereits grundsätz-lich vom Gesetzeszweck des KrWG umfasst.

Abfalldeponien durchlaufen verschiedene Zeitphasen, die vom Verordnungsgeber in § 2 DepV 43 definiert worden sind. Anknüpfungspunkte im Kreislaufwirtschaftsrecht ergeben sich aus der auf die EU-Deponierichtlinie 44 (vgl. Art.  13 der RL) zurückgehende Vorschrift zur Stilllegung und Nachsorge von Deponien (§ 40 KrWG). Diese Vorschrift ist jedoch vom Regelungszweck her nicht auf die (Wie-der-)Öffnung einer Deponie 45 und eine damit einherge-hende Rohstoffrückgewinnung ausgerichtet. Nach gegen-wärtiger Rechtslage besteht die Möglichkeit einer Öffnung von Deponien dann, wenn eine Rückbaumaßnahme vorge-nommen werden soll. Ein Rückbau wird insbesondere zur Sanierung und Ertüchtigung verfüllter Deponieabschnitte, zur Entfernung des Deponiekörpers (z. B. wegen zu hoher Nachsorgekosten), zur Volumengewinnung oder zur Kom-paktierung des Abfalls durchgeführt. 46 Der Rückbau einer Deponie bezeichnet die vollständige oder teilweise Her-ausnahme von eingebauten Abfällen. Einen eigenen Zulas-sungstatbestand, der den Deponierückbau regelt, enthält das KrWG jedoch nicht. Der Rückbau einer Deponie wird zu-lassungsrechtlich deshalb als „wesentliche Änderung“ der Deponie gemäß § 35 Abs. 2 KrWG eingeordnet. Damit liegt hier unter abfallrechtlichen Gesichtspunkten grundsätzlich die Möglichkeit vor, über einen Deponierückbau auch eine Sicherung abgelagerter potenzieller Rohstoffe vornehmen zu können. Zwar liegt der Hauptzweck bisheriger Rück-bauvorhaben nicht in der Rohstoffsicherung, dies ließe sich jedoch im Sinne der oben erwähnten Integration verschie-dener Maßnahmen perspektivisch ändern.

Eine wesentliche Änderung im Sinne des § 35 Abs.  2 KrWG setzt ein Planfeststellungsverfahren voraus. Teil-weise wird auch vertreten, dass der Rückbau einer Depo-

nie keine erheblichen und nachteiligen Auswirkungen auf die in § 2 Abs. 1 S. 2 UVPG genannten Schutzgüter ha-ben kann, da das Ziel des Rückbaus ja eine Verbesserung der bestehenden Situation sei. 47 In dieser Konsequenz hätte die zuständige Behörde dann die Möglichkeit, gemäß § 35 Abs.  3 KrWG ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren durchzuführen.

Dem wird richtigerweise entgegengehalten, dass es we-nig Erfahrungen mit Rückbauvorhaben zum Zwecke der Rohstoffsicherung gibt und dies in einem möglichen Ge-nehmigungsverfahren zu Unsicherheiten bei den zustän-digen Behörden führen würde. 48 Bei der Frage nach der rechtlichen Einordnung des Genehmigungsverfahrens ist auch zu beachten, dass ein Landfill Mining-Vorhaben durchaus Auswirkungen auf Mensch und Umwelt haben kann. So kann es zum Kontakt mit Schadstoffen bei der Öffnung bzw. der Trennung der Abfälle kommen, auch der Grundwasserschutz muss sichergestellt werden. Eine ord-nungsgemäße Behandlung und Deponierung des nicht ver-wertbaren Restmaterials muss daher gewährleistet sein. 49

Mögliche abfallrechtliche Instrumente, über die eine Öffnung der Deponie nach der Stilllegung und während der Nachbetriebsphase erreicht werden kann, sind die Rekultivierungsanordnung gemäß § 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 KrWG, die Sicherungsanordnung gemäß § 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 KrWG oder die Anordnung von Überwachungs- und Meldepflichten gemäß § 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 KrWG. Diese Ermächtigungsgrundlagen reichen jedoch als Rechts-grundlage für Landfill Mining-Vorhaben nicht aus. Die Regelungen adressieren zwar die typischerweise bei der Stilllegung und der Nachsorge auftretenden Problemstel-lungen und deren Umgang, sie haben jedoch eine andere Zielrichtung. Rekultivierung gemäß § 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 KrWG betrifft die Wiedereingliederung des gebrauchten Grundstücks in die Landschaft im Sinne der Anpassung an seine natürliche Umgebung. 50 Hauptzielrichtung der Re-kultivierung ist daher der Landschaftsschutz. Die sonstigen Vorkehrungen gemäß § 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 KrWG die-nen der Gefahrenabwehr und der Vorsorge zum Schutz des Wohls der Allgemeinheit.

Eine ausreichende Rechtsgrundlage zur Genehmi-gung von Landfill Mining-Vorhaben sieht das geltende Kreislaufwirtschaftsrecht daher – trotz vorhandener An-sätze – nicht vor. Mit der Deponieverordnung verfügt das

Schulze/Schöne, Deponien als Lagerstätten zur Rohstoffgewinnung

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328 NuR (2014) 36: 324–330

40) Mit Inkrafttreten des KrWG wurde § 40 Abs. 2 S. 2 KrWG inso-weit geändert, dass zur Abgrenzung zum Bodenschutzrecht nun auf die „endgültig stillgelegte Deponie“ abgestellt wird.

41) Sondermann/Hejma, in: Sondermann/Versteyl, BBodSchG, 2. Aufl., 2005, § 3 Rdnr. 29; Schwetzel, in: Jahn/Deifuß-Kruse/Brandt (Hrsg.), Kreislaufwirtschaftsgesetz, 1.  Aufl. 2014, § 40 Rdnr.  22; zur Schnittstelle Abfall- und Bodenschutzrecht vgl. außerdem OVG Münster, Urteil vom 16. 11. 2000, ZUR 2001, S. 335, 336 f.; mit Anmerkung von Frenz, ZUR 2001, S. 337 ff.

42) Sanden/Schomerus (Fn. 5), AbfR 2012, S. 194, 198.43) Verordnung über Deponien und Langzeitlager (Deponieverord-

nung – DepV) vom 27. 4. 2009 (BGBl. I S. 900), zuletzt geändert durch Gesetz zur Neuordnung des Kreislaufwirtschafts- und Ab-fallrechts vom 24. 2. 2012, BGBl. I S. 212.

44) Richtlinie 1999/31/EG vom 26. 4. 1999 über die Deponierung von Abfällen (ABl. Nr. L 182 16. 7. 1999, S. 1).

45) Versteyl, in: Schink/Versteyl (Hrsg.), KrWG, Kommentar zum Kreislaufwirtschaftsgesetz, 1. Aufl. 2014, § 40 Rdnr. 3.

46) Bothmann et  al. (Fn.  15), ATV-DVWK/VKS-Arbeitsbericht 2002, S. 4.

47) Ebenda, S. 7.48) Gosten, Untersuchung über den Nutzen des Deponierückbaus un-

ter heutigen Rahmenbedingungen am Beispiel einer BSR-De-ponie, in: Thomé-Kozmiensky/Goldmann (Hrsg.), Re,cycling und Rohstoffe, Band 2, S. 447, 451.

49) Sanden/Schomerus (Fn. 5), AbfR 2012, S. 194, 198.50) Attendorn, in: Jarass/Petersen (Hrsg.), KrWG, Kommentar, 2014,

§ 40 Rdnr. 110.

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Kreislaufwirtschaftsrecht jedoch über ein differenzier-tes Regelungsinstrumentarium, das in seiner Ausrichtung (Anlagenbezug, Sicherheitsanforderungen, zeitliche Abstu-fung der Phasen) grundsätzlich geeignet ist, einen Rechts-rahmen für Maßnahmen der Rohstoffsicherung in Depo-nien bereitzustellen.

5. Regelungsbedarf – Eckpunkte eines rechtlichen Rahmens

Neben der Gefahrenabwehr – Schutz vor Beeinträchtigun-gen von Mensch und Umwelt – sollte der Rechtsrahmen des Deponierechts auch vorsorgende Aspekte der Rohstoff-sicherung adressieren, um eine mögliche Rückgewinnung und Nutzung vorhandener Wertstoffe zu erleichtern und alternativen Formen der Deponienutzung den Weg zu eb-nen. Aufgrund der fehlenden Rechtsgrundlagen zur Siche-rung vorhandener Rohstoffpotenziale ist es derzeit ohne einen vordringlichen Sanierungsbedarf nicht möglich, die Öffnung und Auskofferung einer Deponie vorzuneh-men. Dieses Hemmnis sollte durch eine Ertüchtigung des Rechtsrahmens beseitigt werden. Dabei sind vier Schwer-punkte besonders hervorzuheben: die Festlegung eines Zu-lassungsverfahrens und die entsprechende Ergänzung der Ermächtigungsgrundlage in § 43 KrWG, die Festlegung der UVP-Pflicht im UVPG, die Konkretisierung der De-ponieverordnung und die Beibehaltung der Schnittstelle zum BBodSchG.

5.1 Zulassungsverfahren und Ermächtigungsgrundlage im KrWG

In Anlehnung an die Planfeststellungsbedürftigkeit von Deponien sollte für die Vornahme von Landfill Mining-Vorhaben ebenfalls eine Planfeststellungspflicht normiert werden. Angesichts der möglichen mit Landfill Mining verbundenen Umweltauswirkungen sowie der an die Be-handlung der gesicherten Abfälle zu stellenden Anforde-rungen würde ein solches Verfahren das geeignetste Mittel darstellen, um Gefahren zu vermeiden und die Behörde in die Lage versetzen, eine Entscheidung unter Abwägung al-ler entscheidungserheblichen Belange zu treffen.

Es müsste unter rechtssystematischen Gesichtspunkten zunächst im KrWG geregelt werden, dass die Sicherung von Abfällen zum Zwecke der Wiederverwertung einer Planfeststellung durch die zuständige Behörde bedarf. Als Grundlage käme § 36 KrWG in Betracht, der um Rohstoff-sicherungsaspekte erweitert werden sollte und damit auch eine Ermächtigungsgrundlage im KrWG für Maßnahmen des Landfill Mining bereithalten würde. Der Zweck des Kreislaufwirtschaftsrechts umfasst auch die Sicherung von Abfällen aus bestehenden Deponien zum Zweck der Wie-derverwertung. Es ist jedoch klarstellend zu empfehlen, die Ermächtigungsgrundlage soweit zu ergänzen, dass auch die Anforderungen, die an die Öffnung von Deponien zum Zweck der Rohstoffsicherung zu stellen sind, festgeschrie-ben werden können. Sodann sollten Anforderungen, die an die Erteilung eines Planfeststellungsbeschlusses zu stel-len sind, festgelegt werden. Konkretisierende Regelungen könnten daran anschließend in einem untergesetzlichen Regelwerk normiert werden. Die Verordnungsermächti-gung in § 43 KrWG zur Ausgestaltung des § 36 KrWG sollte auch konkretisierende Genehmigungsvoraussetzungen für Landfill Mining-Maßnahmen beinhalten.

5.2 Regelung der Pflicht zur Vornahme einer UVP

Unter Bekräftigung der zuvor beschriebenen Ansicht zu Gunsten der Planfeststellungsbedürftigkeit eines Landfill Mining-Vorhabens ist wegen der möglichen Umweltaus-wirkungen und des Gefahrenpotenzials auch für die Durch-führung einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu plädie-ren. Diese sollte im Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz

(UVPG) in Ergänzung der UVP-Pflicht bei der Errich-tung von „Abfallbeseitigungsdeponien“ in Nr. 12 der An-lage 1 des UVPG explizit geregelt werden. Alternativ käme die Regelung einer allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls (§ 3 c S. 1 UVPG) oder einer standortbezogenen Vorprü-fung des Einzelfalls (§ 3 c S. 2 UVPG) in Betracht. 51

5.3 Konkretisierung auf Verordnungsebene: Deponieverordnung

Sofern das KrWG die Rechtsgrundlagen für die Nutzung einer Deponie zum Zweck der Ressourcengewinnung be-reitstellt, muss ein konkretisierendes untergesetzliches Re-gelwerk entwickelt werden, das die Voraussetzungen für die Erteilung einer Genehmigung festlegt. Dabei ist zu be-rücksichtigen, dass das Öffnen einer Deponie Risiken birgt und der Schutz von Mensch und Umwelt gewährleistet sein muss. Die Sanierung des Bodens und die Verwertung der gewonnenen Rohstoffe müssen so erfolgen, dass eine Be-einträchtigung des Wohls der Allgemeinheit nicht zu be-sorgen ist. Die Deponieverordnung bietet dafür den geeig-neten Rahmen.

Bei der Ausgestaltung des untergesetzlichen Rechtsrah-mens muss zunächst geklärt werden, wann eine Wieder-öffnung der Deponie zwecks Ressourcengewinnung zu-gelassen werden soll. In Betracht kommt eine Zulassung in der Stilllegungsphase (§ 3 Nr. 32 DepV), während der Nachsorgephase (§ 3 Nr.  27 DepV) oder nach Feststel-lung des Abschlusses der Nachsorge durch die zuständige Behörde. Jedoch gilt die Deponieverordnung gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 DepV nur für die Errichtung, den Betrieb, die Stilllegung und die Nachsorge von Deponien. Das kreis-laufwirtschaftsrechtliche Regime endet also mit der Fest-stellung des Abschlusses der Nachsorge. Wenn Landfill Mi-ning auch nach der Nachsorgephase eine Rolle spielen soll, müsste der Anwendungsbereich der Deponieverordnung folglich auf den Zeitraum nach der Nachsorge erweitert werden.

Des Weiteren muss eine Regelung zum Umgang mit den-jenigen Abfällen getroffen werden, die nach der Öffnung der Deponie nicht verwertet werden können und mögli-cherweise nicht den Annahmekriterien gemäß § 6 Abs. 3 bis 5 DepV entsprechen. In solchen Fällen lässt § 6 Abs. 6 S. 2 DepV Ausnahmen von den Annahmekriterien zu. Mit der Vorschrift soll ein Anreiz für die Sanierungen von Alt-lasten oder von unzureichend gesicherten Deponien gege-ben werden. 52 Es müssen jedoch auch Vorkehrungen dafür getroffen werden, wenn die geborgenen Abfälle nicht dem erwarteten Zustand entsprechen und trotz der erleichterten Voraussetzungen des § 6 Abs. 6 DepV nicht wieder in der Deponie abgelagert werden dürfen. Für diesen Fall muss si-chergestellt werden, dass der Antragsteller das erhöhte Kos-tenrisiko trägt und für eine ordnungsgemäße Entsorgung der Abfälle verantwortlich ist.

Für die Realisierung von Landfill Mining-Vorhaben soll-ten darüber hinaus die bestehenden Standards zu Oberflä-chenabdichtungssystemen angepasst werden. Nach der bis-herigen Rechtslage bestimmt § 10 Abs. 1 Nr. 1 DepV, dass der Betreiber einer Deponie der Klasse 0, I, II oder III in der Stilllegungsphase unverzüglich alle erforderlichen Maß-nahmen zur Errichtung eines Oberflächenabdichtungssys-tems gemäß Anhang 1 Nr. 2 der DepV durchführen muss, um eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit zu verhindern. Allgemeine Anforderungen zu Abdichtungs-systemen sind in Anhang 1 Nr. 2.1 DepV enthalten: Danach muss das Abdichtungssystem so gewählt werden, dass die Funktionserfüllung der einzelnen Komponenten und des

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51) Eine Vorprüfung im Einzelfall für ausreichend erachten Sanden/Schomerus (Fn. 5), AbfR 2012, S. 194, 200.

52) Begründung zum Entwurf der Verordnung zur Vereinfachung des Deponierechts, 12. 3. 2009, BT-Drs. 16/12223, S. 62.

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Gesamtsystems über einen Zeitraum von 100 Jahren bzw. bei serienmäßig hergestellten Dichtungskontrollsystemen 53 über einen Zeitraum von 30 Jahren nachgewiesen ist (2.1.1). Anhang 1 Nr.  2.3 DepV regelt die besonderen Anforde-rungen, denen das Oberflächenabdichtungssystem genügen muss (z. B. Aufbau und Systemkomponenten).

Es sollte eine ergänzende Regelung getroffen werden, die auch temporäre Oberflächenabdichtungssysteme zu-lässt 54, wenn bei der Stilllegung der Deponie gemäß § 10 Abs. 1 DepV feststeht, dass die Deponie zum Zwecke der Rohstoffgewinnung wieder geöffnet werden soll. An-hang 1 Nr. 2 der DepV wäre dann um einen Abschnitt zu ergänzen, der diejenigen Anforderungen regelt, die an ein temporäres Oberflächenabdichtungssystem zu stellen sind. Hintergrund ist ein wirtschaftliches Argument, das großen Einfluss auf Rückbaumaßnahmen hat: Oberflächenab-dichtungen, die nur für einen vergleichsweise kurzen Zeit-raum eingesetzt werden, werden auch nur einen Bruchteil dessen kosten, was für eine langfristige Oberflächenab-dichtung zu veranschlagen wäre. Nach Expertenmeinung sind umfangreiche und teure Oberflächenabdichtungen jedoch gleichbedeutend mit einem Stopp jeden Rückbaus. Wenn aber zukünftige Deponien als Zwischenlager mit unterteilten Segmenten für unterschiedliche Abfälle kon-zipiert und gebaut werden sollen, bedarf es angepasster Lö-sungen. 55 Wichtige und unabdingbare Voraussetzung ei-ner Flexibilisierung bei den Oberflächenabdichtungen ist jedoch, dass die Schutz standards für Mensch und Umwelt gewahrt bleiben.

5.4 Flankierung durch das Bodenschutzrecht

Neben den Schwerpunktbereichen des Kreislaufwirtschafts-rechts sollten zur vollständigen Erfassung der Problemstellun-gen bei Landfill Mining-Vorhaben die vorhandenen Schnitt-stellen im KrWG zum Bodenschutzrecht beibehalten werden. Dem liegt die Überlegung zu Grunde, dass von einer De-ponie auch weiterhin ein Gefahrenpotenzial ausgehen kann. Die Abgrenzung, ob eine Genehmigung zur Deponieöff-nung zum Zweck der Rohstoffsicherung zu erteilen ist oder eine Sanierungspflicht aus dem Bodenschutzrecht greift, soll sich auch in Zukunft nach § 40 Abs. 2 S. 2 KrWG richten. Vor diesem Hintergrund würde die Stilllegung auch weiterhin eine rechtliche Zäsur darstellen. Bis zur Stilllegung einer De-ponie käme Kreislaufwirtschaftsrecht zur Anwendung, nach erfolgter endgültiger Stilllegung kann daneben auch das Bo-denschutzrecht zur Anwendung kommen. Der Unterschied

zur gegenwärtigen Rechtslage bestünde darin, dass aufgrund einer möglichen Erweiterung des zeitlichen Anwendungsbe-reichs der DepV über die Stilllegung hinaus eine Abgrenzung vorgenommen werden muss, die sich am Zweck der Maß-nahme orientiert. Eine Maßnahme mit dem Primärzweck der Rohstoffsicherung würde sich dann nach Kreislaufwirt-schaftsrecht einschließlich seiner untergesetzlichen Bestim-mungen beurteilen, eine Maßnahme mit dem Primärzweck der Sanierung dagegen nach Bodenschutzrecht.

6. Fazit und Ausblick

Das Kreislaufwirtschaftsrecht (vormals Abfallrecht) unter-liegt einschließlich seiner untergesetzlichen Bestimmungen bis heute einem stetigen Wandel. Das Phänomen des Landfill Mining ist, getrieben von dem Bestreben nach Versorgungssi-cherheit mit Rohstoffen bei größtmöglicher Schonung natür-licher Ressourcen, nun eine weitere Herausforderung für die Fortentwicklung des Rechts zur Anpassung an den technolo-gischen Fortschritt und politische Notwendigkeiten. Derzeit fehlt es an einer Rechtsgrundlage, die dem Bedürfnis nach einer sicheren und praktikablen Vorgehensweise bei der mög-lichen Genehmigung von Landfill-Mining-Vorhaben Rech-nung trägt. Grundsätzlich sind aber mit dem Kreislaufwirt-schaftsgesetz und der Deponieverordnung vielversprechende Regelungsansätze vorhanden. Auch in konzeptioneller Hin-sicht ist das Kreislaufwirtschaftsrecht auf eine Rohstoffrück-gewinnung aus Deponien vorbereitet, beinhaltet es doch ex-plizit den Gesetzeszweck der Ressourcenschonung. Landfill Mining ist dabei keine rein nationale Angelegenheit, sondern in zahlreichen EU-Staaten ein (Forschungs-)Thema. Daher wäre für die zukünftige Rechtsentwicklung auch auf EU-Ebene anzusetzen und die Anpassung der EU-Abfallrahmen-richtlinie und der EU-Deponierichtlinie vorzunehmen.

Mit dem erneuten Scheitern der jüngsten Klimakonferenz in Warschau wurde abermals die mangelhafte Umsetzung ver-bindlicher Klimaschutzziele durch die Politik auf internationa-ler Bühne demonstriert. Doch nicht nur auf Klimakonferenzen obsiegen oft nationale Interessen an Wohlstand und Wirt-

Dipl.-Jurist Stefan Theil, LL.M. (University College London), Berlin, Deutschland

schaftswachstum über die lang fristigen Belange des Umwelt-schutzes. Einige Stimmen schlagen deshalb vor, umweltrechtli-che Belange als ein Problem des Menschenrechtsschutzes zu begreifen, um so dem Umweltschutz mehr Durchsetzungskraft zu verleihen. Der Beitrag untersucht anhand der Rechtspre-chung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, in wie fern der internationale Menschenrechtsschutz bereits heute Umweltbelange anerkennt und welche Grenzen diesem Bestre-ben gesetzt sind.

Der Umfang des Umweltschutzes in der Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofs für MenschenrechteStefan Theil

© Springer-Verlag 2014

Theil, Umfang des Umweltschutzes in der Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofs

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330 NuR (2014) 36: 330–334

53) Die Einschränkung von 30 Jahren galt vorher nur für Kunststoff-dichtungsbahnen und Asphalt, vgl. Biedermann/Engelmann, Neue Entwicklungen im Deponierecht, in: Stegmann/Rettenberger/Kuchta/Fricke/Heyer (Hrsg.), Deponietechnik 2012, Hambur-ger Berichte zur Abfallwirtschaft, Band 37, S. 13 f.

54) Zugespitzt formuliert: Temporäre Lösungen verschieben das ge-genwärtige Verständnis der eher „statischen“ Deponieverord-nung hin zu einer flexiblen „Depot“verordnung.

55) Vgl. die zusammengefassten Ergebnisse des Expertenworkshops „Landfill Mining – Option oder Fiktion?“ am 10. 2. 2012 in Ber-lin, im Internet unter: http://www.oeko.de/aktuelles/ 2012/landfill-mining-option-oder-fiktion/.